Hier stellen wir Dokumente zu wichtigen Themen der BI-Arbeit und nützliche Unterlagen bereit,
wobei wir uns auch hier auf Dinge konzentrieren, die einen Bezug zu Raunheim haben
oder für die Bürgerinnen und Bürger hier wichtig oder interessant sein können.
(Viele weitere Informationen finden sich über die Links zu anderen
Web-Seiten.)
Folgende Themenkomplexe werden derzeit behandelt:
Flughafen-Ausbau
Akute Bedrohungen
(Absturz-Gefahren,
Wirbelschleppen,
Vogelschlag)
Lärmwirkungen und Gesundheit
Aktiver Schallschutz
Passiver Schallschutz
Schadstoffe
Waldvernichtung durch Flughafenausbau, 1935 bis heute.
Quelle: http://www.flughafen.unser-forum.de/
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Seit der Frankfurter Flughafen in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts vom Rebstockgelände in den Schwanheimer Wald verlegt wurde, hat er sich in mehreren Schüben in das Waldgebiet zwischen Raunheim, Walldorf und Kelsterbach gefressen und ist insbesondere auf Raunheim zu gewachsen, wie die Grafik zeigt.
Nach Abschluss der vorletzten Ausbau-Maßnahme, dem Bau der Startbahn West, war das verbliebene Waldgebiet unter Schutz gestellt und zum Bannwald erklärt worden, dessen ökologische Funktion für die Region "unersetzlich" ist. Laut Aussage des damaligen Ministerpräsidenten Holger Börner (SPD) sollte für den Flughafen "kein Baum mehr fallen" - genutzt hat es nichts.
Nur fünfzehn Jahre später meldete die Lufthansa durch ihren damaligen Vorstandschef Jürgen Weber "unabweisbaren Bedarf" für den Ausbau ihrer Homebase an und drohte mit Verlagerung. Das genügte, um (fast) alle politischen Kräfte in Hessen ihre ökologischen Versprechen vergessen zu lassen. Die amtierende rot-grüne Regierung unter Hans Eichel (SPD) berief eine sog.
"Mediation" ein, um mit allen Beteiligten zu diskutieren - nicht etwa, ob der Flughafen ausgebaut werden solle, sondern nur, wie das am Besten zu bewerkstelligen sei.
Im Januar 2000 hat die Mediationsgruppe ein Fünf-Punkte-Paket vorgelegt bestehend aus
Bürgerinitiativen und Umweltverbände haben sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) an Mediation und Dialog nicht beteiligt, weil von Anfang an klar war, dass sie nur dazu dienen sollten, die Pläne von Lufthansa und Fraport gegen den Widerstand der Betroffenen durchzusetzen. Diese Sicht der Dinge und viele Details zum Ablauf des Prozesses sind in der Ausbau-Dokumentation des DFLD nachzulesen. Dort sind auch die jeweils geschaffenen rechtlichen Grundlagen, insbesondere die Planfeststellungsbeschlüsse, dokumentiert.
Quelle: Thomas Römer / OpenStreetMap data [CC-BY-SA 2.0]
via Wikimedia Commons, Stand 04/2012
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Fraport hatte die Wünsche der Lufthansa zunächst in einem sog. Generalausbauplan 2015 zusammengefaßt. Er konzentrierte sich im wesentlichen auf drei Punkte:
Letztlich wurden aber sowohl die Wartungshalle als auch die Nordwestbahn mit freundlicher Unterstützung der inzwischen schwarz(-gelben) Regierungen unter Roland Koch (CDU) mit juristischer Brachialgewalt durchgesetzt. Den erreichten Stand und die in der Planfeststellung bereits enthaltenen, aber noch nicht umgesetzten Ausbauschritte zeigt die nebenstehende Grafik.
Von den drei Punkten sind zwei im Wesentlichen umgesetzt. Die A380-Wartungshalle ist in Betrieb, zunächst wie geplant in halber Grösse. Ein Vollausbau kann bei Bedarf erfolgen. Die Nordwestbahn ist in Betrieb, und dass der Flugbetrieb noch nicht so funktioniert wie geplant, ist für Fluglärmgegner kein Grund zur Freude. Der VGH hat in seinem jüngsten Urteil zur Südumfliegung noch einmal klargestellt: alles, was dem planfestgestellten Kapazitätsziel im Weg steht, kann juristisch abgeräumt werden. Das gilt insbesondere für Lärmschutz-Maßnahmen. Auch die beim VGH noch anstehenden weiteren Klagen werden keinen Rückbau der Bahn erzwingen können.
Zu den flugbetrieblichen Problemen, die sich mit dem neuen Vier-Bahnen-System ergeben haben, hat die Gewerkschaft der Flugsicherung eine
Sonderausgabe ihrer Zeitschrift "der flugleiter" herausgegeben, die interessante und teilweise auch für Laien lesbare Informationen und Einschätzungen enthält.
Am 17.09.2013 hat Fraport verkündet, den Bauantrag für die erste Bauphase des Terminal 3 beim Bauamt der Stadt Frankfurt eingereicht zu haben, am 12.08.2014 konnten sie sich über die
Genehmigung freuen. In seiner Sitzung am 15.04.2015 hat der Fraport-Aufsichtsrat
beschlossen, den Schritt zu gehen. Am 5.10.2015 fand auf dem Baugelände in der südöstlichen Ecke des Flughafengeländes der
erste Spatenstich für den
Bau eines neuen Terminalgebäudes mit zunächst zwei Flugsteigen statt, die 2022 in Betrieb gehen sollen. Zwei weitere Flugsteige und Nebengebäude sollen in späteren Phasen folgen.
Auch hier sind die rechtlichen Grundlagen für Fraport weitgehend abgesichert. Zwar sträubt sich Trebur noch, ein Stück Wald zu verkaufen, das vor Baubeginn gerodet werden muss, um einen Autobahnanschluss herzustellen, aber das wird den Bau nicht verhindern können.
Trotzdem liegt hier der aktuell wichtigste Ansatzpunkt, die weitere Verlärmung der Region zu verhindern. Ohne dieses Terminal kann Fraport das geplante Wachstum nicht erreichen, denn das leistungsfähigste Bahnensystem nützt nichts, wenn man Passagiere und Gepäck nicht halbwegs schnell und komfortabel in die Flugzeuge hinein und aus ihnen wieder heraus bekommt. Dieses Terminal ist dafür geplant, die Passagier-Kapazität von FRA zu verdoppeln. Deshalb liegt hier der Ansatz, die Weichen für eine andere Entwicklung zu stellen, wenn es denn politisch gewollt wäre. Eine regionalverträgliche Entwicklung des Flughafens ist nur möglich, wenn diese Fehlinvestition gestoppt wird und Fraport ein Geschäftsmodell findet, dass nicht mehr auf immer weiteres Wachstum setzt.
Politische Mehrheiten, die einen solchen Kurswechsel durchsetzen könnten, sind aber aktuell nicht erkennbar. Die schwarz-grüne Landesregierung, die Anfang 2014 ins Amt kam, setzt die "Wettbewerbsfähigkeit" des Flughafens an erste Stelle und hat den Bau des Terminal 3 durchgewinkt. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Prüfung der betrieblichen Notwendigkeit liess Fraport freie Hand und machte lediglich Alternativvorschläge für den Fall, dass die Investition aktuell als zu riskant eingeschätzt worden wäre. Fraports Wachstumshoffnungen sind aber ungedämpft, und es gibt auch keine Garantie dafür, dass die derzeit stagnierende Zahl der Flugbewegungen eine Trendwende bedeute. Tatsächlich steigt die Zahl der Passagiere wieder, wenn auch langsam, und die Konkurrenz der neuen Hubs in Istanbul und Dubai wird erst in einigen Jahren spürbar. Auch der Bundesfinanzminister sieht das Projekt T3 positiv und möchte es im Rahmen von Junckers Konjunkturprogramm von der EU fördern lassen.
Aber auch wenn das Passagieraufkommen aktuell zurück ginge, würde Fraport das Terminal vermutlich trotzdem bauen wollen, denn es hat noch eine weitere wichtige Funktion. Zusammen mit CargoCity, Gateway Gardens, Airrail Center/SQUAIRE, Mönchhofgelände und einer ganzen Reihe anderer Gebäudekomplexe gehört es zur sog. Airport City, dem Immobiliensektor der Fraport, der schon heute der bedeutendste Geschäftsbereich ist und mehr Gewinn bringt als der Flugbetrieb. Dieser Sektor ist für Fraport so wichtig, dass sie ihn sogar besingen lassen. Vielleicht liegt ja eine gewisse Symbolik darin, dass der King Kamehameha Club, in dem der Song aufgenommen wurde, inzwischen ebenso wie das "Dorian Gray", die Flughafen-eigene Disco, Geschichte ist. Die coole Fassade bricht immer wieder zusammen - die Profitmacherei dahinter geht ungebrochen weiter und erreicht immer neue Extreme. Dass diese Entwicklung für die Region ebenfalls sehr kritisch werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Solche Entwicklungen finden auch international statt - die Gebilde heissen dann meist "Aerotropolis" - und auch der Widerstand dagegen hat sich seit Kurzem im "Global Anti-Aerotropolis Movement" (GAAM) zusammen geschlossen.
Die Ausbau-Befürworter haben diesmal sorgfältig darauf geachtet, einen Fehler zu vermeiden, den sie beim letzten Mal gemacht haben. Es gibt keine (verbale) Garantie, dass dieser Ausbauschritt der letzte wäre. Für sie gilt weiterhin: nach dem Ausbau ist vor dem Ausbau.
Es wird noch sehr starken und lang dauernden politischen Druck erfordern, diese Haltung zu durchbrechen.
Für eine deftige Schlagzeile vergisst die BILD-Zeitung schon mal, für wen sie normalerweise schreibt. Im Stil aber bleibt sie sich treu: wenn schon nicht völlig frei erfunden, dann zumindest maßlos übertrieben. Wie die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen in ihrem
Untersuchungsbericht feststellt,
war der kleinere Flieger noch ca. 30 Meter von der theoretischen Grenze des Wirbelschleppenbereichs des Airbus entfernt. Nun ist das aber ein berechneter Sicherheitsbereich, und niemand weiß genau, wo und wie stark die Wirbelschleppen aktuell tatsächlich sind - nur eben ausserhalb des Bereichs mit ziemlicher Sicherheit nicht. Auch kann es zwar für die Insassen eines kleinen Flugzeugs ziemlich unangenehm werden, in die Wirbelschleppe eines großen zu geraten - zum Absturz kommt es aber dabei erst, wenn noch weitere unglückliche Umstände dazu kommen und/oder der Pilot Fehler macht.
Aber auch wenn es diesmal nicht so dramatisch war und gut gegangen ist: der Bericht weist auf "systemische Fehler" hin, die ohne grundlegende Änderung des An- und Abflug-Systems (mit entsprechender Reduzierung der Kapazität) nicht vollständig beseitigt werden können (dazu ein Kommentar).
Tatsächlich sind in der Folgezeit trotz aller Bemühungen der DFS, solche Pannen zu vermeiden, noch drei ähnlichen Situationen bekannt geworden.
So sieht es aus, wenn es auf FRA eng wird ...
Während der durchstartende A343 abdreht, startet die B777 (oben) ...
... aber der vorher gestartete A321 wurde auf eine Notabflugroute über Raunheim gelenkt (unten).
Im August 2013 berichtet wiederum die BILD-Zeitung über eine "gefährliche Annäherung" zweier Flugzeuge, allerdings mit Fragezeichen. Am Mittwoch, den 07.08., gegen 8:45 Uhr, startet ein Airbus A380 der Singapur Airlines auf der Centerbahn Richtung Westen. Gleichzeitig startet eine Boeing 747 der Lufthansa, die auf der Südbahn landen sollte, durch und fliegt eine Zeitlang parallel, aber höher, zu dem Airbus. Der nimmt glücklicherweise nicht die Südumfliegung, die eigentlich standardmäßig für diesen Flugzeugtyp vorgesehen ist, sondern dreht nach Norden auf die alte Abflugroute ab. Ein echter Kollisionskurs wird daher vermieden - angeblich ohne das Eingreifen der Fluglotsen. Trotzdem scheint der Abstand zwischen den beiden nach den verfügbaren Daten zeitweise geringer, als die Regeln vorsehen - die DFS bestreitet das allerdings vehement, und auch die BFU sieht diesmal keinen Anlass für eine Untersuchung.
Im April 2014 macht eine Pressemitteilung des BBI einen ähnlichen Fall öffentlich, die DFS widerspricht in der lokalen Presse (siehe z.B.
hier und
hier), und auch die BFU möchte nicht untersuchen. Aber auch hier bleiben wieder Fragen offen. Die
Flugrouten der beiden Flugzeuge (ein startender A380 der Lufthansa und eine durchstartende russische B747) liegen zunächst über dem Waldsee eng beieinander, die
Flughöhen an dieser Stelle sind allerdings unterschiedlich. Der zeitliche Abstand, in dem sie diesen Punkt passierten, lag nach
Lärmmessungen der Station Raunheim Nord nur bei rund 35 Sekunden.
Aufgrund von Anzeigen hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung dann doch noch eine Untersuchung eingeleitet, als deren Ergebnis aber zunächst nur verkündet wurde, dass keine "gefährliche Annäherung" stattgefunden hat. Ob aber auch die gültigen Regeln für den abhängigen Betrieb zwischen Center- und Südbahn nicht verletzt wurden, sagt die Meldung nicht, und Einblick in die Akten möchte das BAF auch nicht gewähren.
Der nächste Fall dann Anfang Juli: am 03.07.14 kurz nach 14:00 Uhr bricht ein A343 der Lufthansa die geplante Landung auf der Südbahn ab. Auf der Centerbahn startet kurz vorher ein A321 und nimmt eine Notabflugroute direkt über Raunheim. Unmittelbar nach ihm, noch während der A343 über der Südbahn nach Süden abdreht, startet auf der Centerbahn eine B777 und nimmt die Nordwestabflugroute. Auch hier wieder offene Fragen: warum nimmt der A321 eine Route über Raunheim, obwohl die Nordwestabflugroute frei war? Wieso durfte die B777 starten, obwohl parallel das Durchstartmanöver auf der Südbahn lief?
Auch 2015 hat die DFS das Problem nicht im Griff. Wie der Aviation Herald berichtet, musste am 21. Mai eine aus Moskau kommende B747-400 Frachtmaschine auf der Südbahn durchstarten. Der Fluglotse wies die gleichzeitig auf der Centerbahn startende B767-300 Passagiermaschine nach Kanada an, den Start abzubrechen, was der Pilot trotz fast erreichter Startgeschwindigkeit auch tat. Die Konsequenzen waren heftig: da die Bremsen eines Flugzeugs nicht dafür ausgelegt sind, eine vollbeladene Maschine bei annähernder Startgeschwindigkeit schnell zum Stehen zu bringen, musste die Flughafen-Feuerwehr in einem Notfalleinsatz die heiss gewordenen Bremsen kühlen. Anschliessend musste die Maschine zur Reparatur, um Reifen und Bremsen auszutauschen und das Fahrwerk zu überprüfen. Die Passagiere wurden erst am folgenden Tag mit einer anderen Maschine ans Ziel gebracht. Auch wenn es hier nicht zu einer "gefährlichen Annäherung" kommen konnte, weil die 767 gar nicht erst abgehoben hat, ist das Problem doch das gleiche wie in den früheren Fällen.
Auch wenn in keinem dieser Fälle akute Kollisions- oder Absturzgefahr drohte, zeigen sie, dass die gewählten Flugverfahren nicht, wie gefordert, "systemisch sicher" sind. Aktuell denkt die DFS darüber nach, durch einen Tausch der Start- und Landebahn bei Betriebsrichtung 25 (dann also Landungen auf der Centerbahn, Starts auf der Südbahn) für etwas mehr Sicherheit zu sorgen. Damit wird aber das Grundproblem nicht gelöst, das darin liegt, dass viel zu viele Flugbewegungen auf einem dafür nicht geeigneten Bahnsystem abgewickelt werden sollen. Es ist allerdings zu befürchten, dass sich diese Erkenntnis nur sehr langsam durchsetzen wird. Wir werden also mit einem erhöhten "Restrisiko" leben, dass es doch einmal zur Katastrophe kommt.
Dann bleibt ja auch noch die Tatsache, dass bei aller Sicherheit des Luftverkehrs insgesamt eben doch immer mal wieder Flugzeuge vom Himmel fallen - aus unterschiedlichsten, nicht vorhersagbaren Gründen, aber immer noch bevorzugt bei Starts oder Landungen. Es liegt zwar schon über sechzig Jahre zurück, aber auch in Raunheim gab es schon drei Tote bei einem Absturz. Insgesamt kam es am Frankfurter Flughafen nach den Archiven des Bureau of Aircraft Accidents Archives zu 12 Abstürzen von Verkehrsmaschinen (der letzte 1967), davon 9 bei Landungen. Und je häufiger die Maschinen über die Köpfe fliegen, je häufiger man von übermüdeten Piloten, schlampiger Wartung und unvorhergesehenen Problemen bei neuen Flugzeugtypen liest, desto unangenehmer wird das Gefühl.
Und manchmal bleibt es nicht beim Hörensagen - als am Freitag, den 21.06.2013, gegen 12:45 Uhr ein Flugzeug mit lautem Geknatter und brennendem Triebwerk von Süden auf Raunheim zuflog und über dem Stadtgebiet Richtung Flughafen abdrehte, da wurde es vielen BeobachterInnen Angst und Bange. Auch diesmal ging alles gut. Die Maschine, die kurz vorher auf der Startbahn West gestartet war und ein Triebwerksproblem bekommen hatte, landete sicher auf der Südbahn. Trotzdem macht dieser Vorfall eine an sich lange bekannte Tatsache nochmal sehr deutlich: wer so kurz vor der Landebahn liegt, der wird überflogen, wenn eine Maschine herunter muss - egal, wie beschädigt sie sein mag. Ehe man entscheidet, einen Flieger ins Feld fallen zu lassen und die Insassen zu opfern, wird man versuchen, ihn doch noch heil herunter zu bringen - auch wenn man dabei einen Absturz über bewohntem Gebiet riskiert. Das ist, bei allem Verständnis, kein angenehmer Gedanke für diejenigen, die das fragliche Gebiet bewohnen.
Um aber unnötigen Ängsten vorzubeugen, hat Fraport in der Planfeststellung die Wahrscheinlichkeit
berechnen lassen, dass im Umkreis des Flughafens mal ein Flugzeug abstürzt, und ist zu dem beruhigenden Ergebnis gekommen, dass das nur einmal in 17,4 Millionen Jahren passiert. Bei den Abflügen sind es sogar knapp 24 Millionen Jahre, hingegen muss man bei den Anflügen schon in den nächsten 13,7 Millionen Jahren mit einem Absturz rechnen. Wer also unter den Anfluglinien wohnt, sollte etwas besser aufpassen.
Dies umso mehr, als zwar die offizielle militärische Nutzung des Frankfurter Flughafens Ende 2005 beendet wurde, die besonders langen Landebahnen aber weiterhin bei militärischen Notfällen gerne genutzt werden. Dies wurde zuletzt am 6.11.2014 deutlich, als ein US-Militärtransporter vom Typ Globemaster C-17, der eigentlich zur US-Base nach Ramstein wollte, mitten in der Nacht nach Frankfurt umgeleitet wurde, weil es Probleme mit den Landeklappen gab und offenbar befürchtet wurde, dass die Landung in Ramstein problematisch werden könnte (die Bahnen dort sind 3,2 bzw. 2,8 km lang, die Südbahn in Frankfurt dagegen 4 km, was durchaus einen Unterschied machen kann, wenn das Bremsen schwer fällt). Passiert ist offenbar nichts. Was hätte passieren können, weiss man nicht - wie üblich wird nicht bekannt gegeben, was dieser Transporter geladen hatte.
Spektakulärere Fälle von militärischen Notlandungen liegen schon etwas länger zurück. Vor 35 Jahren, 1979, liess sich bei der Landung eines Militärtransporters vom Typ C5A Galaxy (der größte, über den die US Air Force verfügt) das Bugrad nicht ausfahren. Für die Landung mußte daher ein Schaumteppich ausgelegt werden, was offenbar genügte, um grössere Schäden zu verhindern. Da die Rhein-Main Air Base damals noch in vollem Betrieb war, fiel der Fall ausserhalb des Flughafens kaum auf.
Das war ganz anders vor 20 Jahren, als im Juni 1994 ein Rockwell B1-Bomber zur Notlandung nach Frankfurt umdirigiert wurde. Die Maschine war auf dem Weg zu einer Flugschau in England, als die Piloten feststellten, dass sich die Schwenkflügel (ein Charakteristikum dieses Flugzeugtyps) nicht mehr für den Langsamflug ausfahren liessen. Für eine Landung im High-Speed-Modus wurde daher die längste überhaupt existierende Bahn ausgesucht - die Frankfurter Südbahn. Der Hochgeschwindigkeitsanflug dieser mittelschweren Maschine fiel schon in grosser Entfernung als extrem laut auf - aber selbst lärm-gewohnte Raunheimer haben den Endanflug noch als donnerndes Inferno in Erinnerung. Der Krach war so extrem, dass die Air Force in den Wochen danach eine Reihe von Versammlungen in den betroffenen Städten besuchte, um den Vorfall zu erklären - oder zumindest, um guten Willen zu zeigen, ohne wirklich etwas zu sagen. Die meisten Informationen zu dem Vorfall wurden erst später bekannt, wie z.B. die Tatsache, dass bei der Landung die Reifen völlig abradiert wurden und die glühenden Felgen Hydrauliköl in Brand setzten. Aber immerhin konnte die Maschine noch auf der Bahn zum Stillstand gebracht und der Brand schnell gelöscht werden. Die Besatzung wurde später für kostenbewusstes Verhalten geehrt - dieser Landemodus wurde offenbar vom Oberkommando als so riskant eingeschätzt, dass es schon die Freigabe erteilt hatte, mit dem Fallschirm auszusteigen und die Maschine ins Meer fallen zu lassen.
Die Unruhe unter der Bevölkerung war damals nicht nur wegen des extremen Lärms groß, sondern auch, weil bekannt war, dass die B1 als Atomwaffenträger tauglich ist - und die Air Force sich wie üblich weigerte, irgendwelche Details über Auftrag und Ausstattung der Maschine bekannt zu geben, obwohl die geplante Flugschau-Teilnahme sicher ein gutes Argument dafür war, glaubhaft zu machen, dass keine Atomwaffe an Bord war.
Obwohl alle diese Fälle ohne grössere Schäden abgingen, machen sie doch deutlich, dass die Anwohner des Rhein-Main Flughafens einem besonderen Risiko ausgesetzt sind. Alle kritischen Fälle, bei denen eine längere Landebahn von Vorteil sein kann, werden auch künftig hierher dirigiert werden - und ob irgend eine Ladung oder Bewaffnung dafür als zu hohes Risiko angesehen würde, ist keineswegs sicher.
Es brauchte immerhin mehrere Dutzend Todesopfer, um eine andere Form der Bedrohung durch militärische Aktivitäten endlich abzuwehren. Als beim Flugtagunglück von Frankfurt am Pfingstsonntag, den 22. Mai 1983, ein kanadischer Düsenjäger vom Typ F-104 Starfighter bei einer Flugvorführung abstürzte und Trümmer sechs Mitglieder einer Pfarrersfamilie töteten, erklärten der damalige Verteidigungsminister Wörner und sein Staatssekretär Würzbach (beide CDU) noch eiskalt, dass solche Veranstaltungen sicherheitspolitisch notwendig seien und nicht verboten werden könnten. Erst nach der Katastrophe bei einer Flugschau auf der Ramstein Air Base am 28. August 1988, als drei Flugzeuge einer italienischen Kunstflugstaffel vom Typ Aermacchi MB-339 kollidierten und abstürzten und eines davon in die Zuschauer raste, wobei insgesamt 71 Menschen starben und Tausende verletzt wurden, wurde in Deutschland ein Verbot militärischer Kunstflugschauen verhängt. Die Militärs bestanden allerdings weiterhin auf der Notwendigkeit solcher "Übungen" und haben inzwischen auch dieses Verbot schon wieder weitgehend verwässert. Zivilflughäfen bleiben allerdings immer noch davon verschont.
Wie die zitierten Dokumentationen mehr als deutlich belegen, war und ist für das Militär (in allen beteiligten NATO-Staaten) Geheimhaltung oberstes Prinzip, und zivile Stellen haben praktisch keinen Einfluss auf die "Bearbeitung" solcher Störfälle, weder was die konkreten Rettungsmaßnahmen noch was die anschließende Ursachen-Klärung angeht. Auch deshalb ist die Tatsache, dass eine militärische Nutzung von FRA nach wie vor nicht völlig ausgeschlossen ist, Grund zur Sorge.
Ca. fünf mal ein Meter gross und 50 kg schwer
- aber zum Glück "nur" im Wald gelandet.
Und letztendlich - es muss ja nicht gleich ein ganzes Flugzeug herunter fallen, auch Teile davon können Schaden anrichten. Bei älteren Maschinen gab es das Problem des "Blue Ice": Eisbrocken, die vermutlich aus den Toiletten stammten und im Landeanflug aus niedriger Höhe noch heil unten ankamen. Auch in jüngerer Zeit wurden noch Eisbrocken oder Metallteile gefunden, die da, wo sie waren, eigentlich nur von oben hingekommen sein können. In Raunheim, Flörsheim und Bischofsheim sind aus der Vergangenheit Fälle bekannt, in denen Eisbomben vom Himmel Dächer beschädigt hatten.
Spektakuläre Fälle in jüngster Zeit in Rhein-Main waren ein Eisbrocken, der in Niederjosbach gefunden wurde (der nach Fraport-Angaben nicht von einem Flugzeug stammte, das in FRA an- oder abgeflogen war, wofür sie aber trotzdem die Sachschäden bezahlten), und eine Landeklappe, deren Fall am 8.10.2014 beobachtet wurde, die aber erst am 14.10. im Frankfurter Stadtwald gefunden wurde. Letzteres kam auch fünf Jahre vorher schon mal vor, und vermutlich handelte es sich dabei um den gleichen Flugzeugtyp und die gleiche Airline (B747-400F der Korean Air). Die gefundene Landeklappe konnte von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen untersucht werden, sie stellte fest, dass der Bruch "in einem korrosiven Bereich" erfolgte (BFU-Bulletin, S. 18). Das Flugzeug war 12 Jahre alt.
Bisher ist nicht bekannt, dass Mensch oder Tier mal von so einem Teil getroffen wurden - was aber nicht heißt, dass es immer so bleibt.
Auch hier hat Fraport aber noch ein beruhigendes Gutachten zur Hand. Die "Aufenthaltsdauer, um von den Folgen eines Flugzeugunfalls betroffen zu sein", liegt bei "ununterbrochenem Aufenthalt" in der Umgebung des Flughafens zwischen 100.000 und 10 Millionen Jahren - und wer bleibt da schon so lange?
Zwei Einwände gibt es hier allerdings. Zum Einen betrachtet die Studie nur den kleineren Teil der Risiken, die oben geschildert wurden. Militärische Risiken bleiben völlig aussen vor, und kritische Flugverfahren wie die Südumfliegung wurden nicht speziell untersucht. Und zum Anderen ist zum Beispiel für das Raunheimer Stadtgebiet das Risiko, dass man hier durch einen Flugzeugunfall umkommt, etwas höher als das nach einem anderen, ähnlich aufgebauten Gutachten berechnete Risiko, dass hier durch Wirbelschleppen ein Dach beschädigt wird. Aber dazu mehr im nächsten Abschnitt.
Wirbelschleppen sind ein in der Luftfahrt lange bekanntes Phänomen, und die Sicherheitsabstände, die im Flugbetrieb
eingehalten werden müssen, werden wesentlich durch sie bestimmt (s. oben unter "Absturzgefahren"). Daran wird auch intenstivst
geforscht: vor dem Ausbau haben DLR, DFS und andere umfangreich gemessen und modelliert, um die ICAO-Vorgaben für die Staffelung bei An- und Abflug zumindest bei bestimmten Wetterverhältnissen umgehen zu können und Starts und Landungen auf dem alten Parallelbahnsystem dichter zu packen. Mehrere Forschungsprojekte wurden erfolgreich abgeschlossen, aber für eine Einführung neuer Verfahren hat es (bisher?) nicht gereicht. Immerhin hat die DLR ein
Verfahren patentieren lassen, das den Abbau von Wirbelschleppen beschleunigen soll - leider nur im Bereich unmittelbar vor dem Aufsetzpunkt landender Flugzeuge.
Allgemein verständliche Literatur dazu ist rar, aber kürzlich hat die DLR zumindest einen
Übersichtsartikel veröffentlicht.
Kurioser Weise wird aber häufig noch übersehen oder sogar geleugnet, dass Wirbelschleppen auch am Boden Schaden anrichten können. Flughäfen möchten dieses Thema weltweit gerne totschweigen, oder, wie eine britische Berater-Firma nett formuliert: "Die Sensitivität des Themas macht den Zugang zu Daten über Wirbelschleppen-Vorfälle an anderen Flughäfen schwierig." ("The sensitivity of the issue makes access to data on vortex damage incidence at other airports difficult." Halcrow Group Limited, London City Airport Wake Turbulence Study, Final Report, December 2010).
In Raunheim ist der Effekt schon lange bekannt (s. Karte). Neuerdings ist auch Flörsheim stärker betroffen, mit einer besonderen Häufung der Schäden während der langen (Nord-)Ostwind-Wetterlage von Februar bis April 2013 (s. Karte). Dabei gab es auch neue Phänomene: zum Einen mussten Zeugen erleben, dass auch Boote auf dem Main durch Wirbelschleppen gefährdet werden können. Bei Ostwind ist daher ab sofort das Mainstück unter der Anflugroute auf die Nordwestbahn für Ruderer und Paddler tabu, wenn sie nicht riskieren wollen, zu kentern. Zum Anderen wurde ausser Ziegel auch andere Dacheinbauten beschädigt, u.a. ein Solarmodul und ein Dachfenster.
Auch die Aufsichtsbehörden versuchen in aller Regel, das Thema herunter zu spielen. Dabei hatten selbst Gutachten für das Hessische Wirtschaftsministerium vor dem Bau der Nordwestbahn die Funktionsweise und die Folgen solcher Wirbelschleppen mit aller Klarheit beschrieben (s. Auszug hier), ohne dass das allerdings im Ministerium oder anderswo irgendwelche Konsequenzen gehabt hätte. Im Gegenteil: noch nach der Schadensserie in Flörsheim liess das Ministerium verlauten, man bezweifele den Zusammenhang zwischen Wirbelschleppen und Dachschäden.
Auch Fraport hatte im Planfeststellungsverfahren gutachterlich feststellen lassen, dass Wirbelschleppen-Schäden im Raunheimer Stadtgebiet nicht auftreten können, und der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat 17 Seiten lang begründet, warum er dieser Einschätzung folgt, obwohl gegenteilige Fakten vorgelegt wurden. Den Gipfel der juristischen Auslegungsakrobatik zeigt die Grafik rechts.
Die oben zitierte englische "London City Airport Wake Turbulence Study" kommt übrigens noch 2010 nach Begutachtung der vorliegenden Forschungsergebnisse zu der Schlussfolgerung, dass das Absinken und die Abschwächung von Wirbelschleppen nicht hinreichend genau vorhergesagt werden können, so dass Risikobetrachtungen nicht auf Modellrechnungen, sondern auf vorliegende Statistiken über Schadensfälle gestützt werden müssen. Deutsche Gutachter und Gerichte haben solche Skrupel offensichtlich nicht.
Immerhin war dem Bundesverwaltungsgericht dieser schreiende Widerspruch zwischen Theorie und Praxis peinlich genug, um die Revisionsklage nicht einfach abzuweisen, sondern sie dadurch aus der Welt zu schaffen, dass Fraport verpflichtet wurde, die Dächer im Besitz der Klägerin durch Klammern zu sichern, und damit die Klage für erledigt zu erklären. Von städtischen Gebäuden (acht an der Zahl) werden also wohl keine Ziegel mehr fallen.
Eine laut Gutachter "deutliche geschwächte" Wirbelschleppe schleudert Ziegel auf den Gehweg
Im restlichen Stadtgebiet wurden aber weiterhin Ziegel angehoben oder herausgerissen, und landeten da, wo sich sonst Menschen und Tiere aufhalten - was bisher zum Glück noch nie gleichzeitig der Fall war.
Nach der Schadensserie in Flörsheim (und vor den Landtagswahlen im Herbst 2013) wurde der politische Druck aber so groß, dass sich das Ministerium zum Handeln gezwungen sah und einen Planergänzungsbeschluss nebst
Anlage erließ, der zwar immer noch verbal den Zusammenhang zwischen Dachschäden und Wirbelschleppen in Frage stellte, aber aus Vorsorgegründen nun doch Fraport verpflichtete, Dächer zu sichern. Form und Inhalt dieses Beschlusses dokumentierten jedoch nur einmal mehr die völlige Unfähigkeit des Ministers, mit dem Problem adäquat umzugehen (Details dazu s. hier und hier).
Daran hat sich auch nach dem Wechsel von FDP-Mann Rentsch zum Grünen Al-Wazir nichts geändert. Zwar sah sich letzterer im Frühjahr 2014 nach neuerlichen Vorfällen in Raunheim genötigt, Rentschs Planergänzung nochmals zu ergänzen
(Planergänzungsbeschluss II nebst
Anlage II) und dabei das "Vorsorgegebiet" auf ganz Raunheim auszudehnen und die absurde "Stichtagsregelung" aufzuheben, aber die grundlegenden Mängel hat das nicht beseitigt. Insbesondere ist nach wie vor völlig unklar, wie gefährdete Dacheinbauten und andere Bereiche, die von Wirbelschleppen getroffen werden können (Balkone, Terrassen, Gärten usw.) geschützt werden sollten.
Offiziell ist das Sicherungsprogramm Ende Juni 2013 angelaufen. Die rechtlichen Grundlagen können auf der
Website des Ministeriums nachgelesen werden, Details der Durchführung enthält eine
Informationsbroschüre der Fraport AG. Eine spezielle
Info-Seite liefert Informationen über die Antragstellung.
Im Anspruchsgebiet der ersten Planergänzung lagen ca. 3.000 Dächer, und dafür lagen nach Fraport-Aussagen in der Presse nach einem Jahr 862 Anträge vor, von denen ca. 2/3 formal bearbeitet werden konnten. In der Summe heißt das, dass in diesem Gebiet (irgendwann einmal) ca. 20% der Dächer gesichert sein könnten.
Mit der zweiten Planergänzung kamen schätzungsweise noch einmal so viele Dächer dazu, und man kann vermuten, dass das Interesse an einer Sicherung hier auch nicht grösser sein wird. Nach dem schweren Wirbelschleppen-Schaden in Raunheim am 15.09.14 berichtete die Hessenschau, vermutlich auf Basis von Fraport-Angaben, das von 6.000 anspruchsberechtigten Gebäuden für 1.177 Anträge gestellt wurden (d.h. für knapp 20%), wovon 721 (12%) erledigt seien. Achteinhalb Monate später lauten diese Zahlen nach einem Bericht der Main-Spitze: 1.941 Anträge (ca. 30%) eingegangen, 824 Dächer (ca. 14%) gesichert.
Am 10. August 2015 freut sich Fraport in einer Pressemitteilung, dass " an über 1.000 Gebäuden in den definierten Gebieten die Dacheindeckungen zur Prävention von Wirbelschleppenschäden gesichert" wurden. Exakt wurden bis zum 7. August "die Dachsicherungsmaßnahme ... bei bislang 1.026 Objekten vollständig abgeschlossen; bei weiteren 651 Objekten wurden bereits alle Vorarbeiten abgeschlossen und die Dachsicherungs-maßnahme als nächster Schritt anvisiert oder bereits begonnen. Bei weiteren 222 Objekten laufen derzeit die Vorarbeiten, wie z.B. eine Terminabstimmung mit dem Eigentümer zur Besichtigung des Daches vor Ort." In zwei Jahren und drei Monaten, wurden also rund 17% der nach Meinung des Ministeriums gefährdeten Dächer gesichert, bei weiteren knapp 15% ist die Sicherung mehr oder weniger fest geplant. Insgesamt sind also nicht einmal ein Drittel der Dächer (32%) von dem Programm erfaßt. Bei gleichbleibendem Tempo wäre das Programm etwa 2030 beendet.
Ob man angesichts dieser Zahlen noch "von einer schnellen und deutlichen Verringerung des Gefahrenpotenzials" ausgehen kann, wie das der Hessische Verwaltungsgerichtshof in der
Ablehnung eines Eilantrags der Stadt Flörsheim im Juli 2013 getan hat, darf bezweifelt werden. Der VGH hat in seinem Urteil zur Klage der Stadt Flörsheim im April 2015 aber selbst diese bescheidene Forderung fallen lassen, so dass man nun wieder auf das Bundesverwaltungsgericht warten muss.
Im Herbst 2013 startete Fraport eine kleine Image-Offensive zum Thema. In einer Pressemitteilung wurde dem staunenden Publikum mitgeteilt, dass ein im April 2013 bei der DLR in Auftrag gegebenes Gutachten nun vorliege und das Fraport-Vorgehen "grundsätzlich" bestätige. Zwanzig Schadensfälle seien untersucht worden, nur für sieben davon seien Wirbelschleppen als Ursache "plausibel" (wobei dies im Einzelfall immer noch vor Ort nachgewiesen werden müsse), und alle sieben Fälle lägen im jeweiligen "Anspruchsgebiet". Veröffentlichen wollte Fraport das Gutachten aber lieber nicht, angeblich wegen noch bestehender "Rechtsstreitigkeiten". Der Verein "Für Flörsheim" hatte allerdings von dieser Heimlichtuerei irgendwann genug und hat das der Stadt Flörsheim zur Verfügung gestellte Exemplar ins Netz gestellt.
Wie meist in solchen Fällen, sind die Fraport-Angaben hier nicht einmal die halbe Wahrheit und damit eine ganze Lüge. Was die DLR-Gutachter tun, ist, ein Modell der Wirbelschleppen-Ausbreitung, das für andere Zwecke entwickelt wurde, nun für das Absinken von Wirbelschleppen aus grösseren Höhen zum Boden anzuwenden. Da das Modell dafür nie umfassend verifiziert wurde, hat es diesbezüglich auch keinerlei Beweiskraft, und da es ohnehin nur mit Wahrscheinlichkeits-Aussagen arbeitet, muss man die von Fraport genannten Kategorien "plausibel", "bedingt plausibel" und "unplausibel" übersetzen mit "kann mit dem Modell gut / weniger gut / nicht erklärt werden". Wenn aber ein Modell die Realität nicht erklären kann, darf man daraus nicht schliessen, dass die Realität falsch ist. Vielmehr liegt erst einmal der Verdacht nahe, dass das Modell nicht geeignet sein könnte.
Bestärkt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die gleichen Autoren mit dem gleichen Modell für die dritte Bahn in München (die zum Glück bisher nicht gebaut wurde) ein Wirbelschleppen-Risikogebiet
berechnet haben, das noch deutlich kleiner ist als das des katastrophal falschen Gutachtens aus dem Planfeststellungsverfahren für die Nordwestbahn. Daraus muss man schliessen, dass entweder die bayrische Luft anders ist als die hessische und sich nicht so schnell und dauerhaft in Wirbel versetzen läßt - oder aber, dass die Gutachter ihre Modellparameter gehörig "modifiziert" haben, um wenigstens die offensichtlichen Wirbelschleppenschäden in Flörsheim und Raunheim halbwegs erklären zu können. Wissenschaft geht anders.
Aber auch wer den Gutachtern gerne glauben möchte, erlebt eine Überraschung, wenn er einen Blick auf die Karte in diesem "Geheimgutachten" werfen darf. Die Wirbelschleppenschäden werden keineswegs immer unplausibler, je weiter die Schadensorte vom Flughafen entfernt sind. Im Gegenteil liegen vier von den sieben als "unplausibel" eingestuften Schadensfällen im Osten Raunheims, also unstreitig mitten im Risikogebiet, während ein Fall in Rüsselsheim(!), weit ausserhalb des "Anspruchsbereichs", als "bedingt plausibel" eingeschätzt wird. Daraus folgt, dass zumindest einige der Schadensfälle nur als "unplausibel" eingestuft wurden, weil im konkreten Fall gerade die Windbedingungen laut Modell nicht passten, grundsätzlich aber an diesen Stellen sehr wohl Wirbelschleppenschäden auftreten können. Andererseits hält das Modell Wirbelschleppenschäden an Stellen für möglich, die weit ausserhalb des "Anspruchsbereichs" liegen. Und das wiederum heißt, dass das Risikogebiet, in dem Wirbelschleppen auftreten können, auch gegenüber dem in der zweiten Planergänzung neu definierten Bereich ganz erheblich ausgedehnt werden müsste.
Man darf gespannt sein, ob irgend jemand irgend wann einmal diese und andere notwendige Konsequenzen aus diesem Gutachten ziehen wird. Eine davon wäre z.B. auch, dass das Gutachten für die Münchner Bahn dringend überprüft werden müsste. Gerichte tun das von sich aus nicht, wie die im Juli 2014 vorgelegte Urteilsbegründung des Bayrischen VGH zeigt (S. 178, Rn 567):
"Wie von Gutachterseite sowohl im Gutachten selbst als auch in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift vom 16.5.2013, S. 13) im Einzelnen nachvollziehbar erläutert, erreichen lediglich 0,4 Prozent – und damit nur ein winziger Bruchteil – der von überfliegenden Flugzeugen erzeugten Wirbelschleppen Bodennähe ...Diese Aussage erging in voller Kenntnis der Situation am Frankfurter Flughafen und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass mit dieser Bahn bebautes Gebiet in weniger als 100 m Höhe überflogen werden soll. Es gibt offensichtlich nichts, was deutsche Gutachter nicht behaupten und deutsche Gerichte nicht glauben können, wenn es nur im Interesse hinreichend starker wirtschaftlicher Mächte ist.
Insgesamt verdichten sich die Anzeichen, dass Fraport beim Thema Wirbelschleppen einen anderen Kurs fahren will. Hatten sie früher versucht, das Thema aus der Öffentlichkeit heraus zu halten, indem sie Schäden möglichst schnell und lautlos regulierten, sollen jetzt, nachdem das Dachsicherungsprogramm nicht verhindert werden konnte, Geschädigte zumindest von weiteren Ansprüchen abgeschreckt werden.
Die seit Juli 2013 veröffentlichte Dokumentation gemeldeter Dachschäden und ihrer Beurteilung durch Fraport enthält inzwischen bereits 35 Fälle, die angeblich "nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen" sind (bei 23 "anerkannten" Fällen im gleichen Zeitraum, Stand September 2015). Man muss wohl davon ausgehen, dass die Betroffenen die Ablehnung stillschweigend hingenommen haben, weil sie sich aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage sahen, ihren Anspruch vor Gericht durchzusetzen.
Der politische Skandal liegt hier darin, dass die zuständigen Behörden, allen voran das Wirtschaftsministerium, die Betroffenen alleine lassen und Fraport erlauben, sich mit windigen Behauptungen aus der Verantwortung zu schleichen. Fraport nimmt die Schadensmeldungen entgegen, bestellt die Gutachter, beurteilt deren Ergebnis und entscheidet, was zu passieren hat - alles ohne jegliche Kontrolle. Es gibt keine Beschwerdestelle, keinen neutralen Dritten, der hinzu gezogen werden könnte, es gibt nur den Weg vors Gericht. Und wer den antritt, braucht nicht nur starke Nerven, sondern auch eine gute Rechtsschutzversicherung oder viel Geld.
Hauptsächlich möchte Fraport wohl verhindern, dass anerkannt wird, dass ausser Ziegeln auch anderes beschädigt werden kann. So selbstverständlich es eigentlich ist, dass alles, was durch Sturm geschädigt werden kann, auch durch Wirbelschleppen kaputt gehen kann, so massiv werden entsprechende Meldungen abgeblockt. Ob Solarmodul oder Dachfenster - es darf nicht sein, dass sowas durch eine WIrbelschleppe beschädigt wird, weil dann die Fragwürdigkeit des gesamten "Sicherungsprogramms" deutlich würde und echte Sicherungsmaßnahmen wieder auf die Tagesordnung kämen.
Aber sie werden das Thema nicht loswerden. Solange sie nicht weniger und höher fliegen, wird es immer wieder Schäden geben, und sie werden die Diskussion darüber nicht ewig unterdrücken können.
Vogelschlag definiert Wikipedia als Zusammenprall von Vögeln mit Objekten. In der Luftfahrt entstehe dadurch weltweit ein jährlicher Schaden von über einer Milliarde Dollar, und die Flugsicherheit werde erheblich gefährdet. Nicht so in Frankfurt. Erste Gutachten zum Ausbau stellten noch lapidar fest, dass es zwar in dem Wald, wo die Bahn hin sollte, viele Vögel gäbe, die ja aber mit dem Wald verschwinden würden und daher kein Problem bestehe. Erst später setzte sich die Erkenntnis durch, dass auch am Main Vögel leben und je nach Jahreszeit auch in grösseren Schwärmen durchziehen. Einige wollten auch nicht so schnell vergessen, dass der Mönchwaldsee mal ihr Schutzgebiet war, und hielten sich immer noch dort auf.
Also wurde die neue Bahn Richtung See mit einem Vorhang verhängt, und am Main wurde ein Vorwarnsystem namens
Mivotherm installiert, das vor Vogelschwärmen warnen soll, sofern sie vorschriftsmäßig in definierter Höhe den Main entlang fliegen. Beide Maßnahmen sind von zweifelhafter Wirksamkeit, aber bisher konnte noch kein Versagen nachgewiesen werden. Zwar berichteten nach Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest z.B. die
Frankfurter Rundschau, das
Echo und die
Allgemeine Zeitung, z.T. erst mit erheblicher Verspätung, über Vogelschlag-Vorfälle, aber die
passierten in beiden Flugrichtungen und gingen glimpflich aus. Auch wenn z.B. mal im Landeanflug eines A320 der Lufthansa ein Triebwerk durch Vogelschlag ausfiel, genügte das zweite glücklicher Weise für eine sichere Landung.
Ähnliches passiert auch anderswo. So musste ein Airbus A321 am 24. November 2012 auf dem Weg von Berlin nach Frankfurt kurz nach dem Start wieder umkehren, weil ein Triebwerk durch Vogelschlag ausfiel. An Bord war neben 198 anderen Passagieren auch der hessiche SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel - er wird nun im Gegensatz zu vielen anderen Politikern wissen, wovon beim Thema Vogelschlag die Rede ist.
Weniger Glück hatte ein Airbus A320, der am 15. Januar 2009 von New York nach Seattle wollte. Sechs Minuten nach dem Start geriet er in einen Gänseschwarm, beide Triebwerke fielen durch Vogelschlag aus. Der Pilot segelte darauf hin zum Hudson River und setzte auf dem Wasser auf. Das Flugzeug konnte komplett evakuiert werden, ehe es unterging. Aber das ist Amerika - der Main wäre für eine solche Aktion nicht breit genug.
(Ironie am Rande: der US-Pilot, Chesley Sullenberger, wurde für seine fliegerische Meisterleistung zum Nationalheld, fiel aber kurz danach wegen unbotmäßig-kritischer Äusserungen bei einem Kongress-Hearing über Arbeitsbedingungen und Entlohnung sowie Sicherheitsaspekte in der US-Luftfahrt in Ungnade. Auch seine Bezüge wurden gekürzt.)
Bei einem ähnlichen Vorfall in Berlin-Schönefeld blieb ein Triebwerk intakt, so dass die betroffene Boeing 737 normal zum Flughafen zurückkehren konnte.
Offizielle Stelle für alle Auskünfte, Hintergründe und Statistiken zum Thema Vogelschlag ist der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr e. V. DAVVL. Dessen Ehrenvorsitzender Hild hat auch das einschlägige Gutachten im Planfeststellungsverfahren zum Ausbau erarbeitet sowie eine nachträgliche Stellungnahme, die die Begründung für die oben genannten Schutzmassnahmen enthält.
Die Südwest-Ecke des Mönchwaldsees mit "Vorhang" zur "Reduzierung des Vogeleinflugs auf das Flughafengelände". Er soll "die Wirkung optischer Signale und Störreize ... von der Landebahn auf den See" unterbinden. (Für Gesamtansicht Foto anklicken)
Und so sieht der sichtbare Teil dieser "Schutzmaßnahmen" aus: gerodete Ufer, ein meterhoher Zaun direkt dahinter - so wird in Hessen das Profitstreben vor den Belangen der Natur geschützt. Aber auch hier gibt es selbstverständlich ein Gutachten, das bestätigt, dass das Schutzgebiet durch die Baumassnahme nicht beeinträchtigt wird. Man betrachte nur die Abbildungen im Gutachten auf den Seiten 36 und 37 und die nachfolgenden Fotos, um zu verstehen, wie weit dieses Gutachten von der Realität entfernt ist.
Dreister Weise wird dieses Stück verschandelte Landschaft trotzdem noch als Schutzgebiet ausgewiesen, es zählt zum "Landschaftsschutzgebiet Untermainschleusen", das zugleich auch Vogelschutzgebiet ist.
So werden formal die Vorgaben erfüllt, die negativen Folgen des Flughafenausbaus zu minimieren. Das Schutzgebiet existiert ja noch - dass es seine ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen kann, steht auf einem anderen Blatt.
Tatsächlich kann man eigentlich nur hoffen, dass die Wasservögel intelligent genug sind, dieses "Schutzgebiet" zu meiden. Schließlich führt Vogelschlag zwar nur relativ selten zu Schäden für die Flugpassagiere - aber immer zu Totalschaden für die beteiligten Vögel.
Auch die Reste des Kelsterbacher Waldes, die immer noch als FFH-Schutzgebiet ausgewiesen sind, erholen sich nur mühsam. Das Hessische Umweltministerium weiss in der Darstellung dieses Gebietes übrigens immer noch nichts vom Bau der Nordwestbahn, und auch beim Regierungspräsidium Darmstadt ist nur das Luftbild, aber nicht die Karte halbwegs aktuell. Wie es wirklich aussieht, kann man z.B. einer Karte des Kreises Gross-Gerau entnehmen, die alle NATURA-2000-Gebiete im Kreis auflistet. Ein Vergleich der Darstellungen findet sich hier.
Zu diesem Thema hat es in den letzten Jahren eine Vielzahl von Studien, Berichten und Untersuchungen gegeben. Einen Überblick über aktuelle Ergebnisse der Lärmforschung gibt es z.B. auf der Seite zu Lärmproblemen des Umweltbundesamtes. Grundlegendes zum
Luftverkehrslärm findet sich dort ebenfalls. Die Kernaussage kann gar nicht oft genug wiederholt werden:
"Fluglärm ab einem Dauerschallpegel von 40 Dezibel in der Nacht kann Herz- Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzinfarkt verursachen. Das Umweltbundesamt fordert daher, insbesondere nächtlichen Fluglärm zu reduzieren und darüber zu diskutieren, wie viel Verkehr tatsächlich gebraucht wird. Notwendig ist eine nationale Flugverkehrsplanung. In diese gesamtheitliche Betrachtung sollten dann auch die Kosten einfließen, die durch Lärm verursachte Krankheiten entstehen."
Auf EU-Ebene befasst sich das Institut für Gesundheit und Verbraucherschutz des Gemeinsamen Forschungszentrums der EU u.a. mit Lärmwirkungen, und auch das Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation WHO liefert viele interessante Informationen zum Thema Lärm, beide leider nur in Englisch.
Sehr viel Material zum Thema Fluglärm und Gesundheit enthält auch die von dem Berliner Arzt Dr. Henning Thole herausgegebene Webseite
Fluglärm-Fakten. Dort findet sich auch eine
Zusammenfassung US-amerikanischer Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und der Entstehung von Demenz hinweisen - ein Befund, über den bisher wenig zu lesen war.
Speziell mit den medizinischen Folgen von nächtlichem Fluglärm beschäftigt sich die "Aerzteinitiative für ungestörten Schlaf"
AefuSch.
Auch der 115. Deutsche Ärztetag 2012 forderte in einem Beschluss, den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm durch Verschärfung der einschlägigen Gesetze zu verbessern.
Der 117. Deutsche Ärztetag 2014 hat diesen Beschluss bestätigt und darüber hinaus
gefordert, die Verursacher von Verkehrslärm an den Behandlungskosten für dadurch induzierte Krankheiten zu beteiligen. Nach Meinung der Ärztinnen und Ärzte geht es dabei um Summen von mehreren 100 Millionen Euro im Jahr.
Ein sehr interessanter und gut lesbarer Übersichtsartikel wurde 2008 von Kaltenbach et al. im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Speziell mit der Situation im Rhein-Main-Gebiet und dem Umgang mit dem Thema in der Ausbau-Diskussion setzt sich ein Themenheft der Ärztezeitung vom September 2012 auseinander.
Das Ärzteblatt Rheinland-Pfalz bringt in der
Märzausgabe 2013 einen eigenen Schwerpunkt zum Thema Lärm mit mehreren Beiträgen zu Fluglärmwirkungen, darunter einen Beitrag von Prof. Greiser zur Erhöhung des Erkrankungsrisikos durch Fluglärm für eine Vielzahl von Krankheiten, das er in einer Kölner Studie ermittelt und kürzlich auf Rhein-Main übertragen hat.
Eine Studie der Universitätsmedizin Mainz hat zum ersten Mal den direkten Zusammenhang darstellen können zwischen nächtlichem Fluglärm und Gefäßschädigungen, die zu Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können. Dabei wurden auch Hinweise auf mögliche interessante Nebeneffekte gefunden: so soll Vitamin C dazu beitragen können, die Gefäßschädigungen zu reduzieren. Andererseits scheint die Annahme, dass es eine Gewöhnung an Fluglärm geben könnte, falsch zu sein: in der zweiten Versuchsnacht wurden die Effekte in der Regel schlimmer.
Die ersten Ergebnisse wurden in einer Pressemitteilung, in einem Fachartikel (in Englisch) und in einer Zusammenfassung im Jahresbericht der Klinik veröffentlicht, ein Bericht in der Ärztezeitung gibt ebenfalls eine gute Zusammenfassung.
Die zweite Forschungsarbeit im Rahmen dieser Studie, zu der die Uni Mainz ebenfalls eine Pressemitteilung herausgegeben hat, untersuchte Patienten, die bereits vorgeschädigt waren, und fand ebenfalls deutliche Auswirkungen. Die Untersuchungen werden fortgesetzt, die "Stiftung Mainzer Herz" berichtet kontinuierlich darüber.
Die im Rhein-Main-Gebiet durchgeführte NORAH-Studie wurde im Mai 2011 begonnen. Am 03. Juli 2013 gab das "Forum Flughafen und Region" einen Überblick über den Sachstand und die geplante weitere Durchführung der einzelnen Module der Studie. Zusätzliche Informationen über Entstehung und Durchführung der Studie gibt es beim
Forum Flughafen und Region.
Die genauere und räumlich und zeitlich erweiterte Erfassung der tatsächlichen Fluglärmbelastung der Anwohner im Rhein-Main-Gebiet wurde laut Pressemitteilung vom Januar 2014 erfolgreich durchgeführt und bildet die Basis der Akustikdatenbank, die es erlauben soll, beobachtete Effekte mit der tatsächlich am Ort vorliegenden Lärmbelastung zu korrelieren.
Ende Oktober 2014 ging eine neue Webseite online, die die Ergebnisse der Studie populär vermitteln soll. Eine
Broschüren-Reihe soll in allgemein verständlicher Form über alle Bereiche der Gesamtstudie informieren.
Die ersten Ergebnisse der sog. Kinderstudie, die die Wirkung von anhaltender Fluglärmbelastung auf die kognitiven Leistungen und das Wohlbefinden von Grundschulkindern im Rhein-Main-Gebiet untersucht, wurden am 4.11.2014 vorgestellt. Dazu wurden eine Broschüre
über die Grundlagen und eine über die Ergebnisse veröffentlicht.
Am 17. März 2015 hat das Umwelthaus angekündigt, dass alle Ergebnisse der
NORAH-Studie im Rahmen der Konferenz Aktiver Schallschutz im November dieses Jahres, die das Leitthema "Gesundheit" haben soll, ausführlich dargestellt und diskutiert werden sollen. Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden die Ergebnisse am 29. Oktober 2015.
Der Deutsche Fluglärmdienst hat alle vorliegenden Ergebnis-Berichte, Publikationen und Stellungnahmen in seinem Archiv zur Verfügung gestellt.
Die offizielle Zusammenstellung aller Ergebnisse zum Download, ergänzt um einige Fachveröffentlichungen der AutorInnen, findet sich unter Publikationen auf der ursprünglichen NORAH-Webseite.
Die Durchführung dieser Studie war von Anfang an umstritten. 2012 haben zahlreiche ÄrztInnen aus der Region eine
Kritik an der Studie im Hessischen Ärzteblatt veröffentlicht, auf die die an NORAH beteiligten WissenschaftlerInnen mit einem Offenen Brief geantwortet haben.
Aus Sicht der Betroffenen ist insbesondere die Kritik wichtig, dass die NORAH-Studie benutzt wurde und wird, um mit dem Hinweis auf noch ausstehende Ergebnisse die Umsetzung notwendiger Maßnahmen zu verzögern, obwohl die grundlegenden Fakten längst bekannt sind. So sind etwa die Kernaussagen der NORAH-Kinderstudie auch in den
Ergebnissen der
RANCH-Studie enthalten, die 2001-2003 in den Niederlanden, Großbritannien und Spanien durchgeführt wurde, auch wenn im Detail durchaus Fortschritte erzielt wurden.
Nach Veröffentlichung der Studienergebnisse hat sich der Streit verschärft.
Der Arbeitskreis "Ärzte gegen Fluglärm" wendet sich in einer ersten Stellungnahme zu den Ergebnissen insbesondere gegen die Verharmlosung der Fluglärm-Wirkungen und weist darauf hin, dass die Studie trotz teilweise erheblicher Unklarheiten und Mängel im Prinzip die Resultate anderer Studien bestätigt.
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen, Thomas Jühe, hat am 10. November 2015 ein Schreiben veröffentlicht mit einer eigenen Zusammenfassung der NORAH-Ergebnisse, denn "Teilweise wurden unzutreffende Zusammenfassungen der Studienergebnisse kommuniziert". Ohne es explizit zu sagen, wendet er sich damit wohl insbesondere gegen die verfälschenden
Darstellungen der Fraport, die von anderen Luftverkehrslobbyisten aufgegriffen wurden.
Am 14.02.14 fand in Wiesbaden eine sog. Wissenschaftsdebatte mit dem Titel "Lärm macht krank" statt, die online fortgesetzt wird und auch ein Memorandum verabschiedet hat, das weiter entwickelt werden soll. Die
Präsentationen, mit denen die Debatten eingeleitet wurden, sind ebenfalls online verfügbar.
Die Veranstaltung beschäftigte sich mit Lärmwirkungen insgesamt, speziell zum Thema Fluglärm wurde nichts Neues vorgetragen. Wichtig sind aber die Forderungen des Memorandums an die Politik, Lärmrisiken anzuerkennen, Transparenz herzustellen und Beteiligung zu ermöglichen.
Trotz aller hier aufgezeigter Aktivitäten kommt ein im März 2013 vorgelegter DLR-Bericht zur Situation der Lärmwirkungsforschung in Deutschland zu dem traurigen Ergebnis:
"Die augenblickliche Situation in Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, dass die vorhandene Forschungsinfrastruktur aufgrund fehlender Ressourcen nicht imstande ist, die in allen wichtigen Wirkungsdisziplinen notwendigen grundlegenden Forschungsarbeiten zur Lärmwirkung aufzunehmen und erfolgreich durchzuführen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass der in diesem Bericht aufgezeigte Erkenntnisbedarf auf allen Ebenen der Gesellschaft in den nächsten Jahren erfüllt werden kann." (S.49)Das gilt leider nicht nur für Deutschland, und es ist nicht absehbar, dass sich an diesem Zustand schnell etwas ändern könnte.
"Aktiver Schallschutz" bedeutet, die Lärmentstehung an der Quelle zu reduzieren oder aber die Lärmquelle weiter vom Einwirkungsort weg zu bringen. Für Fluglärm heißt das, die Flugzeuge leiser zu machen bzw. sie höher oder weiter entfernt von Ortschaften fliegen zu lassen.
Die Geschichte des aktiven Schallschutzes im Zusammenhang mit dem jüngsten Ausbauschritt am Frankfurter Flughafen beginnt mit dem Antilärmpakt, den der damalige Vorsitzende des "Regionalen Dialogforums", Herr Prof. Dr. Wörner, noch in letzter Minute durchsetzen wollte. Obwohl nie formal verabschiedet, wurde er eine Grundlage der Arbeit der Nachfolgeeinrichtung, des Forum Flughafen & Region / Umwelthaus GmbH. Dieses setzte ein Expertengremium ein, das ein erstes "Massnahmepaket Aktiver Schallschutz" entwickelte und dazu im Juli 2010 einen Endbericht sowie im Juni 2012 einen Monitoring-Bericht vorlegte.
Parallel dazu wurde auf der Basis einer Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 im Februar 2012 die
Allianz für Lärmschutz gegründet, die ihre eigene Maßnahmeliste einführte.
Das sind zwar partiell die gleichen Akteure, sie agieren aber zuweilen durchaus unterschiedlich, wie nachfolgend gezeigt wird.
Ende 2013 veranstaltete das FFR mit Unterstützung gewichtiger Partner zum zweiten Mal (nach 2010) eine "International Conference on Active Noise Abatement" (Internationale Konferenz Aktiver Schallschutz), ICANA. Die Dokumentation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten sind inzwischen online verfügbar, ebenso wie die dort verabschiedete Frankfurter Erklärung.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Maßnahmeplanung ist enorm. Während die Experten noch 7 Maßnahmen in ihr Paket packten, listet die Allianz stolze 19 auf (die Nummerierung geht zwar nur bis 16, aber bei gutem Willen kann man einige Punkte als mehrere Teil-Maßnahmen sehen). Die haben aber sehr verschiedenen Charakter: 3 dienen nur dazu, Fehlplanungen bei der Umstellung auf das 4-Bahn-System zu korrigieren (Anhebung der Flughöhen bei Gegen- und Zwischen-Anflügen), eine möchte überwiegend aus anderen Gründen durchgeführte Flottenmodernisierungsmaßnahmen als Schallschutz verkaufen, und eine ist durch "unvorhergesehene" Einschränkungen (Nachtflugverbot) zur Lachnummer verkommen, die so wirkungslos ist, dass nicht einmal die Schäden, die sie theoretisch anrichtet, spürbar werden. Wieder andere beziehen sich auf Forschungsvorhaben mit sehr begrenzter Wirkung (Reduzierung Bodenlärm), ökonomische Instrumente mit unklarer Reichweite (Spreizung Lärmentgelte) oder sind ohnehin nur "zur Prüfung" aufgelistet (neue An- und Abflug-Routen).
Am 18.07.14 hat die "Kommission zur Abwehr des Fluglärms, Flughafen Frankfurt Main" (kurz Fluglärmkommission, FLK) mit einer
Pressemitteilung daran erinnert, dass sie seit 10 Jahren aktiv und mit eigenen Vorschlägen für aktiven Schallschutz eintritt und einen Bericht vorgelegt, der den Stand der Umsetzung der Vorschläge bewertet. Von den 81 vorgelegten Vorschlägen sind lt. Bericht "je 1/3 ... realisiert bzw. umgesetzt, nicht umgesetzt oder befinden sich noch in der Prüfung". Besonders interessant sind die nicht umgesetzten Vorschläge, weil man daraus viel darüber lernen kann, was einem wirksamen Schallschutz im Weg steht.
Da die FLK überwiegend aus Kommunal-Vertretern zusammengesetzt ist und ausser einer kleinen Geschäftsstelle nicht über eigene Ressourcen verfügt, ist sie für die Ausarbeitung und Beurteilung von technischen Vorschlägen zum Schallschutz auf externe Expertise angewiesen, die überwiegend vom o.g. Forum Flughafen und Region gestellt wird. Viele dieser Vorschläge wurden daher über das "Expertengremium Aktiver Schallschutz" eingebracht und umgesetzt. Eigenständige Beiträge der FLK gibt es im Bereich der politischen Bewertung von Maßnahmen und der Beteiligung von Betroffenen.
Die für Raunheim interessanten Maßnahmen haben allesamt ein trauriges Schicksal erlitten. Von den Maßnahmen zur Steigerung der Überflughöhe bei Anflug, die im Fluglärmentlastungskonzept Raunheim gefordert wurden, hatten es ohnehin nur zwei in das Maßnahme-Paket geschafft: die Erhöhung der Rückenwind-Komponente und die Erhöhung des Anfluggleitwinkels. Letztere sollte zunächst allerdings nur für die Nordwestbahn getestet werden und hat diese Tests inzwischen erfolgreich bestanden; die Übertragung auf Center- und Südbahn wird allerdings von der Einführung eines neuen Navigationssystems (GBAS) abhängig gemacht und damit weit in die Zukunft verschoben. Immerhin meint aber auch die Allianz, dass daran zumindest geforscht werden sollte.
Spurlos verschwunden ist dagegen die Erhöhung der Rückenwind-Komponente. Während in den Empfehlungen zum Monitoring-Bericht zumindest noch erwähnt wird, dass die Umsetzung im Auge behalten werden sollte, taucht sie im Allianz-Katalog nicht mehr auf. Dies erklärt sich aus der unterschiedlichen Funktion beider Papiere: während das Expertengremium tatsächlich versucht, eine
Reduzierung der Lärmbelastung nach seinen Kriterien zu erreichen (d.h. auch eine Lärmumverteilung in Kauf zu nehmen, wenn dadurch Höchstbelastete entlastet werden und der Lärmindex sinkt), ist die Allianz eine politische Show-Veranstaltung, die primär dazu dient, den Protest zu befrieden. Und da man einschätzt, dass die Mehrheit der Protestierenden diese Maßnahme nicht will oder zumindest nicht fordert, fällt sie eben unter den Tisch.
Schlimmer noch: wie eine Untersuchung der Betriebsrichtungsverteilung in Abhängigkeit von den Windverhältnissen am Flughafen ergeben hat, war 2013 und 2014 der Anteil der Betriebsrichtung 07 höher als der Anteil der Windsituationen, in denen überhaupt eine Ostwind-Komponente vorlag. Mit anderen Worten: es gibt nicht nur keine Erhöhung, eine Anwendung der Rückenwind-Komponente zugunsten der höher belasteten Kommunen im Westen erfolgt garnicht mehr.
Die Versetzung der Landeschwellen nach Osten bei Betriebsrichtung 07, die niemandem schaden würde, ist von Anfang an daran gescheitert, dass die dafür notwendigen Investitionen in die Infrastruktur (die für
Kapazitätssteigerungen durchaus denkbar waren) zur Entlastung der Handvoll Betroffener in Raunheim, Rüsselsheim und weiter westlich natürlich viel zu hoch wären.
Der neue Lärmaktionsplan für den Flughafen lehnt die Maßnahme auch ab, aber formuliert das (auf S. 144) etwas freundlicher: es "müssten Rollwege und Infrastruktur geändert werden ... . Die Beibehaltung der 4.000 m Landebahnen für schlechte Wetterbedingungen kombiniert mit variabel verkürztem Schwellenersatz ist nach bisherigem Kenntnisstand in Frankfurt nicht umsetzbar, da die erforderliche Kombination und Verlagerung von Rollwegen flächenmäßig nicht darstellbar ist." - und diesen Kenntnisstand irgendwie zu verändern oder zu erweitern, gibt es natürlich keinen Grund.
Interessant ist auch das Schicksal der ursprünglichen Maßnahme Nr. 1, die vertikale Optimierung der Abflugverfahren, sprich die Einführung von Steilstarts. Hier erkennt man (zumindest im Nachhinein) die Wirkung geschickter Lobbyarbeit. Während im Expertengremium anfangs völlig klar war, dass nur steilere Starts zu einer Reduzierung des Lärm führen können, taucht in den Empfehlungen des Monitoring-Berichts plötzlich der Hinweis auf, dass alle Startverfahren, auch Flachstarts, auf den Prüfstand sollten, obwohl keinerlei technische Begründung dafür existiert. Sie ist eben ökonomischer Natur: Lufthansa möchte die Flachstarts, weil sie glaubt, damit Treibstoff sparen zu können.
Bereits im Februar 2013 hatte Lufthansa heimlich begonnen, ein neues Startverfahren zu praktizieren. Der Test dauerte nur eine Woche, dann kam ein Journalist dahinter und damit trat ein Problem auf, das prompt zum Abbruch führte. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben - der nächste Versuch startete am 1. Juli. Was Lufthansa genau vorhat, liegt immer noch im Dunkeln. Von sich aus zu informieren, was sie den Menschen zuzumuten gedenken, haben sie nicht nötig, und auf Fragen antwortet der "gute Nachbar" auch nicht. Das Forum Flughafen und Region beantwortet die Detail-Fragen ebenfalls nicht, stellt aber ein paar allgemeine Aussagen zu Startverfahren bereit.
Gemäß einer Präsentation der LH in der Sitzung der Fluglärmkommission im April soll das bisherige Standard-Verfahren durch ein Verfahren ersetzt werden, das zur ICAO-Klasse NADP2 gehört. Das sagt zunächst einmal nur, dass es sich um ein Verfahren handelt, das ICAO empfiehlt, wenn der Lärm nur in einer weiteren Entfernung vom Startpunkt eine Rolle spielt. Was nah und was weit ist, hängt dabei u.a. vom Flugzeugtyp ab. Da die Flugmanöver an die jeweils erreichte Höhe gebunden sind, endet der Nahbereich für leichte, schnell steigende Maschinen bereits in etwa 5 km Entfernung vom Startpunkt, während er bei den schweren Kisten ("Heavies") bis zu 15 km ausgedehnt sein kann. Da diese auch für Lärmbetrachtungen die relevantesten sind, ist diese Lufthansa-Entscheidung also ein Schlag auf die Ohren aller Menschen, die weniger als 15 km vom Flughafen entfernt leben und eine Abfluglinie in der Nähe haben (das Raunheimer Stadtzentrum ist ca. 6 km vom Startpunkt der Centerbahn entfernt).
Am 28.05. hat Lufthansa per Pressemitteilung verlautbart, dass das neue Verfahren ab 01.07. für drei Monate "getestet" werden soll. Genaueres erfährt man aber auch hier wieder nicht. In einer Last-Minute-Aktion, wiederum per
Presseinformation mitgeteilt, wurde der "Test" wieder auf ein Jahr verlängert, aber dafür auf Abflüge von der Startbahn West beschränkt. Zugleich wird aber auch aus der PM und einem gleichzeitigen Vortrag des Umwelthauses in der Fluglärm-Kommission deutlich, dass eine echte Messung der Auswirkungen des neuen Verfahrens nicht vorgesehen ist - das geplante Monitoring ist keins.
Dies bestätigt der Monitoring-Bericht, den das FFR/UNH in der Sitzung der Fluglärmkommission am 09.07.14 vorgestellt hat. Wenig Daten, viel Statistik - so versuchen die Autoren, doch noch irgendwie die gewünschte Schlussfolgerung zu begründen. Überzeugend ist es nicht. Auch die FLK mochte auf dieser dünnen Grundlage keinen Freibrief für das neue Verfahren ausstellen. Aber auch hier gilt wieder: die FLK berät, entscheiden tun andere. In einer
Presseinformation vom 10.09.14 teilt Lufthansa mit, dass sie "ab heute" das neue Flachstartverfahren "deutschlandweit" eingeführt hat.
Was künftig droht, zeigt ein Blick auf die heutige Belastung beim Startbetrieb. Die Grafik rechts zeigt die Abflugspuren eines halben Tages (12.05.2013, 12 - 24 Uhr) bei Betriebsrichtung 25. Wie man sieht, kann von einer Abflugroute bei der Südumfliegung kaum die Rede sein. Der Bereich, der überflogen wird (und damit der Abstand zur Bebauung), variiert sehr stark. Und auch die Flughöhen unterscheiden sich stark: während einzelne schon früh Höhen über 2.000 m erreicht haben (gelbe Linien), quälen sich andere unter 1.000 m (rote Linien) durchs ganze Bild. Die hinterlegte grössere Grafik zeigt, was das für Auswirkungen hat: die markierte rote Linie ist die Flugspur einer Lufthansa 747-400, die in Höhen zwischen 600 und 800 m an Raunheim vorbeidröhnt und dabei den Süden der Stadt mit 81 dB(A) beschallt. Selbst im Nordwesten werden noch 71 dB(A) erreicht. Das sind Werte, die viele anfliegende Flugzeuge nicht erreichen, die direkt über das Stadtgebiet fliegen.
Zu befürchten ist, dass derartige Belastungen zunehmen. Zum einen hat Lufthansa ja immerhin schon zugegeben, dass künftig in diesem Bereich niedriger geflogen werden soll. Zum anderen muss man davon ausgehen, dass bei dem neuen Verfahren enge Kurvenradien schwieriger werden, da der Schub weniger in Höhengewinn und mehr in Geschwindigkeit umgesetzt wird, und daher die Annäherungen an Raunheim, wie sie hier noch als Einzelfall zu sehen ist, häufiger vorkommen werden. Wenn dann die DFS auch noch Vorgaben macht, die ein zu frühes Abbiegen nach Süden verhindern sollen, um die Südumfliegung von den Starts auf der 18 West unabhängig zu machen, kann man fast sicher sein, dass sich die Abweichungen Richtung Raunheim verlagern werden.
Dazu kommt, dass mit ziemlicher Sicherheit auch die Schadstoff-Immissionen zunehmen werden. Das ICAO-Umweltkomitee hat in einem Arbeitspapier festgestellt, dass NADP2-Verfahren im Vergleich zu NADP1-Verfahren (zu denen man das bisher in Frankfurt geflogene Verfahren rechnen kann) zwar 0,6 bis 2,7 % weniger Kohlendioxid produzieren (und entsprechend viel Treibstoff einsparen), dafür aber zwischen 5 und 20 % mehr Stickoxide im Nahbereich emittieren. Auch wenn noch umstritten ist, wie hoch der Beitrag des Luftverkehrs zur Stickoxid-Belastung insgesamt ist: klar ist, dass diese Belastung schon jetzt im Rhein-Main-Gebiet fast ganzjährig zu hoch und damit jede zusätzliche Steigerung unverantwortlich ist.
Eine andere Art des "lauter fliegen", die besonders Raunheim betrifft, ist die Praxis des sog. "Swing-over", d.h. des Bahnwechsels vor der Landung. In der Regel passiert das, um vom Anflug auf die Südbahn noch schnell auf die (ev. gerade erst frei gegebene) Centerbahn zu wechseln, um nach der Landung schneller am Terminal zu sein. Wie die Flugspuren zeigen, ist das auch kurz vor dem Aufsetzen noch möglich (s. Grafik links, zum Vergrössern anklicken) und, da es in
niedriger Höhe über dem Stadtgebiet erfolgt, mit zusätzlichem Lärm verbunden.
Ab 50 km Entfernung im kontinuierlichen Sinkflug anfliegen, um Lärm zu vermeiden, aber auf den letzten Metern einen Zauber wie bei einer Flugshow zu veranstalten - wie passt das zusammen? Verantwortlich für das Verfahren ist die DFS, die jeden Swing (auf Antrag des Piloten) genehmigen muss - aber es ist wohl kein Zufall, dass man bei Prüfung des Einzelfalls (fast) immer LH-Piloten als Mitglieder dieses Swinger-Clubs findet.
Zu dem unnötigen Krach, den das Swing-Manöver erzeugt, kommt natürlich noch die Tatsache, dass entgegen früherer Versprechungen der Raunheimer Norden durch die dauernde Nutzung der Centerbahn eben doch ständig mit extremem Fluglärm belastet wird - weitaus weniger als früher, aber trotzdem störend, besonders wenn es früh morgens oder spät abends passiert. Da reicht eben schon ein besonders lauter Flieger, um den Schlaf zu beenden oder zu verhindern.
In der Sitzung der Fluglärm-Kommission im November 2013 hat die DFS beantragt, das bis dahin anscheinend nur "informell" geflogene Manöver nun auch offiziell einzuführen, allerdings nur für die Betriebsrichtung 25, also bei Anflug aus Osten. Eine dazu vorgelegte Betrachtung der Lärmwirkungen durch das Umwelthaus zeigt, dass dadurch Neu-Isenburg und Zeppelinheim rechnerisch entlastet werden, während der Lärm in Sachsenhausen und Niederrad nur unwesentlich zunehmen soll. Für die Betriebsrichtung 07 kommt die Betrachtung zu dem Ergebnis, dass Raunheim dadurch unakzeptabel belastet wird, ohne dass irgendwo Entlastungen auftreten. Die BI hatte deshalb die DFS in einer Presseerklärung aufgefordert, dieses Verfahren sofort einzustellen. Aktuell scheint es über Raunheim auch nur noch selten angewendet zu werden.
So verschlossen sich Lufthansa bei der Umsetzung profitträchtiger, aber potentiell belastender Maßnahmen gibt, so laut schreien sie und ihre Allianz-Partner bei anderen Maßnahmen, bei denen keine negativen Auswirkungen zu befürchten sind, auch wenn dabei die Grenze zur Peinlichkeit mehrfach überschritten wird. Hauptsache, das Thema bleibt in den Medien und ausserhalb der betroffenen Region wird der Eindruck erweckt: "Die tun was".
Allein im September/Oktober 2013 wurden drei "Maßnahmen des aktiven Schallschutzes" in den Medien bejubelt, die sich bei genauerem Hinsehen eher als peinlicher Beleg dafür entpuppen, wie wenig Schallschutz in der Vergangenheit eine Rolle spielte und wie unzureichend seine Förderung auch heute noch ist. Zweimal war daran die Lufthansa beteiligt.
Fast zeitgleich wurden auch andere Zahlen präsentiert, aber das schadet der Glaubwürdigkeit auch nicht mehr ...
Quelle: Dokumentation ICANA 2013, Teil 2, S. 39
Am 19.9.13 verkündete LH "die größte, private Einzel-Investitionen in der deutschen Industriegeschichte", die Bestellung von "34 Boeing 777-9X und 25 Airbus A350-900" für "die Langstreckenflotten der Lufthansa Group". "Der Lärmteppich der neuen Modelle wird mindestens 30 Prozent kleiner sein, als bei heutigen Flugzeugen", heißt es vollmundig, und der Noch-Vorstandsvorsitzende Franz setzt noch einen drauf: „Jeder einzelne A350 und jede einzelne Boeing 777 entfaltet in Deutschland die Beschäftigungswirkung eines mittelständischen Unternehmens“.
Klingt phantastisch, solange man nicht bedenkt, dass es sich hier um längst überfällige Ersatzbeschaffungen handelt, die, beginnend 2016, über zehn Jahre verteilt werden. Lufthansa rangiert im aktuellen
Effizienzrating von Atmosfair auf Platz 72 von 125 getesteten Airlines, eine Modernisierung der Flotte ist schon aus ökonomischen Gründen dringend nötig. Dass neuere Flugzeuge leiser sind, ergibt sich zwangsläufig aus der Tatsache, dass vor 40 Jahren (damals wurden die jetzt zu ersetzenden Typen entworfen) der Schallschutz überhaupt keine Rolle gespielt hat. Der beliebte 30%-Vergleich ist eine weitere Irreführung, denn er bezieht sich nur auf die Größe der Fläche, innerhalb derer extrem lauter Startlärm auftritt, und besagt keinesfalls, dass es an irgendeinem gegebenen Ort "30% leiser" würde.
... denn je nach gewünschter Wirkung kann man die Sachverhalte auch anders darstellen.
Quelle: LH Politikbrief 04/2014, S. 3
Zur richtigen Einordnung dieses Beschaffungsprogramms ist es auch hilfreich zu wissen, dass die in Dubai ansässige Emirates allein auf der diesjährigen dortigen Airshow neue Flugzeuge in einem Wert geordert hat, der etwa dem Dreifachen des Gesamt-Investitionsprogramms der Lufthansa entspricht - und dabei auch schon die ersten A380 wieder austauscht, weil sie nicht effizient genug sind.
Das ist aber natürlich keine begrüssenswerte umweltpolitische Grosstat, sondern ein verdammungswürdiger Verdrängungswettbewerb eines staatlich subventionierten Prestigeprojekts zulasten der bedauernswerten privatwirtschaftlichen Konkurrenz (s. Grafik links).
Den nächsten Knüller lieferte LH mit einer Pressemitteilung am 29.10.13: Die A320-Flotte erhält "sogenannte Wirbelgeneratoren", die "den Gesamtschallpegel des Flugzeugs im Anflug um bis zu zwei Dezibel reduzieren" sollen. 157 Flugzeuge werden "ab Januar 2014" damit ausgestattet.
Auch hier hat die hochtrabende Ankündigung einen peinlichen Hintergrund: es handelt sich um die Beseitigung eines simplen Konstruktionsfehlers, der seit mehr als zehn Jahren bekannt ist (DLR-Jahresbericht 2001/02, S. 44, s. Grafik rechts).
Lufthansa selbst hatte diese Maßnahme schon in der Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 angedeutet und im Februar 2012 in der Maßnahmeliste der
Allianz für Lärmschutz konkret benannt.
Statt sich nun aber für die jahrelange unnötige Lärmbelastung zu entschuldigen, feiert sich Lufthansa für eine Selbstverständlichkeit, die zudem noch teilweise von Anderen bezahlt wird. Durch die Umrüstung fallen die Flugzeuge nämlich ab 2015 in eine günstigere Kategorie der Lärmentgelte auf FRA, so dass LH einen grossen Teil der Kosten gleich wieder einspart.
Die Peinlichkeiten waren damit aber nicht zu Ende. Im Juni 2014 antwortet Lufthansa auf eine entsprechende Anfrage, dass schon vier(!) neue A320 mit den Generatoren ausgerüstet sind und weitere sechs noch im selben Jahr dazukommen sollen. Die Umrüstung der Bestandsflotte sollte nun "voraussichtlich" im 3. Quartal 2014 beginnen. Am 3. November 2014
teilte Lufthansa mit, dass nun schon zehn Flugzeuge (neun neue und ein umgerüstetes) mit den "Generatoren" ausgerüstet sind, 257 weitere (100 neue und 157 umzurüstende) sollen folgen. "Nach derzeitigen Planungen wird die gesamte Maßnahme in etwa einem Jahr abgeschlossen sein." Angesichts des tatsächlichen technischen Aufwands, der dahintersteckt (s. Grafik links), kann man wirklich nur staunen über soviel Dreistigkeit.
Am 25.06.2015 konnte Lufthansa immerhin melden, dass die Umrüstung der ersten hundert Maschinen geschafft ist. Zwei Drittel des Projekts in acht Monaten geschafft - also voll im Plan.
(Nach Angaben von Minister Al-Wazir in einer Landtagsdebatte wird das Teil im hessischen Polit-Jargon übrigens "Boddenberg-Generator" genannt - wahrscheinlich deshalb, weil dieser CDU-Abgeordnete im Landtag üblicherweise genau das produziert: wohlgeformtes Blech.)
Auch über die Wirkung gibt es neue Aussagen: "bis zu 4 Dezibel" soll es nach den beiden grade zitierten Quellen in 15-20 bzw. 10-17 km Entfernung vom Flughafen leiser werden. Uns nützt das leider nicht, denn "für Raunheim ergibt sich keine Veränderung des Lärmpegels da die Flugzeuge sich hier unmittelbar vor der Landung in einer anderen Konfiguration befinden". Das heißt: der Anflug wird leiser, nicht aber die Landung. Also auch hier wieder: nichts drin für Raunheim.
An der dritten Posse dieser Art war Lufthansa nicht direkt beteiligt. Rund um den 4.10.13 rauschten Meldungen von einem revolutionären Test durch den lokalen Blätterwald: eine Maschine der Condor flog achtmal hintereinander aus Westen kommend die Nordwestbahn an, davon sechsmal in einem Winkel von 4,5°, also deutlich steiler als üblich. Die zahlreich an Bord vorhandenen Reporter konnten aus erster Hand bestätigen, dass die Anflüge problemlos verliefen, und die frohe Botschaft verkünden, dass es, wenn das Verfahren "serienreif" sei, (schon wieder) deutlich leiser werden könne, zumindest in Mainz und Wiesbaden.
Grundsätzlich können steilere Anflüge natürlich zur Lärmminderung beitragen, zumindest in größerem Abstand vom Aufsetzpunkt, da dann länger in größeren Höhen geflogen wird und weniger Lärm unten ankommt. Der Teufel steckt aber im Detail: bei größeren Flughöhen verteilt sich der Lärm auch über eine größere Fläche, und durch die notwendigen Manöver kann es an einigen Stellen sogar lauter werden. Um also herauszufinden, was tatsächlich passiert, muss man die Lärmverteilung messen - und das ist der traurige Hintergrund der Frankfurter Show.
Denn eigentlich soll das Verfahren in einem längerfristigen Forschungsprojekt der DLR erforscht werden. Die Aktivitäten dazu sind aber seltsam bruchstückhaft, und Zusammenhänge erschliessen sich nur mühsam. So kann man bei gründlichem Lesen herausfinden, dass die DLR zusammen mit Air Berlin 2011 erste Tests in Braunschweig durchgeführt hat und mit TUIfly am Flughafen Hannover einen längeren Testbetrieb plant, aber dort gibt es bisher offenbar keine geeigneten Messstellen. Statt nun dort ein geeignetes Messfeld zu installieren, wie es in der Vergangenheit für solche Untersuchungen genutzt wurde, und damit im Dauerbetrieb realistische Messwerte zu sammeln, verfiel man auf die Idee, doch lieber ein paar wenige Flüge in Frankfurt zu veranstalten, wo ja ohnehin wenigstens ein paar Messstellen in der Nähe herumstehen - ist ja deutlich billiger, und das Forum Flughafen und Region, das diese Testflüge beauftragt (s. News vom 4.10.) und wahrscheinlich aus Steuergeldern bezahlt hat, brauchte noch ein Highlight für seine Konferenz ICANA. Die DLR hat dort Ergebnisse vorgestellt, allerdings in so allgemeiner Form, dass deren Wert kaum zu beurteilen ist. Eine erste Auswertung auf der Basis von DFLD-Daten zeigt, dass wohl auch keine schlüssigen Resultate zu erwarten sind.
Man darf gespannt sein, ob jemand Geld in die Hand nimmt, um die Lärmwirkungen dieses Verfahrens wirklich zu messen - oder ob auch hier, wie beim Startverfahren der Lufthansa, aus untauglichen Messergebnissen die gewünschten Schlussfolgerungen gezogen werden. Es gibt allerdings zwei wesentliche Unterschiede: erstens läßt sich mit dem steileren Anflug kein Geld sparen, und zweitens wird er so bald auch nicht kommen. Wie der DLR-Projektleiter lapidar bemerkt, widerspricht das Verfahren geltenden ICAO-Regeln, und "(e)ine Änderung dieser internationalen Vorgaben ist aufwendig und sehr zeitintensiv. Daher kann der 'Steeper Segmented Approach' auch bei erfolgreichem Testverlauf auf absehbare Zeit nicht im Regelbetrieb angewendet werden."
Deswegen, und wegen der seltsam segmentierten öffentlichen Darstellung, in der die jeweiligen "Partner" immer nur ihren eigenen Beitrag ("weltweit einmalig" etc.) in den Vordergrund rücken, darf man vermuten, dass auch hier die positive Botschaft ("es wird leiser !!") schon das Ziel der Übung ist. Für Raunheim ist aber auch das egal: wie man aus der Grafik ablesen kann, gibt es in dieser Entfernung keinen Höhenunterschied zwischen beiden Verfahren.
Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung, die Anfang 2014 ihr Amt antrat, ist ein weiteres Instrument des aktiven Schallschutz hervorgehoben: die Lärmobergrenze. Vollmundig heißt es dazu:
"Entsprechend der Empfehlungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt einzuführen. Ziel ist es, eine deutliche Lärmreduzierung gegenüber den im Planfeststellungbeschluss prognostizierten Werten zu erreichen."Wie diese Grenze aussehen soll, wird nicht erläutert, als Instrumente werden wieder einmal die 19 Maßnahmen der "Allianz für Lärmschutz" herunter gebetet. Immerhin ist das Ziel ein bißchen ehrlicher: nicht mehr "Es wird leiser", sondern "Es wird nicht ganz so laut wie geplant".
"Das Modell der Lärmobergrenze mit dynamisiertem Faktor sieht vor, dass für die relevant mit Fluglärm belasteten Wohngebiete Immissions-Grenzwerte festgelegt werden." Dazu ist "ein hinreichend bemessener dynamischer Faktor zu ermitteln und durch die Genehmigungsbehörde festzusetzen, der ein kontinuierliches Absenken der Grenzwerte ermöglicht."Das klingt zunächst recht positiv, wirft aber einige grundsätzliche Fragen auf, wie wir bereits vor einiger Zeit in einem Kommentar erläutert haben. Die Zeiten, in denen wünschen geholfen hat, sind aber ohnehin schon länger vorbei. Was wirklich passieren soll, legen andere fest. So teilte der "Koordinierungsrat des Forum Flughafen und Region" im November 2013 mit, dass er die Entwicklung eines Konzepts einer Lärmobergrenze beschlossen hat, das auf den Vorschlägen von DLR-Chef Wörner beruhen soll. In der Pressemitteilung dazu heißt es:
"Eine zentrale Überlegung hierbei ist, die Entwicklung des Fluglärms von der Anzahl der Flugbewegungen zu entkoppeln".Schon die Sprache ist hier verräterisch. Die simple physikalische Tatsache, dass jede Flugbewegung Lärm erzeugt, soll irgendwie weggerechnet werden, damit diese "Wörner-Grenze" nur ja kein Hindernis für das weitere Wachstum des Flughafens werden kann. Näheres dazu findet man in der Dokumentation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten der FFR-Konferenz ICANA (die Folien von Herrn Wörner alleine sind schwer verständlich, man sollte zusätzlich den Video-Mitschnitt des Vortrags von Minute 6 bis 12 anhören). Über das oben Zitierte hinaus enthalten sie noch interessante Details. So ist nach Herrn Wörner der "einzig logische" Wert für die Obergrenze des Fluglärmindex der, der laut Planfeststellungsbeschluss 2020 zu erwarten wäre. (Der gleiche Herr Wörner hat im "Anti-Lärm-Pakt" des "Regionalen Dialogforums" noch lauthals eine 10%ige Absenkung dieses Wertes versprochen, aber wen kümmert das dumme Geschwätz von gestern?) Auch geht er ganz selbstverständlich davon aus, dass die Zahl der Flugbewegungen (nach 2020) auch noch weit über 700.000 hinaus wachsen kann; eine Tatsache, die die Ausbau-Lobby sonst gerne herunter spielt. Warum der Index dann trotzdem weiter sinkt, wird nicht wirklich klar, weil er keinerlei realistische Ansätze für schnelle und durchschlagende Erfolge bei der Lärmminderung "an der Quelle" benennen kann - aber das soll vermutlich auch niemand so genau wissen.
In einer Sondersitzung am 03.09.2014 musste die Fluglärmkommission ein Gutachten zur Kenntnis nehmen, das Aussagen darüber macht, ob und ggf. wie eine Lärmobergrenze am Flughafen Frankfurt rechtssicher eingeführt werden kann. Zwar hebt die FLK in ihrer Pressemitteilung positiv hervor, dass die Einführung einer solchen Grenze rechtlich möglich ist, aber die eigentliche Absicht, den Fluglärm damit deutlich zu limitieren, kann kaum erreicht werden. Herr Wörner hat dort auch nochmal einen leicht veränderten Vortrag gehalten und im Nachgang noch ein Papier geliefert, das als Konzept dienen soll für eine "realistische" Lärmobergrenze, wie oben beschrieben.
Am 15.04.2015 hat der Wirtschafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessischen Landtags mit schwarz-grüner Mehrheit einen Antrag beschlossen, der die Landesregierung auffordert, "bis spätestens Sommer 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung vorzulegen". Da am 13. Juni 2016 die neue EU-Verordnung über Betriebsbeschränkungen an Flughäfen in Kraft tritt, die es deutlich schwerer macht, aus Lärmschutzgründen echte Beschränkungen einzuführen, wird schon aus dem Timing klar, dass keinesfalls geplant ist, mit der Lärmobergrenze die Zahl der Flugbewegungen zu begrenzen.
Um dieser Diskussion eine andere Richtung zu geben, hat der Sprecherkreis des BBI nach ausführlicher Diskussion in der Delegiertenversammlung im Juli 2015 ein
Positionspapier zur Diskussion gestellt, das Forderungen formuliert, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation führen könnten. Statt eine "Obergrenze" einzuführen, die noch wesentlich mehr Lärm zuläßt als heute, sollen Lärmminderungsziele formuliert werden, die den heute schon unhaltbaren Zustand Schritt für Schritt, aber verbindlich für alle, verbessern.
Lärmpausen waren seit Amtsantritt der schwarz-grünen Landesregierung deren Lieblingsthema im Komplex Flughafenausbau. Schon im Koalitionsvertrag hatten sie dazu energisch formuliert:
"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitionspartner halten dies durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."Der Hinweis auf mögliche Änderungen von Planfeststellungsbeschluss und Betriebsgenehmigung wurde ganz schnell wieder beerdigt, und "so schnell wie möglich" wurde konkretisiert als "ein gutes Jahr" bzw. "15 Monate". Ziel ist derzeit die Einführung zum Sommerflugplan 2015. Inzwischen wird immer mal wieder gewarnt, die Pausen würden "nicht immer und überall" (Ministerpräsident Bouffier) und "nicht dauerhaft und planbar" (Fraport-Chef Schulte) sein, aber kommen sollen sie trotzdem irgendwie.
"Für den Fall, dass dieses Ziel (siebenstündige Nutzungspausen) nicht in angemessener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Planänderung bzw. modifizierte Betriebsgenehmigung vor."
Am 12.09.14 hat Minister Al-Wazir der Öffentlichkeit fünf Modelle vorgestellt, aus denen Fluglärmkommission und Forum Flughafen und Region eines für einen einjährigen Testbetrieb aussuchen sollen. In einer Sondersitzung haben beide Gremien die Vorschläge zur Kenntnis genommen und eine sorgfältige Prüfung zugesagt, aber auch Skepsis gezeigt, denn schon die erste grobe Berechnung der Veränderung der Lärmbelastung durch das Umwelt- und Nachbarschaftshaus, die ebenfalls in der Sitzung vorgestellt wurde, zeigte, dass drei der fünf Modelle zu einer, zum Teil sehr deutlichen, Mehrbelastung der Region führen, und auch die beiden insgesamt positiven Modelle an einzelnen Orten den Lärm unzumutbar verstärken.
Das einzige "Lärmpausen-Modell", das Sinn macht ...
Ausführliche Berechnungen des Forums Flughafen und Region, die der Fluglärmkommission zur Entscheidungsfindung im Januar 2015 vorgelegt wurden, bestätigen das. Obwohl dort als Definition "rechnerischer Lärmpausen" keineswegs Ruhe vor Fluglärm, sondern nur (relativ) wenige (relativ) leise Überflüge benutzt werden (genauer: "Wenn 6 x 58 dB (A) Maximalpegel außen in den Zeiträumen 22-5 Uhr oder 23-6 Uhr nicht erreicht werden, wird rechnerisch eine Lärmpause unterstellt."), kann keins der Modelle eine insgesamt positive Bilanz aufweisen, ohne punktuell zu erheblichen Zusatzbelastungen, insbesondere für ohnehin schon Hochbetroffene, zu führen.
Nach den Kriterien der Fluglärmkommission für die Prüfung von Lärmpausen, die die allgemeinen Kriterien für Schallschutzmaßnahmen für diesen Fall konkretisieren, ist das Regierungs-Konzept der "siebenstündigen Lärmpausen" damit gestorben.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen hat daher die Fluglärmkommission per Flugblatt aufgefordert, "Modell 7" (die siebenstündigen "Lärmpausen") konsequent abzulehnen und sich für "Modell 8" (achtstündiges Nachtflugverbot) auszusprechen.
Die FLK ist dieser Empfehlung leider nicht gefolgt, sondern hat in einer Stellungnahme einen Probebetrieb von Modell 4, beschränkt auf Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) für vertretbar erklärt. Die Landesregierung wird also diese Variante ein Jahr testen lassen, um ihr Lieblingsthema am Leben zu erhalten, ohne die angekündigten Konsequenzen (Änderung Planfeststellungsbeschluss oder Betriebsgenehmigung) ernsthaft in Erwägung ziehen zu müssen. Die Folgen werden für Raunheim negativ sein.
... was die FLK für möglich hält ...
In der Abendstunde ändert sich im Westen zwar nichts, da werden lediglich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isenburg und Teile Offenbachs zu leiden haben. Morgens sieht Modell 4 allerdings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raunheimer Süden (und ggf. unter der Nordabflugroute) lauter wird. Würde das im Wechsel mit Modell 5 geschehen, wäre da wenigstens auch jeden zweiten Tag Ruhe, da dann alle Abflüge über die Startbahn West rausgehen würden, aber dieser Vorschlag ist leider unter den Tisch gefallen.
Es gibt aber auch noch eine Gefahr, die aus dem Modell nicht deutlich wird. Sollte wegen der Lärmpausen-Regelung der Westbetrieb morgens und/oder abends zu instabil oder aufwändig werden, könnte die DFS auf die Idee kommen, die Willkür, die in der Betriebsrichtungswahl steckt, öfter mal zu nutzen, dem Chaos zu entkommen und ganz ohne Lärmpause Betriebsrichtung 07 zu fliegen - worst case für Raunheim.
... und was nun getestet wird.
Am 04.02.15 wurde im Wirtschaftsministerium das Bündnis für Lärmpausen aus der Taufe gehoben. Festgelegt wurde der geringst-mögliche Anspruch: Lärmpausen sind unverbindlich und freiwillig, sie schaffen keinerlei rechtliche Ansprüche über den Planfeststellungsbeschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicherheit, der "Infrastruktur" (sprich: Kapazität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entsprechend hoch sind die Erwartungen: der Test gilt nur dann als nicht bestanden, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwendung gekommen ist". Am 23. April hat der Test begonnen und soll ein Jahr dauern.
Diese Ergebnisse bestätigen unsere kritische Haltung zu "Lärmpausen" bzw. dem dahinter stehenden Konzept der "variierenden Bahnnutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") und der politischen Diskussion dazu, die wir in jeweils eigenen Beiträgen kommentiert haben. Gerade die Erfahrungen aus dem DROps-Modell "Early Morning" lassen befürchten, dass die "Lärmpausen" nicht nur keinen Nutzen bringen werden, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flughafen dran sind.
Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben:
Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.
Details zur Antragstellung für alle
Fördermaßnahmen
gibt es auf der Seite des
RP Darmstadt zu
Baulicher Schallschutz - Regionalfonds
Das zuständige Ministerium
(HMWEVL) hat eine Seite zur
Verordnung über den Lärmschutzbereich
Auch Fraport erläutert seine Sicht der Dinge unter
Das passive Schallschutzprogramm.
Kartenausschnitte Raunheim: Tagschutzbereich, Nachtschutzbereich
und Anspruchsbereich nach dem Regionalfondsgesetz
Für alle Ansprüche (von Privat-Personen) gilt:
Ablauf 5 Jahre nach Entstehen des Anspruchs, d.h.
für Ansprüche nach FluLärmG
12. Oktober 2016
für Grundstücke in der "inneren Nachtschutzzone"
12. Oktober 2021
für alle Anderen
für Ansprüche nach RegFondsG
31. Dezember 2017 für Alle
für Ansprüche auf Aussenwohnbereichs-Entschädigung
12. Oktober 2021 für Alle
bei der Stadt Raunheim
Herr Norbert Schütz,
Fachdienst Soziales,
Rathaus, Am Stadtzentrum 1
Zimmer 137, 1. Etage
Tel. 06142 / 402-251,
Mail n.schuetz@raunheim.de
beim RP Darmstadt
Frau Nieratzky (06151/123108)
peggy.nieratzky@rpda.hessen.de
Herr Ullmer (06151/123163)
rene.ullmer@rpda.hessen.de
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) regelt die Ansprüche, die Anwohner von Flughäfen in Deutschland an den "Schutz ... vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm" stellen können. Es schützt damit auch den Fluglärm vor weitergehenden Ansprüchen, die sich aus medizinischen Notwendigkeiten o.ä. ergeben könnten.
Es ist ein typisch sozialdemokratisches Gesetz, von SPD-Verkehrsministern in einer SPD/Grüne-Regierung vorbereitet und unter einer CDU/SPD-Regierung verabschiedet. Gegenüber dem Vorgängergesetz wurden die Grenzwerte verschärft, dafür aber die Berechnungsverfahren so verändert, dass sich faktisch kaum Verbesserungen ergaben - es sieht eben nur besser aus.
Primär zielt das Gesetz darauf ab, störende Nutzungen von Flughäfen fern zu halten. Dazu definiert es "Lärmschutzbereiche", in denen Siedlungs- und Nutzungsbeschränkungen gelten. Die genaue Festlegung dieser Bereiche wird in der ersten Verordnung zu diesem Gesetz geregelt, der 1. FlugLSV. Soweit in diesen Zonen noch Bebauung zulässig oder schon vorhanden ist, muss sie bestimmten Schallschutz-Anforderungen genügen. Das wird in der 2. FlugLSV, der sog. Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung, festgelegt.
Deren Bestimmungen führen heute zu dem Ärger vieler AntragstellerInnen, denen Maßnahmen verweigert werden. Sie bieten nur ein Minimum an Lärmschutz, und obendrein sind die Maßnahmen, die der Verursacher - in unserem Fall also Fraport - zu finanzieren hat, gedeckelt auf eine Summe von 150 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Für die meisten Bestandsbauten reicht das natürlich nicht einmal aus, um die in der Verordnung angegebenen, ungenügenden Schalldämmwerte zu erreichen, aber das ist für den Gesetzgeber das Pech derjenigen, die da drin wohnen.
In der Praxis führt das dazu, dass für Altbauten nach diesem Gesetz gerade einmal Schallschutzfenster und die berühmt-berüchtigten Lüfter für die Schlafräume gefördert werden. Bewohner neuerer Bauten bekommen in der Regel garnichts, weil die vorgegebenen Dämmwerte schon beim Bau erreicht werden mussten.
Auch auf die Einhaltung der Fristen ist zu achten. § 9 Fluglärmgesetz sagt im allerletzten Satz (§ 9 (7) Satz 2): "Der Anspruch ... kann nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden." Bisher hat es praktisch keine Rolle gespielt, aber der Zeitpunkt der Entstehung des genannten Anspruchs ist tatsächlich nicht für alle Raunheimer Hausbesitzer gleich. Denn zwar liegt ganz Raunheim in der sog. "Nachtschutzzone", aber die ist in sich nochmal in zwei Bereiche geteilt: einen inneren Bereich, in dem der (berechnete) Lärmwert zwischen 55 und 60 db(A) liegt, und einen äusseren Bereich von 50 bis 55 dB(A) (orangefarbener bzw. brauner Bereich der Karte). (Für die "Tagschutzzone" gibt es ebenfalls zwei Bereiche, aber da liegt ganz Raunheim im "äusseren Bereich" (!))
Bei Novellierung des FluLärmG wurde eine allgemein als Lex Fraport kritisierte Fristen-Regelung eingeführt, die den "weniger belasteten" Anwohnern des äusseren Bereichs erst nach sechs Jahren Schutzansprüche einräumen sollte. Das hat sich bei den Erstattungen für Schallschutzmaßnahmen nicht ausgewirkt, weil Fraport sich nach massiven Protesten nach der Eröffnung der Nordwestbahn mit der Einführung des Regionalfonds 2012 "freiwillig" verpflichten musste, die Erstattungen für alle umgehend auszuzahlen.
Für die Ablauf-Fristen bleibt aber der gesetzlich festgelegte Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs relevant, und das ist für die Bewohner der orange-farbenen inneren Nachtschutzzone der 12. Oktober 2016, denn am 13. Oktober 2011 trat die Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main in Kraft, die diese Zone definiert hat. Für alle Anderen läuft die Frist erst fünf Jahre später ab. Will man allerdings zusätzlich Mittel aus dem Regionalfonds in Anspruch nehmen, muss man beachten, dass deren Frist früher abläuft (siehe unten).
Um die Empörung über den unzureichenden Lärmschutz rund um den Frankfurter Flughafen etwas zu dämpfen, hat die hessische Landesregierung 2012 das sog. Regionalfonds-Gesetz auf den Weg gebracht. In diesem Regionalfonds stehen zusätzlich ca. 120 Mill. Euro für Lärmschutzmaßnahmen und "nachhaltige Regionalentwicklung" zur Verfügung, davon 100 Mill. aus Steuergeldern. Zusätzlich werden noch 150 Mill. Euro für zinsgünstige Kredite bereitgestellt. Über Umfang und Verteilung der Mittel wurde im "Forum Flughafen und Region" längere Zeit gefeilscht, das Ergebnis wird dort unter
Kriterienkatalog Regionalfonds beschrieben.
Im Ergebnis werden in einem eigens definierten "Anspruchsgebiet" ca. 17.300 Haushalte mit max. 4.350 Euro pro Wohneinheit gefördert. Die Kriterien, was gefördert werden kann, sind flexibler, allerdings besteht auch kein Rechtsanspruch auf diese Förderung. Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums gibt es im Falle der Ablehnung nur die Möglichkeit eines Einspruchs bei einer sog. "Härtefall-Kommission" - und wenn das Geld verbraucht ist, gibt es ebenfalls keinen Anspruch mehr. Es lohnt sich also, den Antrag bald zu stellen.
Um die Mittel in Anspruch nehmen zu können, muss man vorher die Ansprüche nach FluLärmG geltend gemacht haben. Endgültiges Ende der Antragsfrist ist fünf Jahre nach Inkrafttreten der
Förderrichtlinie, also am 31.12.2017.
Am 20.08.13 hat die Bundesregierung die Dritte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm mit dem schönen Namen "Fluglärm-Außenwohnbereichsentschädigungs-Verordnung - 3. FlugLSV" beschlossen.
Danach können Besitzer von sog. "Aussenwohnbereichen", d.h. Balkonen, Terassen etc., in der Tagschutzzone 1 eine Einmalzahlung erhalten dafür, dass sie dauerhaft den Fluglärm ertragen müssen. Die Pauschalen, die der Flughafenbetreiber zahlen soll, sind in §5 festgelegt, dazu gibt es noch Ausnahmeregelungen. So können Besitzer hochwertiger Häuser oder Wohnungen statt der Pauschalen einen prozentualen Anteil am Verkehrswert geltend machen, und der Betrag kann durchaus höher sein - frei nach dem christlich-liberalen Motto: Wer viel hat, dem wird auch mehr gegeben.
Wer den Verkehrswert einer Raunheimer Immobilie offiziell bestimmen lassen möchte, muss sich an den "Gutachterausschuss für Immobilienwerte für den Bereich des Landkreises Groß-Gerau" beim "Amt für Bodenmanagement" in Heppenheim wenden
(Kontakt und Preisliste). Der gleiche Ausschuss kann den Verkehrswert auch schätzen mithilfe einer Software, die mit aktuellen Vergleichswerten gefüttert wurde. Diese Schätzwerte können vom "wahren" Wert in beiden Richtungen abweichen, werden aber ebenfalls anerkannt und haben den Vorteil, kostenlos erstellt zu werden. Die Kosten für ein vollständiges Gutachten müssen von Fraport nur übernommen werden, wenn sich daraus tatsächlich ein höherer Entschädigungswert ergibt als der Betrag der entsprechenden Pauschale. Dieses Verfahren ist im Gesetz nicht vorgesehen, wurde erst im letzten Jahr eingeführt und in einem Vortrag in einer Sitzung der Fluglärmkommission erläutert.
Hier kann man sich aber Zeit lassen - der Rechtsanspruch entsteht erst ab Oktober 2016 und erlischt erst fünf Jahre später. Stellen kann man den Antrag jetzt trotzdem schon.
Im Dezember 2015 hat das RP Darmstadt eine neue Info-Broschüre veröffentlicht, die auf 20 Seiten noch einmal aktuell alle wesentlichen Punkte, die auch oben beschrieben wurden, zusammenfasst.
Wie alle Massenverkehrsträger emittiert auch der Frankfurter Flughafen grosse Mengen
Schadstoffe
in Luft, Wasser und Boden. Im Rahmen der Ausbauplanung wurden diese Emissionen, ihre voraussichtliche Entwicklung, die daraus resultierenden Immissionen und ihre Wirkungen in mehreren Gutachten abgeschätzt. (Der DFLD stellt alle
PFV-Unterlagen zur Verfügung. Ordner 60 enthält alles Wesentliche zum Thema Schadstoffe.) Auch wenn an den Ergebnissen dieser Gutachten im Einzelfall Zweifel angebracht sind, geben sie doch einen Überblick. Auch Fraport informiert unter dem Stichwort "Nachhaltigkeit" über die
Luftqualität
am Flughafen und veröffentlicht jährlich einen
Luftbericht sowie eine
Umwelterklärung.
Einen speziellen Beitrag liefert das
Monitoring des "Forum Flughafen und Region" auf der Basis von Messungen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie. Zu deren jüngsten Ergebnissen haben wir einen eigenen Kommentar.
Während die Schadstoffe, die Boden und Grundwasser belasten, in der Regel aus den Begleitaktivitäten des Flughafenbetriebs stammen (Leckagen in Kerosin-Leitungen und -Tanks, unsachgemäßer Umgang mit Enteisungsmitteln, Löschschaum usw.), stammen die Luftschadstoffe sowohl vom Flugverkehr als auch von sonstigem Bodenverkehr, Heizung/Kühlung und anderen Verbrennungsprozessen. Bis heute gibt es kein anerkanntes Verfahren, um Abgase aus der Verbrennung von Kerosin in Turbinen von solchen aus der Verbrennung von Diesel oder Heizöl zu unterscheiden.
91,5% des Ausstosses eines Triebswerks bestehen aus Luft (Stickstoff und Sauerstoff), von den restlichen 8,5% sind wiederum nur 0,4% Schadstoffe im eigentlichen Sinn - also kaum der Rede wert?
Messungen von Triebwerksemissionen im laufenden Betrieb sind schwierig und werden nur selten durchgeführt. Die Mengen an Schadstoffen, die am Flughafen tatsächlich ausgestossen werden, können daher nur abgeschätzt werden. Dies geschieht in der Regel auf der Basis der durchgeführten Flugbewegungen und der dabei eingesetzten Triebwerke, deren Hersteller verpflichtet sind, Emissionswerte für sog. Standard-Zyklen anzugeben. Für den Flughafen Frankfurt kennen wir zwei Quellen, die auf diese Weise Emissionen abschätzen. Zum einen veröffentlicht Fraport in der o.g.
Umwelterklärung Emissionsdaten aus dem Luftverkehr (S.10), allerdings ohne genaue Angabe der Berechnungsart. Angegeben ist lediglich, dass nur Emissionen unterhalb 300 m Flughöhe berücksichtigt sind (nur diese seien "lokal wirksam"). Zum anderen veröffentlicht der Deutsche Fluglärmdienst DFLD in seinen
Jahresstatistiken Emissionswerte, die auf einer externen Identifikation der Flugzeuge beruhen. Letztere gelingt nur in etwas mehr als der Hälfte aller Fälle, so dass die Daten unvollständig und zu niedrig sind. Andererseits berechnet DFLD die Emissionswerte für den gesamten sog. LTO-Zyklus bis 900 Meter Flughöhe, wodurch sich deutlich höhere Werte ergeben müssten.
Ein Vergleich für die neuesten aus beiden Quellen vorliegenden Daten zeigt die nachfolgende Tabelle. Was man daraus in erster Linie sieht, ist, das die Unsicherheiten bei dieser Art Abschätzung offenbar sehr groß sein müssen.
Zwar stimmen die geschätzten CO2-Mengen relativ gut überein (was aufgrund der unterschiedlichen Datenbasis auch nicht unbedingt zu erwarten war), aber die damit verbundenen Schadstoff-Emissionen unterscheiden sich insbesondere bei Kohlenwasserstoffen (HC) und Feinstaub/PM10 erheblich. Die letzte Zeile gibt an, welche Schadstoff-Mengen man aufgrund der CO2-Emissionen ungefähr erwarten würde, wenn man die mittlere Aufteilung zugrunde legt, die in der Grafik des Flughafen Düsseldorf angegeben wird. Das sind allerdings auch wieder nur mittlere Werte, die dem Start- und Lande-Modus der Triebwerke nicht entsprechen.
Das Problem haben auch andere. So ergeben die beiden letzten Versuche des Umweltbundesamts, die Luftverkehrs-Emissionen in Deutschland zu kalkulieren (veröffentlicht
2010 und
2013, wobei der neuere Ansatz nicht zwangsläufig der Bessere ist), ebenfalls deutlich unterschiedliche Datensätze.
Mit anderen Worten: nichts Genaues weiß man nicht. Die nachfolgend zu diskutierenden Gutachten wissen es natürlich auch nicht besser, so dass alle dort zitierten Schlussfolgerungen mit Skepsis zu betrachten sind.
Die Auswahl der Schadstoffe, die bei der Planfeststellung für relevant gehalten wurden, und ihre Behandlung in den diversen Gutachten wird in der Übersicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (Ordner 36, G1 Teil II, Vorhaben und Projektwirkungen,
Auszug) dargestellt. Die durch den Flugverkehr bedingten Emissionen, ihre Veränderungen beim Ausbau und die dadurch jeweils bedingten Immissionen beschreibt das
Gutachten von Janicke, das eine für Raunheim interessante Zusammenfassung enthält. Demnach verdoppeln bis verdreifachen sich die Schadstoff-Immissionen an der Ostgrenze von Raunheim (Punkt B) im "Planungsfall" gegenüber dem "Ist-Zustand". Dennoch heißt es im zusammenfassenden Immissionsgutachten: "Im Untersuchungsgebiet bewegen sich die Veränderungen der mittleren Gesamtimmissionen von der Ist-Situation (2005) zum Prognosenullfall (2020) zwischen Abnahmen um 38% und Zunahmen um 3%. Vom Prognosenullfall (2020) zum Planungsfall (2020) nehmen ... die mittleren Gesamtimmissionen um bis zu 4% zu", d.h. zwischen Ist-Zustand und Planungsfall bewegen sich die Immissionen zwischen einer Abnahme von 34% und einer Zunahme von höchstens 7%. Wie geht das?
Die künftigen Flugzeuge fressen nicht etwa Schadstoffe, vielmehr macht sich Fraport hier die Bemühungen anderer zunutze, Emissionen zu senken (insbesondere des Kfz-Verkehrs), um den eigenen Schadstoffausstoss nicht auffallen zu lassen. Dies sieht man auch sehr schön in der oben zitierten UVP-Übersicht: während die Zeile "Gesamt", die die Flughafen-bezogenen Veränderungen ausweist, fast überall Zunahmen, zum Teil drastischen Ausmaßes, zeigt, enthält die Zeile "Umland - gesamt" bei der Differenz die gewünschten negativen Werte. Und wo die Kfz-Katalysatoren nicht ausreichen, um die Flugzeug-Emissionen zu schönen, wie bei Ruß und Feinstaub, tauscht Fraport eben zusätzlich noch ein paar eigene Dreckschleudern am Boden aus, um das gewünschte Ergebnis darstellen zu können.
Da also immissionstechnisch gesehen auch mit dem Ausbau (angeblich) Alles beim Alten bleibt, wundert es nicht, dass auch die human-toxikologische Bewertung der Immissionen keine Gründe gegen den Ausbau gefunden hat. Dafür brauchte man eigentlich gar kein Gutachten mehr. Schon der "gesunde Menschenverstand" legt doch nahe, dass, wer den Dreck bisher überlebt hat, ihn auch künftig überleben wird. (Wer ihn nicht überlebt hat, müsste erstmal beweisen, dass er daran gestorben ist - tut aber keiner.)
Dennoch enthält auch dieses Werk interessante Aussagen. Um wenigstens 70 Seiten zu füllen, läßt sich die Autorin, Frau Tesseraux, ausführlich über die Wirkung der zu bewertenden Schadstoffe aus - und gibt z.B. über die Wirkung von Feinstaub eine lesenswerte, auch heute noch weitgehend korrekte Zusammenfassung. Darin weist sie u.a. auf die besonderen Gefahren der Staubfraktionen PM2.5 und PM0.1 hin. Selbst das RP hält es nach ihrer Stellungnahme dazu im Anhörungsverfahren für sinnvoll, "zu prüfen, ob im Humantoxikologischen Gutachten eine ergänzende Auseinandersetzung mit PM2,5 erfolgen sollte." (RP-Stellungnahme, auf der 109. Seite des Kapitels, S.931) Passiert ist allerdings nichts.
Die Bundesregierung hält es auch fünf Jahre später nicht für nötig, bei diesen beiden Feinstaub-Fraktionen genauer hinzuschauen (s. Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag), es gilt weiterhin: kein Meßwert, kein Grenzwert, kein Problem.
Hessisches Umweltministerium und HLUG haben diese Haltung jüngst noch einmal bestätigt. Da stört es auch nicht, dass das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation für Europa in einer Übersicht bedeutende Fortschritte in den letzten Jahren darstellt und in einem aktuellen
Papier zu der Schlussfolgerung kommt:
"Die Gesundheitseffekte von PM10 und PM2.5 sind gut dokumentiert. Es gibt keinen Hinweis auf ein sicheres Expositionsniveau oder einen Schwellenwert, unterhalb dem keine negativen gesundheitlichen Effekte auftreten. Da die negativen Wirkungen der Luftverschmutzung selbst bei relativ niedrigen Konzentrationen signifikant sind, ist ein effektives Luftqualitätsmanagement zur Erreichung der Ziele der WHO Luftqualitätsrichtlinien notwendig, um Gesundheitsrisiken auf ein Minimum zu reduzieren." (Schlussfolgerungen, S. 12, eigene Übersetzung).Auch eine umfangreiche europäische Studie hat jüngst den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lungenkrebsrisiko auch unterhalb der geltenden Grenzwerte bestätigt. Selbst das Umweltkommittee der Zivilluftfahrt-Organisation ICAO, sonst hauptsächlich auf profitablen Klimaschutz (sprich Reduktion von Treibstoffverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoss) orientiert, sieht die Notwendigkeit, einen Standard für Partikel-Emissionen von Triebwerken und geeignete Messverfahren dafür zu entwickeln, beklagt aber mangelnde Förderung entsprechender Aktivitäten (s. Bericht CAEP/9).
Ob ultrafeine Partikel (UFP oder PM0.1) ggf. eine noch grössere Gefahr für die Gesundheit darstellen, ist erst recht nicht Gegenstand offizieller Betrachtungen, obwohl Zusammenfassungen aus den
USA und aus Europa immer mehr Hinweise auf die Gefährlichkeit dieser Staubfraktionen finden. Auch eine europäische
Experten-Umfrage gibt dieser Schadstoff-Fraktion oberste Priorität. Aktuelle Studien aus den USA weisen darauf hin, dass der Flugverkehr eine bedeutsame Quelle gerade für diese Schadstoff-Fraktion sein kann, sowohl beim Start als auch bei
Landungen. Dabei können kurzzeitige Belastungsspitzen ein besonderes Problem sein. Für die Partikelfraktion 0,01 - 1 µm konnte selbst für die Autostadt Los Angeles nachgewiesen werden, dass der Anteil aus dem Flugverkehr bis in 10 km Entfernung vom Flughafen in der gleichen Größenordnung liegt wie der des Straßenverkehrs. Eine
Studie am Flughafen Kopenhagen hat gezeigt, dass Vorfeld-Mitarbeiter dort hohen UFP-Konzentrationen ausgesetzt sind und bei ihnen auch erhöhte Raten dadurch verursachter Krankheiten auftreten.
Auch das Spektrum möglicher durch Ultrafeinstaub verursachter Schäden vergrössert sich immer mehr. So stellt eine
Studie der University of Rochester einen Zusammenhang zwischen Ultrafeinstaub, der Gehirnentwicklung von Kindern und der Entstehung von Autismus und Schizophrenie her. Auch Kohlenmonoxid könnte, eventuell im Zusammenspiel mit bestimmten Feinstaub-Fraktionen, eine grössere Rolle für die Entstehung von Krankheiten spielen, als bisher angenommen, wie eine weitere
US-Studie zeigt.
Die Entwicklung in Deutschland, weitgehend konzentriert auf die Fraktion PM10 und den Strassenverkehr als Quelle, kann man auf der Themenseite des Umweltbundesamtes nachverfolgen. Dem Thema "Ultrafeinstaub" widmen sich aber lediglich zwei Forschungsprojekte, GUAN und UFIREG.
Einen kritischen Überblick zum Thema "Ultrafeinstaub und Flugverkehr" hat der AK Feinstaub des BBI erstellt. Um der trägen staatlichen Überwachung Beine zu machen, hat der Arbeitskreis, unterstützt durch Spenden aus den BIs, auch ein mobiles Meßgerät angeschafft, mit dem Partikel in der Größenordnung von 0,02 - 1 µm gezählt werden können. Ein erster Bericht über Messungen im Umfeld des Flughafens Frankfurt liegt inzwischen vor; und es gibt auch einen Flyer, der in leicht verständlicher Kürze in das Thema einführt.
Allgemein wird Luftverschmutzung weltweit zunehmend kritischer eingeschätzt. Die Europäische Umweltagentur EEA kommt in ihrem aktuellen Luftqualitäts-Bericht für Europa zu dem Ergebnis, dass "trotz Verbesserungen über mehrere Jahrzehnte Luftverschmutzung weiterhin die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädigt. Staubpartikel (PM), Ozon (O3), reaktive Stickstoffverbindungen und einige organische Verbindungen stellen immer noch eine signifikante Bedrohung dar. Dies führt zu schlechter Gesundheit, vorzeitigen Todesfällen, und Schäden an Ökosystemen, Ernten und Gebäuden." (aus: EEA, Air quality in Europe 2013, Executive Summary, eigene Übersetzung).
Wirkliche Abhilfe ist nicht in Sicht, denn selbst das Clean Air Policy Package, das die EU-Kommission Ende 2013 vorgeschlagen hat, würde bis 2030 nur zu graduellen Verbesserungen, aber nicht zu durchgreifenden Veränderungen führen. Selbst dieses moderate Paket ist jedoch vielen Mitgliedern des EU-Ministerrates (d.h. den Regierungsvertretern) nicht kosteneffizient genug. Die EU-Kommission unter Juncker, die Ende 2014 ins Amt kam, möchte das Paket am Liebsten ganz abschaffen, stößt dabei aber auf massiven Widerstand etlicher EU-Institutionen und der europäischen Zivilgesellschaft. Die EU-Koordination des Deutschen Naturschutzrings hat den Stand der Auseinandersetzung, die sich vermutlich noch eine Weile hinziehen wird, im April 2015 in einem Steckbrief zusammengefasst.
Klare Luft über dem Rhein-Main-Gebiet ? Der optische Eindruck ist leider nicht entscheidend.
Obwohl Deutschland innerhalb der EU noch relativ gut dasteht, zeigt das Factsheet Germany etliche kritische Bereiche auf - leider häufig auch im Rhein-Main-Gebiet. Insbesondere bei den Stickoxiden überschreitet Deutschland den mit der EU vereinbarten
Emissionsgrenzwert nach wie vor um gut 20% - und liegt damit an drittletzter Stelle unter den EU-Staaten. Die Gesamtsituation in Deutschland beschreibt ein
UBA-Bericht, der auf der EU-Datensammlung beruht.
Die zuständige Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation WHO hat Luftverschmutzung aufgrund der inzwischen vorliegenden Fakten als "krebserregend" eingestuft. (Erläuterungen, Einschätzungen und Quellenangaben dazu finden sich auf der von dem Mediziner Dr. Henning Thole betriebenen Webseite Fluglärm-Fakten.)
Zusammengefaßt: es gibt keinen Grund zur Beruhigung. Die Überwachung der Luftqualität durch die Messstationen des HLUG hat mit den Immissionen durch den Flugverkehr bestenfalls am Rande zu tun. Eine mögliche Verbesserung dieser Luftqualität, die aus den Bemühungen anderer Emittenten um Emissionsminderung resultieren sollte und müsste, bleibt den Menschen in Rhein-Main vorenthalten, weil die steigenden Emissionen des Flugverkehrs all diese Verbesserungen wieder auffressen.
Ein Monitoring der Schadstoffe, die spezifisch aus dem Flugbetrieb resultieren, findet im Umland des Flughafens nicht statt. Welchen zusätzlichen Belastungen die Menschen in der Rhein-Main-Region durch den Flughafen ausgesetzt sind, bleibt weitgehend verborgen, ebenso wie die Risiken, die daraus resultieren. Ohne massiven politischen Druck wird sich diese Situation nicht verbessern.