Diese Seite enthält kurze Beiträge zu Themen, die im 1. Halbjahr 2016 aktuell waren.
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Es gab viele Diskussionen in kleinen Gruppen
Der Infostand der BIFR beim Bahnhofstrassen-Fest am 25./26.06. war wieder ein voller Erfolg. Die BI war sichtbar, es gab interessante Diskussionen, Fragen konnten beantwortet werden. Das Kernthema des diesjährigen Stands, die Belastung mit Ultrafeinstaub, erwies sich allerdings als schwer verdaulicher Brocken. Trotz intensiver optischer Aufbereitung (auch mit Hilfe von Materialien der Mainzer BIs) mochten sich nur Wenige mit dem Thema auseinander setzen - sei es, um sich nicht die Feierlaune verderben zu lassen, sei es, weil alles, was man seriös dazu sagen kann, einerseits ziemlich wissenschaftlich, andererseits noch ziemlich unbestimmt klingt. Es bedarf wohl noch einiger Anstrengungen, bis die Notwendigkeit, etwas gegen diese Belastung zu tun, in den Köpfen ist.
Da war es doch wesentlich einfacher, sich mit den diversen Fristen für den Erhalt von Geldern für Fluglärm-Opfer auseinander zu setzen. Norbert Schütz von der Stadt Raunheim, der dankenswerter Weise am Samstag sogar noch länger als die vereinbarten zwei Stunden am Stand war, konnte alle Interessierten ausführlich darüber informieren, bis wann sie welche Maßnahmen zum passiven Schallschutz umgesetzt haben müssen und wie sie, wenn überhaupt, die Gelder für die "Aussenwohnbereichs-Entschädigung" erhalten können.
Auch Kerstins Erfahrungen mit dem gesamten Prozedere wurden mit Interesse aufgenommen.
Ansonsten drehten sich die Diskussionen mehr um die aktuellen Belästigungen wie die vielen nächtlichen Landungen nach 23:00 Uhr, die es in letzter Zeit gab, die direkten Starts über Raunheim, die Einigen sehr unangenehm aufgefallen sind, aber auch den Verkauf des Treburer Waldes für den Terminal 3-Anschluss und die Posse um die Widerstands-Banner in Mörfelden-Walldorf.
Einen weiteren Bericht, Bilder und alle Materialien zum Download gibt es auf unserer Sonderseite zum Bahnhofstrassen-Fest. Auch das Rüsselsheimer Echo hat ausführlich über unseren Stand berichtet.
Sonst eher für schlechte Scherze bekannt, möchte das "Informationszentrum" des Umwelt- und Nachbarschaftshauses auch mal gehobenen Humor demonstrieren: Es lädt ein zu einer Vernissage (laut Wikipedia ist das die Eröffnung einer Kunstausstellung), in der laut Einladungs-Rundmail "Karikaturen von Teresa Habild, Luis Murschetz, Stephan Rürup, Kai Rohde, Greser & Lenz und Jürgen Janson gezeigt" werden, die sich mit "Themen wie Fluglärm, Flughafenausbau, Politik und Bürokratie" befassen.
Die meisten der genannten Künstler verdienen sich ihr Einkommen primär mit regelmäßigen Karikaturen für großbürgerliche Blätter wie FAZ, WELT und ZEIT. Ihr Humor ist teilweise recht gewöhnungsbedürftig, um es milde auszudrücken.
Einzige Ausnahme ist Kai Rohde, der zu den Ausbaugegnern gehört und einige gute Sachen gemacht hat. Warum er sich für diese Veranstaltung als Alibi hergibt, bleibt allerdings sein Geheimnis.
Im Wesentlichen darf man also erwarten, dass der Humor zu Lasten der Ausbaugegener gehen wird. Da die Mächtigen aber auch nie ein Problem haben, ihre Handlanger der Lächerlichkeit preiszugeben, wenn die sich hinreichend abhängig gemacht haben, werden wohl auch Al-Wazir & Co. ihr Fett abbekommen. Ob sich der Besuch dafür lohnt, ist allerdings fraglich.
Immerhin, und das ist anscheinend auch bei einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Propaganda-Institution nicht selbstverständlich: "Die Veranstaltung ist kostenlos und es bedarf keiner Anmeldung".
Und zumindest ein guter Witz ist ihnen gelungen: Die Veranstaltung trägt den Titel "Kritik mit Perspektive" - selten so gelacht.
Wer sich das Ganze antun will: die Vernissage findet statt am Mittwoch, 15. Juni 2016 von 18 bis 21 Uhr im Informationszentrum des UNH, Rüsselsheimer Str. 100, 65451 Kelsterbach. Die Ausstellung kann anschliessend bis zum 30.09., samstags und sonntags von 10 bis 16 Uhr an der gleichen Adresse angesehen werden.
Die Drohung kommt allerdings nicht nur von TTIP ...
Am 13.05. hat die EU-Kommission den Entwurf eines technischen Berichts vorgelegt, der die ökonomischen, sozialen und Umwelt-Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU darstellen soll. Darin wird deutlich gemacht, dass die wesentlichen ökonomischen Vorteile durch die Beseitigung sog. "nicht-tarifärer Handelshemmnisse" ("non-tariff measures", NTM, also alles, was nicht Zoll oder Steuer ist) bewirkt werden sollen. Im Bereich der Luftfahrt sind die einzigen sektor-spezifischen NTMs auf EU-Seite, deren Beseitigung Millionengewinne bringen soll, sog. "operative Beschränkungen", also u.a., explizit erwähnt, Nachtflugverbote.
Kern der Studie ist eigentlich der Versuch, mit Hilfe eines sog. "ökonometrischen Modells" zu versuchen, die möglichen bzw. gewünschten Effekte des Abkommens zu quantifizieren, also beispielsweise vorherzusagen, um welchen Prozentsatz die Löhne in einem bestimmten Wirtschaftssektor im Jahr 2030 höher sein würden als ohne das Abkommen. Selbst die zuständige EU-Kommissarin gesteht zu, dass solche Aussagen "mit einer gewissen Vorsicht zu genießen" sind. Kurioser Weise nehmen auch sonst eher kritische Stimmen diese Zahlenakrobatik ernst und weisen nur darauf hin, dass es nach diesen Rechnungen auch Verlierer geben wird.
Relevant an der obigen Aussage ist aber nicht, wie viele Millionen durch die Beseitigung dieser oder jener NTMs eingespart werden könnten oder auch nicht. Entscheidend ist, dass bestimmte Regelungen grundsätzlich als NTM eingestuft werden und daher möglichst wegverhandelt werden sollen. Die Autoren selber betonen, dass sie ihren Bericht in enger Abstimmung mit der EU-Verhandlungsdelegation erstellt haben und die Effekte berechnen, die auch tatsächlich verhandelt werden. Man muss also davon ausgehen, dass alles, was in diesem Bericht als Handelshemmnis auftaucht, von der EU zum Abschuss freigegeben werden soll.
Und das gilt natürlich nicht nur für TTIP. Auch die angeblichen Vorteile des EU-Kanada-Abkommens CETA beruhen im Wesentlichen auf der Beseitigung solcher NTMs, und US-Fluggesellschaften, die primär ein Interesse daran haben, können die dort vorgesehenen Mechanismen genauso nutzen, um gegen störende Regelungen vorzugehen.
Umso wichtiger ist es, die nach wie vor vorhandene Absicht der EU-Kommission, CETA ohne Behandlung in den nationalen Parlamenten "vorläufig" in Kraft zu setzen, zu durchkreuzen. Dazu werden zwei Verfassungsklagen vorbereitet, vor allem aber geht es im Herbst
wieder auf die Straße, um deutlich zu machen, dass wir diesen Wahnsinn nicht widerstandslos hinnehmen.
Als wir vor zweieinhalb Jahren das letzte Mal über Koalitionsverträge mit Bezug zum Flughafen zu berichten hatten, erschien die "größliche" Koalition in Österreich, in der die sog. Volksparteien SPÖ und ÖVP zusammen nur noch eine knappe Mehrheit hatten, als skurrile Ausnahme. Im Deutschen Bundestag hatte die Große Koalition eine erdrückende Mehrheit gewonnen, und in Hessen konnte Schwarz-Grün eine stabile Mehrheitsregierung bilden. Inzwischen haben sich auch hierzulande zumindest auf kommunaler Ebene die Verhältnisse geändert. Zwei Parteien alleine haben fast nirgendwo mehr eine Mehrheit (und absolute Mehrheiten einer Partei wie in Raunheim sind extrem selten), Koalitionen bestehen überwiegend aus drei, manchmal auch vier Parteien.
Im Kreistag Gross-Gerau sind es SPD, B90/Die Grünen, Die Linke/Offene Liste und die Piratenpartei, die die neue Mehrheitskoalition bilden. Der Koalitionsvertrag kommt deshalb schon auf dem Titelblatt bunt daher, und die 21 folgenden Seiten beschreiben, was die Koalitionäre alles vorhaben. Dem Flughafen ist ein eigenes Kapitel unter der Überschrift "Echtes Nachtflugverbot schaffen. Flughafenausbau verhindern." gewidmet. Darin sind die Kernforderungen der Bürgerinitiativen (Kein weiterer Ausbau, Nachtflugverbot von 22-6 Uhr, Reduzierung der Zahl der Flugbewegungen) ebenso enthalten wie einige pragmatische Forderungen zur Verbesserung der aktuellen Situation.
Anders sieht der Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und B90/Die Grünen in Frankfurt aus. Von den 63 inhaltlichen Seiten ist zwar ebenfalls eine nur dem Flughafen gewidmet, aber schon die Überschrift "Wirtschaftliche Stärke und Lärmreduzierung in Einklang bringen" macht eine andere Stoßrichtung deutlich. Wie bei der Landesregierung steht die Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung des Flughafens im Vordergrund, und an Lärmschutz ist nur erlaubt, was diese Entwicklung nicht beeinträchtigen kann.
Es ist kaum zu verstehen, dass es zwei Parteien gibt, die in beiden Koalitionen vertreten sind, so unterschiedlich sind die Positionen nicht nur in diesem Punkt.
Für Raunheim wird sich die Frage stellen, welche der beiden Richtungen wohl Vorbild sein wird, wenn es darum geht, ein neues Stadtleitbild zu entwickeln, das ja ebenfalls, ähnlich wie ein Koalitionsvertrag, den politischen Konsens formulieren soll, auf dessen Grundlage sich die Stadt im Weiteren entwickeln soll.
In Mörfelden-Walldorf gibt es zwar offiziell noch keine neue Koalition und keinen Vertrag, aber das angestrebte Bündnis von SPD, Freien Wählern und FDP demonstriert schon mal, wie die künftige Flughafenpolitik aussehen soll. Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau möchten die Freien Wähler, dass MöWa "keine Stadt des Protests mehr sein, sondern eine Kommune des Fortschritts" werden soll, und die SPD will sogar einen "Schlussstrich unter die Auseinandersetzungen mit dem Flughafen" ziehen. Gemeinsam sind die drei Parteien und die Mehrheit der CDU deshalb für die "Entfernung städtischer Transparente, die ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr sowie einen Ausbaustopp des Flughafens fordern".
Dass andere Städte im Kreis das noch anders sehen, hat der Fotograf Walter Keber mit einer
Fotoserie dokumentiert, die die Protest-Banner zeigt, die aktuell an den Ortseingängen noch stehen. Das Schild, das er in Raunheim gefunden hat, wurde übrigens vor vielen Jahren vom damaligen FDP-Vorsitzenden aufgestellt. Ob es demnächst wohl auch verschrottet werden muss?
In Mörfelden-Walldorf haben die Ereignisse eine dramatische Wendung genommen, nachdem eine Symbolfigur des kommunalen Widerstands gegen den Flughafenausbau, der Erste Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn, während der Mahnwache vor der Sitzung des Stadtparlaments am 07.06. einen Herzinfarkt erlitten hatte. Die Sitzung, in der u.a. seine Abwahl und die Entfernung der Banner beschlossen werden sollten, wurde darauf hin abgesagt. Inzwischen befindet er sich zum Glück auf dem Weg der Besserung.
Aus Trebur wurde bekannt, dass seit dem 12.05. ein Antrag von CDU und Freien Wählern vorliegt, der erreichen will, dass der Beschluss, die Waldfläche, die für den Bau des Autobahnanschluss für Terminal 3 benötigt wird, nicht zu verkaufen, zurückgenommen wird. Wann der Antrag behandelt wird und ob er im Parlament eine Mehrheit bekommt, bleibt abzuwarten.
Insgesamt muss man aber wohl feststellen, dass die Ausbau-Befürworter auf der kommunalen Ebene in die Offensive gehen, wo immer sie eine Möglichkeit dazu sehen. Insbesondere die "Freien Wähler" sind dabei offensichtlich frei von jeder Rücksicht auf die Probleme derjenigen, die unter Fluglärm und Schadstoffbelastung leiden. Ob sie damit tatsächlich den Willen ihrer Wähler*innen umsetzen, bleibt fraglich - aber wenn man eine Wundertüte wählt, muss man damit rechnen, dass man als erstes (und möglicherweise einziges) etwas bekommt, was man gar nicht haben wollte.
Die Rede von Fraport-Chef Schulte an die Jahreshauptversammlung der Fraport-Aktionäre am 20.05. ist lesenswert (wer will, kann sie sich auch ansehen). Besonders aufschlussreich ist dabei allerdings weniger das, was er sagt, als vielmehr, was er nicht sagt. Selbst von einem nur an der wirtschaftlichen Entwicklung seines Unternehmens interessierten Geschäftsführer sollte man schließlich erwarten, dass er bei einem "Blick auf die bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen" etwas zu den Themen zu sagen hat, die das Unternehmens-Umfeld mittel- und langfristig wesentlich bestimmen werden.
Herr Schulte hat allerdings zum Klimawandel, der Rolle des Luftverkehrs dabei und notwendigen Konsequenzen daraus nichts zu sagen. Auch die eskalierenden Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz-relevanten Themen, insbesondere der Ultrafeinstaub, sind ihm kein Wort wert. Und zum Thema Lärm spielen auch die NORAH-Studie und die daraus abzuleitenden Konsequenzen keine Rolle. Neben dem floskelhaften Hinweis, wie wichtig Lärmschutz doch ist, erwähnt er lediglich, dass nächstes Jahr nun doch die lärm-abhängigen Gebühren ein bißchen steigen sollen.
Das Gleiche gilt übrigens auch für das neue Fraport-Leitbild, das Schulte ausführlich vorstellt. Zu solchen Themen findet sich dort nur ein einziger, nicht mal grammatisch richtiger Satz: "Als guter Nachbar arbeitet Fraport bei der Bewältigung der Auswirkungen des Flughafenbetriebs in der Region eng zusammen und nutzt alle technischen und betrieblichen Möglichkeiten zur Lärmminderung".
Einen gewissen Neuigkeitswert hatte ansonsten lediglich die Ankündigung, dass Fraport künftig verstärkt Billigflieger anwerben will. Das hatte Schulte zwar schon Mitte März bei Reuters angekündigt, aber damit keinerlei Resonanz erzeugt. Erst ein Interview mit der Börsenzeitung führte dazu, dass auch andere Medien diese Meldung übernahmen. Offen gelassen hat er dabei wohlweislich, womit die angelockt werden sollen. Immerhin durfte ein Fraport-Sprecher in der FR noch behaupten, dass es dafür "bei den Gebühren ... keinen Rabatt geben" werde, und Schulte hat das wohl
in der Diskussion bestätigt.
Warum überhaupt Lockangebote notwendig sind, wenn andererseits Terminal 3 gebaut werden muss, weil die Kapazitäten für die vorhandene Nachfrage nicht ausreichen, hat Herr Schulte allerdings nicht erklärt.
Für die internationalen Aktivitäten kündigte Schulte an, dass "der Schwerpunkt unserer Aktivitäten ... in Griechenland liegen" wird, denn dort wurde "an uns der Wunsch herangetragen, eher heute als morgen die Verantwortung zu übernehmen und die notwendigen Verbesserungen und Investitionen durchzuführen". Das las sich schon mal anders, aber vielleicht hat ja Schultes Öffentlichkeits-Offensive in Griechenland gewirkt? Nach der Arbeitsplatz-Lüge im April hat Schulte im Mai noch eine Investitions-Lüge lanciert: "Das Konsortium (Fraport AG 90%, Copelouzos 10%) könnte in den nächsten 40 Jahren zusätzlich zu den bis 2020 vertraglich verpflichtenden 330 Millionen Euro weitere 670 Millionen Euro investieren, wodurch die Milliarden-Grenze erreicht würde. Das verlautbarte der Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, Dr. Stefan Schulz, in einem Interview mit Skai-TV", berichteten griechische Medien. Auf der JHV war davon allerdings nicht die Rede, und auch deutsche Medien berichteten darüber nicht.
Wahrscheinlich war diese Ankündigung, ebenso wie das Gefasel von den 20.000 neuen Arbeitsplätzen, auch nur an die bisher so unartigen Gewerkschafter und Politiker gerichtet nach dem Motto: wenn ihr künftig brav seid, bringt Papi euch auch mal was mit - und Papi hat viele Möglichkeiten.
Der Beitrag kritischer Aktionäre zu diesem Thema blieb natürlich auch unbeantwortet.
Wie üblich, fand also die interessanteste Aktivität an diesem Freitag vor der Halle statt, und dort wurden auch die interessantesten Antworten gegeben. Was in der Halle sonst noch Kritisches vorgetragen wurde, kann hier nachgelesen werden.
Auf die Widersprüche und Probleme der neuen Orientierung auf Billigflieger mit dem bisherigen Geschäftsmodell der Fraport weist die FAZ in einer Analyse hin. Immerhin liegt darin vielleicht auch eine Perspektive: wenn das neue Terminal 3 durch Billigflieger ausgelastet werden soll, lohnt es sich nicht, es zu einem aufwändigen Konsumtempel auszubauen. Da könnte dann die eine oder andere Million eingespart werden.
Zugleich bemüht sich eines von Schultes weiteren Sprachrohren, die "Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU, Schulte ist da Vize, sein Vorgänger Bender immer noch im Vorstand), zu demonstrieren, dass man die gleiche Arroganz und Borniertheit auch mit noch mehr Dreistigkeit demonstrieren kann. Hauptgeschäftsführer Fasbender tönt per Pressemitteilung, eine "Lärmobergrenze" für den Flughafen sei "gänzlich unnötig", da "die Flugzeuge durch den technischen Fortschritt immer leiser würden" und die NORAH-Studie ja gezeigt habe, "dass die Risiken von Fluglärm für die Gesundheit minimal und geringer als bisher angenommen" seien.
Selbst die sonst eher unternehmer-freundliche FNP sieht sich da genötigt,
darauf hin zu weisen, dass das "im Widerspruch zur Einschätzung vieler Mediziner, die ein erhöhtes Risiko feststellten, durch Fluglärm an Depression und Herzschwäche zu erkranken, aber auch zur Bewertung durch die Fluglärm-Kommission am Frankfurter Flughafen" stehe.
Aber weils gerade so schön ist, erteilt der Herr Fasbender auch dem Klimaschutzplan Hessen eine Absage, weil im Entwurf dazu steht, Hessen solle "die Einführung einer Kerosinsteuer und Anhebung der Luftverkehrssteuer auf Bundesebene unterstützen". Das geht für Herrn Fasbender natürlich garnicht, aber auch Fluglärmgegner tun sich mit solchen Forderungen keinen Gefallen. "Wir wollen weniger Fluglärm. Dazu brauchen wir leisere Flugzeuge. Damit die Airlines ihre Flugzeugflotten schneller erneuern können, sollte ihnen der Staat das Geld nicht durch eine Kerosinsteuer oder höhere Luftverkehrsteuer wegnehmen", lautet seine messerscharfe Logik. Also niedrigere Steuern - mehr Luftverkehr - höhere Profite - neuere Flugzeuge - weniger Fluglärm? Das ist wahrlich Lobbyisten-Logik vom Feinsten. Leider weigert sich die Welt, danach zu funktionieren.
Die Klimaspirale veranschaulicht den Temperaturanstieg der letzten 160 Jahre
(Für vergrösserte Animation anklicken)
Wie zu befürchten war, hat auch der nächste Versuch der ICAO, eine Einigung zwischen den Mitgliedsstaaten über den geplanten "Globalen Markt-Basierten Mechanismus (GMBM)" (neuerdings auch "COSIA" (Carbon Offsetting Scheme for International Aviation)) zu erreichen, kein wesentliches Ergebnis gebracht. Das sog. "High Level Meeting (HLM-GMBM)" vom 13.-16. Mai 2015 endete mit zwei Papieren, in denen mehr Differenzen als Gemeinsamkeiten deutlich werden, obwohl die entscheidenden Details noch nicht einmal behandelt wurden.
Zwar übt sich der ICAO-Ratspräsident nach der Tagung in Optimismus, und vermutlich wird es dem ICAO-Rat gelingen, bei seinem Treffen im Juni oder auf weiteren Sondertreffen vor der Vollversammlung Ende September noch einige Formelkompromisse zu formulieren, aber zwei Dinge sind so gut wie sicher: ICAO wird im September kein ausgearbeitetes System beschliessen, und selbst der formulierte Anspruch wird weit hinter dem Notwendigen zurück bleiben.
Den ursprünglichen Anspruch hatte ICAO mit der nebenstehenden Grafik
darzustellen versucht. Man erkennt daraus, dass die Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr noch bis 2020 fast ungebremst ansteigen sollen, und danach ein "Korb von Maßnahmen" greifen soll, der die "Netto-Emissionen" auf dem dann erreichten Stand hält.
In diesem Korb sind nur die "operativen Verbesserungen" (kürzere Flugrouten, treibstoffsparende Flugverfahren usw., rot dargestellt) und die "Flugzeug-Technologie" (treibstoffsparende Triebwerke usw., blau) wirkliche Reduktionen, von denen allerdings auch in keiner Weise klar ist, ob sie wirklich so kommen werden. Der große Rest (grünes Dreieck mit rotem Rand) soll durch Einsparmaßnahmen in anderen Bereichen "kompensiert" werden, d.h. diese Emissionen finden statt, werden aber gegen Einsparungen anderswo verrechnet.
Das Ganze heißt dann offiziell "kohlenstoff-neutrales Wachstum ab 2020".
Ganz abgesehen davon, dass da vieles auf purer Spekulation bzw. blindem Fortschrittsglauben basiert, ist dieser Ansatz in keiner Weise mit den in Paris beschlossenen Zielen vereinbar. Was aktuell passiert, veranschaulicht die
Hawkins-Spirale in der Grafik links oben. Um das 1,5°C-Ziel überhaupt noch möglich zu machen, müssten die Emissionen sofort sinken. Auch das 2°C-Ziel ist mit noch steigenden und dann dauerhaft hohen Emissionen nicht erreichbar. Ihre eigenen wissenschaftlichen Berater haben der ICAO bereits 2013
vorgerechnet, dass selbst bei tatsächlich ab 2020 nicht mehr steigenden Emissionen die gesamten Treibhaus-Wirkungen ("radiative forcing") der Luftverkehrsemissionen 2050 noch mindestens 60% derjenigen bei ungebremstem Wachstum betragen.
Aber selbst nach eigenen Einschätzungen der ICAO deckt das bisher vorgelegte Konzept nicht einmal alle Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr ab, sondern nur 80%, nach fünf Jahren etwa 95%. Kritische Analysen schätzen diesen Wert eher auf 66%, bzw. 40% der gesamten Luftverkehrs-Emissionen.
Wenn ICAO im Herbst also auch im besten Fall nichts Vernünftiges produzieren wird, können andere es nur besser machen. Trotz des aktuell desolaten Zustands der EU-Klimapolitik macht es deshalb Sinn, deren Initiativen aufzugreifen und, wo sich Gelegenheit bietet, Verbesserungen einzufordern. Daher gibt es jetzt die versprochenen Hilfestellungen für die EU-Konsultation zu Luftverkehr und Klima auf einer eigenen
Aktionsseite.
Bis zum 30. Mai kann man da noch zu Fragen der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel (Global und in Europa) Stellung nehmen. Anders als erwartet, hat die Kommission den Fragebogen bis heute nicht in andere Sprachen übersetzt, geht also davon aus, dass es sich hier um ein "hochspezialisiertes" Thema handelt, dass die breite Öffentlichkeit nichts angeht. Tatsächlich sind die Fragen ziemlich fachspezifisch formuliert, und es gibt wenig Freiraum für eigene Ausführungen. Trotzdem kann man einige Kernbotschaften übermitteln und die Kommission damit dazu zwingen, die zur Kenntnis zu nehmen und in der Auswertung der Konsultation zumindest zu erwähnen.
Das ist nicht viel, aber der Aufwand ist auch nicht allzu hoch. Im einfachsten Fall kann man nur die vom BBI (bzw. der BIFR) zur Verfügung gestellten Mustertexte nehmen, in den Online-Fragebogen hinein kopieren und abschicken. Da schon einige andere BIs in Deutschland und Europa die Initiative aufgenommen haben, werden einige Stellungnahmen zusammen kommen. Wenn damit die Botschaft ankommt, dass sich viele Menschen dieses Klima-Gemauschel nicht bieten lassen werden, ist schon einiges erreicht.
Die 235. Sitzung der Frankfurter Fluglärmkommission brachte keine spektakulären Neuigkeiten. Die Pressemitteilung der FLK weist einleitend darauf hin, dass ausnahmsweise mal Zeit war, sich "ausführlich mit grundlegenden Entwicklungen und Verfahrensabläufen im Bereich des Fluglärmschutzes" zu befassen. In den Unterlagen findet man dazu einen verspäteten Festvortrag der Fraport zu 65 Jahren Luftverkehrsstatistik und mehr als 60 Millionen Passagieren (beides 2015) und einen Überblick über die tolle Wirkung der Lärmentgelte, aus dem aber auch nichts zu Ursachen und Perspektive des Streits im letzten Jahr hervorgeht.
Interessanter sind da schon die Beiträge zum Umgang mit Fluglärmbeschwerden. Der Fraport-Vortrag dazu beschäftigt sich zwar überwiegend mit der Entlarvung der "falschen" Beschwerden, die von einigen wenigen Aktivisten in extremer Anzahl produziert werden, enthält aber immerhin auf Seite 3 ein Schema, wie mit "echten" Beschwerden (und von ihnen selbst erkannten Abweichungen im Flugbetrieb) umgegangen werden soll. Für die seltenen Fälle , in denen es danach zu einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren kommt ("645 (2013) bzw. 647 (2014) Anzeigen" und "138 (2013) bzw. 186 (2014) Bußgeldbescheide" in ganz Deutschland), erläutert ein
Vortrag des BAF, wie das abläuft.
Für Bürger-Beschwerden sieht das Fraport-Schema vor, das diese nach 3-5 Tagen eine "Empfangsbestätigung" bekommen sollen und nach 1-2 Wochen eine Mitteilung darüber, ob die Beschwerde weiter verfolgt wird. Falls ja, soll nach 4-8 Wochen ein Ergebnis übermittelt werden. "„Die Kontrolle des Flugverkehrs und sorgfältige Bearbeitung aller selbst erkannten oder von aufmerksamen Anwohner/innen
gemeldeten auffälligen Flugbewegungen gehört jedoch zu einer ... wichtigen Grundlagenarbeit.“, erklärte der Vorsitzende der Kommission und Bürgermeister von Raunheim, Thomas Jühe" dazu laut FLK-PM. Da hat er sicher recht, sollte aber auch bedenken, dass die Existenz eines schönen bunten Schemas noch keineswegs sicherstellt, dass auch entsprechend gehandelt wird. Die Erfahrungen vieler Betroffener mit der Fraport sprechen da eine andere Sprache.
Wenig überraschend hat die FLK Frankfurt auch der unten beschriebenen Stellungnahme der ADF zu einer neuen EU-Verordnung zugestimmt. Sie hebt allerdings den Aspekt hervor, dass "zumindest im Bereich des Fluglärmschutzes die örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse auch künftig standortnah beurteilt und entsprechend die Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten auf nationaler Ebene bestehen bleiben sollten. Darüber hinaus muss bei der Zulassung von Flugzeugen durch die EASA sichergestellt werden, dass im Bereich der Lärmemissionen die strengstmöglichen Anforderungen angewendet werden und dem Lärmschutz auch im Verhältnis zu anderen Emissionen ausreichendes Gewicht beigemessen wird."
Zu guter Letzt gab es noch die Standard-Berichte der Fraport zu Lärmmessungen und der Fluglärmschutzbeauftragten zu Flugbewegungszahlen und Bahnnutzungen. Letzterer enthält ein interessantes Detail: während bei Betriebsrichtung 07 tagsüber die Anflüge über Raunheim (51%) und Flörsheim (49%) etwa gleich verteilt sind, landen nachts zwei Drittel der Maschinen über Raunheim (2015: 63%, 1. Quartal 2016: 68%), was natürlich eine bodenlose Frechheit ist.
Soll man fordern, dass die Anflüge auch nachts gleich verteilt werden? Zumindest die BIs beider Städte sind sich einig: nachts sollte garnicht geflogen werden, ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr wäre die beste Lösung des Problems.
Die hessische Landesregierung, vertreten durch Umweltministerin Hinz, läßt einen Klimaschutzplan für Hessen ausarbeiten und dazu auch die Bevölkerung zu Wort kommen. Auf den einschlägigen Webseiten kann man sich ausführlich über den Prozess informieren und nach Registrierung zu 160 Maßnahmen Kommentare abgeben (sofern man nett ist).
Obwohl 160 Maßnahmen nicht wenig sind, ist der Katalog natürlich nicht vollständig, und insbesondere beim Luftverkehr ist er arg dünn geraten. Gerade einmal zwei Maßnahmen im Bereich "Mobilität" (mit den Nummern V-17: "Verlagerung vom inländischen Luftverkehr auf den Schienenverkehr" und V-18: "Luftverkehr nachhaltiger und effizienter gestalten") beschäftigen sich damit.
Und dabei klingen die Titel der Maßnahmen noch deutlich besser als der (bisherige) Inhalt. Beim Punkt "Flüge auf die Züge" sind nur Informationskampagnen für die (noch) Flugreisenden und die mögliche Vorbildfunktion des Landes bei Dienstreisen genannt, und der "nachhaltige Luftverkehr" beschränkt sich aufs Energiesparen am Flughafen. Da ist deutlich mehr möglich.
Ein zweiter Ansatz bietet sich im Themenfeld 4: "Leben und Wohnen". Da gibt es die beiden Punkte "NEU-B-03: Klimakampagnen in Hessen" und "NEU-B-04: Klimabildung in Hessen", die geradezu danach schreien, hier noch Informationen über die Klimabelastungen durch den Luftverkehr unterzubringen.
Wer der Landesregierung hier auf die Sprünge helfen will, sollte aber unbedingt die bereits oben erwähnte
Netiquette durchlesen. Allzu sehr möchte sich Frau Hinz offensichtlich nicht in ihren Plan hineinreden lassen, deswegen sind die Restriktionen für die Beteiligung ziemlich drastisch. Die Moderation droht ganz offen, vorgefertigte Antworten, die mehrfach auftauchen, rauszuschmeissen, "übermäßig aktiven Teilnehmern" kann der Zugang gesperrt werden, "Werbung" und "Aufrufe zu Demonstrationen und Kundgebungen" sind untersagt, selbst "ironische Stellungnahmen" sind unerwünscht.
Vor allem aber (Twitter-User kennen das): die Länge der Beiträge ist limitiert, hier auf 550 Zeichen. Langatmige Argumentationen und ausufernde Begründungen soll es also auch nicht geben. Die Zeit dafür wäre auch ziemlich knapp: der Prozess wurde am 10.05. öffentlich gemacht, und am 17.06. ist schon wieder Schluss.
Trotzdem sollte man sich davon nicht abschrecken lassen. Es reicht, Frau Hinz ein paar Schlagworte um die Ohren zu hauen, damit deutlich wird, dass das Thema für viele Menschen relevant ist. Die Bewältigung des Klimaproblems sollte man von diesem Plan nicht erwarten.
Das ADF-Logo ähnelt nicht zufällig dem der FLK Frankfurt
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen warnt in einer aktuellen
Stellungnahme zu einem
Verordnungs-Vorschlag der EU-Kommission davor, dass dadurch Maßnahmen für den Schallschutz erschwert oder unmöglich gemacht werden könnten.
Zuvor hatte bereits der
Bundesrat zu dem Vorschlag Stellung genommen, aber im Wesentlichen nur bemängelt, dass damit unnötigerweise Kompetenzen auf die EU bzw. eine von ihr eingerichtete Behörde übertragen werden.
Wenn die ADF allerdings beklagt,
"Der Lärmschutz wird seit Jahren gegenüber klimabezogenen Zielsetzungen in den Hintergrund gedrängt", dann kommt da ein falscher Zungenschlag in die Diskussion. Es kann nicht darum gehen, Lärmschutz und Klimaschutz besser gegeneinander abzuwägen. Beide haben höchste Priorität, und wo sie scheinbar in Widerspruch geraten, liegt die Lösung nicht darin, darum zu feilschen, was Vorrang haben soll.
Das lässt sich gut am Beispiel der Südumfliegung zeigen. Hier einen Streit darum zu führen, ob der Geradeaus-Abflug über Raunheim, der aus Lärmschutz-Gründen nicht in Frage kommt, nicht aus Klimaschutz-Gründen doch vorzuziehen sei, ist schlichtweg absurd. Nicht nur trägt der Umweg, den die Flieger über die Südumfliegung nehmen müssen, nur minimal zur Gesamt-Klimabelastung der jeweiligen Flüge bei, man darf sich diese Alternative einfach nicht aufdrängen lassen. Wenn der Geradeaus-Abflug aus Lärmschutzgründen nicht möglich ist und die Südumfliegung aus Klimaschutz-Gründen nicht möglich sein soll, dann kann die Konsequenz nur lauten: Fraport muss den Kapazitätswahn aufgeben, und es geht eben nur das, was lärm- und klima-verträglich abgewickelt werden kann.
Wenn dieses Prinzip klargestellt ist, dann kann man der ADF-Forderung auch wieder zustimmen,
"dass im Bereich der Lärmemissionen die strengstmöglichen Anforderungen anzuwenden sind und dem Lärmschutz auch im Verhältnis zu anderen Emissionen ausreichendes Gewicht beigemessen werden muss".
Besser wäre es allerdings, der EU klipp und klar zu sagen, dass oberste Priorität sein muss, den Luftverkehr, der unter Berücksichtigung des Schutzes von Gesundheit, Umwelt und Klima möglich und notwendig ist, so sicher wie möglich zu organisieren. Und wenn dazu "Unternehmertum erstickt" werden muss, dann ist das eben so.
Wirbelschleppen über Raunheim
Nachdem man nun längere Zeit nichts davon gehört hatte, kam es, wie die Main-Spitze meldet, am Samstag, den 23.04., mal wieder zu einem Wirbelschleppen-Schaden in Raunheim. 10 Ziegel hatten sich am Haus Römerstrasse 31 gelöst, waren aber nicht herunter gefallen, so dass nichts weiter passiert ist. Da der genaue Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht bekannt ist, läßt sich auch nichts weiter über den Verursacher aussagen. Da der Schadensort aber mitten im Risiko-Gebiet liegt, hatte wohl auch Fraport keine Zweifel an der Ursache und hat den Schaden "schneller als ein Sondereinsatzkommando der Polizei" beheben lassen.
Die letzte derartige Meldung aus Raunheim liegt anderthalb Jahre zurück. Ob solche Schäden aber nun wirklich so sehr viel seltener geworden sind als früher oder nur nicht mehr bekannt werden, ist allerdings nicht ganz klar. Immerhin wurden laut Fraport-Statistik seit dieser Zeit 28 weitere Schäden gemeldet, von denen Fraport allerdings nur 14 tatsächlich reguliert hat. Die anderen wurden auf äusserst dubioser Grundlage als "nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen" eingestuft.
Die Statistik macht keine Aussage darüber, wieviele Schäden jeweils aus Raunheim und aus Flörsheim gemeldet wurden.
Flörsheim nimmt derweil den kürzlich aufgetretenen Schaden zum Anlass, erneut juristisch gegen das Wirbelschleppen-Risiko vorzugehen. Die Stadt möchte per Eilantrag beim Bundesverwaltungsgericht erreichen, dass die Landebahn Nordwest über die bereits bestehenden Einschränkungen hinaus künftig bei Betriebsrichtung 07 von allen Flugzeugen der Wirbelschleppen-Kategorie "Heavy" nicht mehr angeflogen werden darf. Ihr Anwalt argumentiert, "das Dachklammerungsprogramm sei offensichtlich ungeeignet, die Gefahr zu bannen, denn drei Jahre nach dem Start des Programms seien in Flörsheim erst 600 Dächer, das sind weniger als ein Drittel der anspruchsberechtigten Häuser, geklammert."
Es ist kaum anzunehmen, dass dieser Antrag Erfolg haben wird. Zum Einen wurde ein gleichlautender Antrag bereits vor drei Jahren vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof abgelehnt, obwohl damals noch kein einziges Dach geklammert war. Zum Anderen wäre die Konsequenz aus einem solchen Beschluss, das die entsprechenden Flugzeugtypen bei BR07 überhaupt nicht mehr landen könnten, denn die Situation in Raunheim ist ganz ähnlich, und das Gericht müsste einem entsprechenden Antrag Raunheims, der dann unvermeidlich kommen müsste, wohl ebenfalls stattgeben. Das aber dürften die Richter wohl als "unverhältnismäßig" betrachten.
Auch diesmal war es wieder eine große und bunte Menge,
die demonstrierte
Am vergangenen Wochenende war in Hannover viel von "Endspiel" und "Entscheidung" die Rede. Der US-Präsident war unter anderem deshalb gekommen, um gemeinsam mit der Kanzlerin noch einmal kräftig die Werbetrommel für das geplante TTIP-Abkommen zu rühren, zugleich aber darauf hin zu weisen, dass die Zeit drängt und eine Ratifizierung während seiner Amtszeit kaum noch möglich ist. Die Verhandler sollen aber in der am Montag begonnenen 13. Runde möglichst viele Punkte klären und dann in die Schlußrunde (im Jargon das "endgame") einsteigen, damit zum Jahresende wenigstens ein Vertragsgerüst steht, das seine/n Nachfolger/in binden kann. Selbst Verfechter dieses Abkommens sind aber skeptisch, dass das gelingen kann.
Auf der anderen Seite wächst bei den Gegnern des Abkommens der Glaube, dass es verhindert werden kann. Die
Demonstration am Samstag hat alle Erwartungen gesprengt. Bei den Organisatoren hatten die Pessimisten befürchtet, es könnten vielleicht nur 10.000 Teilnehmer zusammen kommen, nachdem die letzte große Demonstration in Berlin ja noch nicht so lange zurück lag. Optimisten hofften auf 50.000. Dass letztendlich 90.000 zusammen kamen, führte zu Verzögerungen und Schwierigkeiten im Ablauf, erzielte dafür nach Innen und Aussen aber um so größere Wirkung.
Unterstützung bekamen die Demonstranten durch die Nachrichten der letzten Zeit reichlich. Gab es schon zu Jahresbeginn
Gründe genug für Widerstand, so wurden die juristischen Einwände u.a. auch von einem UN-Sonderberater für Menschenrechte untermauert, wird in den Niederlanden ein Referendum über TTIP vorbereitet, tauchen ständig neue Stolpersteine auf. In der Konsequenz bricht die öffentliche Unterstützung für TTIP auch in
Umfragen in Deutschland und den USA ein.
Die Befürworter dagegen haben richtig Pech. Kaum versucht die FAZ, ein zugkräftiges Argument zu finden, und
zitiert den US-Chefunterhändler mit der Aussage "Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen hätten die größten Vorteile davon, wenn Standards gegenseitig anerkannt würden", belegt eine
Studie, das genau das nicht passieren wird: "Die Verhandler können sich nicht auf Standards einigen. Direkte Vorteile wird es kaum geben." ist deren Fazit.
So schnell geben die Freihandels-Fanatiker aber natürlich nicht auf. Auch wenn ihr deswegen noch die letzten Wähler weglaufen, ist vor allem die SPD-Führung um Wirtschaftsminister Gabriel fest entschlossen, zumindest das Abkommen mit Kanada, CETA, durchzupauken. Dafür will Gabriel offenbar sogar in Kauf nehmen, dass die EU-Kommission CETA auch ohne Parlamentsbeschlüsse vorläufig in Kraft setzt, was rechtlich möglich wäre und drastische Wirkungen hätte. Aber auch dagegen richtet sich bereits eine Verfassungsklage, die von über 50.000 Mitklägern unterstützt wird. Sie haben es wirklich nicht leicht.
In Hannover demonstrierte Greenpeace Optimismus, jetzt liefern sie Grund dafür.
Und es wird immer schwieriger. In der Woche nach der Obama-Merkel-Show hat der englische Guardian einen Bericht veröffentlicht, der die intensive Lobbyarbeit des Ölkonzerns Chevron und anderer dokumentiert, um in TTIP das Recht ausländischer Investoren zu verankern, "Regierungsentscheidungen anzugreifen" und "von umweltpolitischen Regulierungen abzuschrecken". Ausserdem wurde ein Brief von 26 US-Senatoren an den US-Chefunterhändler bekannt, indem sie betonen, der Senat werde "einem TTIP-Abkommen nur dann zustimmen, wenn die EU künftig den Import von hormonbehandeltem Fleisch und genveränderter Lebensmittel aus den USA erlaubt", was wiederum die französische Regierung zu der Drohung veranlasste, "TTIP platzen zu lassen", wenn der französische Landwirtschafts-Sektor nicht geschützt würde. Und zu guter Letzt fassten auch noch die Parlamente der Niederlande und der belgischen Teilrepublik Wallonien Beschlüsse gegen die vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens mit Kanada. Nach nur einer Woche war das viel beschworene Hannover-Moment verpasst.
Der härteste Schlag kam aber am Wochenende darauf. Irgendwo in der EU-Delegation für die 13. TTIP-Runde in Washington herrschte offenbar soviel Frust oder Ärger, dass die Dokumente, die dort auf dem Verhandlungstisch lagen, geleakt und nach Anonymisierung von Greenpeace in Kopie veröffentlicht und ins Netz gestellt wurden.
Vielleicht ist es noch nicht soweit, aber diese Variante des Plakats ist mindestens so realistisch wie das Original
Die Reaktion in der Medienlandschaft war gewaltig, wie Greenpeace ebenfalls dokumentiert und kommentiert. Nahezu überall wurde über die Tatsache berichtet, dass die Papiere veröffentlicht wurden, aber eher selten über die Details, die drin stehen. Da Greenpeace die Inhalte schon vorab an die Süddeutsche Zeitung übermittelt hatte, findet man auf deren Themenseite auch die intensivste Auseinandersetzung mit dem Thema.
Die meisten Medien brauchten auch nicht lange, um unmittelbar anschliessend die Abwiegelei von seiten der Bundes- und der US-Regierung sowie der EU-Institutionen in den Mittelpunkt zu rücken. Das lässt sich am Besten auf der
FAZ-Themenseite Freihandel nachvollziehen.
Die beste Zusammenfassung der Aussagen der Papiere liefert aber nach wie vor Greenpeace selbst. Die Kernaussage darin ist, dass die Dokumente belegen, dass "TTIP ermöglicht, auch bestehende Umwelt- und Verbraucherstandards ... abzusenken". Genau das ist der Hauptgrund, warum auch die Bürgerinitiativen gegen Fluglärm diese Abkommen ablehnen: sie sehen auch Regelungen wie Nachtflugverbote oder Lärmkontingente in Gefahr.
Daher ist das auch der Kerninhalt der Protest-Mail, die man über die Greenpeace-Webseite an Kanzlerin Merkel schicken kann (und sollte !). Wer auch noch die EU auffordern möchte, die Verhandlungen jetzt abzubrechen, kann das über die Campact-Webseite tun.
Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben. Selbst wenn TTIP nun aufgrund der gravierenden Interessengegensätze zwischen USA und EU und des Zeitdrucks durch Wahlen in USA, Deutschland und anderswo vorerst stecken bleiben sollte (was keineswegs sicher ist), ist das Freihandels-Mantra der EU keineswegs überwunden. So hat die EU-Kommissarin für Transport bei einem Treffen der ICAO in schöne Worte verpackt deutlich gemacht, dass die neue EU-Luftfahrtstrategie durchgesetzt und alle Märkte der Welt für die europäischen Airlines erschlossen werden sollen.
Vor allem aber droht die EU-Kommission nach wie vor damit, im Herbst das CETA-Abkommen mit Kanada "vorläufig" in Kraft zu setzen - und das beinhaltet genau dieselben Grundprobleme wie TTIP. Deswegen wird es auch dagegen wieder grosse Demonstrationen geben - u.a. in Frankfurt. Wenn die Demoskopen ausnahmsweise mal recht haben sollten, werden sie vielleicht sogar noch grösser als die letzten, denn die
Ablehnung von TTIP nimmt immer weiter zu.
Logo der NGO-Kampagne
Je mehr Details über ihren Plan bekannt werden, wie die internationale zivile Luftfahrt ihre Klima-Verpflichtungen erfüllen möchte, desto mehr gerät die ICAO unter Druck. Mehr als 80 zivilgesellschaftliche Organisationen haben den vorliegenden Vorschlag als "schwerwiegendes Ablenkungsmanöver" (im englischen Original "serious distraction") verurteilt und fordern eine echte Reduktion der klimaschädlichen Emissionen aus dem Flugverkehr (s. die Pressemitteilung von ROBIN WOOD dazu). Das entspricht im Wesentlichen den Forderungen, die die deutschen NGOs bereits im Rahmen ihres Luftverkehrskonzepts Mitte letzten Jahres vorgelegt haben.
Auch ICAO-intern gibt es offensichtlich noch große Schwierigkeiten. Zwar hatte der internationale Dachverband der Luftfahrt-Industrie, die Air Transport Action Group (ATAG), noch im Vorfeld alle Staaten zur Einigung auf den vorliegenden Vorschlag aufgefordert, aber die Vorbereitungsrunden, die alle ICAO-Mitglieder darüber informieren sollten, die sog. Global Aviation Dialogues (GLADs), die vom 20. März bis 8. April in fünf verschiedenen Regionen abgehalten wurden, kamen nicht zu einem Konsens.
Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die bereits in Paris Einwände gegen den ICAO-Vorschlag
vorgebracht haben, haben unmittelbar nach den GLADs
durch ihre ICAO-Repräsentanten und die
zuständigen Minister erklärt, dass sie nach wie vor nicht einverstanden sind - ein ungewöhnlicher Vorgang bei Verhandlungen, die normaler Weise hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Auch Vertreter der EU äussern Kritik an diesem Vorschlag, wenn auch aus anderen Gründen. Sie wollen hauptsächlich erreichen, dass "traditionelle Verschmutzer", die schon lange am Markt sind, nicht allzu deutlich höher belastet werden als die neu eintretenden und/oder stark wachsenden. Die USA hatten ihre Kritik am Vorgehen der ICAO bereits bei Verabschiedung der ersten Resolution 2013
zu Protokoll gegeben und hüllen sich bisher in Schweigen darüber, ob sie ihre Position ändern werden. Zwar hat Präsident Obama in mehreren Gesprächen mit anderen Staatsoberhäuptern, u.a. mit dem chinesischen Staatspräsidenten, betont, dass eine Vereinbarung gefunden werden muss, aber dabei nicht gesagt, zu welchen Zugeständnissen er bereit und in der Lage ist.
Die Umwelt-NGOs, die "konstruktiv" genug sind, bei ICAO mitspielen zu dürfen, haben eine
eigene Webseite online gestellt, auf der sie ihre Kritik formulieren. Diese zielt insbesondere darauf ab, bei dem geplanten Offsetting-System die gröbsten Schwächen zu vermeiden, die bei anderen, ähnlichen Systemen deutlich wurden.
Mitte Mai geht es in die nächste Runde der Verhandlungen.
Während es den beteiligten Staaten primär darum geht, die Wettbewerbspositionen der "eigenen" Airlines nicht zu gefährden und die Interessen "ihrer" Wirtschaft zu befriedigen, zielen die Kritiken aus den unterschiedlichen Sektoren der Zivilgesellschaft darauf ab, dass sie die von ICAO vorgeschlagenen Maßnahmen entweder für nicht ambitioniert genug oder für völlig in die falsche Richtung gehend halten.
Tatsache ist, dass weder der von ICAO vor Kurzem beschlossene CO2-Standard für Flugzeuge noch das geplante Emissionshandelssystem zu zusätzlichen Einsparungen am Treibhausgas-Ausstoß führen werden. Ersterer bestätigt nur, was die Hersteller ohnehin schon aus Gründen der Treibstoff-Ersparnis vorgesehen hatten, Letzteres reduziert grundsätzlich keinerlei Emissionen, sondern führt im besten Fall dazu, dass Geld für Reduktionsprojekte in anderen Sektoren zur Verfügung steht. Aber auch dieser Effekt ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch mehr als zweifelhaft.
Passend dazu hat die Europäische Umweltagentur Ende März ihren Bericht über die Anwendung der EU-Emissionshandels-Richtlinie 2015 vorgelegt. Darin wird, wegen den in den letzten Jahren auf inneren und äusseren Druck vorgenommenen Änderungen zum ersten Mal, auch der Beitrag des Luftverkehrs zum europäischen Emissionshandel beschrieben. Die Autoren freuen sich, dass der Mechanismus halbwegs funktioniert, die meisten Beteiligten mitspielen und keine allzu großen Widersprüche in den Datensätzen auftreten. Über emissions-beschränkende Wirkungen haben sie nichts zu sagen, was auch keine Wunder ist: selbst nach den Aussagen des Berichts werden nur ein Drittel der Emissionen aus dem Luftverkehr vom Emissionshandel überhaupt erfaßt; es gibt einen massiven Überschuss an Zertifikaten, von denen 82% sowieso kostenlos an die Flugzeug-Betreiber verteilt werden; falls jemand doch noch Zertifikate kaufen müsste, zahlt er dafür einen lächerlichen Preis von rund 5 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. Kurz gesagt: das EU-ETS hat bisher keinerlei Auswirkungen auf die Emissionen des Luftverkehrs. Wahrscheinlich gerade deswegen gilt es als Vorbild für das ICAO-GMBM.
Die Lücke zwischen dem, was die Maßnahmen, die die Staaten in Paris und Montreal beschlossen haben bzw. beschliessen werden, und dem, was aus wissenschaftlicher Sicht zur Eindämmung des Klimawandels notwendig wäre, ist groß und wird ständig größer. Ein echtes Umsteuern ist notwendig, und für den Flugverkehr, insbesondere in den entwickelten Staaten des globalen Nordens müsste das heissen: kein Wachstum, sondern Einschränkung und effiziente Planung des Nötigen.
Fantasie-Zahlen über Arbeitsplätze begleiten alle Fraport-Projekte
(beim Ausbau in Frankfurt waren es 175.000, s. Original-Grafik)
Fraport hat am 04.04. der griechischen Presse ihre jüngste Tochter vorgestellt: das Kind heißt "Fraport Greece", ist eine Holding, die zu 65% Fraport und zu 35% dem griechischen Partner Slentel/Copelouzos gehört und über zwei weitere Töchter (Enkel-Töchter? Ein Schelm, wer Arges dabei denkt) die vierzehn griechischen Regionalflughäfen betreiben soll, zu deren Privatisierung Griechenland gezwungen wurde. Fraport-Chef Schulte persönlich versprach,
20.000 Arbeitsplätze an diesen Flughäfen zu schaffen.
Aber selbst wohlmeinende Wirtschaftszeitungen kommen nicht darum herum, zu bemerken, dass Schulte in seiner Präsentation eine ganze Reihe von absehbaren Schwierigkeiten herunterspielen musste. Dazu passt, dass am gleichen Tag Fraport-Aktien an der Börse abrutschten.
Interessanter Weise hält es Fraport nicht für nötig, zu dem freudigen Ereignis hierzulande auch nur eine Pressemitteilung herauszugeben, und deutsche Medien berichten über das Ereignis (bisher) nicht. Möglicherweise möchte Herr Schulte nicht wieder mit unangenehmen Fragen nach den genauen Konditionen des Deals konfrontiert werden. Seit das geheime Skandal-Papier von griechischen Medien veröffentlicht wurde, äussert sich Fraport dazu nicht mehr, und Schultes diffuses Dementi darf als Eingeständnis gelesen werden, dass die wesentlichen Aussagen wahr sind. Inzwischen gibt es auch eine brauchbare deutsche Zusammenfassung der vereinbarten Konditionen.
Da die neuen Betreiber also freie Hand haben, den von den Gewerkschaften und anderen befürchteten Arbeitsplatzabbau auf Kosten des Staates durchzuziehen, muss man davon ausgehen, dass es sich keinesfalls um 20.000 zusätzliche Arbeitsplätze handelt, von denen Schulte redet. Vielmehr wird nur ein kleinerer Teil davon am Ende der Übernahme tatsächlich an den Flughäfen zu finden sein, der Rest wird, wie bei Fraport üblich, induziert, katalysiert und imaginiert. Zu befürchten ist, dass in der Gesamtbilanz am Ende weniger ArbeitnehmerInnen zu schlechteren Konditionen beschäftigt sein werden als jetzt.
Es hat gerade mal zwei Tage gedauert, und schon ist alles nicht mehr wahr. Auf Nachfrage einer hiesigen Fachzeitschrift dementiert ein Fraport-Sprecher jegliche Zusage neuer Arbeitsplätze durch das Konsortium. Da müssen wohl die griechischen Journalisten während der Pressekonferenz von Herrn Schulte gleich reihenweise in Wachträume verfallen sein, da die Meldung nicht nur in einer, sondern in mehreren griechischen Zeitungen erschienen ist.
Ob Fraport wohl auch den griechischen Medien ein Dementi zukommen lassen wird ?
Die Bundesregierung läßt sich auch durch die Skandale nicht abhalten, den griechischen Staat weiter zu erpressen. Nicht nur hält sie am Ziel von Privatisierungserlösen in Höhe von 50 Mrd. Euro fest, das der Rest der Welt längst als völlig illusorisch verworfen hat, und drängt dafür auf eine Politik nach dem Motto "Alles muss raus!", sie macht auch noch die Einhaltung eines strikten Zeitplans für den Fraport-Deal zur Voraussetzung für die Freigabe weiterer Kredite, die Griechenland dringend benötigt.
Konsequenter Weise hat auch die griechische Wettbewerbskommission den Deal durchgewinkt, obwohl sie gute Gründe hätte, das nicht zu tun. Bei so traumhaften Rahmenbedingungen möchte natürlich auch Lufthansa
ein größeres Stück vom Kuchen abhaben.
Derweil sucht Fraport auch in Brasilien nach Schnäppchen, "weil sich die brasilianische Wirtschaft derzeit schwach entwickelt", und möchte den heimischen Flughafen
mehr für Billigflieger öffnen. "Wir erwarten, dass das Low-Cost Segment in Frankfurt wachsen wird", erklärt Fraport-Chef Schulte laut Reuters. Wachstum und Profit um jeden Preis - die Gesundheits-, Umwelt- und sozialen Kosten zahlen ja andere.
Etwas verspätet hat auch die Frankfurter Rundschau die Kritik von Attac am Fraport-Deal aufgegriffen und einen Fraport-Sprecher zu einigen weiteren Äusserungen dazu veranlasst. Demnach fußen die Vorwürfe "auf einer unzulänglichen Übersetzung der griechischen Originaltexte und sind darüber hinaus teilweise unzutreffend, teilweise aus dem Zusammenhang gerissen und teilweise falsch interpretiert". Wenn der Deal endgültig beschlossen ist (und es rechtlich gar nicht mehr anders geht), werde man den Vertrag auch veröffentlichen. Er baut auch noch eine weitere Verteidigungslinie auf: schließlich hätten die Griechen ja selbst um die Schläge gebettelt, die sie bekommen werden, da der griechische Abklatsch der ehemaligen deutschen Treuhand, der Privatisierungsfond HRADF, die Vertragsbedingungen selber formuliert habe - angesichts der erpresserischen Methoden, mit denen sowohl diese Institution als auch der spezielle Deal von Troika, Bundes- und Landesregierung erzwungen wurden, ein besonders fieses Argument. Aber auch das ist wieder typisch Fraport.
Tiefer als geplant, aber im Rahmen dessen, was Fraport und Gerichte für zumutbar halten (Zum Vergrössern Grafik anklicken)
Am 31.03. hat mal wieder eine Wirbelschleppe in Flörsheim Ziegel von einem Hausdach geholt. Während die
Main-Spitze eher verharmlosend berichtet, rücken Rüsselsheimer Echo und FNP die Schäden und die Betroffenheit der Geschädigten in den Vordergrund und stellen auch einen Bezug zu den Klagen der Stadt Flörsheim gegen die Nordwest-Landebahn her.
Der DFLD weist in einer Pressemeldung darauf hin, dass sowohl im Höhenprofil des Fluges als auch in der optischen Überwachung klar erkennbar ist, dass die verursachende Maschine niedriger als vorgesehen geflogen ist.
Die Daten ergeben folgendes Bild: Als die Maschine am Haus vorbei flog, hatte sie noch eine Höhe von ca. 350 m. (Alle offiziellen Höhenangaben beziehen sich auf Meereshöhe ("Normal-Null", NN), die Höhe über Grund ist je nach Terrain im Endanflug auf die Nordwestbahn 100 - 120 m geringer.) Aus dem Höhenprofil ist erkennbar, dass sie an dieser Stelle etwa 50 m höher hätte fliegen müssen, wenn sie dem Leitstrahl gefolgt wäre. Sie war aber in der vorhergehenden Flugphase deutlich zu schnell gesunken und hatte diese Abweichung nicht vollständig korrigiert. Damit war das Risiko eines Wirbelschleppen-Schadens bei diesem Anflug, ebenso natürlich die Lärmbelastung, deutlich erhöht.
Der Anflug fällt allerdings nicht ganz so grob aus dem Rahmen, wie es zunächst scheint. Bei Planung und Inbetriebnahme der Nordwestbahn legte man einen Anflugwinkel von 3° zugrunde. Die jetzt vorgesehenen 3,2° sind eine Sonderregelung, die auch heute noch ausser Kraft gesetzt werden kann (und vermutlich auch wird). Bei 3° ist aber auch die geplante Überflughöhe über Flörsheim fast 20 Meter niedriger als bei 3,2°, der Unterschied macht also schon fast die Hälfte der Abweichung im vorliegenden Fall aus.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Flughöhen mit den derzeit angewendeten Verfahren ohnehin nicht exakt bestimmt werden können und die Werte mit dem Luftdruck schwanken, bewegt sich der Anflug durchaus im Bereich dessen, was der Bevölkerung laut Planfeststellungsbeschluss gerichtlich bestätigt zugemutet werden kann.
Ein Skandal bleibt diese Gefährdung der Bevölkerung natürlich trotzdem, aber eben nicht deshalb, weil hier Piloten dreist die Regeln missachtet haben, sondern weil die Regeln genau das in Kauf nehmen. Auch dieser Fall bestätigt also nur, dass die derzeitigen Anflugverfahren zu unzumutbaren Belastungen führen und dringend geändert werden müssen.
Die DFS verteidigt den Anflug als korrekt - und schiesst sich damit wieder mal ein Eigentor. Ihre Pressesprecherin erklärt lt. Höchster Kreisblatt, das Flugzeug sei „in völlig korrekter Höhe“ über Flörsheim geflogen, und die habe an der fraglichen Stelle lt. Radar-Daten bei 1.200 Fuss gelegen. Die Differenz zu den Höhenangaben aus FraNom bzw. dem DFLD-Höhenprofil (beide aus Transponder-Daten, s. Grafik oben) beträgt damit 60 - 80 Fuss oder 15 - 20 Meter. Angesichts der Ungenauigkeit der Ortsangabe und der Unsicherheit der jeweiligen Messverfahren ist das eine gute Übereinstimmung.
Die DFS führt weiterhin aus, sie habe "drei weitere Flugzeuge zum Vergleich heran gezogen", und alle seien "in der gemessenen Höhe unterwegs gewesen". Dies sei "anders ... auch gar nicht möglich", da der Pilot "im Endanflug ... vom Instrumenten-Landesystem geführt" wird, und das sei ein "Präzisionsinstrument". Das stimmt, aber da der Leitstrahl das Flugzeug nicht direkt steuert, ist es immer noch Sache des Piloten, wie präzise er die Vorgabe einhält. Die spannende Frage aber ist: um welche Vorgabe, welchen Leitstrahl handelt es sich hier?
Auch das kann man mit Hilfe eines einfachen Dreisatz aus der DFLD-Grafik ableiten: wenn 1.200 Fuss die Normhöhe an dieser Stelle ist, dann handelt es sich um den 3°-Leitstrahl. An der Nordwestbahn sind bekanntlich zwei ILS-Systeme im Einsatz: eins für ICAO-konforme Anflüge mit 3° Anflugwinkel, und eins als "Schallschutz-Verfahren" mit 3,2°, eine der großen Errungenschaften des Programms der Allianz für Lärmschutz. Die DFS bestätigt also hier, was lärmgeplagte Anwohner schon lange vermuten und auch aktive Fluglotsen z.B. im DFLD-Forum immer wieder angeben: der 3,2°-Anflug ist keinesfalls die Norm, sondern bestenfalls eine von zwei Varianten, wenn nicht sogar die Ausnahme.
Zusammengefaßt sagt die DFS also: Überflughöhen mit weniger als 300 Meter über Grund sind nach wie vor die Regel, und die Anwendung einer viel gelobten Schallschutz-Maßnahme ist in Wahrheit ins Ermessen der Piloten gestellt und kommt eher selten vor. Eine so klare Aussage ist auch eher selten.
Nach einem Bericht der Main-Spitze hat Fraport den DFLD zu einem Gespräch über das Monitoring solcher Anflüge eingeladen. Ob daraus wohl noch weitere Wahrheiten bekannt werden ?
Auf den ersten Blick sichtbar: während der längeren Phasen mit Anflug über Raunheim steigt die Zahl der ultrafeinen Partikel deutlich an.
(für vergrösserte Grafik mit Legende Bild anklicken)
Es hat eine Weile gedauert, aber nun ist der Vortrag, den Dr. Klaus Wirtz vom Umweltbundesamt im letzten Jahr in Walldorf über die Messung von Ultrafeinstaub gehalten hat (bzw. eine leicht veränderte Fassung davon), auch online verfügbar.
Offenbar hat Herr Wirtz diesen Vortrag auch vor dem Konvent des Forums Flughafen und Region gehalten (aber dieses ach so transparente, mit öffentlichen Mitteln finanzierte Gremium macht von seiner Arbeit nichts öffentlich). Die auf den Vortragsfolien präsentierten Daten sind überwiegend schon älter. Am interessantesten darunter ist, dass das UBA schon im August 2013 eine orientierende Messung entlang der Flughafengrenze durchgeführt und dort sehr hohe Ultrafeinstaubwerte gefunden hat (Folie 22).
Von der Meßstation in Raunheim sind nur die Ergebnisse eines Monats (September 2015) dargestellt (Folie 26; die Darstellung ist wirklich gelungen: die ins Auge springende rote Kurve gibt nur die Windrichtung an, die eigentlichen Messwerte sind in dezentem Hintergrund-Grau dargestellt). Aber trotzdem erkennt man auch hier schon ganz gut: immer dann, wenn die rote Kurve nach unten geht (also der Wind aus östlichen Richtungen weht), wandern die grauen Rauten nach oben (d.h. die Zahl der gemessenen Partikel in der Luft steigt an). Dabei werden Werte erreicht, die die Mittelwerte der anderen UBA-Meßstationen (Folie 27) um das 5-10fache übersteigen.
Wir haben in der Grafik links die Anzahl der Überflüge über Raunheim am jeweiligen Tag sowie die Betriebsrichtung am Flughafen (aus der Monatsstatistik des DFLD für die Meßstation Raunheim-Süd) unter die Darstellung von Herrn Wirtz kopiert. Man sieht, dass Betriebsrichtung 07 (grüne Bereiche im Farb-Balken ganz unten), also direkte Anflüge über Raunheim, immer mit erhöhten UFP-Werten verknüpft ist. Umgekehrt gilt das nicht immer: es gibt auch einige (weniger ausgeprägte) Peaks in den Konzentrationswerten bei BR25, z.B. um den 16. und 21. herum. Allerdings sind auch in diesen Zeiträumen jeweils relativ hohe Anzahlen an Flugbewegungen (hohe graue Balken) registriert, bei denen es sich aber um Starts von der Südbahn am Raunheimer Süden vorbei handelt. Da auch die Winde zu diesen Zeiten eher aus südlichen Richtungen kommen, können durchaus auch hier die Flugzeug-Emissionen verantwortlich sein.
Natürlich bedarf es noch längerer Messzeiträume und genauerer Analysen, um verbindliche Schlussfolgerungen ziehen zu können. Aber schon diese wenigen Daten geben einen deutlichen Hinweis darauf, dass hier ein Problem vorliegt, das mit Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung verbunden sein kann und dringend genauerer Untersuchungen bedarf.
Leider erfährt man immer noch nichts Genaueres über das geplante Forschungsprojekt, das "die Zusatzbelastung im Bereich der Ultrafeinstäube für einen Großflughafen" erforschen soll (Folie 29). Immerhin soll es noch 2016 beginnen.
Andere Institutionen bewegen sich nur ganz, ganz langsam in diese Richtung. Prof. Jacobi vom HLNUG hat auf der gleichen Veranstaltung, auf der Herr Wirtz vorgetragen hat, ebenfalls seinen Vortrag aus Walldorf recycelt und 56 Folien lang demonstriert, dass mit den heute gesetzlich vorgeschriebenen Messungen "Keine auffällig erhöhte oder ungewöhnliche Immissionsbelastung" rund um den Flughafen festgestellt werden kann und "Keine auffällige Abhängigkeit vom Flugbetrieb ohne weiteres ableitbar" ist (man beachte die gequälte Grammatik). Das will er noch ein Jahr lang auch in Neu-Isenburg zeigen, aber gleichzeitig immerhin in Raunheim UFP-Messungen üben und anschließend sogar "weitergehend" in das Thema "einsteigen".
Für das Umwelthaus ist das Thema sogar Anlass, seinen anderthalb Jahre nicht genutzten
Blog
zu reaktivieren. Allerdings leiert der Autor auch dort nur die alten Gebetsmühlen ab: leider weiß man ja noch viel zu wenig, alles ist ganz schwierig, aber bei Bedarf wird das Umwelthaus seinen Monitoring-Auftrag natürlich entsprechend ausdehnen. (Hallo, Herr Augustin, wir haben Bedarf !)
Der Haupt-Verursacher des Problems, die Fraport AG, hat zwar im März 2016 ihre
Info-Broschüre zum Thema UFP überarbeitet, aber die Kernaussage ist nach wie vor: "Anders als für PM10 und PM2,5 gibt es bislang weder einen messtechnischen Standard noch geeignete Beurteilungswerte für UFP. Aus diesem Grund werden bei Fraport zwar u.a. PM10 und PM2,5 gemessen, aber keine UFP". Und dabei soll es auch bleiben, bis sie gesetzlich zu Maßnahmen gezwungen werden.
Es braucht wohl deutlich mehr öffentlichen Druck, damit alle Akteure sich mit akzeptabler Geschwindigkeit in die richtige Richtung bewegen.
Nicht nur die Broschüren sind
nicht mehr ganz aktuell -
die ganze EU-Klimapolitik sieht
derzeit ziemlich alt aus
Nicht nur das Klima innerhalb der EU ist auf einem Tiefpunkt, auch die EU-Klimapolitik, die noch Ende letzten Jahres mit dem Pariser Klimagipfel einen Höhepunkt erreicht zu haben schien, befindet sich im freien Fall. Nicht nur hat der aktuelle EU-Gipfel das Thema unter "Verschiedenes" eingestuft und selbst die fällige Zustimmung zu den Ergebnissen von Paris wurde zum Gegenstand von internem Geschacher, eine ganze Reihe aktueller Maßnahmen sind mit dem verkündeten Klimaziel schlichtweg unvereinbar. Nach einer Analyse der englischen Zeitung "The Guardian" auf der Basis eines vertraulichen Papiers der EU-Kommission werden die CO2-Emissionen der EU die in Paris gegebenen Zusagen daher um satte 2 Milliarden Tonnen übersteigen.
Und während die hiesige Boulevard-Presse die Bevölkerung mit dem Hinweis zu
beruhigen versucht, der "energiebedingte CO2-Ausstoss" steige ja schon nicht mehr (er stagniert jetzt gerade mal im zweiten Jahr, und der Gesamt-Ausstoss, insbesondere der des Verkehrs, steigt fröhlich weiter), erreicht der
Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre neue Rekorde und überspringt die 400ppm-Marke, werden gerade erst aufgestellte Wärmerekorde schon wieder gebrochen und auf der Nordhalbkugel (die sich stärker erwärmt als der Süden) wird die magische 2°C-Marke, unterhalb derer der Temperaturanstieg weltweit begrenzt werden soll,
bereits erreicht.
Dies ist ein weiteres Indiz für die Richtigkeit der Aussagen neuerer wissenschaftlicher Studien, wonach die globale Erwärmung
weitaus schneller voran schreitet und die Emissionen von Treibhausgasen
deutlich stärker eingeschränkt werden müssen, als noch im letzten Bericht des internationalen Klimarates IPCC vorausgesagt.
Das hätte man noch vor Kurzem als Horrorszenario abgetan:
die Abweichungen der Temperaturen vom langjährigen Durchschnitt sind auf der Nordhalbkugel (bis auf wenige Ausnahmen) bereits dramatisch.
(Grafik aus einem
Artikel des Guardian, zum Vergrössern anklicken)
Dass die EU-Kommission nun eine Konsultation einleitet, die sich mit "der Reduktion der Klimawirkungen der internationalen Luftfahrt" befasst, ist leider auch kein Zeichen von Einsicht in die Dramatik der Situation, sondern nur EU-internen Verpflichtungen geschuldet.
In besseren Zeiten, genauer im Jahr 2008, hatte die EU beschlossen, die CO2-Emissionen des Luftverkehrs von und nach Europa in ihr 2003 eingeführtes Emissionshandelssystem
EU-ETS einzubeziehen, nachdem die ICAO-Mitgliederversammlung im Jahr zuvor deutlich gemacht hatte, dass ICAO den ihr bereits 1997 in Kyoto erteilten Auftrag, die Emissionen aus dem Luftverkehr international zu begrenzen, weiterhin verzögern würde. Nach heftigem Widerstand mehrerer Fluggesellschaften und Staaten und nachdem ICAO 2013 versprochen hatte, 2016 endlich ein entsprechendes System zu beschliessen und 2020 einzuführen, hatte die EU die Einbeziehung internationaler Flüge vorläufig ausgesetzt mit der Auflage, über das weitere Vorgehen auf der Grundlage der Ergebnisse der ICAO-Tagung im Herbst 2016 neu zu beschliessen. Diese Beschlussfassung muss jetzt vorbereitet werden.
Ihre internen Regeln verpflichten die Kommission, vor einer solchen Beschlussfassung den "interessierten Kreisen" Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dabei ist es üblich, nicht einfach allgemeine Statements anzufordern, sondern per Fragebogen die Diskussion möglichst auf die Punkte zu fokussieren, die nach Ansicht der Kommission tatsächlich zur Entscheidung anstehen (auch wenn es, ganz demokratisch, immer die Möglichkeit gibt, davon abzuweichen und zu Allem Stellung zu nehmen, wenn auch u.U. nur in begrenztem Umfang). Die Fragebogen geben aber in der Regel schon einen ersten Hinweis, was die Kommission vorhat.
Vor diesem Hintergrund lässt der hier vorgelegte Fragebogen (den es bisher, wie alle anderen
Informationen dazu auch, nur in Englisch gibt; eine Übersetzung in die anderen EU-Sprachen wird es in den nächsten Wochen geben) Schlimmes befürchten.
Schon die Form des Fragebogens ist aufschlussreich. Er besteht neben dem üblichen formalen Vorspann aus neun inhaltlichen Fragen, die auf 1.000 Zeichen begrenzte Antworten erlauben. Das ist doppelt ungewöhnlich. Zum Einen gibt es nicht die Möglichkeit, einen freien Text hochzuladen, in dem man sich mit dem Thema in beliebiger Form (z.B. mit Tabellen, Karten etc.) auseinander setzen könnte, zum Anderen gibt es keine JA/NEIN-Fragen, die auf klare und quantifizierbare Entscheidungen hinaus laufen würden. Das lässt der Kommission einen weiten Spielraum, die vorgebrachten Argumente zu interpretieren, zu bewerten und zusammenzufassen und so das Gesamtergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Schlimmer ist allerdings die inhaltliche Fragestellung. Es geht keineswegs um die "Reduktion der Klimawirkungen der internationalen Luftfahrt" allgemein, sondern um "Politik-Optionen für markt-basierte Maßnahmen" (MBMs), mit denen so etwas erreicht werden soll. Damit ist der Fokus von vorneherein auf verschiedene Varianten von Emissionshandel festgelegt. Andere Maßnahmen will die Kommission offensichtlich nicht berücksichtigen, selbst wenn sie vorgebracht werden. Lediglich eine Frage erlaubt noch Ausführungen zu "ergänzenden und zusammenwirkenden" Maßnahmen zum ICAO-MBM.
Dies ist ein schlechter Witz vor dem Hintergrund, dass das EU ETS schon seit Jahren als weitgehend funktionsunfähig eingeschätzt wird und vor allem dadurch auffällt, dass es zahlreichen energieintensiven Betrieben auch noch Zusatzprofite erlaubt, anstatt Mittel für die Reduktion von Emissionen zu generieren (was allerdings von Anfang an so abzusehen war). Aktuell müssen diejenigen, die überhaupt für die Zertifikate bezahlen müssen, dafür ca. 5 Euro/Tonne CO2-Äquivalent aufbringen, ein wirksamer Preis müsste mindestens bei 30 Euro/Tonne liegen.
ICAO hat gerade erst bewiesen, dass ihre Ambitionen im Klimaschutz noch geringer sind als die der EU. Die NGO
Carbon Market Watch, die den Markt für Emissionshandel beobachtet, weist darauf hin, wie ambitioniert das ICAO-System sein müsste, um die schwachen Beschlüsse zur Emissionsreduktion für Flugzeugtriebwerke auszugleichen, macht aber wenig Hoffnung, dass ein solches System auch zustande kommen könnte.
Tatsächlich hat der ICAO-Rat am 11. März auch einen Entwurf für eine Resolution vorgelegt, der nun in Arbeitsgruppen weiter bearbeitet und im Herbst von der Mitgliederversammlung beschlossen werden soll, um damit das System in Kraft zu setzen. Dem Info-Dienst "GreenAir Online" fallen in einer ersten Analyse des Papiers insbesondere die darin gemachten Zeitangaben auf: die erste Gruppe der Verpflichteten soll danach 2021 mit Kompensationsmaßnahmen beginnen, die aber erst 2023 nachgewiesen werden müssen, für die zweite Gruppe tritt das System 2026 in Kraft, und 2035 soll es schon wieder aufhören können, weil dann technische Maßnahmen greifen sollen, die die Emissionen der Triebwerke drastisch reduzieren (!). Fürs Marketing ist trotzdem vom "kohlenstoffneutralen Wachstum ab 2020" die Rede, und einen eingängigen Namen bekommt das Kind auch: es soll COSIA heissen (Carbon Offsetting Scheme for International Aviation). Das erinnert an Cosima ('die Schöne') und beschreibt treffend die Hauptaufgabe des Systems: es soll gut aussehen; nach der Wirksamkeit braucht man angesichts der vielen schon in der ersten Analyse beschriebenen Schlupflöcher nicht mehr zu fragen.
Man darf also nicht hoffen, dass mit sinnvollen Vorschlägen in dieser Konsultation der Klimaschutz im Luftverkehr irgendwie voran gebracht werden könnte. Sie kann bestenfalls dafür genutzt werden, in die ihr folgende politische Debatte schon mal die Punkte einzubringen, die eine zielführende Politik prägen müssten. Was die ökonomischen Instrumente angeht, sind sich Institutionen vom
Internationalen Währungsfond bis zum Papst einig, dass nur eine effiziente Bepreisung von Treibhausgasen, z.B. in Form einer Steuer, tatsächlich die notwendigen Anreize setzen kann.
Und für die Luftfahrt gilt nach wie vor: nur eine ernsthafte Beschränkung des Luftverkehrs auf das absolut notwendige Maß ist mit echtem Klimaschutz vereinbar.
Ob es Ende des Jahres noch eine EU geben wird, die (zumindest im Prinzip) in der Lage wäre, eine solche lebenserhaltende und umweltschützende Politik umzusetzen, ist keineswegs sicher - aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Deswegen werden wir demnächst hier konkrete Vorschläge dafür veröffentlichen, was der Kommission in dieser Konsultation mitgeteilt werden könnte.
Wie nicht anders zu erwarten, hat Minister Al-Wazir in der Sitzung der Fluglärm-Kommission am 09.03. eine Mehrheit für sein Lieblingsprojekt bekommen. Obwohl einige Kommunen sich vor der Sitzung ablehnend geäussert hatten, ging der Beschluss, die Lärmpausen aus dem (einjährigen) Probebetrieb in den Regelbetrieb zu überführen, durch.
Die Pressemitteilung der FLK macht wie üblich keine Aussage zu den Abstimmungsergebnissen, aber hält fest, dass diese Übernahme "nicht ohne ergänzenden Auftrag empfohlen werden" könne. Dieser Auftrag bezieht sich zum Einen darauf, dass die nicht geplante Konzentration der Landungen auf die Centerbahn in der Zeit von 5:00 - 6:00 Uhr abgestellt werden soll, damit die morgendliche "Entlastung" der Kommunen an der Südbahn deutlicher ausfällt (was aber eine stärkere Nutzung der Nordwestbahn erfordert und damit den Frankfurter Süden aufbringen dürfte).
Zum Anderen weist der Beschluss aber auch darauf hin, dass einige Veränderungen mangels geeigneter Messstationen garnicht erfasst werden und dass nach wie vor unklar ist, wie lange die Maßnahme überhaupt beibehalten werden kann, falls die Zahl der Flugbewegungen mal wieder steigen sollte. Die FLK fordert daher, regelmäßig (einmal im Jahr) über Veränderungen informiert zu werden. Ausserdem verweist sie (allerdings wohl mehr rhetorisch) auf ihre Forderung, "die Möglichkeit der Herausnahme oder zeitliche Umleitung von Flügen aus dem Nachtzeitraum intensiv zu prüfen".
Ob die unten kritisierten Widersprüche in den Monitoring-Resultaten Gegenstand der Diskussion waren, geht aus der PM auch nicht hervor. Zwar hat das Forum Flughafen und Region eine erweiterte Präsentation vorgelegt, die aber (zumindest auf den Folien) auch nicht weiter zur Klärung beiträgt.
Aus der Präsentation von Fr. Barth zu den Abweichungen bei der Südumfliegung kann man lernen, dass die Navigationssysteme der verschiedenen Flugzeugtypen unterschiedlich und insgesamt nicht unbedingt auf dem besten Stand sind. Offenbar muss am Boden noch erheblich nachgerüstet werden, damit die Kisten in der Lage sind, saubere Kurven zu fliegen.
Falls das mal gelingt, hätten auch die Berechnungen zur Lärmbelastung durch die Südumfliegung, die die FLK als Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts per Beschluss anfordert, ein bißchen mehr mit der Realität zu tun.
Auch zu Al-Wazirs zweitem Projekt hatte Frau Barth etwas zu berichten. Allerdings weiss man nun immer noch nicht, wie die famose Lärmobergrenze mal aussehen soll, aber einen Vorschlag soll es im Sommer dieses Jahres geben. Und das, obwohl die von Frau Barth zusammen getragenen Informationen allesamt dagegen sprechen, dass sowas funktionieren könne: alle verfügbaren Prognosen gehen von einem weiteren Wachstum der Zahl der Flugbewegungen in FRA aus, und die Luftfahrtindustrie hinkt mit den versprochenen Lärmminderungsmaßnahmen an den Fluggeräten jahrzehntelang hinterher.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters
meldet, treibt die EU-Kommission die Umsetzung ihrer Luftfahrt-Strategie mit der Vorlage von Gesetzentwürfen voran. Kernelement ist dabei natürlich die Sicherung des "freien Handels", hier verpackt als Durchsetzung fairen Wettbewerbs und Bestrafung "unfairer" staatlicher Subventionen.
Dabei geht es nur vordergründig um die angeblich unfair subventionierten Golf-Carrier, über die sich
Lufthansa so gerne beschwert, sondern vielmehr darum, die Wettbewerbssituation international marktradikal zu nivellieren. Dies geht Hand in Hand mit den Bemühungen der ICAO, die diesem Thema aktuell eine eigene Konferenz widmet und dazu auch eine Serie von Papieren veröffentlicht hat.
Tatsächlich geht es auch dem speziell für die politische Begleitung der EU-Strategie gegründeten Lobbyverband der europäischen Airlines A4E (spöttisch auch "Airlines for Euros" genannt) primär darum,
Kosten zu senken und Regulierungen zu beseitigen. Dieses Interesse
eint dann sogar (ehemalige) Nobel-Linien wie Lufthansa und Billigflieger wie Ryanair, bringt sie allerdings auch in Widerspruch zu Flughäfen und Flugsicherungs-Organisationen, deren Gebühren auch zu den Kosten gehören, die gesenkt werden sollen.
Ein Ziel haben sie aber nach wie vor alle: Wachstum - mehr Flüge, mehr Passagiere, mehr Fracht, und damit notwendigerweise auch mehr Lärm, mehr Schadstoffe und mehr Treibhausgase.
Während die EU-Strategie diesen "Stakeholdern" viel Aufmerksamkeit schenkt und zu vermitteln versucht, haben Bemühungen wie die der Europäischen Transportarbeiter-Gewerkschaft ETF, in die Strategie Aspekte wie Arbeitsqualität, Umweltschutz, Entwicklung und soziale Perspektive einzubringen, weit weniger Aussicht auf Erfolg. Deshalb hat die ETF zusammen mit anderen Organisationen eine Initiative für bessere Arbeitsbedingungen und gegen Sozialdumping im europäischen Transportsektor gegründet, die seit September 2015 Unterschriften sammelt für eine Europäische Bürgerinitiative Fair Transport.
Auf diesem Ohr ist die EU-Kommission allerdings weitgehend taub, und welche Kraft die Öffentlichkeit aufbringen muss, um dort gehört zu werden, zeigt sich an den weiteren laufenden Freihandels-Aktivitäten der EU.
Nach Abschluss der 12. Runde der TTIP-Verhandlungen mit den USA hat der EU-Chefunterhändler
angekündigt, das Abkommen noch in diesem Jahr (während der Obama-Präsidentschaft) durchpauken zu wollen, trotz aller Widerstände in der Öffentlichkeit.
Gleichzeitig hat Handelskommissarin Malmström freudig verkündet, dass in dem (eigentlich ja schon ausverhandelten) Freihandelsabkommen mit Kanada, CETA, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte durch einen neu kreierten Schiedsgerichtshof ersetzt wurden. Dieser von NGOs als Kosmetik eingeschätzte Schritt genügt den Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, einen Erfolg zu verkünden,
ihren Widerstand aufzugeben und in einer schwarz-rosa-gelben Koalition die "schnelle Verabschiedung" des Abkommens zu fordern. Selbst die liberale ZEIT fürchtet, dass das der EU-Kommission genügen könnte, das Abkommen im Mai vorläufig in Kraft zu setzen, ohne dass das Europäische Parlament, geschweige denn die nationalen Parlamente, darüber abgestimmt hätten.
Da kümmert es dann in Brüssel kaum noch jemanden, dass z.B. der Deutsche Richterbund
jede Sondergerichtsbarkeit in Handelsabkommen ablehnt und nach dem Umweltbundesamt auch der "Sachverständigenrat für Umweltfragen" (ebenfalls ein Beratungsgremium der Bundesregierung) in einer
Stellungnahme ausdrücklich vor Gefahren für Verbraucherschutz und Umweltpolitik durch diese Abkommen warnt.
Deshalb hat die
Aktionskonferenz des Bündnis TTIP unfairhandelbar aus Anlass eines geplanten Obama-Besuchs für den 23. April zu einer weiteren Grossdemonstration gegen TTIP, CETA & Co., diesmal in Hannover, aufgerufen. Gleichzeitig soll das CETA-Abkommen durch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verhindert werden.
Wenn der neoliberale Freihandels- und Wachstums-Wahn gebrochen werden soll, werden all diese Initiativen zusammen arbeiten müssen. Eine Deckelung der Zahl der Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen wird nur möglich sein, wenn sich Europa-weit eine neue Politik durchsetzt, die die Interessen von Mensch und Umwelt wieder in den Mittelpunkt rückt. Deshalb sollten Fluglärm-Gegner am 23. April nach Hannover fahren.
Ob das was wird ? Zweifel sind angebracht ...
Auf Antrag der SPD-Fraktion, die der Meinung ist, "dass nahezu alle wichtigen Ziele" des alten Stadtleitbildes "abgearbeitet sind", hat die Stadtverordnetenversammlung den Beschluss gefasst, die Stadtverwaltung "mit der Durchführung des Stadtleitbildprozesses" zu beauftragen. Ergebnis dieses Prozesses soll ein "Stadtleitbild Raunheim 2.0" sein (oder, wie die Main-Spitze mit wahrscheinlich völlig unbeabsichtigtem Sarkasmus schreibt, ein "Stadtleitbild 0.2").
Das mit dem Beschluss ebenfalls gebilligte Konzept zur Durchführung des Leitbild-Prozesses setzt sich umfänglich mit dem Problem der Bürgerbeteiligung auseinander und macht dazu eine Reihe von Aussagen, die noch im Einzelnen zu diskutieren wären. Zunächst wäre aber noch die Annahme zu prüfen, dass das alte Stadtleitbild tatsächlich "abgearbeitet" ist. Die SPD beruft sich bei dieser Aussage auf den "Sachstandsbericht zur Umsetzung des Stadtleitbildes", den die Stadtverwaltung im September 2015 vorgelegt hat. Dessen Aussagen zum Thema Flughafen hatten wir damals schon kritisiert und darauf hingewiesen, dass nicht nur die im Leitbild formulierten Ziele überwiegend noch nicht erreicht sind, sondern auch der dort angedeutete Weg, wie es weitergehen soll, unzureichend ist. Werden diese Fragen im Rahmen des neuen Leitbildprozesses aufgegriffen werden?
Die Haltung zum Flughafen betrifft natürlich nicht nur die Frage nach Lärmminderung, sondern wirkt auch in viele andere Bereiche. So wäre im Bereich der Bildung u.a. auch zu diskutieren, welche Schlussfolgerungen aus der NORAH-Studie zu ziehen sind, und in der Mehrheit der sich "aufdrängenden Handlungsfelder" aus dem Konzept ergeben sich ebenfalls Bezüge. Werden sie auch nur wahrgenommen?
Sieht man sich die Politik der Raunheimer Parteien an, so ist leider festzustellen, dass die meisten von ihnen das anders sehen. Zwar ist es schwierig, sich einen Überblick über ihre Aussagen zu verschaffen, wenn man nicht ständig vor Ort in ihren Veranstaltungen präsent ist (nur die Grünen haben einen aktuellen Online-Auftritt inkl. Wahlprogramm zum Download, von SPD und "Forum Neues Raunheim" findet man ein paar Aussagen auf Facebook, CDU und FDP sind garnicht bzw. mit Material von der vorhergehenden Kommunalwahl präsent), aber dankenswerter Weise hat die Main-Spitze per Fragebogen ihre Aussagen zum Fluglärm abgefragt (und dabei auch das Thema "Ultrafeinstaub" angesprochen).
Das Ergebnis ist ernüchternd. Zwar sind alle irgendwie für weniger Lärm, aber keine Partei greift die Forderungen des alten Leitbildes umfassend auf. Das "Forum Neues Raunheim" stellt sogar die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens in den Vordergrund, und die FDP würfelt alles bunt durcheinander und macht so klar, wie wichtig ihr das Thema ist. Selbst die Grünen, die ihre Opposition zur Politik der Landesregierung in der Vergangenheit einige Male deutlich gemacht haben, beschränken sich hier darauf, das zu fordern, was dort als durchsetzbar gilt und mit dem "Neuen Raunheimer Pragmatismus" kompatibel ist.
Steht der alte Konsens damit vor dem Aus, und wird dieser Leitbildprozess geeignet sein, einen neuen zu entwickeln? Die BI wird sich mit dieser Frage noch intensiv beschäftigen müssen - aber wohl erst nach der Kommunalwahl.
Update 06.03.16: Es kommt nicht so häufig vor, dass uns unmittelbar nach Veröffentlichung eines Beitrags gleich mehrere Reaktionen erreichen, deshalb seien sie hier gleich vermeldet:
Der erste Hinweis betrifft den "Sachstandsbericht" zum alten Stadtleitbild. Der ist auf der Homepage der Stadt Raunheim zwar nicht zum Download verfügbar, kann dort aber als Bildergalerie angesehen werden.
Der zweite Hinweis betrifft den der Main-Spitze unterstellten Sarkasmus. Der ist, wenn überhaupt, dann nur in der Online-Redaktion zu finden; in der gedruckten Ausgabe wurde korrekt über das "Stadtleitbild 2.0" geschrieben.
Und dann gibt es noch (mindestens) einen Menschen, der die Kritik an den Raunheimer Parteien "reichlich überzogen" findet.
Wir sehen weiteren Äusserungen zum Thema mit Spannung entgegen!
Der "ambitionierte Bannwald-Schutz" der schwarz-grünen Landesregierung wirkt hier nicht
Wie Robin Wood meldet, wurde an der Sehring-Kiesgrube in Langen trotz noch ausstehender Gerichtsurteile der "Sofortvollzug" zur Rodung von Bannwald umgesetzt, um weitere Flächen für den Kiesabbau freizumachen.
4,3 Hektar Hochwald sollen hier fallen - ein weiterer Verlust von unersetzlichem Wald im ohnehin völlig überlasteten Rhein-Main-Gebiet. Wirtschaftliche Interessen haben wieder mal eindeutig Vorrang vor ökologischen Notwendigkeiten, und ob der Kies nun wirklich für Terminal 3 gebraucht wird oder nicht - wer sich gegen den Flughafenausbau wehrt, um die Region lebenswert zu erhalten, darf auch so etwas nicht einfach hinnehmen. Das Gleiche gilt natürlich für den Wald am Raunheimer Waldsee.Der Widerstand der Robin-Wood-Gruppe vor Ort war nur symbolischer Natur, könnte aber trotzdem ein juristisches Nachspiel haben. Dann ist die Solidarität aller gefordert, die meinen, dass ziviler Widerstand gegen Umweltzerstörung nicht nur notwendig, sondern auch sehr berechtigt ist.
Die "Allianz für Schallschutz" am Frankfurter Flughafen, am 29. Februar gerade mal 4 Jahre alt geworden, bröckelt anscheinend: Partner Lufthansa, nur noch auf "Sparen" und "Billig" eingestellt, will für die angekündigten Maßnahmen kein Geld mehr ausgeben.
Als erstes trifft es offenbar das neue Navigationssystem
GBAS, mit dem lärmärmere Anflüge möglich werden sollten.
Im September 2014 hatte sich Lufthansa anlässlich der Inbetriebnahme des GBAS-Systems am Frankfurter Flughafen in einer
Pressemitteilung
noch gefreut, "dass heute eine unserer Boeing 747-8 als erste diese innovative Technologie an unserem größten Drehkreuz nutzt". Das ging jedoch nur, weil Boeing diesen Flugzeugtyp standardmäßig mit aktiviertem GBAS-System ausliefert, was Airbus nur beim A380 tut.
Die neuen A320neo, die Lufthansa gerade in Dienst stellt, haben den GBAS-Empfänger aber "nicht aktiviert", was immer das genau heissen mag. Dass zur Aktivierung mehr nötig ist, als nur einen Schalter umzulegen, geht aber schon daraus hervor, dass alle Beteiligten von "hohen Kosten" sprechen, die dafür anfallen, ohne jedoch konkret zu werden.
Auf einen Protest der Initiative "Stop Fluglärm" hin erklärte eine Unternehmenssprecherin
laut FNP, Lufthansa werde die Aktivierung erst vornehmen, "sobald die Geräte verpflichtend werden und wir einen finanziellen Anreiz haben".
Das las man vorher ganz anders. In der Vereinbarung von 2012 haben noch alle Allianzpartner, inkl. Lufthansa, "bekräftigt", die Maßnahmen zum aktiven Schallschutz "konsequent umzusetzen". Um nicht völlig unglaubwürdig zu werden, kommen die Allianzpartner Lufthansa argumentativ zu Hilfe. So erklärt der Pressesprecher der DFS in der FR, Lufthansa habe "noch Zeit", weil das GBAS-System noch nicht vollständig zertifiziert sei, verschweigt dabei aber wohlweislich, dass der geplante erste Schritt, eine Erhöhung des Anflugwinkels auf 3,2° auch auf der Südbahn, durchaus sofort durchgeführt werden könnte.
Nach Fraport-Planungen sollte sich die Zahl der GBAS-gesteuerten Flugbewegungen in den nächsten Jahren mehr als verzehnfachen und zwischen 2020 und 2025 mehr als die Hälfte aller Flugbewegungen erfassen. Noch im November 2015 hat das "Umwelt- und Nachbarschaftshaus" ein teures Forschungsprojekt an die DLR vergeben, dessen Umsetzung ebenfalls die frühzeitige Einführung von GBAS voraussetzt. Wenn die größte Airline am Platz dabei nicht mehr mitspielt, wird das schwierig werden.
Lufthansa bleibt damit bei ihrer Haltung, Schallschutz nur dann umzusetzen, wenn er nichts kostet oder von anderen bezahlt wird. Der Billig-Kurs, mit dem sie gegen die Konkurrenz von Ryanair, Emirates und Co. bestehen will, wird damit nicht nur auf dem Rücken der eigenen Belegschaft und der eigenen Kundschaft, sondern auch auf dem der Flughafen-Anwohner durchgesetzt. Es wäre an der Zeit, dem Management um Herrn Spohr klarzumachen, dass das perspektivlos ist.
Am 11.02. durfte Herr Lanz vom "Umwelt- und Nachbarschaftshaus" in Wiesbaden die Ergebnisse seines "Lärmpausen-Monitorings" präsentieren. Minister Al-Wazir feiert sie (und sich) in einer Pressemitteilung so:
"Die Lärmpausen funktionieren reibungslos, die Lärmbelastung konnte messbar gesenkt werden, und die Menschen wollen, dass wir die Lärmpausen beibehalten."Was steckt dahinter?
Um es vorweg zu sagen: man weiss es nicht genau. Ohne zusätzliche Informationen entziehen sich die vorgelegten Ergebnisse jeder vernünftigen Interpretation (was Herrn Lanz, den Minister und in der Folge vermutlich auch alle anderen Ausbau-Fans nicht hindert, fröhlich drauf los zu spekulieren).
Aber zunächst das Positive: anders als bei der haarsträubenden Darstellung im "Schallschutzbericht" der Fraport (s.
Nachricht vom 05.02.) wird bei diesem "Monitoring" zumindest zwischen Morgen- und Abendstunde unterschieden, und bei einer Anwendungshäufigkeit von knapp 90% kann man wohl auch sagen, dass diese "Lärmpausen funktionieren", zumindest in dem Sinne, dass sie geflogen werden können. Alles Weitere muss allerdings mit dicken Fragezeichen versehen werden.
Für die gezeigten Messwerte bzw. Messwert-Differenzen beginnen die Fragen schon bei den jeweils gewählten Zeiträumen. Für keine der neun dargestellten Messstationen werden die Zeiten des "Lärmpausen-Probebetriebs" (23.04 - 31.12.2015) mit dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres verglichen. Für die sieben Fraport-Messstationen werden die Unterschiede zwischen den "6 verkehrsreichsten Monaten" 2013 und 2015 angegeben, für die beiden UNH-Messstationen die Zeiträume 23.04. - 31.10.2014 bzw. 2015. Daraus lassen sich nicht unmittelbar Probleme ableiten, aber es führt zu weiteren Unsicherheiten in der Interpretation.
Und davon gibt es ohnehin genug. So zeigt sich morgens, wenn alle Landeanflüge über die Nordwestbahn und die Centerbahn abgewickelt werden, in ganz Offenbach keine Veränderung, weder an der UNH-Station unter der Anflugroute Nordwest noch an den beiden Fraport-Stationen unter der Anflugroute Süd (und damit nahe Center). In Frankfurt-Süd (nahe Center) gibt es im Folgenden einen Anstieg um 2,5 dB(A), in Oberrad und Sachsenhausen (beide unter Nordwest) dagen eine Abnahme um 2 bzw. 1 dB(A). Die Zunahme in F-Süd ist leicht erklärbar, da in dieser Stunde bis zu 3/4 aller Landungen auf die Centerbahn gepackt werden (genauere Daten werden nicht angegeben). Wieso es dann allerdings im Offenbacher Norden nicht leiser geworden sein soll, in Oberrad und Sachsenhausen aber schon, ist damit nicht erklärbar.
Hier könnten allerdings die unterschiedlichen Vergleichszeiträume eine Rolle spielen.
Die Anzahl der tagesdurchschnittlichen Landungen zwischen 5 und 6 Uhr hat nach Fraport-Angaben in den jeweiligen Sommerflugplänen (wieder leicht unterschiedliche Zeiträume) von 2013 bis 2015 von 27 über 26 auf 24 abgenommen. Allein dadurch sollte also der Dauerschallpegel an allen Fraport-Stationen schon sichtbar geringer geworden sein, an den UNH-Stationen etwas weniger. Dafür spricht auch, dass die beiden Fraport-Stationen in Neu-Isenburg morgens den gleichen Verbesserungs-Effekt zeigen, die UNH-Station aber einen um 1/3 geringeren.
Mit den "Lärmpausen" hat dieser Effekt garnichts zu tun. Um ihn aber zu quantifizieren und zu sehen, was als Lärmpausen-Effekt überhaupt noch übrig bleiben könnte, müsste man deutlich genauere Auswertungen durchführen.
Würde man dann auch noch die von Herrn Lanz schüchtern angedeuteten "weiteren Einflussfaktoren" wie den veränderten Flugzeugtypen-Mix mit einbeziehen, bliebe für den Morgen wohl auch in Neu-Isenburg nicht mehr viel von einem positiven Lärmpausen-Effekt übrig (aber auch das ist vorläufig nur Spekulation).
Lediglich abends kann man sicher davon ausgehen, dass mit der Schließung der Nordwest- und der Centerbahn im Offenbacher Norden und Frankfurter Süden echte Lärmreduzierungen erreicht werden, während dem Offenbacher Süden, Neu-Isenburg und allen anderen vom Südbahn-Lärm Betroffenen nicht nur die möglichen Verbesserungen geklaut, sondern zusätzliche Belastungen aufgebürdet werden - klassische Lärm-Verschiebung eben. Um deren Wirkung wirklich zu erfassen, brauchte es ein echtes Monitoring - mit Messstationen an den Stellen, an denen die relevanten Änderungen auftreten. Die fehlen heute noch weitgehend.
Bleibt noch die Aussage, "... und die Menschen wollen, dass wir die Lärmpausen beibehalten". Sie stützt sich wohl auf die in der Präsentation angegebene Zahl, wonach 71% der Befragten in einer Umfrage die Frage bejaht haben, ob die "Lärmpausen-Maßnahme weitergeführt werden" soll. Um die Dringlichkeit dieses Wunschs besser einschätzen zu können, sollte man allerdings auch zwei andere Ergebnisse dieser Umfrage zur Kenntnis nehmen: ca. 90% haben "keine Veränderung des Alltagslebens" durch die "Lärmpausen" festgestellt, und nur 0,8% haben dadurch "Hoffnung auf Besserung".
Der Minister möchte in der nächsten Sitzung der Fluglärmkommission im März eine Empfehlung erreichen, die "Lärmpausen" in den "Dauerbetrieb" zu übernehmen. Man kann nur hoffen, dass die FLK-Mitglieder genau hinsehen und zusätzliche Informationen einfordern, die die seltsamen Ergebnisse erklären, ehe sie einen Beschluss dazu fassen. Es könnte sehr gut sein, dass sie dann eine Empfehlung aussprechen müssten, die die BIs heute schon geben: Schafft diesen Unsinn ab!
Update 12.02.16: In der obigen Nachricht ist der Hinweis auf eine Unstimmigkeit weggefallen, die eigentlich alles erstes ins Auge springt. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Auswertung, die Herr Lanz vorstellt, nur die Morgen- und Abend-Stunde von 5- 6 und von 22 - 23 Uhr enthält, und wahrscheinlich auch nur die Zeiten, in denen Betriebsrichtung 25 geflogen wird (obwohl das nirgendwo gesagt wird), verwundert es doch, dass er z.B. für die Station Frankfurt-Oberrad eine Lärmreduktion von 10 dB(A) abends und 2 dB(A) morgens angeben kann, während die Fraport-Schallschutzberichte für den gleichen Zeitraum und die gleiche Station für die Nacht (von 22 - 6 Uhr) eine Veränderung von 1 bzw. 0 dB(A) angeben. Wenn beides wahr sein soll, muss es dort 2015 bei Betriebsrichtung 07 und/oder in der Zeit von 23 - 5 Uhr Zusatzbelastungen gegeben haben, die die behauptete Entlastung gerade wieder kompensieren. Schwer vorstellbar, was das sein sollte.
ICAO's "Destinatinon Green" und die Ziele
von COP21 passen nicht zusammen.
Mit großer Fanfare hat die Internationale Organisation der zivilen Luftfahrt ICAO am 08.02.
verkündet, dass sich ihr Umweltausschuss auf einen neuen Standard für den CO2-Ausstoss künftiger Zivilflugzeuge geeinigt hat. Wenn sich der ICAO-Rat im Laufe dieses Jahres dieser Einigung anschließt (wovon alle Beteiligten ausgehen), wird dieser schon ab 2020 für neue Flugzeugtypen und ab 2023 für alle Neuauslieferungen bestender Typen gelten (sofern sie "re-zertifiziert" werden müssen). Ab 2028 sollen dann gar keine Flugzeuge mehr produziert werden, die dem Standard nicht entsprechen. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebensdauer eines Flugzeugs kann man also davon ausgehen, dass irgendwann weit nach 2050 die große Mehrheit des aktiven Fluggeräts den Standard erfüllen wird.
Vor zwei Monaten hatte der UN-Klimagipfel in Paris ein Ziel beschlossen, das nur erreichbar ist, wenn die Emissionen aus fossilen Energieträgern bis 2050 auf "nahe Null" zurückgefahren sind. Kann der neue ICAO-Standard das liefern?
Natürlich nicht. Zwar feiern die Hersteller Airbus und Boeing und der Dachverband ATAG den Standard als "ambitioniert" und "signifikanten Schritt", geben aber keinerlei Details an. Umweltverbände, die an den Verhandlungen beteiligt waren oder über Informationen aus erster Hand verfügen, kommen zu einem anderen Ergebnis. Die US-Organisation ICCT wird zitiert mit der Aussage, dass der Standard eine 4%ige Reduktion der mittleren CO2-Emissionen großer Flugzeuge erfordern würde, während alleine die Marktsituation über den gleichen Zeitraum schon eine Einsparung von 10% erwarten läßt. Die europäische Organisation Transport & Environment nennt den Standard schlicht "ineffektiv". Selbst die nicht besonders wirtschaftskritische Nachrichtenagentur Reuters weist darauf hin, dass einige neuere Modelle der Hersteller Airbus und Boeing den Standard heute schon locker übertreffen.
Auch wenn es sich daher in Bezug auf den Klimaschutz eher um ein Nicht-Ereignis handelt, lohnt sich noch ein Blick auf die Vorgeschichte dieses Treffens. Obwohl dieser exklusive Expertenclub üblicherweise hinter verschlossenen Türen tagt, waren einige Streitpunkte bzgl. dieses Standards im Vorfeld an die Öffentlichkeit gelangt. Die UK-Zeitung The Guardian
hatte enthüllt, dass die europäischen Vertreter im Ausschuss, vermutlich insbesondere
auf Druck von Airbus, für ein weniger ambitioniertes Ziel eintraten als die Vertreter der USA und Canadas (die zusammen diesen Ausschuss eindeutig dominieren). Während die EU-Vertreter einen
Stringency Level von maximal 6 akzeptieren wollten, votierten die Amerikaner für 8 oder 9, aber mindestens 7 (was dann auch einstimmig so beschlossen wurde).
Einer Delegation des Europaparlaments, das ambitioniertere Regelungen anstrebt, wurde die Teilnahme an der Sitzung verweigert. Nach einem Bericht der Online-Plattform EurActiv ist das ungewöhnlich, und es ist auch nicht klar, ob der UN-Ausschuss oder die EU-Kommission die Teilnahme verhindert haben. Die Ausschuss-Vorsitzende war allerdings nach dem gleichen Bericht so erbost darüber, dass diese Diskussionen an die Öffentlichkeit gedrungen waren, dass sie den Verantwortlichen mit Rausschmiss drohte.
Die Schlussfolgerungen aus dieser Entwicklung sind eindeutig negativ. Die Ambitionen der ICAO in Bezug auf Klimaschutz sind gering wie eh und je, und die EU ist auch hier in eine eindeutige Bremserrolle gewechselt. Die zweite von ICAO angestrebte Maßnahme zur Emissionssenkung, der berüchtigte "markt-basierte Mechanismus" (MBM, vulgo Ablaßhandel), der ebenfalls noch auf dieser Sitzung des Umweltausschuss behandelt werden soll, läßt ebenfalls nichts Gutes erwarten. Und wenn in absehbarer Zeit noch die dritte Klimaschutz-Blase der Luftverkehrswirtschaft, die unbegrenzt zur Verfügung stehenden klimaneutralen Biotreibstoffe, platzen wird, wird endgültig klar sein: nur eine ernsthafte Beschränkung des Luftverkehrs auf das absolut notwendige Maß ist mit echtem Klimaschutz vereinbar.
Update 11.02.16: Aus dieser Reuters-Meldung kann man auch noch ablesen, warum USA/Boeing hier ambitionierter argumentieren als EU/Airbus, und warum eigentlich von vorneherein hätte klar sein müssen, dass der "Stringenz-Level 7" als Kompromiss herauskommen musste: er passt ziemlich gut in die Modellstrategie von Boeing und gerade noch in die von Airbus (für den 6 besser gepasst hätte).
Update 16.02.16: Wer sich in die Details des ICAO-Vorschlags vertiefen möchte, findet die (bzw. Links dorthin) im Policy Update des ICCT.
Rußpartikel müssen eine Mindestgrösse haben,
damit sie als schwarzer Rauch sichtbar werden.
Nachdem der Arbeitskreis Feinstaub des BBI das Thema "Ultrafeinstaub" im letzten Jahr in die Öffentlichkeit gebracht hat (Näheres dazu in den BI-News vom Oktober und Dezember 2015), gab es von offizieller Seite zunächst nur sehr wenig Reaktion. Hinter den Kulissen hat die Luftverkehrswirtschaft das Thema aber bereits vor Längerem aufgegriffen. Bereits 2010 hatte das ICAO-Umweltkomittee (CAEP) begonnen, einen neuen Standard für Partikel-Emissionen zu entwickeln. Die Standardisierungsorganisation SAE International hat daraufhin einen Meßstandard entwickelt, der die technischen Details für die notwendigen Messungen festlegt. In der derzeit laufenden Sitzung des CAEP soll der neue Emissionsstandard beschlossen und noch im Lauf des Jahres vom ICAO-Rat verabschiedet werden.
Im September 2014 hat die "Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt" Eurocontrol eine Spezifikation für ein "Gemeinsames Umweltmanagement" an Flughäfen verabschiedet, mit der u.a. ein Standard für die Kontrolle der Umweltparameter gesetzt wird. Der Dachverband der europäischen Flughäfen, der AIRPORTS COUNCIL INTERNATIONAL EUROPE (ACI EUROPE), verabschiedete das Dokument unmittelbar danach als Recommended Practice. Demnach muss jeder europäische Flughafen, der ein Umweltmanagement auf dem Stand der Technik betreiben will, die Konzentration von ultrafeinen Partikeln messen und überwachen.
Fraport entwickelt diesen Ehrgeiz bisher noch nicht. Sie sahen sich lediglich veranlasst, im November 2015 ein
4seitiges Papier zu veröffentlichen, das zwar einige Grundlagen zu UFP darstellt, aber gleich am Anfang festhält:
Anders als für PM10 und PM2,5 gibt es bislang weder einen messtechnischen Standard noch geeignete Beurteilungswerte für UFP. Aus diesem Grund werden bei Fraport zwar u.a. PM10 und PM2,5 gemessen, aber keine UFP.
Am Ende wird dann aufgeführt, worauf Fraport warten will: erst müssen die staatlichen Stellen einen Meßstandard entwickeln, dann muss die medizinische Forschung die genauen Wirkungszusammenhänge feststellen, woraufhin der Gesetzgeber einen Grenzwert festlegen kann - und wenn sich dann herausstellen sollte, dass Minderungsmaßnahmen nötig sein könnten, kann man ja weitersehen. Verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus.
Auch die hessische Landesregierung, die grundsätzlich für Luftreinhaltung zuständig ist, und hier besonders das Umwelt- und das Verkehrs-Ministerium (beide bekanntlich von Grünen geführt) sieht sich nicht zu Reaktionen veranlasst. Zwar hat das dem Umweltministerium unterstellte HLNUG reagiert und sich im September 2015 vom UBA
eine UFP-Messstation einrichten lassen, um damit entsprechende Messungen zu üben. Wann diese Station allerdings erste Messwerte veröffentlichen wird, ist nicht klar.
In seiner weiteren Öffentlichkeitsarbeit hat das HLNUG aber wie gehabt das Thema verschleiert und gibt bei Feinstaub ganz generell Entwarnung, obwohl die Aussage "Feinstaub-Grenzwert ... deutlich unterschritten" nur für PM10 wirklich bestätigt wird. Schon für PM2,5 ist die Aussage fraglich, da dieser Parameter (unter extremer Auslegung und Nutzung aller Schlupflöcher der gesetzlichen Vorgaben) nur an wenigen Stellen überhaupt gemessen wird. Und speziell für den Flugverkehr bestätigt das HLNUG, dass auch in Neu-Isenburg nur die Parameter gemessen werden, von denen man sicher sein kann, dass sie keine Auffälligkeiten zeigen werden.
Auch der Magistrat der Stadt Frankfurt lehnt es ab, die von einem Ortsbeirat geforderte Meßstation für Ultrafeinstaub einzurichten.
Auch wenn die Verantwortlichen in Hessen sich noch stur stellen: aus der Tatsache, dass die Luftverkehrswirtschaft hier bereits tätig wird, darf man getrost schliessen, dass das Problem real ist und in naher Zukunft auch in der öffentlichen Diskussion eine grössere Rolle spielen wird. Weder Landesregierung noch Fraport werden sich dem auf Dauer entziehen können.
Update 16.02.16:
Ein bisschen was tut sich auch in Hessen: die Fraktion der LINKEN hat im Landtag eine
Kleine Anfrage eingebracht, die die Landesregierung dazu zwingen wird, sich zumindest einmal zu dem Thema zu äussern. Man darf allerdings davon ausgehen, dass sich der Neuigkeitswert der Antwort in Grenzen halten wird ...
In Rheinland-Pfalz hat der Verkehrsclub Deutschland inzwischen auch eine
deutsche Übersetzung der Ergebnisse der UFP-Untersuchungen am Flughafen Amsterdam-Schiphol von 2014 vorgelegt.
Privatisierungen in Griechenland: Auf die Details kommt es an.
(Originalgrafik: harmbengen.de)
Am 03.02. hat das Griechenland-Solidaritätskomitee Frankfurt/Rhein-Main einen zweiten Brief an die Mitglieder des Hessischen Landtags und der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung geschrieben und sie als Vertreter*innen der Mehrheitseigner der Fraport aufgefordert, Transparenz in die Vertragsgestaltung bei der Privatisierung der griechischen Regionalflughäfen zu bringen. Darin werden eine Reihe von Details aufgelistet, die die griechische Online-Plattform The Press Project bereits im Januar veröffentlicht hatte (Übersetzungen dazu hier und hier).
Der Vertrag ist geheim, und bisher gibt es noch keinerlei offizielle Äusserungen zur Veröffentlichung, aber die Aussagen sind hochbrisant. Sollten sie zutreffen, werfen sie ein ganz besonderes Licht auf das Agieren von Ministerpräsident Bouffier, der im Juli letzten Jahres in Brüssel vorstellig wurde, um eine "Sicherheitskonstruktion ..., die das Risiko überschaubar macht", einzufordern. Diese bestünde demnach darin, dass der griechische Staat Fraport von allen Risiken durch gesetzliche Neuregelungen der Arbeitsverhältnisse, schwere Arbeitsunfälle, Streiks, Ausfälle alter technischer Anlagen, Umweltauflagen, erhöhte Sicherheitskosten, Pleiten von Pächtern und, und, und ... freistellt. Ausserdem wäre Fraport von allen Sonderabgaben und Genehmigungspflichten befreit.
Diese Privatisierung würde damit nicht nur den griechischen Staat dringend benötigter Einnahmen berauben und wichtige Infrastruktur-Funktionen gefährden, sondern auf Druck von Wiesbaden, Berlin und Brüssel ein bisher einmaliges Sonderrecht für Investoren schaffen, das diesen völlig freie Hand läßt und Kosten und Risiken dem Staat aufbürdet. Kein Wunder also, dass der Widerstand gegen dieses Projekt in Griechenland nicht aufhören will. Nicht nur machen Gewerkschaften und Initiativen auf allen Ebenen dagegen mobil, auch die griechische Regierung leistet selbst unter dem Druck der EU-"Institutionen" hinhaltenden Widerstand. Wie das englisch-sprachige Online-Portal der Zeitung Kathimerini
berichtet, schweigt sich Premier Tsipras über die Privatisierungen aus, während seine Schifffahrts- und Infrastruktur-Minister eine "Schlacht" gegen den staatlichen Privatisierungsfond TAIPED (im Text "sell-off fund", also "Ausverkaufs-Fond") führen. Auch die weitere
Privatisierung des Athener Flughafens, an der Fraport nicht beteiligt ist, gerät dadurch in Schwierigkeiten.
Nicht unbedingt beste Aussichten für Fraport. Man darf gespannt sein, ob sich Ministerpräsident Bouffier (CDU), Minister Al-Wazir (Grüne) oder die Fraport-Aufsichtsräte Feldmann (SPD) und Kaufmann (Grüne) bemüssigt fühlen, zur geforderten Transparenz in diesem Prozess beizutragen.
Nicht direkt gelogen und trotzdem überwiegend falsch -
der Standard der Fraport-Öffentlichkeitsarbeit
(zum Vergrössern anklicken)
Wie jedes halbe Jahr hat Fraport auch am 03.02. wieder einen sog. Schallschutzbericht veröffentlicht, diesmal für den Sommer 2015 (29. März bis 24. Oktober, das Datum steht gut versteckt auf S. 7). Was da geschrieben steht, gibt laut Pressemitteilung der Fraport
detailliert Einblick in die Entwicklungen der Fluglärmbelastungen in der Region und informiert über Maßnahmen, die die Fraport AG gemeinsam mit ihren Partnern zur Lärmreduktion in 2015 angewandt hat.Für Lesefaule hat Fraport die wichtigsten Inhalte "auf einen Blick" zusammengefaßt (s. Grafik). Die Situation ist demnach geradezu idyllisch: die Zahl der Flugbewegungen steigt, der Lärm nimmt trotzdem ab und ist sowieso viel niedriger als geplant. Leider stimmt davon so gut wie nichts.
Zu- und Abnahmen werden hier immer auf die gleiche "Flugplanperiode" des Vorjahres bezogen. Die ist kalendarisch nicht identisch, sondern dauert laut Glossar von "letzter Sonntag im März bis letzter Samstag im Oktober". Die Veränderung zwischen zwei Perioden sind daher empfindlich für saisonale Faktoren und wandernde Daten von Feiertagen und Ferien, die das Verkehrsaufkommen beeinflussen. Für die Zahl der Flugbewegungen z.B. musste Fraport ein paar Tage vorher mitteilen, dass sie 2015 im Vergleich zu 2014 um 0,2% abgenommen haben.
Auch die Veränderung der Dauerschallpegel an den 28 Meßstationen reagiert auf Unterschiede zwischen den Jahren, insbesondere auf den Anteil der zwei verschiedenen Betriebsrichtung, die die Stationen unterschiedlich beeinflussen. Ein seriöser Vergleich müsste daher zunächst einmal versuchen, solche Effekte abzuschätzen, ehe man verbleibende Unterschiede auf sonstige Ursachen wie z.B. angebliche Schallschutzmaßnahmen zurückführen kann. Fraport tut das natürlich nicht, sondern interpretiert fröhlich drauf los, wie es gerade paßt, wobei die vorgelegten Zahlen auch in sich nicht stimmig sind.
Im Einzelnen findet man da z.B., dass der Lärm in Raunheim tagsüber um 1 dB(A) von 61 auf 61 abgenommen hat; nachts gibt es in Okriftel und Mörfelden-West sogar Abnahmen um 1 dB(A) von 44 auf 45 bzw. 50 auf 51. Nein, das sind keine Tippfehler von uns, so steht es im Bericht (Grafik S. 9). Solche "Unstimmigkeiten ... beruhen darauf, dass in der Grafik gerundete Zahlen angegeben sind", heißt es dazu. Man staunt: gelten für grafische Darstellungen neuerdings andere Rundungs-Regeln als für textliche, und können dadurch Zu- in Abnahmen verwandelt werden? Oder sinnvoller gefragt: wieviel Pfusch steckt noch in diesen Auswertungen?
Aber auch wenn man die Werte für bare Münze nimmt, ergibt sich keine wirkliche Erfolgsbilanz. Tagsüber gibt es an 5 von 28 Meßstellen eine Abnahme, die mit -1 dB(A) angegeben ist, alle anderen Meßstationen verzeichnen offenbar Änderungen von weniger als 0,5 dB(A) (nach oben oder unten). Nachts zeigen eine Station (Bad Weilbach) eine Abnahme von -2 und 14 eine von -1 dB(A), 9 zeigen unveränderte Werte und an 4 Meßstellen stieg der Wert um 1 dB(A). Legt man statt der angegebenen Differenzen die Angaben in der Grafik auf S. 9 zugrunde (wer kann schon wissen, wo mehr gepfuscht wurde), lauten die Werte 0, 13, 8, 7. Was leitet Fraport daraus ab?
Natürlich muss ihr "aktiver Schallschutz" verantwortlich sein, wenn sich irgendwo etwas (scheinbar) verbessert. Tagsüber soll es die Einführung der Wirbelgeneratoren an den Maschinen der A320-Familie der Lufthansa sein, die an zwei der fünf Stationen, an denen überhaupt ein Effekt zu sehen ist, zur Senkung des Dauerschallpegels geführt haben. Für die anderen drei im Westen soll der etwas geringere Anteil an Ostbetrieb dazu geführt haben.
Hier erstaunt zunächst, dass an Station 14 (Hochheim), die sowohl im Westen als auch weit genug weg liegt für einen Effekt der Wirbelgeneratoren (die wirken nur bis in max. 10 km Abstand vom Aufsetzpunkt), also doppelt profitieren müsste, keine Veränderung zu sehen ist. Auch die Station 45 (Frankfurt-Oberrad) zeigt keinen positiven Effekt der Wirbelgeneratoren, obwohl sie genauso weit entfernt zum Aufsetzpunkt liegt wie Offenbach-Lauterborn, wo das angeblich zur Absenkung um 1 dB(A) geführt hat.
Nachts (sprich in den beiden Stunden von 5-6 und 22-23 Uhr) sollen die Lärmpausen für die Verbesserungen verantwortlich sein. Abends soll das im Frankfurter Süden (Stationen 44 und 45) zum Rückgang um 1 dB(A) führen, morgens den gleichen Effekt in Neu-Isenburg und Zeppelinheim (Stationen 03, 09 und 42) haben.
Hier staunt man noch mehr. Da die "Lärmpausen" den Lärm nur verschieben und die jeweiligen Stationen morgens entlasten und abends belasten bzw. umgekehrt, die Pegel aber über beide Stunden integrieren, ist ein Netto-Effekt ziemlich unwahrscheinlich. Berücksichtigt man noch, dass Fraport eine Seite vorher angibt, dass 2/3 der Bewegungen in diesen beiden Stunden abends und nur 1/3 morgens stattfanden, ist überhaupt nicht zu verstehen, wie dadurch in Neu-Isenburg und Zeppelinheim eine Entlastung zustande kommen soll.
Zusammenfassend muss man daher feststellen, dass die Aussagen dieses Berichts zur Wirkung des "aktiven Schallschutz" überwiegend unsinnige Spekulationen sind, die selbst einer oberflächlichen Prüfung nicht standhalten. In der gleichen Qualität werden auch die restlichen Seiten des Berichts gefüllt. Zwei Seiten lang freut sich Fraport, dass es (mit Ausnahme von Eddersheim und Wicker) noch nirgendwo so laut ist, wie aufgrund der absurden Prognosen, mit denen der Ausbau begründet wurde, berechnet worden ist; und vier Seiten lang werden die Interpretationen der NORAH-Studie wiederholt, die inzwischen von allen Seiten, einschließlich der meisten der beteiligten Wissenschaftler*innen, als grob falsch zurückgewiesen wurden. Alles in allem also ein Bericht in gewohnter Fraport-Qualität.
Die Sondersitzung der Fluglärmkommission am 27.01. sollte sich eigentlich primär mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Südumfliegung befassen, das Ende letzten Jahres verkündet wurde (s. unseren Bericht im Archiv). Da das Urteil die Position der FLK im Wesentlichen bestätigt hat und die Urteilsbegründung noch nicht vorlag, um Details zu prüfen, wurde die Diskussion vertagt. Stattdessen standen zwei Referate im Mittelpunkt, die unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen für den Lärmschutz behandeln.
Frau Müller von der Stabsstelle Fluglärmschutz des HMWEVL präsentierte die Rechtsauffassung des Ministeriums zur Bedeutung der EU-Betriebsbeschränkungsverordnung und des Luftverkehrsabkommens USA-EU für die Möglichkeit, Lärmschutzmaßnahmen am Frankfurter Flughafen durchzusetzen. Demnach beschränken weder der in beiden vorgeschriebene "balanced approach" noch sonstige Regelungen die Umsetzung der geplanten Maßnahmen, wie z.B. die Einführung einer Lärmobergrenze.
Auch wenn diese Einschätzung sehr optimistisch erscheint und z.B. die Frage, welche Klagemöglichkeiten dieses Luftverkehrsabkommen US-Fluggesellschaften eröffnet, gar nicht behandelt wird, ist der Kernaussage doch zuzustimmen: auch betriebsbeschränkende Schallschutz-Maßnahmen sind weiterhin durchsetzbar.
Frau Schütte vom Öko-Institut präsentierte ein Gutachten, mit dem im Auftrag des Umweltbundesamtes die 2. Fluglärmschutzverordnung (oder auch Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung) evaluiert werden sollte. Diese Evaluation ist Teil einer "umfassenden Begutachtung" des Fluglärmschutzgesetzes, die als Grundlage für den turnusgemäß 2017 fälligen Bericht der Bundesregierung zu diesem Gesetz dienen soll.
Das Gutachten selbst ist anscheinend (noch?) nicht veröffentlicht, so dass man mit Schlussfolgerungen vorsichtig sein muss, aber es sieht so aus, als könnte es auch für Fluglärmgegner nützlich sein. Zwar werden die Mängel dieser Verordnung nicht vollständig und teilweise nur sehr zurückhaltend benannt, und die Empfehlungen bleiben in vielen Punkten sehr unkonkret, aber dennoch wird deutlich, dass Gesetz und Verordnung auf hoffnungslos veralteten Regeln und Annahmen beruhen und dringend verbessert werden müssen. Ohne Druck der Öffentlichkeit wird das allerdings trotzdem nicht passieren, und es bleibt zu hoffen, dass die FLK brauchbare Vorlagen dafür liefert.
Update 05.02.16: Inzwischen liegt das Urteil des BVerwG zur Südumfliegung anscheinend der FLK vor, sie hat eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte veröffentlicht.
Update 16.02.16: Nun hat das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Aus unserer Sicht ist der Kommentierung der Fluglärmkommission nichts hinzuzufügen; man muss abwarten, was der VGH daraus macht.
Nachtschutzzone zweigeteilt - für den orangefarbenen Bereich läuft die Antragsfrist im Oktober 2016 ab
Schon Ende letzten Jahres war auf der Webseite der Stadt Raunheim ein erneuter Hinweis auf den Ablauf von Fristen für die Förderung von Massnahmen des passiven Schallschutz zu lesen. Darin wird gewarnt:
"Schallschutzmaßnahmen, die nach §9 und §10 des Fluglärmgesetzes gefördert werden, müssen bereits bis 12. Oktober 2016 beantragt werden. Das heißt: Die Schallschutzmaßnahmen müssen zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein und die Rechnung ist beim Regierungspräsidium Darmstadt einzureichen. Da es derzeit bei den lokalen Handwerkbetrieben zu langen Wartezeiten kommt, kann es hier sehr eng werden."
Schon ein halbes Jahr vorher war dort eine Meldung des RP Darmstadt wiedergegeben worden, in der es hiess:
"Das Regierungspräsidium Darmstadt weist darauf hin, dass am 12. Oktober 2016 die erste Frist zur Geltendmachung von Schallschutzmaßnahmen nach § 9 Fluglärmgesetz ausläuft. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen Grundstückseigentümer, deren Immobilien einem äquivalenten Dauerschallpegel von über 65 dB (A) am Tag oder von über 55 dB (A) in der Nacht ausgesetzt sind, Ansprüche beim Regierungspräsidium Darmstadt geltend machen."
Die Aussagen sind natürlich korrekt, gelten so aber nicht für alle Raunheimer HausbesitzerInnen.
Die Aussage des RP schränkt den Kreis der Betroffenen ein, ist aber für dessen genaue Bestimmung nicht besonders hilfreich. Niemand muss nun Tag und Nacht die Werte auf seinem Grundstück messen, um festzustellen, ob er/sie dazu gehört. Im Gegenteil, selbst wenn jemand per Messung nachweisen kann, dass er dazu gehören müsste, hilft das garnichts.
Besagter § 9 Fluglärmgesetz sagt nämlich, dass es nicht auf die tatsächlichen Belastungswerte ankommt, sondern auf diejenigen, die gemäß Fluglärmschutzgesetz ermittelt und mit der Festsetzung der Lärmschutzbereiche offiziell festgestellt sind.
Die Werte, die das RP zitiert, sind dem § 9 Abs. 1 bzw. 2 entnommen und teilen die Tagschutzzone 1 und die Nachtschutzzone jeweils in einen inneren und einen äusseren Bereich, in denen der Anspruch auf passiven Schallschutz entweder sofort (innerer Bereich) oder erst fünf Jahre nach Festsetzung der Schutzbereiche (äusserer Bereich) entsteht. Und im allerletzten Satz (§ 9 (7) Satz 2) heisst es dann: "Der Anspruch ... kann nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden." (Vergleichbare Regelungen gelten auch für die Ansprüche nach dem Regionalfonds-Gesetz und auf Aussenwohnbereichs-Entschädigung, siehe dazu unsere Doku.)
Bisher hat es praktisch keine Rolle gespielt, aber durch diese Zweiteilung ist der Zeitpunkt der Entstehung des genannten Anspruchs tatsächlich nicht für alle Raunheimer Hausbesitzer gleich. Denn zwar liegt ganz Raunheim in der sog. "Nachtschutzzone", aber da die in sich nochmal in zwei Bereiche geteilt ist, ist auch das Stadtgebiet zweigeteilt: in einen inneren Bereich, in dem der (berechnete) Lärmwert zwischen 55 und 60 db(A) liegt, und einen äusseren Bereich von 50 bis 55 dB(A) (orangefarbener bzw. brauner Bereich der Karte). (Für die "Tagschutzzone" gibt es ebenfalls zwei Bereiche, aber da liegt ganz Raunheim im "äusseren Bereich" (!))
Diese allgemein als Lex Fraport kritisierte Fristen-Regelung wurde bei der Novellierung des Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm im Jahr 2007 eingeführt, bei der auch die gesamte "Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen" und die "Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs" geregelt wurde. Den "weniger belasteten" Anwohnern des äusseren Bereichs sollten demnach erst nach fünf Jahren Schutzansprüche eingeräumt werden. Das hat sich bei den Erstattungen für Schallschutzmaßnahmen nicht ausgewirkt, weil Fraport sich nach massiven Protesten nach der Eröffnung der Nordwestbahn mit der Einführung des Regionalfonds 2012 "freiwillig" verpflichten musste, die Erstattungen für alle umgehend auszuzahlen.
Für die Ablauf-Fristen bleibt aber der gesetzlich festgelegte Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs relevant, und das ist für die Bewohner der orange-farbenen inneren Nachtschutzzone der 12. Oktober 2016, denn am 13. Oktober 2011 trat die Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main in Kraft, die diese Zone definiert hat. Deshalb gilt für sie, "dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Schallschutzmaßnahmen auch bereits umgesetzt sein müssen. Betroffenen Bürgern wird daher geraten, Anträge nunmehr zeitnah zu stellen." Diesem Rat können wir uns für diesen Personenkreis nur anschliessen.
Alle anderen hätten eigentlich noch fünf Jahre Zeit, sich zu entscheiden, was sie wie tun wollen, wenn da nicht noch ein anderer Fallstrick wäre. Wer auch Mittel aus dem Regionalfonds nutzen möchte, muss gemäß
Förderrichtlinie (Teil II, 1.5.1) vorher die gesetzlichen Ansprüche geltend gemacht haben. Da aber auch die Ansprüche an den Regionalfonds nach fünf Jahren verfallen (Teil II, 1.6) und diese Richtlinie am 1.1.2013 in Kraft getreten ist (Teil III, 13), ist da am 31.12.2017 Schluss mit der Förderung (soweit das Geld überhaupt bis dahin reicht (Teil 3, 3)). Dieses Datum ist daher die Deadline für alle, die beide Quellen in Anspruch nehmen wollen.
Lediglich mit dem Antrag auf "Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs" kann man sich bis zum 12.10.2021 Zeit lassen, falls man das Geld vorher gar nicht brauchen kann (es kommt aber ohnehin erst ab Oktober 2016).
Der Hinweis der Stadt, "rechtzeitig den Kontakt zu den hiesigen Fensterfirmen zu suchen und bei Bedarf nach Alternativen in der Region zu suchen", sollte übrigens nicht den Eindruck erwecken, die Auswahl der Firmen sei irgendwie eingeschränkt. Zwar ist es immer sinnvoll, Dienstleistungen, wenn möglich, regional nachzufragen, aber grundsätzlich gilt: solange die Maßnahmen normgerecht ausgeführt werden, ist es egal, wer es macht. Auch Fraport hat darauf keinen Einfluß.