Karte: UFP-Meßstation Neu-Isenburg

Die obere Karte zeigt die Flug­routen in der Umge­bung von Neu-Isen­burg (ent­nom­men der Anwen­dung 'FRAmap' aus dem Fraport Info­service Flug­lärm, Beschrif­tungen ergänzt). Die Routen '07 Süd kurz' werden prak­tisch nicht be­flogen, so dass alle Luft­verkehrs-bezo­genen Ein­flüsse an der Meß­station vom Flug­hafen­gelände selbst oder von den von West nach Nordost an Neu-Isen­burg vorbei führen­den An- und Abflug-Routen kommen müssen.
Die untere Karte zeigt die Ent­fer­nungen und Rich­tungen (Karte und Ent­fer­nungs-Messung: Google Maps), die im HLNUG-Bericht eine Rolle spielen. Der "HLNUG-Wind­sektor" ist blau mar­kiert.

HLNUG-Kurzbericht
zu UFP-Messungen in Neu-Isenburg


Die Ergebnisse

Das HLNUG beschreibt die Messungen in der Zusammen­fassung des Kurz­berichts wie folgt:

Im Rahmen des Sonder­mess­programms „Ultra­feine Partikel“ wurden in Neu-Isen­burg vom 22.08.2022 bis 28.08.2023 Messungen zur Bestim­mung der Partikel­anzahl­konzen­tration und Partikel­anzahl-Größen­vertei­lung mit Hilfe eines Mobili­täts­partikel­größen­spektro­meters durch­geführt. Die Anzahl­konzen­tration der Partikel im Größen­bereich von 10 – 500 nm betrug im Mittel über den gesamten Mess­zeit­raum 7.400 Partikel pro cm³. Hierbei lag der über­wiegende Teil der Mess­werte zwischen 2.100 und 18.200 Partikeln pro cm³.
Zum "Ein­fluss des Flug­betriebs" wird mitge­teilt:
Betrachtet man im Mess­zeit­raum aus­schließ­lich Zeiten, in denen Neu-Isen­burg im Abwind­bereich des Flug­hafens stand, lag die mitt­lere Par­tikel­anzahl­konzen­tration bei ca. 10.200 Partikel pro cm³, wobei ca. 70 % dieser Partikel im für Emis­sionen aus dem Flug­betrieb typi­schen Größen­bereich zwischen 10 – 30 nm zu finden waren. Außer­halb der Flug­betriebs­zeiten sowie tags­über bei Wind aus anderen Rich­tungen als dem Flug­hafen­gelände ergaben sich mittlere Konzen­tratio­nen von 7.000 bis 7.200 Partikel pro cm³.
...
Im Mess­zeitraum war dies
[Wind vom Flug­hafen] ledig­lich ca. 8 % der Zeit der Fall.
Zur Bewer­tung dieser Belas­tung wird ausge­führt:
Laut Luft­güte­leit­linien der Welt­gesund­heits­organi­sation (WHO) sind Stunden­mittel­werte der Partikel­anzahl­konzen­tration größer als 20.000 Partikel pro cm³ als hohe Belas­tung einzu­stufen. Dies trifft in Neu-Isen­burg auf 3 % aller Stunden­mittel­werte zu. Das WHO-Krite­rium für den Tages­mittel­wert von 10.000 Partikel pro cm³ wird an 22 % aller Mess­tage über­schritten ... . Insge­samt werden diese Orien­tierungs­werte deut­lich seltener als in Raun­heim und Frank­furt-Schwan­heim über­schritten. Entspre­chend ist die Belas­tung durch ultra­feine Partikel in Neu-Isen­burg im Vergleich zu Raun­heim und Frank­furt-Schwan­heim deut­lich seltener als hoch einzu­schätzen.

Neue statis­tische Metho­den erlauben aber noch tiefere Ein­blicke in die Rolle des Flug­betriebs:

Mit Hilfe einer Cluster-Analyse der gemes­senen ... Luft­schad­stoffe und der Partikel­anzahl-Größen­vertei­lung lassen sich Rück­schlüsse auf die Partikel­quellen und unter­schied­lichen Belas­tungs­situa­tionen in Neu-Isen­burg ziehen. Die Analyse ermög­lichte eine quali­tative Unter­schei­dung zweier Partikel­quellen aus dem Flug­verkehr: 1.) Boden­nahe Emissionen, ... und 2.) Emis­sionen landen­der Flug­zeuge ... .
Das führt zu weit­reichenden Schluß­folge­rungen:
Die Ergeb­nisse zeigen, dass die boden­nahen Emis­sionen bei west­lichem Wind nach Neu-Isen­burg verla­gert werden und dort zu beson­ders hohen Konzen­trations­werten und einem breiten Maximum der Partikel­anzahl-Größen­vertei­lung im Größen­bereich zwischen 10 – 30 nm führen. Zusätz­lich trägt in Neu-Isen­burg die Summe der Emis­sionen landen­der Flug­zeuge, die sich auf niedrigen Flug­höhen bis ca. 400 m befinden, zur Partikel­konzen­tration bei. Hierbei treten im Gegen­satz zu den boden­nahen Emis­sionen beson­ders viele kleine Partikel (< 20 nm) auf. Diese beson­ders kleinen Partikel werden bei Wind aus West bis Nord nach Neu-Isen­burg trans­portiert und führen zu einem geringeren Konzen­trations­anstieg ver­glichen mit dem der boden­nahen Emis­sionen. Aufgrund des sehr deut­lichen Maximums der Partikel­anzahl­konzen­tration für Wind aus ca. 260° – 270°, lässt sich schließen, dass die boden­nahen Emis­sionen der Flug­zeuge die weitaus größere Rolle für die Partikel­konzen­tration in Neu-Isen­burg spielen als die Emis­sionen landender Flug­zeuge. Außerdem lässt sich aus den Ergeb­nissen erkennen, dass die Emis­sionen landender Flug­zeuge, die sich ober­halb ca. 400 m befinden, für die Partikel­konzen­tration in Neu-Isen­burg keinen oder nur einen sehr geringen zusätz­lichen Beitrag liefern.

Das wären interes­sante Ergeb­nisse, aber leider enthalten die HLNUG-Auswer­tungen auch hier wieder zahl­reiche Ungereimt­heiten, die die Quali­tät der Aussagen in Frage stellen.

Karte: An- und Abflüge Neu-Isenburg

Die Grafiken zeigen die An- und Abflüge jeweils eines Tages mit entspre­chender Betriebs­richtung in der Umge­bung von Neu-Isen­burg (ge­stal­tet mit der Anwen­dung 'Stanly Track 3' der Deutschen Flug­sicherung DFS, Darstel­lung nach­träg­lich leicht verän­dert).
Die Anflüge (oben) finden in relativ gleichen Höhen statt, vari­ieren aber durch den "Swing" von der Südbahn auf die Center­bahn im seit­lichen Abstand von der Meß­station.
Die Abflüge (unten) sind seit­lich enger gebün­delt, vari­ieren dafür stärker in der an der Meß­station erreichten Höhe.


Die Mängel

Zunächst teilt auch dieser Bericht die grund­sätz­lichen Mängel aller bishe­rigen HLNUG-Berichte: willkür­liche Wahl des rele­vanten "Wind­sektors", der rele­vanten Flug­höhen und Partikel­grössen, keine Berück­sichti­gung des realen Flug­betriebs (Betriebs­richtung, Vertei­lung der Bewe­gungen inner­halb der Betriebs­zeit, usw.).
Die Begren­zungen des Wind­sektors für die "Abschät­zung des Ein­flusses des Flug­betriebs auf die Gesamt­belas­tung" führen zwar im Süden direkt an den Grenzen des Flug­hafens vorbei, im Norden aber deut­lich darüber hinaus und erfassen da zwar einen nahe­gele­genen Straßen­verkehrs­knoten, aber nur einen Teil der Flug­routen, von denen sonst ein Einfluß ange­nommen wird, und ob da gestartet oder gelandet wird, scheint egal zu sein.

Auch die Bewer­tung der Belas­tung ist proble­matisch. Zwar ist es grund­sätz­lich positiv, dass das HLNUG sich auf die Luft­güte­richt­linien der WHO bezieht, aber die dort ange­gebenen Werte für "hohe Belas­tung" beziehen sich auf "einen Größen­bereich mit einer unteren Grenze von 10 nm und keiner Begren­zung nach oben" (eigene Übersetzung).
Der von den Messungen nicht erfasste Bereich über 500 nm kann durchaus rele­vant zur Partikel-Anzahl bei­tragen, so dass die WHO-Richt­werte häufiger über­schritten sein können als ange­geben.

Zwar sind erst­malig Ansätze enthalten, die gesam­melten Daten statis­tisch weiter auszu­werten, die bleiben jedoch in den Anfängen stecken. So findet sich unter der viel­verspre­chenden Über­schrift "Einfluss unter­schied­licher Quellen auf die Partikel­anzahl-Größen­vertei­lung" eine Grafik, in der diese Vertei­lung für 5 Wind­richtungen darge­stellt ist, aber es wird kein Wort darüber gesagt, welche Quellen in diesen Rich­tungen vermutet werden und ob die Werte diese Vermu­tung bestä­tigen (ausser für die Flug­hafen-Quelle natür­lich).

Auch das zweite hier neu auf­tauchende Instru­ment ist grund­sätzlich sehr interes­sant, wird aber nur unzu­reichend und in teils frag­würdiger Weise genutzt. Es handelt sich nach HLNUG-Angaben um eine "k-means-Cluster­analyse", "ein unüber­wachtes Verfahren des maschi­nellen Lernens" mit dem Ziel, "in dem multi­dimensio­nalen Daten­satz ... Gruppen mit ähn­lichen Eigen­schaften zu identi­fizieren". "Sofern sinnvoll und möglich können diese Gruppen unter­schied­lichen Belas­tungs­situa­tio­nen oder sogar Quellen zuge­ordnet werden".

Natür­lich macht die Software nicht alles alleine. Ein paar Vor­gaben müssen gemacht werden, vor allem aber muss hinterher entschie­den werden, ob die gefun­denen formalen Ähnlich­keiten auch inhalt­liche Gemeinsam­keiten haben. Das wird vor allem dann ein Problem, wenn man sich nur einzelne Aspekte heraus­pickt, die vorge­faßte Meinungen bestä­tigen sollen. Dazu ein paar Beispiele aus der HLNUG-Inter­preta­tion der sieben identi­fizierten Gruppen oder "Cluster".

Zu den Clustern 1 und 5 heisst es, dass sie " mit beson­ders breiten Partikel­anzahl-Größen­vertei­lungen die höchsten Konzen­trationen von NO₂, NO und CO sowie erhöhte Konzen­trationen von Fein­staub aufweisen. ... Diese Cluster treten vermehrt nachts sowie aus nordöst­lichen Wind­richtungen auf. Daraus lässt sich schließen, dass diese Cluster ... von lokalen und regio­nalen Emis­sionen aus urbanen Quellen vor allem des Kfz-Verkehrs domi­niert werden".
Da stört es dann plötz­lich nicht mehr, dass beide Cluster das Maximum ihrer Vertei­lungen bei etwa 20 Nano­meter haben, eine Grösse, die dem HLNUG sonst als charakte­ristisch für den Flug­betrieb gilt. Cluster 1 hat darüber hinaus auch noch die zweit­höchste Partikel­anzahl aller Cluster im Bereich 10-30 nm - ganz ohne Flug­betrieb?

Ein paar Sätze weiter heisst es dann wieder: "Cluster 4 zeigt die höchste Partikel­anzahl im für Emis­sionen aus dem Flug­betrieb typischen Bereich von 10 – 30 nm, ..." und darauf auf­bauend wird ausführ­lich weiter begrün­det, warum Cluster 2 und 4 nicht nur den Ein­fluss des Flug­betriebs nach­weisen, sondern sogar noch differen­zieren zwischen einer "Über­lage­rung von allen Quellen in unmittel­barer Nähe des Flug­hafen­geländes (Gesamt­betrieb inkl. bspw. Rollen, Starten, Landen, übriger Bodenbetrieb, Cluster 4)" und einer durch Cluster 2 beschrie­benen Situa­tion, die gekenn­zeichnet ist durch "eine etwas geringere Partikel­anzahl­konzen­tration und beson­ders kleine Partikel ... im Wind­richtungs­bereich von 245° - 294° .. aber zusätz­lich auch für Wind aus Richtung Nordwest bis Nord ...", wo "bei Betriebs­richtung West die Anflug­routen auf das Parallel­bahn­system ... etwa 1 km ent­fernt von der Mess­stelle" liegen und "sich die Flug­zeuge während des Vorbei­flugs ... in einer Flug­höhe von etwa 400 bis 500 m" befinden.

Und damit glaubt HLNUG nun end­lich den lang ersehn­ten Beweis zu haben: "Die Häufig­keit des Clusters 2 nimmt für öst­liche Wind­richtungen deut­lich ab. Weiter­hin zeigt auch die Partikel­anzahl­konzen­tration im Größen­bereich von 10 – 30 nm für öst­liche Wind­richtungen, aus einem Bereich, in dem die Flug­höhe mehr als 400 m beträgt, keine Erhöhung während des Flug­betriebs. Daher tragen diese Emis­sionen nur bis zu einer Flug­höhe von ca. 400 m nach­weisbar zur Partikel­belastung am Boden bei."
Vergessen wird dabei aller­dings, dass einer­seits, je weiter der Wind auf östliche Rich­tungen dreht, Lande­anflüge aus Osten immer unwahr­schein­licher werden (da die Betriebs­richtung gewech­selt wird und die Starts andere Partikel­grössen in anderen Höhen emit­tieren), und anderer­seits die Entfer­nung zwischen Flug­zeugen und Meß­station nur zufällig gerade bei 400-500 m Flug­höhe am geringsten ist.

Um hier wirk­lich Aussagen machen zu können, müsste man einer­seits nur Zeiten betrachten, in denen tatsäch­lich Anflug herrscht, und anderer­seits natür­lich an mehereren Stellen in gleichem Abstand zu den anflie­genden Flug­zeugen messen, um den Ein­fluss der Höhe festzu­stellen. Aber davor, in irgend­einer Form den tatsäch­lichen Flug­betrieb berück­sichtigen zu müssen, hat das HLNUG offen­sicht­lich einen unüber­wind­baren Horror.
Man könnte noch mehr Unge­reimtheiten auf­zeigen und viel darüber speku­lieren, wie die Meß­ergeb­nisse auch anders inter­preiert werden könnten, aber fun­dierte Aussagen sind damit auch nicht zu erreichen. Eine sinn­volle Auswer­tung muss, und wird hoffent­lich, in einem anderen Rahmen statt­finden.


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