Es gibt Bilder, die sind noch nicht richtig auf dem Bildschirm erschienen, da wecken sie in einem voreingenommenen Beobachter schon starke Assoziationen. Die Macher der Präsentation zu den ersten 100 Tagen der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen hatten sicherlich anderes im Sinn, aber ihr Titelbild ist in diesem Sinn ein Volltreffer (s. Grafik rechts).
Der alte Sumpf ist ja überwiegend noch da: von Herrn Bouffier, der seinen Vorgänger Roland Koch getreu durch alle
Skandale begleitete (und einige eigene produzierte), bis zu Herrn
Irmer, der jenseits des demokratisch gerade noch Erträglichen gegen Minderheiten hetzt. Aber darüber wird nun ein grünes Mäntelchen gerollt, das den Anblick erträglicher machen soll.
Es ist allerdings nicht zu erkennen, dass da wirklich etwas Neues wachsen würde. Speziell in den Themenbereichen Fluglärm und Flughafenausbau hat Minister Al-Wazir alle Erwartungen, die viele in ihn gesetzt hatten, gründlich enttäuscht. Statt mit den Hinterlassenschaften seines Vorgängers konsequent aufzuräumen, verteidigt er sie auch noch im absurdesten Detail, und will sich für eigene Initiativen "ein gutes Jahr" Zeit lassen. Und was hatte er nicht vorher, zu Oppositionszeiten, alles für nötig gehalten. Aber das ist inzwischen Geschwätz von gestern.
Sehen wir uns also an, was schwarz-grün bisher produziert hat. Basis für die Betrachtungen sind im Wesentlichen der
Koalitionsvertrag (KoaV), die
100-Tage-Bilanz der Koalition, die
Antwort von Minister Al-Wazir auf die
Forderungen des BBI für die ersten hundert Tage der neuen Regierung sowie die Aussagen[1], die Frank Kaufmann, Flughafenexperte der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und demnächst Aufsichtsratsmitglied der Fraport AG, in einer Veranstaltung seiner Partei in Raunheim gemacht hat.
Der Koalitionsvertrag
ist das erste Produkt, mit dem das neue Bündnis vor Amtsantritt angekündigt hat, was es zu tun gedenkt. Er trägt den Titel "Verläßlich gestalten - Perspektiven eröffnen". Von 108 Seiten sind immerhin zweieinhalb (S. 66-68) dem Flughafen Frankfurt und dem Lärmschutz gewidmet.
"Verläßlich gestalten" heißt hier: die "Wettbewerbsfähigkeit" des Flughafens steht weiter an erster Stelle, alle Vorhaben stehen unter dem Vorbehalt von deren Erhaltung - und "Wettbewerb" meint hier nach wie vor den Wettlauf der Megahubs dieser Welt um das größte Stück vom weltweiten Verkehr, unabhängig von allen regionalen Bedürfnissen. Entsprechend dürftig sind die Perspektiven, die unter dieser Prämisse noch eröffnet werden können.
Die Koalitionäre gehen aber noch deutlich weiter:
"Der Planfeststellungsbeschluss (PFB) vom Dezember 2007 und seine weitgehende Bestätigung durch das Bundesverwaltungsgericht ist die Grundlage aller weiteren Überlegungen. Inwieweit noch anhängige Streitverfahren die Situation gegebenenfalls rechtlich oder tatsächlich verändern werden, bleibt abzuwarten."
Mit anderen Worten: der Planfeststellungsbeschluss soll nicht angetastet werden, wenn nicht ein Gerichtsurteil dazu zwingt - und das, obwohl sogar der Hessische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf hinweist, dass er noch nicht rechtskräftig ist und daher noch in vielfältiger Weise verändert werden könnte, wenn es den politischen Willen dafür gäbe. Schwarz-grün hat ihn ausdrücklich nicht.
Bannwald - Gefahr gebannt ?
Nachdem also die Grundlagen des Flughafenausbaus zementiert sind, bleibt in Einzelfragen nicht mehr viel Spielraum. Beginnen wir mit einem Thema, das nicht nur den Flughafenausbau betrifft. Im KoaV heißt es auf S. 18 zum Thema "Bannwaldschutz":
"Deshalb muss die Rodung und Umwandlung von mit dem Schutzstatus „Bannwald“ gekennzeichneten Gebieten in eine andere Nutzungsart grundsätzlich ausgeschlossen werden."
und tatsächlich hat die Koalition noch innerhalb der ersten 100 Tage einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Schutz des Bannwaldes in Hessen verbessern soll. Soweit, so gut?
Man sollte sich daran erinnern, dass die schwarz-gelbe Koalition 2002 den Bannwaldschutz in Hessen faktisch aufgehoben hat, hauptsächlich, damit Rodungen für den Flughafenausbau problemlos durchgesetzt werden konnten. Wenn die CDU sich jetzt für das neue Gesetz lobt, dann erinnert das an einen Gauner, der eine Schaufensterscheibe einschlägt und mit einem Kumpel den Laden ausräumt, um später mit einem andern Kumpel vorbeizukommen, eine neue Scheibe einzusetzen und sich dafür feiern zu lassen. Alles wieder in Ordnung? Natürlich ist es schön, eine neue Scheibe zu haben, aber Einwände bleiben. Erstens ist auch die nicht aus Panzerglas, und die Schwachstellen für den nächsten Bruch sind allzu deutlich zu sehen. Zweitens möchte der Gauner die ganze Beute behalten, auch den Teil, der noch nicht verprasst ist. Der Treburer Oberwald steht zwar de facto noch und erfüllt seine Schutzfunktion, aber formal ist er bereits beseitigt - gemäß Planfeststellungsbeschluss darf Fraport roden lassen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass im kommenden Winter dort hessische Polizei aufmarschieren wird, nicht um den Wald zu schützen, sondern die, die ihn absägen - für den Autobahnanschluss von Terminal 3.
Als Oppositionspolitiker wollte er die Pläne wieder einrollen ...
Terminal 3 - "Ergebnisoffene Prüfung" durch den Bauherren
Womit wir beim nächsten Thema wären. Laut Koalitionsvertrag (S.67)
"... halten die Koalitionspartner eine Bedarfsprüfung des Bauvorhabens für erforderlich. Vor diesem Hintergrund spricht sich das Land Hessen als Miteigentümer der Fraport dafür aus, auf möglicherweise steigende Fluggastzahlen solange wie möglich mit ökonomisch vertretbaren und für die Region verträglicheren Alternativen zum Bau des Terminals 3 zu reagieren."
Was Ministerpräsident Bouffier von dieser Vereinbarung hält, machte er umgehend in einem
Interview deutlich, das er auch noch auf die Webseite der Staatskanzlei stellen liess:
"Der Bau des Terminals 3 hätte aus unserer Sicht nicht auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Unsere Position war: Wenn es die Fraport für notwendig hält, dann baut sie ihn. Die Grünen hatten hier eine grundsätzlich andere Sicht."
- die sie umgehend aufgeben mussten. Sehr schnell war klar, dass die vereinbarte Prüfung durch Fraport selbst erfolgen sollte, wenn natürlich auch "belastbar" und "ergebnisoffen".
Nur ein paar Tage lang hat es Fraport-Chef Schulte nach Antritt der neuen Regierung für nötig gehalten, so zu tun, als wolle er auf diese Forderung eingehen. Aktuell läßt er keinen Zweifel mehr daran, dass er Terminal 3 für nötig hält, und es sieht nicht danach aus, als könne oder wolle Al-Wazir ihn zwingen, dafür auch nur noch eine weitere Begründung vorzulegen. Im Gegenteil: inzwischen reicht schon "mangelnder Komfort" für die Fluggäste aus, die Wettbewerbsfähigkeit von FRA zu gefährden und damit alle Einwände aus dem Weg zu räumen.
Wenn Herr Kaufmann trotzdem davon ausgeht, dass das Terminal "in dieser Legislaturperiode" nicht gebaut wird, klingt das sehr nach Wunschdenken. Natürlich sind die Wachstumszahlen, mit denen Fraport die Notwendigkeit des Baus rechtfertigt, kaum mehr als Kaffeesatzleserei, läßt die wachsende Konkurrenz anderer internationaler Hubs (Istanbul, Dubai, Quatar) deutliche Verschiebungen erwarten. Aber auch die Prognosen der Flugbewegungszahlen, mit denen der Bau der Nordwestlandebahn begründet wurde, haben sich als falsch herausgestellt, ohne das daraus irgendwelche Konsequenzen folgen würden.
Wenn der Bau von Terminal 3 verhindert werden soll, dann muss dafür politischer Druck entwickelt werden - und der wird nicht von der Landesregierung kommen.
"Lärmpausen" oder Nachtruhe - schwarz-grüner Murks oder konsequente Politik ?
Ein Nachtflugverbot während der gesetzlichen Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr gilt inzwischen weithin als ein aus gesundheitlichen Gründen unbedingt anzustrebendes politisches Ziel. Um wenigstens etwas Aktivität in dieser Richtung zu simulieren, sind die sog. Lärmpausen derzeit das Lieblingsthema der Koalitionäre. Schon im KoaV hatten sie dazu energisch formuliert:
"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitionspartner halten dies durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."
"Für den Fall, dass dieses Ziel (siebenstündige Nutzungspausen) nicht in angemessener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Planänderung bzw. modifizierte Betriebsgenehmigung vor."
Und im o.g. Interview äussert sich Bouffier dazu geradezu euphorisch:
"Ja, das wird uns gelingen. Die Variante einer strikten Betriebsruhe von 22 bis 6 Uhr hingegen wäre eine schwere Beschädigung der Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens. Das geht mit uns nicht. ... Die Lärmpausen sind eine Möglichkeit, durch einen intelligenten anspruchsvollen Mix aus Flugrouten, Steigungswinkeln und alternierender Bahnnutzung bestimmten Gebieten mehr Ruhe zu verschaffen. Sieben Stunden haben wir uns vorgenommen. Es werden nicht immer und überall zur gleichen Zeit sieben Stunden sein. Dennoch wäre es ein deutlicher Fortschritt gegenüber heute."
Es fällt allerdings auf, dass er hier schon deutlich diffuser formuliert. Während anfangs noch davon gesprochen wird, "siebenstündige" Pausen "in angemessener Zeit" zur Not auch mit Änderungen des PFB und der Betriebsgenehmigung durchzusetzen, sollen sie jetzt nur noch in "bestimmten Gebieten" und "nicht immer und überall" gelten. Sein Minister tut es ihm gleich und will sich "ein gutes Jahr" (bzw. 15 Monate) Zeit lassen, bevor er öffentlich überhaupt etwas dazu sagt.
Was die Landesregierung hier im Detail vorhaben könnte, ist daher immer noch ein Geheimnis. Die 100-Tage-Erfolgsmeldung lautet: es wurden Gespräche dazu geführt! Offensichtlich soll die Bevölkerung schon froh sein, dass das Thema nach dieser ersten Gesprächsrunde noch auf der Tagesordnung bleibt ...
Warum wir dem Ansatz der Schaffung von "Lärmpausen" bzw. dem dahinter stehenden Konzept der "variierenden Bahnnutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") kritisch gegenüber stehen, und was wir von der aktuellen Diskussion darüber halten, haben wir in jeweils eigenen Beiträgen kommentiert.
Gerade die Erfahrungen aus dem DROps-Modell "Early Morning" lassen befürchten, dass die "Lärmpausen" nicht nur nicht viel Nutzen bringen werden, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flughafen dran sind. Und es gibt keinerlei Anlass, darauf zu vertrauen, dass diese Landesregierung sowas nicht zulassen würde - im Gegenteil: die Floskel "planbare 7stündige Lärmpausen" stammt aus der Erklärung der "Allianz für Lärmschutz 2012" und ist dort explizit auf "DROps Early Morning" bezogen.
Und in der Tat ließ auch Herr Kaufmann durchblicken, dass es mit einer echten Lärmpause für Raunheim wohl nichts werden wird, weil bei Betriebsrichtung 07 alle schweren Maschinen (und alle, die per 'Ausnahmeregelung' zwischen 23 und 5 Uhr landen) über die Süd- oder die Centerbahn herunter müssen - und damit über Raunheim. (Bei BR 25 kann man zumindest so tun, als ob es einen Unterschied machen würde, ob über die Süd- oder die Centerbahn angeflogen wird - wirkliche Ruhe gibts da auch nicht.) Im Gegenteil wird es dann wohl an "ruhigen" Tagen ein paar Anflüge weniger geben, aber dafür an für Flörsheim ruhigen Tagen die geballte Ladung für Raunheim, weil dann alles auf Süd- und Centerbahn gepackt wird. Man darf gespannt sein, wie dieser Betrug getarnt werden soll und wie die angedeuteten "Kompensationen" aussehen sollen.
Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben: Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.
"Lärmobergrenze" - begrenzter Lärm bei unbegrenztem Wachstum ?
Als letzte Überschrift zum Thema enthält der KoaV die Lärmobergrenze. Dazu heißt es:
"Entsprechend der Empfehlungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt einzuführen. Ziel ist es, eine deutliche Lärmreduzierung gegenüber den im Planfeststellungsbeschluss prognostizierten Werten zu erreichen."
Im selben Absatz wird noch bestätigt, dass alles, was die
"Allianz für Lärmschutz" beschlossen hat, auch weiter gelten soll - ein seltsamer Zusammenhang, denn dort taucht der Begriff garnicht auf. Man darf aber spekulieren, dass zur Einhaltung dieser Grenze nur die Instrumente zur Anwendung kommen sollen, die die "Allianz" gutgeheissen hat.
Die Hintergründe der verschiedenen aktuellen Diskussionen über eine Lärmobergrenze haben wir in unserer Doku zum Aktiven Schallschutz geschildert. Die Landesregierung hüllt sich hier in beredtes Schweigen und scheint sich ganz auf Herrn Prof. Wörner von der DLR verlassen zu wollen, der sicher ein luftfahrtfreundliches Konzept ausarbeiten wird. Und Eile scheint ja ohnehin nicht geboten: wenn man sich schon für das Prestigeprojekt "Lärmpausen" ein Jahr Zeit gönnen will, wird die Lärmobergrenze kaum vor der nächsten Wahl wieder aufleben.
Im KoaV folgt dann noch eine ganze Seite (Nr. 68) mit Einzel-Absichtserklärungen, die alle in Inhalt und Zeitplan hinreichend unkonkret bleiben, um niemanden unter ungebührlichen Druck zu setzen. Eine davon hat allerdings durch die neuere Entwicklung wieder mehr Brisanz gewonnen.
Gefahr durch Wirbelschleppen - wirbeln oder verschleppen ?
Nachdem die Vorgänger-Regierung noch jede Gefahr durch Wirbelschleppen geleugnet hat, auch als es schon nicht mehr ging, haben sich die neuen Koalitionäre vorgenommen:
"Wir werden unverzüglich Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensfällen, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Gefahr von Wirbelschleppen anstoßen."
Schon die verquere Grammatik dieses Satzes läßt vermuten, dass er bei der Bearbeitung eines längeren Textes übrig geblieben ist und keiner mehr Lust hatte, sich Gedanken zu machen, was das eigentlich heissen soll. Entsprechend war auch die Praxis: Nichtstun, Abwarten, Totschweigen - von wegen "unverzüglich". Nachdem nun aber doch wieder die Ziegel flogen, wird erstmal geprüft. Da ist doch tatsächlich ein Schaden aufgetreten in einem Bereich ausserhalb des Klammerungsgebiets, in dem schon mindestens vier andere Schäden aufgetreten sind - wer konnte mit so etwas rechnen? Diese neue Situation muss natürlich erstmal gründlich analysiert werden.
Fraport wußte natürlich von Anfang an, dass die Festsetzung der Grenzen des Klammerungsgebietes völlig willkürlich war, und seit Herbst 2013 haben sie es auch schriftlich (auch dazu Genaueres in unserer Doku zu Schäden durch Wirbelschleppen). Aber sie versuchen natürlich immer erst einmal, so billig wie möglich davon zu kommen. Sollten sie jetzt tatsächlich noch ein paar Strassen mehr aufnehmen müssen, wird das Entsetzen darüber sicherlich gedämpft durch die inzwischen gewonnene Erkenntnis, dass viele Hausbesitzer ihr Dach garnicht geklammert haben wollen - in vielen Fällen wohl deshalb, weil sie selbst zuviel dazuzahlen müssten (ein Versuch einer Erläuterung der Rechtslage findet sich hier).
Herr Kaufmann kannte nach eigener Aussage am 07.05.14 das Gutachten noch nicht, dessen Existenz Fraport am 22.11.13 öffentlich verkündet hatte - auch ein Indiz dafür, wie konsequent und unverzüglich das Thema aufgegriffen wurde. Aber selbst wenn er es inzwischen gelesen haben sollte, gilt wohl weiterhin, was er und sein Minister ständig durchblicken lassen: solange sie sich nicht durch von Bürgern erzwungene Gerichtsentscheide veranlasst sehen, werden sie sich nicht bewegen.
Dass Maßnahmen ergriffen würden, die das Risiko von Wirbelschleppen-Schäden ernsthaft reduzieren könnten (wie die BI in Presseerklärungen im
letzten und in diesem Jahr gefordert hat), darf man erst recht weder von Fraport noch von dieser Regierung erhoffen. Weniger und höher anzufliegen, würde das Risiko reduzieren, aber eben auch Aufwand erfordern. Da verweist man doch lieber auf Diskussionen in der ICAO, die gerade daran hindern, die Rückenwind-Komponente wie geplant anzuheben, oder diffuse Sicherheits- und Platz-Aspekte, die es nicht erlauben, die Landeschwellen auf der Süd- und Centerbahn nach Osten zu verlegen. Natürlich wären all diese Probleme lösbar, aber auch hier fehlt der Wille.
Hessen in Europa - wofür ?
Etliche Rahmenbedingungen für den Luftverkehr und den Betrieb von Flughäfen werden heute auf europäischer Ebene bestimmt und durch EU-Richtlinien und -Verordnungen geregelt. Unter dem Stichwort "Europa" findet man im KoaV den Satz
"Die Hessische Landesregierung wird die Rechte und Möglichkeiten der Länder in Fragen der Europäischen Union voll ausschöpfen und hessische Interessen auf nationaler wie internationaler Ebene in Gesetzgebungsprozessen und darüber hinaus umfassend einbringen."
Sollte man daraus schliessen, dass eine Regierung, für die
"vorrangiges Ziel der Landespolitik (ist), die mit dem Betrieb des Flughafens einhergehenden Belastungen für Mensch und Umwelt in einem höchstmöglichen Maß rasch wirksam zu verringern"
und die zu diesem Zweck auch eine eigene Vertretung in Brüssel unterhält, energisch gegen eine EU-Verordnung vorgeht, die z.B. Nachtflugverbote einschränken will? In Anlehnung an einen unvergeßlichen Ausspruch einer früheren CDU-Politikerin: Wer solche Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Es droht vollständiger Realitätsverlust.
Auch wenn der Bereich von einer ehemaligen Umweltministerin verantwortet wird: er dient der Wirtschaftsförderung oder bestenfalls der Beeinflussung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, wenn die EU-Kommission in ihrem Liberalisierungswahn mal wieder über das Ziel hinausschießt, wie bei der Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste im letzten "Flughafenpaket". Umwelt- und Gesundheitsschutz findet hier aber nicht statt. In den
Worten der Europaministerin Puttrich:
Welchen Sinn macht die Landesvertretung Hessen in Brüssel?
Wir müssen die besonderen Interessen unseres Landes vom Flughafen bis zum Finanzplatz Frankfurt in Brüssel direkt vertreten, da sie sonst untergehen.
- die Interessen des Flughafens wohlgemerkt, nicht die der Anwohner.
... nur der äußere Schein ist etwas anders.
Das traurige Fazit
Für Flughafenausbau-Gegner hat sich durch die letzte Wahl nicht viel geändert. Vielleicht ist an dem einen oder anderen Punkt der Ton etwas anders geworden, wird verbal mehr Entgegenkommen gezeigt. Entscheidend ist aber: weder gibt es Initiativen, die auch nur entfernt den Bedürfnissen der von Lärm und Schadstoffen geplagten und von Sicherheits- und Wirtschafts-Risiken bedrohten Bevölkerung gerecht würden, noch ist mehr Transparenz, Offenheit und/oder Ehrlichkeit eingekehrt.
Im Gegenteil sind die Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltungsprozesse, die hinter den Kulissen ablaufen, noch geringer geworden, werden selbst die wenig transparenten Gremien, die aus dem "Regionalen Dialogforum" entstanden sind, kaum noch genutzt. Die Äusserungen aus Regierungskreisen zu Wirbelschleppen-Schäden und zu Lärmpausen können die Betroffenen nur als Verhöhnung empfinden, mit Lärm- und Schadstoff-Messungen, die die Belastungen nicht erfassen, wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt - ganz wie zu schwarz-gelben Zeiten.
Wer geglaubt hatte, durch den Regierungswechsel seien die Bedingungen besser geworden, muss wohl einsehen, dass das nicht so ist. Nach wie vor braucht es den ausserparlamentarischen Widerstand, nach wie vor ist Druck das Einzige, was diese Regierung bewegen kann. Wir werden weitermachen müssen.
Anmerkungen
[1]
Im Gegensatz zu den anderen Quellen gibt es für diese Aussagen keine schriftliche Dokumentation. Sie sind daher weniger verläßlich, können mißverständlich formuliert, falsch angekommen, falsch verstanden oder falsch erinnert sein.
[^]
100 Tage Schwarz-Grün - eine traurige Bilanz
Autor: Horst Bröhl-Kerner,   09.05.2014, korrigiert 10.05.14
Es gibt Bilder, die sind noch nicht richtig auf dem Bildschirm erschienen, da wecken sie in einem voreingenommenen Beobachter schon starke Assoziationen. Die Macher der Präsentation zu den ersten 100 Tagen der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen hatten sicherlich anderes im Sinn, aber ihr Titelbild ist in diesem Sinn ein Volltreffer (s. Grafik rechts).
Der alte Sumpf ist ja überwiegend noch da: von Herrn Bouffier, der seinen Vorgänger Roland Koch getreu durch alle Skandale begleitete (und einige eigene produzierte), bis zu Herrn Irmer, der jenseits des demokratisch gerade noch Erträglichen gegen Minderheiten hetzt. Aber darüber wird nun ein grünes Mäntelchen gerollt, das den Anblick erträglicher machen soll.
Es ist allerdings nicht zu erkennen, dass da wirklich etwas Neues wachsen würde. Speziell in den Themenbereichen Fluglärm und Flughafenausbau hat Minister Al-Wazir alle Erwartungen, die viele in ihn gesetzt hatten, gründlich enttäuscht. Statt mit den Hinterlassenschaften seines Vorgängers konsequent aufzuräumen, verteidigt er sie auch noch im absurdesten Detail, und will sich für eigene Initiativen "ein gutes Jahr" Zeit lassen. Und was hatte er nicht vorher, zu Oppositionszeiten, alles für nötig gehalten. Aber das ist inzwischen Geschwätz von gestern.
Sehen wir uns also an, was schwarz-grün bisher produziert hat. Basis für die Betrachtungen sind im Wesentlichen der Koalitionsvertrag (KoaV), die 100-Tage-Bilanz der Koalition, die Antwort von Minister Al-Wazir auf die Forderungen des BBI für die ersten hundert Tage der neuen Regierung sowie die Aussagen[1], die Frank Kaufmann, Flughafenexperte der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und demnächst Aufsichtsratsmitglied der Fraport AG, in einer Veranstaltung seiner Partei in Raunheim gemacht hat.
Der Koalitionsvertrag
ist das erste Produkt, mit dem das neue Bündnis vor Amtsantritt angekündigt hat, was es zu tun gedenkt. Er trägt den Titel "Verläßlich gestalten - Perspektiven eröffnen". Von 108 Seiten sind immerhin zweieinhalb (S. 66-68) dem Flughafen Frankfurt und dem Lärmschutz gewidmet.
"Verläßlich gestalten" heißt hier: die "Wettbewerbsfähigkeit" des Flughafens steht weiter an erster Stelle, alle Vorhaben stehen unter dem Vorbehalt von deren Erhaltung - und "Wettbewerb" meint hier nach wie vor den Wettlauf der Megahubs dieser Welt um das größte Stück vom weltweiten Verkehr, unabhängig von allen regionalen Bedürfnissen. Entsprechend dürftig sind die Perspektiven, die unter dieser Prämisse noch eröffnet werden können.
Die Koalitionäre gehen aber noch deutlich weiter:
Mit anderen Worten: der Planfeststellungsbeschluss soll nicht angetastet werden, wenn nicht ein Gerichtsurteil dazu zwingt - und das, obwohl sogar der Hessische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf hinweist, dass er noch nicht rechtskräftig ist und daher noch in vielfältiger Weise verändert werden könnte, wenn es den politischen Willen dafür gäbe. Schwarz-grün hat ihn ausdrücklich nicht.Bannwald - Gefahr gebannt ?
Nachdem also die Grundlagen des Flughafenausbaus zementiert sind, bleibt in Einzelfragen nicht mehr viel Spielraum. Beginnen wir mit einem Thema, das nicht nur den Flughafenausbau betrifft. Im KoaV heißt es auf S. 18 zum Thema "Bannwaldschutz":
und tatsächlich hat die Koalition noch innerhalb der ersten 100 Tage einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Schutz des Bannwaldes in Hessen verbessern soll. Soweit, so gut?Man sollte sich daran erinnern, dass die schwarz-gelbe Koalition 2002 den Bannwaldschutz in Hessen faktisch aufgehoben hat, hauptsächlich, damit Rodungen für den Flughafenausbau problemlos durchgesetzt werden konnten. Wenn die CDU sich jetzt für das neue Gesetz lobt, dann erinnert das an einen Gauner, der eine Schaufensterscheibe einschlägt und mit einem Kumpel den Laden ausräumt, um später mit einem andern Kumpel vorbeizukommen, eine neue Scheibe einzusetzen und sich dafür feiern zu lassen. Alles wieder in Ordnung?
Natürlich ist es schön, eine neue Scheibe zu haben, aber Einwände bleiben. Erstens ist auch die nicht aus Panzerglas, und die Schwachstellen für den nächsten Bruch sind allzu deutlich zu sehen. Zweitens möchte der Gauner die ganze Beute behalten, auch den Teil, der noch nicht verprasst ist. Der Treburer Oberwald steht zwar de facto noch und erfüllt seine Schutzfunktion, aber formal ist er bereits beseitigt - gemäß Planfeststellungsbeschluss darf Fraport roden lassen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass im kommenden Winter dort hessische Polizei aufmarschieren wird, nicht um den Wald zu schützen, sondern die, die ihn absägen - für den Autobahnanschluss von Terminal 3.
Als Oppositionspolitiker wollte er die Pläne wieder einrollen ...
Terminal 3 - "Ergebnisoffene Prüfung" durch den Bauherren
Womit wir beim nächsten Thema wären. Laut Koalitionsvertrag (S.67)
Was Ministerpräsident Bouffier von dieser Vereinbarung hält, machte er umgehend in einem Interview deutlich, das er auch noch auf die Webseite der Staatskanzlei stellen liess: - die sie umgehend aufgeben mussten. Sehr schnell war klar, dass die vereinbarte Prüfung durch Fraport selbst erfolgen sollte, wenn natürlich auch "belastbar" und "ergebnisoffen".Nur ein paar Tage lang hat es Fraport-Chef Schulte nach Antritt der neuen Regierung für nötig gehalten, so zu tun, als wolle er auf diese Forderung eingehen. Aktuell läßt er keinen Zweifel mehr daran, dass er Terminal 3 für nötig hält, und es sieht nicht danach aus, als könne oder wolle Al-Wazir ihn zwingen, dafür auch nur noch eine weitere Begründung vorzulegen. Im Gegenteil: inzwischen reicht schon "mangelnder Komfort" für die Fluggäste aus, die Wettbewerbsfähigkeit von FRA zu gefährden und damit alle Einwände aus dem Weg zu räumen.
Wenn Herr Kaufmann trotzdem davon ausgeht, dass das Terminal "in dieser Legislaturperiode" nicht gebaut wird, klingt das sehr nach Wunschdenken. Natürlich sind die Wachstumszahlen, mit denen Fraport die Notwendigkeit des Baus rechtfertigt, kaum mehr als Kaffeesatzleserei, läßt die wachsende Konkurrenz anderer internationaler Hubs (Istanbul, Dubai, Quatar) deutliche Verschiebungen erwarten. Aber auch die Prognosen der Flugbewegungszahlen, mit denen der Bau der Nordwestlandebahn begründet wurde, haben sich als falsch herausgestellt, ohne das daraus irgendwelche Konsequenzen folgen würden.
Wenn der Bau von Terminal 3 verhindert werden soll, dann muss dafür politischer Druck entwickelt werden - und der wird nicht von der Landesregierung kommen.
"Lärmpausen" oder Nachtruhe -
schwarz-grüner Murks oder konsequente Politik ?
Ein Nachtflugverbot während der gesetzlichen Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr gilt inzwischen weithin als ein aus gesundheitlichen Gründen unbedingt anzustrebendes politisches Ziel. Um wenigstens etwas Aktivität in dieser Richtung zu simulieren, sind die sog. Lärmpausen derzeit das Lieblingsthema der Koalitionäre. Schon im KoaV hatten sie dazu energisch formuliert:
Und im o.g. Interview äussert sich Bouffier dazu geradezu euphorisch: Es fällt allerdings auf, dass er hier schon deutlich diffuser formuliert. Während anfangs noch davon gesprochen wird, "siebenstündige" Pausen "in angemessener Zeit" zur Not auch mit Änderungen des PFB und der Betriebsgenehmigung durchzusetzen, sollen sie jetzt nur noch in "bestimmten Gebieten" und "nicht immer und überall" gelten. Sein Minister tut es ihm gleich und will sich "ein gutes Jahr" (bzw. 15 Monate) Zeit lassen, bevor er öffentlich überhaupt etwas dazu sagt. Was die Landesregierung hier im Detail vorhaben könnte, ist daher immer noch ein Geheimnis. Die 100-Tage-Erfolgsmeldung lautet: es wurden Gespräche dazu geführt! Offensichtlich soll die Bevölkerung schon froh sein, dass das Thema nach dieser ersten Gesprächsrunde noch auf der Tagesordnung bleibt ... Warum wir dem Ansatz der Schaffung von "Lärmpausen" bzw. dem dahinter stehenden Konzept der "variierenden Bahnnutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") kritisch gegenüber stehen, und was wir von der aktuellen Diskussion darüber halten, haben wir in jeweils eigenen Beiträgen kommentiert.Gerade die Erfahrungen aus dem DROps-Modell "Early Morning" lassen befürchten, dass die "Lärmpausen" nicht nur nicht viel Nutzen bringen werden, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flughafen dran sind. Und es gibt keinerlei Anlass, darauf zu vertrauen, dass diese Landesregierung sowas nicht zulassen würde - im Gegenteil: die Floskel "planbare 7stündige Lärmpausen" stammt aus der Erklärung der "Allianz für Lärmschutz 2012" und ist dort explizit auf "DROps Early Morning" bezogen.
Und in der Tat ließ auch Herr Kaufmann durchblicken, dass es mit einer echten Lärmpause für Raunheim wohl nichts werden wird, weil bei Betriebsrichtung 07 alle schweren Maschinen (und alle, die per 'Ausnahmeregelung' zwischen 23 und 5 Uhr landen) über die Süd- oder die Centerbahn herunter müssen - und damit über Raunheim. (Bei BR 25 kann man zumindest so tun, als ob es einen Unterschied machen würde, ob über die Süd- oder die Centerbahn angeflogen wird - wirkliche Ruhe gibts da auch nicht.) Im Gegenteil wird es dann wohl an "ruhigen" Tagen ein paar Anflüge weniger geben, aber dafür an für Flörsheim ruhigen Tagen die geballte Ladung für Raunheim, weil dann alles auf Süd- und Centerbahn gepackt wird. Man darf gespannt sein, wie dieser Betrug getarnt werden soll und wie die angedeuteten "Kompensationen" aussehen sollen.
Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben: Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.
"Lärmobergrenze" - begrenzter Lärm bei unbegrenztem Wachstum ?
Als letzte Überschrift zum Thema enthält der KoaV die Lärmobergrenze. Dazu heißt es:
Im selben Absatz wird noch bestätigt, dass alles, was die "Allianz für Lärmschutz" beschlossen hat, auch weiter gelten soll - ein seltsamer Zusammenhang, denn dort taucht der Begriff garnicht auf. Man darf aber spekulieren, dass zur Einhaltung dieser Grenze nur die Instrumente zur Anwendung kommen sollen, die die "Allianz" gutgeheissen hat.Die Hintergründe der verschiedenen aktuellen Diskussionen über eine Lärmobergrenze haben wir in unserer Doku zum Aktiven Schallschutz geschildert. Die Landesregierung hüllt sich hier in beredtes Schweigen und scheint sich ganz auf Herrn Prof. Wörner von der DLR verlassen zu wollen, der sicher ein luftfahrtfreundliches Konzept ausarbeiten wird. Und Eile scheint ja ohnehin nicht geboten: wenn man sich schon für das Prestigeprojekt "Lärmpausen" ein Jahr Zeit gönnen will, wird die Lärmobergrenze kaum vor der nächsten Wahl wieder aufleben.
Im KoaV folgt dann noch eine ganze Seite (Nr. 68) mit Einzel-Absichtserklärungen, die alle in Inhalt und Zeitplan hinreichend unkonkret bleiben, um niemanden unter ungebührlichen Druck zu setzen. Eine davon hat allerdings durch die neuere Entwicklung wieder mehr Brisanz gewonnen.
Gefahr durch Wirbelschleppen - wirbeln oder verschleppen ?
Nachdem die Vorgänger-Regierung noch jede Gefahr durch Wirbelschleppen geleugnet hat, auch als es schon nicht mehr ging, haben sich die neuen Koalitionäre vorgenommen:
Schon die verquere Grammatik dieses Satzes läßt vermuten, dass er bei der Bearbeitung eines längeren Textes übrig geblieben ist und keiner mehr Lust hatte, sich Gedanken zu machen, was das eigentlich heissen soll. Entsprechend war auch die Praxis: Nichtstun, Abwarten, Totschweigen - von wegen "unverzüglich". Nachdem nun aber doch wieder die Ziegel flogen, wird erstmal geprüft. Da ist doch tatsächlich ein Schaden aufgetreten in einem Bereich ausserhalb des Klammerungsgebiets, in dem schon mindestens vier andere Schäden aufgetreten sind - wer konnte mit so etwas rechnen? Diese neue Situation muss natürlich erstmal gründlich analysiert werden.Fraport wußte natürlich von Anfang an, dass die Festsetzung der Grenzen des Klammerungsgebietes völlig willkürlich war, und seit Herbst 2013 haben sie es auch schriftlich (auch dazu Genaueres in unserer Doku zu Schäden durch Wirbelschleppen). Aber sie versuchen natürlich immer erst einmal, so billig wie möglich davon zu kommen. Sollten sie jetzt tatsächlich noch ein paar Strassen mehr aufnehmen müssen, wird das Entsetzen darüber sicherlich gedämpft durch die inzwischen gewonnene Erkenntnis, dass viele Hausbesitzer ihr Dach garnicht geklammert haben wollen - in vielen Fällen wohl deshalb, weil sie selbst zuviel dazuzahlen müssten (ein Versuch einer Erläuterung der Rechtslage findet sich hier).
Herr Kaufmann kannte nach eigener Aussage am 07.05.14 das Gutachten noch nicht, dessen Existenz Fraport am 22.11.13 öffentlich verkündet hatte - auch ein Indiz dafür, wie konsequent und unverzüglich das Thema aufgegriffen wurde. Aber selbst wenn er es inzwischen gelesen haben sollte, gilt wohl weiterhin, was er und sein Minister ständig durchblicken lassen: solange sie sich nicht durch von Bürgern erzwungene Gerichtsentscheide veranlasst sehen, werden sie sich nicht bewegen.
Dass Maßnahmen ergriffen würden, die das Risiko von Wirbelschleppen-Schäden ernsthaft reduzieren könnten (wie die BI in Presseerklärungen im letzten und in diesem Jahr gefordert hat), darf man erst recht weder von Fraport noch von dieser Regierung erhoffen. Weniger und höher anzufliegen, würde das Risiko reduzieren, aber eben auch Aufwand erfordern. Da verweist man doch lieber auf Diskussionen in der ICAO, die gerade daran hindern, die Rückenwind-Komponente wie geplant anzuheben, oder diffuse Sicherheits- und Platz-Aspekte, die es nicht erlauben, die Landeschwellen auf der Süd- und Centerbahn nach Osten zu verlegen. Natürlich wären all diese Probleme lösbar, aber auch hier fehlt der Wille.
Hessen in Europa - wofür ?
Etliche Rahmenbedingungen für den Luftverkehr und den Betrieb von Flughäfen werden heute auf europäischer Ebene bestimmt und durch EU-Richtlinien und -Verordnungen geregelt. Unter dem Stichwort "Europa" findet man im KoaV den Satz
Sollte man daraus schliessen, dass eine Regierung, für die und die zu diesem Zweck auch eine eigene Vertretung in Brüssel unterhält, energisch gegen eine EU-Verordnung vorgeht, die z.B. Nachtflugverbote einschränken will? In Anlehnung an einen unvergeßlichen Ausspruch einer früheren CDU-Politikerin: Wer solche Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Es droht vollständiger Realitätsverlust.Auch wenn der Bereich von einer ehemaligen Umweltministerin verantwortet wird: er dient der Wirtschaftsförderung oder bestenfalls der Beeinflussung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, wenn die EU-Kommission in ihrem Liberalisierungswahn mal wieder über das Ziel hinausschießt, wie bei der Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste im letzten "Flughafenpaket". Umwelt- und Gesundheitsschutz findet hier aber nicht statt. In den Worten der Europaministerin Puttrich: - die Interessen des Flughafens wohlgemerkt, nicht die der Anwohner.
... nur der äußere Schein ist etwas anders.
Das traurige Fazit
Für Flughafenausbau-Gegner hat sich durch die letzte Wahl nicht viel geändert. Vielleicht ist an dem einen oder anderen Punkt der Ton etwas anders geworden, wird verbal mehr Entgegenkommen gezeigt. Entscheidend ist aber: weder gibt es Initiativen, die auch nur entfernt den Bedürfnissen der von Lärm und Schadstoffen geplagten und von Sicherheits- und Wirtschafts-Risiken bedrohten Bevölkerung gerecht würden, noch ist mehr Transparenz, Offenheit und/oder Ehrlichkeit eingekehrt.
Im Gegenteil sind die Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltungsprozesse, die hinter den Kulissen ablaufen, noch geringer geworden, werden selbst die wenig transparenten Gremien, die aus dem "Regionalen Dialogforum" entstanden sind, kaum noch genutzt. Die Äusserungen aus Regierungskreisen zu Wirbelschleppen-Schäden und zu Lärmpausen können die Betroffenen nur als Verhöhnung empfinden, mit Lärm- und Schadstoff-Messungen, die die Belastungen nicht erfassen, wird die Öffentlichkeit hinters Licht geführt - ganz wie zu schwarz-gelben Zeiten.
Wer geglaubt hatte, durch den Regierungswechsel seien die Bedingungen besser geworden, muss wohl einsehen, dass das nicht so ist. Nach wie vor braucht es den ausserparlamentarischen Widerstand, nach wie vor ist Druck das Einzige, was diese Regierung bewegen kann. Wir werden weitermachen müssen.
Anmerkungen
[1] Im Gegensatz zu den anderen Quellen gibt es für diese Aussagen keine schriftliche Dokumentation. Sie sind daher weniger verläßlich, können mißverständlich formuliert, falsch angekommen, falsch verstanden oder falsch erinnert sein. [^]