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26.12.2021
Zum 1. Januar 2022 setzt Fraport eine neue Entgeltordnung in Kraft. In der Presse wird in erster Linie über die veränderten Gebühren berichtet, die die Airlines pro Start oder Landung zu bezahlen haben, aber die Erhöhungen sind minimal. Entscheidend ist etwas anderes. Fraport bietet den Fluggesellschaften an, einen Teil dieser Gebühren wieder zurück zu erhalten - vorausgesetzt, sie lassen genügend Passagiere vom Flughafen abfliegen!
Die Überschrift übertreibt aber insofern ein wenig, als Fraport ihre Profite natürlich nicht ernsthaft in Gefahr geraten lassen würde (nur die volkswirtschaftlichen Kosten dürfen so hoch sein, wie sie wollen). Die Rabatte sind abhängig davon, dass insgesamt im Jahr 2022 eine Mindestanzahl an Passagieren erreicht wird (22,1 Millionen), die von FRA abfliegen, und gedeckelt durch eine Höchstzahl, die in die Rabattberechnung eingeht (28,1 Millionen).
Wenn am Jahresende feststeht, wieviele Passagiere geflogen sind und wieviel Entgelte eingenommen wurden, wird nach einem komplizierten Verfahren berechnet, wieviel Geld die Fluggesellschaften, die einen entsprechenden Antrag stellen, zurück bekommen.
Der Betrag, der dafür maximal zur Verfügung steht, entspricht ungefähr 7,5% der netto eingenommenen
Flughafen-Entgelte, d.h. der Lande-, Start-, Passagier-, Sicherheits- und Abstell-Entgelte abzüglich aus anderen Gründen vorgenommener Erstattungen. Zuschläge für Schallschutzmaßnahmen sind, wohl aus formalen Gründen, ausgenommen, und die Entgelte für Bodenverkehrsdienste sind garnicht rabattfähig. Grob geschätzt geht es also maximal um 20 Mill. Euro. Das kann Fraport leicht quersubventionieren aus dem Gewinn, den sie aus den zusätzlichen Passagieren herausholen, aber auch das ist vorschriftswidrig..
Das zur Verfügung stehende Geld wird zu gleichen Teilen auf zwei Töpfe verteilt. In Topf 1 darf greifen, wer in 2022 mindestens 10.000 Passagiere transportiert hat, er erhält dann einen prozentualen Anteil, der dem Anteil der Passagierzahl an der Gesamtzahl entspricht. Für Topf 2 ist zusätzlich notwendig, mindestens 63% der Passagierzahl des vorhergehenden Jahres zu erreichen. Wenn eine Fluggesellschaft bzw. eine Gruppe von Gesellschaften ein Kriterium nicht erfüllt (oder den Antrag nicht rechtzeitig und vollständig einreicht), behält Fraport den ihr eigentlich zustehenden prozentualen Anteil am jeweiligen Topf ein. Diese Regelungen können dazu führen, dass der zur Verfügung stehende Rabatt-Betrag garnicht vollständig ausgezahlt werden muss.
22,1 Millionen abfliegende Passagiere sind ein anspruchsvolles Ziel, denn es ist in etwa das Doppelte dessen, was in diesem Jahr erreicht wird. Nur wenn die Pandemie nächstes Jahr nicht genauso schlimme oder sogar noch schlimmere Folgen hat als in diesem Jahr, können die Fluggesellschaften davon ausgehen, dass es überhaupt einen Rabatt geben wird. Damit der relevante Grössenordnungen annimmt, müssen die Zahlen sogar im Vergleich zu diesem Jahr auf das bis zu 2,5fache gesteigert werden.
Das klingt zunächst vielleicht nicht extrem viel, wenn man berücksichtigt, dass die Passagierzahlen derzeit immer noch nur rund 1/3 derer des Jahres 2019 betragen. Allerdings heisst es eben auch, dass mit diesem Programm im kommenden Jahr bereits wieder 2/3 bis 4/5 des Vorkrisenniveaus erreicht werden sollen. An dem Ziel, bis 2024 wieder
auf dem Niveau von 2019 oder sogar
darüber hinaus
zu sein, soll offensichtlich festgehalten werden, auch wenn die Pandemie länger andauert.
Man muss dabei allerdings auch berücksichtigen, dass sowohl Flughäfen als auch Fluggesellschaften die Krise genutzt haben, um ihre Belegschaften radikal umzubauen und zu verkleinern. Ältere und/oder teurere Mitarbeiter*innen wurden rausgedrängt, um die Arbeit künftig mit weniger jüngeren, produktiveren und vor allem billigeren Arbeitskräften zu bewältigen. Ein zu schnelles Wachstum kann da sehr schnell zu Überlastungen und neuen Einbrüchen führen.
Aktuell zeigt sich bereits sowohl bei Flughäfen als auch
bei Fluggesellschaften, dass deren Annahmen und Planungen sehr schnell ziemlich weit daneben liegen und erneut zum
altbekannten Chaos führen können.
Gäbe es die Klima-Katastrophe nicht, könnte man das als ganz normales, im Rahmen des bestehenden Wirtschaftssystems betriebswirtschaftlich rationales Verhalten betrachten. Angesichts der Tatsache, dass die Treibhausgas-Emissionen in den nächsten zehn Jahren drastisch reduziert werden müssen, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens wenigstens halbwegs eingehalten werden sollen, sind solche Planungen aber schlicht unverantwortlich.
Es ist weitgehend unbestritten, dass es in den nächsten Jahren keinerlei Möglichkeit gibt, die
Klimawirkungen des Luftverkehrs zu reduzieren, wenn man nicht die Zahl der Flüge reduziert. Alle Maßnahmen, die die Luftverkehrswirtschaft angekündigt hat, beziehen sich auf die Zeiträume zwischen 2030 und 2060 und kommen, wenn sie überhaupt wahr werden, viel zu spät. Alles Wachstum zu heutigen Bedingungen verschärft die Klima-Katastrophe weiter.
Da aber Fraport, Lufthansa & Co. keinerlei Bereitschaft zeigen, daraus Konsequenzen zu ziehen, und
Selbstbeschränkungen im Kapitalismus ohnehin nicht funktionieren, wäre es Aufgabe des Staates, die notwendigen Grenzen zu ziehen. Wie immer in dieser Frage, versagt die hessische Landesregierung auch hier auf ganzer Linie.
Die Entgeltordnung mit dem wachstums-fördernden Rabatt-Programm wurde vom Verkehrsministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde genehmigt. In der
Pressemitteilung dazu wird viel über die minimalen Erhöhungen der lärmabhängigen Entgelte fabuliert und über davon unabhängige 'Klimaschutz-Maßnahmen' fantasiert, die irgendwann mal kommen sollen.
Zu dem "Incentive-Programm der Fraport AG zur Stärkung des Luftverkehrs" heisst es, das sei "nicht mit einem früheren Incentive-Modell der Fraport AG vergleichbar", denn das "sollte vor allem Anreize für mehr Luftverkehr setzen, indem es Nachlässe für neue Flugverbindungen und neue Fluggesellschaften gewährte". Das neue Programm hingegen "setzt Anreize für alle Fluggesellschaften, um die Fluggastzahlen wieder an das Vorkrisenniveau anzunähern". Worin da der entscheidende Unterschied bezüglich der Klimaschädigung liegt, bleibt wohl Staatsgeheimnis.
Damit aber alle verstehen, dass alles so sein muss, wie es ist, lässt der Herr Minister als Anhang an die PM noch ein paar 'Informationen' mitteilen. Seine Aufgabe ist klar: "In seiner Rolle als Genehmigungsbehörde prüft das Hessische Wirtschafts- und Verkehrsministerium allein die rechtliche Genehmigungsfähigkeit des Antrags der Fraport". Auch die rechtliche Grundlage ist eindeutig: "Gemäß § 19b des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) sind Flughafenentgelte zu genehmigen, wenn die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt werden", und leider, leider: "Der Genehmigungsbehörde kommt dabei kein Ermessensspielraum oder politischer Abwägungsspielraum zu; wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, hat sie die Genehmigung zu erteilen". Und für alle, die es immer noch nicht begriffen haben, nochmal ausführlich: "Das Hessische Wirtschafts- und Verkehrsministerium ist nicht berechtigt, ein eigenes Entgelt festzusetzen oder dem Flughafenbetreiber eine bestimmte Entgeltordnung oder Entgeltstruktur bzw. den Verzicht auf ein Incentive-Programm vorzugeben".
"
Same procedure as every year" - nicht gerade saisonbedingt, aber zuverlässig wiederholen sich die
immer gleichen Argumente. Auch bei der Genehmigung der
Billig-Strategie, mit der Fraport Ryanair und andere Billigflieger nach Frankfurt geholt hat, hat der Minister sie heruntergebetet. Man hört ihn geradezu wie den leicht derangierten Butler James alle Jahre wieder pflichtbewusst verkünden: "I'll do my very best".
Zumindest in diesem Fall reicht das aber nicht. Die Argumente treffen auch diesmal nicht zu, denn der als Rechtsgrundlage zitierte
§ 19b LuftVG kennt keine Incentive-Programme für mehr Verkehr. Vielmehr heisst es dort: "Insbesondere ist zu gewährleisten, dass ... die Berechnung der Entgelte kostenbezogen erfolgt und im Voraus festgelegt ist". Auch eine
Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags hebt diesen Aspekt als entscheidend hervor.
Wenn aber die Entgelte kostendeckend kalkuliert sind, können Rabatte nur dazu führen, dass die Kosten eben nicht mehr gedeckt werden. Das wäre für eine umweltbewusste Genehmigungsbehörde sicherlich ein Ansatz, solche Rabatte, die nur den Flugverkehr ankurbeln sollen, infrage zu stellen. Eine solche Behörde gibt es allerdings derzeit nicht.
Aber selbst, wenn es rechtlich tatsächlich nicht möglich wäre, gegen diese falschen Anreize vorzugehen, sollte man nicht vergessen, dass dieser Flughafen, der mit solchen Methoden arbeitet, nach wie vor mehrheitlich im Besitz der Öffentlichen Hand, konkret des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt, ist. Diese Mehrheitseigner könnten natürlich ohne weiteres dem Vorstand Vorgaben machen, die ein derartiges Vorgehen ausschliessen. Die in Hessen und Frankfurt dominierenden politischen Kräfte ziehen es aber vor, sich in solchen Fragen regelmäßig selbst zu entmündigen und dem Vorstand völlig freie Hand zu lassen.
Rechtlich zulässig wäre ausschliesslich "eine Differenzierung der Entgelte zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen". Die Förderung unnötiger Emissionen liegt, wie spätestens seit dem
wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts eindeutig feststeht, nicht in diesem Interesse. Fraport hatte allerdings im Jahr 2020 ein 'Anreizprogramm', das dazu gepasst hätte: die Förderung moderner Navigationsausstattung, in diesem Fall das GBAS-System, das u.a. auch exaktere und
etwas steilere Landeanflüge ermöglicht. Die war allerdings deutlich geringer, nämlich auf 2 Mill. Euro begrenzt, und wurde auch, warum auch immer, nicht aus den Entgelten finanziert.
Nötig wurde diese Förderung, weil dieses Sytem, 5 Jahre vorher von der
Allianz für Lärmschutz als "Aktive Schallschutzmaßnahme" u.a. der Lufthansa gefeiert, kurz danach
Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen ist. Sie ist aber Ende 2020 ausgelaufen, wahrscheinlich wegen durchschlagendem Erfolg: wie die DFS Mitte dieses Jahres
in der FLK mitteilte, beträgt die Ausrüstungsquote aller Flüge am Flughafen Frankfurt mit GBAS stolze 7% (und mit dem ähnlichen System SBAS nochmal 2%). Diese Zahlen sollte man im Kopf haben, wenn mal wieder jemand, z.B. in der Klimapolitik, über die Innovationsfreude und -geschwindigkeit deutscher Fluggesellschaften schwadroniert.
Als Fazit beibt: die Entgeltordnung ist in jeder Hinsicht völlig unzureichend. Sie enthält keine wirksamen Anreize für den Einsatz von lärmarmen und/oder schadstoff-reduziertem Fluggerät, weil die entsprechenden Entgeltanteile viel zu gering und zu wenig differenziert sind, um steuernd zu wirken, oder garnicht vorhanden sind. Einfach ausgedrückt: 4,3% mehr von viel zu wenig ist noch lange nicht genug. Das Anreizprogramm aber ist ein klimapolitischer Skandal ohne rechtliche Grundlage und hätte nie genehmigt werden dürfen.
Aufgrund der Kumpanei des Verkehrsministeriums mit Flughafen und Fluggesellschaften tritt sie trotzdem in Kraft, weil Dritte rechtlich nicht dagegen vorgehen können und hinreichend grosser politischer Druck dagegen nicht existiert. Das ist extrem bedauerlich, denn ein gut gemachter Fernseh-Sketch mag auch in der x-ten Wiederholung noch witzig sein, dieses politische Schmierentheater ist es nicht.
14.12.2021
Die Frage klingt völlig absurd, dennoch wurde sie von der Fluglärmkommission in ihrer vorletzten Sitzung aufgeworfen und auch in der letzten Sitzung nicht beantwortet. Flughafen-Anrainer müssen sich offensichtlich Sorgen machen - aber weshalb?
In den Hintergrund-Erläuterungen zum
FLK-Beschluss vom 06.10.21 wird zunächst festgestellt, dass aufgrund von EU-Verordnungen von 2014 bzw. 2018 an allen Verkehrsflughäfen bis 2030 neue Navigationsverfahren eingeführt werden müssen. Der folgende Absatz lautet:
Bei "Abflugstrecken mit frühen Kurvensegmenten" denkt man als Raunheimer:in natürlich sofort an die Südumfliegung, die im Raunheimer Südosten erheblichen Lärm verursacht, und in etwas geringerem Maß auch an den Nordwestabflug. Insofern klingen diese düsteren Prognosen nach einer direkten Bedrohung für Raunheim. Da überrascht es dann schon, bei Lektüre des
Protokolls der Oktober-Sitzung der FLK zu erfahren, dass einerseits "eine Routenführung bei der Südumfliegung zur Problembehebung im Bereich Trebur" bereits gemäß den neuen Regeln umgesetzt sei und die DFS davon ausgeht, dass die "zu geringeren Betroffenheiten führen" würde, während andererseits der FLK-Vorstand feststellt, dass sie "deutliche Lärmverschlechterungen" in Rüsselsheim (meint wohl Haßloch und Königstädten) mit sich brächte, wobei aus dem Text nicht genau hervorgeht, welche Routenführung jeweils gemeint ist.
In der Dezember-Sitzung der FLK hat die DFS dazu zwei Grafiken mit Varianten der Südumfliegung
präsentiert, allerdings nur für einen Flugzeugtyp: die sehr laute, flugtechnisch träge, aber allmählich aussterbende Boeing 747-800. Dort kann man sehen, dass bei der konventionellen Variante die Flugspuren sehr breit um die vorgegebene Route verteilt sind (und teilweise sehr nahe an bewohntes Gebiet herankommen), während die neue Variante zwar generell etwas näher an Raunheim heranrückt, aber dafür nahezu exakt eingehalten wird.
Das Problem mit dieser neuen Variante beschreibt eine
andere DFS-Präsentation, die inzwischen schon fünf Jahre alt ist. Danach geht es weniger um die erste Kurve, mit der die Flieger vor Raunheim abdrehen. Würden alle ICAO-Vorgaben für eine solche Route eingehalten, würde vielmehr lt. DFS die Kurve im Süden wesentlich grösser ausfallen und statt zwischen Laubenheim und Ginsheim den Rhein entlang nach Norden zu führen, den Rhein bei Nierstein überqueren und dann quer über das Zentrum von Mainz nach Norden führen. Die Gründe dafür liegen laut der aktuellen Präsentation in Vorgaben für die Anfangshöhe, den Steiggradienten, die Geschwindigkeit und die Wind-Stabilität.
Genauere Erläuterungen dazu, welche Vorgaben das genau sind und wieso sie solche Probleme verursachen, finden sich aber weder auf den Vortragsfolien noch im
Protokoll dieser Sitzung.
Alles in allem ist auch durch die DFS-Präsentationen nicht sehr viel mehr Klarheit in die Situation zu bringen (das Protokoll zur Dezember-Sitzung, in dem vielleicht noch ein paar erhellende Sätze stehen werden, liegt noch nicht vor).
Bevor wir anfangen, über Hintergründe zu spekulieren, zunächst noch ein paar Fakten. Die neuen Navigations-Systeme und -Methoden, um die es geht, sind keine Erfindung böswilliger EU-Bürokraten, sondern von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO schon Ende der 'Nuller'-Jahre diskutiert und beschlossen worden. Die von FLK und DFS zitierten EU-Verordnungen, die die ICAO-Beschlüsse umsetzen, sind deshalb Grundlage für alle Maßnahmen, weil sie im Gegensatz zu ICAO-Beschlüssen rechtsverbindlich sind und angewendet werden müssen.
Unter dem Stichwort "Performance-based Navigation (PBN)" (lt.
Wikipedia zu übersetzen mit "leistungsbasierte Navigation")
definiert ICAO als Teil ihres
Global Air Navigation Plan
ein Bündel von Spezifikationen, die die Beteiligten erfüllen müssen, um danach definierte Verfahren anwenden zu können. Für Europa wird das durch eine
EU-Verordnung im Rahmen des
EU-Masterplan für das Luftverkehrs-Management umgesetzt. Die sich daraus ergebenden rechtlichen Rahmenbedingungen hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) der FLK in der letzten Sitzung noch mit einer eigenen
Präsentation erläutert.
Ziel ist es vereinfacht gesagt, die Navigation zu verbessern, indem die Positionsbestimmungen genauer, die Routen-Festlegungen flexibler und die Flugführung entlang der Routen präziser wird. Hauptsächlich soll damit natürlich durch Neustrukturierung des Luftraums, verringerte zeitliche und räumliche Abstände usw. eine weitere Steigerung der Kapazität ermöglicht und Engpässe beseitigt werden, die schon in der Vergangenheit
das Wachstum behindert haben. Für die (Fach-)Öffentlichkeit werden natürlich auch
andere Vorteile wie erhöhte Sicherheit, höhere Effizienz des Luftverkehrs-Managements und vielleicht sogar grössere Umweltverträglichkeit in den Vordergrund gerückt.
Ausserdem spielen auch militärische Aspekte eine Rolle, wie der frischgebackene Chef einer obskuren "Zivil-militärischen Koordinations-Division" von Eurocontrol in einem
Interview erklärt. Dabei geht es hauptsächlich darum, dass der erhöhte Luftraum-Bedarf des Militärs wegen schnellerer Flugzeuge,
mehr Drohnen-Einsätzen und anderem gefährlichen Unsinn die Kapazität der Zivilluftfahrt
möglichst wenig einschränken soll und dafür die Sperrgebiete so klein wie möglich gehalten und so schnell wie möglich
wieder freigegeben werden sollen.
Da der Flughafen Frankfurt zu denen gehörte, die auf EU-Ebene bereits 2014 für PBN-Pilotprojekte ausgewählt wurden, kann die DFS in ihrer jüngsten Präsentation auch stolz darauf verweisen, dass hier schon mehrere Flugrouten, darunter eben auch die Südumfliegung, auf die neuen Verfahren umgestellt wurden. Ihr müssten die Probleme, die dabei auftreten, also bestens bekannt sein. Sie scheint das zwischendurch aber vergessen zu haben, denn wie aktuell in der Presse zu lesen war, habe sie für den Ersatz für die 2018 entwickelte, Ende 2020 in Betrieb genommene und Anfang 2021 wieder aufgegebene neue Flugroute AMTIX kurz "aufgrund geänderter europarechtlicher Rahmenbedingungen für Flugverfahren andere Planungsregeln ... angewendet". An den Rahmenbedingungen hat sich allerdings seit 2018 nichts Grundlegendes geändert, auch wenn natürlich ICAO, EASA u.a. ständig neue Papiere mit Ausarbeitungen, Präzisierungen, Anpassungen usw. zu PBN veröffentlichen. Aber vielleicht ist das ja auch nur eine schöne Ausrede dafür, dass es wieder mal länger dauert.
Nach dem Protokoll der vorletzten FLK-Sitzung ist auch das hessische Verkehrsministerium seit spätestens 2018 über die Probleme im Bilde und angeblich auch schon aktiv geworden, um die rechtlichen Voraussetzungen für Ausnahmeregelungen zu schaffen, mit denen die bisherigen Routen beibehalten werden können. Warum beide dann nicht in der Lage sind, genau zu benennen, durch welche ICAO- oder EU-Regeln die Probleme verursacht werden, bleibt rätselhaft.
Kurioser Weise finden sich auch in der umfangreichen Literatur zum Thema keine Hinweise auf die anfangs geschilderten Schwierigkeiten. Auch bei einem
Webinar der UECNA, dem europäischen Netzwerk der Initiativen gegen Fluglärm, konnten weder die geladenen Experten noch die Aktiven, die vor Ort bereits mit PBN-Implementierungen zu tun hatten, etwas dazu sagen. Was ist so speziell am Frankfurter Flughafen, dass die Probleme anscheinend nur dort auftreten?
Hier beginnt nun der Bereich der Spekulationen, weil mit den vorliegenden Informationen und physikalischen Grundkenntnissen die Verwirrung einfach nicht aufzulösen ist. So gibt die DFS in ihrer Präsentation von 2016 auf S.7 für ihre Route vier "Konstruktive Abweichungen von ICAO" an, von denen aber nur eine, die zu geringe Geschwindigkeit, einen einfachen, für alle Flugzeuge gültigen Zusammenhang mit dem Kurvenradius hat. Der wird umso grösser, je höher die Geschwindigkeit ist, wenn sich die Flugzeuge gleich "in die Kurve legen", d.h. der Querneigungswinkel gleich ist. Das ist der Fall beim Vergleich der Routen auf S.18 ("Bank 25°"), wo man den Effekt einer Steigerung der Geschwindigkeit von 230 auf 250 Knoten sehen kann. Auf S.16 ist allerdings zu sehen, dass eine ICAO-konforme Route einen noch wesentlich grösseren Radius hätte, aber es gibt keine Erklärung dafür.
Noch rätselhafter ist der Einfluss, den der Steiggradient auf den Kurvenradius haben soll. In erster Näherung sind die Kraft, die ein Flugzeug zum Steigen bringt (Auftrieb durch Schub) und die, die es in die Kurve zwingt (Radialkomponente des Auftriebs durch Querneigung) unabhängig voneinander steuerbar. Im Detail ist die Aerodynamik natürlich wesentlich komplizierter, aber ein so drastischer Einfluss lässt sich aus der Physik nicht erklären.
Hinweise anderer Art liefert aber ein
Bericht der Fluglärmschutzbeauftragten an die FLK, der einen "Überblick über die Entwicklung der Südumfliegung" und deren "Wesentliche Modifizierungen ... ab 2015" gibt. Daraus wird deutlich, dass diese Route ganz wesentlichen Einschränkungen unterliegt, die nichts mit der Flugtechnik und den navigatorischen Fähigkeiten der einzelnen Maschinen zu tun haben. Relevant erscheinen hier insbesondere der notwendige seitliche Abstand zu den von der Startbahn West ausgehenden Routen und die notwendigen Flughöhen an verschiedensten Stellen, die durch den nördlichen und südlichen Gegenanflug und die kreuzenden Nordwestabflug-Routen bedingt sind. Dazu kommen noch, wie eine weitere
Präsentation der DFS zeigt, Anforderungen an die Geschwindigkeit, die durch die erwünschte dichtest-mögliche Staffelung auf der Südumfliegung selbst bedingt sind.
Das deutet allerdings auf ein Alleinstellungsmerkmal von FRA hin: Kaum ein anderer Großflughafen dürfte ein derart verkorkstes Bahnsystem mit so vielen im Nahbreich kreuzenden Routen und einen dicht aufliegenden Deckel aus Gegenanflügen haben. Wenn dann noch
aus purem Kapazitäts-Wahn auf allen Routen die dichtest-mögliche Staffelung erreicht werden soll, dann reichen Standardverfahren natürlich nicht mehr aus. Dann müssen für jede Route passgenaue Verfahren zurechtgebastelt werden, die irgendwie noch fliegbar sind, auch wenn sie mehr Aufwand erfordern und damit inhärent unsicherer sind.
Das sind, wie gesagt, Spekulationen, die wir aktuell nicht beweisen können. Sie scheinen aber plausibel, und dazu passt, dass "Vertreter der Luftverkehrswirtschaft" in der Diskussion des FLK-Beschlusses vom Oktober laut Protokoll anmerkten: "Insbesondere würden auch kapazitative Fragen im Raum stehen. Aus Sicht der Luftverkehrswirtschaft dürfe es jedoch nicht passieren, dass aufgrund von Gesetzesänderungen Kapazitätsentwicklungen eingeschränkt würden und damit der Luftverkehr gegenüber dem Status Quo schlechter gestellt würde".
Wenn aber die befürchteten "erheblichen Verwerfungen" und der "deutliche Anstieg der Anzahl der Hochbetroffenen" nicht auf die neuen Navigations-Verfahren, sondern auf den Wachstumswahn von Fraport, Lufthansa & Co. zurückzuführen sind, wird genau das passieren müssen. Schließlich kann es ja auch nicht sein, dass aus reiner Profitgier die Bevölkerung rund um den Flughafen "gegenüber dem Status Quo schlechter gestellt" wird.
28.11.2021
Die 'Frankfurter Rundschau' titelte (in der Papierausgabe) über den am 24.11. veröffentlichten Koalitionsvertrag der neuen 'Ampel-Koalition' aus SPD, Grünen und FDP mehrdeutig: "Viel versprechend". Für alle, die besonders unter den negativen Folgen des Flugverkehrs leiden und von der Politik Verbesserungen erwarten, gilt leider nicht einmal das.
Trotz einiger positiv klingender Ankündigungen in Details bietet das Papier wenig Aussicht auf Verbesserungen des Klima-, Umwelt- und Lärm-Schutzes im Luftverkehr.
Primär wollen die Koalitionäre "die deutsche Luftverkehrswirtschaft und -industrie als Schlüsselbranchen nachhaltig und
leistungsfähig weiterentwickeln", natürlich "bei Wahrung von fairen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb" (S. 53). Alle nachfolgenden Detail-Forderungen stehen also unter dem Vorbehalt, dass sie 'Leistungsfähigkeit' und 'Wettbewerbsfähigkeit' nicht gefähden dürfen und können mit entsprechenden Argumenten abgeräumt werden.
Wohl deshalb sind die anvisierten Fortschritte schon von vorneherein extrem dürftig. So mag es positiv sein, künftig in die Aufgaben der DFS ausser der Gewährleistung von Sicherheit und Kapazität auch einen "effektiven Lärmschutz" einzubeziehen (S. 54), aber aktuell ist ja
nicht einmal sichergestellt, dass sie ihre originären Aufgaben gegen den Druck der Luftverkehrslobby durchsetzt. Auch eine "Änderung des Fluglärmschutzgesetzes" ist
längst überfällig, wird aber "auf Basis des
Evaluierungsberichts der Bundesregierung" zu keinem Fortschritt führen. Offenbar sollen nicht einmal die
Forderungen der 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen' berücksichtigt werden.
Die Koalitionäre "wollen Fluglärm reduzieren und den Anteil lärmabhängiger Flughafenentgelte erhöhen", aber nicht etwa die Entgelte insgesamt zu einem wirksamen Steuerungsinstrument ausbauen, denn dafür müssten sie für eine
Änderung der EU-Luftfahrtpolitik eintreten, wovon nirgendwo die Rede ist.
Ob die wolkigen Formulierungen unter der Überschrift "Städtebau" (S. 93): "Wir wollen zum Schutz der Gesundheit zukünftig die gesamte Lärmsituation berücksichtigen und werden die Einführung einer Gesamtlärmbetrachtung prüfen. Diese könnte zum Beispiel die Belastungen aus Straßen-, Schienen- und Luftverkehr sowie von Industrie- und Gewerbeanlagen zusammenführen." irgend eine Wirkung haben können und sollen, erschließt sich aus dem Text nicht. Von einer
Gesamtbelastungsstudie, wie sie für das Rhein-Main-Gebiet schon lange gefordert wird, ist das immer noch meilenweit entfernt.
Im Bereich "Luftreinhaltung" (S. 41) sieht es nicht besser aus. Dort finden sich die Sätze "Wir wollen die Luftbelastung weiter reduzieren, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt nachhaltig zu schützen. Wir unterstützen das Vorhaben der Europäischen Kommission, die EU-Luftqualitätsrichtlinie zu novellieren, um schrittweise neueste Standards zu erreichen. Wir werden für Transparenz bei Ablassen von Kerosin sorgen und Möglichkeiten der Vermeidung entwickeln". Ob diese 'neuesten Standards' den in den neuen
WHO-Luftqualitätsrichtlinien empfohlenen Richtwerten entsprechen sollen, bleibt offen.
Zweifel sind angebracht, denn wäre es so, würde es keinen Sinn machen, gleich anschliessend zu schreiben: "Um die Minderungsziele aus der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen fristgerecht zu erreichen, setzen wir im nationalen Luftreinhalteprogramm alle erforderlichen Maßnahmen um". Allein die flächendeckende Einhaltung der neuen Stickoxid-Richtwerte würde eine drastische Verschärfung dieser Minderungsziele erfordern (und eine weitere Konzentration des Flugverkehrs in der Rhein-Main-Region unmöglich machen). Sollen die WHO-Empfehlungen zu Ultrafeinstaub eingehalten werden, müssen völlig neue Programme aufgelegt werden, die sicherlich Erwähnung gefunden hätten.
Als einzig konkrete (und zweifellos positive) Maßnahme findet sich noch: "Wir werden uns auf EU-Ebene für ... einen niedrigeren Schwefelgehalt von Kerosin einsetzen".
Im Klimakapitel heisst es zu "Luft- und Raumfahrt" (S. 27) "Wir stärken den Luftfahrtproduktionsstandort Deutschland. Wir unterstützen die Erforschung und den Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen, die klimaneutrales Fliegen ermöglichen. ... Wir stärken die Forschung zum Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe, für leisere Antriebe sowie für eine Plattform zur Simulation und Optimierung des Gesamtsystems Luftfahrt bezüglich seiner Klimawirkung". Im Kapitel "Mobilität" (S. 54) wird wiederholt: "Deutschland soll Vorreiter beim CO2-neutralen Fliegen werden ... . Unser Ziel ist die Schaffung von fairen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb für einen wirksamen Klimaschutz im Luftverkehr, der Emissionen effektiv reduziert sowie Carbon Leakage vermeidet".
Die dafür genannten Instrumente sind allerdings extrem dürftig: die Koalitionäre wollen "die Schienenanbindung von Drehkreuzen fördern und durch bessere Bahnverbindungen die Anzahl von Kurzstreckenflügen verringern". "Bis zur europäischen Entscheidung über die Einführung einer Kerosinsteuer in Anlehnung an den Energiegehalt werden wir uns dafür einsetzen, auch europaweit eine Luftverkehrsabgabe einzuführen, wie sie in Deutschland erhoben wird. Wir werden uns bei der Europäischen Union dafür einsetzen, dass Flugtickets nicht zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen".
Aber damit die Luftverkehrswirtschaft nicht allzusehr leidet, heisst es auch noch "Mit Blick auf die aktuelle pandemiebedingte Krise der Luftfahrtbranche werden wir eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe erst nach 2023 prüfen". Was sie trotzdem zahlen muss, soll sie umgehend als Subvention zurück bekommen: "Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer werden wir für die Förderung von Produktion und Einsatz von CO2-neutralen strombasierten Flugkraftstoffen sowie für Forschung, Entwicklung und Flottenmodernisierung im Luftverkehr einsetzen". Und noch einmal: "Wir unterstützen ambitionierte Quoten für Power-to-Liquid (PtL-Quoten) im Luft- und Schiffsverkehr, um einen Markthochlauf anzureizen". Unter der Überschrift "Transformation der Wirtschaft" (S. 64) wird allgemein erläutert: "Wir setzen uns für einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz ein (Boarder Adjustment Mechanism, freie Zuteilung). Bei der Novellierung der europäischen Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien und anderer Regelungen werden wir darauf achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewahrt bleibt". Im Klartext heisst das wohl, dass der Emissionshandel zur Not auch dadurch durchlöchert werden soll, dass den Airlines kostenlose Zertifikate zugeteilt werden.
Diese Aussagen bewerten 'Fridays for Future' in einer
ersten Analyse kurz und bündig: "Zum Stichwort Flugverkehr lässt sich kaum etwas im Koalitionsvertrag finden, nicht mal zum dringend notwendigen Inlandsflugverbot konnte die Ampel sich durchringen". Tatsächlich ist auch die oben zitierte geplante markt-gesteuerte Reduzierung von Kurzstreckenflügen durch "die Schienenanbindung von Drehkreuzen" in erster Linie ein Instrument zur
Optimierung der Zubringerdienste für die großen Hubs, die sich dann umso mehr auf die lukrativeren Mittel- und Langstreckenflüge konzentrieren können. Dies und die meisten anderen angekündigten Maßnahmen entsprechen ziemlich genau dem,
was die Luftverkehrswirtschaft will.
Auch die Aussagen zu "synthetischen" oder "nachhaltigen" Kraftstoffen und "Quoten für
Power-to-Liquid" gehen nicht über das hinaus, was zwischen Regierung und Industrie
bereits vereinbart ist und
breit propagiert wurde und auch auf EU-Ebene unter dem Stichwort 'ReFuelEU' bereits
in der Beschlussfassung
ist. An der Einschätzung dieser Maßnahmen hat sich nichts geändert. Auch wenn NGOs wie
Transport & Environment die grundsätzliche Notwendigkeit der Einführung von PtL-Treibstoffen betonen, um unvermeidbaren Flugverkehr so klimaschonend wie möglich abzuwickeln,
Verbesserungsvorschläge für das EU-Programm unterbreiten und eine
eigene Studie für die Verkehrswende in Deutschland unter Einbeziehung des Flugverkehrs erstellen liessen, bleibt es dabei: diese Maßnahmen sind weit davon entfernt, die
Klimadefizite des Luftverkehrs schnell genug zu beseitigen, um den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Generationen-Gerechtigkeit und den Anforderungen an
Klimagerechtigkeit zu genügen.
Dafür müsste die Regierung anerkennen, dass das Pariser 1,5°C-Ziel die Einhaltung eines
globalen Emissions-Budgets erfordert und dies gemäß den
Empfehlungen des 'Sachverständigenrates für Umweltfragen' für Deutschland festlegen. Dies wurde allerdings von der bisherigen SPD-Umweltministerin
nicht unterstützt und wird vom 'klimapolitischen Sprecher' der FDP-Bundestagsfraktion mit
nationalistisch-überheblichen Argumenten abgelehnt.
Im Bereich Luftverkehr ist in diesem Koalitionsvertrag also keinerlei Aufbruch zu erkennen, alle Zeichen stehen auf "Weiter so". Selbst eine ansonsten sehr
optimistische Analyse von Germanwatch kommt zu dem Ergebnis: "Beim Flug- und Automobilverkehr bleibt die Ampel auf Gelb hängen". Tatsächlich soll wohl die Kontinuität der bisher
CSU-bestimmten Verkehrspolitik auch durch die Person des als Verkehrsminister vorgesehenen FDP-Manns Wissing abgesichert werden. Der war in NRW nur deshalb Verkehrsminister, weil dieser Bereich mit seinen Lieblingsspielfeldern Wirtschaft und Weinbau in einem Ministerium angesiedelt war. Auf seiner
Webseite findet sich kein Wort zum Thema Verkehr, aber ein ideologisch-fundamentalistisches Bekenntnis zur 'Sozialen Marktwirtschaft' und ein erschreckend bornierter Begriff von Nachhaltigkeit.
Auch sonst überwiegen in den Analysen
Zweifel am Aufbruch, Kritik an der
Nichteinhaltung des 1,5°-Pfades, am
Klimaschutz als Geschäftsmodell und am Fehlen des notwendigen
sozial-ökologischen Umbaus und einer
gesellschaftlichen Leitidee. Mehrere Verbände formulieren auch Bedenken, dass die häufig wiederholte Absicht der "Beschleunigung von Planungs- und Umsetzungsprozessen" trotz gegenteiliger Beteuerungen an einigen Stellen zu einer Zurückdrängung von Beteiligungs- und Klage-Rechten gegen Großprojekte führen könnte. Insgesamt ist zu befürchten, dass dieses Bündnis letztendlich in erster Linie für die Freiheit der großen Konzerne von strengen Umweltauflagen, Gerechtigkeit begrenzt auf gleiche Wettbewerbschancen und Nachhaltigkeit der Profite steht. Echten Fortschritt wird es auch künftig wohl nur geben, wenn starke zivilgesellschaftliche Kräfte ihn erzwingen.
Die
Pressemitteilung zur jüngsten Sitzung der Fluglärmkommission besteht im Wesentlichen aus einem längeren Zitat ihres Vorsitzenden, in dem er die geplanten Subventionen für mehr Nachhaltigkeit im Flugverkehr lobt und zum Thema Lärm ausführt: "Beim Fluglärmschutz gibt es interessante Ansätze, die in dieser Form noch nie formuliert waren. Zentraler Punkt dabei ist die angestrebte Verpflichtung der Deutschen Flugsicherung, endlich nicht nur für sichere und geordnete Flugführung zuständig zu sein, sondern auch den Lärmschutz als Kernbereich des Aufgabenkataloges hinzuzufügen."
In der gleichen Sitzung führt die DFS in einer Präsentation zu neuen Navigationsverfahren aus:"Sie wird im Zuge der Planung und Anwendung moderner ... Verfahren nach wie vor den gesetzlichen Auftrag, die Bevölkerung vor unzumutbaren Fluglärm zu schützen ( § 29b LuftVG), als elementaren Bestandteil ihres Handelns berücksichtigen."
Zu Schutz "vor unzumutbaren Fluglärm" als "gesetzlichen Auftrag" und "elementaren Bestandteil ihres Handelns" nun also noch "effektiven Lärmschutz" als "Aufgabe" (KoaV, S. 54). Sachlich betrachtet kann das durchaus ein Unterschied sein, aber es bleiben grosse Zweifel, ob er sich in der Praxis wirklich auswirken wird.
Weiter heisst es noch in der FLK-PM: "Auch soll nach viel zu langem Warten endlich eine Änderung des Fluglärmschutzgesetzes auf Basis des Fluglärmberichts realisiert werden". Zu eben jenem Fluglärmbericht
erklärte der Vorsitzende der 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen' bei Erscheinen noch: "Festzuhalten ist jedoch, dass mit den aktuellen Vorhaben der Bundesregierung kein relevantes Vorankommen beim Schutz vor Fluglärm verbunden ist, weil die wichtigen Aussagen zum aktiven Schallschutz, die im Entwurf
noch enthalten waren, wieder herausgenommen wurden. ... Unsere sachgerechte Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Grundlagen des Schutzes vor Fluglärm sollte in Zukunft von den politischen Entscheidungsträgern stärker wahrgenommen und gewürdigt werden!". Von einer Würdigung der Argumente kann aber auch im Koalitionsvertrag keine Rede sein.
Man muss wohl schon von der bisherigen Politik extrem frustriert sein, wenn man knapp drei Jahre nach dieser kritischen Positionierung den dürftigen Aussagen im KoaV plötzlich soviel Positives abgewinnen kann. Immerhin, richtig ist, das es "festen Willen und Durchsetzungskraft gegenüber den Akteuren der Luftverkehrswirtschaft" braucht, um Verbesserungen im Schallschutz und anderen Bereichen durchzusetzen.
Auch das Aktionsbündnis 'Züge statt Flüge' ist mit dem Koalitionsvertrag alles andere als zufrieden. Für ROBIN WOOD als Teil dieses Bündnisses ist er "für den Klimaschutz im Mobilitätsbereich ein Desaster". Wohl deswegen haben sie am Freitag dem künftig FDP-geführten Verkehrsministerium
ein Licht aufgesteckt und dabei "FDP" neu ausbuchstabiert: "Fatal für Den Planeten". Wir werden wohl schneller als uns lieb ist erleben, wie wahr das ist.
Am Folgetag hat das Aktionsbündnis dem Willy-Brandt-Haus
einen Besuch abgestattet und dort ca. 70.000 Unterschriften unter die Petition "Züge statt Flüge" abgegeben. Der gleichzeitig virtuell abgehaltene SPD-Parteitag hat natürlich ungeachtet solcher Interventionen nahezu einstimmig für den Koalitionsvertrag gestimmt. Der linke Flügel in der SPD ist schon vor Regierungsantritt sehr, sehr bescheiden geworden und übt sich im Krötenschlucken (was in jedem Sinn eine ökologische Schandtat ist).
Es wird in nächster Zeit sicher noch eine ganze Reihe von Aktionen und Stellungnahmen zur Verkehrspolitik der neuen Koalition geben. Herr Wissing hat in ersten Statements bereits deutlich gemacht, dass er der Autolobby zu Diensten sein will, und die Luftverkehrswirtschaft wird sicher keine schlechtere Behandlung erfahren. Ein Tempolimit und andere Maßnahmen, die die Emissionen im Verkehrsbereich in absehbarer Zeit senken könnten, hatte die FDP, sicherlich überwiegend mit freundlicher Unterstützung von Teilen der SPD, ja schon im Voraus verhindert.
Darüber wird dann aber in eigenen Beiträgen zu berichten sein.
12.11.2021
In den letzten Wochen gab es einige Veranstaltungen, Diskussionen und Veröffentlichungen, die zurückliegende Jahrestage zum Anlass genommen haben, zu überlegen, was daraus für heute zu lernen wäre. Die Ergebnisse waren sicherlich sehr unterschiedlich. Nachfolgend präsentieren wir ein paar sehr subjektive Eindrücke und Überlegungen dazu.
Die Jahrestage (10 Jahre Nachtflugverbot, 10 Jahre Landebahn Nordwest, 40 Jahre Räumung des Hüttendorfs an der Startbahn West) sind natürlich nur punktuelle Ereignisse in der langen Kette von Entwicklungen, die den mittlerweile fast 60 Jahre alten Kampf gegen den Flughafenausbau prägen. Entsprechend konzentrierten sich die Beiträge und Diskussionen auch hauptsächlich auf die Ereignisse rund um diese Daten, weitgehend ohne die Gesamtgeschichte ins Auge zu fassen.
Das Jubiläum der Nachtflugbeschränkungen wurde nur in einer
Pressemitteilung erwähnt, obwohl es Anlass hätte sein können, darüber zu reden, was auf dem juristischen Weg erreicht werden kann und was nicht.
Juristische Auseinandersetzungen standen am Beginn, als in den sechziger Jahren darüber gestritten wurde, wie der Flughafen auszubauen sei. Nahezu jeder wesentliche Ausbauschritt seither (Verlängerung des Parallelbahn-Systems, Bau der Startbahn West, Bau der Cargo City Süd und der A380-Halle, Bau der Nordwestbahn) hatte ein juristisches Vorspiel, in dem die Ausbaugegner manchmal durchaus Erfolge erzielen und Verzögerungen durchsetzen konnten, aber letztendlich jedesmal unterlagen.
Die Nachtflugbeschränkungen waren eins der wenigen Zugeständnisse an die Ausbaugegner im Ergebnis der Mediation, mit der der Bau der Nordwestbahn durchgesetzt wurde. Die Landesregierung wollte sie auf Druck von Fraport und Airlines
noch vor Inbetriebnahme der Nordwestbahn wieder zurücknehmen. Klagen von Ausbaugegnern dagegen waren
letztendlich erfolgreich - was Fraport nicht daran hindert, immer wieder
Druck für ihre Aufweichung auszuüben. Das BBI hat in der o.g. Pressemitteilung den Erfolg gewürdigt und verteidigt, aber auch sehr deutlich darauf hingewiesen, was noch geschehen muss, um die Nachtruhe der Anwohner zu sichern.
In den Reden zum 10. Jahrestag der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest fanden die Nachtflugbeschränkungen zwar Erwähnung, aber nur eher abwertend als
von Fraport willkürlich eingeschränkt oder
im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen Vertreter der Mediation. Auch ansonsten konzentrierten sich die Reden darauf, die negativen Effekte des Luftverkehrs zu beklagen, die Lügen und Halbwahrheiten der Fraport-Propaganda und der Ausbau-befürwortenden PolitikerInnen und ihrer publizistischen Helfershelfer anzuprangern und zu erläutern, wie der Flugverkehr praktisch
reduziert werden könnte. Aktionsorientierungen gab es nicht, es blieb bei Appellen, weiterhin "Protest zum Ausdruck" zu bringen, "Druck auf die Koalitionspartner" auszuüben und an 'jeden von uns', "seinen Beitrag für die Verbesserung des Klimas zu leisten". Die Geschichte des Kampfes gegen diesen Erweiterungsschritt wurde nicht reflektiert, und als Handlungsperspektive findet sich nur die Aussage, man werde "dazu unsere gewählten Bundestagsabgeordneten direkt darauf ansprechen und auffordern in unserem Sinne zu handeln".
Vergleicht man das mit
der Rede, die bei der Kundgebung anlässlich der Einweihung der Nordwestbahn für das BBI gehalten wurde, zeigen sich deutliche Unterschiede. Hier wurde der Bau der Nordwestbahn in den gesamten Expansionsprozess des Flughafens eingeordnet, die wirtschaftlichen und politischen Hintergründe und Triebkräfte benannt und die wesentlichen Aktionsformen des Widerstandes vom juristischen Vorgehen bis zur Waldbesetzung erwähnt, unterstützt und zur Fortsetzung empfohlen. Kriminalisierungsversuchen von direkten Aktionen und gewaltfreiem Widerstand ist das BBI damals noch
energisch entgegengetreten. Als Ausbaugegner erst vor kurzem in Leipzig
ähnliche Erfahrungen mit Polizei und Justiz machten, schickte das BBI zwar eine Solidaritätsadresse an die Betroffenen, machte aber keinerlei Öffentlichkeitsarbeit dazu.
Diese Unterschiede sind Ausdruck einer grundlegenden Veränderung, die das 'Bündnis der Bürgerinitiativen' in den letzten 10 Jahren durchgemacht hat. War der Widerstand gegen den Bau der Nordwestbahn noch geprägt von Menschen und Erfahrungen aus der Bewegung gegen die Startbahn West (wenn auch nicht deren 'radikalsten' Teilen), so wurde der Protest nach der Eröffnung der Bahn zunehmend getragen von Menschen, die erst aufgrund der neu einsetzenden eigenen Betroffenheit aktiv wurden. Damit einhergehend verengte sich die Zielsetzung des Protests immer mehr auf die Bekämpfung des Lärms, häufig auch nur des Lärms über dem eigenen Kopf. Das geschah nicht bruchlos, und es wurden durchaus auch immer wieder andere Themen aufgegriffen, aber die meisten Montagsdemos und die Motivation der meisten TeilnehmerInnen wurden immer mehr geprägt durch die Forderung "Die Bahn muss weg". Zugleich wurden radikalere Widerstandsformen immer mehr ausgegrenzt. Das ging soweit, dass schon ein paar Schritte Abweichen vom genehmigten Demonstrationsweg oder das kurze Blockieren eines Treppenaufgangs zu heftigen internen Diskussionen und Diffamierungen führten. In der Folge zogen sich mehr und mehr BIs von den Montagsdemos und aus den Strukturen des BBI zurück und engagierten sich, wenn überhaupt noch, in Aktionen, die von anderen Organisationen wie Robin Wood, Stay Grounded u.a. initiiert wurden, wie z.B. die Baumbesetzung im Treburer Oberwald, den die Fraport für den Autobahnanschluss von Terminal 3 okkupiert hatte.
Besonders problematisch war die neue Orientierung des BBI natürlich für die BIs, die sich zwar wie die BI Raunheim gegen den Bau der Nordwestbahn als Teil des weiteren Flughafenausbaus engagiert hatten, deren Kommunen aber nun zunächst von der neuen Bahn Vorteile hatten, was dort durchaus positiv zur Kenntnis genommen wurde. Der Effekt war zwar von der Startbahn West bekannt: auch hier führte die neue Bahn zunächst zu weniger Startlärm in Raunheim bei Westbetrieb, was aber sehr schnell durch die Zunahme der Flugbewegungen überkompensiert wurde. Diesmal war es allerdings insofern anders, als das durch die neue Bahn erwartete Wachstum aus verschiedenen Gründen bisher nicht eingetreten ist und eine Demonstration für die Schliessung der Nordwestbahn bis heute auch eine Demonstration für die Verschlimmerung der Situation in Raunheim ist. Zwar tauchte die Forderung 'Die Bahn muss weg' zuletzt immer weniger auf, und am Jahrestag im Aufruf und den Reden (fast) garnicht mehr, aber dafür haben ähnliche Differenzen über Schallschutz durch Lärmverschiebungen zu weiteren Brüchen geführt. Wie es wieder zu einem Konsens über die wichtigen Anliegen und künftigem gemeinsamen Vorgehen kommen kann, ist im Moment eine offene Frage.
Genau das wäre aber aus der Startbahnbewegung zu lernen, und das Hüttendorf als Symbol eines gemeinsamen, aktiven Widerstands ganz unterschiedlicher Kräfte war ein guter Ansatzpunkt. Natürlich konnten deren Erfahrungen in der Veranstaltungsreihe nur sehr punktuell vermittelt werden, und Hintergrundmaterial dazu ist heute garnicht so leicht zu finden. Im 'Rückblick' auf der BBI-Homepage findet sich
eine kurze Chronik der Jahre 1980-1995, und im Online-Portal 'GG online' eine kurze
Übersicht über Ausbau und Widerstand (mit deutlicher Überbetonung der im Umfeld aufgetretenen Gewaltaktionen) und eine
Fotostrecke zum Hüttendorf. Fotos finden sich auch im BI-Archiv zu
den Protesten,
der Räumung und dem
Bericht über die Fotoausstellung. Von den zahlreichen Büchern und Schriften zu Startbahn-Bewegung sind aktuell u.a. noch die
Turbulenzen, das zweibändige 'Zeitdokument'
50 Jahre Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens und, mit breiterem Themenspektrum, ein Sammelband zu
Sozialen Bewegungen erhältlich, andere muss man in Antiquariaten suchen. Einen aktuellen Beitrag zur Frage der richtigen Schlüsse aus den Erfahrungen der Startbahn-Bewegung gibt es auf den
Nachdenkseiten.
Während der Veranstaltungsreihe gab es historische Beiträge während des 'Waldspaziergangs' am Dienstag und der Diskussionsveranstaltung im KuBa Mörfelden am Donnerstag, aber beide sind nicht dokumentiert. Ausformuliert wurden Schlussfolgerungen in den Reden zur
Kundgebung im Terminal 1, zu dem, was
aus der Startbahnbewegung zu lernen ist, und wie
die heutige Bewegung agieren sollte. In Bezug auf mögliche Aktionsformen kamen beide zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Michael Wilk: "Ich denke, solche direkten politischen Aktionen sind notwendig. Wir befinden uns jetzt in einer gesellschaftlichen, politischen Situation, weltweit, im Rahmen der Klimakrise, wo wir uns nicht mehr den Luxus leisten können, nur noch zu appellieren, zu hoffen - manche beten vielleicht - aber nichts mehr praktisch zu unternehmen. Wir haben wirklich eine Schwelle überschritten, an der wir aufgefordert sind, aktiv zu werden, und das schliesst für mich direkte Aktionen ein". Knut Dörfel: "Wir können uns bei unseren Formen des Protestes nicht immer die Formen vorgeben lassen von denjenigen, die ohnehin die Macht haben, wir können uns auch nicht von denen die Deutungshoheit stehlen lassen". Beide betonten mit unterschiedlichen Worten, dass der Kampf um mehr Ruhe und Erhalt einer lebenswerten Umwelt nur gewonnen werden kann, wenn er an der Seite anderer Bewegungen für eine gesellschaftliche Emanzipation weltweit geführt wird.
Damit sind hohe Anforderungen formuliert. Ob die bestehenden Strukturen ihnen gerecht werden können, muss sich zeigen.
Umbrüche gab es bereits und wird es weiter geben, und Traditionen können in unterschiedlicher Weise gepflegt, entwickelt oder überwunden werden. Auch das BBI, nunmehr
23 Jahre alt, wird sich diesen Herausforderungen stellen müssen. Wenn es als Organisation keine zeitgemäßen Antworten findet, könnte es, wie andere auch, irgendwann von der Bildfläche verschwinden. Bei allem notwendigen Lernen aus Erfahrungen können das nicht die Antworten der Vergangenheit sein. Auch heute sind die lokalen Betroffenheiten, der Wunsch nach Ruhe, sauberer Luft und intakter Landschaft noch Ansatzpunkte für die Mobilisierung, und auch heute ist es eine der Hauptaufgaben, unterschiedliche Betroffenheiten, Politikverständnisse und Aktionsbereitschaften in gemeinsamen oder verbundenen Aktivitäten zusammen zu bringen. Aber der heute ganz andere Blick auf den Luftverkehr, den sehr viel mehr Menschen persönlich nutzen, das veränderte Bild von Globalisierung und technischem Fortschritt und das zunehmende Fehlen gemeinsamer, sozialer Erfahrungen müssen berücksichtigt werden.
Ansätze in dieser Richtung gibt es. Neue Inhalte wurden entwickelt, und Bezüge zu neuen Bewegungen wie 'Fridays for Future' hergestellt. Was fehlt, ist einerseits die umfassendere inhaltliche Fundierung dessen, was Flughafenausbaugegner mit diesen Bewegungen verbindet, und andererseits eine einfache Grunderkenntnis: solange es nicht gelingt, den 'Klimakiller Luftverkehr' als eine Fraktion des
Klimakiller Kapitalismus zu verstehen und zu bekämpfen, wird es keine wirklichen Erfolge gegen den Flughafenausbau geben, und auch No Future for Fridays.
07.11.2021
Nach 16 Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ihre Luftqualitätsrichtlinien ( Air Quality Guidelines, AQG) überarbeitet. Die neuen Empfehlungen tragen den Erkenntnissen Rechnung, die in den letzten beiden Jahrzehnten über die gesundheitlichen Wirkungen der Luftverschmutzung zusammen getragen wurden. Großverschmutzer wie Fraport dürften verärgert sein, denn insbesondere die Richtwerte für Stickoxide und Feinstaub wurden drastisch gesenkt.
Richtwerte und Empfehlungen sind allerdings noch keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte, weshalb in den Medien häufig darauf hingewiesen wurde, dass nunmehr die EU unter Zugzwang sei. Da die Grenzwerte für Luftschadstoffe EU-weit vereinheitlicht sind, wird es in der Tat darauf ankommen, inwieweit die WHO-Empfehlungen, die natürlich auch schon politische Kompromisse enthalten, bei der Anpassung der einschlägigen EU-Richtlinien von EU-Staaten und
Wirtschafts-Lobbyisten weiter verwässert werden.
Die EU-Kommission hat den Überarbeitungsprozess der EU-Luftqualitätsrichtlinien
bereits eingeleitet. Aktuell läuft eine
Öffentliche Konsultation dazu (bis zum 16.12.), entschieden werden soll im 3. Quartal des kommenden Jahres.
Das Umweltbundesamt hat
angekündigt, zu "untersuchen, was die Erkenntnisse der neuen Luftqualitätsleitlinien für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland bedeuten und daraus Empfehlungen für den umweltbezogenen Gesundheitsschutz" abzuleiten. Zusammen mit fünf anderen Fachgesellschaften hat es bereits eine erste,
sehr positive Bewertung abgegeben. Auch international finden die Richtlinien breite fachliche Unterstützung, wie ein
Aufruf von über 100 Fachgesellschaften zeigt.
Um solche Bewertungen zu erleichtern, hat die WHO nicht nur die Richtlinien, sondern auch
alle zugrunde liegenden Übersichtsstudien frei zugänglich veröffentlicht. Das 'Science Media Center Germany' hat
Stellungnahmen deutschsprachiger Forscher*innen zusammengetragen und stellt in einem eigenen
Bericht die Situation in Deutschland für die beiden Schadstoffgruppen 'Feinstaub' und 'Stickoxide' ausführlich dar. Und während eine vor Kurzem erstellte
Übersicht der Europäischen Umweltagentur noch aufzeigt, dass die Luftqualität in Europa vielerorts noch hinter den alten Empfehlungen der WHO zurückbleibt und die bisherigen Maßnahmen
unzureichend waren, macht der SMC-Report deutlich, dass die neuen Richtwerte auch in ganz Deutschland zum Teil erhebliche Anstrengungen erfordern.
Um die Bedeutung der Luftverschmutzung für die Gesundheit deutlich zu machen, verwendet die WHO auch das Kriterium der "vorzeitigen Todesfälle" und schätzt, dass jedes Jahr
7 Millionen solcher Fälle weltweit auftreten. Für Deutschland werden 'nur'
125.000 vorzeitig Tote geschätzt, aber eine
neue Studie weist darauf hin, dass der Konsum der G20-Nationen, zu denen Deutschland gehört, für rund 2 Millionen vorzeitig Tote in anderen Regionen der Welt verantwortlich ist.
Zur Vorbereitung der Weltklimakonferenz COP26 hat die WHO einen
Bericht vorgelegt, der u.a. auch nochmal auf die Zusammenhänge zwischen
Coronakrise, Luftverschmutzung und Klimakatastrophe eingeht. Fachlich unterstützt wird er durch einen weiteren
Bericht der Medizin-Zeitschrift 'The Lancet', begleitet von einem
Policy Brief for Europe.
Eine wesentliche, wenn auch sehr plakative Schlussfolgerung aus diesen Papieren ist:
Fossile Brennstoffe bringen uns um, weil ihre Emissionen unsere Gesundheit sowohl direkt als Schadstoffe als auch indirekt durch ihre Klimawirksamkeit angreifen. Und dazu gehört
auch das Kerosin, das noch über Jahrzehnte
in immer grösseren Mengen verbrannt werden soll.
Fraport könnte also künftig nicht nur wegen der klimaschädigenden Wirkungen des Luftverkehrs, sondern auch wegen der Gesundheitsgefährdung durch Schadstoffe zunehmend unter Druck geraten. Selbst laut ihrem
Lufthygienischen Jahresbericht 2020, in dem wegen des Pandemie-bedingt reduzierten Flugverkehrs "deutlich niedrigere" Werte berichtet werden, werden die neuen Richtwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub am Flughafen deutlich überschritten.
Entgegen manchen Hoffnungen enthalten die neuen Richtlinien zwar keine Richtwerte für die Feinstaub-Grössenfraktion unter 100 Nanometer, also den Ultrafeinstaub, aber es gibt Aussagen dazu in Form von "good practice statements". Um den Unterschied zu verstehen, muss man die Vorgehensweise der WHO etwas genauer betrachten.
Richtwerte für gute Luftqualität sind so definiert, dass es eindeutige epidemiologische Evidenz dafür gibt, dass bei höherer Luftverschmutzung negative gesundheitliche Folgen auftreten. Das heisst nicht, dass es bei niedrigeren Werten keine Schäden geben kann; im Gegenteil weisen die Richtlinien an vielen Stellen darauf hin, dass Luftschadstoffe soweit wie irgend möglich reduziert werden sollten, weil sie auch in
geringen Konzentrationen schädlich sein können. Aber es heisst, dass bei höheren Werten mit ziemlicher Sicherheit gesundheitliche Schäden in der Bevölkerung (nicht bei jedem einzelnen Menschen) auftreten werden.
Für einige Schadstoffe gibt es die notwendige 'epidemiologische Evidenz' noch nicht, weil einfach nicht genügend hinreichend aussagekräftige Studien vorliegen, u.a. deshalb, weil zu wenig oder falsch gemessen wurde. Das trifft auf drei Schadstoffgruppen zu, die lt. WHO von globaler Bedeutung sind: 'Schwarzer' oder elementarer Kohlenstoff (BC/EC), Ultrafeinstaub (UFP) und Sand- und Staub-Stürme (SDS). Für diese Gruppen gibt es (noch) keine Richtwerte, sondern Empfehlungen für 'gute Praxis' im Umgang mit ihnen.
Für Ultrafeinstäube gibt es vier solcher Empfehlungen, von denen drei die Art der Messung der Immissionen und ihrer Wirkungen betreffen. Die vierte (Nr. 3 in der WHO-Liste) ist besonders für die Bewertung vorhandener Belastungen interessant. Demnach soll "unterschieden werden zwischen niedrigen und hohen Partikelanzahl-Konzentrationen, um Entscheidungen über die Priorität der Emissionskontrolle von UFP-Quellen zu treffen (eigene Übersetzung)". Im Klartext: Überall dort, wo hohe Anzahl-Konzentrationen gemessen werden, sollte der Ausstoß von UFP reduziert werden. Als hoch gelten Anzahl-Konzentrationen von >10.000 Partikel/cm3 im 24-Stunden-Mittel oder >20.000 Partikel/cm3 im 1-Stunden-Mittel.
Aus diesen Empfehlungen sollten sowohl das Hessische Landesamt HLNUG für
Durchführung und Präsentation der Messungen der Ultrafeinstäube in Hessen als auch die Planer des neuen
hessischen UFP-Projekts dringend Konsequenzen ziehen. Die Forderungen dazu sind zwar
schon länger bekannt, und ihre
Umsetzung ist mühsam, aber die gängige Ausrede, dass über die Wirkung von UFP noch zu wenig bekannt sei, um zu handeln, wird immer unglaubwürdiger. Rund um den Flughafen werden UFP-Konzentrationen gemessen, die nach WHO als 'hoch' bzw. sogar 'extrem hoch' einzuschätzen sind und Anlass für Emissions-Reduzierungen sein müssten.
Für die Luftschadstoffe gilt also auch, was für den Lärm und die Klimawirkungen des Luftverkehrs schon lange gilt: alle wichtigen wissenschaftlichen Fakten liegen auf dem Tisch, die Notwendigkeit ihrer Reduzierung ist unabweisbar, wenn Gesundheit und Umwelt geschützt werden sollen. Aber bekanntermaßen folgt daraus noch lange nicht, dass nun auch umgehend entsprechend politisch gehandelt würde. Die üblichen Verschleierungs- und Verzögerungs-Taktiken der Luftverkehrswirtschaft und ihrer Interessenvertreter in Parlamenten und Regierungen werden auch hier nichts unversucht lassen, die notwendigen Schlussfolgerungen und Maßnahmen zu verhindern. Ohne grundlegende systemare Veränderungen, die mit der Wachstums- und Profit-Logik brechen und die Gesundheit des Planeten und der Menschen in den Mittelpunkt stellen, bleiben auch die neuen WHO-Richtlinien und Appelle nur weitere Beispiele dafür, dass der Weg vom Wissen zum Handeln sehr, sehr weit sein kann.
06.10.2021
Jahrestage sind ein komplexes Thema. Sie können sehr unterschiedliche Inhalte haben und in den verschiedensten Arten und Weisen begangen werden. Für ein komplexes System wie den Flughafen gibt es natürlich jederzeit Anlässe, etwas zu erinnern, allerdings mit einer gewissen Häufung in den '4er' und in den '6er' Jahren. Aber auch dieses Jahr gibt es einige, darunter drei, die für den Widerstand gegen den Flughafenausbau von besonderer Bedeutung sind.
Vor zehn Jahren gab es einen Erfolg zu feiern. Es gelang, den Versuch der Luftverkehrswirtschaft und der Landesregierung abzuwehren, das in der sog.
Mediation zum Flughafen-Ausbau mühsam durchgesetzte 6-Stunden-Nachtflugverbot durch die Hintertür wieder abzuschaffen. Es war einer der zunehmend seltener werdenden Erfolge vor Gericht, und er wäre ohne die Unruhe in der Region über die Folgen des Ausbaus wohl kaum möglich gewesen.
Seit dem 10. Oktober 2011 gilt daher nun eine Beschränkungs-Regelung, die Flüge in der Zeit von 23:00 - 24:00 Uhr deutlich einschränkt und von 0:00 - 5:00 verbietet. Auch wenn die Beschränkungen
Lücken haben und insbesondere in der ersten Stunde
nur schwer durchzusetzen sind - sie sind eine deutliche Erleichterung für die Betroffenen, die zumindest mit fünf von Fluglärm ungestörten Nachtstunden rechnen können. Ein echtes Nachtflugverbot, das während der gesetzlichen Nacht, also von 22:00 bis 6:00 Uhr gelten müsste, ist das natürlich noch nicht.
Kurz danach gab es dann Grund zum Feiern nur für die Flughafen-Betreiber, die nach mehrjähriger Verzögerung am 21.10.11 die Landebahn Nordwest in Betrieb nehmen konnten. Damit war ein wesentlicher Schritt der aktuellen Ausbaurunde vollzogen, die die Kapazität des Flughafen in neue, völlig irrwitzige Höhen treiben soll. Zusammen mit dem noch in Bau befindlichen Terminal 3 soll sie über 700.000 Flugbwegungen pro Jahr auf FRA ermöglichen - ein Plan, der dem Wachstums-Fetischismus des vorigen Jahrhunderts entsprungen ist und angesichts der Wirkungen des Flugverkehrs auf Klima, Umwelt und Gesundheit schon längst auf den Müllhaufen der Gewschichte gehört.
Tatsächlich wurde in den vergangenen 10 Jahren eine derartige Anzahl an Flugbewegungen nie auch nur annähernd erreicht, aber der Wachstumswahn ist noch lange nicht gebrochen, und die Luftverkehrswirtschaft wird alles daran setzen, solange wie möglich an den alten Phantasien festzuhalten. Allerdings wurde schon bei einer deutlich geringeren Anzahl von Flugbewegungen
Probleme deutlich, und in bestimmten Situationen war
das Chaos kaum noch beherrschbar.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen plant für den Jahrestag eine Demonstration im Terminal 1.
Deutlich weiter zurück liegt ein anderes Ereignis, das für die Entwicklung des Widerstands gegen den Flughafenausbau bedeutsam war. Am 2. November 1981 wurde mit einem brutalen Polizeieinsatz das Hüttendorf geräumt, das Ausbaugegner auf dem Gelände der geplanten Startbahn West errichtet hatten. Tausende Menschen wurden buchstäblich aus dem Wald geprügelt, um den Weg für Holzfäller und Betonbauer freizuräumen. Danach wurde der Widerstand zunächst noch breiter. Über 200.000 Unterschriften wurden für ein Volksbegehren gesammelt, das den Bau doch noch verhindern sollte. Es war eine der breitesten Widerstandsbewegungen, die die Bundesrepublik bis dahin gekannt hatte - aber Politik und Justiz setzten den Ausbau trotzdem durch. Am 12. April 1984 wurde die Startbahn 18 West in Betrieb genommen.
Was daraus für heutige Kämpfe zu lernen ist, darum geht es in einer Veranstaltungsreihe, die einige, die damals dabei waren, für die Zeit vom 31.10. bis 9.11. vorbereitet haben. Neben Filmen, Fotos und einem Waldspaziergang, die über die Zeit informieren, gibt es eine Diskussion am Donnerstag, den 4.11., zum Thema "Aus der Geschichte lernen", eine Demonstration im Terminal 1 am Freitag, und am Samstag, 6.11., ein Konzert "Besseres Klima - statt Flughafenausbau", das einige Aspekte der
Kontinuität der Protestkultur von damals bis heute aufzeigt.
Der 6.11. weist dabei weit über den lokalen Bezug des Themas hinaus. Für diesen Tag ruft die COP26-Coalition, ein Bündnis, das sich zur Vorbereitung und kritischen Begleitung der 26. Weltklimakonferenz in Glasgow gegründet hat, zu einem Global Day of Action for Climate Justice auf. Im Aufruf dazu heisst es: "Die Entscheidungen von COP26 werden bestimmen, wie Regierungen auf die Klimakrise antworten werden (oder auch nicht). Sie werden entscheiden, wer geopfert wird, wer davon kommt und wer Profit dabei macht. Bisher haben Regierungen zu wenig zu spät getan: konspirieren mit Konzernen und verstecken hinter schöngefärbten 'Lösungen', die aktuell noch garnicht existieren oder der Grösse des Problems nicht gerecht werden und in vielen Fällen noch mehr Ausbeutung von Mensch und Umwelt bedeuten." (Eigene Übersetzung). Das klingt, als sei es direkt auf die Luftverkehrswirtschaft gemünzt.
Konsequenter Weise ruft das Netzwerk 'Stay Grounded' für diesen Tag unter der Überschrift
Stoppt Greenwashing - Reduzierung des Luftverkehrs jetzt! zu lokalen Aktionen gegen die schönfärberischen Lösungen der Luftverkehrswirtschaft auf. In seinem Aufruf heisst es: "Lobbyisten und Industriekampagnen rücken unwahrscheinliche technologische Sprünge in den Vordergrund, um den Rückfall in altes Wachstumsdenken zu legitimieren. ... Aber auch wenn ihre 'Lösungen' plausibel wären, kämen ihre Effekte für das Klima zu spät und würden von der Expansion der Industrie aufgefressen."
Die Widerstands-Songs, die im Konzert zu hören sein werden, sollten dazu beitragen, diese Ideen einem möglichst breiten Publikum nahe zu bringen. Noch weiss heute niemand, ob in zehn Jahren vielleicht noch ein weiterer Erfolg gefeiert werden kann oder ob in 40 Jahren überhaupt noch jemand darüber nachdenken wird, warum der Widerstand heute nicht erfolgreich genug war. Sicher ist nur eins: wir sind auf dem Weg in die Klimakatastrophe - und die derzeit in Wirtschaft und Politik herrschenden Eliten werden den Kurs nicht von alleine ändern.
Der Überflug war unauffällig, aber wirksam: Der wahrscheinliche Verursacher war ein Frachtflugzeug vom Typ Boeing 777, also ein 'Heavy', der Wind kam mäßig aus Ost. Kurs, Höhe, Geschwindigkeit und Lärm waren im üblichen Bereich. Dass trotzdem Ziegel flogen, zeigt, wie gefährlich solche 'normalen' Überflüge sein können.
(Datenquellen: Umwelthaus / INAA, Windfinder.com und DFLD; Darstellungen verändert).
03.10.2021
Es ist schon anderthalb Jahre her, dass ein Wirbelschleppenschaden in Raunheim öffentlich bekannt wurde (wenn auch von Fraport
nicht anerkannt),
aber jetzt ist es mal wieder passiert - und wieder halbwegs gut gegangen. Am Dienstag, den 28.09., kurz vor 18:00 Uhr,
traf es das Dach eines 2-Familien-Hauses in der Wilhelm-Busch-Strasse, nahezu direkt unter der Anfluglinie für die Südbahn gelegen.
Etliche Ziegel fielen in die Einfahrt des Nachbarhauses, aber da war zum Glück gerade niemand. Die 'Main-Spitze' erwähnt in ihrem Artikel, dass "alleine für Raunheim weit mehr als 100 Wirbelschleppenschäden zu verzeichnen" sind, das Ereignis also nicht ungewöhnlich war.
Das bestätigt auch eine genauere Betrachtung der Umstände. Da die Uhrzeit des Vorfalls ziemlich gut bekannt ist, lassen sich die in Frage kommenden Flugzeuge recht eng eingrenzen. Sehr wahrscheinlich war der Verursacher ein Frachtflugzeug vom Typ Boeing 777 der Turkish Airlines, die nach öffentlich zugänglichen Daten ziemlich gut auf dem Leitstrahl entlang flog (also auch in 'normaler' Höhe) und auch kein besonderes Manöver durchführte. Mit 78 dB(A) war die Maschine auch nicht extrem laut. Das in der Main-Spitze erwähnte Flugzeug, das "einen ohrenbetäubenden Lärm gemacht" habe, war vermutlich ein anderer Frachtflieger, der etliche Minuten früher vorbei flog, allerdings auch in normaler Höhe. Mit 83 dB(A) fiel es aber ein bißchen aus dem Rahmen.
Der Wind wehte mit 6 Knoten mäßig aus Osten, was es den Wirbelschleppen üblicherweise erlaubt, relativ ungeschwächt zum Boden abzusinken, und auch die Entfernung zwischen Anfluglinie und Schadensort passt gut dazu.
Es ist aber gerade die Normalität dieser Bedingungen, die deutlich macht, dass Wirbelschleppen nach wie vor eine grosse Gefahr sind und jederzeit erhebliche Schäden am Boden anrichten können.
Das betroffene Haus war vor zehn Jahren neu eingedeckt worden, und nach Angaben der Dachdeckerfirma wurden damals auch Sicherungsmaßnahmen vorgenommen. Allerdings entsprachen sie wohl nicht den Vorschriften, die Fraport für das später begonnene Dachsicherungsprogramm in Raunheim und Flörsheim formuliert hat. Das ist schon rein optisch dadurch erkennbar, dass die charakteristischen Sicherungshaken und die sog.
'Schneefanggitter' fehlen (die de facto natürlich Ziegel-Fanggitter sind; Schnee in relevanten Mengen ist hier ja mittlerweile das seltenere Ereignis).
Inwieweit auch die Ziegelklammerung unzureichend war, wird sich wohl nicht mehr feststellen lassen. Bei keiner Sicherung wird jeder einzelne Ziegel geklammert, aber nach welchem Muster wieviele Ziegel geklammert werden, unterscheidet sich nach der angenommenen Belastung. Man müsste also das gesamte Klammerungssystem beurteilen, um zu sehen, für welche Lasten es ausgelegt war. Diskussionen darüber möchte sich Fraport allerdings ersparen und bietet an, das gesamte Dach neu zu klammern. Das müssen sie allerdings sowieso, denn egal was vor zehn Jahren passiert ist, Fraport ist
durch die Planfeststellung verpflichtet, jedes ältere Dach in einen sicheren Zustand zu bringen.
Davon sind wir allerdings noch sehr weit entfernt. Erstens gibt es inzwischen schon eine Reihe von Hinweisen, dass auch die Fraport-Sicherung unzureichend ist, wenn eine starke Wirbelschleppe ein solches Dach unglücklich trifft. Zweitens können Wirbelschleppen
nachgewiesener Maßen auch Schäden an anderen Dachaufbauten, Fassaden und am Boden anrichten. Und drittens haben noch lange nicht alle Häuser auch nur eine minimale Sicherung. Noch im März dieses Jahres musste Fraport auf Nachfrage
eingestehen, dass erst gut die Hälfte der rund 6.000 Dächer, die gesichert werden müssten, in den acht Jahren, die das Programm schon läuft, geklammert wurden. Auch wenn nach wie vor noch entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden, ist nicht absehbar, wann denn wenigstens eine große Mehrheit aller gefährdeten Dächer geklammert sein könnte.
Ohnehin scheint fraglich zu sein, wieviel Ressourcen Fraport aktuell noch für dieses Programm aufbringen will. Im Jahr 2020 wurden alle gemeldeten Schäden willkürlich als "nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen" abgelehnt, die verpflichtend zeitnah zu veröffentlichende Dokumentation aller Schadensmeldungen endet derzeit im Oktober 2020, und für die Meldung des aktuellen Schadens war bei Fraport erst einen Tag später jemand zu erreichen. Letzteres ist besonders problematisch, denn wenn betroffene Hausbesitzer nach solchen Schadensfällen eigenständig Reparaturmaßnahmen durchführen lassen, riskieren sie, auf den Kosten sitzenzubleiben. Wenn Fraport aber nicht umgehend reagiert, besteht die Gefahr, dass der Schaden, z.B. durch Regen, noch grösser wird.
Insgesamt macht dieser Fall ein weiteres Mal deutlich, dass das Dachsicherungsprogramm bei Fraport
in den falschen Händen liegt. Die Möglichkeiten, das zu ändern, sind aktuell allerdings sehr begrenzt. Auch der Verein "Für Flörsheim", der erhebliche Mittel aufgewendet hat, um juristisch gegen die Gefährdungen durch Wirbelschleppen vorzugehen (wenn auch teilweise mit
kritikwürdigen Argumenten), sieht diese Möglichkeiten
inzwischen erschöpft. Und wer sich die
perversen Äusserungen der zuständigen Gerichte im Planfeststellungsverfahren zu diesem Thema in Erinnerung ruft, kann dieser Einschätzung nur zustimmen.
Auch politisch gibt es aktuell wenig Aussicht auf Veränderungen, denn Fraport geniesst hier die volle Unterstützung der Landesregierung und fast aller Landtagsparteien. Eine Initiative der Fraktion der Linken blieb leider
im parlamentarischen Prozess stecken und wurde bis heute nicht neu aufgelegt - wahrscheinlich in der durchaus berechtigten Annahme, dass das ausserhalb von Flörsheim und Raunheim kaum noch jemanden interessiert.
Bleibt zum Schluss nur, die alte Erkenntnis ein weiteres Mal zu formulieren: das Risiko von Schäden durch Wirbelschleppen lässt sich nur verringern, wenn weniger und höher angeflogen wird. Konkret heisst das: neben der schon aus Gründen des Klimaschutzes und der Reduktion von Schadstoff-Belastung und Lärm notwendigen Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen auf FRA insgesamt müssen die Anflüge über Raunheim durch Verlegung der Landeschwellen und Erhöhung des Anflugwinkels erhöht und durch Erhöhung und konsequente Einhaltung der Rückenwindkomponente reduziert werden.
Chancen zur Umsetzung dieser Forderungen bestehen natürlich nur, wenn es der Klimabewegung gelingt, der Luftverkehrswirtschaft ihre Grenzen aufzuzeigen und den Schutz von Klima, Gesundheit und Umwelt zum politisch wichtigsten Ziel zu machen - Grund genug, auch den nächsten
Globalen Klimastreik am 22.10.2021 mit Demo in Berlin zu unterstützen.
10.08.2021
Am 23. Juli hat das Regierungspräsidium Darmstadt die "zweite Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf des Lärmaktionsplans Flughafen Frankfurt/Main"
angekündigt, und am 26. lag der fast 250 Seiten dicke
Entwurf dann auch tatsächlich vor. Auch eine Plattform für die
Online-Beteiligung ist eingerichtet, so dass nun bis zum 15. Oktober jede/r das Werk kommentieren kann.
Kommentare können ganz bürgerfreundlich auch per eMail, Brief, Fax, Brieftaube etc. eingereicht werden, und es gibt keinerlei Beschränkungen bezüglich der Inhalte, der Form oder der Länge der Beiträge. Alle werden gleich behandelt.
Diese Großzügigkeit ist darin begründet, dass es für das Ergebnis ohnehin keinen Unterschied macht, was da alles an Anmerkungen hereinkommt. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man zunächst einen Blick auf die Rahmenbedingungen werfen, in denen dieser Entwurf entstanden ist.
'Lärmaktionsplanung' ist nichts, was das RP aus eigenem Antrieb betreiben würde. Sie geht vielmehr zurück auf eine
EU-Richtlinie, die eine Verpflichtung beinhaltet, so etwas durchzuführen. Die für deutsche Behörden
gültige Fassung steht im Bundesimmissionsschutzgesetz. Über die Idee dahinter und die bisherige bundesweite Umsetzung kann man auf den
einschlägigen Seiten des Umweltbundesamtes nachlesen. Die Mängel dieses Ansatzes sind recht gut in einer älteren
Studie im Auftrag von BMU und UBA dargestellt: "Die Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG gibt nur allgemeine Hinweise darauf, wann im Rahmen der Lärmaktionsplanung Lärmminderungsmaßnahmen geplant und durchgeführt werden müssen. Sie nennt weder einzuhaltende Lärmgrenzwerte, noch legt sie fest, dass Maßnahmen ab einer bestimmten Anzahl von Lärmbetroffenen ergriffen werden müssen. Es ist vielmehr Aufgabe der für die Lärmaktionsplanung zuständigen Behörden, die Lärmsituation im Einzelnen zu bewerten und Kriterien für die Lärmaktionsplanung zu entwickeln."
Konkret heisst das für den Flughafen Frankfurt, dass das RP Darmstadt als zuständige Behörde die vom Flughafen ausgehende Lärmbelastung eigenständig bewerten müsste und Kriterien entwickeln sollte, ob und wie eine Verringerung dieses Lärms erreicht werden könnte. Leider denkt es garnicht daran, das zu tun.
Was der Plan ihrer Ansicht nach tun soll, beschreibt die Regierungspräsidentin im Vorwort: "Dieser Entwurf des Lärmaktionsplans 3. Runde zeigt zum einen die bestehende Lärmsituation am Flughafen Frankfurt Main auf und stellt die in den letzten Jahren erfolgten Maßnahmen zur Lärmminderung dar. Zum anderen blickt der Plan aber auch in die Zukunft, indem er zeigt, welche Maßnahmen zur Lärmreduzierung derzeit in Arbeit sind und welche Möglichkeiten wir haben, um den vom Flughafen ausgehenden Lärm weiter zu reduzieren." Von eigenständiger Bewertung der Lärmsituation ist keine Rede, und was es mit den 'Möglichkeiten' auf sich hat, die 'wir haben', wird bei der weiteren Lektüre dieses Entwurfs deutlich.
Die Autor*innen des Entwurfs haben zunächst in einer Fleißarbeit auf über 100 Seiten alles zusammengetragen, was irgendwie mit Lärm am Flughafen zu tun hat, von gesetzlichen Regelungen über physikalische Grundlagen von Lärm, Meß- und Berechnungsverfahren, Grenzwerte und Betroffenenzahlen bis zum Ablauf des Flugbetriebs. Nichts davon ist neu, es handelt sich um eine Zusammenstellung von teilweise sehr alten Daten, und soweit Lärmbelastung und Betroffenenzahlen angegeben werden, beruhen sie auf Daten von 2017. Das hat seinen Grund in der Geschichte der EU-Richtlinie: 2002 verabschiedet, schreibt sie vor, dass alle fünf Jahre die Lärmsituation neu zu betrachten ist. Die erste Betrachtung fand daher 2007 statt, die zweite 2012 und die dritte 2017. Dass die Ergebnisse für 2012 erst 2014 fertig geworden sind und die Ergebnisse für 2017 erst Ende 2021 vorliegen werden, gilt durchaus als normal, auch wenn es nicht gesetzeskonform ist.
Der zweite Teil des Entwurfs widmet sich der Maßnahmeplanung. Hier wird zunächst auch wieder der formale Rahmen abgehandelt und festgestellt, dass die Lärmaktionsplanung keine eigene Rechtsgrundlage für Maßnahmen liefert, sondern alle Maßnahmen durch die zuständigen Fachbehörden umgesetzt werden müssen. Bei der Darstellung der zuständigen Akteure werden allerdings diese Fachbehörden ziemlich undiffernziert mit öffentlichen Unternehmen wie der DFS und Privatunternehmen wie Fraport oder Lufthansa in einen Topf geworfen und deren Expertise als entscheidend für die Beurteilung aller Maßnahmen dargestellt. Im Ergebnis führt das dann u.a. dazu, dass Maßnahmen als "nicht durchführbar" abgelehnt werden, weil Fraport sagt "Geht nicht" oder "Ist zu aufwändig".
Und damit auch völlig klar ist, dass ausser den 'üblichen Verdächtigen' niemand ernsthaft in diese 'Aktionsplanung' hineinreden kann, hat das Bundesverwaltungsgericht 2019 noch
letztinstanzlich festgestellt, dass Klagen gegen einen unzureichenden Lärmaktionsplan unzulässig sind. Das Urteil stellt fest: "Eine auch dem Schutz der Klägerin dienende Rechtsposition, die ihr einen Anspruch auf Überprüfung und Änderung bzw. Ergänzung des Lärmaktionsplans vermittelt, lässt sich weder aus nationalen noch aus unionsrechtlichen Bestimmungen herleiten".
Und so überrascht es nicht, dass die durchgeführten und geplanten Maßnahmen eben die sind, die Landesregierung, DFS, 'Forum Flughafen und Region/ExpASS', Fraport usw. in den letzten Jahren präsentiert haben. Eine eigenständige Ergebnis-Darstellung und -Bewertung dieser Maßnahmen hält das RP nicht für seine Aufgabe. Es werden lediglich sehr allgemeine verbale Angaben über die Durchführung der Maßnahmen gemacht ("ist in Betrieb", "wird zu x% der Zeit genutzt" etc.). Ob dadurch irgendwo weniger Lärm ist oder gar die Belästigung sinkt, spielt keine Rolle.
Neu ist in diesem Abschnitt nur, dass öfter Forderungen eingestreut sind, die in der ersten Runde der 'Öffentlichkeitsbeteiligung' eingegangen sind. Diese erst Runde begann im Dezember 2019 mit der
Vorstellung eines sog. 'Gliederungsentwurfs' in der Fluglärmkommission, zu dem die Kommission im März 2020 eine im Großen und Ganzen recht gute
Stellungnahme abgegeben hat (der Link zur Anlage zu diesem Schreiben funktioniert nicht mehr, die Vorschläge-Sammlung findet sich
hier). Die FLK-Mitglieder wurden aufgefordert, für ihre Kommunen bzw. Institutionen ggf. eigene, ergänzende oder abweichende Stellungnahmen einzureichen. Inwieweit das geschehen ist, wissen wir nicht. Darüber hinaus wurde offenbar niemand beteiligt.
Der nächste, nur knapp 10 Seiten lange Abschnitt enthält "In Prüfung befindliche, langfristige und neue Maßnahmen zur Lärmminderung", wobei eine halbe Seite auch noch der Werbung der 'Lufthansa Group' für ihre tollen Aktivitäten im 'Aktiven Schallschutz' zur Verfügung gestellt wird. Ansonsten ist nur vermerkt, wem die Maßnahme zur Prüfung überlassen ist und warum wahrscheinlich nichts daraus wird. Von einer 'langfristigen Strategie', wie sie in der EU-Richtlinie gefordert wird, ist nichts zu finden.
Alle Maßnahmen, die tatsächlich Lärm relevant reduzieren könnten, finden sich im Abschnitt "Geprüfte und nicht zur Umsetzung vorgesehene Maßnahmen zur Lärmminderung". Hier werden insbesondere das Ministerium und Fraport zitiert, die wahlweise begründen, warum eine Maßnahme zu teuer ist oder die Kapazität unzulässig einschränkt. Zur Not findet sich auch noch ein internationales Regelwerk, das eine solche Maßnahme nicht vorsieht. Man könnte viele Seiten damit füllen, dagegen zu argumentieren, aber das wäre hier unnützer Aufwand. Wenn die 'zuständige Behörde' meint, dass es so sei, kann sie das in ihren Plan schreiben. Klagen dagegen sind, wie oben ausgeführt, nicht zulässig.
Für ein Mitwirken an dieser 'Öffentlichkeitsbeteiligung' kann es also höchstens einen Grund geben. Sie bietet eine Möglichkeit, öffentlichkeitswirksam notwendige Forderungen vorzubringen und dabei ein Stück weit die Unzulänglichkeit der offiziellen Schallschutzpolitik aufzuzeigen. Jede sinnvolle Stellungnahme richtet sich also primär nicht an das RP, das sie bekommt, sondern an die Öffentlichkeit, die darüber informiert werden muss. Daher ist es durchaus sinnvoll, darin auch Forderungen zu formulieren, die im Planentwurf bereits abgelehnt sind. Nur sollte man dann eben begründen, warum die Ablehnung nicht gerechtfertigt ist.
Neu ist dieses Verfahren nicht, auch wenn der Charakter dieser 'Planung' in der aktuellen Runde noch deutlicher wird als in den ersten beiden. An den Inhalten hat sich nichts Grundsätzliches geändert. Wir mussten zwar ziemlich tief im Archiv graben, um unsere alte
'Stellungnahme zur zweiten Runde 2012 noch zu finden. Aber obwohl sie inzwischen neun Jahre alt ist, könnten wir sie heute mit nur geringfügigen Änderungen wieder einreichen. Auch die damalige
Kritik der 'Initiative Zukunft Rhein-Main' klingt nach wie vor sehr aktuell. Beides kann Grundlage für lokal-spezifische Stellungnahmen sein, die dann per Presseerklärung in die Öffentlichkeit zu bringen wären. Ob das jetzt im Sommerloch passieren sollte, weil es dann eher in die Medien kommt, oder besser etwas später, weil es dann vielleicht mehr Menschen erreicht, muss jede/r, die/der mitmacht, selbst entscheiden.
Aber auch, wenn man keine Gelegenheit ungenutzt lassen sollte, deutlich zu machen, wie unzumutbar dieser Großflughafen und seine Betreiber für die Region sind: vor allem beweist diese Farce einmal mehr, dass ein ruhigeres Leben nicht durch die aktuellen politischen Mechanismen zu erreichen ist. Wenn der Lärm spürbar abnehmen soll, muss die Zahl der Flugbewegungen reduziert werden. Und dafür muss die Dominanz der Interessen der Luftverkehrswirtschaft gebrochen und das Recht auf eine stabile, gesundheitsfördernde und intakte Umwelt in den Mittelpunkt gerückt werden. Derzeit genügt ein Blick auf die aktuellen Tagesnachrichten, um noch ganz viele andere gute Gründe dafür zu finden.
Die IGF war mal das Zentrum des Protestes gegen den Flughafenausbau. Nun ist sie endgültig verblichen, andere, die sie mitgegründet hat oder die ihr nachgefolgt sind, schwächeln auch -
aber der Protest lebt weiter, in neuen Formen und Strukturen.
26.07.2021
"Die Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF) Rhein-Main e. V. hat sich durch Beschluss der Mitgliederversammlung am 24. Juni 2021 aufgelöst", heisst es in der letzten Pressemitteilung, die die IGF verschickt hat.
Sowohl die
Frankfurter Allgemeine als auch die
Frankfurter Rundschau berichten, und der
FAZ-Kommentator kommt zu dem Schluss, diese Auflösung "markiert das Ende einer Protestkultur, die viele Jahre das Leben in der Rhein-Main-Region und darüber hinaus nicht unwesentlich mitbestimmt hat".
Die PM beschreibt die Geschichte der IGF: "Der Verein wurde am 27. April 1965 in Mörfelden auf Initiative von Prof. Dr. Kurt Oeser ... gegründet und hatte in der Anfangsphase weit über 10.000 Mitglieder im Rhein-Main-Gebiet. Die IGF existierte 57 Jahre lang. Sie war eine der ältesten deutschen Fluglärmschutzvereinigungen. Die IGF engagierte sich gegen die ständigen Erweiterungen des Frankfurter Flughafens und die damit verbundenen unzumutbaren Fluglärm- und Schadstoffbelastungen. Sie trat für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen in der Umgebung des Frankfurter Flughafens ein und förderte den Gedanken des Natur- und Umweltschutzes. Schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wies der Verein auf den Zusammenhang zwischen steigenden Flugverkehr und der Beschleunigung des Klimawandels hin".
Tatsächlich war sie in der Frühphase des Widerstands gegen die Startbahn West die einzige Struktur, die den weitverbreiteten Unmut über dieses Projekt zum Ausdruck bringen und in konkrete Widerstandsmaßnahmen, vornehmlich formaler Art, umsetzen konnte. Mit zunehmender Eskalation dieses Ausbauprozesses bildeten sich zahlreiche andere Strukturen und Organisationsformen, aber die IGF behielt eine wichtige und integrierende Funktion bei.
Nachdem die Startbahn West durchgeprügelt war und der Widerstand weitgehend verschwand bzw. sich anderen Themen zuwandte, blieb die IGF zusammen mit der Bundesvereinigung gegen Fluglärm aktiv, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Fluglärmschutz zu entwickeln und wenigstens kleine Verbesserungen durchzusetzen. Als sich Mitte der neunziger Jahre die
nächste Ausbaurunde abzuzeichnen begann, half die IGF, den Widerstand zu organisieren, spielte aber schon keine zentrale Rolle mehr. Nachdem ihr führender Kopf und ihr 'Gesicht', Prof. Dr. Kurt Oeser, sich als Mediator in den Ausbauprozess einbinden liess, verlor sie viel an Ansehen. Das von ihr mitgegründete 'Bündnis der Bürgerinitiativen'
BBI verweigerte, ebenso wie die meisten Umweltverbände und sonstigen Initiativen, die Mitarbeit im Mediationsprozess.
Nach Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest gab es eine erneute Verschiebung der Schwerpunkte des Widerstands. Die nunmehr neu vom Fluglärm Betroffenen organisierten neue Widerstandsformen wie die Montagsdemos. IGF-Mitglieder brachten sich aktiv in diesen Widerstand ein. Wilma Frühwacht-Treber, IGF-Vorstandsmitglied, wurde zu einer der zentralen Figuren bei der Organisation der Mahnwachen, die während der Ferienzeit die Montagsdemos ersetzten; Dirk Treber, IGF-Vorsitzender, spielte eine wichtige Rolle im BBI und in der Öffentlichkeitsarbeit des Widerstands. Die IGF als Organisation trat allerdings kaum noch in Erscheinung.
Die IGF hatte damit teilweise unter ihren eigenen Erfolgen zu leiden. Von ihr mitgegründete und/oder unterstützte Organisationen übernahmen ihre Aufgaben. Die lokalen Bürgerinitiativen sahen als ihre zentrale Organisation das BBI, die Kommunen organisierten sich in der 'Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt/Main',
KAG, und/oder in der 'Initiative Zukunft Rhein-Main',
ZRM. Die kritische Begleitung der Entwicklungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Flugverkehr und den notwendigen Schallschutz wurde von der 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm'
BVF übernommen. Und mit dem 'Deutschen Fluglärmdienst' DFLD war eine Organisation entstanden, die die Dokumentation und kritische Bewertung des Fluglärms auf ein ganz neues Niveau gehoben hat.
Mit der Eskalation der Klimakatastrophe sind zudem neue Organisationen aufgetreten, die nicht mehr den Fluglärm, sondern die klimaschädigenden Folgen des Flugverkehrs in den Mittelpunkt rücken, wie die Initiative
Am Boden bleiben und das internationale Netzwerk
Stay Grounded.
Vor dem Hintergrund dieser Differenzierungsprozesse hat die IGF keine Aktiven mehr gefunden, die ihre Strukturen aufrecht erhalten wollten. Das mag bedauerlich sein, ist aber keine Katastrophe. Denjenigen, die weitermachen, bleibt zunächst, all denen, die in und mit der IGF ganz wichtige Beiträge im Kampf gegen den Fluglärm geleistet haben, Danke zu sagen. Ganz besonders gilt das für Wilma und Dirk, die über Jahrzehnte aktiv waren und sich nun in den wohlverdienten Ruhestand fernab vom Frankfurter Flughafen zurückziehen. Über alle politischen Differenzen hinweg ist ihr Beitrag im Kampf gegen den Wachstumswahn des Frankfurter Flughafens nicht hoch genug einzuschätzen.
Mit ihrem Ausscheiden und der Auflösung der IGF mag ein ganz spezifischer Teil der Protestkultur zu Ende gehen, aber der Widerstand gegen den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens und das weitere Wachstum des Flugverkehrs, gegen Gesundheits- und Umwelt-Gefährdung und gegen die Zerstörung des Klimas muss und wird weitergehen - in neuen Strukturen, in neuen Formen, aber mit der alten Hartnäckigkeit.
17.07.2021
Flughafenausbau-Gegner haben reichlich Erfahrung mit zweifelhaften Spitzenleistungen der hessischen Verwaltungsjustiz. Deshalb darf man sich darüber freuen, wenn ihr von einem Bundesgericht einmal deutlich Grenzen gesetzt werden, auch wenn es einen anderen Rechtsbereich betrifft.
Das Medienecho war für die hessische Justiz generell negativ, aber während z.B. die
Hessenschau routinemäßig von einem 'Einzelfall' ausgeht, wird die
Frankfurter Rundschau deutlicher: "Das Land Hessen hat nicht nur Probleme mit Teilen seiner Polizei, sondern womöglich auch mit Teilen seiner Verwaltungsrichter". Grund: "Das Bundesverfassungsgericht hat Richtern des Verwaltungsgerichts Gießen Willkür bescheinigt. Die Richter hatten den Befangenheitsantrag eines Asylbewerbers gegen einen ihrer Kollegen abgelehnt. Nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts eine „offensichtlich unhaltbare“ Entscheidung." Die Redakteurin zitiert aus dem
Beschluss, die Richter hätten Vorschriften "„in nicht mehr nachvollziehbarer Weise übergangen“ und „fehlgewichtet“" und kommt zu dem Schluss, das sei die "schärfste Urteilskritik, die die Karlsruher Verfassungsrichter:innen in den letzten zehn Jahren formulierten".
Eine Klatsche also, deren Bedeutung weit über den Anlass der laut FR "zwei skandalösen Urteile" aus dem Bereich des Asylrechts hinausgeht.
Das Verhältnis war nicht immer so problematisch, wie selbst ein Blick in die
offizielle Landesgeschichte über den Flughafenausbau beweist. In den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es durchaus juristische Erfolge gegen die Ausbaupläne der hessischen Landesregierung und der damaligen Flughafen AG. Das änderte sich erst grundlegend mit dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (der obersten Instanz der hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit) für den Bau der Startbahn West am 21. Oktober 1980.
Seither zunehmend, und zugespitzt seit dem Planfeststellungsbeschluss für die
aktuelle Ausbaurunde, stehen die Verwaltungsgerichte fest zu den Plänen der Landesregierung und der Wirtschaft.
Besonders bei den Themen 'Schallschutz' und
Schutz vor Wirbelschleppen konnte keine Argumentation zu fadenscheinig, kein Konstrukt zu absurd und kein Gutachten zu falsch sein, um nicht vor einem hessischen Verwaltungsgericht durchgewunken zu werden. Nun musste eher das Bundesverwaltungsgericht den Hessischen Verwaltungsgerichtshof
zurückpfeifen, wenn er mal wieder allzu eifrig die Fraport-Ausbaupläne unterstützen wollte. Auch die juristische Verfolgung von Ausbaugegner*innen beschränkte sich nicht auf die 'üblichen' Maßnahmen gegen Aktionen des direkten Widerstands, sondern brachte auch Spitzenleistungen bei der
finanziellen Abstrafung hervor.
Wie relevant die Zustände bei Polizei und Justiz für Flughafen-Ausbaugegner auch heute sind, zeigt ein aktueller Vorfall am Flughafen Leipzig. Dort haben Aktivist*innen in der Nacht zum 10.07.21 für einige Stunden eine Zufahrt blockiert, um gegen die geplante DHL-Erweiterung und die damit verbundene Steigerung der Zahl der Nachtflüge zu protestieren. Die Folgen für den Flughafen waren überschaubar: der Verkehr musste über eine der drei anderen Zufahrten umgeleitet werden und verzögerte sich geringfügig. Entsprechend verlief auch zunächst alles ganz ruhig: die Demonstranten waren von Anfang an (und blieben bis zum Ende) friedlich und absolut gewaltfrei, und nachdem ein anwesender Landtagsabgeordneter der Linken auch die formale Anmeldung der Aktion nachgeholt hatte, waren auch die Streifenpolizist*innen vor Ort zufrieden. Erst als die Aktion schon fast beendet war, wurde es hektisch: Bereitschaftspolizei rückte an, kesselte die Demonstranten ein, brachte sie zur 'Identitätsfeststellung' in eine Sammelstelle, wo sie stundenlang unter unwürdigen Bedingungen festgehalten wurden. Ein Polizeisprecher erzählte von Millionenschäden für DHL und verzögerten Impflieferungen, Vertreter der Landesregierung liefen verbal Amok. Die Demonstranten sollen wegen 'Nötigung' angeklagt werden; die Ermittlungen werden von der berüchtigten SoKo Linx geführt.
Eine
ausführliche Beschreibung der Aktion und der nachfolgenden Abläufe liefert die Leipziger Zeitung. Die Aktivist*innen selbst schätzen die Aktion als
Erfolg ein und erhalten politische Unterstützung nicht nur vom
lokalen Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau und
der Linken, sondern auch von den an der Landesregierung beteiligten
Bündnis 90/Die Grünen, die erklären: "Wenn Polizei, Staatsanwaltschaft, SPD und CDU legitime Proteste gegen den Ausbau des Frachtflughafen Leipzig kriminalisieren, um private Interessen von Wirtschaftsunternehmen zu schützen, zeigt dies ein Demokratieverständnis, das dem einer Bananenrepublik gleicht". Unter dem gleichen Stichwort bringt ein
weiterer Artikel die Absurdität des Vorgangs auf den Punkt: während der Planet im Chaos versinkt und einerseits
Hitzewellen und Brände, andererseits
Unwetter und Überschwemmungen Verderben bringen, aber 'business as usual' weitergehen soll, wird jede Störung der wahnwitzigen Konsumkette, die dieses Chaos mit verursacht, mit der vollen Härte der Staatsmacht verfolgt.
Der Ablauf der Aktion macht aber auch klar, dass nicht "die Polizei" das Problem ist. Zunächst lief ja alles ganz normal, die anwesenden Beamt*innen wahrten das Recht der Demonstrant*innen, sich zu versammeln und ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Erst nach einer Strafanzeige der DHL lief die zentrale Repressionsmaschine an, und andere Polizeieinheiten wurden zum Aufräumen ausgeschickt. Die fadenscheinigen Begründungen dafür wird die Landesregierung noch
erklären müssen. Dahinter steht ein Polizei- und Regierungsapparat, der ein klares politisches Feindbild hat - und eine neoliberale Ideologie, die überzeugt ist, dass 'die Wirtschaft' in keiner Weise eingeschränkt werden darf, damit 'der Markt' alles zum Besten regelt (was noch nie wirklich funktioniert hat und die aktuellen globalen Krisen für alle sichtbar massiv verschärft).
Auch in der hessischen Justiz gibt es natürlich viele Richterinnen und Richter, die solide Recht sprechen und dabei Menschenwürde und demokratische Rechte verteidigen. Letzteres gilt auch für die hessische Polizei. Die befindet sich derzeit, ebenso wie die Justiz, in einer
kritischen Situation, weil sich in Hessen über viele Jahre unter wohlwollender Aufsicht der Herren Dregger, Wallmann, Koch und Bouffier ein schwarz-brauner Sumpf ausgebreitet hat. Aus diesem wuchern die Netzwerke, die die Institutionen durchdringen und autoritäre,
korporatistische Strukturen aufbauen, denen sich Einzelne nicht oder nur unter persönlichen Opfern entziehen können.
Schwarz-braun ist dieser Sumpf, weil die Grenzen zwischen konservativ und reaktionär, zwischen national und ausländerfeindlich häufig allzu fliessend sind. Herr Bouffier ist sicher kein Nazi, aber er hielt und hält seine schützende Hand über Parteifreunde und Untergebene, die zumindest stark in diese Richtung tendieren. Das reicht von Menschen wie dem Abgeordneten
Irmer über hessische 'Verfassungsschützer', die die Aufklärung der NSU-Morde behindern, bis zu seinem aktuellen
Skandal-Innenminister Beuth, der die rechten Netzwerke in der hessischen Polizei verharmlost.
Und die
Halbzeit-Bilanz der hessischen Landesregierung beweist, dass sich daran auch nichts ändern soll. In der Pressemitteilung der Staatskanzlei loben sich der Ministerpräsident und sein Stellvertreter für die Leistungen der Landesregierung bei der Bewältigung der Pandemie. Ganze zwei Sätze widmen sich "tragischen Ereignissen" "Der Mord an Dr. Walter Lübcke, die rassistischen Morde in Hanau, die Amokfahrt in Volkmarsen und der Tod von Dr. Thomas Schäfer haben uns tief berührt, und wir sind mit den Folgen, insbesondere der Anschläge, weiter beschäftigt" und ihrer Bewältigung "Wir müssen auch den rechtsextremistischen Chats und sonstigen Vorwürfen im Bereich der Polizei auf den Grund gehen". Das wars an 'kritischer Bilanz', und nicht einmal die Klimakrise findet noch besondere Erwähnung.
Wer will, kann auch noch in den
Bilanzen der Ministerien und in einem neuen
Programm nach positiveren Ansätzen suchen - wir prophezeien schon mal, dass es mühsam wird.
Wer sich für den Schutz des Klimas, der Gesundheit und der Umwelt einsetzt und sich dabei nicht auf ein paar Klicks am Computer oder wohlformulierte Presseerklärungen beschränkt, muss auch künftig mit heftigen Reaktionen der Staatsmacht rechnen. Das Versammlungsrecht ist schon seit einiger Zeit
unter massivem Druck und wird immer mehr eingeschränkt. Dahinter steht die Angst, dass die Politik des "Weiter so" immer mehr als unzureichend erkannt wird und immer mehr Menschen dazu bringt, Veränderungen zu fordern.
Die Landesregierung mag 'Halbzeit' feiern, aber es wird zunehmend deutlich, dass dieses Spiel abgepfiffen werden muss. Die alten Teams müssen vom Platz, die Regeln geändert, Sinn und Ziel des Spiels neu definiert werden. Ohne grundlegende (oder im Wortsinn: radikale) Umbauten wird weder die Klimakatastrophe zu stoppen sein, noch können Neofaschismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit wirksam bekämpft werden - und leiser wird es auch nicht.
11.07.2021
Vorzeigbare Erfolge sind rar für die Grünen in der hessischen Landesregierung, entsprechend müssen sie auch kleine Fortschritte groß feiern. Kein Wunder also, dass ihre
Pressemitteilung zum jetzt in den Landtag eingebrachten
schwarz-grünen Entwurf für eine Ergänzung des Hessischen Waldgesetz beinahe euphorisch ausfällt. "Mit der Änderung des hessischen Waldgesetzes wird der Bedeutung des Bannwaldes als besonderem Lebensraum ... Rechnung getragen", heisst es da, und dann wird kühn behauptet: "Wir GRÜNE stehen für den Protest gegen die Rodung des Bannwalds, zum Beispiel beim Flughafenausbau. Uns ist sehr wichtig, diesen Lebensraum gerade in Ballungsgebieten für Menschen, Tiere, Pflanzen und unser Klima zu schützen".
Tatsächlich finden sie in der Presse auch durchaus
positive Resonanz, und die Überschriften verkünden: "Schwarz-Grün will Schutz der Bannwälder ausweiten".
Aber die Mängel lassen sich nicht verheimlichen. Schon in der PM des "Sprechers für Wald der GRÜNEN Fraktion im Hessischen Landtag" folgt auf die richtige Analyse "Der Bannwald ist stark gefährdet. Vor allem durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens und im Rahmen von Sand- und Kiesabbau kam es in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang zur Rodung intakter zusammenhängender Waldgebiete im Bannwald" die unzureichende Schlussfolgerung "Rohstoffabbau, wie etwa zur Kiesgewinnung darf hier nicht weiter stattfinden". Und auch die grüne Umweltministerin lässt sich in der Presse zitieren mit "„Wir wollen das Abholzen im Bannwald für nicht unbedingt notwendigen Kiesabbau verhindern“; mit einer Änderung des Waldgesetzes würden vermeidbare Waldverluste ausgeschlossen. Die Interessen des Waldes sollten nicht hinter denen der Rohstoffgewinnung zurückstehen".
Im Klartext: Rodungen wie die
der Firma Sehring am Langener Waldsee sollen künftig erschwert (aber nicht unmöglich gemacht) werden, Rodungen
für den Flughafenausbau oder für den
Autobahnbau bleiben weiterhin möglich.
Das bestätigt sich auch, wenn man den Text des neuen Gesetzentwurfes mit dem Text des
geltenden Gesetzes vergleicht. Die Passage, auf die sich die Rodungen für den Flughafenausbau, für Autobahnbau und ähnliches immer gestützt haben: "Die vollständige oder teilweise Aufhebung einer Erklärung zu Bannwald ist nur
zulässig, wenn und soweit dies ... aus anderen Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses zur Verwirklichung von Vorhaben
von überregionaler Bedeutung ... erforderlich ist", bleibt unverändert.
Ob die anderen Veränderungen tatsächlich künftig auch nur einen Baum besser schützen können, wird sich zeigen. Rodungen, die bereits genehmigt sind (und das sind viele), sind von dem neuen Gesetz nicht betroffen, und danach wird im Rhein-Main-Gebiet ohnehin nicht mehr viel Wald übrig bleiben.
Trotzdem ist die Absicht der Fraktion DIE LINKE, einen Änderungsantrag zum schwarz-grünen Entwurf einzubringen, der den Wald auch vor weiterem Flughafenausbau schützen soll, begrüssenswert, da sie ein politisches Zeichen setzt. Sie wird aber ohne rechtliche Konsequenzen bleiben, da erstens die anderen Landtagsparteien grundsätzlich keinem Antrag zustimmen werden, der den eingebildeten "Wachstumsmotor der Region" irgendwie einschränken könnte, und zweitens Fraport & Co., wenn sie denn mal wieder neue Flächen brauchen sollten, sich von Landesgesetzen nicht aufhalten lassen werden - es sei denn, hinter einem solchen Gesetz stünde ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass es nun genug ist mit dem Raubbau an der Natur zugunsten des Profits einiger weniger.
Ansätze für die Organisation derartigen Widerstands gab es einige, von den
Aktionen gegen die Rodung im Kelsterbacher Wald für die Nordwestbahn über die Kritik am
ersten Koalitionsvertrag von Schwarz-Grün in Hessen bis zum
Widerstand vor Ort und den
Solidaritätsaktionen gegen die Rodungen für die Autobahn-Anbindung von Terminal 3 im Treburer Wald. Auch zaghafte Ansätze für eine
Zusammenarbeit mit anderen lokalen Initiativen gab es. Breiter und vielfältiger waren die
Aktionen gegen den Autobahnbau durch den Dannenröder Wald, die zur Gründung des Bündnisses
Wald statt Asphalt geführt haben.
Diese Geschichte beweist auch, wie ernst das schwarz-grüne Gerede vom Bannwaldschutz gemeint ist. Nicht nur hat es sieben Jahre gedauert, bis den Ankündigungen im Koalitionsvertrag jetzt ein Gesetzentwurf folgt, auch bei allen umstrittenen Projekten standen die Landesregierung und die zuständigen Regierungspräsidien, ob schwarz oder grün geführt, fest auf seiten der Bannwald-Vernichter. Dass sie dabei
eigene Handlungsmöglichkeiten konsequent leugnen und auch geltende Gesetze ignorieren, wurde gerade erst wieder bei einer
Aktion in Wiesbaden angeprangert.
Als Fazit bleibt: der Bannwald (wie jeder andere Wald oder anderes Ökosystem) kann nur geschützt werden, wenn die Menschen in ihrer Mehrheit nachdrücklich dafür eintreten. Rechtliche Regelungen können unter Umständen helfen - allein bewirken sie nichts.
Zu diesem Beitrag gibt es einen Kommentar von Thomas Norgall, Naturschutzreferent/stellv. Landesgeschäftsführer des BUND Hessen:
"Sie machen sich die Sache m.E. zu einfach. Die großen Infrastrukturvorhaben "verdrängen" leider nach der Rechtslage den Bannwald. Der VGH hatte dies sogar für den Kiesabbau westlich des Flughafens so gesehen und die Ablehnung des RP für die beantragte Erweiterung schlicht kassiert.
Wenn wir die Verlagerung von Flugverbindungen auf die Schiene wollen, dann wird das nicht ohne einen Neu- bzw. Ausbau der ICE-Verbindung von Frankfurt nach Mannheim gehen und die wiederum wird nicht ohne Bannwaldrodungen gehen. Das ist nicht schön, aber auch Realität. Dass wir uns den Ausbau von Autobahnen und einen weiteren Ausbau des Flughafens überhaupt nicht vorstellen können, ist klar. Aber solche hochpolitischen Großprojekte kann man nicht allein mit dem Bannwald in Hessen verhindern.
Bundesrecht bricht eben Landesrecht und die Gerichte legen leider auch nicht die Messlatte an, die wir uns wünschen (vgl. unsere PM "Urteile zu Lasten des Bannwaldes – Verwaltungsgerichtshof lässt Revision zu
https://www.bund-hessen.de/pm/news/urteile-zu-lasten-des-bannwaldes-verwaltungsgerichtshof-laesst-revision-zu/)
Da wird vergleichsweise locker eine Windkraftplanung vor Gericht abgeschossen, aber jede alte Infrastrukturplanung mit den dünnsten Argumenten abgesegnet.
Hessen könnte den Bannwaldschutz aber so ausgestalten, dass auch der Ausbau der Schienenverbindungen (Regionaltangente West!) und der Radschnellverbindungen nicht möglich wird. Das hat die Landesregierung aber nicht getan.
Wir haben diese Kröten geschluckt, weil wir nicht sehen, dass man ohne solche Projekte im Rhein-Gebiete eine Verkehrswende organisieren kann. Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen."
06.07.2021
Fraport hat mal wieder einen Erfolg zu melden. In einer
Pressemitteilung verkünden sie stolz, dass "die Fraport AG ... den überschüssigen mit poly- und perfluorierten Chemikalien (PFC) belasteten Bodenaushub von der Terminal 3-Baustelle erfolgreich abtransportieren" liess und dabei sogar "den Zeitplan eingehalten" hat. Auch für die Nachbarn gibt es eine gute Nachricht. Das Zwischenlager auf der Gemarkung von Mörfelden-Walldorf, dass trotz einer
absurden Konzeption genehmigt worden ist, wird nicht benötigt.
"Eine Realisierung schließen wir damit derzeit vollständig aus", lässt sich Herr Schulte zitieren.
Man kann natürlich noch darüber spekulieren, ob dieses Zitat nur der übliche verquere Fraport-Sprech ist oder ob 'derzeit' und 'vollständig' betont werden, weil es eventuell 'später' und 'teilweise' doch noch benötigt werden könnte. Gründe dafür könnte es durchaus geben.
Von Anfang an war klar, dass es auf der Baustelle eine massive Kontamination mit Perfluoroctansulfonat (PFOS) und ähnlichen Schadstoffen gab, die früher in Löschschäumen eingesetzt wurden und heute als 'persistente organische Schadstoffe' ('persistent organic pollutants', POPs) streng verboten bzw. reglementiert sind. Bereits die anlässlich der Übergabe des früheren Geländes der US Airbase durchgeführten Untersuchungen, die noch unzureichende Methoden verwendeten, hatten Konzentrationen von PFOS bis in den Bereich von 1 mg/kg Boden gefunden. Untersuchungen nach heutigem Standard (sog. Eluat-Messungen) liefern in der Regel um mehrere Grössenordnungen höhere Werte. Es ist ziemlich sicher, aber für Aussenstehende nicht zu beweisen, dass in den Hotspots auf dem Airbase-Gelände Konzentrationen vorhanden waren, die den Wert von 50 mg/kg Boden überschritten haben. Wenn solche Böden 'entsorgt' werden sollen, gilt nach Angaben des Umweltbundesamtes: "Abfälle, die mehr als 50 mg/kg PFOS enthalten, gelten dann als POP-haltige Abfälle, die vorzugsweise in einer Sonderabfallverbrennungsanlage zu behandeln sind."
Fraport hat solchen Aufwand vermieden, indem sie den Boden beim Aushub und den anschliessenden Umlagerungen soweit vermischt haben und durch den Regen auswaschen liessen, dass die Konzentrationen wohl 'im Mittel' unterhalb dieser Schwelle geblieben sind. (Das kennen sie ja vom Lärm: wenn man über hinreichend lange Zeiträume mittelt, wird auch das lauteste Ereignis zum Flüstern.) Durch diese, eigentlich natürlich durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz verbotenen Manipulationen kam nun wieder die Deponierung in den Bereich des Möglichen. Was dafür notwendig wäre, erläutert ein Leitfaden der 'Bundesanstalt für Immobilienaufgaben', der allerdings nur für Bundesimmobilien verbindlich ist. Aktuell konnten Deponien aber auch für Private keine Option sein, da noch Ende 2019 "der BImA Referent für Kontaminationsmanagement erläuterte, dass es derzeit in Deutschland nur drei Deponien in Nordrhein-Westfalen und Sachsen gebe, die PFC-haltige Böden annehmen", es also bei weitem nicht genügend Deponie-Kapazitäten gibt. Dennoch behauptet Fraport: "Via Zug, Schiff und LKW ging das Material zu qualifizierten Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen". Wie das möglich gewesen sein soll, bleibt ein Rätsel.
Wie halbwegs seriös mit solchen Kontaminationen umzugehen wäre, beschreibt ein neuer
Bericht des UBA über Sanierungsmöglichkeiten, der im Anhang auch noch zahlreiche konkrete Beispiele liefert. Die Fraport-Aktion taucht hier natürlich nicht auf.
Als Fazit bleibt: Fraport hat es geschafft, den Giftmüll, der Terminal 3 im Weg lag, in der Republik zu verteilen. Durch Vermischung, lange Lagerung und fehlende Kontrolle konnten sie dabei möglicherweise sogar noch einen Anschein von Legalität aufrecht erhalten. Aber auch hier gilt: Behörden und Bevölkerung lassen sich bestechen, betrügen und hinters Licht führen, die Natur nicht. Die Giftstoffe werden in einer näheren oder ferneren Zukunft Mensch und Umwelt schädigen, aber die, die es verursacht haben, ziehen jetzt ihren Profit daraus und werden später nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden können. Schulte & Co. gelten heute als Helden und werden für ihre Verbrechen nicht mehr haften müssen. Und ihre Helfershelfer in Regierungspräsidien und Landesregierung werden erst recht nicht zur Verantwortung gezogen. Die Anwohner der Deponien, die das Gift angenommen haben, werden irgendwann darunter leiden, aber niemand wird verantwortlich sein. Die dann wesentlich höheren Kosten der Beseitigung haben künftige Generationen zu tragen. Mit anderen Worten: ganz normales kapitalistisches Handeln.
Wenn Herr Schulte mit seinen seltsamen Formulierungen andeuten wollte, dass er doch noch in Erwägung zieht, dass ihm jemand dieses Manöver durchkreuzt und Fraport das Gift zurückholen muss, wäre er wirklich extrem vorsichtig. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es jemand versucht, ist schon sehr gering, und die Erfolgsaussichten sind nahe bei Null.
03.07.2021
Die 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen' ist nicht gerade für intensive Öffentlichkeitsarbeit bekannt, aber jetzt nutzt sie die erhöhte Aufmerksamkeit der Politik im Wahlkampf, um Forderungen zur Verbesserung des Lärmschutzes rund um Flughäfen vorzutragen. In einer aktuellen
Pressemitteilung heisst es:
"Der beste Lärm ist auch im Nahbereich von Flughäfen derjenige, der gar nicht erst entsteht. Die Nichtdurchführung vermeidbarer Flüge steht damit auch an erster Stelle der Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm und hat gleichzeitig erhebliche klimaschützende Wirkungen."
"Alle unvermeidbaren Flüge müssen so lärmarm wie möglich durchgeführt werden. Die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zielen seit Jahrzehnten auf ungehemmtes Wachstum des Luftverkehrs. Dem Schutzbedarf der Bevölkerung im Nahbereich von Flughäfen wurde bislang fast ausschließlich durch baulichen Schallschutz Rechnung getragen. Dieser ist jedoch nur unzureichend dimensioniert und kann ohne begleitende aktive Schallschutzmaßnahmen nicht ausreichen, um Gesundheitsgefahren durch Fluglärm wirksam begegnen zu können."
"Die Mitglieder der ADF fordern deshalb eine verbindliche Stärkung des aktiven Schallschutzes durch Änderung der wichtigsten bundesgesetzlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere:
Das ist ein beachtlicher Katalog für eine ansonsten recht heterogene Vereinigung von Gremien, die die für den Luftverkehr zuständigen Landesministerien beraten und oft widerstreitende Interessen der an die Flughäfen angrenzenden Kommunen zu vertreten haben. Im achtseitigen Forderungskatalog, der der PM angehängt ist, führt die ADF noch weiter aus, dass der derzeitige Wiederaufbau des durch die Pandemie reduzierten Flugverkehrs Veränderungen erleichtert, die für mehr Klima- und Lärmschutz genutzt werden müssen. Näher erläutert werden dort die Forderungen nach Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene, nach Abbau von Privilegien und Subventionen des Luftverkehrs und nach "Anreizen mit lärm- und klimafreundlicher Lenkungswirkung". Im Kapitel 'Lärmminderung' geht es um aktiven und passiven Schallschutz und um Widerstand gegen EU-Vorgaben, die Lärmschutzmaßnahmen zugunsten von Kapazitätsforderungen der Luftverkehrswirtschaft einschränken können. Abschließend wird die Forderung nach einem "Integrierten Luftverkehrskonzept" erläutert, das "wirksame Anreize für leiseres Fliegen, eine intelligente Lenkung als zwingend notwendig erachteter Nachtflüge auf Flughäfen, deren Umgebung weniger dicht besiedelt ist, und ein ausgearbeitetes Konzept, wie und in welchem Umfang Flugverkehr auf der Kurzstrecke auf ökologischere Verkehrsträger als das Flugzeug verlagert werden kann", enthalten soll. Zu allem werden ausführlich eigene ADF-Materialien sowie Papiere von UBA, SRU, BUND und Öko-Institut zitiert.
Ergänzt wird das Ganze noch durch ein umfangreiches Rechtsgutachten, das "Gesetzgeberische Handlungsspielräume zur Verbesserung der rechtlichen Vorgaben für eine Stärkung des aktiven Schallschutzes im Luftverkehrsrecht" untersucht und zahlreiche praxisnahe Argumente und Hilfestellungen für Politiker enthält, bis hinunter zu konkreten Vorschlägen für Gesetzes- und Verordnungs-Texte. Alles in allem also ein großer Instrumentenkoffer mit vielen diskussionswürdigen und unterstützenswerten Ansätzen für alle Fluglärmgegner.
Die Beschränktheiten dieses Papiers sind allerdings auch nicht zu übersehen. Mit dem Themenkomplex Belastungen durch Schadstoff-Emissionen aus dem Flugverkehr, der zum Aufgabenbereich zumindest einiger Mitglieder der ADF gehört, fehlt ein für Flughafen-Anwohner ganz wichtiger Bereich, in dem die Schadstoffe 'Ultrafeinstaub' und 'Stickoxide' auf Bundes- und europäischer Ebene dringender Bearbeitung bedürfen. Und auch der Themenkomplex Sicherheit und
konkrete Risiken, denen die Flughafen-Anwohner ausgesetzt sind, hätte sicher ein paar Aussagen verdient.
Auch die Bestimmtheit der meisten aufgestellten Forderungen ist gering. "Nichtdurchführung vermeidbarer Flüge" lässt sehr viel mehr Interpretations-Spielraum als "Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen auf ein klima-verträgliches Maß", und "Verbesserung des Nachtschutzes" bleibt doch recht weit hinter "Nachtflugverbot von 22 - 6 Uhr" zurück. Das war bereits vor vier Jahren so, als die ADF mit der 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm' ein
gemeinsames Forderungspapier vorlegte, in dem der ADF-Teil wie ein technischer Anhang wirkte. Mit dem aktuellen Papier ist klar, dass die ADF nicht auf das Wahlvolk insgesamt zielt, sondern eher 'interessierte Kreise' in Politik und Gesellschaft anspricht. Aber auch da wäre etwas mehr Biss und etwas höherer Anspruch in der politischen Auseinandersetzung angebracht.
Dass aber auch
plakativere Aktionen bei diesem Thema nicht unbedingt weiterbringen, hat sich bei der Novellierung des Fluglärmgesetzes
deutlich gezeigt. Und man sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass bessere rechtliche Regelungen
noch nichts verändern - man muss auch die Mittel finden, sie in der Praxis durchzusetzen.
Zu schlechter Letzt wird den Forderungen auch noch durch die Art der Präsentation einiges an Wirkung genommen. Wer die Schaufenster-Politik der hessischen Landesregierung zum Thema Schallschutz zu dem Ambitionsniveau erklärt, dass er für die Umsetzungen der eigenen Forderungen erwartet, muss sich nicht wundern, wenn er weithin nicht ernst genommen wird. Die Behauptung, "in Hessen habe der grüne Verkehrsminister Tarek Al-Wazir bereits alles getan, um beim Lärmschutz voran zu kommen", ist angesichts der tatsächlichen Bilanz ein schlechter Scherz. Der Lärmschutz am Frankfurter Flughafen in Form von unhörbaren Lärmpausen, einer geplant wirkungslosen Lärmobergrenze, völlig unzureichendem passiven Schallschutz, einem lächerlichen Maßnahmeprogramm 'Aktiver Schallschutz', weitgehend wirkungslosem Agieren gegen Nachtflüge, einem Lärmbeschwerden-Management nur bei DFS und Fraport, wo reine Willkür herrscht, einer inkonsequenten Entgelt-Politik, begleitet von unzulänglichen Festlegungen bei der Landesentwicklungs-Planung , ist alles andere als ein Beispiel für konsequente Politik im Interesse der Anwohner und für das, was eigentlich notwendig wäre. Für diese Politik hat die Landesregierung jedenfalls in der Vergangenheit keinen Beifall von Ausbaugegnern bekommen.
Das ADF-Papier lässt damit Raum für ganz unterschiedliche Einschätzungen. Wir bevorzugen folgende: es ist richtig und wichtig, dass das Thema 'Lärmschutz' in den Wahlkampf eingebracht wird. Die ADF ist dabei eine wichtige Stimme, und ihre Forderungen gehen überwiegend in die richtige Richtung. Würden sie umgesetzt, wäre das ein Fortschritt, der Flughafen-Anwohnern einiges an Erleichterungen bringen könnte.
Zugleich müssen diejenigen, die die Begrenztheit dieser Forderungen erkennen, daran arbeiten, dass weitergehende, konsequentere Forderungen mehrheitsfähig werden. Das muss kein Widerspruch sein, sondern kann sich ergänzen, da die Ziele weitgehend überein stimmen: die Menschen im Umfeld der Flughäfen sollen besser vor Lärm geschützt werden, und die Luftverkehrswirtschaft soll ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Existierende Differenzen und unterschiedliche Einschätzungen muss man aushalten können. Wenn die gemeinsamen Ziele erreicht sind, bleibt Zeit genug, sich über die unterschiedlichen Auffassungen über den weiteren Weg zu streiten. Bis dahin gilt es, das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu stellen und dafür zu arbeiten. Alles andere spielt dem Gegner in die Hände.
26.06.2021
Als Fraport vor gut vier Jahren 14 griechische Regionalflughäfen endgültig übernommen hat, hatten alle politischen Ebenen, von der hessischen Landesregierung bis zur EU dafür gesorgt, dass es dabei kein finanzielles Risiko geben kann. Wie gut diese Absicherung tatsächlich ist, zeigt sich auch aktuell wieder. Die griechische Regierung hat beschlossen, Fraport nicht nur für die Verluste, die die Flughäfen 2020/21 Corona-bedingt eingefahren haben, sondern auch für die ausgefallenen Gewinne umfangreich zu entschädigen.
Der kritische freie Journalist Wassilis Aswestopoulos
analysiert den Gesetzestext und die daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen. Danach bekommt die griechische Tochter Fraport Greece, an der Fraport drei Viertel der Anteile hält, für den 2020 entgangenen Gewinn eine Entschädigung von "rund 170 Millionen Euro" und kann aufgrund zusätzlicher Bestimmungen "einen weiteren fast dreistelligen Millionenbetrag" erwarten.
Der Autor vergleicht das mit dem Gesamtverlust von 690,4 Millionen Euro, den die Fraport AG für 2020 gemeldet hat, und stellt fest: "Aus der griechischen Staatskasse kommt nun eine Ausgleichszahlung, die insgesamt knapp ein Drittel der Verluste ausgleichen wird." Ob das Geld aus den 800 Mill. Euro bezahlt werden soll, die die griechische Tourismus-Industrie
von der EU zur Bewältigung der Pandemie-Folgen bekommt, ist nicht bekannt.
Damit verlängert sich die
Liste der Skandale, die Fraport in Griechenland inszeniert, um ein weiteres Element. Schon die Unterzeichnung des Vertrages mit dem griechischen Privatisierungsfond HRADEF konnte nur mithilfe
massiven politischen Drucks durchgesetzt werden.
Dann hatte sich Fraport-Chef Schulte anlässlich der Gründung der griechischen Tochter mit einer
Arbeitsplatz-Lüge in der griechischen Öffentlichkeit eingeführt, die sein Sprecher kurz danach wieder kassieren musste. Anlässlich ihres
Zweijährigen Jubiläums präsentierte Fraport Greece die wahren Zahlen: anstatt wie angekündigt 20.000 sind es 700 Arbeitsplätze, aber "über 14.000" sollen induziert, katalysiert und imaginiert werden.
Weiter ging es 2017 mit
Entschädigungsforderungen für Mängel an den Flughäfen, die Fraport für ein Spottgeld übernehmen durfte, weil der griechische Staat die Instandsetzung nicht finanzieren konnte. Über 70 Mill. forderte Fraport damals dreist und bekam letztlich 27 Mill. Euro. Dabei warfen die angeblich so heruntergekommenen Flughäfen
damals schon Gewinn ab.
2018/2019 führten dann Gebührenerhöhungen, die Fraport Greece an den Flughäfen durchsetzte, dazu, dass der
gute Freund Ryanair die innergriechischen Flugverbindungen, an denen sie sich mit Dumpingpreisen einen hohen Marktanteil gesichert hatten, zunächst
teilweise und dann ganz einstellte - mit gravierenden Folgen für Infrastruktur und Tourismus insbesondere auf den griechischen Inseln.
Unbeeindruckt von alledem verkündete Fraport zu Jahresbeginn stolz die vorfristige Fertigstellung der Umbauten an den Flughäfen und feierte diese mit dem konservativen griechischen Ministerpräsidenten, der sie als Brücke für einen freieren Nach-Covid Sommer lobte. Die griechische Regierung ist von den Erfolgen so begeistert, dass sie auch alle anderen Flughäfen, die noch von einer staatlichen Gesellschaft geführt werden, privatisieren will. Vorbereitet wurde die neue Runde, die die 23 auf der Karte nicht weiter gekennzeichneten Flughäfen umfassen soll, bereits 2018. Auch die weitere Privatisierung des Athener Flughafens, der bereits von einer sog. öffentlich-privaten Partnerschaft mit 45% privatem Anteil geführt wird, war geplant, scheiterte aber zunächst an den Pandemie-bedingten Einbrüchen. Der letzte noch verbleibende Flughafen in Heraklion wird ebenfalls von einer ÖPP geführt und steht vor der Schliessung, da in der Nähe ein neuer, grösserer Flughafen unter Führung eines privaten griechischen Konsortiums gebaut wird.
Fraport will weder bestätigen noch dementieren, dass sie sich an der neuen Privatisierungsrunde beteiligen wollen, und hält sich alle Möglichkeiten offen. Aber bei aller "Wirtschaftsfreundlichkeit" der Rechtsregierung in Athen ist kaum zu erwarten, dass sie derzeit nochmal so traumhafte Bedingungen bekommen werden, wie sie noch 35 Jahre lang für die 14 bisherigen Flughäfen gelten. Es bleibt also abzuwarten, wie das Drama für Griechenland weitergeht. Sicher ist nur eines: Verlierer auch der kommenden Privatisierungsrunde werden die griechische Bevölkerung und insbesondere die Arbeitnehmer*innen an den betroffenen Flughäfen sein, und wahrscheinlich dürfen auch die europäischen Steuerzahler wieder ihren Beitrag zum Profit der beteiligten Konsortien leisten. Und die Profite werden reichlich fliessen - es sei denn, neue Pandemien oder der Klimawandel bremsen den Tourismus-Boom in Griechenland.
Die Linksfraktion im hessischen Landtag hat das Thema ebenfalls aufgegriffen. In einer
Pressemitteilung "anlässlich der Medienberichte über die Subventionierung der von Fraport betriebenen Flughäfen in Griechenland aus der griechischen Staatskasse" heisst es: "Die Landesregierung ist Hauptgesellschafter der Fraport. Sie muss detailliert Auskunft geben über Gewinn-Subventionen, die jetzt von Griechenland nach Hessen fließen. Sollten sich die Berichte bestätigen, trägt sie auch politische Verantwortung für eine derart schäbige Geschäftspraxis." Im Text der
Kleinen Anfrage dazu wird ausführlich nach den vertraglichen Konditionen, den finanziellen Verpflichtungen der griechischen Seite und den geflossenen Geldern gefragt.
Wir sind gespannt, wie die Antwort ausfallen wird - nicht so sehr wegen des Inhalts, der die üblichen Ausflüchte präsentieren wird, als wegen der Frage, wer antworten wird. Politisch zuständig wäre in erster Linie der Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir, aber formal ist es Finanzminister Boddenberg, dessen Ministerium die Beteiligungen des Landes Hessen verwaltet. Wahrscheinlich wird die Antwort von ihm kommen, denn er dürfte auch im Wahlkampf weniger Hemmungen haben, das
knallharte neoliberale Kalkül, dass hinter den Aktivitäten der Landesregierung steht, zu vertreten. Wir werden sehen.
24.06.2021
Im Kern war die
2. Nationale Luftfahrtkonferenz, die am 18.06. als Hybrid-Veranstaltung teils am Berliner BER und teils virtuell stattfand, ein ebensolches Nicht-Ereignis wie der
2. Nationale Luftverkehrsgipfel, der Ende letzten Jahres ebenfalls in Berlin durchgeführt wurde. Ohnehin können nur echte Insider die feinen Unterschiede in den beiden Formaten erkennen, denn für die Öffentlichkeit sind beide nur begleitender Rummel, der die abschliessende Pressekonferenz interessanter machen und damit helfen soll, die vorformulierten Botschaften unters Volk zu bringen.
Diesmal ging es allerdings etwas weniger um Pandemie-Bewältigung und die Notwendigkeit von Subventionen, dafür aber mehr um das künftige
Grüne Fliegen.
Damit die Inhalte auch wirklich in die Öffentlichkeit kommen, musste die Bundeskanzlerin persönlich gleich in einer Doppelrolle auftreten. Das Video der Bundesregierung enthält nicht nur ihre Rede (die man auch hier nachlesen kann), im zweiten Teil fungiert sie auch als Stichwortgeberin für die Chefs der Luftfahrtindustrie, die dann ihre Positionen ganz authentisch vortragen können. Der eine oder andere verbale Fehltritt wird dabei in Kauf genommen, wenn etwa Herr Spohr von der Lufthansa die sog. 'synthetischen Treibstoffe' als "Kampfstoffe" bezeichnet. Tatsächlich sind sie das ja auch, denn sie sind in erster Linie ein Instrument im Propagandakrieg um die Rolle der Luftfahrt als Klimakiller.
Auch sonst liefert der Versuch, das eigentlich streng durchgetaktete Programm, das u.a. aus 'Diskussionen' besteht, die jeder/jedem Beteiligten einmalig 4-5 Minuten Redezeit erlauben, mit dem 'human factor' zu garnieren, eine Menge unfreiwilliger Komik. So schafft es Frau Merkel, binnen weniger Sätze einerseits zu betonen, dass Deutschland bis 2045 'klimaneutral' werden soll, und andererseits das "anspruchsvolle Ziel" zu formulieren, bis 2030 die Beimischung von 'Power-to-liquid'-Kraftstoffen (die einzigen, die als halbwegs klimaneutral gelten können) auf ganze 2% zu steigern. 2% in neun Jahren, 98% in den folgenden fünfzehn Jahren? Dass sie zehn Minuten später schon wieder vergessen hat, wie das Zeug eigentlich heisst, demonstriert da passend, wie wichtig die Beteiligten selbst solche Sprüche nehmen.
Da passt es auch ins Bild, dass nur wenige Tage nach dieser Veranstaltung das nationale deutsche Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt, das DLR, eine
Pressemitteilung herausgibt mit der Überschrift "Aktuelle Klimaziele der Luftfahrt zu gering für Trendwende". Sie verweist auf eine Studie, in der gezeigt wird, dass die aktuellen Maßnahmen der Luftverkehrswirtschaft in keiner Weise geeignet sind, zur Einhaltung der Klimaziele des Pariser Abkommens beizutragen.
Auch die Medien, soweit sie überhaupt berichten, betonen wie die
Tagesschau eher die Forderung, dass mehr passieren muss, und weisen auf die Bremseraktivitäten der Bundesregierung im europäischen Rahmen hin. So heisst es dort: "Wichtig bei den im Juli von der EU erwarteten neuen Klimavorschriften für die europäische Luftfahrt ist der Bundesregierung, dass durch strengere Klimaschutzregeln kein Wettbewerbsnachteil gegenüber Airlines im Ausland mit geringeren Standards entsteht" und zum europäischen Emissionshandelssystem ETS ""ETS plus Corsia geht nicht", sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Corsia sei das richtige Instrument. Das hält die EU-Kommission aber für das schwächere System".
Und diese Kritik ist noch sehr zurückhaltend und oberflächlich. Hätte Frau Merkel anstelle von Herrn Spohr kritische Verkehrsexperten wie die des ICCT oder die im Bundesauftrag forschenden Wissenschaftler*innen des Fraunhofer IEE zu den Perspektiven der "klimaneutralen synthetischen Kraftstoffe" befragt, hätte das das schöne Bild schon reichlich getrübt. Und hätte sie sich umfassend über die Klima-Defizite des Luftverkehrs informiert, hätte sie die Veranstaltung wohl absagen müssen. Aber vielleicht weiss sie das ja auch alles und stellt sich nur aus ideologischen Gründen dumm.
Immerhin, alles in allem scheint es Bundesregierung und Luftverkehrswirtschaft mit dieser Veranstaltung verdientermaßen nicht gelungen zu sein, die gewünschten Botschaften in der Öffentlichkeit zu platzieren. Das wird sie aber nicht daran hindern, ihre Politik trotzdem durchzuziehen. Die breite politische Unterstützung dafür, die parteipolitisch von der CDU über FDP und SPD bis zu den Grünen reicht (ja, Tarek Al-Wazir war auch dabei), wurde jedenfalls erfolgreich demonstriert.
Deshalb genügt es nicht, sich darüber zu freuen, dass es wenig Beifall für diese Veranstaltung gab. Ein Fortschritt wäre es nur, wenn es dazu einen Aufschrei gäbe, der den Parteien klarmacht, dass die Unterstützung solcher Positionen von der Bevölkerung, die mehr Klimaschutz will, eindeutig abgelehnt wird. Davon ist allerdings auch nichts zu hören.
19.06.2021
Ein bisschen Sensationshascherei kann sich die Fraport-Pressestelle nicht verkneifen und teilt mit, dass die Passagierzahlen im Mai 2021 "gegenüber Mai 2020 ... einem Plus von 356,9 Prozent" entsprechen. Ansonsten stellt die Pressemitteilung aber realistisch fest, dass gegenüber dem letzten Vor-Corona-Vergleichsmonat Mai 2019 "das Passagieraufkommen dagegen um 80,0 Prozent weiter deutlich rückläufig" war. Aus den Verkehrszahlen Mai 2021 kann man weiter entnehmen, dass die Zahl der Flugbewegungen nur um 62,3% zurückgegangen ist, weil die Flieger derzeit halbleer fliegen (Sitzladefaktor 53,7%). Die umgeschlagene Frachtmenge hat gegenüber 2019 um 10% zugenommen, aber welchen Einfluss das auf die Zahl der Flugbewegungen hat, geht aus den Zahlen nicht hervor.
Fraport-Chef Schulte hatte schon in seiner Rede zur Jahreshauptversammlung Optimismus verbreitet und festgestellt: "Viele Airlines haben ihre Langstreckenflüge ab Frankfurt gebündelt" und "setzen ihre Flieger zunächst dort ein, wo sie eine gute Auslastung haben". Dabei setzt er darauf, "dass sich die touristischen und sonstigen privaten Reiseverkehre am schnellsten erholen, vor allem innerhalb von Europa", was dazu führen könnte, dass "in den Jahren 2024 und 2025 ... zumindest im optimistischen Szenario das Niveau von 2019 wieder übertroffen werden" könnte.
Damit wäre dann aus Fraport-Sicht wieder der 'Normalzustand' erreicht. Bis dahin aber herrscht Ausnahmezustand, und den gedenken sie ausgiebig zu nutzen. Bisher geltende, nervige Beschränkungen im Betriebsregime kann man einem notleidenden Unternehmen natürlich nicht mehr zumuten, und Rücksicht auf die Belange der Anwohner ist in der Krisensituation purer Luxus.
Fraport hatte ja schon im Dezember in der Fluglärmkommission angekündigt, dass sie für Zeiten reduzierten Betriebs ein spezielles
Bahnnutzungskonzept anwenden wollen, dass ihnen maximale Flexibilität und dem Umland maximale Unsicherheit bezüglich der Belastung erlaubt. In einem 'rollierenden Drei-Bahnen-System', in dem das Parallelbahnsystem immer, Nordwestlandebahn und Startbahn West nach Bedarf alternativ genutzt werden, entscheiden Fraport und DFS nach eigenem Gutdünken, wer wann den Lärm abbekommt.
Zwar gibt es Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss, wonach die Anflüge zumindest bei Betriebsrichtung 07 (d.h. über Raunheim) etwa gleichmäßig auf Nordwest- und Südbahn verteilt werden und auf der Centerbahn maximal 2% der Landungen erfolgen sollen, aber das ist Schnee von gestern, sollte ohnehin nur im Jahresmittel gelten, und für Verstösse gibt es keine Sanktionen.
Die Wirkung der neuen Freiheit wird teilweise in der Grafik sichtbar: in den beiden ersten Juni-Wochen (seit Wiedereröffnung der Nordwestbahn und des Terminal 2) erfolgten bei BR07 von knapp 2.000 Landungen rund 76% auf der Südbahn, 19% auf der Nordwestbahn und knapp 5% auf der Centerbahn. (Die Zahlen sind, vermutlich aufgrund fehlerhafter Transponder-Daten, nicht ganz verlässlich, wie die in der Grafik auch dargestellten Datenfehler zeigen. Der dort beispielhaft gezeigte Flugzeugtyp ist für derartige Kunstflüge absolut ungeeignet.)
Um zu sehen, inwieweit das neue Bahnnutzungskonzept angewendet wird, das ja mehrmals am Tag wechseln kann, müsste man aufwändigere Betrachtungen anstellen, was sich nicht lohnt, da es ohnehin keine Möglichkeit gibt, dagegen vorzugehen. Vielleicht berichtet Fraport ja irgendwann auch darüber der Fluglärmkommission, oder jemand fragt dort mal nach. Bei Stichproben findet man natürlich Betriebsbedingungen, die diesem System entsprechen, und subjektiv hat man sowieso immer den Eindruck, dass zuviel über dem eigenen Kopf fliegt.
Auch der spritsparende
Segmented Approach kann aufgrund der geringen Verkehrszahlen noch genutzt werden, wenn auch nur mit einem kleinen Anteil (<5%). Dazu kommt, dass auch die Betriebsrichtungswahl, theoretisch durch die Windrichtung vorgegeben, derzeit nach Gutsherrenart erfolgt: wann warum aus Ost oder West angeflogen wird, erschließt sich jedenfalls aus den veröffentlichten Winddaten nur sehr begrenzt.
Einige Dinge sind allerdings auch unverändert geblieben. So wird man bei Anflug werktäglich zuverlässig um 5:00 Uhr früh geweckt. Verantwortlich dafür ist in der Regel ein Flug der All Nippon Airlines, der Passagiere von Tokio nach Frankfurt bringt und natürlich unbedingt um diese Zeit landen muss. Unter dem runden Dutzend Anflügen zwischen 5 und 6 Uhr sind auch so obskure Gesellschaften wie die 'ASL Airlines Ireland', die nachts eine Handvoll Passagiere von Paris nach Frankfurt fliegt. Den Hauptteil steuert allerdings, wie auch sonst, die Lufthansa bei, die Passagiere von Bangkok, Windhoek und anderen wichtigen Destinationen nachts nach Frankfurt bringt, damit die noch den ganzen Tag hier vor sich haben. Freiwillig den Flugplan ändern, nur weil es technisch möglich wäre und die Gesundheit der Anwohner etwas weniger belasten würde? Ein absurder Gedanke.
Also alles wie immer, aber deshalb noch lange nicht normal. Im Gegenteil ist Fraport auf dem Weg, schneller als andere Standorte zu dem alltäglichen Irrsinn zurückzukehren, der vor der Pandemie geherrscht hat. Einzige Konsequenz ist offensichtlich, dass ein paar störende Beschränkungen und Zugeständnisse, die der Bevölkerung rund um den Flughafen mal gemacht werden mussten, künftig ignoriert werden können.
Illusionen darüber, dass es vielleicht doch für einige Zeit noch erträglicher bleiben könnte als früher, sollte sich niemand machen. Wenn sie dürfen, wie sie wollen, spielen Gesundheit und Klima keine Rolle, und der Wachstumswahn ist ungebrochen. Weniger Flugbewegungen, weniger Lärm und besseren Klimaschutz gibt es nur, wenn sich eine andere Politik durchsetzt - eine, die nicht nur hehre Ziele formuliert, sondern auch die Maßnahmen umsetzt, die dafür nötig sind. Dafür findet man allerdings nur Mehrheiten, wenn sichergestellt ist, dass diejenigen, die den größten Schaden anrichten und am meisten Profit daraus ziehen, auch dafür zahlen, während denjenigen, die vom Flugbetrieb abhängen, sinnvolle und sozialverträgliche Alternativen geboten werden.
Modelle dafür gibt es, man findet sie allerdings nicht in den Programmen der 'marktkonformen' Parteien, und schon garnicht in deren Praxis. Sie müssen von den zivilgesellschaftlichen Kräften, die Klimaschutz ernst nehmen, durchgesetzt werden - vor und nach den Wahlen.
25.05.2021
Am 01. Juni findet die
jährliche Hauptversammlung der Fraport AG statt, 'Corona-bedingt', wie schon im letzten Jahr, rein virtuell. Aktionäre dürfen vorher Fragen an den Vorstand einreichen und während der Versammlung im doppelten Sinn ihre Stimme abgeben. Aber selbst, wenn das Rede- und Diskussionsrecht nicht derart eingeschränkt wäre, wären spannende Debatten kaum zu erwarten. Dabei gäbe es genug, wozu der Vorstand Stellung nehmen müsste.
Wir haben im folgenden einige kritische 'Fragen an den Vorstand' zu verschiedenen Themen zusammen getragen und erläutern kurz die Hintergründe. Ausführlichere Erklärungen finden sich unter den jeweiligen Links. Die Fragen selbst sind natürlich eher rhetorisch, und die Antwort müsste derzeit jedesmal lauten: "Gar nicht(s)"
Wer an einer nachhaltigen Entwicklung und sozial-ökologischen Transformation des Flughafens interessiert ist, müsste diese und vermutlich noch etliche weitere Fragen stellen. Aber natürlich wäre es völlig nutzlos, wenn kritische Kleinaktionäre sie stellen würden; sie bekämen keine oder nur nichtssagende Antworten. Gefordert wären die öffentlichen Mehrheits-Aktionäre Land Hessen und Stadt Frankfurt sowie all die Investoren, die neuerdings Nachhaltigkeit und andere schöne Dinge propagieren, aber nicht umsetzen. Hier herrscht allerdings schon seit Jahren Schweigen.
Auch der Aufsichtsrat, der ja eigentlich gefordert wäre, zu all diesen Themen entsprechende Leitlinien vorzugeben, versagt dabei völlig und segnet die aktuelle Vorstandspolitik ohne jede Kritik ab. Auch von der neuen Koalition in Frankfurt ist da nicht viel zu erwarten. Mit Bezug auf den Aufsichtsrat heisst es im Koalitionsvertrag lediglich: "Als Anteilseignerin wirken wir darauf hin, dass der aktuell stattfindende Wandel bei Fraport sozialverträglich gestaltet wird, indem z.B. Mittel für Fort- und Weiterbildung oder Umschulungen zur Verfügung stehen." und "Wir werden von den von der Stadt Frankfurt am Main benannten Mitglieder des Aufsichtsrates einfordern, dass diese auf eine wirksame Strategie zum Klimaschutz der FRAPORT AG hinwirken, auch wenn vor allem der Bund für wirksamen Lärm- und Emissionsschutz gefragt ist. Wir werden darüber hinaus über die entsprechenden Mitglieder des Aufsichtsrates darauf hinwirken, dass über entsprechende Flughafenentgelte der Einsatz lärmarmer Fluggeräte noch stärker begünstigt wird." Das ist schon als Absichtserklärung extrem dünn, und was von dem "einfordern" und "hinwirken" praktische Konsequenzen haben wird, kann man sich ausmalen.
Die spannendste Frage dieser JHV wird daher wohl sein, ob und wie die Ausgabe zusätzlicher Aktien, die der Vorstand sich genehmigen lassen will, die Eigentums- und Einfluss-Verhältnisse bei Fraport verändern könnte. Dass dadurch aber eine neue Geschäftspolitik zustande kommen könnte, bleibt extrem unwahrscheinlich.
21.05.2021
"Bis zu 160 Millionen Euro von Bund und Land für den Frankfurter Flughafen", freut sich der hessische Finanzminister Boddenberg in einer Pressemitteilung. "Hessen hat sich früh für ein Hilfspaket des Bundes stark gemacht, von dem vor allem der Frankfurter Flughafen profitiert," denn "der Flughafen ist und bleibt der Wirtschafts- und damit auch Jobmotor in der Rhein-Main-Region". Und sein Minister-Kollege Al-Wazir erklärt: "Der Frankfurter Flughafen ist eine zentrale öffentliche Verkehrsinfrastruktur, über die unser Land gerade in der Pandemie mit vielen wichtigen Gütern versorgt wurde und wird". Und die Unterstützung ist langfristig, denn "Hessen hat großes Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung des Flughafens, und Fraport hat sich verpflichtet, den CO2-Ausstoß des Flughafenbetriebs bis 2030 um 65 Prozent zu senken und im Flughafenbetrieb spätestens im Jahr 2050 vollständig klimaneutral zu arbeiten."
An diesem Geschwätz ist gerade einmal richtig, dass während der Hochzeit der Corona-Pandemie das Frachtgeschäft am Frankfurter Flughafen zugenommen hat, u.a. weil medizinische Hilfsgüter wie Schutzmasken auf der ganzen Welt zusammengekauft wurden (wo sie ebenso dringend benötigt worden wären, aber wer mehr bezahlen kann, bekommt eben die knappen Güter zuerst). Auch aktuell liegt der Frachtumschlag noch mehr als 7% über dem von 2019, weil Frankfurt "zum führenden PharmaHub Europas" geworden ist, "gerade auch im Hinblick auf die anstehenden Corona Impfstofftransporte".
Fakt ist allerdings, dass das Frachtgeschäft auch in Frankfurt, dem nach umgeschlagener Menge größten Frachtflughafen Europas, nur ein Begleitgeschäft zum Passagierverkehr ist und fast zur Hälfte auch als Zuladung über diesen abgewickelt wird. Das Gerede vom Jobmotor war schon zu guten Zeiten
ein Märchen, und ist nach dem gerade vollzogenen
"sozialverträglichen Abbau von rund 4.000 Arbeitsplätzen" und den vorgenommenen Lohnkürzungen nichts als blanker Hohn. Auch ein Großteil der 'Wirtschaft', sprich der Arbeitgeber, war von der Bedeutung des Flughafens für ihre Entwicklung nie so recht überzeugt. Und was die 'nachhaltige Entwicklung' des Flughafens angeht: Selbst nach den
Kriterien der europäischen Flughafen-Organisation ACI Europe spielt Fraport nur in der unteren Mittelklasse (auf Level 3 von sechs möglichen). Und gemessen an dem, was eigentlich nötig und verfassungsrechtlich geboten wäre, sind 'Reduktionen von Treibhausgasen um 65% bis 2030' (wohlgemerkt: nur aus dem 'Flughafenbetrieb', nicht aus dem Flugverkehr selbst) einfach nur lächerlich.
Der Kern des Fraport-Geschäfts, das mit den Subventionen von Bund und Land wieder in Gang gebracht werden soll, waren und bleiben die Passagierflüge. Und die Passagiere, die diese Flüge nutzen, kamen auch schon vor der Pandemie überwiegend aus dem privaten Bereich. Für den Flughafen Frankfurt zeigt das die Grafik, für Deutschland insgesamt analysierte das DLR bereits 2018: "In Deutschland werden etwa 50% aller Flugreisen wegen einer längeren Urlaubsreise durchgeführt. Zusätzlich gibt es noch rund 15% private Kurzreisen. Die restlichen 35% sind Geschäftsreisen. Während innerdeutsch die Geschäftsreisen deutlich dominieren, sind es ins Ausland die Urlaubsreisen. So liegt der Anteil der Urlaubsreisen auf Flügen ins europäische Ausland bei rund 60% und im interkontinentalen Verkehr bei rund 70%." Und da die Pandemie zu einem deutlichen Aufschwung von Videokonferenzen und ähnlichen Techniken, die Geschäftsflüge ersetzen können, geführt hat, wird sich der private Anteil am Flugverkehr eher noch vergrössern.
Die Airlines bereiten sich jedenfalls auf dieses Szenario vor. In Frankfurt setzt der Platzhirsch Lufthansa, der früher noch relativ stark im 'Business'- bzw. 'Premium'-Bereich engagiert war, nicht nur im kommenden Sommer hauptsächlich auf Ferienflüge. Die schon vor zwei Jahren unter dem Namen 'Ocean' gegründete neue Ferienflieger-Tochter soll nun ab Juni unter dem Namen Eurowings Discover von Frankfurt aus auf der touristischen Langstrecke und ab Winter auch von München und auf der Mittelstrecke starten. Zwar ist das zunächst noch ein relativ kleines Experiment mit ziemlich veraltetem Flottenmaterial, und auch die direkte Konkurrenz in Frankfurt lässt sich nicht wie geplant aus dem Weg räumen, aber wenn das Konzept erfolgreich sein sollte, wird Lufthansa sehr schnell nachbessern.
Auch dass nun ein
gemeinsamer Aktionsplan von Deutscher Bahn und Luftverkehr die Flughäfen besser an das Schienennetz anbinden soll, passt in diese Strategie. Die touristische Nachfrage kommt stärker aus der Fläche, und ohne das 'Premium'-Segment sind Kurzstreckenflüge völlig unrentabel. Daher soll nun u.a. der Hub Frankfurt in ein Netz von
Zubringer-Zügen eingebunden werden, das von Basel bis Hannover und von Düsseldorf bis Nürnberg reicht. Damit sollen möglichst grosse Touristenströme über Frankfurt in die Maschinen von Lufthansa, Condor, Ryanair & Co. geschleust werden, was durchaus dazu führen könnte, dass FRA sehr viel schneller wieder hohe Verkehrszaheln erreicht, als uns lieb sein kann.
Für die Netzstruktur der Bahn ist diese Entwicklung auch nicht unbedingt positiv, denn auf vielen Strecken, die ohnehin zu geringe Kapazitäten haben, dominieren dann die Interessen der Flugpassagiere, die bevorzugt pünktlich abgefertigt werden, bis hin zu dem Verzicht auf sonst wichtige Haltepunkte, die für Flughäfen nicht relevant sind.
Für die Bevölkerung rund um die Flughäfen ist es zunächst natürlich von Vorteil, wenn Kurzstreckenflüge wegfallen, da sie pro Start und Landung fast genauso viel Lärm und Schadstoffe erzeugen wie Mittel- und Langstreckenflüge. Die Klima-schützende Wirkung einer solchen Maßnahme ist allerdings sehr begrenzt. Wie
Daten von Eurocontrol zeigen, gehen zwar rund 30% aller in Europa startenden Flüge auf eine Kurzstrecke unter 500 km, sie erzeugen dabei aber nur etwas über 4% aller CO2-Emissionen der europäischen Luftfahrt.
Eine "klimagerechte Besteuerung von Flügen", wie sie die Kanzlerkandidatin der Grünen und ähnlich auch der Kandidat der SPD
fordern, müsste daher eher die Mittel- und insbesondere die Langstrecken-Flüge verteuern. Letztere machen nach den Eurocontrol-Daten nur gut 6% der Flüge, aber über die Hälfte der Emissionen aus.
Zwar ist es richtig, wie
Der Spiegel ausführt, dass Kurzstreckenflüge noch deutlich ineffizienter sind als Mittel- oder Langstreckenflüge, weil bei ihnen der Anteil der verbrauchs-intensiven Phasen Start und Landung besonders hoch ist, aber für die Klimawirksamkeit entscheidend ist nun einmal die Gesamtmenge der Treibhausgase, die pro Flug emittiert wird, und die ist bei Langstreckenflügen eindeutig am höchsten.
Tatsächlich müsste eine sozial gerechte Klimaschutz-Politik noch genauer hinsehen, wer womit wieviel Emissionen erzeugt. Weltweit ist 1% der Bevölkerung für mehr als die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen aus der Luftfahrt verantwortlich. Auch für Europa kommt eine im allgemeinen wenig kritische aktuelle Untersuchung der (ungleichen) Verteilung des 'Kohlenstoff-Fußabdrucks' europäischer Haushalte u.a. zu der mit britischem Understatement formulierten Schlussfolgerung, dass "die Haushalte mit den höchsten C-Fußabdrücken im Großen und Ganzen die mit dem höchsten Niveau des Einkommens und des Konsums sind. Mehr noch finden wir den Beitrag von Land- und Luft-Transport unter den Top-Emittern überproportional groß. Da der Land-Transport und mehr noch der Luft-Transport sowohl hoch Kohlenstoff-intensiv als auch hoch-elastisch sind, würden wir sagen, dass in diesen Bereichen wesentlich mehr getan werden muss." (eigene Übersetzung).
Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Schiene soll es den Akteuren der Luftverkehrswirtschaft auch erlauben, trotz der während der Pandemie reduzierten Ressourcen an Personal und Material auf absehbare Zeit ein
kapazitäts-bedingtes Chaos wie in den Jahren 2017/18 zu vermeiden und sich auf die profitabelsten Verkehrssegmente zu konzentrieren. Dass dies keine Lösung sein kann, wird aber mit jeder neuen Klimastudie deutlicher. Ein Übergang zu
klimafreundlicher Mobilität setzt zwingend ein
Schrumpfen des Luftverkehrs, insbesondere der Langstreckenflüge, voraus. Selbst die Internationale Energie-Agentur, 1974 zur "Sicherung der Versorgung mit fossilen Energien" gegründet, erklärt in ihrem jüngsten Szenario, dass auch bei umfassender Nutzung der Kernenergie und der Kohlenstoffspeicherung der internationale Flugverkehr begrenzt werden muss, wenn eine Chance bestehen soll, die Pariser Klimaziele einzuhalten.
Auch der Tourismus wird andere Wege finden müssen, als immer grössere Massen möglichst billig zu den immer gleichen, völlig überlasteten Zielen zu karren. Aber auch ein Mallorca-Urlaub muss nicht spät nachts auf einem abgelegenen Regionalflughafen im Billigflieger beginnen. Vielleicht könnte ja eine Fahrt in einem komfortablen, ökostrom-betriebenen Nachtzug an die Küste und eine Kurz-Kreuzfahrt auf einem Elektroboot zur Insel, wo das durchgecheckte Gepäck schon wartet, eine viel attraktivere Alternative sein? Es liessen sich sicher auch andere Möglichkeiten denken. Sicher ist nur eins: in einer Welt, in der die Klimakatastrophe ungebremst ihren Lauf nimmt, wird es keinen attraktiven Urlaubsort mehr geben.
07.05.2021
Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien der 'Grossen Koalition' mal wieder eine kräftige Klatsche verpasst. Es hat das 2019 von CDU und SPD im
Bundestag und mit weiterer Unterstützung auch im
Bundesrat beschlossene
Klimaschutzgesetz in wesentlichen Teilen
für verfassungswidrig erklärt und bis Ende 2022 Nachbesserungen verlangt.
Weil aber gerade Wahlkampf ist, finden alle Parteien diese Watsche ganz toll und
überstürzen sich dabei, die Vorgaben des BVerfG unverzüglich umsetzen zu wollen. Sie betreiben dabei wieder genau jenes grüne Marketing, das die beteiligten Aktivist*innen bereits vor dem Prozess für unzureichend erklärt hatten. Eine Ausnahme bildet lediglich die AfD, die auch bei diesem Thema mit ihrem Geschwätz nicht nur ausserhalb des verfassungsrechtlich zulässigen Rahmens, sondern auch frei von Logik und wissenschaftlichen Inhalten ist. CDU und SPD aber entfalten
eine derartige Hektik, dass die Wirtschaftsverbände schon wieder
auf die Bremse treten und vor 'voreiligen Entscheidungen' warnen. Aber was hat das BVerfG eigentlich genau entschieden?
Dass die bürgerlichen Parteien die Entscheidung bewusst fehlinterpretieren, um ihre bisherige Politik retten zu können, machen auch konservative Kommentatoren deutlich, die Klimaschutz ernst nehmen. Der Trick: CDU und SPD tun so, als habe das Gericht ihre Klimapolitik bis 2030 bestätigt und verlange nur noch, auch die weitere Vorgehensweise bis zur 'Klimaneutralität' zu konkretisieren. Ausserdem sei ja eine Verschärfung der Ziele für 2030 sowieso vorgesehen und aufgrund der neuen EU-Beschlüsse notwendig. Und so sieht der neue Vorschlag dann auch aus: Emissions-Reduktion bis 2030 65 statt 55%, bis 2040 88%, 'Klimaneutralität' ab 2045 - Zahlenspiele ohne konkreten Inhalt. Der Gerichtsbeschluss sagt aber etwas ganz anderes, wenn auch teilweise wenig konkret und juristisch verklausuliert.
In den
Leitsätzen zum Beschluss erklärt das BVerfG zuächst der Regierung, dass aus den wohlklingenden Verfassungsgrundsätzen durchaus konkrete Handlungsaufforderungen resultieren können: "Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz". Ausflüchte wegen wissenschaftlicher Unsicherheiten über Details des Klimawandels gelten dabei nicht: "Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, schließt die durch Art. 20a GG dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht ein, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen". Und auch die Ausrede, das Problem sei doch nur international zu lösen, verwirft das Gericht: "Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen".
Den Zweck des Klimaschutzgesetzes, "die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris aufgrund der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist", erklärt das BVerfG für verfassungskonform. Die Lasten dieses Übergangs müssen allerdings gerecht verteilt werden: "Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. ... Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden ...". Und das darf nicht durch geheim tagende Regierungsgremien erfolgen, sondern durch den Bundestag als Gesetzgeber. "Eine schlichte Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags zu Verordnungen der Bundesregierung kann ein Gesetzgebungsverfahren bei der Regelung zulässiger Emissionsmengen nicht ersetzen, weil hier gerade die besondere Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens Grund für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelung ist."
Im Entscheidungsteil erklärt dann das BVerfG die Kernelemente des Klimaschutzgesetzes, die die quantitativen Festlegungen enthalten, für verfassungswidrig: § 3 Absatz 1 Satz 2 "Bis zum Zieljahr 2030 gilt eine Minderungsquote von mindestens 55 Prozent." und § 4 Absatz 1 Satz 3 ... in Verbindung mit Anlage 2 "Die Jahresemissionsmengen für den Zeitraum bis zum Jahr 2030 richten sich nach Anlage 2.". Sie bleiben nur deswegen bs Ende nächsten Jahres anwendbar, weil "die dem Grunde nach durch Art. 20a GG und die Grundrechte gebotene gesamthafte Begrenzung von Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030" dann ganz entfiele und "die Gefahr für die Nutzung grundrechtlicher Freiheit nach 2030 ... dann erst recht" bestünde.
Begründet ist die Verfassungswidrigkeit dieser beiden Sätze im Abschnitt III, Randnr. 187: "Der Verbrauch der dort bis 2030 geregelten Jahresemissionsmengen verzehrt notwendig und unumkehrbar Teile des verbleibenden CO2-Budgets. Diese beiden Vorschriften entscheiden also auch darüber mit, wieviel Zeit für jene Transformationen bleibt, die zur Sicherung von Freiheit unter gleichzeitiger Wahrung des Klimaschutzgebots erforderlich sind. Die durch § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 zugelassenen Jahresemissionsmengen haben damit eine unausweichliche, eingriffsähnliche Vorwirkung auf die nach 2030 bleibenden Möglichkeiten, von der grundrechtlich geschützten Freiheit tatsächlich Gebrauch zu machen."
In den Rn. 215ff wird dann ausführlich begründet, warum die von IPCC und 'Sachverständigenrat für Umweltfragen' ermittelten Rest-Budgets für Treibhausgase, die zur Einhaltung der Pariser Klimaziele noch emittiert werden dürfen, trotz aller Unsicherheiten herangezogen werden können, um zu prüfen, ob die Risiken für unzumutbare Freiheitsbeschränkungen nach 2030 aufgrund zu hoher Emissionen bis dahin zu hoch sind. In Rn. 233f stellt das BVerfG dazu fest: "Nach 2030 verbliebe danach von dem vom Sachverständigenrat ermittelten CO2-Restbudget von 6,7 Gigatonnen weniger als 1 Gigatonne. Dabei sind in Anlage 2 zu § 4 KSG noch nicht die zusätzlichen CO2-Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft und die Deutschland zuzurechnenden Emissionen des internationalen Luft- und Seeverkehrs enthalten ..., die das verbleibende Budget zusätzlich schmälern. ... Zur Wahrung der Budgetgrenzen müsste demzufolge nach 2030 alsbald Klimaneutralität realisiert werden. Dass dies gelingen könnte, ist aber nicht wahrscheinlich."
Statt nun aber an dieser Stelle die bisherigen Ziele im Klimaschutzgesetz eindeutig für verfassungswidrig zu erklären, verlässt die Bundesrichter*innen hier der Mut (und/oder es siegt ihre Staatsloyalität), und sie ergehen sich noch in umfangreiche Spekulationen darüber, ob nicht aufgrund der Unsicherheiten in den Zahlen und möglicher unvorhersehbarer Entwicklungen doch noch irgendwie ein grundrechts-verträglicher Übergang zur Klimaneutralität denkbar wäre. "Im Ergebnis sind § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 verfassungswidrig, soweit eine den grundrechtlichen Anforderungen genügende (oben Rn. 251 ff.) Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für den Zeitraum ab 2031 bis zum Zeitpunkt der durch Art. 20a GG geforderten Klimaneutralität fehlt", d.h. wenn es der Bundesregierung irgendwie gelingen sollte, einen Weg zur Klimaneutralität aufzuzeigen, der trotz hoher Emissionen bis 2030 das Klimaziel einhält, ohne drastische Einschränkungen ab 2031 zu erfordern, wäre das auch in Ordnung. Dass das allerdings pures Wunschdenken ist, ist im ersten Teil der Urteilsbegründung deutlich ausgeführt. Dieses Lavieren des BVerfG ist auch der Grund dafür, dass die Kläger*innen eine Anrufung der europäischen Gerichte prüfen wollen.
Hat diese Entscheidung auch Auswirkungen auf die Klimawirkungen des Luftverkehrs? Direkt ablesbar ist das zunächst einmal nicht, denn das BVerfG beschäftigt sich nicht mit den Klimawirkungen einzelner Sektoren, und das Klimaschutzgesetz bezieht auch nur einen kleinen Teil der Luftverkehrsemissionen, nämlich die der innerdeutschen Flüge, mit ein. Bei genauerem Hinsehen enthält das Urteil allerdings doch einige Aussagen, die dafür relevant sind.
Da ist zum einen der mehrfach auftauchende Hinweis, dass "die Deutschland zuzurechnenden Emissionen des internationalen Luft- und Seeverkehrs" in den Emissionsbudgets nicht enthalten sind, aber bei der Betrachtung des Risikos unzulässiger Grundrechtsbeschränkungen sehr wohl zu berücksichtigen sind. Und da ist vor allem die oben schon hervorgehobene Aussage: "Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken". Das gilt natürlich auch für Deutschlands Agieren in der Luftverkehrspolitik der EU und im ICAO-Rat, dessen Klimaschutz-Aktivitäten
völlig unzureichend sind.
So zeigt z.B. eine
Analyse der europäischen NGO 'Transport & Environment', dass allein die Emissionen der (staatlich geförderten) Lufthansa bei 'business as usual' in den Jahren bis 2050 rund die Hälfte des verbleibenden Budgets ab 2030 aufbrauchen würden (0,5 von rund 1 Gigatonne CO2). Und um 2050 einen wenigstens CO2-freien, aber damit noch lange nicht klima-neutralen Flugverkehr zu erreichen, müssten
nach einer neuen Studie wesentlich grössere Anstrengungen unternommen werden, als bisher geplant sind.
Das Urteil liefert also durchaus gute Argumente, um auch im Flugverkehr deutlich grössere Anstrengungen für den Klimaschutz zu fordern. Verfassungs-konforme Luftverkehrspolitik erfordert, Klimaziel-konforme Treibhausgas-Emissionsbudgets für den Flugverkehr global, EU-weit und für Deutschland zu ermitteln und die Zahl der damit möglichen Flüge dementsprechend zu steuern. Die Bundesregierung muss das in Deutschland durchsetzen und in der EU und bei ICAO nachdrücklich dafür eintreten. Airlines müssten entsprechende 'Klima-Slots' erwerben, um Flüge durchführen zu können. Der Druck, emissions-armes Fluggerät zu entwickeln und einzusetzen, würde enorm steigen, die Kosten für dessen Entwicklung wären von denen zu tragen, die davon profitieren.
Es macht aber auch deutlich, dass die Gerichte diese Forderungen nicht aufstellen und durchsetzen werden. Und trotz aller aktuell wehenden grünen Mäntelchen gilt auch vor und nach den anstehenden Wahlen die (leider nicht gender-gerecht formulierte) Weisheit aus dem alten deutschen Liedgut: "Es rettet uns kein höhres Wesen, kein Gott, kein Kanzler noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun." Es ist die Aufgabe der Bewegungen für Klimaschutz und gegen die Ausweitung des Luftverkehrs, das Elend der derzeitigen Klimapolitik im Luftverkehr zu beenden, die richtigen Forderungen zu propagieren und zivilgesellschaftlichen Druck aufzubauen, damit Regierung und Parlament auch in diesem Bereich tun müssen, was verfassungsrechtlich geboten ist.
11.04.2021
Wie holprig dieser Weg sein kann, zeigt der
Abschlussbericht zum
UBA-Projekt, das den 'Einfluss eines Großflughafens', nämlich des Frankfurter Airports, auf die Ultrafeinstaub-Belastung in der Umgebung darstellen sollte.
Schon die
Zwischenergebnisse
liessen vermuten, dass das nicht gelingen würde, und der Bericht bestätigt es.
Dass die Beurteilung durch den Auftraggeber trotzdem positiv ausfällt, liegt an einer nachträglichen Umdefinition.
Während es in der
Leistungsbeschreibung bei Ausschreibung des Projekts noch hiess:
"Durch Modellrechnungen soll die räumlich differenzierte Exposition der Bevölkerung in der Umgebung eines Großflughafens von bis zu ca. 30 km ermittelt werden", wurde daraus bei Vorstellung des Berichts eine Studie,
"die durch die Anwendung vorhandener Emissions-Datensätze und Kombination möglicher Modellansätze die modellhafte Beschreibung der Ultrafeinstaubkonzentration wiedergibt und deren aktuelle Grenzen aufzeigen soll (Machbarkeitsstudie)". Und zur Machbarkeit gibt es auch eine eindeutige Aussage: So geht's nicht.
Trotzdem müssen natürlich für die Öffentlichkeit einige handfeste Ergebnisse vorgezeigt werden. Dies geschieht in der
Pressemitteilung des Umweltbundesamtes, mit der der Abschlussbericht vorgestellt wird. Die wesentliche Botschaft steht in der Überschrift: "Turbinen-Abgase am Boden sind größte Quelle für Ultrafeinstaub von Flughäfen". Im Text heisst es dann zwar noch: "Die Hälfte davon entfällt auf Rollbewegungen der Flugzeuge am Boden, die andere Hälfte auf Start- und Landevorgänge", aber im Kern wird das Dogma bestätigt: die Freisetzung der ultrafeinen Partikel erfolgt auf dem Flughafengelände, von dort aus verteilt sie der Wind.
Für dieses Ergebnis braucht es allerdings keinerlei Modellrechnung, es ist schon durch die zugrunde gelegten Input-Parameter festgelegt. Für die Prozesse 'Landung', 'Rollbewegung am Boden', 'Start' und 'Steigflug' sind jeweils Emissionsfaktoren für UFP vorgegeben. Man muss also nur wissen, wie häufig jeder dieser Prozesse vorkommt, um durch Multiplikation und Aufsummieren die jeweiligen Anteile zu berechnen. Um herauszufinden, wie plausibel diese Aussage ist, muss man wesentlich tiefer in den Bericht einsteigen (s. unten).
Genauso ist es mit der zweiten Aussage in der Unter-Überschrift: "Weniger Schwefel im Kerosin und elektrische Schlepper am Boden können Emissionen stark senken". Auch das hat nichts mit der Modellierung zu tun. Der Schwefelgehalt des Kerosins kommt dort garnicht vor, es wird vielmehr ein konstanter mittlerer Gehalt angenommen und der Emissionsfaktor entsprechend angepasst. Aussagen dazu, welche Auswirkungen eine Variation dieses mittleren Gehalts haben würde, gibt es nicht. Und dass, wenn man die Laufzeit der Turbinen am Boden durch den Einsatz von Schleppern reduziert, diese weniger emittieren, ist so trivial, dass es dafür keinerlei Rechnung braucht.
Das heisst natürlich nicht, dass die daraus resultierenden Empfehlungen falsch wären. Natürlich hat Schwefel in Brennstoffen, auch im Kerosin, nichts zu suchen, und Verbrennungsmotoren durch elektrische Antriebe zu ersetzen, macht auch Sinn, falls der Strom aus erneuerbaren Energien kommt. Diese Erkenntnisse stammen aber nicht aus diesem Projekt. Und auch die dritte Empfehlung: "Partikelemissionen hängen aber auch von der Triebwerkstechnologie ab. Entsprechend ausgestaltete emissionsabhängige Landeentgelte können daher wichtige Anreize setzen, diese zu reduzieren", könnte Sinn machen, hat aber mit Projektergebnissen ebenso wenig zu tun.
Primäre Partikel werden in einer Grössenordnung von 1014 Teilchen pro kg Treibstoff emittiert, für sekundäre Partikel beträgt dieser Wert bis zu 1017.
Was gibt es also aus dem Projekt wirklich zu lernen? Der Bericht enthält durchaus eine Reihe von interessanten technischen Details und kritischen Diskussionen, aber die auf zweieinhalb Seiten zusammengefassten Schlussfolgerungen und der Ausblick sind extrem dünn.
Für das Versagen der Modellierung wird im Wesentlichen eine Erklärung geliefert: das Modell LASPORT, das für die Modellierung der Partikelemissionen aus den Flugzeugtriebwerken genutzt wird, kann nur einen Teil der ultrafeinen Partikel, die sog. 'nicht-flüchtigen' oder Primär-Partikel, darstellen. Lediglich das Modell für die Hintergrundbelastung erfasst die Gesamtzahl der Partikel (und dominiert deshalb die Belastung im Gesamtmodell extrem, weitaus mehr als in anderen Untersuchungen).
Dass das fatale Auswirkungen auf alle Ergebnisse hat, kommt nicht überraschend. Eine aktuell vom DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, erstellte
Literatur-Übersicht zeigt, dass Studien schon vor zehn Jahren zu dem Ergebnis kamen, dass Modelle, die atmosphärische Reaktionen ultrafeiner Partikel vernachlässigen, "den Beitrag der Flugzeug-Emissionen zur lokalen und regionalen Luftverschmutzung wahrscheinlich unterschätzen" (eigene Übersetzung). Tatsächlich können durch diese Prozesse, abhängig von externen Parametern wie der Temperatur, tausendmal mehr ultrafeine Partikel entstehen, als direkt vom Triebwerk emittiert werden.
Solange die Modelle diese Prozesse nicht erfassen, kann es in der Tat keine Übereinstimmung zwischen Messungen und Modellergebnissen geben. Der ebenfalls im Bericht geäusserte Vorschlag, doch bitte das zu messen, was sich auch modellieren lässt, ist aus deren Sicht zwar verständlich, hilft jedoch nicht dabei, die tatsächliche Belastung der betroffenen Bevölkerung zu ermitteln. Dazu müssen sowohl die Messungen (u.a. auf den Bereich bis 10 nm) erweitert als auch die Modellierungen wesentlich verbessert werden.
Was das Umweltbundesamt als Auftraggeber aus dem Projekt lernt, wird sich genauer sagen lassen, wenn Details zu dem Nachfolge-Projekt vorliegen, dass diesmal am neuen Berliner Flughafen durchgeführt werden soll. Vielleicht gibt es bis dahin auch schon Ergebnisse aus den EU-Projekten mit den klangvollen Namen
AVIATOR und
RAPTOR, die einige von den Fragen thematisieren, an denen das UBA-Projekt gescheitert ist, aber darüber hinaus noch weitere spannende Themen, auch zu gesundheitlichen Folgen und möglichen Regulierungen, betrachten.
Wer sich dafür interessiert, sollte sich aber auch die CORDIS-Seiten zu
AVIATOR und
RAPTOR ansehen, denn kurioser Weise sind nicht alle Ergebnisse auf den jeweiligen Homepages zu finden.
Wie man aktuell die Belastungen durch Ultrafeinstaub besser erfassen kann, zeigt z.B. eine neue
Studie aus den USA. Über zwei Jahre wurden rund um den Flughafen von Seattle in einem Umkreis von 10 km mobile Messungen von Ultrafeinstäuben (bis hinunter zu 10 nm Durchmesser) und anderen Luftschadstoffen durchgeführt. Durch komplexe statistische Analysen konnten die Autoren zeigen, dass zwar die höchsten UFP-Anzahlkonzentrationen durch den Strassenverkehr erzeugt werden, die aber nach wenigen hundert Metern auf Hintergrundniveau abfallen. Dagegen finden sich unter den Flugrouten, insbesondere unter den Landeanflügen, stark erhöhte Werte, die sich über eine viel grössere Fläche erstrecken und deutlich mehr zur Belastung der Bevölkerung beitragen.
Und damit wären wir auch wieder bei der Kernaussage des UBA-Berichts, wonach die "Turbinen-Abgase am Boden ... größte Quelle für Ultrafeinstaub von Flughäfen" sind. Diese Aussage resultiert aus der Vernachlässigung eines wesentlichen Anteils der Belastungen, und das sie falsch ist, ergibt sich schon daraus, dass mit dieser Annahme die gemessenen Werte nicht erklärt werden können. Es wäre also höchste Zeit, dass auch für das
hessische UFP-Projekt entsprechende Konsequenzen gezogen und die Projektinhalte entsprechend angepasst werden. Leider gibt es bisher keinerlei Hinweis, dass das passieren könnte.
Zwar wurde bei der
Präsentation des Sachstands dieses Projekts in der Fluglärmkommission neben einigen sinnvollen Ergänzungen des HLNUG-Meßprogramms (leider nicht die, die hier diskutiert wurden) auch eine 'Wissenschaftliche Qualitätssicherung' und ein 'Transparenzpapier' angekündigt, aber das kennen wir ja schon von anderen derartigen Projekten: dort haben sie nichts bewirkt. Auch hat wohl niemand in der FLK Diskussions- oder Änderungsbedarf angemeldet (das Protokoll liegt aktuell noch nicht vor).
Dabei liegt es nach dem Scheitern des UBA-Projektes auf der Hand, was passierem müsste. Einerseits müssen natürlich die
Ausbreitungsmodelle für UFP erweitert werden, damit sie auch alle Teilchenarten und -grössen erfassen können. Aber vor allem müssen die Messungen so erweitert werden, dass sie erlauben, alle relevanten Prozesse der Entstehung und Verbreitung von UFP zu identifizieren. Erst dann kann man erwarten, dass Modelle die verbleibenden Wissenslücken sinnvoll füllen können.
Ein erster Ansatz dazu wäre, die stationären HLNUG-Messungen durch Methoden, wie sie z.B. in Seattle angewendet wurden, zu ergänzen. Um die Rolle der Überflüge wirklich zu erfassen, wäre allerdings etwas mehr Aufwand notwendig. Denkbar wären z.B. Meßarrays aus
LIDAR-Geräten und Partikelzählern unter den An- und Abfluglinien, mit denen die Ausbreitung der Wirbelschleppen im Nahbereich des Flughafens und die dadurch bewirkten Partikeltransporte nachgewiesen werden könnten. Die grundlegenden Methoden
sind bekannt und könnten sicher mit vertretbarem Aufwand angepasst werden.
Mit solchen Arbeitspaketen könnte das Projekt sicher wesentliche Beiträge zu den wichtigsten offenen Fragen leisten. Aber leider scheint es niemanden zu geben, der genug Interesse und Einfluss hätte, so etwas durchzusetzen.
23.03.2021
Im vorhergehenden Beitrag haben wir versucht, die Hintergründe für die überraschende erweiterte Nutzung des 'Segmented Approach' zu beleuchten. Hier soll es jetzt darum gehen, wie lärmverschiebende Maßnahmen generell zu bewerten sind.
Wenn Lärm aus Schallschutzgründen verschoben wird, dann sollen dadurch weniger Menschen betroffen werden, wenn möglich auch von weniger Lärm. Das in Frankfurt für Lärmschutz-Planung zuständige 'Forum Flughafen und Region' listet die dafür ins Auge gefassten Maßnahmen unter der Überschrift
Siedlungszentren umfliegen und gezielte Bahnnutzung auf.
Darin steckt ein wichtiger Hinweis: Lärm wird nicht nur verschoben, wenn neue Flugrouten eingeführt werden, sondern auch, wennn bestehende Routen anders, d.h. mit veränderter Intensität, genutzt werden.
Tatsächlich gehören mit Ausnahme der neuen Route
AMTIX kurz alle aktuellen Maßnahmen in die Kategorie 'gezielte Bahnnutzung'. Den 'Segmented Approach' (der übrigens nur aus hier irrelevanten formalen Gründen nicht, wie überall sonst auf der Welt, 'Curved Approach' heisst) gab es schon für verspätete Nachtflüge. Eine weitere Maßnahme ist auf der Grafik angedeutet. Mit Sicherheit keine Schallschutzmaßnahme, aber für die Betroffenen deutlich hörbar, wird die Centerbahn insbesondere in den 'Nachtrandstunden' (die eigentlich Nachtstunden sind) verstärkt genutzt.
Auf der Grafik nur dadurch sichtbar, dass etwas fehlt, ist die grösste Lärmverschiebungsmaßnahme überhaupt: die Schliessung der Nordwestbahn und damit die Verlagerung aller Landungen auf das Parallelbahn-System. Hierzu gab es keinerlei Konsultationen oder Folgeabschätzungen, auch die Fluglärmkommission wurde nicht gefragt. Dennoch soll diese Verschiebe-Maßnahme durch das von Fraport bei wieder steigenden Flugbewegungszahlen geplante System der
rollierenden Bahnnutzung verstetigt werden.
Tatsächlich sind bei Änderungen von Bahn- oder Routennutzungen Konsultationen der Betroffenen gar nicht vorgesehen. Auch neue Lärmabschätzungen gibt es in der Regel nicht. Es wird einfach angenommen, dass vor Jahren oder Jahrzehnten durchgeführte Abschätzungen noch gelten, oder es gilt einfach 'Gewohnheitsrecht'.
Die aktuellen Änderungen führten zu ganz unterschiedlichen Reaktionen. Der 'Segmented Approach' hat je nach Betroffenheit stille Befürworter und lautstarke Gegner. Die verstärkte Centerbahn-Nutzung wird dagegen kaum diskutiert, obwohl es dabei um mehr Flugbewegungen zu kritischeren Zeiten geht. Die Schliessung der Nordwestbahn schliesslich wird selbst von denen, die angeblich gegen jede Lärmverschiebung sind, lautstark begrüsst, während die Betroffenen unter dem Parallelbahn-System sich kaum äussern.
Wenn man solche Maßnahmen nicht nur nach der eigenen Betroffenheit bewerten will, muss man überlegen, welche Kriterien dafür angemessen sein könnten. Die Befürworter dieser Art von Schallschutz gehen davon aus, dass ein (lautes) System wie der Flughafen dann optimal eingerichtet ist, wenn die aufsummierte Belästigung im Umfeld den unter den gegebenen Bedingungen kleinstmöglichen Wert erreicht. Das Instrument dafür ist der
Frankfurter Fluglärmindex, der genau das tun soll: aus den Schallimmissionen an jedem Ort im engeren Umfeld des Flughafens und der Zahl der dort lebenden Menschen eine Art 'kumulierte Belästigung' zu berechnen. Durch Hin- und Herschieben der Flugbewegungen wird diese Zahl minimiert und damit optimaler Schallschutz erreicht.
Der Ansatz mag zunächst plausibel klingen, hat aber zahlreiche Tücken und Fallstricke. Zum ersten hat der FFI
viele handwerkliche Mängel, und es gibt durchaus Zweifel, ob es überhaupt eine sinnvolle Meßgrösse geben kann, die die Belastung durch Fluglärm in einer Zahl zusammenfasst. Zweitens ist die Frage, ob die subjektiv empfundene Belästigung wirklich hinreichend gut durch den 'äquivalenten Dauerschallpegel', gemessen über einen sehr langen Zeitraum, vorhergesagt werden kann und ob sie überhaupt ein geeignetes Maß für die durch Fluglärm hervorgerufenen Belastungen ist. Fluglärm erhöht das Risiko für eine ganze Reihe von Erkrankungen, die durchaus unabhängig von der empfundenen Belästigung entstehen können.
Vor allem aber setzt diese Methode des Schallschutz voraus, dass es überhaupt zulässig ist, Menschen zu entlasten, indem andere Menschen dafür neu oder stärker belastet werden. Dafür muss der Fluglärm für die Neubelasteten als "zumutbar" deklariert werden. Realpolitisch-pragmatisch geschieht das durch einen Blick ins Gesetz. Wenn dort ein entsprechender Grenzwert definiert ist, dann ist alles, was drunter liegt, zumutbar und kann theoretisch jedem und jeder auferlegt werden. Das geschieht, wenn Menschen ein Industrieschlot vor die Nase gesetzt, eine Umgehungsstrasse vors Fenster gebaut oder eben auch eine Flugroute über den Kopf gelegt wird.
Das Problem dabei ist allerdings, dass sich bis auf die Luftverkehrswirtschaft und ihre Lobbyisten alle einig sind, dass die Grenzwerte des sog. 'Fluglärmschutzgesetzes'
völlig unzureichend sind und auch die Protagonisten dieser Schallschutz-Methode dagegen
protestiert haben, sie aber trotzdem anwenden. Für andere Lärm- oder Schadstoff-Grenzwerte gilt das in ähnlicher Weise.
Wenn man aber davon ausgehen muss, dass die gesetzlich festgelegten Belastungsgrenzwerte (für Lärm, für Schadstoffe und für manches andere) nicht wirklich die Gesundheit und die Umwelt schützen, sondern nur
Kompromisse sind, "Ergebnis eines politischen Abwägungsprozesses: gesundheitliche Verbesserungen versus Machbarkeit und Kosten der zu ergreifenden Maßnahmen", wie sollte man politisch damit umgehen?
Auf diese Frage gibt es naturgemäß unterschiedliche Antworten. Wir bevorzugen folgende: "die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Umwelt müssen oberste Priorität haben; wirtschaftliche Interessen sind dem unterzuordnen. Unvermeidbare Belastungen sind so zu verteilen, dass die Risiken für Gesundheit und Umwelt minimiert werden". Konkret angewendet auf den Fluglärm und die damit verbundene Schadstoff-Belastung heisst das, dass die Zahl der Flugbewegungen auf das absolut notwendige Maß reduziert werden muss. Dann noch notwendige Flüge müssen so organisiert werden, dass die Belastungen minimiert werden. Das heisst, dass die besonders kritischen Zeiten absolut geschützt werden (Nachtflugverbot von 22 - 6 Uhr) und die Flüge in der übrigen Zeit so durchgeführt werden, dass sie möglichst wenig Lärm und Abgase erzeugen. Dass wiederum heisst, es wird dort geflogen, wo möglichst wenig Schall bei den Menschen ankommt.
In der aktuellen Auseinandersetzung folgt daraus, dass die dogmatische Position "keine Lärmverschiebung" (die ohnehin niemand wirklich ernsthaft und konsequent vertritt) nicht zielführend ist. Natürlich sind Maßnahmen wie der 'Segmented Approach' zwiespältig und doppeldeutig, wie die meisten Reformen: sie bringen nur begrenzte Fortschritte, haben häufig negative Nebenwirkungen und stabilisieren ein System, das eigentlich abgeschafft gehört. Manchmal sind aber auch die kleinen Fortschritte dringend nötig, zeigen, dass Dinge veränderbar sind und ermutigen dazu, weiter und konsequenter für die eigenen Interessen einzutreten. Man darf allerdings nicht den Fehler machen, die erreichten Zwischenergebnisse für die eigentlichen Ziele zu halten oder sie sich dafür verkaufen zu lassen.
Das ist übrigens beim Passiven Schallschutz ganz ähnlich. Wirksame Schalldämmung an Fenstern und Dächern und effiziente Lüftung (nichts davon gibt es bisher von Fraport) sind für diejenigen, über deren Köpfen der Lärm so schnell nicht verschwinden wird, eine deutliche Erleichterung, aber nur Schulte, Spohr & Co. können wohl behaupten, dass damit alle Probleme gelöst wären.
Aber natürlich bringt nicht jede Veränderung auch einen Fortschritt. Es gibt eine Reihe von Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit z.B. ein Probebetrieb für ein verändertes Flugverfahren überhaupt in Betracht kommen kann. Einige davon sind bisher nur auf dem Papier erfüllt, aber unzureichend umgesetzt, wie eine fundierte und transparente Vorabschätzung, welche Verbesserungen und Verschlechterungen zu erwarten sind und wie sie bewertet werden. Dazu gehört z.B. auch, dass nicht einige wenige Menschen extrem hoch belastet werden, auch wenn in der Gegenrechnung viele entlastet werden könnten. Bisher heisst es nur, dass die Zahl der Höchstbelästigten nicht zunehmen soll. In diesem Lärmbereich sind die Gesundheitsrisiken aber bereits so groß, dass das keine Frage für die Statistik sein darf. Kein Individuum darf einer derartigen Belastung ausgesetzt werden, auch wenn dafür mehrere andere aus dieser Gruppe herausfallen. Belastungen dieser Größenordnung müssen so schnell wie möglich beseitigt werden.
Das Lärmmonitoring darf sich nicht nur auf überwiegend unzureichende Berechnungen stützen, sondern muss unbedingt umfangreiche Messungen an alle relevanten Stellen und darauf gestützte Modellierungen enthalten.
Unverzichtbar ist auch, dass allen, die Verschlechterungen hinnehmen müssen, noch vor der endgültigen Umsetzung einer Maßnahme alle notwendigen Kompesationsmaßnahmen, insbesondere auch ausreichender passiver Schallschutz, auf Kosten der Betreiber angeboten werden. Das gegenwärtige System der völlig unzureichend dimensionierten 'Lärmschutzzonen', die nur alle paar Jahre mal ebenso unzureichend überprüft werden, taugt dazu absolut nicht. Und natürlich muss bei der endgültigen Varianten-Auswahl neben der unverzichtbaren Sicherheit des Verfahrens die Minimierung der Lärmbelastung ganz oben stehen, nicht wie bisher die Kapazität.
Keine einzige der aktuell umgesetzten, geplanten oder diskutierten Maßnahmen hält diesen Kriterien stand. Solange hier nicht von Fraport, Lufthansa und Verkehrsministerium deutlich nachgebessert wird, sind sie alle abzulehnen. Sie grundsätzlich ganz auszuschliessen, ist allerdings auch nicht der richtige Weg.
Varianten des 'Segmented Approach', einer Maßnahme aus dem Programm 'Aktiver Schallschutz'
Derzeit getestet werden die grauen, mit 'SegApp RNAV' bezeichneten Routen.
13.03.2021
Schon als das 'Forum Flughafen und Region' vor 3 Jahren sein zweites
Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz beschlossen hat, war klar, dass es künftig neue Konflikte in der Region geben würde. Die darin enthaltenen Maßnahmen, die überhaupt etwas bewirken können, gehören alle in die Rubrik
Siedlungszentren umfliegen und führen zu Verschiebungen der Belastungen innerhalb der Region. Dies zeigte sich dann auch prompt bei der ersten Umsetzung, als zur Entlastung des Darmstädter Nordens eine Veränderung einer Abflugroute von der Startbahn West, genannt
AMTIX kurz, eingeführt wurde.
Das FFR hatte zur besseren Begründung dieser Maßnahme extra noch sein Universalinstrument, den 'Frankfurter Fluglärm-Index', zur
Version 2.0 aufgehübscht, aber damit auch nur die Entscheidungsfindung noch intransparenter gemacht. Ein Konsens wurde nicht erreicht, die von der Verlagerung besonders stark betroffene Gemeinde Erzhausen wurde einfach überstimmt.
Ein Erfolg wurde diese Maßnahme bisher nicht. Zwar wurde sie in der
Sitzung der Fluglärmkommission am 25.09.2019 beschlossen, am 11.09.2020 vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung als Probebetrieb
genehmigt und Anfang November begonnen, aber am 29.01.2021
schon wieder ausgesetzt.
Als Begründung wurden
Sicherheitsprobleme angeführt, während die
Lärmbewertung positiv ausfiel. Die stützte sich allerdings nicht auf Messungen, sondern ausschließlich auf Berechnungen des FFR. Interessanter Weise blieben die Berechnungen des Umweltbundesamtes, die das BAF in seinem sog.
Abwägungsvermerk zur Genehmigung veröffentlicht hatte und die die Belastungszunahme für Erzhausen, Teile von Langen und Messel viel deutlicher zeigen, dabei unerwähnt. Das FFR hat
angekündigt, ein neues Verfahren für die Umfliegung des Darmstädter Nordens ausarbeiten zu wollen, rechnet aber mit einem Probebetrieb dafür frühestens in 2022.
Etwas überraschend begann vor einigen Tagen ein neuer Versuch. Lufthansa, Fraport und DFS haben ein Anflugverfahren aus der Versenkung geholt, das zwar schon seit 10 Jahren existiert, aber bisher nur zum Einsatz kam, wenn eigentlich garnicht geflogen werden sollte: für Anflüge nach 23:00 Uhr. Die Fluglärmkommission hat der Einführung in ihrer Februar-Sitzung mit Anmerkungen zugestimmt, und die DFS hat den Beginn wenige Tage später verkündet. Seit 1. März werden nun bei Anflügen aus dem Süden die Städte Mainz, Offenbach und Hanau (manchmal) elegant umkurvt.
Kritik an dieser Maßnahme kommt insbesondere aus den betroffenen Gemeinden
im Kreis Offenbach und
aus Rüsselsheim,
während
aus Mainz und
der Stadt Offenbach eher positive Töne kommen. Kritisiert wird neben der Tatsache, dass diese Maßnahme Lärm nicht reduziert, sondern nur verschiebt, vor allem, dass die Einführung des Probebetriebs ohne vorherige Konsultation der betroffenen Kommunen erfolgt ist.
Es gibt dazu allerdings noch einiges mehr zu sagen. So ist das angekündigte
Monitoring des Verfahrens absehbar äusserst lückenhaft und stützt sich, wie so oft, nur auf durchaus zweifelhafte Berechnungen. Die von FFR und Fraport üblicherweise eingesetzten Rechenverfahren sind garnicht in der Lage, die mit solchen Manövern verbundenen Lärmimmissionen korrekt zu erfassen, und Meßstationen gibt es dort, wo die Veränderungen zu erwarten sind, nicht. Auch sollte man, wenn man Veränderungen feststellen will, zunächst den Ausgangszustand erfassen, aber das ist nicht passiert. Zudem betonen die Initiatoren immer wieder, dass nur bestimmte Anflüge aus dem Süden für das Verfahren ausgewählt werden sollen, sagen aber nicht, nach welchen Kriterien dies geschehen soll. Auch bleibt im Dunkeln, was bei diesen "lange etablierten und sicheren" Flugverfahren eigentlich noch zu testen ist und woran die Durchführung bei höheren Flugbewegungszahlen scheitern könnte.
Bemerkenswert ist auch, dass das sonst für alle Schallschutzmaßnahmen zuständige 'Forum Flughafen und Region' und sein 'Expertengremium Aktiver Schallschutz' offenbar nicht einbezogen wurden. Das FFR hat in seinem Maßnahme-Baukasten zur Umfliegung dichtbesiedelter Gebiete mehrere Varianten dieses sog. "Segmented Approach" zur Auswahl, deren Beschreibung aber überwiegend veraltet ist. Die jetzt getestete Variante heißt dort noch Segmented RNAV (GPS) Approach und wird als 'im Regelbetrieb' für die Zeit von 23 - 24 Uhr für Flugzeuge mit 'entsprechender technischer Ausrüstung' (gemeint ist GBAS) beschrieben. Von einer geplanten Ausweitung ist nicht die Rede. Stattdessen geht das FFR hier noch davon aus, dass geprüft werden sollte, ob ein solcher gekurvter Anflug auch mit dem Standard-Instrumentenlandesystem ILS durchgeführt werden kann. Dann könnte er nämlich für alle Flugzeuge, unabhängig von der sonstigen technischen Ausstattung, eingeführt werden. Der Beginn dieses Prüfverfahrens war für 2018 vorgesehen, hat aber nie stattgefunden.
Ein weiteres Projekt zum 'Segmented Approach' befindet sich beim FFR noch in der Theoriephase. Es heißt
Segmented Approach Independent Parallel und soll klären, wie das Kurvenverfahren auch bei höheren Verkehrszahlen durchgeführt werden kann. Die Begründung ist sehr aufschlussreich.
Einen weiteren Hinweis auf das, was gerade vorgeht, findet man in älteren Unterlagen der Fluglärmkommission. In der Dezembersitzung 2020 überraschten Lufthansa und DFS die Kommission mit der Vorstellung eines Verfahrens, das bereits im Mai 2020 "innerhalb von nur fünf Wochen" eingeführt worden sei. Es nennt sich
Efficient Flight Profile Concept und ist im Wesentlichen eine abgeschwächte Variante des kontinuierlichen Sinkflugs, der an vielen Flughäfen Standard ist, in Frankfurt aber wegen der komplexen Luftraumstruktur bisher kaum genutzt wurde. Auch hier machte erst Corona es möglich.
In der Kommission kam es zu längeren Diskussionen (nachzulesen im
Protokoll, S. 14-18), hauptsächlich deshalb, weil es ein halbes Jahr gedauert hat, bis die Information dort ankam, aber in der
Pressemitteilung wurde das Verfahren im Wesentlichen begrüsst, weil es Emissionen und Lärm verringere und niemanden zusätzlich belaste. Ob Letzteres wahr ist, lässt sich natürlich nicht überprüfen, weil die Veränderungen weiter entfernt vom Flughafen stattfinden, wo offiziell gar kein Fluglärm existiert und daher auch nicht gemessen wird. Allerdings hat wohl auch niemanden gestört, dass dieses Verfahren eingeführt wurde.
Lufthansa und DFS haben auch nicht groß versucht, das Verfahren als Schallschutzmaßnahme zu verkaufen. In der
DFS-Pressemitteilung, die bereits im September veröffentlicht wurde, wird vor allem auf "eine im Vergleich zu Standardanflügen verbrauchs- und emissionsärmere Landung" hingewiesen, in den Stellungnahmen in der FLK standen laut Protokoll offenbar besonders die "wirtschaftlichen Vorteile" für die Airlines im Vordergrund.
Die Gemeinsamkeit zwischen Kurvenflug und Sinkflug liegt offensichtlich genau darin: beide wurden von Lufthansa und DFS (und im ersten Fall auch Fraport) kurzfristig eingeführt, um Kosten zu sparen. FRA bekommt den Kurvenanflug nicht aus Schallschutzgründen. Dank des Pandemie-bedingt geringeren Verkehrsaufkommens können kürzere, direktere Anflüge durchgeführt werden, die weniger Treibstoff verbrauchen und Zeit einsparen. Dass sie im einen Fall auch noch einer bereits etablierten offiziellen Schallschutzmaßnahme entsprechen und im anderen zumindest so dargestellt werden können, macht die Sache nur einfacher. Dass dabei die üblichen Kommunikations- und Abstimmungswege übergangen werden und die Verfahren zwischen Lufthansa und DFS ausgekocht und anderen Airlines im Nachhinein großzügig zur Verfügung gestellt werden, stört bisher auch kaum jemanden.
Für die Kritik an diesen Maßnahmen ist es aber wichtig, die verantwortlichen Akteure und ihre Motivation genau zu benennen. Es ist primär das Profitstreben der Lufthansa, dem diese Maßnahmen dienen, und es ist das Verständnis der DFS, dass sie "als Dienstleister ihren Kunden, also den Airlines, das von ihnen gewünschte bestmögliche Profil anzubieten" habe, das für die weitgehend reibungslose Umsetzung von deren Wünschen sorgt. Wer gegen diese Maßnahmen vorgehen möchte, muss zur Kenntnis nehmen, mit wem er/sie es zu tun hat.
Einfacher ist es natürlich, auf einen Popanz einzudreschen und dabei auch noch seinen Lieblingsfeind abzuwatschen. Wer aber ernsthaft glaubt, der perfide Vorsitzende der Fluglärmkommission sei in der Lage, LH, DFS und Fraport für seine hinterhältigen Machenschaften einzuspannen und damit seiner Gemeinde wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, dem ist nicht mehr zu helfen. Das heißt allerdings auch nicht, dass das mehrheitliche Verständnis der FLK davon, wie Schallschutz aussehen sollte, nicht kritisiert werden müsste. Das bleibt aber einem folgenden Beitrag vorbehalten.
Diese und etliche weitere beeindruckende Bilder vom Zwischenfall
bei Denver am 20. Februar gibt es im Bericht des Aviation Herald.
09.03.2021
... zwar nicht über Raunheim, aber sie erinnern doch an die Gefahren, denen man auch hier in Flughafennähe ausgesetzt ist. Zumal dann, wenn an einem Tag gleich zweimal ganz ähnliche Zwischenfälle passieren und es Hinweise gibt, dass systematische Ursachen dahinter stecken.
Der spektakulärere der beiden Zwischenfälle vom 20. Februar dieses Jahres ereignete sich nach dem Start einer Boeing 777 vom Flughafen Denver im US-Bundesstaat Colorado. Eines der beiden Triebwerke der Maschine
geriet beim Steigflug in Brand. Teile der Triebwerksverkleidung und des Rotors lösten sich und fielen zu Boden. Die Maschine kehrte zum Flughafen zurück und konnte sicher landen. Das noch brennende Triebwerk wurde von der Flughafenfeuerwehr gelöscht. Die Passagiere konnten die Maschine ohne Schaden verlassen und wurden mit einer Ersatzmaschine und sechs Stunden Verspätung an ihr Ziel gebracht.
Im mehrfach aktualisierten
Bericht des Aviation Herald lassen sich die Details des Hergangs und erste Ergebnisse der Untersuchungen nachlesen, ausserdem sind dort sehr interessante Bilder und Videos von Passagieren, Beobachtern am Boden und der Polizei des Ortes zu sehen, auf den die Trümmerteile heruntergeregnet sind. Es grenzt an ein Wunder, dass dabei zwar ein Haus und mehrere PKW teils massiv beschädigt worden sind, aber kein Mensch verletzt wurde. Daher wird das Ereignis gemäß internationaler Gepflogenheiten auch nur als Zwischenfall ("incident") eingestuft.
Anders beim zweiten Fall. Hier wurde beim Start einer Boeing 747 vom Flughafen Maastricht nahe der niederländisch-deutschen Grenze eins von vier Triebwerken beschädigt. Die Verkleidung blieb dabei intakt, aber es regnete Metallteile aus dem Inneren des Triebwerks auf einen benachbarten Ort. Da eine Frau von einem Kleinteil getroffen und leicht verletzt wurde und ein Kind sich an einem noch heissen Trümmerteil verbrannte, gilt dieses Ereignis als (schwerwiegenderer) Unfall ("accident").
Auch hierzu gibt es eine genauere
Beschreibung des Hergangs beim Aviation Herald, eine Aktualisierung mit weiteren Untersuchungsergebnissen steht allerdings noch aus.
Diese unterschiedliche Einstufung der beiden Vorfälle mutet seltsam an, da es ja purer Zufall ist, dass die Kleinteile nahe Maastricht zwei Personen verletzt haben, während die wesentlich grösseren und zahlreicheren Trümmer bei Denver niemanden getroffen haben. Ansonsten waren die Beschädigungen am Flugzeug in Denver deutlich grösser, und das Risiko einer Notlandung mit nur einem funktionierenden Triebwerk ist höher als mit dreien.
Wichtig für die allgemeine Beurteilung der beiden (und einiger weiterer) Vorfälle sind aber die Gemeinsamkeiten in den technischen Details, die auf ein weiter verbreitetes, systembedingtes Risiko hindeuten.
Die erste Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide beschädigten Triebwerke aus der Baureihe PW4000 des Herstellers Pratt & Whitney stammen und über zwanzig Jahre alt sind. Zwar gehören sie zu verschiedenen Untertypen dieser Triebwerksreihe, enthalten aber nach Expertenangaben beide ganz oder teilweise Rotoren, deren Blätter in Leichtbauweise ("hollow fan blades") ausgeführt sind. Im Fall der B777 von Denver war der Bruch eines solchen Rotorblatts aufgrund von Materialermüdung mit großer Wahrscheinlichkeit die Ursache für den Triebwerksbrand, bei der B747 von Maastricht bestand der Trümmerregen zu einem wesentlichen Teil aus (Teilen von) solchen Rotorblättern. Gewissheit werden natürlich erst die Untersuchungsergebnisse liefern, die in einigen Monaten vorliegen werden.
Ein starker Hinweis, dass die Ursache für das Triebwerksversagen wirklich dort zu suchen ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass sich vor ziemlich genau 3 Jahren, am 13.02.2018, ein ähnlicher Zwischenfall mit einer B777 auf einem Flug von San Francisco nach Honolulu ereignete. Der Aviation Herald liefert dazu einen
Bericht, der auch die Ergebnisse des Abschlussberichts der US-Untersuchungsbehörde NTSB enthält. Demnach war dort eindeutig der Bruch eines solchen Rotorblatts aufgrund von Materialermüdung die Ursache. Ausserdem weist die Behörde darauf hin, dass die Ermüdungserscheinungen u.a. deshalb nicht erkannt wurde, weil der Triebwerkshersteller die speziellen Untersuchungsmethoden für solche Blätter auch nach zehn Jahren und über 9.000 Untersuchungen noch als "neue und sich entwickelnde Technologie" einstufte und sich damit die Einführung eines neuen Trainingsprogramms für Inspekteure gespart hat.
Als Ironie am Rande kann man noch vermerken, dass es genau diese Maschine war, die die Passagiere am 20. Februar schließlich doch noch nach Honolulu gebracht hat. Und warum auch nicht: sie hat ja sicherlich nach dem Vorfall 2018 neue Triebwerke bekommen ...
Ob die Einführung eines Trainingsprogramms für Inspekteure inzwischen nachgeholt wurde, werden die neuen Untersuchungen zeigen. Es ist jedenfalls ein weiteres Beispiel dafür, dass über die von den Medien erwähnte Tatsache hinaus, dass nach der B737-MAX, die nahezu
zwei Jahre nicht fliegen durfte, nun wieder ein Boeing-Flugzeugtyp vorläufig am Boden bleiben muss, die Sicherheit im Luftverkehr zunehmend
dem Profitstreben geopfert wird.
Es gibt aber noch weitere, beunruhigende Gemeinsamkeiten zwischen diesen Vorfällen und einer Vielzahl von anderen Problemen, die in jüngster Zeit in Flugzeugbau und Luftverkehr auftauchten. Die "hollow blade"-Technologie wurde entwickelt, um Triebwerke noch leichter zu machen und damit noch ein bißchen Treibstoff einzusparen, ähnlich wie viele andere Leichtbau-Technologien auch. Sie war aber von Anfang an nicht unumstritten und wurde, soweit bekannt, von anderen Triebwerksherstellern nicht übernommen. Gerade dieses Triebwerk hat allerdings von der ICAO ohne Probleme ein Zertifikat erhalten, um in zweimotorigen Maschinen bei Langstreckenflügen eingesetzt zu werden, die von den üblichen Vorschriften für die Einhaltung von Entfernungen zu Ausweichflughäfen abweichen, und gilt damit als besonders sicher. Ob es sich dabei auch wieder um eine der vielen Fehleinschätzungen und Nachlässigkeiten von Aufsichtsbehörden handelt, wie sie im
B737-MAX-Skandal aufgedeckt wurden, wird wohl bald deutlich werden.
Zugleich zeigt sich bei vielen anderen solcher Technologien, dass die Prognosen und Einschätzungen zu Belastungs- und Alterungs-Verhalten oft nicht genau genug sind und Rückrufe, Nachbesserungen oder Ergänzungen notwendig werden. Trotzdem werben Hersteller immer öfter damit, dass ihre Produkte einfacher und seltener gewartet werden können. Die Zahl der Probleme, die zu mehr oder weniger drastischen Konsequenzen führen können, dürfte also künftig eher zu- als abnehmen.
Angesichts der Tatsache, dass wir in der Vergangenheit auch so schon etlichen
Absturz-Gefahren ausgesetzt waren, Landeklappen und andere Teile rund um den Flughafen herunterkamen und eine Maschine
mit brennendem Triebwerk über Raunheim zum Flughafen zurückflog,
beschleichen einem da schon ungute Gefühle. Bei Maastricht regneten die Trümmerteile in rund 3 Kilometern Entfernung von der Startbahn herunter, bei Denver waren es fast 30 Kilometer. Alles, was in der Entfernung vom Flughafen unter Flugrouten dazwischen liegt, kann sich nicht sicher fühlen.
Aber auch hier hat Fraport für alle, die dadurch ernsthaft verunsichert sind, noch ein beruhigendes Gutachten aus dem Planfeststellungsverfahren zur Hand (Nr. G 16.1). Darin heisst es: Die "Aufenthaltsdauer, um von den Folgen eines Flugzeugunfalls betroffen zu sein", liegt bei "ununterbrochenem Aufenthalt" in der Umgebung des Flughafens zwischen 100.000 und 10 Millionen Jahren - und wer bleibt da schon so lange?
06.03.2021
Schon als Fraport vor drei Jahren zwei brasilianische Flughäfen übernommen hat, zeichnete sich ab, dass sich dort
neue Skandale entwickeln würden. Nur ein Jahr später
eskalierte der Konflikt um die Umsiedlung der Menschen, deren Siedlungen dem Ausbau der Rollbahn am Flughafen Porto Alegré im Süden Brasiliens im Weg waren.
Dieser Ausbau ist, neben der Umwandlung des Terminals in ein Luxus-Shopping-Center, ein Kernprojekt der Fraport. Der Flughafen soll durch massive Ausweitung des Flugbetriebs, insbesondere des Frachtverkehrs, profitabel gemacht werden. Dabei wird, wie bei Fraport üblich, keinerlei Rücksicht auf Rechte und Gesundheit der Bevölkerung in der Umgebung des Flughafens genommen.
Während der Widerstand vor Ort zumindest partiell Unterstützung von lokaler Politik und Justiz bekam, konnte sich Fraport in diesem Konflikt auf die ultrarechte Bundesregierung des Präsidenten Bolsonaro verlassen, die, seit 2018 im Amt, in der folgenden Zeit alle juristischen Hindernisse aus dem Weg räumte. Sie brachte die Justiz schließlich dazu, die verfassungsmäßigen Besitzrechte der Bevölkerung der zwei betroffenen Siedlungen zu ignorieren, die dem Ausbau direkt im Weg stehen. Darüber hinaus wurden die von Fraport organisierten privaten Räumkommandos zwecks Einschüchterung der Betroffenen von Militärpolizei begleitet. Damit konnte bereits ein grosser Teil der ehemaligen Wohnbevölkerung in weit entfernte Siedlungen, überwiegend ohne geeignete Schulen und Arbeitsplätze, abgedrängt werden.
Redebeiträge zur Solidarität mit Vila Nazaré
Für dieses Vorgehen wurde Fraport u.a. von Friends of the Earth, der Dachorganisation des BUND, als Musterbeispiel für Menschenrechtsverletzungen durch europäische Konzerne an den Pranger gestellt. In allen Hauptversammlungen der Fraport seit 2018 haben die Kritischen Aktionäre und der BUND den Fraport-Vorstand für dieses Vorgehen kritisiert und beantragt, ihn deshalb nicht zu entlasten. Auch die lokale Presse hat vereinzelt darüber berichtet. Der übergroßen Mehrheit der Aktionäre und den Mitgliedern des Aufsichtsrates, auch denen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und ver.di, waren Menschenrechtsverletzungen bisher jedoch offensichtlich gleichgültig.
Aktuell läuft nun das letzte Kapitel dieses Teils des Skandals. Die noch verbliebenen Bewohner, die weiterhin Widerstand leisten, werden in sog.
'Güteverhandlungen' ("conciliatory hearings") gezwungen. Dies sind gewöhnlich Anhörungen, in denen die beteiligten Parteien in Person und mit Beratern vor einem Gericht oder Ausschuss erscheinen und ihre Standpunkte darlegen können. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, die in Brasilien gerade wieder
besonders heftig zuschlägt, sind solche Anhörungen jedoch nicht möglich.
Um ihren Ausbau-Zeitplan nicht zu gefährden, hat Fraport daher einen Container der Behörde, die die Umsiedlungen organisieren soll, mit Internet-Anschluss ausrüsten lassen, damit die Anhörungen online stattfinden können. Die Forderung der Betroffenen und internationaler Unterstützer, die Anhörungen auszusetzen, bis wenigstens eine sichere Durchführung möglich ist, wurden ignoriert. Seit dem 1. März werden die Anhörungen durchgezogen, wobei die Richter*innen und die Fraport-Beauftragten in ihren Büros am Bildschirm sitzen, die Bewohner*innen der Siedlung aber sich unter beengten Verhältnissen in diesem Container einfinden müssen. Wie uns eine Aktivistin vor Ort berichtet, können dabei nicht einmal Berater*innen an den Diskussionen teilnehmen. Zugleich sollen die Betroffenen dazu genötigt werden, längst abgelehnte Umsiedlungsvorschläge anzunehmen oder Abfindungen zu akzeptieren, die nur einem Bruchteil dessen entsprechen, was sonst bei Umsiedlungen in Brasilien üblich ist.
Auch diesen Ausbau wird Fraport mit Unterstützung kurzsichtiger, reaktionärer Politiker und willfähriger Juristen durchsetzen. Da hilft es auch nicht, dass nicht nur die ca. 5.000 Menschen aus den beiden geräumten Siedlungen, sondern auch Zehntausende im weiteren Umfeld des Flughafens unmittelbar darunter leiden und mit ihrer Gesundheit bezahlen werden. Und die Klimawirkungen ihrer Tätigkeit haben Fraport auch noch nie interessiert.
Trotzdem ist es wichtig, über diese Vorgänge zu informieren, sie im Gedächtnis zu behalten, und die Scheinheiligkeit der hiesigen Fraport-Unterstützer zu entlarven, die sich um Menschenrechte bestenfalls dann kümmern, wenn sie nicht mit Konzerninteressen in Konflikt geraten. Das beweist auch deren Umgang mit dem
Lieferkettengesetz, für das die GroKo nun in ihren letzten Zügen einen völlig unzureichenden Entwurf vorgelegt hat. Nicht einmal die schwachen Standards, die UN und OECD für die Verantwortung von Konzernen für ihre internationalen Tätigkeiten vorgegeben haben, sollen vollständig umgesetzt werden.
Die notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz wird es jedoch nur geben, wenn die Interessen der Menschen überall im Vordergrund stehen - und nicht mehr der Profit.
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