Flugzeugabgase

Schadstoffe


Wie alle Massen­verkehrs­träger emittiert auch der Frank­furter Flughafen grosse Mengen Schad­stoffe in Luft, Wasser und Boden. Im Rahmen der Ausbau­planung wurden diese Emis­sionen, ihre voraus­sichtliche Entwick­lung, die daraus resultie­renden Immis­sionen und ihre Wirkungen in mehreren Gutachten abgeschätzt. (Der DFLD hat alle PFV-Unter­lagen gesammelt, kann sie z.Z. aber aufgrund von Urheberrechts-Klagen nicht öffentlich zur Verfü­gung stellen. Wer dennoch Zugang hat: Ordner 60 enthält alles Wesent­liche zum Thema Schad­stoffe.) Auch wenn an den Ergeb­nissen dieser Gutachten im Einzel­fall Zweifel angebracht sind, geben sie doch einen Überblick. Auch Fraport informiert unter dem Stich­wort "Verant­wortung" über die Luft­qualität am Flughafen und veröffent­licht Umwelt­erklärungen und Luft­hygienische Jahres­berichte.
Einen speziellen Beitrag liefert das Monito­ring des "Forum Flughafen und Region" auf der Basis von Messungen des Hessi­schen Landes­amtes für Natur­schutz, Umwelt und Geologie. Zu deren Ergeb­nissen haben wir schon 2013 einen eigenen Kommen­tar verfasst, der leider immer noch aktuell ist.

Symbol Ökotox

Während die Schadstoffe, die Boden und Grund­wasser belasten, in der Regel aus den Begleit­aktivitäten des Flughafen­betriebs stammen (Leckagen in Kerosin-Lei­tungen und -Tanks, unsach­gemäßer Umgang mit Enteisungs­mitteln, Lösch­schaum usw.), stammen die Luft­schadstoffe sowohl vom Flug­verkehr als auch von sonstigem Boden­verkehr, Heizung/Kühlung und anderen Verbrennungs­prozessen. Bis heute gibt es kein anerkanntes Verfahren, um Abgase aus der Verbrennung von Kerosin in Turbinen von solchen aus der Verbrennung von Diesel oder Heizöl zu unter­scheiden.


Triebwerks-Abgase

Flugzeugabgase

91,5% des Ausstosses eines Triebswerks bestehen aus Luft (Stickstoff und Sauerstoff), von den restlichen 8,5% sind wiederum nur 0,4% Schadstoffe im eigentlichen Sinn - also kaum der Rede wert?

Messungen von Triebwerks­emissionen im laufenden Betrieb sind schwierig und werden nur selten durch­geführt. Die Mengen an Schad­stoffen, die am Flug­hafen tatsäch­lich ausge­stossen werden, können daher nur abge­schätzt werden. Dies geschieht in der Regel auf der Basis der durch­geführten Flug­bewe­gungen und der dabei einge­setzten Trieb­werke, deren Her­steller ver­pflich­tet sind, Emissions­werte für sog. Stan­dard-Zyklen anzu­geben. Für den Flug­hafen Frank­furt kennen wir zwei Quellen, die auf diese Weise Emis­sionen abschätzen. Zum einen ver­öffent­licht Fraport in der o.g. Umwelt­erklärung Emissions­daten aus dem Luft­verkehr (S.8), aller­dings ohne genaue Angabe der Berech­nungsart. Ange­geben ist ledig­lich, dass nur Emis­sionen unter­halb 300 m Flug­höhe berück­sichtigt sind (nur diese seien "lokal wirksam"). Zum anderen ver­öffent­licht der Deutsche Flug­lärm­dienst DFLD in seinen Jahres­statistiken Emissions­werte, die auf einer externen Identi­fikation der Flug­zeuge beruhen. Letztere gelingt nur in etwas mehr als der Hälfte aller Fälle, so dass die Daten unvoll­ständig und zu niedrig sind. Anderer­seits berechnet der DFLD die Emissions­werte für den gesamten sog. LTO-Zyklus bis 900 Meter Flug­höhe, wodurch sich deutlich höhere Werte ergeben müssten. Die Unsicher­heiten bei dieser Art Abschätzung sind daher sehr groß.

Das Problem haben auch andere. So ergeben die beiden letzten Versuche des Umwelt­bundes­amts, die Luft­verkehrs-Emissionen in Deutschland zu kalkulieren (veröffent­licht 2010 und 2013, wobei der neuere Ansatz nicht zwangs­läufig der Bessere ist), deutlich unter­schied­liche Daten­sätze.
Mit anderen Worten: nichts Genaues weiß man nicht. Die nachfolgend zu diskutie­renden Gutachten wissen es natürlich auch nicht besser, so dass alle dort zitierten Schluss­folgerungen mit Skepsis zu betrachten sind.
Fraport hat allerdings noch im September 2016 bestätigt, dass sie die damals produzierten Daten immer noch für gültig halten.


Schadstoffe in der "Planfeststellung"

Die Auswahl der Schadstoffe, die bei der Plan­fest­stellung für relevant gehalten wurden, und ihre Behandlung in den diversen Gutachten wird in der Übersicht zur Umwelt­verträglichkeits­prüfung (Ordner 36, G1 Teil II, Vorhaben und Projekt­wirkungen, Auszug) darge­stellt. Die durch den Flug­verkehr bedingten Emissionen, ihre Verände­rungen beim Ausbau und die dadurch jeweils bedingten Immis­sionen beschreibt das Gutachten von Janicke, das eine für Raunheim interes­sante Zusammen­fassung enthält. Demnach verdop­peln bis verdrei­fachen sich die Schad­stoff-Immis­sionen an der Ostgrenze von Raunheim (Punkt B) im "Planungs­fall" gegenüber dem "Ist-Zustand". Dennoch heißt es im zusammen­fassenden Immissions­gutachten: "Im Unter­suchungs­gebiet bewegen sich die Verände­rungen der mittleren Gesamt­immissionen von der Ist-Situation (2005) zum Prognose­nullfall (2020) zwischen Abnahmen um 38% und Zunahmen um 3%. Vom Prognose­nullfall (2020) zum Planungs­fall (2020) nehmen ... die mittleren Gesamt­immissionen um bis zu 4% zu", d.h. zwischen Ist-Zustand und Planungs­fall bewegen sich die Immis­sionen zwischen einer Abnahme von 34% und einer Zunahme von höchstens 7%. Wie geht das?
Die künftigen Flugzeuge fressen nicht etwa Schadstoffe, vielmehr macht sich Fraport hier die Bemühungen anderer zunutze, Emis­sionen zu senken (insbesondere des Kfz-Verkehrs), um den eigenen Schadstoff­ausstoss nicht auffallen zu lassen. Dies sieht man auch sehr schön in der oben zitierten UVP-Übersicht: während die Zeile "Gesamt", die die Flug­hafen-bezo­genen Verände­rungen ausweist, fast überall Zunahmen, zum Teil dras­tischen Ausmaßes, zeigt, enthält die Zeile "Umland - gesamt" bei der Differenz die gewünschten negativen Werte. Und wo die Kfz-Katalysa­toren nicht ausreichen, um die Flugzeug-Emis­sionen zu schönen, wie bei Ruß und Feinstaub, tauscht Fraport eben zusätz­lich noch ein paar eigene Dreck­schleudern am Boden aus, um das gewünschte Ergebnis darstellen zu können.

Da also immissions­technisch gesehen auch mit dem Ausbau (angeblich) Alles beim Alten bleibt, wundert es nicht, dass auch die human-toxiko­logische Bewer­tung der Immissionen keine Gründe gegen den Ausbau gefunden hat. Dafür brauchte man eigentlich gar kein Gutachten mehr. Schon der "gesunde Menschen­verstand" legt doch nahe, dass, wer den Dreck bisher überlebt hat, ihn auch künftig über­leben wird. (Wer ihn nicht überlebt hat, müsste erstmal beweisen, dass er daran gestorben ist - tut aber keiner.)
Dennoch enthält auch dieses Werk interes­sante Aussagen. Um wenigstens 70 Seiten zu füllen, läßt sich die Autorin, Frau Tesseraux, ausführ­lich über die Wirkung der zu bewer­tenden Schad­stoffe aus - und gibt z.B. über die Wirkung von Fein­staub eine lesens­werte, auch heute noch weit­gehend korrekte Zusammen­fassung. Darin weist sie u.a. auf die beson­deren Gefahren der Staub­fraktionen PM2.5 und PM0.1 hin. Selbst das RP hält es nach ihrer Stellung­nahme dazu im Anhörungs­verfahren für sinn­voll, "zu prüfen, ob im Human­toxiko­logischen Gut­achten eine ergän­zende Aus­einander­setzung mit PM2,5 erfolgen sollte." (RP-Stellung­nahme, auf der 109. Seite des Kapitels, S.931) Passiert ist das aller­dings nicht.


Besondere Gefahren: Feinstaub und ultra­feine Partikel

Feinstaub-Effekte

Die Bundes­regierung hält es auch Jahre später nicht für nötig, bei den Fein­staub-Frak­tionen genauer hinzu­schauen (s. Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag aus dem Jahr 2012). Die öffent­liche Diskus­sion in Deutsch­land, weit­gehend konzen­triert auf die Frak­tionen PM10, ab 2010 auch zunehmend PM2,5, und auf den Strassen­verkehr, Haus­halte und große Industrie­anlagen als Quellen, kann man auf der Themen­seite des Umwelt­bundes­amtes nachver­folgen.
Die Begriffe "Ultra­fein­staub" bzw. "ultra­feine Partikel" tauchen da nur als Gegen­stand von Defini­tionen auf. Nur nach langem Weiter­klicken finden man einen Hinweis auf drei Forschungs­projekte: das deutsche Messnetz für Ultra­feinstaub GUAN und die (2014 abge­schlossenen) europä­ischen Projekte UFIREG und UltraSchwarz, in denen in einigen europä­ischen Städten sowohl die Belastung mit Ultra­feinstaub als auch mögliche gesund­heit­liche Folgen untersucht wurden. Beide beschäftigen sich aber zumindest offiziell nicht mit dem Flug­verkehr als Quelle für Ultra­feinstaub.
Hessisches Umwelt­ministerium und HLNUG propagieren auch 2017 noch, dass der Luftverkehr keinen messbaren Einfluss auf die Luftqualität im Rhein-Main-Gebiet habe. Im Auftrag des Umwelthauses positio­niert die HLNUG ihren mobilen Mess­container immer wieder im Umfeld des Flughafens, um immer wieder festzu­stellen, dass nach den damit erhaltenen Mess­werten die Luft sauberer ist als an vergleich­baren Mess­stellen mit hohem Strassen­verkehr. Gemessen werden aber für Feinstaub nur die Frak­tionen PM10 und (teilweise) PM2,5, und disku­tiert wird praktisch nur PM10 (weil HLNUG selbst für PM2,5 nur wenige Vergleichs­werte hat: von den 36 in Hessen existierenden Meßstationen können 32 PM10 messen, aber nur 9 PM2,5 (Stand: Jan. 2017)).
Für Ultra­feinstaub gilt für die hessische Luftüber­wachung offiziell immer noch: kein Meßwert - kein Grenzwert - kein Problem.

Inter­national hat sich die Diskussion aller­dings deutlich weiter entwickelt. Das Regional­büro der Welt­gesundheits­organisation für Europa hat das Thema im Update der AirQuality Guidelines 2005 ausführlich behandelt, stellt in einem Tech­nischen Bericht bedeutende Fort­schritte in den letzten Jahren dar und kommt in einem 2013 veröffent­lichten Papier zu der Schluss­folgerung:
"Die Gesundheits­effekte von PM10 und PM2.5 sind gut doku­mentiert. Es gibt keinen Hinweis auf ein sicheres Expositions­niveau oder einen Schwellen­wert, unterhalb dem keine negativen gesundheit­lichen Effekte auftreten. Da die negativen Wirkungen der Luftver­schmutzung selbst bei relativ niedrigen Konzen­trationen signifikant sind, ist ein effektives Luft­qualitäts­management zur Erreichung der Ziele der WHO Luft­qualitäts­richtlinien notwendig, um Gesund­heits­risiken auf ein Minimum zu reduzieren."
(Schluss­folge­rungen, S. 12, eigene Über­setzung).
Eine umfang­reiche europäische Studie hat 2013 den Zusammen­hang zwischen Feinstaub­belastung und Lungen­krebs­risiko auch unterhalb der geltenden Grenzwerte bestätigt. Im Oktober 2013 hat die zustän­dige WHO-Organi­sation Luftver­schmutzung generell und Feinstaub insbe­sondere als karzinogen eingestuft.
Schon 2012 wurden in einer Ergänzung des Göteborg-Proto­kolls zur Redu­zierung weit­räumiger, grenz­über­schreitender Luft­verschmut­zungen erstmals auch Reduktions­ziele für PM2,5 fest­gelegt. Auch die Bundes­regierung hat dem zugestimmt - aller­dings sollen die Reduk­tionen erst bis 2020 erreicht werden, und bis Ende 2016 hatte auch nur Schweden die Abmachung ratifi­ziert, die damit noch nicht in Kraft ist.

Die Beurtei­lungen der Gefahr für die Gesund­heit durch ultra­feine Partikel (UFP oder PM0.1) sind bisher noch nicht so eindeutig. Zusammen­fassungen aus den USA und aus Europa finden aller­dings zahlreiche Hinweise auf die Gefähr­lichkeit dieser Staub­fraktion. Auch eine europä­ische Experten-Umfrage gibt dieser Schad­stoff-Fraktion oberste Priorität.
Unter­suchungen der Wirkung von Abgasen aus Verbrennungs­motoren auf Gewebe­kulturen an der Uni Bern haben sehr deutlich gezeigt, dass gerade ultra­feine Partikel aus solchen Quellen Lungen­zellen erheblich schädigen können. Über die üblicher­weise vermuteten Wirkungen hinaus gibt es auch Hinweise, dass ultra­feine Partikel Gehirn­schädi­gungen bewirken können, wie sie bei Krank­heiten wie Autis­mus und Schizo­phrenie auftreten.

Symbol Flugzeugabgase in Lunge

Die Bedeutung des Flug­verkehrs als eine bedeut­same Quelle gerade für diese Schad­stoff-Fraktion wurde zuerst durch Studien aus den USA aufgezeigt, sowohl für Starts als auch für Lan­dungen. Dabei können kurz­zeitige Belastungs­spitzen ein besonderes Problem sein. Für die Partikel­fraktion 0,01 - 1 µm konnte selbst für die Autostadt Los Angeles nach­gewiesen werden, dass der Anteil aus dem Flug­verkehr bis in 10 km Entfer­nung vom Flughafen in der gleichen Größen­ordnung liegt wie der des Straßen­verkehrs. Eine weitere Studie dort zeigt auch, dass Kohlen­monoxid aus Flugzeug­abgasen, eventuell im Zusammen­spiel mit Ultra­feinstaub als Träger, eine grössere Rolle für die Entstehung von Krank­heiten spielen könnte, als bisher ange­nommen.
Auch am Flughafen Amsterdam Schiphol wurden 2012 und 2014 Unter­suchungen durch­geführt, die belegen, dass die Bevölke­rung im Umfeld des Flughafens durch Ultra­feinstaub aus dem Luft­verkehr belastet wird. Der Verkehrsclub Deutschland hat inzwischen auch eine deutsche Übersetzung des TNO-Papiers von 2014 vorgelegt.

Eine Studie am Flughafen Kopen­hagen hat gezeigt, dass Vor­feld-Mitar­beiter dort hohen UFP-Konzen­trationen ausgesetzt sind und bei ihnen auch erhöhte Raten dadurch verur­sachter Krank­heiten auftreten. Seitdem mißt der Flughafen die Ultra­fein­staub-Belas­tung in den Abfer­tigungs­bereichen und sucht nach Maß­nahmen, die Werte zu verringern.
Die Inter­nationale Transport­arbeiter-Gewerk­schaft hat darauf­hin eine Initiative gestartet, um ICAO zu veran­lassen, die Gefähr­dung von Flug­hafen-Beschäf­tigten durch Ultra­feinstaub in ihre Umwelt­schutz­standards aufzu­nehmen.
Auch der Dach­verband der europä­ischen Flug­häfen, ACI Europe, hat diese Studie zum Anlass genommen, seiner­seits eine Meta­studie zu erstellen, die zusammen­faßt, was 2012 über die Ultra­feinstaub-Belas­tungen an Flughäfen und deren mögliche Wirkungen bekannt war.
Alle diese Maßnahmen konzentrieren sich aber auf die Belastungen auf dem Vorfeld des Flughafens, nicht auf das Umland.

Einen kritischen Überblick zum Thema "Ultra­feinstaub und Flug­verkehr" hat der AK Feinstaub des BBI erstellt. Um der trägen staat­lichen Über­wachung Beine zu machen, hat der Arbeits­kreis, unter­stützt durch Spenden aus den BIs, auch ein mobiles Meßgerät angeschafft, mit dem Partikel in der Größen­ordnung von 0,02 - 1 µm gezählt werden können. Ein erster Bericht über Messungen im Umfeld des Flug­hafens Frankfurt liegt inzwischen vor; und es gibt auch einen Flyer, der in leicht verständ­licher Kürze in das Thema einführt.

Hinter den Kulissen hat die Luft­verkehrs­wirtschaft auch schon begonnen, erste Maß­nahmen einzu­leiten. Bereits 2010 hatte das ICAO-Umwelt­komittee (CAEP) akzep­tiert, dass die früher benutzte "Rauch­zahl" (als Maß für den sicht­baren Rauch aus Trieb­werken) kein angemes­sener Parameter für eine Triebwerks­zertifi­zierung mehr sein kann und begonnen, einen neuen Standard für Partikel-Emis­sionen zu entwickeln. Im Bericht zur ICAO-General­versammlung 2013 (CAEP/9) stellte das Komittee fest, dass der neue Standard ultra­feine Partikel im Bereich 15 - 40 nm erfassen müsste.
Die Standardi­sierungs­organi­sation SAE Inter­national hat darauf­hin einen Aero­space Infor­mation Report (AIR) und eine Aero­space Recommen­ded Practice (ARP) entwickelt, in denen die technischen Details für die notwen­digen Meß­verfahren beschrieben werden.
Die ETH Zürich führt seit zwanzig Jahren jährlich eine Konferenz zu Nano­partikeln aus Verbren­nungs­prozes­sen durch. Die Konfe­renz 2016 hat den Emis­sionen aus Flug­zeug-Trieb­werken eine eigene Session gewidmet, in der im Wesent­lichen die Ergeb­nisse der vom Schweizer Bundes­amt für Zivil­luft­fahrt und der EMPA geför­derten Meß­kampagne an einem statio­nären Trieb­werk vorge­stellt wurden.
Beides hat zur Entwick­lung eines Zertifi­zierungs-Stan­dards für Flug­zeug-Trieb­werke beige­tragen, der im Februar 2016 vom ICAO-Umwelt­komittee CAEP ange­nommen wurde. Die Bestä­tigung dieses Stan­dards durch den ICAO-Rat wird im Frühjahr 2017 erwartet.

Im September 2014 hat die "Europäische Organi­sation zur Sicherung der Luftfahrt" Eurocontrol eine Spezifi­kation für ein "Gemein­sames Umwelt­management" an Flughäfen verab­schiedet, mit der u.a. ein Standard für die Kontrolle der Umwelt­parameter gesetzt wird. Auch wenn die Formulie­rungen gegen­über dem EURO­CONTROL-Entwurf von den "Stake­holdern" verwässert wurden, heißt es darin sehr deutlich:

Symbol Flugzeugabgase in Lunge

in Deutsch also etwa:
Das CEM Arbeits-Arrange­ment soll spezielle Prozesse einrichten, um die folgenden Umwelt-Schlüssel­parameter zu erfassen und zu über­wachen:
... Partikel (PM) einschliess­lich Ultra­feiner Partikel (UFP) ...

Der Dachverband der europäischen Flughäfen, der AIRPORTS COUNCIL INTER­NATIONAL EUROPE (ACI EUROPE), verab­schiedete das Dokument unmit­telbar danach als Recom­mended Practice. Mit anderen Worten: jeder europä­ische Flughafen, der ein Umwelt­management auf dem Stand der Technik betreiben will, muss die Konzen­tration von ultra­feinen Partikeln messen und überwachen.

UFP-Meßwerte Raunheim

Die Partikelkonzentration steigt mit der Zahl der Überflüge

Fraport entwickelt diesen Ehrgeiz bisher noch nicht. Sie sahen sich ledig­lich veran­lasst, im November 2015 (letztes Update: September 2016) ein 4seitiges Papier zu veröffent­lichen, das zwar einige Grund­lagen zu UFP darstellt, aber gleich am Anfang festhält:
Anders als für PM10 und PM2,5 gibt es bislang weder einen mess­technischen Standard noch geeignete Beurteilungs­werte für UFP. Aus diesem Grund werden bei Fraport zwar u.a. PM10 und PM2,5 gemessen, aber keine UFP.
Am Ende wird dann aufgeführt, worauf Fraport warten will: erst müssen die staat­lichen Stellen einen Meß­standard entwickeln, dann muss die medizi­nische Forschung die genauen Wirkungs­zusammen­hänge fest­stellen, woraufhin der Gesetz­geber einen Grenzwert festlegen kann - und wenn sich dann heraus­stellen sollte, dass Minderungs­maßnahmen nötig sein könnten, kann man ja weiter­sehen. Verantwortungs­volles Handeln sieht anders aus.

Immerhin hat das HLNUG auch reagiert und sich im September 2015 vom UBA eine UFP-Mess­station ein­richten lassen, um damit entspre­chende Messungen zu üben. Wann diese Station allerdings erste Mess­werte veröffent­lichen wird, ist nicht klar. Bisher gibt es nur eine Präsen­tation von HLNUG und UBA vom September 2016 dazu und eine Grafik aus einer älteren Präsen­tation des UBA vom Dezember 2015 mit Meßwerten eines Monats (09.2015), die wir zur Entwick­lung der neben­stehenden Grafik genutzt haben.
Das UBA hat damit erstmals öffent­lich vorge­tragen, dass auch seine Messungen in Langen und in der Umge­bung des Flughafens eine erhöhte Anzahl-Konzen­tration von Ultra­feinstaub-Partikeln (UFP) belegen und als wahrschein­lichste Quelle dafür den Parti­­kel-Aus­stoß aus den Flug­zeug-Trieb­werken benannt. Zugleich hat es dabei ange­kündigt, dass es ein Forschungs­projekt plant, um die UFP-Konzen­trationen "im Umfeld eines Groß­flughafens" umfassend zu unter­suchen. Dieses Projekt hat im Oktober 2016 begon­nen, beschränkt sich aber auf die Model­lierung der UFP-Ver­teilung im Umfeld des Flug­hafens und nutzt dazu auch nur sehr grobe, wahrschein­lich sogar weit­gehend unge­eignete Mittel.
(Näheres dazu in den BIFR-News in der Themensammlung Schadstoffe).


Das zweite grosse Problem: Stickoxide

Stickoxide oder Stickstoffoxide (überwiegend NO und NO2, zusammengefaßt NOx) bilden die zweite grosse Schadstoffgruppe, bei der die lokalen Konzentrationen kritische Werte erreichen und der Flughafen erheblich zu den Emissionen beiträgt. Wegen schneller Vermischung und Transport ist der Einfluss einzelner Emissionsquellen an den lokalen Konzentrationen kaum nachzuweisen; nach den oben zitierten Rechnungen in den Gutachten zur Planfeststellung liegt der Flughafen-Anteil an den Emissionen in der Rhein-Main-Region in einer Größenordnung von 10%.
Stickoxide gelten überwiegend als Umwelt-Schadstoffe, die direkt Pflanzen schädigen können und zur Versauerung von Böden sowie zur Bildung von Ozon und Feinstaub beitragen. Gesundheitlich sind sie insbesondere für Asthmatiker problematisch.

Der EU-Grenzwert für lokale Konzen­trationen wird in Deutsch­land seit Jahren an sog. "verkehrs­nahen Stand­orten" regel­mäßig über­schritten, auch am Flughafen. Der "Sachver­ständigen­rat für Umwelt­fragen" (SRU), ein Beratungs­gremium der Bundes­regierung, kommt in seinem Sonder­gutachten "Stick­stoff: Lösungs­strategien für ein drängendes Umwelt­problem" zu dem Ergebnis, dass der Luft­verkehr in Deutsch­land ca. 7,5% der Gesamt­emissionen an Stick­oxiden erzeugt, mehr als Industrie (ohne "Energie­erzeugung") oder Land­wirtschaft (s. Grafik S. 205); aller­dings sieht er sich nicht veran­lasst, auch dafür "Lösungs­strategien" zu disku­tieren.
Auch die mit der EU verein­barten jährlichen Gesamt-Emis­sionen an Stick­oxiden über­schreitet Deutsch­land eben­falls seit Jahren regel­mäßig und sieht sich deswegen mit Vertrags­verletzungs­verfahren konfrontiert. Wie das Factsheet Germany zeigt, gilt die Über­schreitung auch für zahl­reiche andere Schad­stoffe.

Der im Herbst 2015 durch die US-Umwelt­behörde EPA aufge­deckte, schnell als Diesel­gate bekannt gewor­dene Skandal machte deutlich, dass insbe­sondere Diesel-PKW weitaus mehr Stick­oxide ausstoßen als erlaubt, und daher alle Abschät­zungen von Belas­tungen, die auf der Annahme der Einhal­tung der geltenden Grenz­werte beruhen, um Größen­ordnungen falsch sind - ein Faktum, das Insidern schon mindes­tens acht Jahre lang bekannt war und deut­lich macht, wie heuch­lerisch staat­liche Umwelt­politik sein kann. Die DUH hat wegen der perma­nenten Über­schrei­tung der Stick­oxid-Grenz­werte eine Reihe von Klagen für das 'Recht auf saubere Luft' einge­reicht bzw. unter­stützt, die einige Erfolge erzielt und eine Reihe von juris­tischen Klärungen herbei­geführt haben, die für künf­tige Klagen zu diesem Thema von Bedeu­tung sein können. Im Rhein-Main-Gebiet waren Darm­stadt, Frank­furt, Offen­bach und Wies­baden betroffen.
Im Herbst 2016 berich­tete Green­peace über Stick­oxid-Mes­sungen in zwölf deutschen Städten, darunter Frankfurt, Mainz und Wiesbaden. Überall wurden z.T. massive Grenz­wert-Über­schreit­ungen festge­stellt, teilweise auch an Stellen, die nicht als extrem durch Strassen­verkehr belastet gelten. Der Beitrag des Flug­verkehrs zu dieser Belastung wurde aller­dings nur von der Leiterin der 'Stabs­stelle Flug­lärm' der Stadt Frankfurt, Frau Fechter, thema­tisiert.


Schlussfolgerungen

Allgemein wird Luftver­schmutzung weltweit zunehmend kritischer einge­schätzt. Die Europä­ische Umwelt­agentur EEA kommt in ihren Luft­qualitäts-Berichten für Europa seit Jahren zu dem Ergebnis, dass trotz Verbesse­rungen über mehrere Jahrzehnte Luft­verschmutzung weiter­hin die menschliche Gesund­heit und die Umwelt schädigt. Staub­partikel (PM), Ozon (O3), reaktive Stickstoff­verbindungen und einige organische Verbindungen stellen immer noch eine signifikante Bedrohung dar. Dies führt zu schlechter Gesund­heit, vorzeitigen Todes­fällen, und Schäden an Öko­systemen, Ernten und Gebäuden. (aus: EEA, Air quality in Europe 2013, Executive Summary, eigene Über­setzung).
Ein umfassender Bericht des Londoner Royal College of Physicians fasst die Auswirkungen einer lebenslang einwirkenden Luftverschmutzung zusammen und berücksichtigt dabei auch soziale Aspekte (bleibt allerdings schwach in seinen Forderungen, die viel zu sehr auf den Einzelnen und zu wenig auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ausgerichtet sind).

Wirkliche Abhilfe ist nicht in Sicht, denn selbst das Clean Air Policy Package, das die EU-Kommission Ende 2013 vorge­schlagen hat, würde bis 2030 nur zu graduellen Verbesse­rungen, aber nicht zu durch­greifenden Verände­rungen führen. Selbst dieses moderate Paket ist jedoch vielen Mitgliedern des EU-Minister­rates (d.h. den Regierungs­vertretern) nicht kosten­effizient genug. Die EU-Kommis­sion unter Juncker, die Ende 2014 ins Amt kam, wollte das Paket am Liebsten ganz abschaffen, stieß dabei aber auf massiven Wider­stand etlicher EU-Institu­tionen und der europä­ischen Zivil­gesell­schaft. Die EU-Koordi­nation des Deut­schen Natur­schutz­rings hat die Aus­einander­setzung im April 2015 in einem Steck­brief zusammen­gefasst.
Ende 2016 ist es der EU zwar gelungen, einen wichtigen Bestandteil des Pakets, die 'Richtlinie über neue nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie)' in Kraft zu setzen, aber ob und wann die darin enthaltenen Grenzwerte wirklich umgesetzt werden, ist offen.

Main-Ebene

  Klare Luft über dem Rhein-Main-Gebiet ?  Der optische Eindruck ist leider nicht entscheidend.

Symbol Gasmaske

Zusammengefaßt: es gibt keinen Grund zur Beruhigung. Die Überwachung der Luft­qualität durch die Mess­stationen des HLNUG hat bisher mit den Immissionen durch den Flugverkehr bestenfalls am Rande zu tun. Ein Monitoring der Schad­stoffe, die spezifisch aus dem Flugbetrieb resultieren, findet im Umland des Flughafens nicht statt. Welchen zusätzlichen Belastungen die Menschen in der Rhein-Main-Region durch den Flughafen ausgesetzt sind, bleibt weitgehend verborgen, ebenso wie die Risiken, die daraus resultieren. Ohne massiven politischen Druck wird sich diese Situation nicht verbessern.


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