Die untersuchten Regionen und ihre Zuordnung zu den vier Clustern, die in Bezug auf die Fragestellung ähnliche Regionen zusammenfassen.
Der Flughafen Frankfurt liegt in dem Cluster 4 - Bereich, der von den "Regionen" RP Darmstadt, Unterfranken, Karlsruhe, Rheinhessen-Pfalz und Saarland gebildet wird. Fast alle anderen deutschen Regionen gehören ebenfalls zu den Clustern 4 oder 3. Warum RP Giessen da herausfällt, haben wir nicht herausgefunden.
Um die Ergebnisse der Studie genauer verstehen und besser einordnen zu können, geben wir im folgenden einige Aussagen wieder, die uns dafür wichtig erscheinen. (Alle Zitate („“) sind eigene Übersetzungen aus dem englischen Text, mit dem die Autoren ihre Studie vorstellen.)
Zunächst zwei Vorbemerkungen zur Methodik. Die verwendete regionale Gliederung beruht auf der
"Klassifizierung der räumlichen Bezugseinheiten der amtlichen Statistik in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union"
(Nomenclature des unités territoriales statistiques,
NUTS).
In dieser existieren verschiedene Level der Detailliertheit. Hier wurde Level 2 verwendet, der aus 274 Regionen besteht, in
Deutschland
im Wesentlichen die Ebene der Regierungsbezirke. Es gibt daher rund um den Flughafen Frankfurt keine 'Rhein-Main-Region', sondern einen Bereich aus mehreren Regierungsbezirken.
Die verwendeten statistischen Methoden werden mit Quellenangabe benannt und in einem eigenen
Methodologie-Papier
beschrieben. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen Luftverkehrs-Wachstum und Wachstum des
Bruttosozialprodukts,
genauer des
Bruttonationaleinkommens
(Gross National Product, GNP) im Zeitraum 2000 bis 2023.
Die wesentlichen Aussagen in der NEF-Zusammenfassung lauten:
„Unsere Analyse legt nahe, dass ein Ursachen-Zusammenhang, in dem Wachstum der Luft-Konnektivität das Wachstum des GDP pro Kopf antreibt, nur in 37% (101) der europäischen Regionen, überwiegend in Osteuropa, statistisch gestützt werden kann. In 53% (145) der europäischen Regionen fanden wir einen Ursachen-Zusammenhang, in dem das Einkommens-Wachstum die Nachfrage nach Luftverkehr (im Wesentlichen Auslands-Tourismus) antreibt. Diese Regionen dominieren einen Großteil von Nord- und West-Europa. Es gibt eine kleine Überlappung zwischen diesen beiden Typen der Kausalität (12% der Regionen), so dass für 22% der Regionen keine Kausalität identifiziert werden konnte.“
„Wir haben zusätzlich eine Untergruppe von Regionen (11%) identifiziert, in denen der Zusammenhang zwischen den beiden Indikatoren negativ ist. Dabei wurden die GDP-Verluste, die der Luftverkehr durch seine Klimawirkungen bewirkt, nicht berücksichtigt.“
Mit anderen Worten: es gibt Regionen in Europa, in denen weiteres Wachstum des Luftverkehrs das allgemeine wirtschaftliche Wachstum behindert, selbst wenn die negativen Effekte des Klimawandels nicht berücksichtigt werden. Die Rhein-Main-Region gehört definitiv dazu.
Zu diesen Regionen wird zusätzlich erläutert:
„Um einige Schlüssel-Kontexte hervorzuheben, ... benutzten wir eine statistische Cluster-Methode, um Europas Regionen zu charakterisieren durch den Typ der Beziehung zwischen Luft-Konnektivität und der Wirtschaft, die sie darstellen. Dies führte zur Einführung von vier verschiedenen Clustern.
In unserer Cluster-Analyse heben wir hervor, dass ein Schlüsselfaktor für die Betrachtung und Wirkfaktor für den Rückgang der Rolle des Luftverkehrs als Wachstumstreiber der Rückgang der Reisen zu Geschäftszwecken ist. Nur Nationen, die von Cluster 1-Regionen dominiert sind, haben in den vergangenen 13 [23?] Jahren Wachstum im Geschäftsreise-Flugverkehr gezeigt.“[Anm.: Hier wird im Deutschen häuig der Begriff "Geschäftsflugverkehr" benutzt, was problematisch ist, weil dieser Begriff eigentlich definitionsgemäß dem Nicht-Linienflugverkehr zugeordnet ist, der aber in der Studie nicht untersucht wird.]„Anderswo sehen wir Zeichen von Sättigung im geschäftlichen Markt. Das heisst nicht, dass es dort keine Nachfrage nach Flugverkehr gibt, sie kommt allerdings hauptsächlich aus dem Freizeit-Markt.“
„Der Rückgang der Luft-Konnektivität als Wachstumstreiber ist in jenen Regionen am stärksten, in denen der Geschäftsreise-Flugverkehr zurückgegangen ist und in denen die Tourismus-Ausgaben im Netto-Defizit sind (d.h. eine Region sendet mehr Touristen aus als hereinkommen) - hauptsächlich die Cluster 3 und 4 in unserer Typologie. Diese Regionen sind besonders häufig in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland.“
Wieder mit eigenen Worten zusammengefasst: Die Schäden, die wachsender Flugverkehr für regionales wirtschaftliches Wachstum bringen kann, entstehen hauptsächlich in Regionen mit hohen Einkommen, genauer gesagt wohl in Regionen mit hohem Anteil an Wohlhabenden, die den Flugverkehr nutzen, um ihren touristischen und Freizeit-Aktivitäten ausserhalb der Region nachzugehen.
Zugespitzt formuliert: wenn Fraport die Zahl der Flugbewegungen in Frankfurt steigern will, dann möchten sie der Region wirtschaftliche Aktivität und kaufkräftige Nachfrage entziehen und sie woanders hin verlagern.
Faktisch ist ihnen dieser Effekt natürlich egal. Sie möchten möglichst viele Flüge organisieren und möglichst viele Menschen durch ihre Shopping Malls, Parkhäuser etc. schleusen, weil sie an all dem verdienen. Nebenwirkungen kümmern sie dabei nicht. Ob der lokalen Wirtschaft Nachfrage entzogen wird, ob die Bevölkerung im Umland für Lärm und Schadstoff-Belastung mit ihrer Gesundheit zahlt, ob deswegen Immobilien-Werte reduziert werden oder ob irgendwo Schäden durch Klimaveränderungen, Extremwetter-Ereignisse o.ä. erzeugt werden - in der eigenen Bilanz taucht das nicht auf.
Es sind Kolateral-Schäden, die andere tragen und die sie daher ignorieren können - die politische Unterstützung dafür haben sie ja.