Während vor Ort um kleine Fortschritte im Lärmschutz gerungen wird, starten die "Global Player" der Luftverkehrswirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene neue Versuche, alle Hindernisse für ein weiteres unbegrenztes Wachstum aus dem Weg zu räumen. Sie wollen mehr Menschen und mehr Fracht um die Welt fliegen, sie wollen ihre Flugzeuge besser auslasten, vor allem aber wollen sie mehr Profit. Dafür sollen auch alle Beschränkungen fallen, die ihnen aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes auferlegt wurden.
Auch wer einfach nur Ruhe und saubere Luft haben will, wird diese Aktivitäten nicht ignorieren können. Nachfolgend sollen einige der neueren Attacken kurz beschrieben und überlegt werden, was dagegen zu tun ist.
Das "Luftverkehrskonzept" für Deutschland
Das Bedürfnis, die Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft irgendwie zu steuern und Rahmenbedingungen für sie festzulegen, ist schon älter. Ein erstes Luftverkehrskonzept für Deutschland wurde in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt, ohne grössere Spuren zu hinterlassen. Im Jahr 2000 wurde ein Flughafenkonzept verabschiedet und nach heftigen
Diskussionen im Jahr 2009 erneuert, ohne den Wildwuchs völlig überflüssiger Regionalflughäfen verhindern zu können. Anfang 2013 legte die Bundesregierung eine neue Luftfahrtstrategie vor, und kurz danach begann eine Kommission unter Leitung des ehemaligen hessischen Verkehrsministers Posch, Anforderungen an ein neues "Luftverkehrskonzept für Deutschland" zu formulieren. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, ein solches Konzept zu entwickeln, und die Luftverkehrswirtschaft hat schon mal
zusammen geschrieben, was sie gerne darin stehen hätte. Was kommt da auf uns zu?
Die "Anforderungen" der Posch-Kommission lassen nichts Gutes erwarten. Zwar hat sich wohl vor allem das Umweltbundesamt redlich bemüht, eine allzu einseitige Ausrichtung des Textes zu verhinden, und man findet Aussagen wie
"Die Kommission geht von einer gleichwertigen Bedeutung der wirtschaftlichen und umweltbezogenen Belange aus",
aber um Missverständnisse zu vermeiden, heißt es gleich dahinter
"Ziel eines Luftverkehrskonzeptes für Deutschland sollte sein, in Balance mit wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Belangen die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland zu sichern".
"Wettbewerbsfähigkeit ... sichern" ist also das Ziel, alles andere sind Rahmenbedingungen, die abgewogen zu gestalten sind. Im Folgenden wird dann das übliche Wachstumsdogma heruntergebetet, und Lärm und Schadstoffe (verniedlichend "Umweltbelastungen" genannt, von Gesundheit ist nirgendwo die Rede) müssen hauptsächlich deshalb soweit vertretbar reduziert werden, weil sonst die Akzeptanz für das Wachstum in Gefahr geraten könnte.
Allerdings kommen die Apologeten des Neoliberalismus, die unter Führung von Herrn Posch die eindeutige Mehrheit in der Kommission stellten, mit ihrer Argumentation immer wieder in Schwierigkeiten. Überall da, wo sie staatliche Leistungen für die Luftverkehrswirtschaft in Anspruch nehmen (sprich: Steuergelder abgreifen) wollen, schimmert durch, was Verkehrs-Infrastruktur eigentlich ist: ein Element der Daseinsvorsorge, das nicht dem Prinzip der Profitmaximierung unterworfen sein, sondern im öffentlichen Interesse geplant und entwickelt werden sollte.
So fordert das Papier u.a.
eine Bund-Länder abgestimmte Marktentwicklungsanalyse des nationalen und internationalen Luftverkehrs und entsprechende Schlussfolgerungen für die nationale Luftverkehrspolitik,
eine Bund-Länder abgestimmte Analyse der volkswirtschaftlichen Funktion des Luftverkehrs für Deutschland und Europa,
eine Bund-Länder abgestimmte Analyse und verbindliche Strategie zur Entwicklung des Luftverkehrsstandorts Deutschland und der Luftverkehrsinfrastruktur in Deutschland.
Das klingt fast, als solle der Luftverkehr aufgrund der volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten staatlich geplant werden. Zugleich zeigt aber das Gejammer über die aktuelle Stagnation, dass es nicht darum geht, tatsächlich vorhandene Bedarfe zu befriedigen. Stillstand ist eine Katastrophe; der Luftverkehr muss wachsen, wachsen, wachsen, auch wenn keiner fliegen will. Das Papier muss das gar nicht mehr extra betonen, es setzt durchgehend "Entwicklung des Luftverkehrs" mit "Wachstum" gleich. Nur sicherheitshalber wird nochmal eingeschoben, dass die Bundesregierung natürlich "die Liberalisierung des Luftverkehrs weiterentwickeln" muss.
Der eigentliche Sinn der ganzen Veranstaltung liegt aber wohl darin, die Kompetenz des Bundes stärker im Interesse der Wirtschaft einzusetzen. Dort, wo der Bund die "nationale Bedeutung" bestehender Infrastruktur erkannt hat, soll er zur Not auch gegen die betroffenen Länder die gewünschten Rahmenbedingungen durchsetzen. Die Sprache ist hier noch zurückhaltend, aber die Absicht ist klar: "wettbewerbsfähige" Dimensionen, d.h. insbesondere Ausbaumaßnahmen und Betriebszeiten, sollen notfalls zentral gegen jeden lokalen Widerstand durchgezogen werden.
Eine Koordination zwischen Bund und Ländern zur effektiven Organisation des notwendigen Luftverkehrs und zur sinnvollen Entwicklung der dafür notwendigen Infrastruktur wäre dringend notwendig.
Eine stärkere Bundeskompetenz zum Abräumen aller "Wettbewerbshindernisse" muss dagegen unbedingt verhindert werden.
Das EU - Flughafenpaket
Nachdem die EU-Kommission bereits 2007 angekündigt hatte, dass sie sich Gedanken um die europäischen Flughäfen machen wollte, hat sie im Dezember 2011 drei Verordnungsentwürfe vorgelegt, die zusammen mit einem Strategiepapier das "EU-Flughafenpaket" bildeten. Der hier wichtigste Teil davon war der
Entwurf für eine Verordnung über "lärmbedingte Betriebsbeschränkungen" (lies: Nachtflugverbote), der es den Mitgliedsstaaten erschweren soll, solche Beschränkungen einzuführen, und es darüber hinaus der EU-Kommission ermöglichen sollte, sie auch wieder abzuschaffen, falls sie schon eingeführt sind. Insbesondere die US-Regierung und einige US-Firmen hatten auf eine solche Regelung gedrungen.
Eine ausführliche Kritik an diesem Entwurf gibt es in der gemeinsamen
Stellungnahme der Bundesvereinigung gegen Fluglärm und der Arbeitsgemeinschaft der Fluglärmkommissionen. Auch die AG Europa des BBI hat sich dazu
positioniert.
Nach längeren Auseinandersetzungen wurde Ende Januar 2014 eine
Einigung zwischen Vertretern von Kommission, Ministerrat und Parlament gemeldet. Danach bekommt die Kommission zwar kein formales Vetorecht, muss aber über alle Betriebsbeschränkungen informiert werden und kann dazu Stellung nehmen (was keinen Sinn macht, wenn damit nicht Druck ausgeübt werden soll). Auch wird der sog. "Balanced Approach" bekräftigt, der die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Betriebsbeschränkungen zum Zweck des Lärmschutz nur als allerletztes Mittel einzusetzen. Es bleibt abzuwarten, was die Anwendung dieser Verordnung bringen wird. Wenn die jetzige Einigung von allen Beteiligten bestätigt wird, wird die Verordnung 2016 in Kraft treten.
Sollte die "Betriebsbeschränkungs-Verordnung" gemäß dem jetzigen Kompromiss verabschiedet werden, bietet sie der EU-Kommission nach wie vor Möglichkeiten, Druck für weitere "Liberalisierungen" auszuüben und lokale Betriebsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen, insbesondere Nachtflugverbote, in Frage zu stellen.
Bund und Länder müssen sicherstellen, dass derartige Betriebsbeschränkungen rechtssicher verankert werden können.
Die Freihandelsabkommen (TTIP & Co.)
Freihandelsabkommen dienen nicht nur dazu, Zölle zu beseitigen, sondern auch sog. "nicht-tarifäre Handelshemmnisse", von unterschiedlichen Kennzeichnungspflichten für Produkte bis hin zu Umweltschutz-, Sicherheits- und Arbeitsschutz-Vorschriften. Das gilt auch für das "Transatlantic Trade and Investment Partnership (
TTIP)", mitunter auch "TransAtlantic Free Trade Agreement (TAFTA)" genannt. Was da aktuell weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen EU und USA verhandelt wird, hat ein breites
Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen ans Licht gezogen und kritisiert. Eine gut lesbare Übersicht über die Inhalte der Verhandlungen und die wichtigsten Problembereiche hat die EU-Koordination des Deutschen Naturschutzrings zusammengestellt.
Auch innerhalb der EU-Institutionen regt sich Widerstand. Eine
Studie für den Umweltausschuss des Europa-Parlaments empfiehlt offen die Ablehnung dieser Verhandlungen und identifiziert unter den Bereichen, in denen EU-Regeln durch das Abkommen besonders gefährdet sind, auch die Luftfahrt. Zwar bezieht sie sich dabei insbesondere auf den Emissionshandel, aber aus dem Text wird deutlich, dass auch andere Bereiche gefährdet sein können, insbesondere natürlich Betriebsbeschränkungen wie Nachtflugverbote.
Auf US-Seite kämpft ein ähnliches Bündnis aus den gleichen Gründen gegen TTIP und TPP ("Trans-Pacific Partnership", ein vergleichbares Abkommen, dass die USA mit 12 pazifischen Staaten schliessen wollen). Hier kommt noch hinzu, dass die Verhandlungen völlig der parlamentarischen Kontrolle entzogen werden sollen und Exekutive und Konzerne allein entscheiden wollen.
Der Widerstand auf beiden Seiten des Atlantik wird über das Seattle to Brussels Network koordiniert.
Nachdem allein in Deutschland weit über 300.000 Menschen einen Appell unterzeichnet haben, diese Verhandlungen zu beenden, hat die EU-Kommission ein kleines Stückchen eingelenkt und erklärt, dass ein Teil der laufenden Verhandlungen für einige Monate ausgesetzt und eine sog. "Konsultation zu Sonderklagerechten für Investoren" durchgeführt werden soll, damit die Kritiker der Kommission die Meinung sagen können (s.
Pressemitteilung der EU-Kommission mit Links zu weiterem EU-Material). Damit ist jedoch nur ein kleiner Teil der Aktivitäten erfaßt, andere Verhandlungsrunden laufen uneingeschränkt weiter.
Um den Vorwurf der "Geheimverhandlungen" zu entkräften, wurde auch ein neues Beratungsgemium einberufen, in dem auch Vertreter der Zivilgesellschaft sitzen, so u.a. Pieter de Pous vom Europäischen Umweltbüro EEB und Jos Dings von
Transport & Environment. Inwieweit dieses Gremium aber tatsächlich Öffentlichkeit herstellen und Kontrolle ausüben kann, bleibt abzuwarten.
Die Europa-Wahlen im Mai müssen unbedingt dazu genutzt werden, die Kandidatinnen und Kandidaten zu fragen, wie sie zu diesen Abkommen und ihren Folgen stehen. Wer die souveränen Rechte der EU und ihrer Mitgliedsstaaten und das erreichte Niveau des Arbeits-, Gesundheits- und Umwelt-Schutzes dem Freihandel opfern will, ist nicht wählbar.
Klimaschutz a la ICAO
Ein Großteil der internationalen Klimaschutz-Bemühungen läuft unter dem Dach der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). Am 27.09.2013 hat die UN-Unterorganisation IPCC ihren
fünften Sachstandsbericht veröffentlicht und betont, dass die Emissionen von Treibhausgasen dringend gesenkt werden müssen, wenn eine Klimakatastrophe verhindert werden soll. Eine Woche später, am 4.10.2013, hat die Generalversammlung der UN-Unterorganisation ICAO begonnen, den Auftrag umzusetzen, den sie 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls erhalten hatte, und eine
Resolution beschlossen, die aussagt, wie der Beitrag der Zivilluftfahrt aussehen soll. Bis zum nächsten Treffen 2016 möchte man darüber nachdenken, ob man eventuell vielleicht ab 2020 einen Mechanismus etablieren möchte, der materielle Anreize dafür geben könnte, die CO2-Emissionen des Flugverkehrs eventuell vielleicht nicht ganz so schnell steigen zu lassen wie vorhergesehen. Bis dahin soll kein ICAO-Mitglied irgendwelche Maßnahmen ergreifen dürfen, die den internationalen Flugverkehr irgendwie beeinträchtigen könnten.
Diese letzte Bestimmung zielt gegen das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) das versucht hatte, zumindest den europäischen Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen und damit CO2-Einsparungen zu errreichen. Die EU hatte bereits eine vollständige Einbeziehung aller Flüge von und nach Europa beschlossen, aber nach Protesten, wiederum vor allem aus den USA, aber auch von Russland, China und anderen, diesen Beschluss bis zur ICAO-Konferenz 2013 ausgesetzt. Nachdem die ICAO aber nur eine unverbindliche Absichtserklärung beschlossen hat, hatte die Kommission einen Vorschlag vorgelegt, diese Aussetzung zu beenden. Lobby-Gruppen im Parlament liefen Sturm gegen diesen Vorschlag. Da für eine Mehrheit der Abgeordneten aber wohl eher die
Glaubwürdigkeit der EU
auf dem Spiel stand, fand der Kommissionsvorschlag (leicht abgeschwächt) doch eine Mehrheit.
Unter den Anti-Klima-Lobbyisten tut sich besonders MdEP
Michael Gahler (CDU) hervor, der u.a. auch den Kreis Gross-Gerau in Brüssel vertritt. Sonst eher als Rüstungslobbyist bekannt, versuchte er im Verkehrsausschuss des EP (obwohl dort nur Stellvertretendes Mitglied) zusammen mit anderen CDUlern, eine Aussetzung bis 2020 zu erreichen. Damit stellte er sich sogar gegen seinen Parteikollegen
Peter Liese, der als verantwortlicher Berichterstatter im Umweltausschuss den Kommissionsvorschlag durchsetzen wollte, aber der hatte die grosse Mehrheit im Ausschuss, und wahrscheinlich demnächst auch im Gesamt-Parlament, hinter sich.
Auch hier ist aber noch längst nicht alles klar. Noch existiert kein Konsens zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission, und einige Mitgliedsländer, darunter bisher auch Deutschland, stellen sich gegen diese Entscheidung. Deshalb versucht die internationale Luftfahrtlobby weiterhin, jeden Ansatz von Klimaschutz zu torpedieren, und ihr deutscher Ableger macht eifrig mit. Wenn die Menschheit beim Klimaschutz voran kommen will, muss dieser Bande das Handwerk gelegt werden.
Auch hier bieten die Europa-Wahlen im Mai Gelegenheit, die Kandidatinnen und Kandidaten zu fragen, wie sie in dieser Frage abstimmen wollen. Wem der Profit der Luftverkehrswirtschaft wichtiger ist als Umwelt- und Klima-Schutz, der gehört auch nicht ins Europa-Parlament.
Nachtrag vom 27.04.2014:
Bilanz des EU-Parlaments
Mit der Sitzungswoche vor Ostern hat das alte EU-Parlament seine Tätigkeit im Wesentlichen beendet und dabei noch eine Reihe von Prozessen zum Abschluss gebracht, die die Themenbereiche "Flugverkehr" und "Fluglärm" betreffen. Die Bilanz ist leider weniger positiv als erhofft.
Im Rahmen des EU-Flughafenpakets wurde die oben diskutierte Verordnung über "lärmbedingte Betriebsbeschränkungen" verabschiedet. Das Bündnis der Bürgerinitiativen übt in einer Pressemitteilung heftige Kritik an diesem Beschluss. Vor dem Hintergrund, dass eine Zeitlang Besseres erreichbar schien, ist das verständlich. Man sollte aber den positiven Aspekt nicht übersehen. Kosteneffizienz und "Balanced Approach" waren auch bisher schon mehr oder weniger explizit die Leitlinien der EU-Fluglärmpolitik. Wesentlicher neuer Inhalt des Pakets war in diesem Bereich der Versuch der Kommission, sich zum Ober-Zensor für Betriebsbeschränkungen aufzuschwingen - und damit ist sie nicht durchgekommen.
Der Ball liegt jetzt wieder im nationalen Spielfeld. Bundes- und Landesregierungen könnten nach wie vor Betriebsbeschränkungen durchsetzen, wenn sie es denn wollten. Und hier liegt der eigentlich bedenkliche Punkt dieses Kompromisses. Die Kommission ist nicht etwa an einem übermächtigen Parlament gescheitert. Im sog. Trilog hat der Ministerrat, also die Vertreter der EU-Mitgliedsländer, durchgesetzt, dass es bei den nationalen Kompetenzen bleibt, weil sie dieses Thema nach eigenen Bedürfnissen regeln möchten. Und was z.B. die Bundesregierung sich dazu vorstellt, steht im Koalitionsvertrag: "Generelle Nachtflugverbote lehnen wir ab.".
Der Terminplan für die Verhandlungen über neue Freihandelszonen ist durch die Kritik der Zivilgesellschaft schon derart durcheinander gebracht worden, dass die Karten dafür erst in der neuen Legislaturperiode neu gemischt werden. Die Bedenken insbesondere gegen TTIP haben inzwischen derartige Ausmaße angenommen, dass selbst sonst kreuzbrave Institutionen wie der Deutsche Städte- und Gemeinde-Bund Kritik äußern, weil Elemente der Daseinsvorsorge in Gefahr sind. Hier wird es also sehr darauf ankommen, wie sich die Mehrheit des neuen Parlaments positioniert.
Leider hat das alte Parlament in seiner letzten Sitzung noch einer Verordnung der EU-Kommission zugestimmt, die zwar nicht direkt die aktuell verhandelten Abkommen betrifft, aber die Grundlagen der finanziellen Lastenverteilung im Fall von Investorklagen regelt und damit Rahmenbedingungen für alle neuen (und schon bestehende) Abkommen dieser Art schafft. Wie die deutschen EU-ParlamentarierInnen bzw. Parteien dazu abgestimmt haben, kann man hier nachsehen.
Auch bei der Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel kommt es auf das neue Parlament an. Hier ist das alte Parlament komplett vor dem Ministerrat eingeknickt und hat entgegen der Empfehlung seines zuständigen Fachausschusses zugestimmt, die Einbeziehung internationaler Flüge bis 2016 komplett auszusetzen. Gerade die deutsche Regierung hat hier massiven Druck ausgeübt - Ex-"Klimakanzlerin" Merkel hat offensichtlich nicht nur ein Herz für die notleidende Autoindustrie, sondern auch für die darbende Luftfahrt.
Der Vollständigkeit halber sei noch ein Beschluss erwähnt, der allerdings nicht vom Parlament kommt: Die EU-Kommission hat per Erlass die Subventionierung von Regionalflughäfen und Billigfluglinien fortgeschrieben. Öffentlich
stellt sie es zwar anders dar, aber die Hintergründe sind in einem
Kommentar von Jos Dings gut erläutert.
Hintergründe zum "Luftverkehrskonzept"
Zum Thema "Luftverkehrskonzept" gibt es noch einige interessante Hintergrund-Informationen. Bereits im März erschien eine vom BdL bestellte Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Eine der ersten Adresse für wissenschaftlich verbrämte Polit-Studien dieser Art ist natürlich der allseits bekannte Prof. Rürup und sein "Handelsblatt Research Institute". Er kommt wunschgemäß zu dem Ergebnis, dass insbesondere Luftverkehrssteuer, Emissionshandel und Betriebsbeschränkungen Gift für die Wettbewerbsfähigkeit sind. Dabei rechnet er natürlich auch aus, wie teuer hohe Arbeits-, Sozial- und Umwelt-Standards kommen, erklärt diese aber mit salbungsvollen Worten für anderweitig nützlich - schließlich will man im aktuellen Konflikt zumindest die Gewerkschaften mit im Boot haben. Und die von diesen Standards ach so gebeutelten Konzerne, wie die Lufthansa, wissen ja auch so, was sie zu tun haben.
Andererseits gibt es Erfolgsmeldungen, die man anscheinend nicht so gerne allzu laut hinaus posaunt. So krönt die
Weltbank Deutschland zum "Logistics Champion 2014" und
McKinsey erklärt Deutschland zum obersten Globalisierungs-Gewinner, wobei "Global Connectedness" die Hauptrolle spielt. Letzteres kommentiert die FAZ eher beiläufig und distanziert, während die Bertelsmann-Stiftung sogar solange mit anderen Indices herumspielt, bis sie Finnland auf Platz 1 setzen kann (und Deutschland "nur" auf Platz 4 landet) - german understatement ? Auch Frau Merkel tut ja gerne so, als hätte sie in der EU fast nichts zu sagen. Offenbar herrscht es sich zur Zeit besser, wenn man dabei nicht allzu sehr im Rampenlicht steht.
Wer aber noch Zweifel gehabt haben sollte, auf welch hohem Niveau BDL und Co. zu jammern pflegen, kann sich von diesen Elaboraten eines Besseren belehren lassen. Es geht nicht um das Aufholen oder Beseitigen irgendwelcher Defizite - es geht um Vorrangstellung und Maximalprofit.
"Global Player" gegen Lärm- und Klima-Schutz
Autor: Horst Bröhl-Kerner,   04.02.2014
Während vor Ort um kleine Fortschritte im Lärmschutz gerungen wird, starten die "Global Player" der Luftverkehrswirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene neue Versuche, alle Hindernisse für ein weiteres unbegrenztes Wachstum aus dem Weg zu räumen. Sie wollen mehr Menschen und mehr Fracht um die Welt fliegen, sie wollen ihre Flugzeuge besser auslasten, vor allem aber wollen sie mehr Profit. Dafür sollen auch alle Beschränkungen fallen, die ihnen aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes auferlegt wurden.
Auch wer einfach nur Ruhe und saubere Luft haben will, wird diese Aktivitäten nicht ignorieren können. Nachfolgend sollen einige der neueren Attacken kurz beschrieben und überlegt werden, was dagegen zu tun ist.
Das "Luftverkehrskonzept" für Deutschland
Das Bedürfnis, die Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft irgendwie zu steuern und Rahmenbedingungen für sie festzulegen, ist schon älter. Ein erstes Luftverkehrskonzept für Deutschland wurde in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt, ohne grössere Spuren zu hinterlassen. Im Jahr 2000 wurde ein Flughafenkonzept verabschiedet und nach heftigen Diskussionen im Jahr 2009 erneuert, ohne den Wildwuchs völlig überflüssiger Regionalflughäfen verhindern zu können. Anfang 2013 legte die Bundesregierung eine neue Luftfahrtstrategie vor, und kurz danach begann eine Kommission unter Leitung des ehemaligen hessischen Verkehrsministers Posch, Anforderungen an ein neues "Luftverkehrskonzept für Deutschland" zu formulieren. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, ein solches Konzept zu entwickeln, und die Luftverkehrswirtschaft hat schon mal zusammen geschrieben, was sie gerne darin stehen hätte. Was kommt da auf uns zu?
Die "Anforderungen" der Posch-Kommission lassen nichts Gutes erwarten. Zwar hat sich wohl vor allem das Umweltbundesamt redlich bemüht, eine allzu einseitige Ausrichtung des Textes zu verhinden, und man findet Aussagen wie
aber um Missverständnisse zu vermeiden, heißt es gleich dahinter"Wettbewerbsfähigkeit ... sichern" ist also das Ziel, alles andere sind Rahmenbedingungen, die abgewogen zu gestalten sind. Im Folgenden wird dann das übliche Wachstumsdogma heruntergebetet, und Lärm und Schadstoffe (verniedlichend "Umweltbelastungen" genannt, von Gesundheit ist nirgendwo die Rede) müssen hauptsächlich deshalb soweit vertretbar reduziert werden, weil sonst die Akzeptanz für das Wachstum in Gefahr geraten könnte.
Allerdings kommen die Apologeten des Neoliberalismus, die unter Führung von Herrn Posch die eindeutige Mehrheit in der Kommission stellten, mit ihrer Argumentation immer wieder in Schwierigkeiten. Überall da, wo sie staatliche Leistungen für die Luftverkehrswirtschaft in Anspruch nehmen (sprich: Steuergelder abgreifen) wollen, schimmert durch, was Verkehrs-Infrastruktur eigentlich ist: ein Element der Daseinsvorsorge, das nicht dem Prinzip der Profitmaximierung unterworfen sein, sondern im öffentlichen Interesse geplant und entwickelt werden sollte.
So fordert das Papier u.a.
Der eigentliche Sinn der ganzen Veranstaltung liegt aber wohl darin, die Kompetenz des Bundes stärker im Interesse der Wirtschaft einzusetzen. Dort, wo der Bund die "nationale Bedeutung" bestehender Infrastruktur erkannt hat, soll er zur Not auch gegen die betroffenen Länder die gewünschten Rahmenbedingungen durchsetzen. Die Sprache ist hier noch zurückhaltend, aber die Absicht ist klar: "wettbewerbsfähige" Dimensionen, d.h. insbesondere Ausbaumaßnahmen und Betriebszeiten, sollen notfalls zentral gegen jeden lokalen Widerstand durchgezogen werden.
Eine Koordination zwischen Bund und Ländern zur effektiven Organisation des notwendigen Luftverkehrs und zur sinnvollen Entwicklung der dafür notwendigen Infrastruktur wäre dringend notwendig.
Eine stärkere Bundeskompetenz zum Abräumen aller "Wettbewerbshindernisse" muss dagegen unbedingt verhindert werden.
Das EU - Flughafenpaket
Nachdem die EU-Kommission bereits 2007 angekündigt hatte, dass sie sich Gedanken um die europäischen Flughäfen machen wollte, hat sie im Dezember 2011 drei Verordnungsentwürfe vorgelegt, die zusammen mit einem Strategiepapier das "EU-Flughafenpaket" bildeten. Der hier wichtigste Teil davon war der Entwurf für eine Verordnung über "lärmbedingte Betriebsbeschränkungen" (lies: Nachtflugverbote), der es den Mitgliedsstaaten erschweren soll, solche Beschränkungen einzuführen, und es darüber hinaus der EU-Kommission ermöglichen sollte, sie auch wieder abzuschaffen, falls sie schon eingeführt sind. Insbesondere die US-Regierung und einige US-Firmen hatten auf eine solche Regelung gedrungen.
Eine ausführliche Kritik an diesem Entwurf gibt es in der gemeinsamen Stellungnahme der Bundesvereinigung gegen Fluglärm und der Arbeitsgemeinschaft der Fluglärmkommissionen. Auch die AG Europa des BBI hat sich dazu positioniert.
Nach längeren Auseinandersetzungen wurde Ende Januar 2014 eine Einigung zwischen Vertretern von Kommission, Ministerrat und Parlament gemeldet. Danach bekommt die Kommission zwar kein formales Vetorecht, muss aber über alle Betriebsbeschränkungen informiert werden und kann dazu Stellung nehmen (was keinen Sinn macht, wenn damit nicht Druck ausgeübt werden soll). Auch wird der sog. "Balanced Approach" bekräftigt, der die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Betriebsbeschränkungen zum Zweck des Lärmschutz nur als allerletztes Mittel einzusetzen. Es bleibt abzuwarten, was die Anwendung dieser Verordnung bringen wird. Wenn die jetzige Einigung von allen Beteiligten bestätigt wird, wird die Verordnung 2016 in Kraft treten.
Sollte die "Betriebsbeschränkungs-Verordnung" gemäß dem jetzigen Kompromiss verabschiedet werden, bietet sie der EU-Kommission nach wie vor Möglichkeiten, Druck für weitere "Liberalisierungen" auszuüben und lokale Betriebsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen, insbesondere Nachtflugverbote, in Frage zu stellen.
Bund und Länder müssen sicherstellen, dass derartige Betriebsbeschränkungen rechtssicher verankert werden können.
Die Freihandelsabkommen (TTIP & Co.)
Freihandelsabkommen dienen nicht nur dazu, Zölle zu beseitigen, sondern auch sog. "nicht-tarifäre Handelshemmnisse", von unterschiedlichen Kennzeichnungspflichten für Produkte bis hin zu Umweltschutz-, Sicherheits- und Arbeitsschutz-Vorschriften. Das gilt auch für das "Transatlantic Trade and Investment Partnership ( TTIP)", mitunter auch "TransAtlantic Free Trade Agreement (TAFTA)" genannt. Was da aktuell weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen EU und USA verhandelt wird, hat ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen ans Licht gezogen und kritisiert. Eine gut lesbare Übersicht über die Inhalte der Verhandlungen und die wichtigsten Problembereiche hat die EU-Koordination des Deutschen Naturschutzrings zusammengestellt.
Auch innerhalb der EU-Institutionen regt sich Widerstand. Eine Studie für den Umweltausschuss des Europa-Parlaments empfiehlt offen die Ablehnung dieser Verhandlungen und identifiziert unter den Bereichen, in denen EU-Regeln durch das Abkommen besonders gefährdet sind, auch die Luftfahrt. Zwar bezieht sie sich dabei insbesondere auf den Emissionshandel, aber aus dem Text wird deutlich, dass auch andere Bereiche gefährdet sein können, insbesondere natürlich Betriebsbeschränkungen wie Nachtflugverbote.
Auf US-Seite kämpft ein ähnliches Bündnis aus den gleichen Gründen gegen TTIP und TPP ("Trans-Pacific Partnership", ein vergleichbares Abkommen, dass die USA mit 12 pazifischen Staaten schliessen wollen). Hier kommt noch hinzu, dass die Verhandlungen völlig der parlamentarischen Kontrolle entzogen werden sollen und Exekutive und Konzerne allein entscheiden wollen.
Der Widerstand auf beiden Seiten des Atlantik wird über das Seattle to Brussels Network koordiniert.
Nachdem allein in Deutschland weit über 300.000 Menschen einen Appell unterzeichnet haben, diese Verhandlungen zu beenden, hat die EU-Kommission ein kleines Stückchen eingelenkt und erklärt, dass ein Teil der laufenden Verhandlungen für einige Monate ausgesetzt und eine sog. "Konsultation zu Sonderklagerechten für Investoren" durchgeführt werden soll, damit die Kritiker der Kommission die Meinung sagen können (s. Pressemitteilung der EU-Kommission mit Links zu weiterem EU-Material). Damit ist jedoch nur ein kleiner Teil der Aktivitäten erfaßt, andere Verhandlungsrunden laufen uneingeschränkt weiter.
Um den Vorwurf der "Geheimverhandlungen" zu entkräften, wurde auch ein neues Beratungsgemium einberufen, in dem auch Vertreter der Zivilgesellschaft sitzen, so u.a. Pieter de Pous vom Europäischen Umweltbüro EEB und Jos Dings von Transport & Environment. Inwieweit dieses Gremium aber tatsächlich Öffentlichkeit herstellen und Kontrolle ausüben kann, bleibt abzuwarten.
Die Europa-Wahlen im Mai müssen unbedingt dazu genutzt werden, die Kandidatinnen und Kandidaten zu fragen, wie sie zu diesen Abkommen und ihren Folgen stehen. Wer die souveränen Rechte der EU und ihrer Mitgliedsstaaten und das erreichte Niveau des Arbeits-, Gesundheits- und Umwelt-Schutzes dem Freihandel opfern will, ist nicht wählbar.
Klimaschutz a la ICAO
Ein Großteil der internationalen Klimaschutz-Bemühungen läuft unter dem Dach der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). Am 27.09.2013 hat die UN-Unterorganisation IPCC ihren fünften Sachstandsbericht veröffentlicht und betont, dass die Emissionen von Treibhausgasen dringend gesenkt werden müssen, wenn eine Klimakatastrophe verhindert werden soll. Eine Woche später, am 4.10.2013, hat die Generalversammlung der UN-Unterorganisation ICAO begonnen, den Auftrag umzusetzen, den sie 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls erhalten hatte, und eine Resolution beschlossen, die aussagt, wie der Beitrag der Zivilluftfahrt aussehen soll. Bis zum nächsten Treffen 2016 möchte man darüber nachdenken, ob man eventuell vielleicht ab 2020 einen Mechanismus etablieren möchte, der materielle Anreize dafür geben könnte, die CO2-Emissionen des Flugverkehrs eventuell vielleicht nicht ganz so schnell steigen zu lassen wie vorhergesehen. Bis dahin soll kein ICAO-Mitglied irgendwelche Maßnahmen ergreifen dürfen, die den internationalen Flugverkehr irgendwie beeinträchtigen könnten.
Diese letzte Bestimmung zielt gegen das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) das versucht hatte, zumindest den europäischen Flugverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen und damit CO2-Einsparungen zu errreichen. Die EU hatte bereits eine vollständige Einbeziehung aller Flüge von und nach Europa beschlossen, aber nach Protesten, wiederum vor allem aus den USA, aber auch von Russland, China und anderen, diesen Beschluss bis zur ICAO-Konferenz 2013 ausgesetzt. Nachdem die ICAO aber nur eine unverbindliche Absichtserklärung beschlossen hat, hatte die Kommission einen Vorschlag vorgelegt, diese Aussetzung zu beenden. Lobby-Gruppen im Parlament liefen Sturm gegen diesen Vorschlag. Da für eine Mehrheit der Abgeordneten aber wohl eher die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel stand, fand der Kommissionsvorschlag (leicht abgeschwächt) doch eine Mehrheit.
Unter den Anti-Klima-Lobbyisten tut sich besonders MdEP Michael Gahler (CDU) hervor, der u.a. auch den Kreis Gross-Gerau in Brüssel vertritt. Sonst eher als Rüstungslobbyist bekannt, versuchte er im Verkehrsausschuss des EP (obwohl dort nur Stellvertretendes Mitglied) zusammen mit anderen CDUlern, eine Aussetzung bis 2020 zu erreichen. Damit stellte er sich sogar gegen seinen Parteikollegen Peter Liese, der als verantwortlicher Berichterstatter im Umweltausschuss den Kommissionsvorschlag durchsetzen wollte, aber der hatte die grosse Mehrheit im Ausschuss, und wahrscheinlich demnächst auch im Gesamt-Parlament, hinter sich.
Auch hier ist aber noch längst nicht alles klar. Noch existiert kein Konsens zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission, und einige Mitgliedsländer, darunter bisher auch Deutschland, stellen sich gegen diese Entscheidung. Deshalb versucht die internationale Luftfahrtlobby weiterhin, jeden Ansatz von Klimaschutz zu torpedieren, und ihr deutscher Ableger macht eifrig mit. Wenn die Menschheit beim Klimaschutz voran kommen will, muss dieser Bande das Handwerk gelegt werden.
Auch hier bieten die Europa-Wahlen im Mai Gelegenheit, die Kandidatinnen und Kandidaten zu fragen, wie sie in dieser Frage abstimmen wollen. Wem der Profit der Luftverkehrswirtschaft wichtiger ist als Umwelt- und Klima-Schutz, der gehört auch nicht ins Europa-Parlament.
Nachtrag vom 27.04.2014:
Bilanz des EU-Parlaments
Mit der Sitzungswoche vor Ostern hat das alte EU-Parlament seine Tätigkeit im Wesentlichen beendet und dabei noch eine Reihe von Prozessen zum Abschluss gebracht, die die Themenbereiche "Flugverkehr" und "Fluglärm" betreffen. Die Bilanz ist leider weniger positiv als erhofft.
Im Rahmen des EU-Flughafenpakets wurde die oben diskutierte Verordnung über "lärmbedingte Betriebsbeschränkungen" verabschiedet. Das Bündnis der Bürgerinitiativen übt in einer Pressemitteilung heftige Kritik an diesem Beschluss. Vor dem Hintergrund, dass eine Zeitlang Besseres erreichbar schien, ist das verständlich. Man sollte aber den positiven Aspekt nicht übersehen. Kosteneffizienz und "Balanced Approach" waren auch bisher schon mehr oder weniger explizit die Leitlinien der EU-Fluglärmpolitik. Wesentlicher neuer Inhalt des Pakets war in diesem Bereich der Versuch der Kommission, sich zum Ober-Zensor für Betriebsbeschränkungen aufzuschwingen - und damit ist sie nicht durchgekommen.
Der Ball liegt jetzt wieder im nationalen Spielfeld. Bundes- und Landesregierungen könnten nach wie vor Betriebsbeschränkungen durchsetzen, wenn sie es denn wollten. Und hier liegt der eigentlich bedenkliche Punkt dieses Kompromisses. Die Kommission ist nicht etwa an einem übermächtigen Parlament gescheitert. Im sog. Trilog hat der Ministerrat, also die Vertreter der EU-Mitgliedsländer, durchgesetzt, dass es bei den nationalen Kompetenzen bleibt, weil sie dieses Thema nach eigenen Bedürfnissen regeln möchten. Und was z.B. die Bundesregierung sich dazu vorstellt, steht im Koalitionsvertrag: "Generelle Nachtflugverbote lehnen wir ab.".
Der Terminplan für die Verhandlungen über neue Freihandelszonen ist durch die Kritik der Zivilgesellschaft schon derart durcheinander gebracht worden, dass die Karten dafür erst in der neuen Legislaturperiode neu gemischt werden. Die Bedenken insbesondere gegen TTIP haben inzwischen derartige Ausmaße angenommen, dass selbst sonst kreuzbrave Institutionen wie der Deutsche Städte- und Gemeinde-Bund Kritik äußern, weil Elemente der Daseinsvorsorge in Gefahr sind. Hier wird es also sehr darauf ankommen, wie sich die Mehrheit des neuen Parlaments positioniert.
Leider hat das alte Parlament in seiner letzten Sitzung noch einer Verordnung der EU-Kommission zugestimmt, die zwar nicht direkt die aktuell verhandelten Abkommen betrifft, aber die Grundlagen der finanziellen Lastenverteilung im Fall von Investorklagen regelt und damit Rahmenbedingungen für alle neuen (und schon bestehende) Abkommen dieser Art schafft. Wie die deutschen EU-ParlamentarierInnen bzw. Parteien dazu abgestimmt haben, kann man hier nachsehen.
Auch bei der Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel kommt es auf das neue Parlament an. Hier ist das alte Parlament komplett vor dem Ministerrat eingeknickt und hat entgegen der Empfehlung seines zuständigen Fachausschusses zugestimmt, die Einbeziehung internationaler Flüge bis 2016 komplett auszusetzen. Gerade die deutsche Regierung hat hier massiven Druck ausgeübt - Ex-"Klimakanzlerin" Merkel hat offensichtlich nicht nur ein Herz für die notleidende Autoindustrie, sondern auch für die darbende Luftfahrt.
Der Vollständigkeit halber sei noch ein Beschluss erwähnt, der allerdings nicht vom Parlament kommt: Die EU-Kommission hat per Erlass die Subventionierung von Regionalflughäfen und Billigfluglinien fortgeschrieben. Öffentlich stellt sie es zwar anders dar, aber die Hintergründe sind in einem Kommentar von Jos Dings gut erläutert.
Hintergründe zum "Luftverkehrskonzept"
Zum Thema "Luftverkehrskonzept" gibt es noch einige interessante Hintergrund-Informationen. Bereits im März erschien eine vom BdL bestellte Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Eine der ersten Adresse für wissenschaftlich verbrämte Polit-Studien dieser Art ist natürlich der allseits bekannte Prof. Rürup und sein "Handelsblatt Research Institute". Er kommt wunschgemäß zu dem Ergebnis, dass insbesondere Luftverkehrssteuer, Emissionshandel und Betriebsbeschränkungen Gift für die Wettbewerbsfähigkeit sind. Dabei rechnet er natürlich auch aus, wie teuer hohe Arbeits-, Sozial- und Umwelt-Standards kommen, erklärt diese aber mit salbungsvollen Worten für anderweitig nützlich - schließlich will man im aktuellen Konflikt zumindest die Gewerkschaften mit im Boot haben. Und die von diesen Standards ach so gebeutelten Konzerne, wie die Lufthansa, wissen ja auch so, was sie zu tun haben.
Andererseits gibt es Erfolgsmeldungen, die man anscheinend nicht so gerne allzu laut hinaus posaunt. So krönt die Weltbank Deutschland zum "Logistics Champion 2014" und McKinsey erklärt Deutschland zum obersten Globalisierungs-Gewinner, wobei "Global Connectedness" die Hauptrolle spielt. Letzteres kommentiert die FAZ eher beiläufig und distanziert, während die Bertelsmann-Stiftung sogar solange mit anderen Indices herumspielt, bis sie Finnland auf Platz 1 setzen kann (und Deutschland "nur" auf Platz 4 landet) - german understatement ? Auch Frau Merkel tut ja gerne so, als hätte sie in der EU fast nichts zu sagen. Offenbar herrscht es sich zur Zeit besser, wenn man dabei nicht allzu sehr im Rampenlicht steht.
Wer aber noch Zweifel gehabt haben sollte, auf welch hohem Niveau BDL und Co. zu jammern pflegen, kann sich von diesen Elaboraten eines Besseren belehren lassen. Es geht nicht um das Aufholen oder Beseitigen irgendwelcher Defizite - es geht um Vorrangstellung und Maximalprofit.