Wie alle Massenverkehrsträger emittiert auch der Frankfurter Flughafen grosse Mengen
Schadstoffe
in Luft, Wasser und Boden. Im Rahmen der Ausbauplanung wurden diese Emissionen, ihre voraussichtliche Entwicklung, die daraus resultierenden Immissionen und ihre Wirkungen in mehreren Gutachten abgeschätzt. (Der DFLD hat alle
PFV-Unterlagen gesammelt, kann sie z.Z. aber aufgrund von Urheberrechts-Klagen nicht öffentlich zur Verfügung stellen. Wer dennoch Zugang hat: Ordner 60 enthält alles Wesentliche zum Thema Schadstoffe.) Auch wenn an den Ergebnissen dieser Gutachten im Einzelfall Zweifel angebracht sind, geben sie doch einen Überblick. Auch Fraport informiert unter dem Stichwort "Verantwortung" über die
Luftqualität
am Flughafen und veröffentlicht
Umwelterklärungen und Lufthygienische Jahresberichte.
Einen speziellen Beitrag liefert das
Monitoring des "Forum Flughafen und Region" auf der Basis von Messungen des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Zu deren Ergebnissen haben wir schon 2013 einen eigenen Kommentar verfasst, der leider immer noch aktuell ist.
Während die Schadstoffe, die Boden und Grundwasser belasten, in der Regel aus den Begleitaktivitäten des Flughafenbetriebs stammen (Leckagen in Kerosin-Leitungen und -Tanks, unsachgemäßer Umgang mit Enteisungsmitteln, Löschschaum usw.), stammen die Luftschadstoffe sowohl vom Flugverkehr als auch von sonstigem Bodenverkehr, Heizung/Kühlung und anderen Verbrennungsprozessen. Bis heute gibt es kein anerkanntes Verfahren, um Abgase aus der Verbrennung von Kerosin in Turbinen von solchen aus der Verbrennung von Diesel oder Heizöl zu unterscheiden.
91,5% des Ausstosses eines Triebswerks bestehen aus Luft (Stickstoff und Sauerstoff), von den restlichen 8,5% sind wiederum nur 0,4% Schadstoffe im eigentlichen Sinn - also kaum der Rede wert?
Messungen von Triebwerksemissionen im laufenden Betrieb sind schwierig und werden nur selten durchgeführt. Die Mengen an Schadstoffen, die am Flughafen tatsächlich ausgestossen werden, können daher nur abgeschätzt werden. Dies geschieht in der Regel auf der Basis der durchgeführten Flugbewegungen und der dabei eingesetzten Triebwerke, deren Hersteller verpflichtet sind, Emissionswerte für sog. Standard-Zyklen anzugeben. Für den Flughafen Frankfurt kennen wir zwei Quellen, die auf diese Weise Emissionen abschätzen. Zum einen veröffentlicht Fraport in der o.g. Umwelterklärung Emissionsdaten aus dem Luftverkehr (S.8), allerdings ohne genaue Angabe der Berechnungsart. Angegeben ist lediglich, dass nur Emissionen unterhalb 300 m Flughöhe berücksichtigt sind (nur diese seien "lokal wirksam"). Zum anderen veröffentlicht der Deutsche Fluglärmdienst DFLD in seinen Jahresstatistiken Emissionswerte, die auf einer externen Identifikation der Flugzeuge beruhen. Letztere gelingt nur in etwas mehr als der Hälfte aller Fälle, so dass die Daten unvollständig und zu niedrig sind. Andererseits berechnet der DFLD die Emissionswerte für den gesamten sog. LTO-Zyklus bis 900 Meter Flughöhe, wodurch sich deutlich höhere Werte ergeben müssten. Die Unsicherheiten bei dieser Art Abschätzung sind daher sehr groß.
Das Problem haben auch andere. So ergeben die beiden letzten Versuche des Umweltbundesamts, die Luftverkehrs-Emissionen in Deutschland zu kalkulieren (veröffentlicht
2010 und
2013, wobei der neuere Ansatz nicht zwangsläufig der Bessere ist), deutlich unterschiedliche Datensätze.
Mit anderen Worten: nichts Genaues weiß man nicht. Die nachfolgend zu diskutierenden Gutachten wissen es natürlich auch nicht besser, so dass alle dort zitierten Schlussfolgerungen mit Skepsis zu betrachten sind.
Fraport hat allerdings noch im September 2016 bestätigt, dass sie die damals produzierten Daten immer noch für gültig halten.
Die Auswahl der Schadstoffe, die bei der Planfeststellung für relevant gehalten wurden, und ihre Behandlung in den diversen Gutachten wird in der Übersicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (Ordner 36, G1 Teil II, Vorhaben und Projektwirkungen,
Auszug) dargestellt. Die durch den Flugverkehr bedingten Emissionen, ihre Veränderungen beim Ausbau und die dadurch jeweils bedingten Immissionen beschreibt das
Gutachten von Janicke, das eine für Raunheim interessante Zusammenfassung enthält. Demnach verdoppeln bis verdreifachen sich die Schadstoff-Immissionen an der Ostgrenze von Raunheim (Punkt B) im "Planungsfall" gegenüber dem "Ist-Zustand". Dennoch heißt es im zusammenfassenden
Immissionsgutachten: "Im Untersuchungsgebiet bewegen sich die Veränderungen der mittleren Gesamtimmissionen von der Ist-Situation (2005) zum Prognosenullfall (2020) zwischen Abnahmen um 38% und Zunahmen um 3%. Vom Prognosenullfall (2020) zum Planungsfall (2020) nehmen ... die mittleren Gesamtimmissionen um bis zu 4% zu", d.h. zwischen Ist-Zustand und Planungsfall bewegen sich die Immissionen zwischen einer Abnahme von 34% und einer Zunahme von höchstens 7%. Wie geht das?
Die künftigen Flugzeuge fressen nicht etwa Schadstoffe, vielmehr macht sich Fraport hier die Bemühungen anderer zunutze, Emissionen zu senken (insbesondere des Kfz-Verkehrs), um den eigenen Schadstoffausstoss nicht auffallen zu lassen. Dies sieht man auch sehr schön in der oben zitierten UVP-Übersicht: während die Zeile "Gesamt", die die Flughafen-bezogenen Veränderungen ausweist, fast überall Zunahmen, zum Teil drastischen Ausmaßes, zeigt, enthält die Zeile "Umland - gesamt" bei der Differenz die gewünschten negativen Werte. Und wo die Kfz-Katalysatoren nicht ausreichen, um die Flugzeug-Emissionen zu schönen, wie bei Ruß und Feinstaub, tauscht Fraport eben zusätzlich noch ein paar eigene Dreckschleudern am Boden aus, um das gewünschte Ergebnis darstellen zu können.
Da also immissionstechnisch gesehen auch mit dem Ausbau (angeblich) Alles beim Alten bleibt, wundert es nicht, dass auch die human-toxikologische Bewertung der Immissionen keine Gründe gegen den Ausbau gefunden hat. Dafür brauchte man eigentlich gar kein Gutachten mehr. Schon der "gesunde Menschenverstand" legt doch nahe, dass, wer den Dreck bisher überlebt hat, ihn auch künftig überleben wird. (Wer ihn nicht überlebt hat, müsste erstmal beweisen, dass er daran gestorben ist - tut aber keiner.)
Dennoch enthält auch dieses Werk interessante Aussagen. Um wenigstens 70 Seiten zu füllen, läßt sich die Autorin, Frau Tesseraux, ausführlich über die Wirkung der zu bewertenden Schadstoffe aus - und gibt z.B. über die Wirkung von Feinstaub eine lesenswerte, auch heute noch weitgehend korrekte Zusammenfassung. Darin weist sie u.a. auf die besonderen Gefahren der Staubfraktionen PM2.5 und PM0.1 hin. Selbst das RP hält es nach ihrer Stellungnahme dazu im Anhörungsverfahren für sinnvoll, "zu prüfen, ob im Humantoxikologischen Gutachten eine ergänzende Auseinandersetzung mit PM2,5 erfolgen sollte." (RP-Stellungnahme, auf der 109. Seite des Kapitels, S.931) Passiert ist das allerdings nicht.
Die Bundesregierung hält es auch Jahre später nicht für nötig, bei den Feinstaub-Fraktionen genauer hinzuschauen (s. Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag aus dem Jahr 2012). Die öffentliche Diskussion in Deutschland, weitgehend konzentriert auf die Fraktionen PM10, ab 2010 auch zunehmend PM2,5, und auf den Strassenverkehr, Haushalte und große Industrieanlagen als Quellen, kann man auf der Themenseite des Umweltbundesamtes nachverfolgen.
Die Begriffe "Ultrafeinstaub" bzw. "ultrafeine Partikel" tauchen da nur als Gegenstand von Definitionen auf. Nur nach langem Weiterklicken finden man einen Hinweis auf drei Forschungsprojekte: das deutsche Messnetz für Ultrafeinstaub GUAN und die (2014 abgeschlossenen) europäischen Projekte UFIREG und UltraSchwarz, in denen in einigen europäischen Städten sowohl die Belastung mit Ultrafeinstaub als auch mögliche gesundheitliche Folgen untersucht wurden. Beide beschäftigen sich aber zumindest offiziell nicht mit dem Flugverkehr als Quelle für Ultrafeinstaub.
Hessisches Umweltministerium und HLNUG propagieren auch 2017 noch, dass der Luftverkehr keinen messbaren Einfluss auf die Luftqualität im Rhein-Main-Gebiet habe. Im Auftrag des Umwelthauses positioniert die HLNUG ihren mobilen Messcontainer immer wieder im Umfeld des Flughafens, um immer wieder festzustellen, dass nach den damit erhaltenen Messwerten die Luft sauberer ist als an vergleichbaren Messstellen mit hohem Strassenverkehr. Gemessen werden aber für Feinstaub nur die Fraktionen PM10 und (teilweise) PM2,5, und diskutiert wird praktisch nur PM10 (weil HLNUG selbst für PM2,5 nur wenige Vergleichswerte hat: von den 36 in Hessen existierenden Meßstationen können 32 PM10 messen, aber nur 9 PM2,5 (Stand: Jan. 2017)).
Für Ultrafeinstaub gilt für die hessische Luftüberwachung offiziell immer noch: kein Meßwert - kein Grenzwert - kein Problem.
"Die Gesundheitseffekte von PM10 und PM2.5 sind gut dokumentiert. Es gibt keinen Hinweis auf ein sicheres Expositionsniveau oder einen Schwellenwert, unterhalb dem keine negativen gesundheitlichen Effekte auftreten. Da die negativen Wirkungen der Luftverschmutzung selbst bei relativ niedrigen Konzentrationen signifikant sind, ist ein effektives Luftqualitätsmanagement zur Erreichung der Ziele der WHO Luftqualitätsrichtlinien notwendig, um Gesundheitsrisiken auf ein Minimum zu reduzieren."Eine umfangreiche europäische Studie hat 2013 den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Lungenkrebsrisiko auch unterhalb der geltenden Grenzwerte bestätigt. Im Oktober 2013 hat die zuständige WHO-Organisation Luftverschmutzung generell und Feinstaub insbesondere als karzinogen eingestuft.
(Schlussfolgerungen, S. 12, eigene Übersetzung).
Die Beurteilungen der Gefahr für die Gesundheit durch ultrafeine Partikel (UFP oder PM0.1) sind bisher noch nicht so eindeutig. Zusammenfassungen aus den
USA und aus Europa finden allerdings zahlreiche Hinweise auf die Gefährlichkeit dieser Staubfraktion. Auch eine europäische
Experten-Umfrage gibt dieser Schadstoff-Fraktion oberste Priorität.
Untersuchungen der Wirkung von Abgasen aus Verbrennungsmotoren auf Gewebekulturen an der Uni Bern haben sehr deutlich gezeigt, dass gerade ultrafeine Partikel aus solchen Quellen Lungenzellen erheblich schädigen können. Über die üblicherweise vermuteten Wirkungen hinaus gibt es auch Hinweise, dass ultrafeine Partikel Gehirnschädigungen bewirken können, wie sie bei Krankheiten wie Autismus und Schizophrenie auftreten.
Die Bedeutung des Flugverkehrs als eine bedeutsame Quelle gerade für diese Schadstoff-Fraktion wurde zuerst durch Studien aus den USA aufgezeigt, sowohl für Starts als auch für
Landungen. Dabei können kurzzeitige Belastungsspitzen ein besonderes Problem sein. Für die Partikelfraktion 0,01 - 1 µm konnte selbst für die Autostadt Los Angeles nachgewiesen werden, dass der Anteil aus dem Flugverkehr bis in 10 km Entfernung vom Flughafen in der gleichen Größenordnung liegt wie der des Straßenverkehrs. Eine weitere
Studie dort zeigt auch, dass Kohlenmonoxid aus Flugzeugabgasen, eventuell im Zusammenspiel mit Ultrafeinstaub als Träger, eine grössere Rolle für die Entstehung von Krankheiten spielen könnte, als bisher angenommen.
Auch am Flughafen Amsterdam Schiphol wurden 2012 und 2014 Untersuchungen durchgeführt, die belegen, dass die Bevölkerung im Umfeld des Flughafens durch Ultrafeinstaub aus dem Luftverkehr belastet wird. Der Verkehrsclub Deutschland hat inzwischen auch eine
deutsche Übersetzung des TNO-Papiers von 2014 vorgelegt.
Eine
Studie am Flughafen Kopenhagen hat gezeigt, dass Vorfeld-Mitarbeiter dort hohen UFP-Konzentrationen ausgesetzt sind und bei ihnen auch erhöhte Raten dadurch verursachter Krankheiten auftreten. Seitdem mißt der Flughafen die Ultrafeinstaub-Belastung in den Abfertigungsbereichen und
sucht nach Maßnahmen, die Werte zu verringern.
Die Internationale Transportarbeiter-Gewerkschaft hat daraufhin eine Initiative gestartet, um ICAO zu veranlassen, die Gefährdung von Flughafen-Beschäftigten durch Ultrafeinstaub in ihre Umweltschutzstandards aufzunehmen.
Auch der Dachverband der europäischen Flughäfen, ACI Europe, hat diese Studie zum Anlass genommen, seinerseits eine Metastudie zu erstellen, die zusammenfaßt, was 2012 über die Ultrafeinstaub-Belastungen an Flughäfen und deren mögliche Wirkungen bekannt war.
Alle diese Maßnahmen konzentrieren sich aber auf die Belastungen auf dem Vorfeld des Flughafens, nicht auf das Umland.
Einen kritischen Überblick zum Thema "Ultrafeinstaub und Flugverkehr" hat der AK Feinstaub des BBI erstellt. Um der trägen staatlichen Überwachung Beine zu machen, hat der Arbeitskreis, unterstützt durch Spenden aus den BIs, auch ein mobiles Meßgerät angeschafft, mit dem Partikel in der Größenordnung von 0,02 - 1 µm gezählt werden können. Ein erster Bericht über Messungen im Umfeld des Flughafens Frankfurt liegt inzwischen vor; und es gibt auch einen Flyer, der in leicht verständlicher Kürze in das Thema einführt.
Hinter den Kulissen hat die Luftverkehrswirtschaft auch schon begonnen, erste Maßnahmen einzuleiten. Bereits 2010 hatte das ICAO-Umweltkomittee
(CAEP) akzeptiert, dass die früher benutzte "Rauchzahl" (als Maß für den sichtbaren Rauch aus Triebwerken) kein angemessener Parameter für eine Triebwerkszertifizierung mehr sein kann und begonnen, einen neuen Standard für Partikel-Emissionen zu entwickeln. Im Bericht zur ICAO-Generalversammlung 2013 (CAEP/9) stellte das Komittee fest, dass der neue Standard ultrafeine Partikel im Bereich 15 - 40 nm erfassen müsste.
Die Standardisierungsorganisation SAE International hat daraufhin einen
Aerospace Information Report (AIR) und eine Aerospace Recommended Practice (ARP) entwickelt, in denen die technischen Details für die notwendigen Meßverfahren beschrieben werden.
Die ETH Zürich führt seit zwanzig Jahren jährlich eine Konferenz zu Nanopartikeln aus Verbrennungsprozessen durch. Die Konferenz 2016 hat den Emissionen aus Flugzeug-Triebwerken eine eigene Session gewidmet, in der im Wesentlichen die Ergebnisse der vom Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt und der EMPA geförderten Meßkampagne an einem stationären Triebwerk vorgestellt wurden.
Beides hat zur Entwicklung eines Zertifizierungs-Standards für Flugzeug-Triebwerke beigetragen, der im Februar 2016 vom ICAO-Umweltkomittee CAEP angenommen wurde. Die Bestätigung dieses Standards durch den ICAO-Rat wird im Frühjahr 2017 erwartet.
Im September 2014 hat die "Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt" Eurocontrol eine Spezifikation für ein "Gemeinsames Umweltmanagement" an Flughäfen verabschiedet, mit der u.a. ein Standard für die Kontrolle der Umweltparameter gesetzt wird. Auch wenn die Formulierungen gegenüber dem EUROCONTROL-Entwurf von den "Stakeholdern" verwässert wurden, heißt es darin sehr deutlich:
in Deutsch also etwa:
Das CEM Arbeits-Arrangement soll spezielle Prozesse einrichten, um die folgenden Umwelt-Schlüsselparameter zu erfassen und zu überwachen:
... Partikel (PM) einschliesslich Ultrafeiner Partikel (UFP) ...
Der Dachverband der europäischen Flughäfen, der AIRPORTS COUNCIL INTERNATIONAL EUROPE (ACI EUROPE), verabschiedete das Dokument unmittelbar danach als Recommended Practice. Mit anderen Worten: jeder europäische Flughafen, der ein Umweltmanagement auf dem Stand der Technik betreiben will, muss die Konzentration von ultrafeinen Partikeln messen und überwachen.
Fraport entwickelt diesen Ehrgeiz bisher noch nicht. Sie sahen sich lediglich veranlasst, im November 2015 (letztes Update: September 2016) ein
4seitiges Papier zu veröffentlichen, das zwar einige Grundlagen zu UFP darstellt, aber gleich am Anfang festhält:
Anders als für PM10 und PM2,5 gibt es bislang weder einen messtechnischen Standard noch geeignete Beurteilungswerte für UFP. Aus diesem Grund werden bei Fraport zwar u.a. PM10 und PM2,5 gemessen, aber keine UFP.
Am Ende wird dann aufgeführt, worauf Fraport warten will: erst müssen die staatlichen Stellen einen Meßstandard entwickeln, dann muss die medizinische Forschung die genauen Wirkungszusammenhänge feststellen, woraufhin der Gesetzgeber einen Grenzwert festlegen kann - und wenn sich dann herausstellen sollte, dass Minderungsmaßnahmen nötig sein könnten, kann man ja weitersehen. Verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus.
Immerhin hat das HLNUG auch reagiert und sich im September 2015 vom UBA
eine UFP-Messstation einrichten lassen, um damit entsprechende Messungen zu üben. Wann diese Station allerdings erste Messwerte veröffentlichen wird, ist nicht klar. Bisher gibt es nur eine Präsentation von HLNUG und UBA vom September 2016 dazu und eine Grafik aus einer älteren
Präsentation des UBA vom Dezember 2015 mit Meßwerten eines Monats (09.2015), die wir zur Entwicklung der nebenstehenden Grafik genutzt haben.
Das UBA hat damit erstmals öffentlich vorgetragen, dass auch seine Messungen in Langen und in der Umgebung des Flughafens eine erhöhte Anzahl-Konzentration von Ultrafeinstaub-Partikeln (UFP) belegen und als wahrscheinlichste Quelle
dafür den Partikel-Ausstoß aus den Flugzeug-Triebwerken benannt. Zugleich hat es dabei angekündigt, dass es ein Forschungsprojekt plant, um die UFP-Konzentrationen "im Umfeld eines Großflughafens" umfassend zu untersuchen. Dieses Projekt hat im Oktober 2016 begonnen, beschränkt sich aber auf die Modellierung der UFP-Verteilung im Umfeld des Flughafens und nutzt dazu auch nur sehr grobe, wahrscheinlich sogar weitgehend ungeeignete Mittel.
(Näheres dazu in den BIFR-News in der Themensammlung Schadstoffe).
Stickoxide oder Stickstoffoxide (überwiegend NO und NO2, zusammengefaßt NOx) bilden die zweite grosse Schadstoffgruppe, bei der die lokalen Konzentrationen kritische Werte erreichen und der Flughafen erheblich zu den Emissionen beiträgt. Wegen schneller Vermischung und Transport ist der Einfluss einzelner Emissionsquellen an den lokalen Konzentrationen kaum nachzuweisen; nach den oben zitierten Rechnungen in den Gutachten zur Planfeststellung liegt der Flughafen-Anteil an den Emissionen in der Rhein-Main-Region in einer Größenordnung von 10%.
Stickoxide gelten überwiegend als Umwelt-Schadstoffe, die direkt Pflanzen schädigen können und zur Versauerung von Böden sowie zur Bildung von Ozon und Feinstaub beitragen. Gesundheitlich sind sie insbesondere für Asthmatiker problematisch.
Der im Herbst 2015 durch die US-Umweltbehörde EPA aufgedeckte, schnell als Dieselgate bekannt gewordene Skandal machte deutlich, dass insbesondere Diesel-PKW weitaus mehr Stickoxide ausstoßen als erlaubt, und daher alle Abschätzungen von Belastungen, die auf der Annahme der Einhaltung der geltenden Grenzwerte beruhen, um Größenordnungen falsch sind - ein Faktum, das Insidern schon mindestens
acht Jahre lang bekannt war und deutlich macht, wie heuchlerisch staatliche Umweltpolitik sein kann. Die DUH hat wegen der permanenten Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte eine Reihe von Klagen für das 'Recht auf saubere Luft' eingereicht bzw. unterstützt, die einige Erfolge erzielt und eine Reihe von juristischen Klärungen herbeigeführt haben, die für künftige Klagen zu diesem Thema von Bedeutung sein können. Im Rhein-Main-Gebiet waren Darmstadt, Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden betroffen.
Im Herbst 2016 berichtete Greenpeace über Stickoxid-Messungen in zwölf deutschen Städten, darunter Frankfurt, Mainz und Wiesbaden. Überall wurden z.T. massive Grenzwert-Überschreitungen festgestellt, teilweise auch an Stellen, die nicht als extrem durch Strassenverkehr belastet gelten. Der Beitrag des Flugverkehrs zu dieser Belastung wurde allerdings nur von der Leiterin der 'Stabsstelle Fluglärm' der Stadt Frankfurt, Frau Fechter, thematisiert.
Allgemein wird Luftverschmutzung weltweit zunehmend kritischer eingeschätzt. Die Europäische Umweltagentur EEA kommt in ihren Luftqualitäts-Berichten für Europa seit Jahren zu dem Ergebnis, dass trotz Verbesserungen über mehrere Jahrzehnte Luftverschmutzung weiterhin die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädigt. Staubpartikel (PM), Ozon (O3), reaktive Stickstoffverbindungen und einige organische Verbindungen stellen immer noch eine signifikante Bedrohung dar. Dies führt zu schlechter Gesundheit, vorzeitigen Todesfällen, und Schäden an Ökosystemen, Ernten und Gebäuden.
(aus: EEA, Air quality in Europe 2013, Executive Summary, eigene Übersetzung).
Ein umfassender Bericht des Londoner Royal College of Physicians fasst die Auswirkungen einer lebenslang einwirkenden Luftverschmutzung zusammen und berücksichtigt dabei auch soziale Aspekte (bleibt allerdings schwach in seinen Forderungen, die viel zu sehr auf den Einzelnen und zu wenig auf Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ausgerichtet sind).
Wirkliche Abhilfe ist nicht in Sicht, denn selbst das Clean Air Policy Package, das die EU-Kommission Ende 2013 vorgeschlagen hat, würde bis 2030 nur zu graduellen Verbesserungen, aber nicht zu durchgreifenden Veränderungen führen. Selbst dieses moderate Paket ist jedoch vielen Mitgliedern des EU-Ministerrates (d.h. den Regierungsvertretern) nicht kosteneffizient genug. Die EU-Kommission unter Juncker, die Ende 2014 ins Amt kam, wollte das Paket am Liebsten ganz abschaffen, stieß dabei aber auf massiven Widerstand etlicher EU-Institutionen und der europäischen Zivilgesellschaft. Die EU-Koordination des Deutschen Naturschutzrings hat die Auseinandersetzung im April 2015 in einem Steckbrief zusammengefasst.
Ende 2016 ist es der EU zwar gelungen, einen wichtigen Bestandteil des Pakets, die 'Richtlinie über neue nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie)' in Kraft zu setzen, aber ob und wann die darin enthaltenen Grenzwerte wirklich umgesetzt werden, ist offen.
Klare Luft über dem Rhein-Main-Gebiet ? Der optische Eindruck ist leider nicht entscheidend.
Zusammengefaßt: es gibt keinen Grund zur Beruhigung. Die Überwachung der Luftqualität durch die Messstationen des HLNUG hat bisher mit den Immissionen durch den Flugverkehr bestenfalls am Rande zu tun. Ein Monitoring der Schadstoffe, die spezifisch aus dem Flugbetrieb resultieren, findet im Umland des Flughafens nicht statt. Welchen zusätzlichen Belastungen die Menschen in der Rhein-Main-Region durch den Flughafen ausgesetzt sind, bleibt weitgehend verborgen, ebenso wie die Risiken, die daraus resultieren. Ohne massiven politischen Druck wird sich diese Situation nicht verbessern.