Diese Entgegnung diskutiert überwiegend technische Aspekte der
Stellungnahme
des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (im weiteren: 'Stellungnahme') zu unserem
Beitrag vom 14.09.22 ('Beitrag'). Eine allgemeine Bewertung findet sich auf der BI-Webseite im Update zu diesem Beitrag vom 31.10.22.
Unsere grundsätzliche Kritik am Vorgehen des HLNUG ist zusammengefasst in unseren
Anmerkungen
('Anmerkungen') zum 4. UFP-Bericht des HLNUG, auf die wir hier ausführlich Bezug nehmen. Auch auf den
Vortrag, der vom HLNUG am 07.09. in Walldorf gehalten wurde ('Vortrag'), nehmen wir Bezug.
Die Entgegnung folgt dem Aufbau der HLNUG-Stellungnahme, auch wenn dadurch Wiederholungen notwendig werden. Alle verwendeten Quellen sind verlinkt mit Stand 27.10.2022. Für das Verständnis der im Folgenden diskutierten Sachverhalte ist es nützlich, alle hier genannten Dokumente zur Verfügung zu haben.
Bei allen nachfolgenden Diskussionen ist zu berücksichtigen, dass die zur Verfügung stehenden meteorologischen Daten von begrenzter Qualität sind (sowohl bezüglich zeitlicher und räumlicher Auflösung als auch Meßgenauigkeit), so dass die Betrachtung zu detaillierten Abläufen auf schwacher Grundlage stehen und als mögliche Interpretationen gesehen werden sollten, aber keinesfalls als Beweise gelten können.
Abbildung 1: Hier wurde die Lage der HLNUG-Meßstation und der vom HLNUG definierten Windsektoren (ursprüngliche und erweiterte Fassung) in einen Ausschnitt einer Karte eingetragen, die aus dem
Abschluss-Bericht
des UBA-Projekts "Einfluss eines Großflughafens auf zeitliche und räumliche Verteilungen der Außenluftkonzentrationen von Ultrafeinstaub < 100 nm, um die potentielle Belastung in der Nähe zu beschreiben - unter Einbeziehung weiterer Luftschadstoffe (Ruß, Stickoxide und Feinstaub (PM2,5 und PM10))" entnommen wurde.
Sie zeigt "Jahresmittel 2015 der bodennahen Konzentration von UFP für Kfz-Verkehr im Umland des Frankfurter Flughafens" (Abb. 27, S. 76). Es handelt sich genauer um die "mit LASAT berechneten bodennahen Konzentrationen aus den Emissionen von Kfz aus dem Umland des Frankfurter Flughafens". Anders als bei den Emissionen aus Flugzeugtriebwerken geben die Modellrechnungen zu Kfz-Emissionen die gemessenen Werte recht gut wieder.
In der 'Stellungnahme' wird mitgeteilt, dass der Windsektor aufgrund einer erweiterten Datenbasis um 10° nach Westen vergrössert und "auf den Bereich 325° – 34° festgelegt" wurde. Damit sei "die Startbahn vollständig eingeschlossen".
Für die korrekte Erfassung der Flugzeug-Emissionen ist nicht relevant, ob das Betonband der Startbahn vollständig im Windsektor liegt. Entscheidend ist, ob die Emissionen aus den Start-Prozessen, die die Meßstation erreichen können, vollständig erfasst werden. Das ist auch mit dem erweiterten Windsektor nicht der Fall.
Auf unsere Kritik zur Methodik der Definition von Windsektoren in den 'Anmerkungen' wird in der 'Stellungnahme' nicht eingegangen, daher haben wir dem hier nichts hinzuzufügen.
Was aus unserer Sicht zu den Daten über die Abhängigkeit der Partikel-Anzahlkonzentration von Windrichtung und Tageszeit zu sagen ist, die im 'Vortrag' (Folien 17 und 18) präsentiert werden, haben wir im 'Beitrag' im Update vom 18.10. formuliert.
Ergänzend ist in Abb. 1 anhand von Modellrechnungen aus einem neueren Projekt des Umweltbundesamtes gezeigt, dass im Osten von Mörfelden, wo der Windsektor weit über das Flughafengelände hinausragt, relevante Emissionen aus dem Strassenverkehr zu erwarten sind, was unsere Einschätzung untermauert.
Da die Meßstation am südlichen Stadtrand von Mörfelden lag, wirkten natürlich (fast) alle lokalen Emissionen aus nördlichen Richtungen auf sie ein. Um das Signal einer weiter im Norden liegenden Quelle herauszufiltern, braucht es andere Herangehensweisen.
Die Ausführungen zu Windsektoren im letzten Absatz entziehen sich unserem Verständnis und können daher nicht kommentiert werden.
Die 'Stellungnahme' gibt an, dass alle Zeitangaben im HLNUG-Meßdatenportal in MEZ (Mitteleuropäische Zeit) gemacht werden, während die anderen verwendeten Datenportale die gültige Ortszeit (MESZ, Mitteleuropäische Sommerzeit) verwenden. Diesen einstündigen Zeitversatz zwischen den Datenreihen haben wir bei den Auswertungen im 'Beitrag' nicht beachtet.
Die korrekten Korrelationen zeigt Abb.2. Dort haben wir ausserdem die Gesamt-Partikel-Anzahlkonzentration für die Grössenklasse 10-50 nm, die Stickstoffdioxid-Konzentration, die lokale Windrichtung und -geschwindigkeit aus dem HLNUG-Luftmeßnetz, Station Mörfelden, die Stundenwerte der regionalen Windrichtung und -geschwindigkeit für die Station Frankfurt Flughafen von MeteoStat sowie Flugbewegungs-Statistiken von DFLD ergänzt.
Das HLNUG schlussfolgert aus dem von uns fälschlich angewendeten Zeitversatz u.a.:
Nichts davon ist richtig.
Ehe wir die Behauptungen im Einzelnen widerlegen, soll jedoch kurz erläutert werden, welche zusätzlichen Informationen sich aus den ergänzten Datensätzen in Abb. 2 gewinnen lassen. Für diese Diskussion werden alle Zeitangaben in Ortszeit, also MESZ, gemacht.
Abbildung 2: Oben: Halbstunden-Mittelwerte für Ultrafeinstaub-Partikel-Anzahlkonzentrationen für die Grössenklassen 10-20, 20-30, 30-50 und 10-50 Nanometer und Stickstoffdioxid-Konzentration für den 27.07.2021, 14:30 - 24:00 Uhr MEZ (Datenquelle: Meßdatenportal des HLNUG,
Station Mörfelden)
sowie Stundenmittelwerte des Niederschlags (Datenquelle: MeteoStat
Station Frankfurt Flughafen).
Mitte: Windgeschwindigkeit und Windstärke regional (Datenquelle: MeteoStat
Station Frankfurt Flughafen sowie DFLD
Station Mörfelden).
Unten: Lärmmeßwerte, Überflugerkennung und Flugbewegungs-Statistik für den 27.07.2021, 14:30 - 24:00 Uhr MESZ (Datenquelle: DFLD
Station Mörfelden
und
Flughafen Tages-Statistik).
Die Partikel-Anzahlkonzentration ist nun auch für die Summe aller hier betrachteten Größen-Fraktionen, 10-50 nm, dargestellt.
Die Stickstoffdioxid-Konzentration ist angegeben, weil Flugzeugturbinen große Mengen dieses Gases ausstossen und daher ähnliche Konzentrationsverläufe ein weiteres Indiz dafür sein können, dass solche Triebwerke auch die Quelle für gemessene Partikel-Anzahlkonzentrationen sein könnten.
Tatsächlich zeigen beiden Verläufe zumindest ab etwa 18:30 Uhr deutliche Ähnlichkeiten.
Die Niederschlags-Perioden fallen nun mit den Zeiten unterschiedlichen Verhaltens der Partikelgrößen-Fraktionen zusammen. Während die kleinsten Partikel (10-20 nm) offenbar weitgehend unbeeinflusst bleiben, nehmen die grösseren Fraktionen umso stärker ab, je höher der Niederschlag wird.
Die Winddaten zeigen, dass am Nachmittag eine schwache, am Abend nur noch eine leichte Brise mit gelegentlichen mäßigen Böen vorherrschten. In der Zeit von etwa 19:00 bis 22:00 Uhr schwankte der Wind relativ unbeständig um nördliche Richtungen, während er davor und danach einigermaßen beständig aus südwestlichen bzw nordwestlichen Richtungen wehte.
Die lokalen Winddaten zeigen in der fraglichen Zeit sogar noch deutlich grössere Schwankungen der Windrichtung bei zugleich noch niedrigeren Geschwindigkeiten. Solche lokalen Daten werden üblicherweise für Auswertungen nicht benutzt, weil sie nicht nach den vorgeschriebenen Standardverfahren gemessen werden und nicht repräsentativ für die Region sind. Sie sind hier allerdings durchaus von Bedeutung, da die Partikel ja die Station erreichen müssen, um gemessen werden zu können, und dabei mit den lokalen Luftbewegungen konfrontiert sind.
Da die emissions-relevanten Bereiche auf dem Flughafengelände mit Ausnahme der Startbahn West alle mehr als 7 km von der Meßstation entfernt sind, bedeutet das, dass selbst bei den höchsten im betrachteten Zeitraum gemessenen Windgeschwindigkeiten (Böen mit 10 m/s) dort emittierte Partikel rund eine Viertelstunde brauchen, um die Meßstation zu erreichen. Bei durchschnittlichen Geschwindigkeiten von weniger als 3 m/s dauert es fast eine Stunde, bis die Teilchen registriert werden. Die Abflugrouten von der Startbahn West beginnen in ca. 5 km Entfernung von der Station und kommen (teilweise) bis auf etwas über 1 km heran, so dass die Flugzeiten der Partikel zwischen weniger als 5 und mehr als 30 Minuten schwanken können.
Die statistischen Angaben zu den Flugbewegungen zeigen, dass für den ausgewählten Zeitraum die betriebsstärksten Stunden, in denen auch die höchsten Emissionen zu erwarten sind, zwischen 19:00 und 20:00 Uhr (48 Flugbewegungen) sowie zwischen 21:00 und 22:00 Uhr (49 Bew.) liegen. Im ersten Fall überwiegen eindeutig die Landungen, im zweiten die Starts. Hier ist mit 28 Starts auch der Betrieb auf der Startbahn West am grössten.
Letzteres wird aus dem Lärmdiagramm nur unzureichend deutlich, da dort nur 8 Überflüge erkannt werden. Dafür gibt es vermutlich im Wesentlichen zwei Gründe. Der wichtigste ist, dass von der Startbahn West drei Abflugrouten abgehen, die nach mehr oder weniger kurzem Geradeausflug nach Westen, Süden und Osten abdrehen. Die Lärmmeßstation liegt in der Nähe der HLNUG-Meßstation, so dass nur die nach Osten abdrehenden Anflüge wirklich dicht herankommen und einigermaßen sicher erfasst werden sollten (siehe dazu die Eingangsgrafik im 'Beitrag', die die Verhältnisse zwischen 21:00 und 22:00 Uhr darstellt).
Zweitens waren aber auch zu Pandemiezeiten neben schweren Frachtmaschinen verstärkt kleinere und nicht voll ausgelastete Passagier-Maschinen im Einsatz, die beim Start weniger Lärm verursachen und daher u.U. auch nicht sicher als Überflüge erfasst werden (und natürlich auch weniger emittieren).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entwicklung wie folgt dar:
Für unsere Interpretation der Emissionsquellen bedeutet das:
Wir können also wiederholen:
Was von dem Vorgetragenen entspricht dagegen "genau der Einschätzung des HLNUG"?
Demnach müssten die betrieblichen Maxima auf dem Flughafengelände von 19:00-20:00 Uhr sowie 21:00-22:00 Uhr unter Berücksichtigung eines zeitlichen Versatzes durch den Transport irgendwann in der Zeit danach zu deutlich erkennbaren Konzentrationsanstiegen führen. Tatsächlich sieht man jedoch überwiegend stagnierende oder abfallende Werte. Lediglich der Anstieg zwischen 20:00 und 21:00 Uhr könnte bei Windgeschwindigkeiten zwischen 2 und 4 m/s ein schwacher Abklatsch des Betriebsmaximums zwischen 19:00 und 20:00 Uhr sein. Warum dann aber bei wenig veränderten regionalen Randbedingungen die Werte stagnieren oder abnehmen, ehe ab 22:30 Uhr dann nur die Partikel in der kleinsten Grössenklasse stark zunehmen, bleibt unerklärlich.
Zur Zeit dieser letzten Zunahme hatte der Wind bereits auf nordwestliche bis westliche Richtungen, knapp an die Grenze des HLNUG-Windsektors bzw. darüber hinaus, gedreht und wäre damit auch nach HLNUG-Einschätzung auf Prozesse auf der Startbahn West zurückzuführen. Warum deren Einfluss aufhören soll, wenn sich die Emissionsquellen (d.h. die Flugzeuge) der Station annähern und sich dabei etwas höher befinden, bleibt ebenso unerklärlich.
Die drei oben zitierten Aussagen aus der HLNUG-Stellungnahme können damit als widerlegt gelten.
Diese Bemerkungen beziehen sich auf unseren Hinweis, dass im Gesamt-Datensatz des HLNUG zu UFP in Mörfelden einige Extremwerte auffallen, die sehr wahrscheinlich nichts mit dem Flughafen zu tun haben, sondern anderen, lokalen Ereignissen zugeordnet werden können (was offenbar Konsens ist).
Hintergrund ist, dass es ein Standardverfahren der Attributionsforschung ist (also des Versuchs, zu vorhandenen Immissionsdaten die wahrscheinlichsten Quellen zu finden), Daten, die eindeutig bekannten Quellen zuzuordnen sind (oder auch nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht aus den interessierenden Quellen kommen), auszusortieren, ehe man den restlichen Datensatz statistischen Analysen unterzieht, um Hinweise auf weitere Quellen zu finden. Dies ist umso wichtiger, wenn es sich um einzelne Extremereignisse handelt, die weder den zu untersuchenden Quellen noch dem stationstypischen Hintergrund zuzuordnen sind.
Im HLNUG fehlt aber offensichtlich das Verständnis für dieses Herangehen, wenn so getan wird, als hätten wir vorgeschlagen, Immissionsdaten zu fälschen. Wir schliessen daraus, dass die Emissionen solcher Ereignisse in den HLNUG-Auswertungen je nachdem, aus welcher Richtung der Wind kommt, den "Flughafen-bedingten Emissionen" oder dem "stationstypischen Hintergrund" zugeordnet werden.
Solche Ereignisse sind aber relativ selten. Es gibt im gesamten UFP-Datensatz der Station Mörfelden nur 30 Halbstunden-Werte über 30.000 Partikel/cm³ für die Grössenklasse 10-50 nm, und davon entfallen allein 12 auf eine kurze Periode vom 26.-28.02.21, in der auch andere Parameter mehr oder weniger deutliche Anomalien zeigen. Wir haben uns aber nicht die Mühe gemacht, diese Fälle weiter zu untersuchen, denn wir gehen angesichts der geringen Zahl nicht davon aus, dass dadurch die Qualität der HLNUG-Auswertungen noch weiter verschlechtert werden könnte.
Hier ist unklar, worauf sich die Bemerkungen beziehen. Wir haben in unserem Beitrag den Begriff "Plausibilitätskontrolle" nicht im Zusammenhang mit Einzelmessungen und Gerätefehlern verwendet, sondern mit Bezug darauf, dass schon eine einfache Überprüfung der geographischen Zusammenhänge hätte zeigen müssen, dass das Ergebnis des mathematischen Verfahrens zur Festlegung des Windsektors im Fall der Station Riedberg völlig unplausibel ist. Im Fall der Station Mörfelden ist es ähnlich, wenn auch weniger deutlich.
Dass mit üblichen Methoden versucht wird, Gerätefehler zu identifizieren und ggf. zu korrigieren, haben wir für selbstverständlich gehalten. Dass dies nicht "in Echtzeit" geschehen kann, ist es ebenfalls.
Warum aber für Daten von Stationen, die seit Monaten (oder auch seit Jahren) stillgelegt sind und von denen abschließende Auswertungen präsentiert werden, nicht angegeben werden kann, ob diese Prüfungen abschließend durchgeführt wurden, bleibt wohl ein Geheimnis des HLNUG.
Die Stellungnahme des HLNUG enthält einen Hinweis auf einen Fehler, dessen Korrektur unsere Interpretation der Prozesse bei Emission und Immission von Ultrafeinstaub in Flughafennähe weiter stärkt. Für diesen Hinweis sind wir dankbar.
Ansonsten zeichnet sie sich durch Nicht-Berücksichtigung oder Nicht-Verstehen unserer Kritiken aus und liefert damit keinerlei Ansatz, die Diskussion weiter fortzusetzen.