17.03.2024
Die Belastungsstudie startete am 01.04.2023, läuft also seit fast einem Jahr. Laut Zeitplan sollte in Kürze bereits der zweite Zwischenbericht vorliegen, aber die sind nicht öffentlich, so dass man zur Einschätzung des Standes auf andere Materialien wie die beim Treffen vorgelegte Präsentation angewiesen ist.
Ebenfalls laut Zeitplan sollte inzwischen die Erfassung und Modellierung der Emissionen von ultrafeinen Partikeln im Wesentlichen abgeschlossen sein. Der Vortrag von Prof. Vogel konzentrierte sich allerdings hauptsächlich auf die durchgeführten Emissionsmessungen und machte dabei deutlich, dass diesmal ein Fehler vermieden werden soll, der das Vorgängerprojekt des UBA zum Scheitern gebracht hat: die Vernachlässigung des weitaus grössten Teils der von Turbinen emittierten Partikel, der sog. volatilen Partikel (volatile Particulate Matter, vPM). Das sind Teilchen, die beim Austritt aus der Turbine noch gasförmig vorliegen, aber relativ schnell kondensieren und ultrafeine Partikel bilden können. (In der Praxis betrachtet man alle Teilchen als volatil, die bei Temperaturen über 300 °C gasförmig vorliegen. Die Temperaturen am Turbinenausgang sind in der Regel mehr als doppelt so hoch.)
Die Präsentation beschreibt eine Reihe von Messungen, die auf dem Flughafengelände durchgeführt wurden mit dem Ziel, die relativen Anteile der einzelnen Emissions-Komponenten an der Gesamtemission zu bestimmen, um die zu modellierenden Emissionen mit Hilfe leicht zu erfassender Anteile (z.B. CO2) und konstanter Emissionsfaktoren berechnen zu können. Das wird auch an Beispielen erläutert.
Die emittierten UFP wurden auch chemisch und morphologisch charakterisiert und dabei die schon bekannten
Schmieröl-Komponenten
nachgewiesen, die zu Stoffgruppen gehören, die ein erhebliches neurotoxisches Potential haben, also das Nervensystem schädigen können.
Aber damit ist bestenfalls ein kleiner Teil des Problems gelöst. Die Abschätzungen mit konstanten Koeffizienten bringen bereits eine erhebliche Unsicherheit mit sich (die gezeigten Korrelationen zwischen der CO2-Konzentration und Anzahl volatiler Partikel sehen gut aus, eindeutig sind sie natürlich nicht). Aber hauptsächlich will man natürlich wissen, wieviel Partikel sich in der Atemluft der Menschen befinden, also nicht nur aus den Triebwerken emittiert, sondern auch an den Aufenthaltsorten immittiert werden. Und da wird es richtig kompliziert.
Die Präsentation zur Belastungsstudie enthält nur zwei Folien zur Immissionsmodellierung, in denen einerseits ein grobes Ablaufschema dargestellt ist, andererseits zwei Karten gezeigt sind, die das
"Gebiet mit relevanter UFP-Belastung aus dem Flugverkehr"
zeigen sollen.
Die erste Karte zeigt die Bevölkerungsdichte im Rhein-Main-Gebiet mit den Städten Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt, darüber gelegt ein Kreis mit Zentrum Flughafen und einem Durchmesser von 40 km und zwei konzentrische Quadrate mit Seitenlängen von 40 und 50 km. Die zweite Karte zeigt eine grafische Darstellung der Partikelanzahl-Konzentration mit einem Maximum am Flughafen und einer in Südwest-Nordost-Richtung (den Hauptwindrichtungen) ausgedehnten Verteilung und ein umgebendes Quadrat mit 38 km Seitenlänge sowie ein (vermutlich mit dem Quadrat in der ersten Abbildung identisches) 50 km-Quadrat. Das Hereon-Logo in der oberen Ecke lässt vermuten, dass dieser Verteilung eine Ausbreitungs-Simulation mit dem Flughafen als Quelle zugrunde liegt.
Diskutiert wurde es bei dem Treffen nicht, aber man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was es bedeutet. Die Modellierung soll sich weiterhin an dem
lang gehegten Dogma
orientieren, wonach die "relevante Belastung" vom Flughafen-Gelände ausgeht. Die beim Start des Projekts
aufgeworfene Frage,
"wie groß der Einfluss von startenden und landenden Flugzeugen und Überflügen für die UFP-Belastung am Boden ist", ist offensichtlich bereits dahingehend beantwortet, dass er nicht groß genug ist, um weitergehende Modellierungs-Anstrengungen zu rechtfertigen.
Wäre es anders, würde man das Modellierungsgebiet nicht um den Flughafen zentrieren, sondern nachsehen, wo sich die "startenden und landenden" Flugzeuge tatsächlich bewegen, und müsste zu dem Schluss kommen, dass das Gebiet eher ein Rechteck sein müsste, dessen lange Achse sich parallel zu den Bahnen des Flughafens ausdehnt und das die Eindrehbereiche westlich von Mainz und östlich von Hanau mit umfasst.
Wer das ausschliessen will, müsste begründen, warum ultrafeine Partikel in horizontaler Richtung über alle Hindernisse hinweg dutzende Kilometer zurücklegen, aber in vertikaler Richtung in einer abwärts gerichteten Luftströmung nicht einmal einen Kilometer überwinden können. Aber auf eine solche Begründung warten wir schon seit Jahren.
So bleibt es also wohl dabei, dass lediglich das letzte Stück Anflug bzw. das erste Stück Abflug (unterhalb der berüchtigten 400 Meter-Grenze des HLNUG?) modelliert werden soll, um die Belastungsverteilung dort noch ein bißchen zu modifizieren. Und wenn das, wie von Prof. Vogel angedeutet, in Form von "Linienquellen" anstatt wandernder Punktquellen geschieht, darf man erwarten, dass dabei auch noch die kurzzeitigen Belastungsspitzen, die bei Überflügen entstehen und lokal begrenzt einwirken, weggemittelt werden, so dass sich auch die Wirkungsstudie darum nicht kümmern muss.
In gewisser Weise wird das Konzept der Belastungsstudie damit aber wieder in sich schlüssig. Wenn im Wesentlichen nur das Flughafengelände und die dort ablaufenden Prozesse betrachtet werden sollen, dann genügen für die Modellierung dieser spezifischen Quellen natürlich Methoden, die nur den Nahbereich von einigen hundert Metern gut darstellen können. Daran anschliessend kann man dann mit verbesserten Standard-Transportmodellen versuchen, die Ausbreitung in der Region zu erfassen. Wenn man dann noch kurze Stücke der An- und Abflug-Linien als im Tagesverlauf nur wenig veränderliche, weil über längere Zeiträume gemittelte Linienquellen mit eigenen, überlagernden Ausbreitungsmodellen integrieren kann, sieht das erst recht gut aus.
Und wenn man dann in der Region nicht allzu intensiv mißt, kann man sich auch einbilden, alles richtig gemacht zu haben. Man darf aber Zweifel haben, dass auf dieser Basis tatsächlich die jeweiligen lokalen Belastungen in ihrer räumlichen, zeitlichen und Intensitäts-Variabilität erfasst und die dadurch bedingten spezifischen gesundheitlichen Wirkungen identifiziert werden können.
Aber warum ist die Modellierung so schwierig? Das versteht man am besten, wenn man ein einfaches, bekanntes Molekül betrachtet: Wasser (H2O). Das ist natürlich im Abgasstrahl "volatil", d.h. existiert in Form einzelner Moleküle als Wasserdampf. Diese Moleküle können noch eine ganze Weile in dieser Form bleiben und zur Luftfeuchtigkeit beitragen, sie können aber auch mit anderen Molekülen wie z.B. Schwefeldioxid (SO2) zu neuen Substanzen wie Schwefelsäure reagieren und dann als saurer Regen abregnen. Sie können sich aber auch an andere Partikel anlagern und diese vergrössern oder eigene Partikel bilden (Eis oder Wasser) und in dieser Form noch eine Weile in der Luft bleiben oder sich ablagern (z.B. als Regen oder Schnee). All das kann nach kürzerer oder längerer Zeit geschehen und mit unterschiedlichen Transport-Prozessen verbunden sein. Und es gibt noch ein paar Möglichkeiten mehr.
Es ist natürlich völlig unmöglich, alle diese Prozesse für alle volatilen Partikel im Detail zu modellieren. Die Frage ist vielmehr: gibt es Modelle, die diese Prozesse so vereinfacht darstellen, dass sie über Volumina von vielen Kubik-Kilometern gerechnet werden können und trotzdem noch brauchbare Aussagen zu Zahl und Art der immitierten Partikel an Orten liefern, die kilometerweit vom Emissionsort entfernt sind? Vor sechs Jahren, als das UBA-Projekt am Frankfurter Flughafen durchgeführt wurde, gab es sie noch nicht, aber beide Vortragenden waren optimistisch, dass es inzwischen ausreichend Fortschritte in der Modellierung gegeben habe, um damit arbeiten zu können.
Die Modellierer, die auch im UBA-Projekt tätig waren, haben 2020 im Rahmen des
EU-Projekts AVIATOR
deutliche Fortschritte mit der Kombination zweier Modelle
angekündigt,
aber die zum Projektabschluss 2022 vorgelegten
Ergebnisse
waren weniger beeindruckend. Ein
Vergleich
von Messung und Modellierung der Gesamtzahl ultrafeiner Partikel (volatil und nicht-volatil) innerhalb eines Flughafen-Geländes ergab
"Übereinstimmungen ... überwiegend innerhalb eines Faktors 2" (eigene Übersetzung),
d.h. die modellierte Partikel-Anzahl konnte halb- oder doppelt so groß sein wie die gemessene.
Zu den Ergebnissen der Modellierung der Verteilung der von einem Flugzeug im Anflug emittierten Partikel heisst es in den 'Schlussfolgerungen' des
Ergebnis-Berichts:
"Es wurde gezeigt, dass die gemessenen Konzentrationen von CO2 und Masse und Anzahl von nicht-volatilen PM durch LASPORT für den untersuchten Entfernungsbereich von 50 bis 250 m hinter dem Flugzeug für alle Triebwerksleistungen recht gut wiedergegeben werden konnten. Unterschiede waren häufig kleiner als ein Faktor 2 und meist kleiner als Faktor 4. Grössere Unterschiede traten auf in Situationen mit starkem Seitenwind, ..." (eigene Übersetzung)
Die Modellierer, die im aktuellen Projekt beteiligt sind, haben sich in der Vergangenheit offenbar hauptsächlich mit den
Emissionen von Schiffen
beschäftigt. Die aktuellste Arbeit in Bezug auf unser Thema, die wir von ihnen gefunden haben, befasst sich mit
"
Modellierung
von schiffs-bezogenen UFP und sekundären organischen Aerosolen in einer mediterranen Hafenstadt",
ein durchaus ähnliches Thema, aber doch so unterschiedlich, dass wir uns nicht trauen, zu beurteilen, was die Ergebnisse bezüglich der hier diskutierten Probleme aussagen können. Positiv stimmt immerhin, dass hier räumliche Grössenordnungen modelliert werden, die mit einer Flughafen-Region vergleichbar sind.
Es bleibt aber durchaus genügend Anlass für Zweifel, ob die benötigten Modellierungstechniken wirklich zur Verfügung stehen, die es brauchte, um aus gut definierten Emissionsdaten zuverlässig die Immissionen in einer mehrere tausend Quadratkilometer umfassenden Fläche zu berechnen. Es ist daher in einem gewissen Sinn nur konsequent, wenn die Komplexität der vorhandenen Emissionsquellen soweit reduziert wird, dass die vorhandenen Methoden ausreichen, sie darzustellen. Inwieweit damit dann noch die Realität hinreichend genau dargestellt werden kann, müsste sich im Vergleich zwischen Modellergebnissen und Meßdaten zeigen.
Zu den Immissionsmessungen, die laut Zeitplan schon seit einem halben Jahr laufen sollten, gibt es in der Präsentation auch nur zwei Folien. Eine erklärt zu den stationären Messungen, dass in
"Ergänzung der bereits existierenden UFP-Messungen des HLNUG"
zusätzlich auch die
"Erfassung von flüchtigen und nicht-flüchtigen UFP, chemische Tracer und Morphologie ... an weiteren Standorten"
erfolgen sollen und
"erste Messungen derzeit in Riedberg, Schwanheim und Raunheim"
laufen.
Aussagen zu Langzeitmessungen im gesamten Projektbereich und über relevante Projekt-Zeiträume gibt es bisher noch nicht, es werden noch "weitere geeignete Standorte gesucht". Auch zu eventuell geplanten instrumentellen Nachrüstungen gibt es bisher nicht viel, obwohl das dringend nötig wäre. Wie eine vernünftige Mindestausstattung aussehen müsste, zeigt das
Projekt ULTRAFLEB,
das seit November 2020, ebenfalls unter der Leitung von TROPOS, am Berliner BER durchgeführt wird. Hier sind zumindest alle Stationen mit einem Kondensations-Partikelzähler (CPC), der schnelle Veränderungen erfassen kann, und einem Mobilitäts-Partikelgrößenspektrometer (MPSS), das die Partikelgrössen-Verteilung mißt, ausgerüstet. Ausserdem können an zwei Stationen nicht-volatile Partikel getrennt erfasst werden.
Die zweite Folie beschreibt Standorte für "vertikalen UFP-Messungen" mithilfe von
Drohnen-Flügen,
die bei Gustavsburg und bei Schwanheim stattfinden sollen, wobei bei Gustavsburg noch fraglich ist, welche Höhen eigentlich vermessen werden sollen. Die DFS wird der Drohne kaum gestatten, zwischen den landenden Flugzeugen herumzuwuseln. Die Ausbreitung von UFP unterhalb landender Flugzeuge und die dadurch bedingten Immissionen können damit jedenfalls nicht gemessen werden.
Auch hier ist also nicht absehbar, dass innerhalb der verbleibenden Zeit (2 Jahre) noch die quantitativen und qualitativen Verbesserungen erreicht werden könnten, die es brauchte, um die notwendigen Belastungs-Daten in der räumlichen und zeitlichen Auflösung zu liefern, die für eine präzise Bestimmung der gesundheitlichen Folgen notwendig wären.
Somit ergänzen sich dann die Mängel auch hier: die Modellierungsergebnisse sind unzureichend, aber die Messungen, die sie validieren müssten, sind es auch. Mit ein bißchen Glück passt beides dann doch wieder zusammen.
Das vorgestellte
Konzept
für eine Wirkungsstudie präsentiert relativ allgemein mögliche Studienmodule, mit denen gesundheitliche Effekte erfasst werden können, und beschreibt Vor- und Nachteile.
Das Gleiche ist wesentlich ausführlicher und verständlicher im
Bericht
des Design-Konsortiums nachzulesen, und die
Stellungnahme
der 'Wissenschaftlichen Qualitätssicherung' (WQS) erlaubt zusätzlich, einige der Diskussionen nachzuvollziehen, die dazu schon gelaufen sind.
Der
FFR-Koordinierungsrat
wird auf dieser Basis "eine Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung der Studie" erstellen, und erst das Konzept der erfolgreichen Bewerber wird dann die Basis der eigentlichen Studie bilden.
Es kann sich also noch Einiges verändern, aber im Großen und Ganzen ist bereits erkennbar, wie die Studie ablaufen soll. Dazu wird zu einem späteren Zeitpunkt noch einiges zu sagen sein. Hier soll es zunächst um die Module gehen, die in den bisherigen Diskussionen bereits ausgeschlossen wurden und daher mit einiger Sicherheit nicht durchgeführt werden.
Die Darstellung der Module folgt der üblichen Trennung zwischen toxikologischen und epidemiologischen Studien. Die Toxikologie untersucht die relativ kurzfristige, direkte physiologische Wirkung von Schadstoffen, von der Veränderung einzelner chemischer oder biologischer Marker ohne grössere Symptome bis hin zum Tod von Individuen. Die Epidemiologie untersucht die Wirkung von Schadstoffen auf grössere, abgegrenzte Gruppen und versucht, Beziehungen zwischen der Konzentration der Schadstoffe und dem Auftreten bestimmter Krankheiten zu finden.
Für die toxische Wirkung ultrafeiner Partikel gibt es eine ganze Reihe von Parametern, die von Bedeutung sein können: Größe und Form der Partikel, chemische Zusammensetzung, usw.. Für UFP aus Flugzeug-Triebwerken ist da natürlich besonders interessant, ob ihr spezifischer chemischer Marker, also Partikelkerne, die nicht aus Russ, sondern aus
Schmieröl-Komponenten
bestehen, auch mit einer spezifischen Toxizität und mit dem Auftreten besonderer Krankheitseffekte verbunden ist.
Das wird jedoch nicht Teil der Studie. Was sich schon über die gesamte Entwicklungsgeschichte der Studie hinweg
abgezeichnet hat,
bestätigt sich nun endgültig. Schon der Design-Vorschlag sieht toxikologische Untersuchungen nur mit UFP-Gemischen vor, wie sie an den Immissionsorten gemessen werden können. Toxikologische Untersuchungen mit über längere Zeiträume gesammelten Filterproben, in denen die spezifischen Komponenten nachgewiesen wurden und aus denen sie auch für spezielle Untersuchungen extrahiert werden könnten, werden nur in einem "Add-on"-Modul erwähnt, das nochmal doppelt so teuer wäre wie das Grundmodul.
Die WQS steht dem gesamten TOX-Modul kritisch gegenüber und merkt an: " Für neue Erkenntnisse müsste deutlich größer aufgesetzte Grundlagenforschung beauftragt werden. Dies war aber laut Leistungsbeschreibung nicht gewünscht", ausserdem kämen die Ergebnisse zu spät, um für die anderen Module von Nutzen zu sein. Die zusammenfassende Bewertung lautet, es "ist fraglich, inwiefern TOX eine direkte aussagekräftige Ergänzung zum besseren Verständnis der epidemiologischen Daten liefern kann. Darüber hinaus kann eine solche Studie auch unabhängig akquiriert und durchgeführt werden. Die Durchführung des hier vorgeschlagenen Moduls wäre im Rahmen der Belastungsstudie parallel zu den detaillierten Belastungsmessungen sinnvoll gewesen. ...". Später heisst es dann noch: "Die WQS empfiehlt in der Wirkungsstudie zwischen flüchtigen und nicht-flüchtigen UFP zu unterscheiden, sowie quellenspezifische UFP zu betrachten. Weitere Verfeinerung nach chemischer Zusammensetzung oder Morphologie der Partikel wird als nicht machbar eingeschätzt." Das liest sich praktisch schon wie ein Todesurteil, mindestens für das "Add-on"-Modul, vielleicht aber auch für das gesamte TOX-Modul.
Interessanter Weise findet man im Anhang A der Stellungnahme, in dem die Anmerkungen der WQS zur ersten Version des Design-Vorschlags und die Antworten des Konsortiums aufgelistet sind, noch folgenden Text:
[Anmerkung WQS]: "Zu 3.1.1 TOX: Begrüßt würde eine vertieftere Spezifizierung, gerade nach Größen, Mengen und Beschaffenheiten der UFP. Gerade bei der Frage nach der Variierung von UFP zeitlich und räumlich in der Flughafenumgebung könnte dies wichtig sein. Es erschließt sich nicht, warum gerade diese wichtigen Differenzierungen lediglich in einem “Add-on” sind."
[Antwort Konsortium]: "Der Steckbrief zur Toxikologie wurde mit einer weiterführenden Diskussion zu den Möglichkeiten, aber auch den Limitationen der add-ons ergänzt. Insbesondere wird begründet, warum die vertiefte Spezifizierung nur als add-on enthalten ist. Die AN haben sich bei der Erstellung der Steckbriefe explizit darum bemüht im Sinne der Kosteneffizienz eine Unterteilung in „sollte unbedingt gemacht werden“ und „wünschenswert, aber nicht zwingend“ zu machen. Leitend war dabei der Gedanke der gegenseitigen Ergänzung und Maximierung der Gesamtaussage über Gesundheitseffekte."
Die Aussagen, dass die notwendigen Untersuchungen sehr aufwändig und teuer sind und die Ergebnisse sich zeitlich nicht mehr gut in das Projekt integrieren liessen, mögen richtig sein - dass sie nicht durchgeführt werden, ist trotzdem ein Skandal. Wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Menschen in der Umgebung des Flughafens durch dessen Betrieb spezifischen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, so muss das auf dessen Kosten umgehend untersucht werden. Und wenn sich der Verdacht bestätigt, sind auch umgehend Maßnahmen einzuleiten, wie etwa Auflagen zur Reduktion der Schmieröl-Verluste in Triebwerken oder ein Verbot von bestimmten Komponenten darin.
Ein solcher Prozess dauert ohnehin Jahre. Den Verdacht zu kennen und nur zu sagen "Passt jetzt gerade nicht", ist unverantwortlich.
Auch in den epidemiologischen Untersuchungen wird es eine Lücke geben, die in der Gesamtsicht nicht zu rechtfertigen ist. Sie wird allerdings in den Unterlagen nirgendwo diskutiert, war also wohl von Anfang an geplant.
Sowohl in der vorgeschlagenen Panel-Studie (PAN) als auch in der Kohorten-Studie (KOH) sollen Gruppen von Teilnehmenden gebildet werden, die unterschiedlich durch UFP belastet und durch andere Krankheiten vorbelastet sind. In einem Add-on zu PAN sollen Teilnehmende sogar für höhere Belastungen zu Spaziergängen auf das Flughafengelände geschickt werden. Und in KOH soll auch eine Kohorte aus "gesunden Erwachsenen" mit hoher Belastung gebildet werden, die über einen längeren Zeitraum auf "Veränderung der Gesundheitsparameter" untersucht werden. Das wirft natürlich die Frage auf, warum leistungsfähige Erwachsene, die nicht (nur) am Wohnort, sondern auch am Arbeitsort hohen Belastungen mit "flughafenassoziierten UFP" ausgesetzt sind, explizit nicht in die Untersuchungen einbezogen werden sollen.
Während des Treffens wurde als Begründung vorgetragen, dass es erstens "Probleme mit dem Arbeitgeber" geben könnte und zweitens Ziel des Projekts sei, die Belastung "in der Region" zu beurteilen. Deshalb sei schon bei einem früheren Treffen festgelegt worden, Personen am Flughafen nicht zu untersuchen. Diese Argumentation ist, freundlich formuliert, äusserst schlicht.
Wenn es darum geht, "gesundheitliche Endpunkte" einer Belastung mit "flughafenassoziierten UFP" zu untersuchen, wäre die Einbeziehung einer Vergleichsgruppe, die dieser Belastung in besonderem Maß ausgesetzt ist, im Grunde Pflicht. Passiert das nicht, muss man davon ausgehen, dass es in der Tat nur an einer Blockade des Arbeitgebers scheitert.
Ein vor rund dreieinhalb Jahren veröffentlichter
Übersichts-Artikel,
an dem auch die Leiterin des Design-Konsortiums beteiligt war, kam zu dem Ergebnis, dass
"Flughafen-Vorfeldarbeiter beruflich Flugzeugabgasen ausgesetzt sind und besondere Bedenken in Bezug auf die Belastung mit UFP aus Flugzeugen bestehen. ... Zusätzlich sind sie anderen schädlichen Substanzen aus Fahrzeugen, Flugzeugabgasen und Treibstoff-Emissionen ausgesetzt".
Daher seien
"weitere Untersuchungen dieser Berufsgruppe besonders zu empfehlen" (alles eigene Übersetzungen).
Andererseits verweigert Fraport
schon seit Jahren
die Durchführung entsprechender Untersuchungen in ihrem Verantwortungsbereich. Das darf man als weiteres Indiz dafür nehmen, dass solche Untersuchungen in diesem Projekt nicht aus wissenschaftlichen Gründen nicht durchgeführt werden.
Das Argument, dass die Belastung auf dem Vorfeld ganz unterschiedlich zu den Belastungen in der Region sei und deshalb darüber nichts aussagen könne, ist ebenfalls nicht überzeugend. Erstens weiss niemand so genau, wie die Belastung auf dem Vorfeld und die UFP-Zusammensetzung in den verschiedenen Bereichen des Flughafengeländes aussieht, und zweitens sind die Menschen unter den Endanfluglinien auch nur wenige hundert Meter von den Emissionsquellen entfernt. Auch die wenigsten Vorfeld-Arbeiten werden direkt hinter laufenden Triebwerken ausgeführt.
Dennoch wird man unabhängig von den noch kommenden Änderungen davon ausgehen müssen, dass in dieser Wirkungsstudie genau die Bereiche ausgeblendet werden, in denen Triebwerks-UFP am direktesten und am spezifischsten wirken und aus denen die eindeutigsten Erkenntnisse zu erwarten wären.
Diese Lücken werden daher anderweitig gefüllt werden müssen, und dafür sollten die jeweiligen Verursacher bzw. Verantwortlichen herangezogen werden.