Lärmwirkungen und Gesundheit


Wichtige Ergebnisse

Zu diesem Thema hat es in den letzten Jahren eine Vielzahl von Studien, Berichten und Untersuchungen gegeben. Einen Überblick über aktuelle Ergebnisse der Lärmforschung gibt es z.B. auf der Seite zu Lärmproblemen des Umweltbundesamtes. Grundlegendes zum Luftverkehrslärm findet sich dort ebenfalls. Die Kernaussage kann gar nicht oft genug wiederholt werden:

Transparent
"Fluglärm ab einem Dauerschallpegel von 40 Dezibel in der Nacht kann Herz- Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfall oder Herzinfarkt verursachen. Das Umweltbundesamt fordert daher, insbesondere nächtlichen Fluglärm zu reduzieren und darüber zu diskutieren, wie viel Verkehr tatsächlich gebraucht wird. Notwendig ist eine nationale Flug­verkehrs­planung. In diese gesamtheit­liche Betrachtung sollten dann auch die Kosten einfließen, die durch Lärm verursachte Krankheiten entstehen."

Auf EU-Ebene befasst sich das Institut für Gesundheit und Verbraucherschutz des Gemeinsamen Forschungszentrums der EU u.a. mit Lärmwirkungen, und auch das Regionalbüro Europa der Weltgesundheitsorganisation WHO liefert viele interessante Informationen zum Thema Lärm, beide leider nur in Englisch.

Sehr viel Material zum Thema Fluglärm und Gesundheit enthält auch die von dem Berliner Arzt Dr. Henning Thole heraus­gegebene Webseite Fluglärm-Fakten. Dort findet sich auch eine Zusammenfassung US-amerikanischer Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und der Entstehung von Demenz hinweisen - ein Befund, über den bisher wenig zu lesen war.
Speziell mit den medizinischen Folgen von nächtlichem Fluglärm beschäftigt sich die "Aerzteinitiative für ungestörten Schlaf" AefuSch.

Ja zu FRA - Tod

Auch der 115. Deutsche Ärztetag 2012 forderte in einem Beschluss, den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm durch Verschär­fung der einschlä­gigen Gesetze zu verbessern.
Der 117. Deutsche Ärztetag 2014 hat diesen Beschluss bestätigt und darüber hinaus gefordert, die Verursacher von Verkehrslärm an den Behandlungskosten für dadurch induzierte Krankheiten zu beteiligen. Nach Meinung der Ärztinnen und Ärzte geht es dabei um Summen von mehreren 100 Millionen Euro im Jahr.
Ein sehr interessanter und gut lesbarer Übersichts­artikel wurde 2008 von Kaltenbach et al. im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Speziell mit der Situation im Rhein-Main-Gebiet und dem Umgang mit dem Thema in der Ausbau-Diskussion setzt sich ein Themenheft der Ärzte­zeitung vom September 2012 auseinander.
Das Ärzteblatt Rheinland-Pfalz bringt in der Märzausgabe 2013 einen eigenen Schwerpunkt zum Thema Lärm mit mehreren Beiträgen zu Fluglärm­wirkungen, darunter einen Beitrag von Prof. Greiser zur Erhöhung des Erkrankungs­risikos durch Fluglärm für eine Vielzahl von Krankheiten, das er in einer Kölner Studie ermittelt und kürzlich auf Rhein-Main übertragen hat.

Eine Studie der Universitäts­medizin Mainz hat zum ersten Mal den direkten Zusammen­hang dar­stellen können zwischen nächt­lichem Fluglärm und Gefäß­schädigungen, die zu Blut­hochdruck, Herz­infarkt oder Schlag­anfall führen können. Dabei wurden auch Hinweise auf mögliche interessante Neben­effekte gefunden: so soll Vitamin C dazu beitragen können, die Gefäß­schädi­gungen zu reduzieren. Anderer­seits scheint die Annahme, dass es eine Gewöhnung an Fluglärm geben könnte, falsch zu sein: in der zweiten Versuchs­nacht wurden die Effekte in der Regel schlimmer.
Die ersten Ergebnisse wurden in einer Presse­mitteilung, in einem Fachartikel (in Englisch) und in einer Zusammen­fassung im Jahres­bericht der Klinik veröffent­licht, ein Bericht in der Ärzte­zeitung gibt ebenfalls eine gute Zusammen­fassung.
Die zweite Forschungs­arbeit im Rahmen dieser Studie, zu der die Uni Mainz ebenfalls eine Presse­mitteilung heraus­gegeben hat, unter­suchte Patienten, die bereits vorge­schädigt waren, und fand ebenfalls deutliche Auswirkungen. Die Unter­suchungen werden fort­gesetzt, die "Stiftung Mainzer Herz" berichtet kontinu­ierlich darüber.

Im Januar 2016 haben Kaltenbach et al. eine sehr interessante Übersichtsstudie über den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu den gesundheitlichen Wirkungen des Fluglärms veröffentlicht, leider zunächst auf Englisch. Eine deutsche Übersetzung soll im Laufe des Jahres 2016 vorliegen.

NORAH-Logo

Die NORAH-Studie

Die im Rhein-Main-Gebiet durch­geführte NORAH-Studie wurde im Mai 2011 begonnen. Infor­mationen über Entstehung und Durch­führung der Studie gibt es beim Forum Flug­hafen und Region.
Die genauere und räumlich und zeitlich erwei­terte Erfassung der tatsäch­lichen Flug­lärm­belastung der Anwohner im Rhein-Main-Gebiet wurde laut Presse­mitteilung vom Januar 2014 erfolg­reich durch­geführt und bildet die Basis der Akustik­datenbank, die es erlauben soll, beobach­tete Effekte mit der tatsäch­lich am Ort vorlie­genden Lärmbe­lastung zu korre­lieren.
Ende Oktober 2014 ging eine neue Webseite online, die die Ergebnisse der Studie populär vermitteln soll. Eine Broschüren-Reihe soll in allge­mein verständ­licher Form über alle Bereiche der Gesamt­studie infor­mieren.

Fluglärm und Kinder

Die ersten Ergeb­nisse der sog. Kinder­studie, die die Wirkung von anhal­tender Flug­lärm­belastung auf die kogni­tiven Leis­tungen und das Wohl­befinden von Grund­schul­kindern im Rhein-Main-Gebiet unter­sucht, wurden am 4.11.2014 vorgestellt. Dazu wurden eine Broschüre über die Grund­lagen und eine über die Ergeb­nisse veröffentlicht.

Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden die Ergebnisse der Gesamtstudie am 29. Oktober 2015. Im Rahmen der Konfe­renz Aktiver Schall­schutz (ICANA) im November 2015, die das Leit­thema "Gesund­heit" hatte, wurden die Einzelstudien ausführlich dargestellt und diskutiert.
Der Deutsche Fluglärmdienst hat alle vorliegenden Ergebnis-Berichte, Publikationen und Stellungnahmen in seinem Archiv zur Verfügung gestellt. Die offizielle Zusammenstellung aller Ergebnisse zum Download findet sich auf der NORAH-Homepage in der Rubrik 'Ergebnisse', nachfolgende Fachveröffentlichungen der AutorInnen werden laufend ergänzt unter Veröffentlichungen.

Die Durch­führung dieser Studie war von Anfang an umstritten. 2012 haben zahlreiche ÄrztInnen aus der Region eine Kritik an der Studie im Hessischen Ärzte­blatt veröffent­licht, auf die die an NORAH beteiligten Wissenschaft­lerInnen mit einem Offenen Brief geant­wortet haben.
Aus Sicht der Betrof­fenen ist insbe­sondere die Kritik wichtig, dass die NORAH-Studie benutzt wurde und wird, um mit dem Hinweis auf noch ausste­hende Ergebnisse die Umsetzung notwen­diger Maßnahmen zu verzögern, obwohl die grund­legenden Fakten längst bekannt sind. So sind etwa die Kernaus­sagen der NORAH-Kinder­studie auch in den Ergeb­nissen der RANCH-Studie enthalten, die 2001-2003 in den Nieder­landen, Groß­britan­nien und Spanien durchge­führt wurde, auch wenn im Detail durchaus Fort­schritte erzielt wurden.

Nach Veröffent­lichung der Studien­ergeb­nisse hat sich der Streit verschärft. Der Arbeitskreis "Ärzte gegen Fluglärm" wendet sich in einer ersten Stellung­nahme zu den Ergeb­nissen insbe­sondere gegen die Verharm­losung der Flug­lärm-Wir­kungen und weist darauf hin, dass die Studie trotz teilweise erheb­licher Unklar­heiten und Mängel im Prinzip die Resul­tate anderer Studien bestätigt.
Der Vorsitzende der Arbeits­gemein­schaft Deutscher Flug­lärm­kommis­sionen, Thomas Jühe, hat am 10. November 2015 ein Schreiben veröffent­licht mit einer eigenen Zusammen­fassung der NORAH-Ergeb­nisse, denn "Teil­weise wurden unzutref­fende Zusammen­fassungen der Studien­ergeb­nisse kommu­niziert". Ohne es explizit zu sagen, wendet er sich damit wohl insbe­sondere gegen die verfäl­schenden Darstel­lungen der Fraport, die von anderen Luft­verkehrs­lobby­isten aufge­griffen wurden.
Das Umweltbundesamt hat im April 2016 eine Fachliche Einschätzung der NORAH-Studie erstellt, die durchaus kritisch ausfällt. Trotzdem ist das UBA der Meinung, dass die Studie wesentliche Forderungen zum Lärmschutz bestätigt. Unter anderem heißt es im Fazit:
"Des Weiteren verdeutlichen die Ergebnisse der NORAH-Studie die Wichtigkeit der bestehenden UBA-Empfehlung, den regulären Flugbetrieb an allen Flughäfen in der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr ruhen zu lassen."
Weiter heißt es: "Darüber hinaus werden wir die Ergebnisse der NORAH-Studie zum Anlass nehmen, erweiterte Schutzkonzepte für den Tagesrandstundenbereich zu eruieren, um insbesondere dem zunehmenden Luftverkehrsaufkommen in den Morgenstunden wirkungsgerecht im Sinne des präventiven Gesundheitsschutzes zu begegnen."

DLR-Titel

Perspektiven

Trotz aller hier aufgezeigter Aktivi­täten kommt ein im März 2013 vorgelegter DLR-Bericht zur Situation der Lärm­wirkungs­forschung in Deutsch­land zu dem traurigen Ergebnis:

"Die augenblick­liche Situation in Deutschland ist dadurch gekenn­zeichnet, dass die vorhandene Forschungs­infra­struktur aufgrund fehlender Ressourcen nicht imstande ist, die in allen wichtigen Wirkungs­diszi­plinen notwendigen grund­legenden Forschungs­arbeiten zur Lärmwirkung aufzu­nehmen und erfolg­reich durchzu­führen. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass der in diesem Bericht aufge­zeigte Erkenntnis­bedarf auf allen Ebenen der Gesell­schaft in den nächsten Jahren erfüllt werden kann." (S.49)
Auch das UBA kommt drei Jahre später (in der oben zitierten Einschätzung der NORAH-Studie) zu der Schlussfolgerung
"Obgleich die NORAH-Studie erneut bestätigt, dass eine kontinuierliche Lärmbelastung eine relevante Risikogröße für die Gesundheit des Menschen darstellt, zeigt die Studie auch, dass weiterhin hoher Forschungsbedarf in allen Wirkungsbereichen existiert, um das Verständnis über die genauen Mechanismen, wie Lärm sich auf die Gesundheit des Menschen auswirkt, zu verbessern."
Da das leider nicht nur für Deutschland gilt, ist nicht absehbar, dass sich an diesem Zustand bald etwas ändern könnte.




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