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ICAO's "Destinatinon Green" und die Ziele
von COP21 passen nicht zusammen.
Am 12.12.15 ist die 21. Weltklimakonferenz (COP 21) mit dem Beschluss über eine Vereinbarung zu Ende gegangen, die ab 2020 das sog. Kyoto-Protokoll von 1997 ersetzen soll. Der Text des Abkommens liegt bisher, ebenso wie die meisten Einschätzungen dazu, nur in Englisch vor.
Während die offiziellen Stellungnahmen sich in der Regel vor Begeisterung überschlagen, betrachten die meisten Nicht-Regierungs-Organisationen das Ergebnis zwiespältig: einerseits Erstaunen und Erleichterung darüber, dass es überhaupt ein Ergebnis gegeben hat, andererseits massive Kritik an den drastischen Schwächen, die der Text zeigt. Als Beispiele seien hier nur die Presseinformation des Deutschen Naturschutzrings und eine ausführlichere Analyse der Heinrich-Böll-Stiftung zitiert.
Das Abkommen tritt in Kraft, wenn hinreichend viele Teilnehmer-Staaten es ratifiziert haben, und wird dann "völkerrechtlich verbindlich", aber wer dadurch genau zu was verpflichtet wird, wird noch viele Juristen beschäftigen. Klar ist zumindest soviel: die Staatengemeinschaft strebt an, den globalen Temperaturanstieg auf "deutlich unter 2°C, möglichst auf 1,5°C" zu beschränken. Möglich werden soll das durch freiwillige Begrenzungen der Emissionen, die jeder Staat für sich festlegt und alle fünf Jahre überprüft und möglichst verschärft. In "der zweiten Hälfte des Jahrhunderts" sollen dann "Netto-Null-Emissionen" erreicht sein, d.h. es dürfen nur noch soviel Treibhausgase emittiert werden, wie von den Senken wieder aufgenommen werden können.
Letzteres halten die vom UNFCCC befragten Experten für gerade noch erreichbar, aber die Voraussetzungen dafür sind drastisch: " In der Praxis müssen dazu nicht nur die fossilen Energieemissionen nahe bei null sein, sondern zudem die schwer vermeidbaren Emissionen aus Landwirtschaft und industriellen Prozessen durch Senken ausgeglichen werden", wie Stefan Rahmsdorf zusammenfasst.
1,5°C sollen nicht überschritten werden, 1°C ist schon erreicht, und ohne massive Kursänderung werden es mehr als 3°C.
Spätestens an dieser Stelle kommt der Luftverkehr ins Spiel. Ebenso wie die Seeschifffahrt hat er es geschafft, jede Erwähnung oder gar Verpflichtung im Pariser Abkommen zu vermeiden (obwohl sogar die EU heftig für eine entsprechende Formulierung im Text geworben hatte). In einer Pressemitteilung bedankt sich der ICAO-Ratspräsident artig für dieses "Vertrauensvotum in den Fortschritt, den ICAO und die Luftverkehrs-Gemeinschaft bisher erzielt haben", wohl wissend, dass dieser Fortschritt bei Weitem nicht ausreicht, um die in Paris formulierten Ziele zu erreichen.
Nicht nur stehen, wie unten gezeigt, die ICAO-Ziele nicht im Einklang mit dem Erfordernis, dass bis 2050 "die fossilen Energieemissionen nahe bei null sein" müssen, in Paris haben auch noch China und die Länder der "Gruppe der 77" Einwände gegen die bisher von den ICAO-Arbeitsgruppen entwickelten Vorschläge für einen Emissionshandel im Luftverkehr vorgetragen und damit in Frage gestellt, ob wenigstens dieses dürftige Instrument im nächsten Jahr von der ICAO beschlossen werden kann.
Wie auch bei allem anderen, was in Paris beschlossen wurde, wird es also im Luftverkehr darauf ankommen, die Akteure unter massiven Druck zu setzen, ein Ergebnis zu liefern, was mit dem Ziel, den Klimawandel zu begrenzen, halbwegs verträglich ist. Optimisten können sich dem BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger anschliessen, der kurz vor Abschluss der Pariser Konferenz
erklärte: "Hoffen lässt vor allem das Engagement hunderttausender Menschen überall auf der Welt, die sich für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien und für ein Ende des fossilen Zeitalters einsetzen. Die Demonstrationen im Umfeld des Pariser Gipfels haben deutlich gemacht, dass die Zivilgesellschaft beim Abschied von der fossilen Ära vorangeht. Jene, die in Paris mehr Klimaschutz blockiert haben, werden sich noch wundern. Nach Paris wird das Engagement der Klimaschützer weiter zulegen".
Er hatte dabei nicht speziell den Luftverkehr im Blick, sondern auch die vielen anderen Blockierer, die schon am Tag nach der Pariser Konferenz damit begonnen haben, die Ergebnisse zu relativieren, von der
Kohle-Lobby bis zu
Erdöl-fördernden Staaten, aber auch die EU-Staaten, die sich in Paris noch als Vorreiter feiern lassen wollten.
Für alle, die aus unterschiedlichen Gründen dafür eintreten, dass dem Wachstum des Luftverkehrs Grenzen gesetzt werden, wird es jetzt darauf ankommen, ein gemeinsames Vorgehen zu finden und den Druck zu bündeln. Lärm, Schadstoffe und Treibhausgase sind Gründe genug, um den Luftverkehr auf das zu beschränken, wofür er unverzichtbar ist: den Fernreise-Verkehr, den sich Mensch und Umwelt leisten können, ohne Schaden zu nehmen.
Die "Institutionen" (vormals "Troika") unterstützen die Umsetzung der Vereinbarungen.
(Originalgrafik: harmbengen.de, verändert)
Am 14.12. ist Fraport seinem Ziel, den Betrieb von 14 griechischen Regionalflughäfen zu übernehmen, einen wichtigen Schritt näher gekommen: der Vertrag mit dem griechischen Privatisierungsfond HRADF wurde unterzeichnet. Fraport freut sich in einer Pressemitteilung: "Die griechischen Regionalflughäfen sind von entscheidender Bedeutung für die Gesamtwirtschaft des Landes und insbesondere für die Tourismusbranche. Wir sind stolz darauf, dass Fraport und Copelouzos von der griechischen Regierung und dem HRADF mit der Aufgabe betraut wurden, die Wettbewerbsposition dieser Flughäfen für die kommenden Jahrzehnte zu sichern und auszubauen.".
Von den wichtigen Infrastruktur-Funktionen, die insbesondere die elf Insel-Flughäfen für die lokale Bevölkerung haben, ist natürlich nicht die Rede.
Die Reaktionen in Griechenland auf den Vertragsabschluss waren wohl überwiegend zurückhaltend bis negativ. Schon vor der Unterzeichnung
berichtete Spiegel Online über den Widerstand der betroffenen Gewerkschaften, und die Initiative "griechenlandsolidarität" veröffentlichte die Übersetzung eines Zeitungsberichts über eine Volksabstimmung auf den ionischen Inseln, die noch bis zum 27.12. läuft.
Die englisch-sprachige griechische Online-Zeitung ekathimerini.com
zitiert den griechischen Infrastrukturminister Spirtzis mit den Worten, er habe die Vereinbarung nur "mit Schmerzen" unterschrieben und weist auf eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen hin, die noch umgesetzt werden müssen, ehe der Deal "im Oktober oder November 2016" abgeschlossen werden kann.
Die Euro-Presseschau der "Bundeszentrale für Politische Bildung"
zitiert eine weitere griechische Zeitung: "Der deutsche Staatskonzern Fraport wird 14 griechische Regionalflughäfen in den kommenden 40 bis 50 Jahren betreiben, wie am Montag bekannt wurde. Doch nur die Deutschen haben Grund zum Feiern, meint die linksliberale Tageszeitung Efimerida ton Syntakton: "Die wichtigste Aussage machte der Pressesprecher von [dem deutschen Finanzminister] Schäuble: 'Die Privatisierungen waren schon immer wichtig für die deutsche Regierung.' Diese Aussage sollte uns Sorgen bereiten, denn in den sechs Jahren, in denen die Sparmemoranden umgesetzt wurden, war stets das nicht gut für uns, was Deutschland zufrieden stellte."
Am 8 Januar 2016 soll zunächst die Verhandlung über die Klage beginnen, die ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Regionalverwaltungen und anderen vor Griechenlands oberstem Verwaltungsgericht gegen die Flughafen-Privatisierungen erhoben hat, eine weitere Klage vor einem europäischen Gericht ist bereits angekündigt.
Davor braucht Fraport allerdings nicht besonders bange zu sein. Mit der massiven Unterstützung der EU und der deutschen Regierungen werden sie jeden juristischen und politischen Widerstand gegen die Übernahme brechen können, und zahlen müssen sie sowieso erst, wenn tatsächlich alle Formalitäten erledigt sind. Ob der betriebliche Alltag dann reibungslos läuft und der Umbau der Flughäfen zu Touristik-Einkaufszentren reibungslos vonstatten geht, steht auf einem anderen Blatt.
Auf ein Neues: Die Horrorvarianten über Raunheim sind aus dem Spiel, die anderen müssen nochmal geprüft werden.
Am 10.12. hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sein Urteil im Revisionsverfahren um die Klage gegen die Südumfliegung verkündet. Bisher ist nur eine Pressemitteilung verfügbar, die ausführliche Begründung wird erst in einigen Wochen vorliegen.
Zunächst sieht es aber so aus, als wäre das Urteil ein Erfolg für Raunheim. Nicht nur wurde das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), der der Klage betroffener Gemeinden und Personen stattgegeben und die Südumfliegung als rechtswidrig bezeichnet hatte, aufgehoben. Das BVerwG hat offensichtlich auch die Vorstellung des HessVGH verworfen, die Abwägung zugunsten der Südumfliegung sei falsch gewesen, weil sie die Kapazitätsfrage nicht als allein entscheidend zugrunde gelegt hat, und dem HessVGH aufgegeben, lediglich zu prüfen, welche Route unter Lärmschutz-Gesichtspunkten die günstigste ist.
Wörtlich führt das BVerwG in seiner Pressemitteilung aus:
"Nach seiner Ansicht ist die Festlegung der Flugverfahren nur rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, wenn sich zur Bewältigung von bis zu 98 Flugbewegungen je Stunde unter Lärmschutzgesichtspunkten eine andere, die Kläger nicht oder weniger belastende Flugroute als eindeutig vorzugswürdig aufdrängt, ohne zur Wahrung der für den Flugverkehr unabdingbaren Sicherheitserfordernisse weniger geeignet zu sein. Ob es eine solche Route gibt, muss der Verwaltungsgerichtshof klären."
Der Ball liegt jetzt wieder beim HessVGH, der aber nun angehalten ist, tatsächlich das zu prüfen, was die Kläger beantragt hatten: die Südumfliegung aufzuheben, weil es lärmärmere Alternativen gibt. Wenn, wovon auszugehen ist, die Fluglärm-Kommission ihre Arbeit richtig gemacht hat, wird die Antwort darauf ein klares "Nein" sein müssen.
Damit wäre dann für Raunheim das unter den gegebenen Bedingungen Bestmögliche erreicht. Man muss aber im Gedächtnis behalten, dass die Südumfliegung nur das Kleinste von mehreren großen Übeln ist: ein völlig verkorkstes, risiko-behaftetes und unökologisches Abflugverfahren, das allein durch den Kapazitätswahn der Fraport bedingt und gerechtfertigt ist. Eine Umkehrung der Prioritäten, die es erlauben würde, Flugverfahren nach den Kriterien der Sicherheit, der Lärmbelastung und der ökologischen Optimierung festzulegen und die daraus resultierende Kapazität hinzunehmen, liefert auch das BVerwG nicht.
Update 11.12.15:
Auch wenn das Urteil noch nicht veröffentlicht ist, gibt es schon einige weitere Details zur Urteilsbegründung, und die revidieren das positive Bild schon wieder. Die Geschäftsführerin der Fluglärmkommission, Frau Wollert, die offensichtlich an der Verhandlung in Leipzig teilgenommen hat, hat eine
Zusammenfassung der mündlichen Begründung des Urteils des BVerwG zur Verfügung gestellt.
Demnach ist die Begründung des BVerwG für die Zurückweisung des VGH-Urteils (leider) rein formal-juristisch und sagt nichts darüber, ob der VGH bei der Abwägung falsche Prioritäten gesetzt hat: er hätte diese Abwägung in diesem Verfahren einfach nicht vornehmen dürfen. Für das Anliegen der Kläger ist nur relevant, ob sich "eine andere Flugroute aus Lärmschutzgründen als eindeutig vorzugswürdig aufdrängt", was sicherlich nicht der Fall ist. Aus dieser Argumentation folgt dann aber auch, dass, würde Fraport klagen, weil die Südumfliegung die genehmigte Kapazität nicht liefert, die Klage vermutlich Erfolg hätte. Damit sind, sollte die Zahl der Flugbewegungen mal wieder ansteigen, alle Risiken für Raunheim (und für Rüsselsheim und Flörsheim) wieder auf dem Tisch.
Die 233. Sitzung der Fluglärmkommission stand ganz im Zeichen der Bewertung der Ergebnisse der NORAH-Studie, wie auch in der Pressemitteilung betont wird. Allein der Vortrag der Geschäftsführerin, Frau Wollert, der die Ergebnisse zusammenfasst, umfasst 77 Folien, dazu kam noch das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen an Abgeordnete und andere Entscheidungsträger und eine Kurzübersicht des daraus abgeleiteten Handlungsbedarfs.
Das letztere Papier sorgte offenbar in der FLK für kontroverse Diskussionen. Traditionell teilt die FLK keine Details der Abstimmungen mit, aber die Main-Spitze zitiert den Vorsitzenden Thomas Jühe mit einer Bemerkung über das Auftreten von "„größeren Interessengegensätzen“ und abweichendem Abstimmungsverhalten". Ein Teilnehmer der Sitzung wird in einem internen Mailverteiler konkreter: "6 Nein-Stimmen: 5 Stimmen der Luftfahrt-Lobby und eine Stimme des regionalen BVF-Vertreters gegen alle Kommunen".
Der BVF-Vertreter begründet sein Abstimmungsverhalten im gleichen Verteiler so: "die zusammenfassende Darstellung der Norah-Studie ist verzerrend; insbesondere wird ausgeblendet, dass bereits bei mäßiger Belastung gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten können, und die Evidenz für die Einführung eines Nachtflugverbots wird nicht aufgegriffen ". Angesichts der Tatsache, dass den "Maßnahmen in der Nacht" fast die Hälfte des Papiers gewidmet ist und es sich ohnehin nur um eine 2-seitige Zusammenfassung handelt, eine seltsame Einschätzung. Es ist schon sehr erstaunlich, zu welch merkwürdigen Konsequenzen politische Kurzsichtigkeit, gebündelt mit persönlichen Aversionen und einer ordentlichen Portion Dogmatismus, führen kann.
Die übrigen Unterlagen aus der Sitzung bedürfen noch einer genaueren Sichtung, um festzustellen, ob sich darunter noch etwas Berichtenswertes befindet.
Am 07.12. hat Fraport die lokalen Medien informiert, dass die "Fraport-Qualitätssicherung" festgestellt habe, dass bei der Klammerung von Dächern zum Schutz vor Wirbelschleppen-Schäden "teilweise ungeeignete Materialien" eingesetzt wurden und ca. 100 geklammerte Dächer nochmals auf ihre Sicherheit überprüft werden müssten. Fraport betrachtete diese Information als so eilig, dass sie es nicht, wie sonst üblich, bei einer schriftlichen Benachrichtigung beliessen, sondern sogar zum Telefonhörer griffen. Was steckt dahinter?
Natürlich kann man im Augenblick nur spekulieren. Sicher dürfte sein, dass Fraport als Flughafenbetreiber kein Qualitätssicherungs-Programm für Dachklammern, womöglich noch mit Belastungstests und allem sonstigen Aufwand, betreibt. Entweder kam man dem Fehler also auf die Schliche, weil schon irgendwo etwas passiert ist (was Fraport abstreitet), oder der Mangel ist so offensichtlich, dass man ihn schon per Augenschein feststellen kann. Wie aber könnte sowas passieren?
Schon seit Längerem gibt es Gerüchte, dass Fraport die Firmen, die sich verpflichtet haben, das Sicherungsprogramm für sie umzusetzen, unter erheblichen Druck setzt, "kostengünstig" zu arbeiten. Generell darf man davon ausgehen, dass Fraport wie jeder Großkonzern von seinen Einkäufern erwartet, Dienstleistungen deutlich unter Marktpreis einzukaufen. Das gilt sicherlich erst recht, wenn es sich um Dienstleistungen handelt, die nicht dem eigenen Geschäftsbetrieb dienen, sondern nur externe Auflagen umsetzen, an denen Fraport keinerlei eigenes Interesse hat. Welche Ausmaße das konkret annimmt, wissen wir nicht, aber das daraus ein starker Anreiz für die Firmen folgt, ebenfalls billig einzukaufen, dürfte klar sein.
Nach dem anfänglichen Hype um "eigene Fraport-Standards" und "selbstentwickelte Lösungen" ist ja inzwischen klar, dass bei der Dachsicherung nach Standard-Normen und mit marktüblichen Materialien gearbeitet wird. Und dass neben Markenprodukten immer auch Billigangebote auf dem Markt sind, die die Anforderungen nur gerade so, oder eben auch nicht, erfüllen, dürfte hier ebenso wie auf anderen Märkten der Fall sein. Man wird sehen.
Zwei Dinge darf man als sicher voraussetzen. Fraport hat befürchtet, dass jemand anderes das Thema in die Öffentlichkeit bringen könnte, und hat schnell reagiert; und das Problem ist zu ernst, als das es wie üblich heruntergespielt und unter den Teppich gekehrt werden könnte.
Zweitens darf man davon ausgehen, dass sich auch hier die Schlussfolgerung bestätigen wird, die wir auch bei anderen Problemen im Umgang mit Wirbelschleppen und den durch sie verursachten Schäden gezogen haben: es ist ein Fehler, die Abwicklung solcher Programme der Fraport zu überlassen. Natürlich haben sie ein, sogar berechtigtes, Interesse, Einfluss auf die Kosten zu haben, die das Programm verursacht. Aber andererseits können die Interessen der Gegenseite, also der von Wirbelschleppen Geschädigten oder Bedrohten, nur gewahrt sein, wenn ein Dritter das Programm abwickelt, der die Interessen beider Seiten austariert und Transparenz herstellt. Dies sicherzustellen, ist eine klassische Aufgabe der Aufsicht - und die liegt bei Herrn Al-Wazir.
In einem öffentlichen Vortrag im Rathaus Walldorf hat Dr. Klaus Wirtz vom Umweltbundesamt in Langen erstmals Ergebnisse der Ultrafeinstaub-Messungen des UBA rund um den Flughafen, in Langen und in Raunheim vorgestellt. Die wichtigsten Details der Veranstaltung in Walldorf und die Folgerungen daraus haben wir in einer Pressemitteilung zusammengestellt.
Das Allerwichtigste in Kürze: das UBA kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie der AK Feinstaub des BBI und hält es für sinnvoll und notwendig, den Einfluss von Großflughäfen auf die UFP-Belastung der Umgebung in einem eigenen Forschungsprojekt zu untersuchen. Wenn dieses Forschungsprojekt wie angekündigt umgesetzt wird, wäre ein wesentlicher Schritt getan, um das Problem ernsthaft angehen zu können.
Weniger positiv ist die Nachricht, dass mit einer Veröffentlichung der bisher vorliegenden Ergebnisse kurzfristig anscheinend nicht zu rechnen ist. So sehr man verstehen kann, dass bei Messungen, die noch nicht Stand der Technik sind und eine Luftkomponente betreffen, die sehr komplex zusammengesetzt ist, Messergebnisse sorgfältig kontrolliert werden müssen, ehe man sich auf sie verlassen kann, so sehr ist es auch notwendig, den Betroffenen, die sich einer bisher wenig bekannten, aber potentiell gefährlichen Belastung ausgesetzt sehen, Informationen nicht ewig vorzuenthalten. Es geht schließlich nicht darum, die exakte Einhaltung von Grenzwerten nachzuweisen (die nicht existieren) oder unterschiedliche Belastungen gegeneinander abzuwägen, sondern darum, einen Überblick über die Größenordnung des Problems zu erhalten. Deswegen ist es notwendig, die Messwerte zu veröffentlichen, sobald feststeht, dass sie nicht auf groben Messfehlern oder Fehlfunktionen beruhen. Wie es scheint, braucht es dafür aber noch einen gewissen öffentlichen Druck. Wir bleiben dran.
Update 11.12.15:
Dr. Wirtz hat auf unsere Pressemitteilung reagiert und mitgeteilt, dass er mit etlichen Punkten nicht einverstanden ist. Zu den Messergebnissen führt er aus: "Ich hatte versucht darzustellen, das UFPs, gemessen als Partikelanzahlkonzentration, eine sehr hohe Variabilität aufweisen, die immer dann auftreten, wenn man in Quellennähe die Messungen durchführt. Ja, wir haben in Flughafennähe erhöhte Werte gefunden, im Vergleich mit den Werten im Wald. Die Formulierung „drastisch“ hatte ich nicht verwendet und sollte vor dem oben erwähnten Hintergrund auch nicht verwendet werden. In Bezug auf die Raunheim Messungen hatte ich die Windrichtungsabhängigkeit dargestellt, wobei ich aber keinerlei Aussagen über die Tage mit Anflug oder ohne getroffen hatte. Solche Analysen stehen noch aus und Ergebnisse können somit noch nicht vorliegen."
Dazu können wir nur sagen, dass wir verstehen, dass jemand, der ein ganzes Netz von UFP-Messstationen betreut und mit einer Vielzahl von Ereignissen konfrontiert sein dürfte, die stark variierende Messwerte hervorrufen, solche Änderungen nicht als "drastisch" einstuft. Für uns, die wir sehen, dass die Werte in unserer Atemluft deutlich über denen liegen, die man in unbelasteten Gebieten findet, sieht das anders aus. Und was die Raunheimer Daten angeht, brauchen wir nicht auf tiefschürfende Analysen zu warten. Die Anflugrichtung korreliert in der Regel sehr gut mit der Windrichtung, und nichts ist einfacher, als das zu überprüfen, wenn man erst mal die Daten der Messungen hat.
Auch für die Nicht-Veröffentlichung der vorliegenden Messergebnisse hat er eine Erklärung: "Die Experimentalstation in Langen wird genutzt, die Messgerätetechnik auf Eignung für den Messnetzbetrieb zu testen. Ziel ist nicht die Umweltbeobachtung und die Veröffentlichung der Daten – Ihre Forderungen! Das einzelne Datensätze auch dafür genutzt werden, Quellenidentifizierung durchzuführen, ist eine Sekundärverwertung, aber nicht der Fokus. Die Partikelanzahlkonzentration ist ein Messwert, der von der betrachteten Größenverteilung abhängt – ich hatte versucht dies darzustellen – dabei ist die verwendete Messtechnik der limitierende Faktor. In Raunheim wird die Gesamtanzahl von 3 nm bis 1000 nm erfasst. Ein Vergleich mit anderen Messwerten von anderen Messstandorten ist nicht zulässig, da im Regelfall der betrachtete Größenbereich nicht übereinstimmt."
Das mag so sein, geht aber am Kern der Sache vorbei. Wie oben schon ausgeführt, geht es nicht um exakte Zahlenwerte, sondern um einen Vergleich von Größenordnungen. Wenn die gemessenen Größenverteilungen unterschiedlich sind, kann man anhand von Standard-Größenverteilungen korrigieren, um zu sehen, ob ähnliche oder deutlich unterschiedliche Größenordnungen vorliegen - es geht schliesslich darum, erst einmal zu dokumentieren, dass ein Problem besteht, damit die Politik den Handlungsbedarf erkennt.
Eine Empfehlung gibt er auch: "Viel wichtiger wäre ... der Hinweis, dass der Flughafen, so wie auch andere Quellen, zur Gesamtpartikelbelastung in einer Region beiträgt, mit den dafür bekannten Wirkungen auf die Gesundheit, verbunden aber mit dem Hinweis, dass für eine spezifische Bewertung der Partikelanzahlkonzentrationen (UFPs) noch keine verlässlichen Daten vorliegen, unabhängig davon, ob diese verursacht werden durch den Betrieb eines Flughafens oder im Zuge der Emissionen sonstiger Quellen auftreten. Diese fehlende Information ist eine notwendige Voraussetzung für eine wissenschaftliche Bewertung der Wirkung im Umfeld und sollte Ihre wesentliche Forderung darstellen."
Unsere Forderung an das UNH zielte darauf, Lücken in der Wirkungsforschung zu identifizieren und hier tätig zu werden, z.B. indem sie ein NORAH vergleichbares Programm für Ultrafeinstaub auflegen. Grundsätzlich aber gilt: Wir reden hier nicht von Saharastaub oder Meersalz, die ebenfalls hohe Teilchenzahlen bewirken können, wir reden von Abgasen aus Verbrennungsprozessen, die nicht nur eine hohe Teilchenzahl, sondern auch eine hohe Schadstoff-Belastung bewirken und deren Schädlichkeit in dieser Kombination hinreichend begründet ist. Soweit der Flughafen also als Verursacher in Betracht kommt, ist zwangsläufig von einem hohen Schädigungspotential auszugehen - auch wenn das sicherlich im Einzelnen noch nachzuweisen ist.
Der volle Wortlaut der Antwort von Herrn Wirtz kann hier nachgelesen werden.
Um den Lärm von Flugobjekten
in Grenzen zu halten, muss man
die richtigen Instrumente wählen
Ende November haben die Umweltdezernentin von Mainz, Frau Eder, und der Erste Stadtrat von Mörfelden-Walldorf, Herr Urhahn, ein Diskussionspapier zur Einführung einer Lärmobergrenze für den Flughafen vorgelegt. Die Presse (genauer die FAZ und die FNP) hebt hervor, dass diese Initiative hauptsächlich auf den Zeitdruck hinweisen soll, der entsteht, weil im Juni 2016 die EU-Betriebsbeschränkungsverordnung in Kraft tritt und es deshalb danach schwieriger wird, Lärmschutzmaßnahmen durchzusetzen, die Einfluss auf die Kapazität des Flughafens haben (können). Daher sollten sich alle Beteiligten schnell an einen Tisch setzen und eine Lösung erarbeiten. Ansonsten wird nicht deutlich, worin das Neue dieser Initiative besteht, aber das liegt nicht an den Journalisten.
Das Papier besteht im Wesentlichen aus einer Übersicht über die bisher vorgelegten Ansätze und Ideen zu einer Lärmobergrenze. Dann folgt eine bunte Mischung aus Wiederholungen der vorher zitierten Ideen, Begründungen und möglichen Instrumenten zur Erreichung der Lärmschutz-Ziele. Dabei kommt man nicht umhin, sich zu wundern, wieviel Widersprüchlichkeit und Realitätsferne man auf nur zwei DIN-A4-Seiten demonstrieren kann.
Zunächst ist der Anspruch sehr hoch, denn als "Bezugsjahr wird die Lärmbelastung der Region aus dem Jahr 2012 festgelegt", also im Wesentlichen die derzeitige, und die soll "um 0,4 dB pro Jahr" sinken. Erreicht werden soll diese revolutionäre Umkehr der aktuellen Trends "hauptsächlich durch lärmärmere Flugzeuge und Flugverfahren". Aber auch den jetzigen Lärm nur langsam zu reduzieren, soll noch nicht reichen, denn unterhalb der Obergrenze sollen auch noch "dynamische Alarmbereiche implementiert werden, die verbindliche Lärmminderungsmaßnahmen auslösen". Dafür sind in der Instrumentenkiste "lärmärmere Flugverfahren, Lärmpausen als Lärmausgleich, geänderte Belegung von Flugrouten ..., bis hin zur Sperrung einzelner Routen oder Bahnen".
Andererseits werden aber "lokale Grenzwerte festgelegt", wobei es für größere oder zersiedelte Städte sogar "ortsteilbezogene Obergrenzen" geben soll, und eine "Verschiebung von Lärm soll grundsätzlich verhindert werden". Hier wird dann allerdings doch noch eine Notbremse eingebaut in Form einer "Aufbruchsklausel", die dann Lärmverschiebungen erlaubt, wenn sie das Ergebnis einer "Einzelfallprüfung" sind.
Es würde wohl ein permanenter Aufbruch werden, denn alle genannten Instrumente ausser den "lärmärmeren Flugzeugen" sind Lärmverschiebungsmaßnahmen.
Aber auch, wenn die genannten Maßnahmen ohne Einschränkungen eingesetzt würden, ist es völlig absurd zu glauben, dass man damit den Lärm in den jetzigen Grenzen halten könnte, wenn die weitere wirtschaftliche und politische Entwicklung auch nur entfernt ein Wachstum erlauben würde, wie Fraport es anstrebt. Um das zu verstehen, muss man sich nur die Wirkungen der bisher schon implementierten Maßnahmen dieser Art ansehen: weder die "Al-Wazir-Pausen" noch der 3,2°-Anflug auf die Nordwestbahn oder die Veränderungen von Flugrouten oder -höhen haben im Nahbereich, wo die Obergrenze hauptsächlich wirken soll, etwas bewirkt.
Auf "lärmärmere Flugzeuge" zu hoffen, deren Einsatz durch wirksame Gestaltung der "Start- und Landeentgelte" gesteuert werden soll, heißt erstens einem schon geradezu kindlichen Fortschritts-Optimismus anzuhängen und zweitens, angesichts der aktuellen Gebührendiskussion, die Augen vor der Realität fest zu verschliessen.
Was soll das Ganze also? Auch wenn sie das Gegenteil behaupten, spielt wohl die Hauptrolle, dass beide oben genannten Autoren sowohl Mitglied der Grünen sind also auch nächstes Jahr Wahlen vor sich haben. Da macht es sich gut, wenn man den frustierten Wählerinnen und Wählern wenigstens eine Aktivität vorzeigen kann, die ihre Interessen aufgreift - wenn es nachher nichts wird, kann man immer noch sagen, man habe sich bemüht, aber leider, leider habe die Koalition, das Land, der Bund, die EU, die Rechtslage oder wer auch immer die Umsetzung nicht zugelassen.
Allerdings wissen nicht nur Personalchefs: die Formulierung "hat sich immer bemüht" ist nur eine freundliche Umschreibung für "kriegt nichts auf die Reihe".
FFR und DLR innig verbunden
Das DLR darf sich freuen: zwei seiner Institute dürfen sich knapp 1 Million Euro hessischer Steuergelder für zwei Forschungsprojekte teilen, mit denen laut Fluglärmkommission "lärmarme An- und Abflugverfahren weiterentwickelt werden sollen". Auftraggeber ist das "Umwelt- und Nachbarschaftshaus" des "Forums Flughafen und Region", das aber, wie die AZ korrekt anmerkt, "Mittel des Landes Hessen" vergibt.
Nun gibt das UNH durchaus noch grössere Summe für weit unnützere Projekte aus, aber bei dieser Größenordnung sollte man schon mal nachfragen, worum es exakt geht und wer davon wie profitiert.
Mit beiden Projekten soll der Landeanflug optimiert werden. Um die Details zu verstehen, verläßt man sich besser nicht auf die Presseberichterstattung, sondern liest sich die ausführlichere Mitteilung in den DLR-News durch (wortgleich auch beim UNH verfügbar).
Piloten-Assistenzsysteme können problematisch sein, besonders wenn Airlines unter Kostendruck stehen ...
(Original: c't-Schlagseite 03/99,
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Im ersten Projekt soll mit Hilfe eines Piloten-Assistenzsystems der Sinkflug so optimiert werden, dass möglichst wenig Triebwerksschub eingesetzt wird und Landeklappen und Fahrwerk (die beide Lärm erzeugen) möglichst spät ausgefahren werden. Dieses Assistenzsystem entwickelt das DLR schon seit ein paar Jahren, und in einem Bericht vom Februar 2014 wurde auch klar beschrieben, was es leisten soll: "Inzwischen haben erste Auswertungen gezeigt, dass mit Hilfe des entwickelten Assistenzsystems bei den durchgeführten Testanflügen eine mittlere Treibstoffersparnis von elf Kilogramm pro Anflug erreicht werden kann. Außerdem sind die Anflüge präziser." Und als Nebenwirkung wurde "auch eine mögliche Verringerung des Lärms im Anflug ... in den Simulatortests nachgewiesen".
Warum brauchen die Piloten überhaupt Assistenz beim Sinkflug? Idealerweise sollten Flugzeuge im Anflug auf einen Flughafen von der Reiseflughöhe im Leerlauf sinken (sog. kontinuierlicher Sinkflug oder continous descent approach,
CDA), bis sie (in ca. 18 km Entfernung vom Aufsetzpunkt) den Leitstrahl des Landesystems erreichen, und dann diesem folgend unter minimalem Einsatz von Schub und Bremse den Endanflug abwickeln. Das kann schwierig werden, wenn die Wetterbedingungen schlecht sind - aber es ist unmöglich, wenn alle Flugzeuge unabhängig von aerodynamischen Eigenschaften, Größe und Gewicht während des gesamten Anflugs in feste Abstände und Höhen eingetaktet werden müssen, weil der Andrang sonst nicht zu bewältigen ist.
Um die sich daraus ergebenden Anforderungen präzise einhalten zu können, bedarf es in der Tat zusätzlicher Unterstützung, denn hier geht es nicht mehr um einen kontinuierlichen Sinkflug über die ganze Strecke, sondern um die exakte Dosierung von Schub und Bremse zum richtigen Zeitpunkt - und vielleicht ein bißchen Sinkflug zwischen diesen Punkten. Der entsprechende Lärm wird also nicht vermieden - er wird bestenfalls ein bißchen reduziert.
Im zweiten Projekt geht es, als alternative Lösung, um die Umfliegung besonders dicht besiedelter Gebiete (gekrümmter Anflug oder curved bzw. segmented approach). Auch hier ist nicht der einzelne Anflug das Problem, sondern die Menge der Anflüge. Südbahn und Nordwestbahn sind weit genug voneinander entfernt, um unabhängig angeflogen zu werden, d.h. für einen Anflug auf eine der beiden Bahnen ist es egal, ob und wann die andere angeflogen wird. Das gilt aber nur, solange der Anflug auf dem ILS-Leitstrahl, also kerzengerade und mit hinreichender Genauigkeit, erfolgt. Ohne den Leitstrahl ist die Einhaltung der seitlichen Abstände nach ICAO nicht gewährleistet, und der Abstand müsste zeitlich hergestellt werden, d.h. solange einer vor der einen Bahn herumkurvt, darf auf der anderen keiner landen.
Hier möchte die DLR ein neues Sicherheitskonzept entwickeln, das durch verbesserte Navigationsmethoden die Einhaltung der seitlichen Abstände auch bei gekrümmten Bahnen garantiert.
Drastisch gesagt, geht es also bei beiden Projekten darum, einen mehr oder weniger kruden Ersatz für ein lärmminderndes Flugverfahren zu finden, das aus Kapazitätsgründen nicht geflogen werden kann.
Wenn es in der DLR-Mitteilung heißt: " „Die beiden neuen Forschungsprojekte ergänzen hervorragend die bisherigen Arbeiten des FFR“, erklärt Stefan Mauel von der Fraport AG und Leiter der FFR AG Perspektive", die die Projekte "fachlich begleitet", dann trifft das den Kern. Das FFR ist dazu da, die negativen Begleiterscheinungen des Wachstumswahns der Fraport zu kaschieren und den Fluglärmbetroffenen Aktivitäten vorzugaukeln, die angeblich ihre Interessen schützen.
Ein echter "aktiver Schallschutz" müsste lärmmindernde Verfahren in ihrer wirkungsvollsten Form einführen und die sich daraus ergebenden Einschränkungen in der Verkehrsdichte hinnehmen. Ein Flugbetrieb aber, wie Fraport ihn mit über 700.000 Flugbewegungen pro Jahr anstrebt, kann auch durch die raffiniertesten Verfahren und Instrumente nicht raumverträglich gestaltet werden.
Aus Raunheimer Perspektive kann man sich über diese Verschwendung von Steuergeldern zugunsten der Fraport sogar noch doppelt ärgern. Selbst wenn die erforschten Maßnahmen irgendwann mal kleine Erfolge zeigen sollten - ihr Wirkungsbereich beginnt in 10 - 20 km Entfernung vom Flughafen. Für den Endanflug, unter dem Raunheim ebenso wie Flörsheim, Sachsenhausen und Niederrad liegt, bringen sie nichts.
Aber unabhängig davon, wer aus diesen möglichen kleinen Erfolgen Nutzen ziehen kann - den Hauptprofit hat Fraport, und es wäre nur angemessen, wenn sie dafür auch zahlen würden.
Idyllisch - Raunheim in Grün: Es wurde überall leiser - zumindest im Mittel dieser beiden Jahre
Entgegen anderslautenden Befürchtungen (s. Meldung unten) sind die Ergebnisse der Lärmberechnungen, die der DFLD im Auftrag der Initiative Zukunft Rhein-Main durchgeführt hat, nun doch
im Internet verfügbar. Es gibt Übersichtskarten für den Dauerschallpegel am Tag und in der Nacht sowie Einzelereignisse in der Nacht, für das Jahr 2012 und für die Differenz zwischen 2012 (das erste Jahr nach Inbetriebnahme der Nordwestbahn) und 2008 sowie Einzelauswertungen für die Mitglieds-Kommunen der ZRM.
Zu Letzteren gehört Raunheim zwar nicht, aber netterweise wird auf den Karten für Rüsselsheim Raunheim gleich mitbehandelt, so dass man da alles findet, was auch für die anderen Kommunen allgemein verfügbar ist.
Das Material ist allerdings mit Vorsicht zu interpretieren. So zeigen z.B. die Differenz-Karten 2012-2008, dass es durch die Inbetriebnahme der Nordwestbahn in ganz Raunheim leiser wurde. Für den Raunheimer Norden ist das klar, weil die Anflüge auf die Centerbahn nach Flörsheim verschoben wurden. Die Rechnungen zeigen aber auch eine Abnahme im Süden, obwohl dort durch die Bündelung der besonders schweren Maschinen, die auf der Centerbahn landen durften, aber nicht auf der Nordwestbahn, eher mit einer Zunahme des Lärms zu rechnen war. Hier muss man ganz genau auf andere Unterschiede achten.
Zum Einen gab es 2012 weniger Flugbewegungen als 2008 (482.242 bzw. 485.783), so dass die Lärmbelastung 2012 generell geringfügig niedriger sein sollte als 2008. Zum Anderen gab es Unterschiede in der Betriebsrichtungs-Verteilung. Die waren zwar übers Jahr auch nicht sehr gross (2012 25% Betriebsrichtung 07, 2008 27%), aber da nur die "sechs verkehrsreichsten Monate" Mai bis Oktober ausgewertet wurden, können grössere Unterschiede in diesen Zeiten eine Rolle spielen. Die Daten sind nicht direkt verfügbar, aber da es im Mai und September 2008 extrem lange Phasen mit Anflug über Raunheim gab, könnten auch dadurch Verschiebungen auftreten.
Andere Effekte bedürfen noch einer Klärung. So ist z.B. nicht verständlich, warum für 2012, besonders in der Nacht, die Werte für die Anfluglinie auf die Nordwestbahn deutlich höher sind als die für die Südbahn (bei gleichem Abstand vom Aufsetzpunkt), obwohl hier das Betriebsrichtungs-Verhältnis keine Rolle spielt und die Verteilung auf die beiden Bahnen zahlenmäßig nur leicht zulasten der Nordwestbahn (13% bzw. 11% der Gesamtlandungen, gem. UNH-Bewegungsmonitoring) und lärmmäßig eindeutig zulasten der Südbahn (fast alle lauten Flieger) ausfällt.
Alles in allem steht hier aber nun noch eine weitere interessante Datenquelle zur Verfügung (neben den Daten, die der DFLD auf seinen eigenen Seiten zur Verfügung stellt, siehe unsere Links zu Lärmwerten). Die wirklich spannenden Unterschiede, wie z.B. die zwischen den "offiziell" berechneten Lärm-Verteilungen und den sich aufgrund der tatsächlich geflogenen Routen ergebenden Verteilungen sind aber noch herauszuarbeiten. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Instrument noch weiter genutzt wird, um offene Fragen zu beantworten.
Ohren zu und stillhalten ?
Die NORAH-Ergebnisse sind
kein Anlass dafür
Schneller als erwartet stellt sich heraus, dass der Versuch der Luftfahrt-Lobbyisten, die Ergebnisse der NORAH-Studie zum Abwürgen der Diskussion über die gesundheitlichen Wirkungen von Fluglärm zu missbrauchen (s. Meldung unten), scheitern muss. Trotz aller weiterhin aufrecht erhaltener Kritik an Design und Durchführung vieler Aspekte der Studie kommen auch kritische WissenschaftlerInnen zunehmend zu dem Ergebnis, dass das Material, das NORAH geliefert hat, nicht nur in vielen Punkten die bisher schon bekannten Gefahren des Lärms bestätigt, sondern in einigen Fällen noch darüber hinaus gehende Probleme aufzeigt.
Auch die NORAH-WissenschaftlerInnen selbst wehren sich teilweise sehr deutlich gegen die in die Öffentlichkeit lancierten Fehlinterpretationen ihrer Ergebnisse, was umso bemerkenswerter ist, als ihnen eigentlich eine 6monatige Schweigepflicht auferlegt ist und sie erst nach deren Ablauf ihre Ergebnise frei kommentieren und verwerten können.
Die Medien vollziehen diese Wendung leider nur sehr begrenzt nach, auch wenn lokal zunehmend über kritische Meinungen berichtet wird, wie z.B. in der FR über die Veranstaltung der Initiative Zukunft Rhein-Main in Flörsheim am 20. November.
Wer sich aber die Dokumentation der vom Umwelthaus wohl als Bestätigung der von den Hauptsponsoren vorgegebenen Linie geplanten Konferenz ICANA 2015 (bisher nur als Video verfügbar) ansieht, kann nur zu dem Schluss kommen: die verharmlosenden Interpretationen, die von Fraport und UNH unmittelbar nach Abschluss der Studie in die Welt gesetzt wurden, sind nicht haltbar.
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die wirklichen Aussagen der NORAH-Studie herausgearbeitet und bewertet sind. Wer die Diskussion mitverfolgen will, sei hier nochmals auf die ständig aktualisierte DFLD-Seite zu NORAH hingewiesen, wo zeitnah neuere Ergebnisse, Reaktionen und Einschätzungen gesammelt werden.
Im Vorfeld des Klimagipfels in Paris, der am 30 November beginnt, wird heftig darum gerungen, zu zeigen, wer für welche Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich ist und wem welche Reduzierungen zugemutet werden sollen. Wohl auch deshalb sind jetzt kurz hintereinander zwei Studien erschienen, die sich mit der Effizienz der Airlines, das heißt deren Treibstoff-Verbrauch (und damit der CO2-Produktion) pro Dienstleistung (i.d.R. Personen-Kilometer) befassen.
Ein Ergebnis vorweg: der Home Base Carrier der Fraport, die Lufthansa, schneidet in allen Punkten schlecht ab.
Der International Council on Clean Transportation (ICCT), dieselbe Organisation, deren Untersuchungen den VW-Skandal ins Rollen gebracht haben, hat u.a. auch die Effizienz der Airlines bei Non-Stop-Transatlantik-Flügen untersucht und erstaunliche Unterschiede festgestellt. Sowohl die Fachpresse (z.B.
airliners.de) als auch die Boulevard-Presse (z.B. Spiegel Online) heben hervor, dass die Billigflieger (und hier besonders AirBerlin auf Platz 2) deutlich besser abschneiden als die etablierten "Netzwerk-Carrier" (und hier besonders Lufthansa auf dem vorletzten Platz, nur knapp vor BritishAirways).
Auch die Initiative Atmosfair hat ihren Airline Index aktualisiert. Der ist wesentlich umfangreicher und betrachtet 190 Airlines getrennt nach Kurz-, Mittel- und Langstrecke. Auch hier fokussiert die Berichterstattung (z.B. in der FR) auf das gute Abschneiden einiger deutscher Airlines (Tuifly auf Platz 3, AirBerlin auf Platz 8), wenn auch das schlechte Abschneiden der Lufthansa (Platz 68, Lufthansa Regional auf Platz 125) erwähnt wird.
Gleiche Frage, unterschiedliche Antworten
Derartige Effizienz-Bewertungen sind sehr komplex, und es gibt kein einheitliches Verfahren dafür. Schon die Datengrundlage ist schwierig (z.B. weil die meisten Airlines nicht differenziert über ihre Treibstoff-Verbräuche berichten), und in die Berechnungen gehen jede Menge Annahmen ein, so daß die entstehenden Rankings zwar in sich konsistent, aber untereinander nur schwer vergleichbar sind. Auch sind die Intentionen unterschiedlich: während atmosfair den Passagieren Entscheidungshilfen bieten will und daher unterschiedliche Geschäftsmodelle und Angebote stärker berücksichtigt, ist ICCT mehr an den Klimafolgen interessiert und betrachtet die Emissionen unabhängig davon, wie nötig oder unnötig sie sind (denn dem Klima und dem großen Rest der nicht-fliegenden Menschheit ist es egal, warum eine bestimmte Menge CO2 in die Atmosphäre gelangt, die Wirkung ist immer dieselbe).
Entsprechend unterschiedlich sind auch die Interpretationen der Ursachen für die Unterschiede zwischen den Airlines. Generell spielen natürlich die eingesetzten Flugzeugtypen bzw. deren Triebwerke und Ausstattungen eine große Rolle, aber während bei atmosfair die Passagierauslastung (Prozentsatz der belegten Sitze) der Hauptfaktor ist, spielt bei ICCT die Konfiguration der Sitzplätze (Anzahl Sitze pro Flugzeugfläche) eine viel grössere Rolle: die Premium-Sitzplätze (First und Business Class) sind für 14% der Sitzplatzkilometer, aber rund ein Drittel der Emissionen verantwortlich. Oder platt gesagt: laut ICCT sind die antiquierten Bonzen-Bomber der großen Carrier die größten Klima-Schädlinge.
Lufthansa hat das miserable Abschneiden in beiden Rankings bisher nicht kommentiert. Die letzte Äusserung zum Thema war eine
Pressemitteilung vom 30. Oktober, mit der sie ein "Gold-Prädikat für verantwortungsbewusste Unternehmensführung" feiert. Im Ergebnis einer "repräsentativen Umfrage ... kürten die Befragten in der Kategorie „Fluggesellschaften“ Lufthansa als Marke mit dem höchsten Verantwortungswert und damit als nachhaltigste Airline". Aber eben nur auf Basis einer Umfrage in der Bevölkerung - was nur beweist, wie weit Schein und Sein auseinander klaffen können.
In der gleichen PM lobt sich LH dafür, dass "die Lufthansa Group wie in den Vorjahren das anspruchsvolle Branchenziel einer jährlichen Effizienzsteigerung von 1,5 Prozent" erreicht hat. Das ist allerdings auch keine Kunst - wer so weit hinter dem Branchen-Durchschnitt hinterher hinkt, müsste sich deutlich stärker anstrengen, wenn die Branche insgesamt ihr Ziel erreichen wollte.
Das wird die Luftfahrt-Industrie aber ohnehin nicht schaffen. Wie ICCT in einer anderen Veröffentlichung gezeigt hat, hinkt sie ihrem Effizienz-Ziel bereits jetzt um mehr als ein Jahrzehnt hinterher, und eine deutliche Beschleunigung ist in der nächsten Zeit nicht zu erwarten. Und wie bereits
unten gemeldet, bestätigen selbst Studien, die die aktuellen Maßnahmen unterstützen sollen, "dass die in den Prognosen und Selbstverpflichtungen der Luftverkehrswirtschaft enthaltenen Verpflichtungen auf Reduktionsziele 2030 oder 2050 mit den absehbar vorhandenen Technologien schlichtweg nicht erreichbar, also leere Versprechungen sind."
Trotzdem kämpft die Luftfahrt-Industrie darum, den Luftverkehr ganz aus dem geplanten Pariser Abkommen heraus zu halten und alle Verantwortung der ICAO zu übertragen, und es sieht so aus, als würde ihr das weitgehend gelingen.
Um die Konsequenzen in der Öffentlichkeit zu vertuschen, feuern ihre Dachverbände aus allen Propaganda-Rohren, und der BDL tut sich dabei wie immer als besonders dumm-dreist hervor. (Ab nächstem Jahr wird Fraport-Chef Schulte Chef dieses Ladens, und man darf gespannt sein, ob ihm noch eine Steigerung gelingt.) Schon seit Längerem verbreitet er auf seiner Homepage eine doppelte Lüge (s. Grafik links). Aber selbstverständlich wächst der Luftverkehr nicht "CO2-neutral", den erstens ist nur ein kleiner Teil selbst der europäischen Flüge in den hier angesprochenen Emissionshandel einbezogen, zweitens befindet sich dieser Handel in einem derart desolaten Zustand, dass auch die EU-Institutionen längst dringenden Reformbedarf erkannt haben, damit er überhaupt noch eine Wirkung erzielt. Aber selbst wenn das Gerede vom "klima-neutralen Wachstum" wahr wäre: dass "das Klima ... nicht zusätzlich belastet" würde, ist ebenso gelogen, denn da das Kohlendioxid in der Atmosphäre über lange Zeit kumuliert, belastet jeder Input das Klima. Nur wenn die Emissionen auf Null reduziert würden, gäbe es keine zusätzliche Belastung mehr.
Obwohl das alles seit Jahren bekannt ist, werden diese und andere Lügen immer wieder neu aufgelegt, wie z.B. aktuell wieder im sog.
Energieeffizienz-Report des BDL, der von all den oben genannten Problemen nichts weiß, sondern fröhlich Schönfärberei betreibt.
Die Antwort auf die Überschrift oben ist also ein klares Nein. Solange die Luftfahrt nicht klaren Regeln zur Reduktion ihrer Emissionen unterworfen und deren Einhaltung streng kontrolliert wird, im Zweifelsfall auch durch Beschränkungen der Anzahl der Flüge, wird sie auch weiterhin als Klimakiller unterwegs sein, in ständig wachsendem Ausmaß.
Angesichts der Tatsache, dass auch die Beiträge der Staaten und anderen Sektoren, die zur Reduktion der Treibhausgase beitragen sollen,
weit davon entfernt sind, die Welt mit einer auch nur mittleren Wahrscheinlichkeit vor drastischen Klimaänderungen zu bewahren, sind das keine guten Aussichten.
Update 25.11.15: Auch die Mainzer Initiativen haben sich des Themas angenommen und eine Pressemitteilung und ein Faltblatt herausgegeben, das noch eine ganze Reihe weiterer Infos zusammenträgt.
Update 30.11.15:
Eine neue Studie für das EU-Parlament betätigt ebenfalls, dass die Wachstumsabsichten der Luftverkehrswirtschaft und ihre damit verbundenen Emissionsziele mit dem notwendigen Klimaschutz unvereinbar sind. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass, wenn die Luftverkehrswirtschaft weiter macht wie bisher, ihre Emissionen im Jahr 2050 mehr als ein Fünftel der weltweiten Gesamtemissionen an CO2 (22%) ausmachen könnten und den Wert aus dem Jahr 2005 um das Fünffache übersteigen würden. Um das in Paris diskutierte 2°-Ziel einzuhalten, müsste dieser Wert aber schon 2030 um mindestens 40% unterschritten werden.
Um Letzteres zu erreichen, schliessen die AutorInnen, "kann es notwendig sein, sowohl Verhaltensänderungen zu fördern, die zu reduzierter Nachfrage nach internationalen Transportdienstleistungen führen, als auch den Ausgleich der Klimafolgen durch Finanzierung von Emissionsreduktionen in anderen Sektoren zu ermöglichen" (Schlußfolgerungen, S.41, eigene Übersetzung). Bezüglich der Wunderwaffe "Biotreibstoff" warnen sie, es müsse berücksichtigt werden, dass "besonders die nicht-CO2-gebundenen Klimawirkungen des Luftverkehrs nicht reduziert werden, wenn fossile Treibstoffe durch Kohlenwasserstoffe aus erneuerbaren Energien ersetzt werden". Ihre Botschaft an die Pariser Verhandlungen lautet, dass "es wichtig ist, Ziele für die internationale Luftfahrt und den Seeverkehr zu formulieren, dass Emissionen nicht unbegrenzt und unreguliert wachsen können".
Bei aller Zurückhaltung, die solchen Studien zwangsläufig auferlegt ist, ist die Aussage relativ deutlich. Man kann nur hoffen, dass die Verhandler in Paris auf Empfang sind.
Die "Institutionen" setzen sich mit guten Argumenten durch.
(Originalgrafik: harmbengen.de, verändert)
Nachdem Fraport schon letztes Jahr einen Versuch gemacht hat, Terminal 3 von der EU finanzieren zu lassen, (was aber anscheinend so nicht geklappt hat), sollen europäische Banken nun helfen, günstige Kredite für die Übernahme der griechischen Regionalflughäfen verfügbar zu machen. Wie die englisch-sprachige griechische Online-Zeitung ekathimerini.com meldet, sichern die Europäische Bank für Wiederaufbau, die Europäische Investitionsbank und eine Tochter der Weltbank einen Kredit in Höhe von 800 Millionen Euro ab, den das Fraport-Konsortium braucht, um den Deal über die Bühne zu bringen.
Trotz der guten Nachricht läßt Fraport aber mitteilen, dass es bis zur endgültigen Übernahme noch eine Weile dauern wird. Das hat aber wohl nichts mit der Unwilligkeit der griechischen Regierung zu tun, die eigene Infrastruktur verschleudern zu müssen, sondern, wie unten gemeldet, mehr damit, dass der Widerstand gegen die Übernahme in Griechenland weitergeht und nun zunächst die Gerichte dazu Stellung nehmen müssen.
Warum wir diesen Deal für einen Skandal halten, haben wir hier und hier begründet. Das Ganze wird nun wirklich nicht besser dadurch, dass Fraport das (relativ geringe) Risiko einer Fehlinvestition auch noch zumindest teilweise auf die europäischen Steuerzahler abwälzt, darunter makabererweise auch noch die griechischen.
Mit grosser Fanfare haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz eine Initiative angekündigt, mit der erreicht werden soll, dass der Lärmschutz bei der Regelung des Flugverkehrs mehr Gewicht bekommt. In nahezu gleichlautenden
Pressemitteilungen kündigen sie an, dass ihnen die Quadratur des Kreises gelingen wird: "Der Vorstoß wird der Anforderung an eine stärkere Orientierung der An- und Abflüge an Lärmschutzgesichtspunkten gerecht und behält zugleich die Praktikabilität und Erfordernisse der Luftverkehrswirtschaft im Blick".
Und das ist noch nicht mal alles: "Unser Ziel ist es, dass DFS und das Bundesamt für Flugsicherung die Möglichkeiten des aktiven Schallschutzes an Flughäfen so weit wie möglich und so schnell wie möglich identifizieren und umsetzen", und zudem "soll auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen, wenn Flugverfahren neu festgelegt oder wesentlich geändert werden".
Wie genau diese Wunder bewirkt werden sollen, ist noch das Geheimnis der drei Regierungen, aber schlechte Erfahrungen sollten vor allzu grossen Erwartungen warnen. Bereits vor zweieinhalb Jahren gab es ähnliche Initiativen, die schon vom Ansatz her problematisch waren und am Ende genau nichts erreichten (siehe dazu unseren damaligen Kommentar).
Das auch diesmal die Chancen nicht wirklich gut sind, zeigt das Schicksal der Initiativen, die das gerade beratene 15. Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes für ähnliche Zwecke nutzen wollten. Der Entwurf für dieses Gesetz wurde vom Bundeskabinett am 23.09.15 beschlossen und sollte dazu dienen, Anforderungen der EU an eine bessere Berücksichtigung der europäischen Umweltschutz-Regeln bei der Festlegung von Flugrouten umzusetzen. Insbesondere geht es dabei darum, bei der (Neu-) Festsetzung von Flugrouten eine Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP) durchzuführen und dabei die Auflagen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) zu erfüllen.
Nicht mal das will die Bundesregierung umsetzen, sondern die Berücksichtigung dieser Anforderungen auf Planfeststellungsverfahren beschränken, die nur bei wirklich grossen Änderungen durchgeführt werden. Änderungsvorschläge des BBI sowie
der Bundesvereinigung gegen Fluglärm und anderer Verbände, die diesen sowie weitere Mängel des LuftVG beheben sollten, hatten es wundersamer Weise sogar partiell in die zuständigen Ausschüsse des Bundesrats geschafft und dort Unterstützung gefunden.
(Der Bundesrat übt sich allerdings nur scheinbar in Transparenz. Zwar wird jedes Räuspern im Plenum sofort ins Netz gezwitschert, aber wer wie abstimmt, wird geheim gehalten. Es ist also nicht nachvollziehbar, vom wem die Unterstützung in den Ausschüssen kam und wie umfangreich sie war.)
Von den Beschlüssen der Ausschüsse, die immerhin einige von den Vorschlägen übernommen hatten, wie der Lärmschutz an verschiedenen Stellen verbessert werden könnte, ist im Beschluss des Plenums dann nichts mehr übrig geblieben. Lediglich einige formale Veränderungen wurden empfohlen und gehen jetzt an den Bundestag, der theoretisch auch noch die Chance hätte, dieses Gesetz zu verändern. Dass sich dafür in der GroKo aber Unterstützung finden könnte, glaubt wohl niemand.
Um glaubhaft zu sein, müssten die drei Regierungen also bald erklären, was genau sie vorhaben, und wie sie die dafür notwendige Unterstützung der anderen Bundesländer, die aktuell offenbar nicht vorhanden ist, gewinnen wollen. Aber selbst wenn das gelingt, müssen sie auch noch eine Mehrheit im Bundestag organisieren, um entsprechende Gesetzesänderungen zu beschliessen. Niemand sollte darauf hoffen, dass das in absehbarer Zeit und ganz ohne Zutun der Öffentlichkeit gelingen könnte.
Update 19.11.15:
Zumindest ein Teil der geplanten Überzeugungs-Strategie ist schnell deutlich geworden: der Gesetzentwurf, den die drei Länder im Bundesrat eingebracht haben und der dort am 27.11.2015 behandelt werden soll, ist eine noch weiter verwässerte Version des Kompromissantrags, den die hessische Landesregierung im April 2013 im Bundesrat vorgelegt hatte.
Was es im Detail bedeuten könnte, wenn dieser Vorschlag angenommen würde, lohnt sich erst zu kommentieren, wenn das Plenum des Bundesrates darüber entschieden hat.
Update 26.11.15: Unmittelbar vor der Sitzung des Bundesrats am 27.11. haben fünf Organisationen (Bundesvereinigung gegen Fluglärm BVF, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen ADF, BUND, VCD, Ärzte gegen Fluglärm) zur Unterstützung des Gesetzentwurfs aufgerufen. Zwar schätzen auch sie ein, dass "der aktuelle Entwurf aus Sicht des Fluglärmschutzes hinter diesem Entwurf aus dem Jahr 2013 zurück" bleibt, dennoch sehen sie "wichtige Fortschritte", die es zu unterstützen gelte.
Update 27.11.15: Das Plenum des Bundesrates hat wie erwartet den Gesetzentwurf an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Wann sie dort jeweils behandelt werden, steht wohl noch nicht fest. Alle Fluglärm-geplagten Menschen werden gebeten, sich in Geduld zu üben.
Die Instrumente sind heute andere ...
Am 11.11. (nein, das ist Zufall) hat eine schwarz-rosa-gelbe Koalition (PPE, S&D und ALDE) im Europaparlament eine Resolution zur geplanten EU-Luftfahrt-Strategie verabschiedet. Sie enthält alles, was das Luftfahrt-Lobbyisten-Herz so wünscht: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Luftfahrt-Industrie, Vorgehen gegen staatliche Subventionen für ausländische Airlines, staatliche Subventionen für europäische Regionalflughäfen (nein, nein, das ist kein Widerspruch) und vor allem Abbau aller "Hemmnisse", die dem Wachstum im Weg stehen. Die Begriffe "Fluglärm" und "Schadstoffe" kommen in den Abwägungen und Forderungen dagegen nicht vor.
Worum es bei dieser "Strategie" geht, haben wir weiter unten schon erläutert. Der Parlamentsbeschluss ist ein Beleg für die Einschätzung, dass die Luftfahrt-Lobby gute Arbeit geleistet hat und in den EU-Institutionen kein Widerstand zu erwarten ist. Es zeichnen sich lediglich einige kleinere, aber interessante Differenzen ab.
So stuft die EU-Kommission (die ja von den gleichen politischen Kräften getragen wird, die diese Resolution durchgesetzt haben) das Gezeter gegen die subventionierten Golf-Airlines als populistisches Geschwätz ein, dass nur dazu dienen soll, bestimmte Teile der Öffentlichkeit zufrieden zu stellen. Die zuständige Kommissarin Bulc stellt kühl fest, dass "die Verwendung von 'behaupteten' Subventionen durch die Golf-Airlines und resultierende 'negative Konsequenzen' in Europa noch zu beweisen" wären. In einem
Interview hatte sie bereits vorher erklärt, dass sie die Golf-Staaten nicht verärgern möchte, da diese wichtige Investoren und Abnehmer u.a. von Airbus-Produkten seien.
Die EU-Kommission weiss natürlich, dass Analysten den grossen europäischen Airlines schon lange Schwierigkeiten vorhersagen, und es daher, wie eine Prognose von Boeing formuliert, "in den kommenden Jahren mehr Konsolidierung für die europäischen Airlines" geben müsse. "Konsolidierung" ist eine freundliche Umschreibung dafür, dass im Wettbewerb einige Konkurrenten ganz auf der Strecke bleiben und andere ihre Standards auf niedrigstem Niveau vereinheitlichen müssen. Die Phase des heftigen Wettbewerbs nach dem Aufbrechen der "künstlichen" staatlichen Monopole geht zu Ende, und es bilden sich langsam die "natürlichen" kapitalistischen Monopole bzw. Oligopole heraus, so dass am Ende hierzulande vielleicht wirklich nur eine Ryanhansa überlebt. Daher müssen aktuell nicht nur die Belegschaften der Lufthansa-Gruppe um Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Alterssicherung kämpfen, sondern die aller großen Airlines, wie z.B. auch der Air France in Frankreich (wo man seit 1789 traditionell etwas radikaler vorgeht und "konsolidierende" Manager von ihren Belegschaften schon mal über den Zaun geprügelt werden). Lufthansa ist trotz guter Gewinnsituation deshalb so unnachgiebig, weil sie sich auf diesen "Überlebenskampf" einstellen möchte. Gute Löhne und Renten und frühzeitiger Ruhestand passen nun mal nicht in den globalisierten Wilden Westen.
Vor diesem Hintergrund müssen auch die Fluglärmgegner feststellen, dass die EU-Politik derzeit noch eindeutig von der Luftfahrt-Lobby gesteuert wird. Ihr eigener Einfluss auf europäischer Ebene ist noch absolut unzureichend, und da dort die wesentlichen Rahmenbedingungen festgelegt werden, sind noch grosse Anstrengungen erforderlich, um die EU-Institutionen von ihrem selbstmörderischen Wachstums- und Liberalisierungswahn abzubringen.
Wie kaum anders zu erwarten, hat sich die schwarz-rötliche Koalition von Argumenten (s. Meldung unten) nicht beeindrucken lassen und einer formellen Erweiterung des bestehenden Luftverkehrsabkommen zwischen EU, USA und einigen weiteren Staaten um typische "Freihandels"-Elemente zugestimmt. Die Entscheidung fiel am 1. Oktober im Bundestag, wo nach kurzer Debatte der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den Stimmen von CDU und SPD angenommen und ein Alternativantrag der LINKEN gegen die Stimmen von LINKEN und Grünen abgelehnt wurde. Am 6. November hat der Bundesrat das Gesetzgebungsverfahren beendet, indem er das Gesetz ohne Aussprache durchgewunken hat.
Der Verkehrsexperte der LINKEN, Herbert Behrens, hat in seiner Bundestagsrede deutlich gemacht, was das für den Gesundheits- und Umweltschutz bedeutet: "Die wirtschaftlichen Belange der Fluggesellschaften sollen über die Interessen der Bürgerinnen und Bürger gestellt werden, die auf saubere Luft und Schutz vor Fluglärm angewiesen sind. ... Die Fluggesellschaften sollen über einen Gemeinsamen Ausschuss Einfluss bekommen, um beispielsweise über Nachtflugverbote und andere einschränkende Maßnahmen zu entscheiden. Schiedsgerichte sollen im Konfliktfall darüber richten, ob und zu welchem Preis ein Nachtflugverbot bestehen kann oder auch nicht. Das ist so etwas wie das Freihandelsabkommen TTIP des Luftverkehrs einschließlich Investorenschutz und privater Schiedsgerichte. Das ist für die Linke unannehmbar.".
Der Redner der Grünen, Stephan Kühn, stellt etwas zurückhaltender fest, die Regelungen "machen aus unserer Sicht das Erlassen von Betriebsbeschränkungen, wie beispielsweise Nachtflugverboten, zum Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsgefährdendem Lärm an deutschen Flughäfen in Zukunft mindestens schwerer", und findet auch positive Aspekte wie eine "Anti-Dumping-Klausel", denn damit werde "endlich anerkannt, dass offene Märkte auch ordentliche arbeits- und sozialrechtliche Normen brauchen. ... Dieser Aspekt wiegt die eingangs beschriebenen Nachteile des Abkommens aber nicht auf."
Vielleicht erklärt diese eher zwiespältige Ablehnung, warum die Grünen, die ja in mehreren Landesregierungen vertreten sind und daher im Bundesrat einen gewissen Einfluss haben, darauf verzichtet haben, dort irgendeinen sichtbaren Widerstand zu organisieren. Allerdings wäre es interessant zu wissen, ob die hessischen Grünen, in deren Zuständigkeitsbereiche dieses Abkommen ja komplett fällt (Wirtschaft, Verkehr, Umwelt), wenigstens eine Enthaltung Hessens durchgesetzt haben.
Es ist nicht zu erwarten, dass nun in den nächsten Wochen neue Attacken auf das bestehende Nachtflugverbot in Frankfurt beginnen werden. Bei aller Ähnlichkeit in der Struktur unterscheidet sich das Abkommen in Details von TTIP, CETA & Co., und es dürfte schwieriger sein, darüber bestehende Regelungen anzugreifen. Jede Art von Erweiterung wird sich allerdings mit dem Widerstand der Airlines auch über diese Schiene auseinandersetzen müssen. Vielleicht sollte man die Hessen-SPD, die gerade mit einem Einsatz für eine Ausweitung des Nachtflugverbots für sich wirbt, darauf aufmerksam machen, dass ihre Genossen in Berlin dafür einen dicken Stein in den Weg gerollt haben.
Anfang September hatte die Fluglärmkommission mit der Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme auch öffentlich gemacht, dass die Verhandlungen über einen Vorschlag der Fraport für eine neue Flughafenentgelte-Ordnung für 2016 laufen (siehe Meldung unten). Als sie nun vor ein paar Tagen auf eine Meldung der FAZ verwies, wonach Fraport den Antrag zurückgezogen habe, konnte man für einen Augenblick der Illusion nachhängen, das Ministerium sei ihrer Kritik gefolgt und habe Fraport zu einer deutlicheren Korrektur der Entgelte in Richtung mehr Lärmschutz gedrängt, wie es im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen vorgesehen war.
Fraport zu einer Entgeltordnung zwingen, die ein echtes Steuerungsinstrument für mehr Lärmschutz, vielleicht sogar für die Verlagerung überflüssiger Flüge werden könnte? Nicht mit Al-Wazir.
Die Kritik, auf die das Ministerium reagiert hat, kam aus einer ganz anderen Ecke. Bereits im Juni
meldete airliners.de, die geplante Erhöhung der Entgelte um 1,9% habe "auf Seiten der Fluggesellschaften für scharfe Kritik gesorgt. ... 'Das Maß der Abgabenlast ist voll', kommentierte ... Michael Hoppe, Generalsekretär des Airline-Verbandes BARIG". Zur jetzigen Rücknahme des Antrags berichtet die gleiche Webseite: "Zur Begründung hieß es von Fraport: Mit dem Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium gebe es unterschiedliche Auffassungen bei der Berechnung wesentlicher Kostenbestandteile, etwa der Kapitalkosten. Das Ministerium teilte mit: Ergebnisse von Gutachten hätten keine Genehmigung zugelassen. Anstatt den Antrag nachzubessern, habe Fraport ihn dann komplett zurückgezogen."
Mit anderen Worten: Das Ministerium hat auf Druck der Airlines Gründe gesucht, die geplante Mini-Erhöhung der Entgelte um nicht einmal 2% (oder 25 Cent pro Ticket) als ungerechtfertigt zurückweisen zu können, und dafür ein passendes Rechtsgutachten eingeholt.
Wie das Problem gelöst werden soll, berichtet wiederum die FAZ in der o.g. Meldung: "Das hessische Wirtschafts- und Verkehrsministerium appellierte an beide Seiten, nun rasch eine Lösung zu finden."
Von politischem Lenkungswillen also keine Spur. Fraport soll sich mit den Airlines auf eine Lösung einigen, die unter dem ohnehin niedrig angesetzten Entwurf bleiben soll. Das Ministerium darf dann öffentlichkeitswirksam feiern, dass innerhalb dieser niedrigen Summe die Lärmentgelte "stärker gespreizt" werden, was heißt, dass die höchsten Gebührensätze, die eh keiner zahlt, stärker steigen, für das Gros der Flugbewegungen sich aber fast nichts ändert.
Minister Al-Wazir scheut wirklich vor nichts zurück, um sein Publikum zu unterhalten. Nach dem Wirbelschleppen-Wichtel und dem Lärmpausen-Clown gibt er hier den Entgelt-Komiker, und für die Sommersaison 2016 ist bereits ein Auftritt als Grenz-Kasper angekündigt. Er kann sich das aber auch leisten, ohne seine politische Glaubwürdigkeit zu gefährden - die ist ohnehin nicht mehr vorhanden.
Die Presse berichtet überwiegend wie gewünscht ...
Am 29.10. wurden die Ergebnisse der NORAH-Studie der Presse vorgestellt (obwohl die meisten Medien die Ergebnisse vorher schon hatten und schon kurz nach der Konferenz ihre Berichte veröffentlichten). Der versprochene "Online-Livestream auf der NORAH-Website" war zwar nicht zu finden, und ob es irgendwann mal das ebenfalls versprochene Video geben wird, bleibt abzuwarten, aber die Botschaft kam auch so an. Die meisten Online-Medien setzten den Grundton: alles gar nicht so schlimm wie gedacht, und mit den Details werden wir auch noch fertig.
Neben den in der Grafik verlinkten Berichten war es zum Beispiel der HR, der früh die wesentlichen Schlussfolgerungen zusammenfaßte. Um die Betroffenen nicht allzu sehr vor den Kopf zu stossen, werden zunächst die gefundenen negativen Resultate aufgezählt, um dann über die Liste der positiven Ergebnisse bei den Aussagen der Auftraggeber der Studie anzukommen.
Für das "Forum Flughafen und Region" durfte Herr Wörner mahnen, alle "sollten mit den 'hochkomplexen Ergebnissen' sorgsam umgehen. Es gelte, 'extreme Interpretationen' und 'voreilige Schlussfolgerungen' zu vermeiden".
Minister Al-Wazir betont, dass er sich nicht zu neuen Initiativen veranlasst sieht, denn "auch wenn sich glücklicherweise gezeigt hat, dass die gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm insgesamt geringer sind als angenommen: Der Lärmschutz bleibt eines der zentralen Themen der Landesregierung", und was das in der Praxis bedeutet, hat er schon oft genug demonstriert. (Die nette Formulierung, es gehe jetzt darum, "Maßnahmen gegen den Lärmschutz weiter voranzutreiben", hat wohl der HR zu verantworten.)
Fraport-Chef Schulte wird schließlich noch zitiert mit "Die gesundheitlichen Risiken durch den Fluglärm seien minimal und damit geringer als angenommen ... Weitere Eingriffe in den Flugverkehr seien unnötig".
Wer es etwas genauer wissen will, findet schon eine Menge Material, obwohl noch nicht alle Ergebnis-Berichte vorliegen. In der bekannten Broschüren-Reihe "NORAH Wissen" sind in Band 14 die "Ergebnisse im Überblick" veröffentlicht. Auf der Ergebnis-Seite der NORAH-Homepage kann man sich den
Wissenschaftlichen Ergebnisbericht (knapp 100 Seiten) sowie eine
Zusammenfassung (3 Seiten) herunterladen; in Kürze sollen hier auch die Abschlussberichte der Teilstudien zu Verfügung stehen.
Fraport als einer der Auftraggeber hatte die Ergebnisse natürlich schon vorher und war noch am Vormittag nicht nur mit einer umfassenden Pressemitteilung, sondern auch mit einem Webauftritt zum Thema online. Hier bemühen sie sich, auch noch die wenigen kritischen Schlussfolgerungen, die das NORAH-Team gezogen hat, in Frage zu stellen.
Natürlich wird es noch eine ganze Weile dauern, das Material zu sichten und zu bewerten, aber ein Befund sticht bereits jetzt heraus. Bei den "harten" Krankheiten, wie Bluthochdruck, gegen die man sich nicht wehren kann, soll es Entwarnung geben: da soll der Fluglärm keine nennenswerte Rolle spielen. Probleme werden zugestanden mit "der Lebensqualität", "Depressionen", "Müdigkeit", also all den Luxus-Kränklichkeiten, die sich nur die verweichlichten Mitteleuropäer gönnen, und die eigentlich kein Problem wären, wenn die sich ein bißchen am Riemen reißen würden. Oder, wie Fraport-Chef Schulte bereits vor drei Jahren wußte: Fluglärm ist Kopfsache.
Insgesamt darf man davon ausgehen, dass das NORAH-Team einen guten Job im Sinne seiner Auftraggeber gemacht hat. Es hat all die Stichworte geliefert, die es braucht, um die Warnungen vor den gesundheitlichen Folgen des Fluglärms zu relativieren und in Frage zu stellen, ohne sich in der Fachöffentlichkeit sofort und für alle sichtbar zu blamieren. Natürlich werden seriöse Wissenschaftler in den kommenden Monaten und Jahren diesen falschen Eindruck wieder zurecht rücken und die gesundheitlichen Wirkungen des Verkehrslärms, speziell des Fluglärms, weiter und besser dokumentieren, aber es wird eine Weile dauern, bis der Konsens wieder hergestellt und im öffentlichen Bewußtsein verankert ist: Fluglärm macht krank. Bis dahin wird den Fluglärm-Gegnern diese Studie von interessierter Seite immer wieder um die Ohren gehauen werden, denn genau dafür wurde sie gemacht.
Update 01.11.15:
Inzwischen ist ein Großteil der NORAH-Ergebnisse an mehreren Stellen online verfügbar. Die umfangreichste und übersichtlichste Sammlung ist unserer Meinung nach die NORAH-Seite im DFLD-Archiv. Hier gibt es nicht nur die Ergebnis-Berichte der Studie, sondern auch eine umfangreiche Sammlung von Stellungnahmen und eine Historie, die die wichtigsten Punkte zur Entwicklung der Studie darstellt. Eine weitere Zusammenfassung der Studien-Ergebnisse liefert auch die Fluglärmkommission.
Die bisher beste Stellungnahme zur Studie enthält die Pressemitteilung der 'Arzte gegen Fluglärm'. Sie weist zum Einen auf wahrscheinliche Mängel in manchen Studienteilen hin, die einer genaueren Prüfung bedürfen - davon scheint insbesondere die Blutdruck-Studie betroffen zu sein. Zum Anderen stellt sie aber auch fest, dass viele Einzelergebnisse die generell betriebene Verharmlosung des Fluglärms nicht rechtfertigen, sondern im Gegenteil die Gefährdungen, die durch frühere Studien gefunden wurden, bestätigen.
Update 11.11.15: Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen, Thomas Jühe, hat am 10. November 2015 ein Schreiben veröffentlicht mit einer eigenen Zusammenfassung der NORAH-Ergebnisse, denn "Teilweise wurden unzutreffende Zusammenfassungen der Studienergebnisse kommuniziert". Ohne es explizit zu sagen, wendet er sich damit wohl insbesondere gegen die verfälschenden Darstellungen der Fraport, die von anderen Luftverkehrslobbyisten aufgegriffen wurden.
Am 5. und 6. November veranstaltet der Hessische Landtag eine "Anhörung zum Thema: Freihandelsabkommen TTIP, CETA, TiSA". Im gemeinsamen Antrag CDU, SPD, Grüne und FDP heißt es: "Der Landtag spricht sich für eine größtmögliche Transparenz und eine breite Information der Bevölkerung über die Chancen und Risiken von Freihandelsabkommen wie zum Beispiel der "Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) und des "Trade in Services Agreement" (TISA) mit den USA sowie des "Comprehensive Economic and Trade Agreement" mit Kanada (CETA) aus."
Die Liste der eingeladenen Experten ist lang, und es sind auch ein paar Kritiker darunter, trotzdem dürften die zweimal sieben Stunden nur den ganz hartgesottenen Polit-Freaks zuzumuten sein. Das Wesentliche läßt sich auch in den schriftlichen Stellungnahmen nachlesen, die als Ausschussvorlagen heruntergeladen werden können. Zum Thema Umwelt sind die wesentlichen Stellungnahmen in Teil 9 und Teil 10 enthalten.
Die Gegner dieser Abkommen nutzen diese Veranstaltung, um am Abend des 5.11. in einer Kundgebung ihre Argumente vorzutragen. Veranstalter ist ein Bündnis von Gewerkschaften und politischen Gruppen, auch das Aktionsbündnis Groß-Gerau ruft zur Teilnahme auf. Ihre Kernbotschaft: "Wir fordern den hessischen Landtag auf, sich für einen sofortigen Stopp der Verhandlungen mit den USA über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) einzusetzen, sowie sich gegen die Ratifizierung des Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) mit Kanada auszusprechen".
Von den Landtagsfraktionen unterstützt mal wieder nur Die Linke die Aktion, von den Grünen gehört immerhin der Ortsverband Wiesbaden zu den Veranstaltern, ebenso wie die Jusos Wiesbaden.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen weist in seiner Stellungnahme (Vorlagen Teil 10, S. 19, s. oben) auf die Gefahr für den Lärmschutz hin:
"Grundsätzlich stellen Gebühren wie z.B. die deutsche Luftverkehrsabgabe und vor allem Betriebsbeschränkungen an Flughäfen Handelshemmnisse im Sinne des TTIP dar."
Diese "Hemmnisse" zu beseitigen, ist bekanntlich ein Herzenswunsch vieler Airlines und auch der Fraport. Dass sie mit TTIP und CETA ein neues Instrument dafür in die Hand bekämen, ist Grund genug, nach Wiesbaden zu fahren.
Update 02.11.15: Inzwischen ist durch ein 'geleaktes' Papier aus der elften Verhandlungsrunde zwischen USA und EU bekannt geworden, dass nicht einmal die von der EU eingebrachte Verhandlungsposition, und dann erst recht nicht der am Ende mögliche Kompromiss, die geltenden Umweltstandards schützen würde. Wie die EU-Koordination des Deutschen Naturschutzring mitteilt, würden "die vagen Formulierungen und die fehlenden Umsetzungsmechanismen eine ambitionierte Klima- und Umweltschutzpolitik unter TTIP schwierig machen".
Entgegen anderslautenden Gerüchten haben beide Seiten inzwischen auch nochmals bekräftigt, dass die Verhandlungen noch in der Amtszeit von Präsident Obama, also im nächsten Jahr, abgeschlossen werden sollen. Zum Abwarten gibt es also keinen Grund.
Leider nicht viel zu erkennen ...
Am 15.10. darf die Mainzer Allgemeine Zeitung im Auftrag der Initiative Zukunft Rhein-Main melden, dass man nun endlich wisse: So laut ist es tatsächlich. Hintergrund ist, dass der DFLD im Auftrag der Initiative eine Fluglärm-Berechnung durchgeführt hat, die nicht, wie die offiziell durchgeführten Berechnungen, die Ideal-Flugrouten und -Höhen zugrunde legt, sondern die tatsächlich geflogenen. Da die Abweichungen zwischen Soll und Ist bei den Flugverläufen teilweise erheblich sind, darf man auch entsprechende Unterschiede in der berechneten Lärmbelastung erwarten.
Ein deutlicher Fortschritt also - leider nicht für alle Ausbaugegner. Der große Mangel dieses Projekts ist nämlich, dass die Daten nicht veröffentlicht werden. Jede Kommune, die bei ZRM Mitglied ist, bekommt die Daten, die für sie relevant sind, und ihre Bürgerinnen und Bürger dürfen sie in der Regel im Rathaus einsehen, aber weiter geht die Transparenz bisher nicht. (Raunheim ist schon seit Jahren nicht mehr Mitglied, daher gibt es für uns garnichts.) Die Kartendarstellung, die die AZ veröffentlicht hat, sagt zu den erwähnten Unterschieden auch nichts, sondern präsentiert nur ein anderes Teilergebnis: einen Vergleich des Lärms vor und nach dem Ausbau der Nordwestbahn. Mehr gab es für die Öffentlichkeit bisher nicht zu sehen.
Der zweite Grund, warum die AZ-Überschrift nicht wirklich trifft, ist der, dass der DFLD auftragsgemäß zur Berechnung des Lärm die offizielle Anleitung (die sog. AzB) benutzt hat, die eine Reihe von Mängeln hat und auch nur die "sechs verkehrsreichsten Monate" des Jahres berücksichtigt. Grund dafür wiederum ist wohl die Absicht der ZRM-Kommunen, für ihren Bereich nachzuweisen, dass die offiziell festgelegten Lärmschutzbereiche fehlerhaft sind, und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Ausserdem sollen wohl die von ZRM geforderten lokalen Lärmobergrenzen mit Hilfe derartiger Berechnungen kontrolliert werden.
Trotz dieser Mängel ist diese Berechnung ein Fortschritt, und es gibt keinen sachlichen Grund, darin eine hohe Fehlerquote zu vermuten. Messungen von DFLD-Messstationen, die ggf. fraglich sein könnten, gehen in die Berechnung überhaupt nicht ein. Völlig zu recht weist der DFLD daher diese Kritik zurück.
Eigentlich wäre der Aufwand aber garnicht nötig gewesen. Wie die Betreiber der NORAH-Studie schon vor einiger Zeit
stolz mitteilten, haben ihre Akustiker mit der gleichen Methode und für den gleichen (teilweise sogar noch größeren) Bereich die Lärmbelastung durch Flug-, Schienen- und Straßen-Verkehr "für rund 900.000 Gebäude im Untersuchungsgebiet und zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten" ermittelt, und das "in den vergangenen 18 Jahren". Jede/r könnte also ganz exakt wissen, welcher Lärmbelastung sie/er in der Vergangenheit durch den Verkehr ausgesetzt war - wenn die Daten nicht geheim wären.
Auch bei der anstehenden Präsentation der Ergebnisse der NORAH-Studie ist nicht zu erwarten, dass diese Daten veröffentlicht würden. Man sollte aber nicht versäumen, die NORAH-Wanderprediger, die in den nächsten Wochen durchs Land ziehen werden, danach zu fragen, auch wenn zu befürchten ist, dass bestenfalls eine Klage vor Gericht, wenn überhaupt, diesen Schatz für die Öffentlichkeit erschließt.
Wie laut ist es also? Einerseits weiß man es nicht genau, und mehr Information darüber wäre sicherlich nützlich. Andererseits weiß man eigentlich genug, auch ganz ohne Messung oder Rechnung: es ist zu laut. Damit das anders wird, braucht es nicht nur Information: nur Aktion bewirkt Veränderung.
Update 02.11.15: Inzwischen steht auf der Homepage von ZRM auch die Presseerklärung zur Verfügung, die über das Projekt informiert, sowie ein Link zu einer Präsentation von Horst Weise, DFLD, die eine verständliche Einführung in Inhalte, Methoden und Ergebnisse bietet.
Auch die DFLD-Pressemitteilung, die sich mit der oben erwähnten Kritik auseinandersetzt, ist hier zu finden.
Am 23. Oktober lief der Lärmpausen-Test ein halbes Jahr, aber während sonst kein Anlass zu schäbig ist, um durchschlagende Erfolge beim "Aktiven Schallschutz" zu vermelden, sind die Beteiligten diesmal erstaunlich still. Minister Al-Wazir läßt sich in der FNP zitieren mit dem Satz "Es zeigt sich, dass beim Lärmschutz noch Potenziale zu heben sind, wenn alle Beteiligten konstruktiv zusammenarbeiten.". Der Pressesprecher der DFS, Herr Raab, malt in der FR eher schwarz: zwar "seien die Lärmpausen „bis jetzt gut gelaufen“, hätten aber den Lotsen im Tower mehr Stress beschert. Ob sie zu einer festen Einrichtung würden, sei nicht sicher, da niemand wisse, wie sich der Flugverkehr entwickeln werde.". Eine eigene Presseerklärung war der Anlass keinem der Bündnispartner wert.
Warum die plötzliche Zurückhaltung? Schon die Pressemitteilung zur Wiedereinführung der unsäglichen DROps Early Morning klang wie eine lästige Pflichtübung, die letzte Erfolgsmeldung liegt schon ein Vierteljahr zurück. Hat da jemand inzwischen Probleme bekommen? Eins ist jedenfalls sicher: sollte dieses Modell den Test nicht bestehen, werden nur wenige ihm auch nur eine Träne nachweinen.
Geht es schon abwärts ?
Obwohl die Pressemitteilung Optimismus zu verbreiten sucht, sind die nackten Zahlen für Fraport sicherlich nicht wie gewünscht. Im Winterflugplan 2015/16 geht die Zahl der geplanten Flugbewegungen abermals zurück, wenn auch nur um 0,4%, und auch die Zahl der angeflogenen Ziele reduziert sich. Auch wenn die Zahl der Passagiere weiterhin um 1,8% steigen soll, ist das doch deutlich entfernt von den euphorischen Prognosen, mit denen noch vor Kurzem der Bau von Terminal 3 begründet wurde.
Auch im internationalen Geschäft geht es nicht ganz so wie erhofft. Zwar hat die griechische Regierung die Privatisierung der 14 Regionalflughäfen, für die das Fraport-geführte Konsortium am 14.10. ein unverändertes Angebot vorgelegt hat, anders als die Privatisierung der Häfen und der Eisenbahnen, nicht verzögert, dafür hat aber ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Regionalverwaltungen und anderen Klage vor Griechenlands oberstem Verwaltungsgericht dagegen erhoben. Zwar muss man davon ausgehen, dass der von Landesregierung und EU mit Brachialgewalt durchgesetzte Deal auch daran nicht scheitern wird, aber es verzögert die Sache doch und wirft erneut ein ganz schlechtes Licht auf Fraport. Aber daran sollten Schulte & Co. ja inzwischen gewöhnt sein.
So wirken die unterschiedlichen Feinstaub-Fraktionen
Mit Unterstützung Raunheimer BI-Mitglieder hat der "Arbeitskreis Feinstaub" des Bündnisses der Bürgerinitiativen in Raunheim Messungen der Belastung durch Ultrafeinstaub durchgeführt.
Wie aufgrund der Erkenntnisse von anderen Flughafen-Standorten nicht anders zu erwarten, wurden auch hier, abhängig vom Flugbetrieb, deutlich erhöhte Konzentrationen festgestellt.
Die BI hat die wesentlichen Ergebnisse der Messungen in einer Pressemitteilung veröffentlicht, weitere Details sind in unserer
Schadstoff-Doku nachzulesen.
Es ist geplant, weitere Messungen durchzuführen. Anfang kommenden Jahres sollen die Öffentlichkeit in einer Veranstaltung informiert und die wesentlichen Schlussfolgerungen vorgestellt werden. Fraport und Landesregierung müssen in die Pflicht genommen werden, die Belastungen umfassend zu dokumentieren und soweit nötig zu reduzieren.
Update 22.10.15: In einem Bericht der Frankfurter Rundschau über die Messungen in Raunheim wird Herr Prof. Dr. Jacobi vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) zitiert mit der Aussage, die Datenlage zu den gesundheitlichen Wirkungen des Ultrafeinstaubs "sei nicht ausreichend, zum Teil sogar widersprüchlich", und es gäbe "lediglich „Hinweise auf negative gesundheitliche Auswirkungen“". Und seine Schlussfolgerung daraus laut Bericht: "Vor diesem Hintergrund gebe es derzeit keinen Anlass für die von der Bürgerinitiative geforderte flächendeckende Erfassung des Ultra-Feinstaubs." Solange also nicht größere Menschenmengen nachweislich daran gestorben sind, lohnt es sich für diesen Experten nicht, genauer hinzugucken.
Man erfährt aus diesem Bericht aber auch, dass HLUG und Umweltbundesamt (UBA) "im September mit einer ergänzenden Schwebstaubmessung in Raunheim begonnen" haben. In der
Presseinformation des HLUG heißt es dazu:
"Zusätzlich zur Massenkonzentration des Feinstaubs (PM10), die routinemäßig gemessen wird, wird dabei die Gesamtzahl der Partikel in der Umgebungsluft (Partikelanzahl) ermittelt, um Erfahrungen mit dieser Messgröße zu sammeln. Die Anzahlkonzentration von Partikeln ist neben der Massenkonzentration bereits seit längerem in Bezug auf deren gesundheitliche Auswirkung im Gespräch."
Na immerhin, könnte man denken. Allerdings hat das UBA bereits 2008 in Langen mit solchen Messungen begonnen und war bzw. ist auch an anderen Meßnetzen beteiligt, die Ultrafeinstaub messen. Von daher geht es hier wohl eher darum, dass die UBA-Experten dem HLUG beibringen müssen, wie man so etwas mißt. Dass das allerdings "sechs bis zwölf Monate" dauern soll, ist schon peinlich.
Wir erwarten jedenfalls, dass auch die Ergebnisse dieser zusätzlichen Messung umgehend und kontinuierlich veröffentlicht werden.
Update 26.10.15: In einem Bericht des Rüsselsheimer Echo wird eine andere Mitarbeiterin des HLUG zitiert mit der Aussage: "Die Untersuchungen der BI hält Angelika Broll ... für zweifelhaft. Die Instrumente seien schwierig zu bedienen und sehr sensibel. Da müssten Fachleute ran" ... und in den BIs kann es ja nur Dilettanten geben, die von Technik keine Ahnung haben. Und weiter: "Auch den Einsatzort am Waldrand hält sie für bedenklich. 'Hier muss man aufpassen, dass man nicht aus Versehen andere Staubpartikel misst, die das Ergebnis verzerren.'"
Der Wald als Ultrafeinstaub-Quelle, die womöglich noch im Rhythmus der Überflüge pulsiert - das ist mal eine originelle Idee aus dem HLUG, die in der Diskussion so bisher nicht aufgetaucht ist. Aber gut - dann kommt endlich in die Gänge, analysiert das Zeug und seht nach, ob im Raunheimer Wald ein UFP-Monster haust, oder ob nicht doch die Turbinen-Abgase die wahrscheinlichere Quelle sind.
Update 28.10.15: Das Bündnis der Bürgerinitiativen hat sich in einem Schreiben an die Fluglärmkommission gewandt und unter Hinweis auf den Bericht über die Untersuchungen des AK Feinstaub darum gebeten, das Thema Ultrafeinstaub auf die Tagesordnung zu nehmen. Die FLK, die gem. Auftrag nicht nur für Lärm, sondern auch für Schadstoffe zuständig ist, hat zugesagt, das Thema aufzugreifen.
Update 02.11.15: Auch der Kreistag Groß-Gerau wird sich mit der Thematik beschäftigen müssen. Ein Antrag der LINKEN, der die Forderungen der BI an die Landesregierung aufgreift und zunächst im Regionalausschuss zur Diskussion steht, wird in der Sitzung am 16.11. behandelt werden.
Update 10.11.15: Auf Bitten des AK Feinstaub fand am 10.11. auch ein Gespräch zu dem Thema im Hessischen Umweltministerium statt. Dr. Marita Mang, Leiterin des Referat II.4 und zuständig für "Immissionsschutz, gebietsbezogene Luftreinhaltung, Lärmschutz", machte deutlich, dass sie durchaus die Notwendigkeit sieht, Ultrafeinstaub im Flughafen-Umfeld angemessen zu erfassen, also sowohl Partikel-Konzentrationen als auch -Größenverteilungen zu messen. Allerdings musste sie auch mitteilen, dass das in Raunheim installierte Meßgerät (das wie vermutet vom UBA betrieben wird) grundsätzlich nur die Konzentration messen kann und wegen eines technischen Defekts bisher noch gar keine brauchbaren Daten geliefert hat. Ab Mitte November sollen allerdings nun doch Messungen stattfinden, und sie will sich auch für die Veröffentlichung der Messergebnisse einsetzen.
Ebenfalls ist geplant, die mobile Messstation des HLUG, die im nächsten Jahr in Neu-Isenburg stehen wird, mit einem UFP-Messgerät auszustatten. Die Finanzierung dafür ist allerdings noch nicht geklärt.
Wenn das alles so kommt, wäre es zumindest ein Anfang. Bis das passiert, was nötig wäre, braucht es aber wohl wesentlich mehr politischen Druck.
Im Oktober gab es zwei besondere Highlights im Kampf gegen die "Freihandels"-Abkommen, die die EU derzeit verhandelt. Am 6.10. endete die Frist, die eine offizielle Europäische Bürgerinitiative Zeit gehabt hätte, um die notwendige Anzahl Unterschriften zu sammeln. Zu diesem Zeitpunkt waren statt der notwendigen einen Million 3.26 Millionen Unterschriften gesammelt, und das notwendige Quorum wurde statt in sieben in 23 EU-Ländern erreicht. Damit ist diese Initiative die größte Europäische Bürgerinitiative, die es je gab.
Die Unterschriftensammlung geht aber weiter, um weiter gegen diese Abkommen zu mobilisieren. Zugleich läuft die Klage gegen die Ablehnung der Initiative durch die EU-Kommission vor dem EuGH. Eine erste Wirkung ist schon sichtbar: in den EU-Gremien wird darüber nachgedacht, das Zulassungsverfahren für EBI zu ändern und nicht mehr die Kommission entscheiden zu lassen, welche Initiativen zulässig sind.
Fast noch bedeutender war aber die Demonstration am 10.10. in Berlin. 250.000 Menschen gingen auf die Straße, um ihre Ablehnung von TTIP, CETA, TISA & Co. deutlich zu machen. Seit den großen Friedensdemonstrationen der 80er Jahre hat es sowas in Deutschland nicht mehr gegeben. Und das war nur der Auftakt zu einer Aktionswoche, in der auch in vielen anderen europäischen Städten Aktionen liefen.
Die ersten Reaktionen aus der Politik reichten von Durchhalteparolen der TTIP-Befürworter bis hin zu verbalen Zugeständnissen an die Demonstranten. Reale Veränderungen sind allerdings noch nicht sichtbar. Der Widerstand muss weiter gehen.
Das sagt der "Illustrierte Sachstandsbericht zur Umsetzung des Stadtleitbildes ..." zum Thema Fluglärm
Ende September wurde eine Broschüre an alle Raunheimer Haushalte verteilt, die ein "Illustrierter Sachstandsbericht zur Umsetzung des Stadtleitbildes und der dazugehörigen Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung" sein soll. Leider sind weder diese Broschüre noch das ursprüngliche Leitbild online verfügbar. (Auf der Homepage der Stadt Raunheim gab es am 5.10.15 genau 0 Einträge zum Stichwort "Stadtleitbild".)
Nun mag ein 15 Jahre alter Text in vielen Details auch schon überholt sein, trotzdem kann es sich lohnen, genauer hinzuschauen, was damals gewollt wurde, und was daraus geworden ist. Wir wollen das hier am Beispiel Fluglärm tun.
Bei der Ausarbeitung des Stadtleitbildes in den Jahren 1998/99 hat sich eine Arbeitsgruppe schwerpunktmäßig mit den Belastungen durch den Flughafen befasst. Das dort beschlossene Papier wurde zum Gründungsdokument der "Bürgerinitiative gegen Fluglärm Raunheim", die damit auch an die Arbeit der alten Bürgerinitiative gegen die Startbahn West (personell und inhaltlich) anknüpfte. Die einleitenden Sätze haben an Aktualität nichts verloren:
Aber auch der Bericht zum Thema "Fluglärm" ist, freundlich formuliert, unvollständig. Von den "Grundlegenden Positionen", deren technische Aspekte in der ersten Version des Fluglärmentlastungskonzept Raunheim ausgearbeitet wurden, ist fast nichts umgesetzt worden. Bedeutende Ausnahme ist das Nachtflugverbot, das auch in seiner derzeitigen kastrierten Form deutliche Erleichterungen bringt.
Demgegenüber gehört die Maßnahme, die aktuell zu einer Reduzierung des Fluglärms in Raunheim geführt hat, definitiv nicht zu unseren Forderungen: zur "Reduzierung der Landeanflugtätigkeit auf eine Bahn", d.h. zum Bau der Landebahn Nordwest, heißt es klipp und klar "Den Flughafenausbau lehnen wir ab".
Raunheim weiss aus der Erfahrung mit der Startbahn West, dass anfängliche Erleichterungen durch Ausbaumaßnahmen (ein Teil des Startverkehrs wurde ja dadurch nach Süden abgelenkt) eher früher als später durch Kapazitätssteigerungen wieder aufgefressen werden und es von da an noch lauter wird. Entsprechend liegt die Hauptgefahr heute nicht in "Bemühungen u.a. von anderen Kommunen ... auf Rückverlagerung des Fluglärms in Richtung Raunheim" (auch wenn die Forderung "Die Bahn muss weg" natürlich genau das aussagt), sondern in der "Neubelastung" durch den geplanten Kapazitätsausbau auf über 700.000 Flugbewegungen.
Die "Neu- oder Weiterentwicklung von Fluglärmminderungsmaßnahmen", an denen aktiv mitgearbeitet werden muss, muss also nach wie vor hauptsächlich darin bestehen, Wege zu finden, den Wachstumswahn der Fraport zu brechen und den Flughafen auf ein raumverträgliches Maß zurückzuschrumpfen. Die Verantwortlichen der Stadt täten gut daran, sich zu erinnern, dass es genau das war, was die Bürgerinnen und Bürger bei der Ausarbeitung des Stadtleitbildes vor Augen hatten:
Am 28.09.15 hat das Ministerium per Pressemitteilung offiziell die neue Zusammensetzung der Fluglärmkommission mitgeteilt. Sie entspricht erwartungsgemäß dem, was die Kommission selber schon als Vorschlag beschlossen hatte.
Damit sind nun 31 Städte und Gemeinden stimmberechtigte Mitglieder, dazu kommen acht Landkreise und sieben VertreterInnen sonstiger Gruppen. 14 Institutionen und sechs Sachverständige sind nicht stimmberechtigte ständige Mitglieder. Mit 66 (möglichen) Teilnehmern ist die Kommission damit deutlich größer als vom Gesetz vorgesehen (lt. § 32b LuftVG sollten es 15 sein), aber das zeigt nur, wie überholt das Gesetz ist.
Von den neun Landkreisen rund um den Flughafen, die mit dem Änderungsvorschlag nicht einverstanden waren, fehlt nur der Hochtaunuskreis. Warum das so ist, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Grosse Proteste waren von dort aber bisher nicht zu hören.
Update 08.10.15: Am 7.10.15 tagte die FLK erstmals in der geänderten Zusammensetzung. In der zugehörigen Pressemitteilung der FLK ist auch erläutert, welche Kriterien der Hochtaunuskreis nicht erfüllt. Angesichts deren weiter Auslegbarkeit darf man schliessen, dass der Kreis entweder die Landesregierung mal schwer geärgert hat und deswegen rausgeflogen ist, oder, was sehr viel wahrscheinlicher ist, gar kein grosses Interesse hatte, weiter Mitglied zu sein (auf der Homepage des Kreises findet sich zum Suchwort 'Fluglärm' nur die Mitteilung, dass der Kreis Mitglied der FLK ist; inhaltlich gibt es dazu keinerlei Aussage).
Ansonsten gab es eine Reihe von Berichten, die nur einmal mehr deutlich machen, dass das chaotische Bahnensystem von FRA zu ebenso chaotischen Verhältnissen im Luftraum über Rhein-Main führt (Konflikt zwischen Südumfliegung und Gegenanflug über Mainz und Wiesbaden, erhöhter Fluglärm über Eddersheim, Flörsheim und Raunheim wegen der stärkeren Nutzung der Nordabflugroute, u.a.).
Peinlichkeiten gab es auch. So durfte Lufthansa ihre Beiträge zum Aktiven Schallschutz darstellen: neben der
unsäglichen Geschichte von den 'Wirbelgeneratoren' für ihre A320-Flieger die Durchführung einiger Testflüge mit MD11s, die nötig sind, um mit diesen Uralt-Kisten mithilfe von (auch mit Steuergeldern entwickelten) Modifikationen die kommenden
Lärmgrenzwerte halbwegs einhalten zu können. Höhepunkt ist die Tabelle am Schluss, in der Lufthansa nachweist, um wieviel besser ihre Flugzeuge in Zukunft sein werden - verglichen mit den inzwischen völlig überholten Grenzwerten nach 'ICAO Kapitel 3'.
Die Fluglärmbeauftragte der Landesregierung möchte dem nicht nachstehen und berichtet ausführlich über ihre Bemühungen, eine Fluggesellschaft, die regelmäßig das Nachtflugverbot verletzt, zu bewegen, doch bitte freiwillig ihre Planung so zu verändern, dass das nicht mehr (so häufig) vorkommt. Nächstes Jahr möchte sie nachsehen, ob's geklappt hat. Rüsselsheims CDU-OB Burghard lässt es sich nicht nehmen, da noch einen draufzusetzen, indem er sich in der FLK-PM zitieren lässt: "So wünschen wir uns das Agieren der Fluglärmschutzbeauftragten".
In die gleiche Kategorie gehört im Grunde der Jährliche Monitoringbericht des Umwelt- und Nachbarschaftshauses UNH. Entgegen dem hochtrabenden Titel enthält er nur Aussagen zu vier recht speziellen Themenbereichen, dazu aber jeweils einen Wust von statistischen Daten und Abbildungen. Erläuterung und Bewertung der gewonnenen Aussagen fehlen völlig, Begründungen für gefundene Abweichungen von vorgeschriebenem oder erwarteten Verhalten werden nicht gegeben. (Anspruch des UNH laut Präambel seiner Satzung: "Im Umwelthaus werden die verschiedenen Monitorings über die Entwicklung von belebter und unbelebter Natur, des Fluglärms sowie der Sozialstruktur zusammengeführt, soweit erforderlich fachlich neutral aufgearbeitet und einer breiten interessierten Öffentlichkeit – auch durch die ständige Aktualisierung der Internetpräsenz - zugänglich gemacht". Faktisch existieren diese Themen auf der
Internetpräsenz garnicht oder sind Jahre alt.)
Interessant für Raunheim könnte Punkt 2 dieses 'Berichts' sein: "A380 – Auswertung Höhe & Geschwindigkeit Abflugroute 18-KNG (kurz) LH vs. SIA". Dahinter verbirgt sich ein Vergleich des von der Lufthansa seit zwei Jahren praktizierten Flachstart-Verfahrens mit dem bei anderen Fluggesellschaften üblichen Steilstart-Verfahren. Leider enthalten die entsprechenden Tabellen nur statistische Daten zu Flughöhe und Geschwindigkeit für A380-Flüge von Lufthansa und Singapore Airlines von Frankfurt nach Singapur an vier aufeinander folgenden Stellen der Abflugroute zwischen Mörfelden und Darmstadt über 10 Monate hinweg (diese allerdings inklusive Interquartilbereich, Schiefe und Kurtosis). Die daraus zu gewinnende Erkenntnis fasst Frau Eder vom FLK-Vorstand in der PM sehr prägnant zusammen: "Beim Steilstartverfahren sind die Flugzeuge höher und langsamer". Wow! Viel lieber hätte man natürlich gewußt, wie sich diese Startverfahren hinsichtlich Lärm und Schadstoff-Ausstoss unterscheiden, aber dazu gibt es leider keine Aussage.
Die restlichen Dokumente enthalten halbwegs seriöse Statistiken, und aus einer läßt sich sogar noch eine interessante Information ableiten. Wie die Auswertung der Fraport-Lärmmessstellen ergibt, ist Raunheim nach wie vor in jedem Monat Spitzenreiter beim Tageslärm - ausser wenn der Anteil der Betriebsrichtung 25 am gesamten Flugbetrieb 90% übersteigt, dann ist es in Offenbach, am Lerchesberg in Frankfurt, in Kelsterbach und Mörfelden lauter (das war im Januar 2015 der Fall). Bei 80% BR25 (Mai und Juli 2015) liegen Lerchesberg und Raunheim gleichauf, ansonsten führt Raunheim unangefochten.
Bei aller Problematik des Vergleichs von Dauerschallpegeln - das sagt schon etwas darüber, wie die Belastungen verteilt sind.
Zum Herbstanfang ist Einiges los
Zum Herbstanfang ist Einiges los im Widerstand gegen den Flughafenausbau. Den Auftakt macht die 150. Montagsdemo im Terminal 1, nach Zeitungsberichten mit rund 1.300 TeilnehmerInnen.
Auch wenn immer noch die Perspektive der durch die Nordwestbahn neu Betroffenen die Parolen der Montagsdemos prägen und eine für die gesamte Region konsensfähige Herangehensweise nicht immer erkennbar ist, bleiben sie ein wichtiges Moment im Kampf gegen den weiteren Ausbau. Das erkennen sogar diejenigen an, die andere Schwerpunkte im Kampf gegen den Fluglärm setzen und von den Demonstranten manchmal unfreundlich behandelt werden, wie z.B. Thomas Jühe in einem aktuellen
Interview:
"Die Montagsdemos sind das konstitutive Element der gegenwärtigen Anti-Ausbaubewegung. Fielen diese Demos weg, wäre die Bewegung tot. Es wird sie also noch sehr, sehr lange geben." Auch wenn man nicht glaubt, dass die Bewegung dann tot wäre, muss man doch zugestehen, dass sie dann zumindest weit weniger auffällig wäre.
Immerhin ist es Michael Wilk in seiner Rede gelungen, die aktuellen Parolen in eine historische Perspektive einzuordnen ("Was heute „die Bahn muss weg…“ heißt, hieß einmal „Keine Startbahn-West“ ...") und deutlich zu machen, dass es darum gehen muss, den Wachstumswahn zu brechen und den Flughafen auf eine regional verträgliche Grösse zu schrumpfen.
In diesem Sinne wird auch die 151. Montagsdemo am 5. Oktober, dem Tag, an dem Fraport den "ersten Spatenstich" für Terminal 3 feiern möchte, eine Anti-Ausbau-Demo für Alle. Passender Weise ist die Drehkreuz-Funktion des Flughafens Thema, so dass die Kernforderung heißt: "Kein Drehkreuz über unseren Köpfen - kein Terminal 3 !"
Warum auch die Freihandelsabkommen TTIP, CETA, TISA & Co. beim Kampf gegen Fluglärm eine Rolle spielen, haben wir schon ausführlich begründet, deshalb gehört auch die große TTIP-Demo am 10.10. in Berlin in diese Aufzählung.
Und wer nicht mit nach Berlin fahren kann (oder mit soviel Schwung von dort zurückkommt, dass er/sie gleich weitermachen möchte), hat an diesem Wochenende noch Gelegenheit, den Airlebnistag der Fraport im Sinne der Ausbaugegner mitzugestalten. Treffpunkt ist die Mahnwache um 13:00 Uhr im Terminal 1 - und dann sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Endlich mal wieder im Sand spielen dürfen ...
Am Abend wurden dann Plakatmotive vorgestellt, die zeigen, warum T3 ein Problem ist: 'Kein Drehkreuz im Wohngebiet' war das Motto.
Update 07.10.15: Über 400 Beschäftigte hatte Fraport laut eigener
Pressemitteilung zum Beginn der Bauarbeiten abkommandiert, aber das bei Flughafenbauten übliche Desaster zeichnete sich da schon ab: wegen schlechter Koordination hat die ganze Buddelei für den Aushub rein garnichts gebracht.
Die Landtags-Grünen liessen mitteilen, dass ihnen der Bau immer noch nicht so richtig schmeckt, wofür ihr ranghöchster anwesender Vertreter, Staatssekretär Samson, in der Fraport-PM nur als "auch noch da" aufgelistet wurde, ansonsten waren alle glücklich und zufrieden.
Am Abend haben dann die Ausbaugegner im Terminal 1 demonstriert, was sie davon halten (nein, Minister Al-Wazir und OB Feldmann wurden dort auch nicht gesehen). Die Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen machten in einer Pressekonferenz nochmal deutlich, warum Terminal 3 Schaden anrichtet, auch wenn es selbst keinen Krach macht; eine neue Serie von Protest-Plakaten wurde vorgestellt, und die übliche Demo gab es auch.
Update 12.10.15: Auch die Aktion zum Fraport-'Airlebnistag' war erfolgreich. "Fraports Plan, mit 'Showtime Las Vegas' Imagewerbung zu betreiben, ist heute nicht aufgegangen. Genau wie mit der missglückten 'Ja zu FRA'-Kampagne versucht Fraport immer wieder, alle Register zu ziehen, um das angeschlagene Image zu retten.“ so Knut Dörfel, der für das BBI Bündnis der Bürgerinitiativen, die Mahnwache organisiert hatte. "Nichts kann darüber hinwegtäuschen, wie unerträglich die Flughafenerweiterung mit ihrem Fluglärm und den Schadstoffen für die Anwohner der Region sind. So wie heute werden wir auch weiterhin nicht aufhören, die Fakten in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken und das wahre Gesicht von Fraport und den für den Ausbau des Flughafens verantwortlichen Politikern zeigen!"
Am 18.09.15 hat die EU-Kommission eine sog. Roadmap mit dem Titel "Communication: a Comprehensive Strategy for Improving the Competitiveness of the EU Aviation Sector" vorgelegt.
Eine Roadmap (in deutsch: ein Fahrplan) ist eine grobe Übersicht über die Inhalte und Zielsetzungen, die die Kommission mit einer neuen Regelsetzung verfolgt, sie hat noch keinerlei Verbindlichkeit. Auch werden in diesem Fall noch keine konkrete Aktivitäten angedroht; es geht im Wesentlichen um eine Analyse der erkannten und absehbaren Probleme und die Definition der Rahmenbedingungen, unter denen sie gelöst werden sollen. Trotzdem ist für Fluglärm-Gegner Aufmerksamkeit angesagt, denn hier sollen die Grundlagen für die Weiterentwicklung der europäischen Luftfahrt für die kommenden Jahre gelegt werden.
Dass die EU die Rahmenbedingungen für den Kampf gegen Gesundheits- und Umwelt-Belastungen durch den Luftverkehr massiv, und leider meist negativ, beeinflusst, ist bekannt. Diese "Luftfahrt-Strategie" ist Bestandteil des "Luftfahrt-Pakets" ("aviation package"), das uns auch schon die sog. Betriebsbeschränkungs-Verordnung eingebrokt hat, die künftig die Möglichkeiten beschränken wird, Flughäfen Auflagen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit zu machen.
Worum es nun in der "Strategie" wirklich geht, ist im Kommissionstext noch relativ verklausuliert und mit Kosmetik garniert aufgelistet. Viel deutlicher formulieren da die einschlägig bekannten Lobbyisten, und sie benennen auch einige der aktuellen Streitpunkte.
Einig sind sich alle Industrie-Lobbyisten, dass die Kosten für den Luftverkehr reduziert werden müssen. Dies soll vor allem dadurch geschehen, dass Steuern abgeschafft, Gebühren reduziert und das Streikrecht eingeschränkt bzw. Streiks wirkungslos gemacht werden, wie z.B. einem Bericht über ein "press briefing" fünf europäischer Airlines zur EU-Strategie zu entnehmen ist. Streit gibt es allerdings schon zwischen Fluggesellschaften und Flughäfen darüber, ob die Gebühren z.B. für Sicherheitskontrollen nur gedeckelt oder gleich komplett der öffentlichen Hand übertragen werden sollten. Auch geht den großen Fluggesellschaften die Liberalisierung des Luftverkehrs da zu weit, wo Konkurrenten aus anderen Teilen der Welt ihnen allzu sehr die Preise verderben, während Vertreter der Flughäfen in Reden und Artikeln massiv dafür werben, alle Märkte vollständig zu öffnen und auf unterstem Niveau zu nivellieren.
Einig sind sie sich alle wieder, dass das der einzige Weg ist, "Wachstum" und "Investitionen" und damit auch "Jobs" zu fördern, womit sie genau die Schlagworte aufgreifen, die auch die Politik der EU-Kommission praktisch ausschließlich bestimmen. "Gesundheit", "Umwelt", "Klima" und anderes Gedöns tauchen da bestenfalls noch in einem Nebensatz auf. Dass es rund um die Flughäfen noch lauter wird, dass noch mehr Schadstoffe die Luft belasten und noch mehr Treibhausgase den Klimawandel anheizen, nehmen sie billigend in Kauf.
Wenn es nach diesen Herrschaften geht, steht nur noch ihr Profit im Mittelpunkt der Politik, die ihrem Wachstumswahn den Weg frei zu machen hat. Die zuständige EU-Kommissarin widerspricht dem nicht, sondern formuliert nur etwas zurückhaltender die gleichen Ziele. Auch von den anderen EU-Institutionen, wie etwa dem Europa-Parlament oder dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialrat, ist kein großer Widerstand zu erwarten. Wer möchte, dass Lärm, Schadstoffe, Treibhausgase und andere Belastungen sowie gute Arbeitsbedingungen und ordentliche Bezahlung in dieser Strategie Berücksichtigung finden sollen, wird der EU noch ein paar deutliche Worte sagen müssen.
Terminal 3: breite Unterstützung von blassrosa über gelb-grün bis tiefschwarz - aber wer bedient die Instrumente ?
Am 31.08.15 hat die Fraport AG ohne grosses öffentliches Aufsehen den Zuschlag für die erste Baumaßnahme für Terminal 3 vergeben. Für 4,8 Mill. Euro darf die Fuldaer Firma Bickhardt Bau AG das Loch buddeln, in dem das Hauptgebäude errichtet werden soll.
Leider erfährt man aus der Bekanntmachung sonst keine weiteren interessanten Details. Als Baubeginn ist nur "ca. 4. Quartal 2015" angegeben, und im 2. Quartal 2016 soll die Grube fertig sein. Wann es wirklich losgeht, ist also weiterhin offen.
Offen ist nach wie vor auch die Frage, ob Minister Al-Wazir wenigstens den Mut haben wird, seine Kehrtwende öffentlich zu demonstrieren, indem er als zuständiger Minister den ersten Spatenstich für eine Baumaßnahme durchführt, deren Verhinderung er vor der Wahl versprochen hat. Allzu viel Überwindung kann ihn das eigentlich nicht kosten, denn er und seine Partei haben sich in ihre neue Rolle so deutlich und erkennbar zufrieden eingelebt, dass wohl kaum jemand etwas Besonderes darin sehen würde, wenn er es tut.
Von fast allen anderen Parteien im Landtag wird er dafür auch Beifall bekommen, auch wenn SPD und FDP aus Prinzip ein wenig herumnörgeln werden - in der Unterstützung für den Expansionskurs der Fraport sind sie sich alle einig (bis auf die LINKE).
Die Bürgerinitiativen werden sich überlegen müssen, wie sie ein Zeichen setzen können dafür, dass der Widerstand gegen zunehmende Verlärmung, steigende Schadstoff-Belastung und eskalierenden Klimawandel in der Region trotzdem noch präsent ist.
Update 16.09.15: Kaum veröffentlicht, schon (teilweise) überholt, und dann auch noch daneben getippt: Wie die Hessenschau meldet, steht der Termin für den ersten Spatenstich jetzt doch fest (es ist Montag, der 5. Oktober, lt. Zeitungsberichten 10:30 - 12:30 Uhr.), und der Herr Minister wird nicht daran teilnehmen. Ob er seinen Staatssekretär schickt oder ob der Herr Ministerpräsident sich selbst die Ehre gibt, geht aus der Meldung nicht hervor.
Auf den oben vermuteten Beifall der Ausbau-Parteien wird Al-Wazir nun weitgehend verzichten müssen. Vielmehr wird die sog. Opposition wohl schimpfen, dass der Verkehrsminister ein so wichtiges Ereignis nicht gebührend würdigt, obwohl der doch einen schon lange vereinbarten und absolut nicht verschiebbaren Termin mit Bundesverkehrsminister Dobrindt vorweisen kann. Und ob er nun statt dessen für diesen heroischen Akt des Widerstandes wenigstens Beifall von den Ausbau-Gegnern bekommt, ist auch äusserst fraglich.
Update 26.09.15: Nun ist auch die letzte Frage noch geklärt: sowohl der Herr Ministerpräsident als auch der Herr Staatssekretär kommen, um gemeinsam einen schwarz-grünen Spatenstich feiern zu können.
Allerdings tun sich auch schon wieder neue Fragen auf: der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann hat auch einen unverschiebbar wichtigen Termin und kommt daher ebenfalls nicht. Darf dafür Herr Cunitz ein bißchen buddeln, oder Herr Becker, oder ... ?
Die Fluglärm-Kommission Frankfurt weist in ihrer jüngsten Mitteilung auf ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts hin, das zunächst einmal sehr positiv klingt. Wie das Gericht in einer für die Allgemeinheit (halbwegs) verständlichen Pressemitteilung erläutert, hat es die Klage einer US-Airline abgelehnt, die erreichen wollte, dass das deutsche Luftverkehrsteuergesetz (LuftVStG) für rechtswidrig erklärt wird, und betont: "Deutsches Luftverkehrsteuergesetz verstößt weder gegen Völkerrecht noch gegen internationale Verträge".
So weit, so gut: Die Airlines müssen weiter Steuern zahlen, und die beabsichtigte Lenkungswirkung, die insbesondere Inland- und Billig-Flüge weniger attraktiv machen soll, ist rechtmäßig.
Wer sich allerdings durch die mehr als 40 Seiten Urteilsbegründung hindurchkämpft, den beschleicht bald ein merkwürdiges Gefühl. Die Liste der Gründe, aus denen die Klage abgewiesen wurde, liest sich über weite Strecken ganz ähnlich wie die Liste der "Hindernisse für den freien Welthandel", die mit Abkommen wie TTIP, CETA, TISA und anderen beseitigt werden sollen.
Welche Regelungen genau durch welche Bestimmungen in den diversen Abkommen in Gefahr sind, läßt sich beim gegenwärtigen Stand der Verhandlungen kaum genau aufdröseln - für Nicht-Juristen schon garnicht. Klar ist aber, dass alle diese Abkommen, ebenso wie die unten geschilderten Bemühungen zur schleichenden Erweiterung des Luftverkehrs-Abkommens zwischen der EU und den USA dazu dienen, exakt diese Interessen der Wirtschaft nach Abbau von Kosten, Auflagen und anderen Einschränkungen durchzusetzen.
Die Liste der Gründe, warum auch Fluglärm-GegnerInnen gegen TTIP, CETA & Co. aktiv werden sollten, wird also immer länger. Die nächste Gelegenheit, Widerstand dagegen zu demonstrieren, ist die große TTIP-Demo am 10.10. in Berlin. Wie man/frau da hinkommen kann, haben wir unten schon beschrieben.
Auch die Steuer-Klage ist übrigens noch nicht ausgestanden. Wegen der "grundsätzlichen Bedeutung" der Fragen hat das Hessische Finanzgericht die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen. Auch wenn nicht unbedingt zu erwarten ist, dass der anders entscheiden wird, kann es nicht schaden, deutlich zu machen, dass es nicht nur Wirtschaftsinteressen sind, die eine Rolle spielen sollten.
Die deutsche Luftverkehrswirtschaft ist schon im vorigen Jahr mit einer Klage gegen diese Steuer
vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Damals war es ausgerechnet das Land Rheinland-Pfalz, das mit freundlicher Unterstützung der Luftverkehrslobby geklagt hatte, weil die Steuer angeblich ihren Flughafen Hahn gegenüber ausländischen Flughäfen benachteilige.
Im Rahmen der Lärmwirkungsstudie, die seit einigen Jahren im Rhein-Main-Gebiet durchgeführt wird, ist eine neue Broschüre erschienen mit dem Titel "NORAH Wissen 5 – Schlafstudie: Auswirkungen von Fluglärm auf den Schlaf – Fragestellung und Methode".
Darin wird zusammengefasst, wie die Untersuchung von einigen Dutzend Personen im Rhein-Main-Gebiet durchgeführt wurde. Was dabei heraus gekommen ist, ist nicht Gegenstand dieser Broschüre. Das wird erst im November verraten, wenn die Ergebnisse aller Module der Studie vorgestellt werden.
Einen groben Terminplan dafür gibt es auch schon. Ende Oktober sollen die Medien die Ergebnisse erhalten, und im November will das Umwelthaus Veranstaltungen durchführen, in denen auch das gemeine Volk informiert wird. Bis dahin ist also noch ein wenig Geduld nötig - die nicht allzu schwer aufzubringen sein sollte, denn mit revolutionären Ergebnissen ist ohnehin nicht zu rechnen, und, wie der Umgang mit den Ergebnissen der Kinderstudie beweist, mit Konsequenzen schon gar nicht.
Seit die Fluglärmkommission ihren eigenen Internet-Auftritt hat, können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger relativ gut über ihre Arbeit informieren. Oftmals führt das allerdings zu kuriosen Situationen, wenn andere Beteiligte nicht derart offen sind.
Aktuell hat die FLK zwei Stellungnahmen zu für die ganze Region relevanten Themen veröffentlich, die interessant, aber schwer zu verstehen sind, weil die Papiere, auf die sie sich beziehen, nicht öffentlich sind.
Die erste Stellungnahme befaßt sich mit der Entgeltordnung für den Flughafen Frankfurt, speziell mit den dort verankerten Lärmentgelten. Das Procedere ist jedes Jahr dasselbe: Fraport beantragt die Höhe der Entgelte fürs kommende Jahr, das Ministerium hört an und genehmigt, und zum Jahreswechsel treten die neuen Entgelte in Kraft. Dieses Jahr war es für Insider etwas spannender, denn die Rahmenvereinbarung zwischen Fraport und Fluggesellschaften, die die Entgelte für die letzten fünf Jahre geregelt hatte, ist ausgelaufen. Nachdem Tarek Al-Wazir letztes Jahr also eine praktisch vorgegebene Entgeltordnung genehmigen musste, war die Frage, ob er dieses Jahr die Gelegenheit nutzt, deutlich stärkere Anreize für den Einsatz leiseren Fluggeräts zu schaffen.
Obwohl der von Fraport vorgelegte Entwurf nicht öffentlich ist, hat sich die Frage aber wohl schon erledigt. Aus der Stellungnahme der FLK geht hervor, dass keinerlei grundlegende Änderungen beabsichtigt sind und innerhalb der bestehenden Struktur nur um Cent-Beträge gerangelt wird. Es wäre wahrhaftig eine Sensation, wenn sich das Ministerium über den Fraport-Entwurf hinwegsetzen und eigene Vorschläge vorlegen würde.
Einzig positiver Aspekt scheint zu sein, dass das sog. Incentive-Programm "FRAconnect", das zusätzlichen Verkehr nach Frankfurt locken sollte, nicht fortgesetzt wird.
Auch die zweite Stellungnahme befaßt sich mit einem Gutachten, das der Öffentlichkeit nicht vorliegt. Aber die 15 Seiten, auf denen die Stellungnahme (diesmal im Namen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen ADF, nicht nur der Frankfurter FLK) mit zum Teil drastischen Aussagen Kritik übt, lassen ahnen, dass dieses Gutachten von einer ähnlichen Qualität ist wie die Prognosen, mit denen Fraport den Bau von Terminal 3 rechtfertigt.
Aber auch hier darf die interessierte Öffentlichkeit nicht mitreden, sondern sich erst irgendwann später mit dem Luftverkehrskonzept auseinandersetzen, das im Bundesverkehrsministerium auf der Basis dieses und anderer Gutachten zusammengeschrieben wird.
Einer der fünf Sonderzüge, die bisher für die Fahrt zur TTIP-Demo nach Berlin am 10. Oktober bestellt sind, startet am Frankfurter Südbahnhof. Karten dafür kosten 50€ pro Person und können ab sofort online gekauft werden. Die Abfahrtszeiten sind noch nicht genau angegeben, werden aber notwendigerweise sehr früh sein.
Im Gegensatz zum ICE, der nur etwas mehr als vier Stunden nach Berlin braucht (aber hin und zurück zwischen knapp 120 und fast 200€ kostet), hält der Sonderzug noch an etlichen anderen Stationen und ist deutlich länger unterwegs.
Am Hauptbahnhof startet um 4:00 Uhr ein Bus des BUND Hessen, der über Giessen nach Berlin fährt. Die Fahrkarten kosten 30€ für Erwachsene, 10€ für Kinder und Jugendliche (bis einschließlich 16 Jahre) und 15€ für Studenten.
Vom Rathaus Rüsselsheim fährt ein Bus des DGB Südhessen um 3:45 Uhr ab. Für Gewerkschaftsmitglieder ist die Fahrt kostenlos.
Wer nicht so früh aufstehen will und die Fahrt lieber privat organisiert, findet auf der TTIP-Demo-Seite auch eine Mitfahrbörse.
Es gibt also reichlich Gelegenheit, nach Berlin zu kommen, ohne ins Flugzeug zu steigen - und gute Gründe dafür gibt es ebenso reichlich!
Update 16.09.15: Inzwischen sind auch die Abfahrtszeiten der Sonderzüge veröffentlicht. Für den Frankfurter Zug ist nun als Abfahrts- und Ankunftsort der Hauptbahnhof angegeben, Abfahrt ist um 2:04 Uhr am 10., Ankunft um 2:55 Uhr am 11. Oktober. (Für die Rückfahrt ist auch der Südbahnhof als Haltestelle angegeben, für die Hinfahrt nicht.)
Ende August half Fraport das mediale Sommerloch mit zwei Erfolgsmeldungen zu füllen. Die Zahl der Arbeitsplätze im Konzern ist im Vergleich zum Vorjahr wiederum um 700 gewachsen, und 105 Azubis können ihre Ausbildung bei Fraport bzw. deren Tochtergesellschaften beginnen. Grund zum Feiern?
Natürlich ist jedem jungen Menschen ein halbwegs zukunftsfähiger Ausbildungsplatz zu gönnen, und selbst die überwiegend miesen Jobs bei APS oder Fraport Security mögen für viele besser sein als gar keine Arbeit, aber Grund zum Jubeln ist das nicht.
Als Fraport im Jahr 2003 die Unterlagen für das Planfeststellungs-Verfahren für die aktuelle Ausbaustufe an die zuständige Behörde übergab, setzte sie auch die Zahl von 100.000 neuen Arbeitsplätzen in die Welt, die mit diesem Ausbau bis 2015 geschaffen werden sollten. Diese Zahl war das Totschlag-Argument, mit dem alle politischen Widerstände gegen den Ausbau gebrochen wurden.
In diesem Jahr gab der Fraport-Geschäftsbericht die Beschäftigten-Zahl im Fraport-Konzern im Jahresdurchschnitt mit 23.353 an; die Zahl der Beschäftigten am Standort Frankfurt wurde nicht extra ausgewiesen. Für den Flughafen insgesamt wurde eine Zahl von "über 70.000" Arbeitsplätzen genannt. Und heute?
Die PM vom 24.08.15 nennt "rund 24.000 Menschen im Fraport-Konzern, 21.000 davon am Standort Frankfurt". Da in den letzten zwölf Jahren einige Auslandsbeteiligungen im Konzern dazu gekommen sind, kann die Zahl der Arbeitsplätze bei Fraport am Standort Frankfurt in diesem Zeitraum bestenfalls um einige Hundert gewachsen sein. Wahrscheinlicher ist, dass sie garnicht gewachsen, eventuell sogar gesunken ist.
Für die Zahl der Arbeitsplätze am Flughafen insgesamt werden jetzt "über 80.000" genannt. Darin eingerechnet sind aber alle Arbeitsplätze, die durch die aggressive Flächenentwicklung der Airport City von woanders her an den Flughafen gelockt und daher nicht neu geschaffen worden sind. Die prognostizierten 18.000 Arbeitsplätze, die durch den Ausbau direkt am Flughafen zusätzlich geschaffen werden sollten, wurden jedenfalls bei weitem nicht erreicht.
Von den versprochenen 100.000 Arbeitsplätzen sind also mehr als 90.000 "indirekt", "induziert", "katalysiert", überwiegend aber wohl imaginiert. Aber was soll's? Hauptsache, der Ausbau wurde durchgesetzt, wen kümmern heute noch die Lügen von gestern?
Bleibt noch anzumerken, dass auch die Ausbildungszahlen kein gutes Licht auf Fraport werfen. Insgesamt rund 350 Auszubildende in einem Konzern mit 24.000 Beschäftigten ergibt eine Quote von weniger als 1,5%. Das ist selbst für die ausbildungs-scheue Industrie kein guter Wert, und von der eigentlich gewünschten Vorbild-Funktion eines mehrheitlich in öffentlichem Besitz befindlichen Unternehmens weit, weit entfernt. Die Zahl stagniert auch schon seit vielen Jahren, von einer zukunfts-orientierten Politik ist also auch keine Spur zu finden - typisch Fraport eben.
Noch bevor überhaupt alle Beteiligten dem erpresserischen dritten "Hilfsprogramm" für Griechenland zugestimmt haben, wird die griechische Regierung gezwungen, einen Punkt des "Privatisierungs-Programms" vorzuziehen: die
Übergabe von 14 Regionalflughäfen an die Fraport.
Wie bereits weiter unten berichtet, hatte Fraport es mit Hilfe der hessischen Landesregierung geschafft, diesen Deal explizit in den Bedingungen für die neuen Kredite zu verankern, obwohl dort generell auch vereinbart wurde, dass alle Privatisierungen darauf hin zu überprüfen sind, dass das bestmögliche Resultat erzielt wird und ein Verramschen von Staatseigentum verhindert wird. Das wäre in diesem Fall sicherlich auch angesagt gewesen, denn die Vorgänger-Regierung, mit der Fraport den Deal eingefädelt hatte, wurde dabei von einer Lufthansa-Tochter "beraten" - und Lufthansa ist zugleich an Fraport beteiligt.
Bereits im vergangenen Jahr war klar, dass diese Privatisierung für den griechischen Staat ein
Verlustgeschäft werden würde. Schlimmer noch als der direkte finanzielle Verlust dürfte aber sein, dass anders als in Deutschland Regionalflughäfen in Griechenland, insbesondere auf den Inseln, ein wichtiger Teil der Verkehrs-Infrastruktur sind. Wenn diese nicht mehr nach den Bedürfnissen der lokalen Wirtschaft und Bevölkerung, sondern nach den Interessen des (auch überwiegend aus Deutschland gesteuerten) Massen-Tourismus und zur Profit-Maximierung entwickelt werden, wird das auch zum sozialen und wirtschaftlichen Desaster.
Nachdem Fraport und andere deutsche Firmen bereits seit Jahren beim Internationalen Flughafen Athen mitbestimmen, wird dann die gesamte profitable griechische Flughafen-Infrastruktur wesentlich von Deutschland aus gesteuert. Dem griechischen Staat bleibt nur noch übrig, die anderen ca. 30 Regionalflughäfen, die (massen-)touristisch uninteressant sind, zu subventionieren, um die Bevölkerung dort nicht völlig abzuhängen - wenn er es sich noch leisten kann.
Bezeichnend ist die Rolle, die die "öffentlichen" Mehrheitseigner der Fraport hier spielen. Während insbesondere das Land Hessen massiven politischen Druck zugunsten der Fraport ausüben kann (mit Hilfe der Bundesregierung bis hin zur massiven Erpressung anderer EU-Mitgliedsstaaten und der Ausschaltung konkurrierender wirtschaftlicher Interessen), können Stadt und Land "aus aktienrechtlichen Gründen" das Geschäftsgebaren der Fraport selbst angeblich überhaupt nicht beeinflussen. Die Politik als Wegbereiter (und finanzieller Mit-Profiteur), das Kapital als alleiniger Entscheider - da bleiben soziale und umweltpolitische Interessen zwangsläufig auf der Strecke.
Update 21.08.15: Inzwischen hat der Grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold auch den Zeitplan öffentlich gemacht, nach dem die Übergabe ablaufen soll. Demnach soll der Prozess bis März 2016 abgeschlossen sein. Zwei von acht Punkten sind bereits termingerecht abgearbeitet, inwieweit Fraport die technischen Anhänge zu den Konzessions-Abkommen (Punkt 3) bereits fertig hat, ist nicht bekannt. Im September sollen sie jedenfalls vorliegen, damit die EU-Kommission im November die endgültige Entscheidung treffen kann. Pro forma darf das (dann neu gewählte) griechische Parlament im Januar 2016 die Abkommen noch ratifizieren, damit im März mitgeteilt werden kann, ab wann Fraport welchen Flughafen übernimmt.
Im Text sind auch noch ein paar Konkretisierungen der Bedingungen für den Deal zu finden, ausserdem enthält er die lange Liste der restlichen "Assets", die verscherbelt werden sollen. Kommentar von Sven Giegold: "Es bleibt das Geheimnis der Troika-Institutionen, wie 50 Milliarden Euro zusammen kommen sollen". Fraport zahlt sie jedenfalls nicht.
Update 1.09.15: Ein kleiner Vergleich macht das Ausmaß der Plünderung deutlich: Auch in England steht ein Flughafen zum Verkauf an. Es ist ein kleiner Flughafen ohne Erweiterungsmöglichkeiten, mit nur einer 1,5 Kilometer langen Bahn in einem alten Londoner Hafenbecken, mit dichter Bebauung ringsum und zahlreichen Beschränkungen. Politische Hintergründe gibt es hier nicht, offenbar braucht die Heuschrecke, die ihn besitzt, gerade finanzielle Mittel, während die, die ihn kaufen will, derzeit nicht weiß, wohin mit dem Geld. Hier spekuliert die FAZ über einen Kaufpreis von 2,9 Milliarden Euro; das wäre fast das 2,5fache dessen, was Fraport als Kaufpreis für die Konzessionen für alle 14 Flughäfen zusammen bezahlen soll.
Update 8.09.15: Für den 22.09.15 ruft die Griechenland-Solidarität Frankfurt-Rhein-Main anläßlich der ersten Sitzung nach der Sommerpause zu einer Protestaktion vor dem Gebäude des Hessischen Landtags auf, Beginn ist um 10:00 Uhr. Das Gleiche soll auf dem Römerberg zur ersten Sitzung der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung im September stattfinden (das wäre nach derzeitigem Stand der 24.09., Sitzungsbeginn ist normaler Weise um 16:00 Uhr).
Dazu Dieter Hooge von der Griechenland-Solidarität in einer Rede auf der 147. Montagsdemo: "Was Fraport in Griechenland vor hat, ist die feindliche Übernahme der 14 Flughäfen, die zur Zeit alle Gewinne abwerfen. Damit wird das Unternehmen endgültig zur international agierenden Heuschrecke. Mit allen zur Verfügung stehenden politischen Mitteln und mit Aktionen wollen wir erreichen, dass dieser Deal nicht zustande kommt."
Update 18.09.15: Das "Griechenland-Solidaritätskomitee Frankfurt Rhein-Main" hat einen
Aufruf veröffentlicht, in dem weitere Einzelheiten zu den beiden Aktionen mitgeteilt werden.
Die Aktion am 22.09. findet auf dem
Dern'schen Gelände statt. Das Solidaritätskomitee hat einen Offenen Brief an die Landtagsabgeordneten und Stadtverordneten verfaßt, in dem es seine Positionen und Forderungen formuliert. Zur Aktion heißt es in der Pressemitteilung: "Mit unserer Aktion wollen wir den geplanten Deal szenisch darstellen und die Öffentlichkeit sowie die Abgeordneten auf ihrem Weg zur ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause
informieren."
Die Aktion vor dem Frankfurter Römer soll nun am 15.10. stattfinden.
Die Robin-Wood-Gruppe, die das Sommercamp im Treburer Wald vorbereitet, hat weitere Infos zur Durchführung des Camps verschickt. Darin heisst es: "Das Camp befindet sich auf der ca.2 ha großen Waldfläche, die der Autobahnzufahrt des 3. Terminals zum Opfer fallen soll. Ebenso wie die Fraport sollen auch weitere Firmen, welche die Bauarbeiten rund um das Terminal3 unterstützen und vorantreiben, in die Öffentlichkeit gerückt werden, wofür am Freitag einen Aktionstag geplant ist. Aber auch an Traditionen wie dem Kuchenstand soll festgehalten werden. Desweiteren wird es interessante Informaionen rund um die Anfänge des Widerstandes am Flughafen, zu aktuellen Geschehnissen in der Anti-Atom-Bewegung, auch im Bezug auf den Flughafen, und zu kreativen Widerstandsformen geben. Aber es darf auch nach Lust und Laune geklettert, gewandert, diskutiert und debatiert werden."
Neben den Informationen auf der Flughafen-Frankfurt-Seite von Robin Wood, dem
Fliegen-Flyer und dem ausführlichen Flyer zum Sommercamp 2015 gibt es nun noch einen Programm-Flyer, aus dem zu entnehmen ist, was an welchem Tag passieren soll.
In der Pressemitteilung des Bündnis der Bürgerinitiativen gibt es noch weitere Details zum Programm; der für Sonntag angekündigte Kuchenstand wird um 14:00 Uhr eröffnet. (Wir haben zusätzlich noch ein paar weitere Infos zum Autobahnanschluss und zur betroffenen Waldfläche.)
Die BI gegen Fluglärm Raunheim ruft zur Unterstützung und Beteiligung am Camp auf, weil wir es für wichtig halten, immer wieder deutlich zu machen, dass der Fraport-Ausbaukurs nicht widerspruchslos hingenommen wird. Noch geht es nur darum, im Wald ein symbolisches Zeichen zu setzen. Es ist aber auch eine gute Gelegenheit, darüber zu reden, was passieren soll, wenn die Bagger tatsächlich rollen. Nach letzten Meldungen soll das im Oktober der Fall sein.
Weit über 80% der gefährdeten Dächer müssen immer noch diese Warnung tragen
Am 10. August freut sich Fraport per Pressemitteilung, dass " an über 1.000 Gebäuden in den definierten Gebieten die Dacheindeckungen zur Prävention von Wirbelschleppenschäden gesichert" wurden. Exakt wurden bis zum 7. August "die Dachsicherungsmaßnahme ... bei bislang 1.026 Objekten vollständig abgeschlossen; bei weiteren 651 Objekten wurden bereits alle Vorarbeiten abgeschlossen und die Dachsicherungs-maßnahme als nächster Schritt anvisiert oder bereits begonnen. Bei weiteren 222 Objekten laufen derzeit die Vorarbeiten, wie z.B. eine Terminabstimmung mit dem Eigentümer zur Besichtigung des Daches vor Ort."
Ein grandioser Erfolg. "Seit Erlass des Planergänzungsbeschlusses ... vom 10. Mai 2013", also seit zwei Jahren und drei Monaten, wurden rund 17% der nach Meinung des Ministeriums gefährdeten Dächer gesichert, bei weiteren knapp 15% ist die Sicherung mehr oder weniger fest geplant. Insgesamt sind also nicht einmal ein Drittel der Dächer (32%) von dem Programm erfaßt. Und mit guten Gründen kann man davon ausgehen, dass das derzeitige "Sicherungsgebiet" immer noch nicht alle Gebiete umfaßt, in denen Schäden durch Wirbelschleppen auftreten können (siehe dazu unsere Doku).
Es kann also keine Rede davon sein, dass das Programm "zügig voran" käme, und es ist nicht absehbar, wann wenigstens die Gefahren durch herabfallende Ziegel einigermaßen eingeschränkt sein werden. Dazu kommt, dass die sonstigen Gefahren, die von Wirbelschleppen ausgehen, nach wie vor ignoriert werden (siehe auch dazu unsere Doku).
Unter Bezug auf einen FR-Artikel vom 05.08. geistert die Meldung durch die Presse, die hessische Landesregierung würde 5,6 Millionen Euro für zusätzlichen Schallschutz an Schulen bereitstellen. Das ist so allerdings (noch?) nicht wahr.
Wie die FR korrekt meldet, hat die Landesregierung diesen Betrag in den Haushaltsentwurf für 2016 aufgenommen. Abgesehen davon, dass solche Entwürfe erst noch die Landtagsdebatte überstehen müssen, macht der Sprecher des Verkehrsministeriums auch klar, dass diese Mittel keinesfalls fest verplant sind, sondern nur die Obergrenze darstellen, bis zu der das Ministerium Maßnahmen fördert.
Ebenfalls laut FR sind die Mittel vorgesehen für die 29 Grundschulen, die in der sog. "Tagschutzzone 2" liegen (s. Karte). Daraus folgt erstens, dass pro Schule weniger als 200.000 Euro zur Verfügung stehen werden, und zweitens, dass weiterführende Schulen offenbar nichts bekommen sollen. Für Raunheim hiesse das, dass die Anne-Frank-Schule auch hier wieder durchfallen würde, denn sie ist nun mal keine Grundschule.
200.000 Euro werden auch in den wenigsten Fällen reichen, um alle notwendigen Maßnahmen zu finanzieren. Meistens bleibt es wohl bestenfalls beim Austausch der Fenster, vielleicht auch noch dem Einbau der berühmt-berüchtigten Lüfter.
Auch die Pestalozzi-Schule, die in der Tagschutzzone 1 liegt, in der Fraport den Schallschutz zu finanzieren hatte, ist von einer vernünftigen Ausstattung weit entfernt. Die vorhandenen Schallschutzfenster können im Sommer nicht geschlossen bleiben, da dann die Luft in den Räumen unerträglich wird.
Was passieren müsste, um an den Schulen gute Lernbedingungen herzustellen, beschreibt z.B. eine mit Unterstützung des Bundes-Wirtschaftsministeriums herausgegebene
Info-Broschüre. Demnach gehört zu einer Schalldämmung in lauten Bereichen unabdingbar auch eine Klimatisierung, die ausreichend Frischluft in angenehmer Temperatur bereitstellt. Aber das ist die Theorie - wie die Praxis mit der dürftigen Förderung durch Fraport (und künftig vielleicht das Ministerium) fast überall aussehen wird, kann man am Beispiel der Pestalozzi-Schule sehen.
Statt das völlig unzureichende Erstattungsprogramm nach Fluglärmschutzgesetz für eine weitere Zone zu kopieren und dafür Steuergelder auszugeben, sollte die Landesregierung darauf drängen, dass verbindliche Standards für Schulgebäude definiert werden, die einen vernünftigen Unterricht ermöglichen - und durchsetzen, dass die Einhaltung dieser Standards nach dem Verursacherprinzip finanziert wird. Aber davon wollen die Herren Bouffier, Lotz und Al-Wazir natürlich nichts wissen.
Hier wird Asphalt erneuert.
Fraport hat am 5.8.15 per Pressemitteilung verkündet, dass die Centerbahn vom 9.8. abends bis zum 13.8. morgens wegen Erneuerung der Asphaltdecke gesperrt wird. Dies könne "zu Verspätungen im Flugbetrieb" führen, selbst "die Streichungen vereinzelter Flüge kann nicht vollständig ausgeschlossen werden".
Das soll wohl heissen, dass sich die Anwohner darauf einstellen können, dass in diesen Tagen die Zahl der Ausnahmegenehmigungen für den Bruch des Nachtflugverbots mal wieder deutlich nach oben gehen wird.
Die DFS hat für ihre Kundschaft ein eigenes Papier veröffentlicht, in dem sie beschreibt, was sich während der Sperrung an den Abläufen ändert, aber auch daraus ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, was die Folgen für die Anwohner sein könnten.
Klar ist nur, dass während dieser Zeit der "Probebetrieb" für die "Lärmpausen" ausgesetzt werden muss, denn dafür müssen alle Bahnen benutzbar sein. Das ist zwar eigentlich trivial, aber der Fraport trotzdem einen ganzen Absatz in der PM wert.
Erstaunlicher Weise heißt es da auch: "Wären die anfallenden Instandhaltungsmaßnahmen auf der Centerbahn in Form der in der Vergangenheit umgesetzten Methode, mit nächtlichen Sperrungen durchgeführt worden, hätte die Dauer der Maßnahme etwa sechs Wochen betragen. Infolgedessen hätte auch der Probebetrieb für die Lärmpausen für sechs Wochen ausgesetzt werden müssen. Die nun angewandte Methode reduziert diese Einschränkung auf ein Mindestmaß und ermöglicht eine schnellstmögliche Fortführung des Probebetriebs."
Bei der "in der Vergangenheit umgesetzten Methode" war Fraport immer sehr stolz darauf, dass nachts ein Stückchen der Decke ersetzt wurde und am Tag die Bahn uneingeschränkt zur Verfügung stand. Warum das jetzt nicht mehr geht und warum die Lärmpausen ausgesetzt werden müssten, obwohl die Bahn zur Verfügung stünde, wird nicht erklärt.
Fraport kann wohl nicht anders, als die Bevölkerung routinemäßig zu belügen, selbst wenn es eigentlich keinen Grund dafür gibt.
Update 09.08.15: Laut Medienberichten wird das Ganze wegen "unklarer Windprognosen", die eine durchgehende Verfügbarkeit der Startbahn 18 West in Frage stellen, verschoben; zunächst bis Dienstag, den 11. August.
Update 17.08.15: Nun ist es wohl soweit. Seit heute morgen gibt es keinen Betrieb mehr auf der Centerbahn, die "Lärmpause" für die Südbahn und die Startbahn West ist ausgesetzt. Wer wird das wohl merken?
Update 20.08.15: Fraport kann auch hier vollen Erfolg vermelden. Die Bahn ist erneuert, kein Flug ausgefallen, keine Beschwerden wegen des Ausfalls der "Lärmpausen" (oh Wunder!). Viel öffentlicher Aufwand für wenig Inhalt, aber was tut man nicht alles, um auch mal positiv in die Schlagzeilen zu kommen.
Seit Anfang August liegt endlich ein Entwurf für ein brauchbares Konzept für den Luftverkehr in Deutschland vor. Leider ist es nicht so, dass Verkehrsminister Dobrindt eine himmlische Eingebung gehabt hätte oder die Bundesregierung insgesamt von ökologischem Bewußtsein überwältigt worden wäre. Es waren sieben "Nichtregierungs-Organisationen" (engl. NGOs), die dieses Konzept ausgearbeitet haben.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung hebt diese Allianz hervor, "dass es in Deutschland entgegen Verlautbarungen der Luftverkehrswirtschaft keine Infrastrukturengpässe, sondern eine zu große Flughafenkapazität gibt". "200.000 ... Flüge könnten nach den Berechnungen der NGOs in den nächsten Jahren ohne Zeitverlust für Passagiere und ohne neue Investitionen in die Infrastruktur auf die Schiene verlagert werden", und "Wir brauchen Lärmminderungskonzepte an den Flughäfen mit konkreten Reduktionszielen, die zunächst durch Obergrenzen den Lärm limitieren und dann in Jahresschritten senken. Bis zum Erreichen dieser Ziele müssen verstärkt Betriebsbeschränkungen greifen, vor allem in der Nacht und den Nachtrandstunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr", sind Kernaussagen des Konzepts.
Weiterhin fordert es, "im Luftverkehrskonzept der Bundesregierung global wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu verankern, darunter eine Klimaabgabe von zehn Euro auf jede Tonne CO2-Äquivalent im Luftverkehr ab dem Jahr 2020. Diese müsse bis 2030 schrittweise auf 80 Euro erhöht werden." Auch Forderungen nach "Guter Arbeit" für die Beschäftigten und gegen Sozialdumping fehlen nicht.
Die Allianz erklärt auch, warum sie das Papier jetzt vorlegt: "Zurzeit erarbeitet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend das im Koalitionsvertrag vereinbarte Luftverkehrskonzept der Bundesregierung", aber dabei "vernachlässigt das BMVI die Klimaschutzziele und die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung".
(Auf der Webseite des BMVI erfährt man dazu nur, dass man dort offenbar immer noch auf ein Gutachten wartet, das "Mitte 2015" vorliegen sollte.)
Dass das Konzept in die richtige Richtung geht, zeigt sich auch daran, dass der "Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)" dazu nur eine selbst für seine Verhältnisse extrem dümmliche und inhaltsleere Erwiderung zustande bringt.
Aus Sicht von Fluglärmgegnern ist das Konzept gut und nützlich und enthält viele Ansätze, die die Situation verbessern könnten. Revolutionär ist es nicht. Es stellt weder das Wachstums-Dogma der Luftverkehrswirtschaft ernsthaft in Frage, noch entwickelt es einen Regelungsrahmen, der den Luftverkehr stärker nach den Prinzipien der öffentlichen Daseinsvorsorge und weniger nach dem Profitprinzip steuern könnte. Insbesondere das Kapitel 5, "Nationales Flughafensystem entwickeln statt Wildwuchs zu subventionieren", liest sich wie eine Anleitung zur Effektivierung des Flughafenbetriebs mit der Konsequenz, dass an den "sechs wirtschaftlich tragfähigen ... Flughäfen Frankfurt/Main, München, Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart" "die Kapazitäten besser genutzt", d.h. der Flugverkehr noch mehr verdichtet werden sollte.
Dennoch muss man wohl davon ausgehen, dass dieses Konzept gegenüber dem, was das BMVI unter freundlicher Anleitung der
Luftfahrtlobby und Polit-Zombies wie Ex-Wirtschaftsminister Posch produzieren wird, ein Riesen-Fortschritt wäre.
Nachtschutzzone zweigeteilt - für den orangefarbenen Bereich läuft die Antragsfrist im Oktober 2016 ab
Am 28.07.15 tauchte auf der Webseite der Stadt Raunheim eine zunächst überraschende Meldung auf.
"Das Regierungspräsidium Darmstadt weist darauf hin, dass am 12. Oktober 2016 die erste Frist zur Geltendmachung von Schallschutzmaßnahmen nach § 9 Fluglärmgesetz ausläuft. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen Grundstückseigentümer, deren Immobilien einem äquivalenten Dauerschallpegel von über 65 dB (A) am Tag oder von über 55 dB (A) in der Nacht ausgesetzt sind, Ansprüche beim Regierungspräsidium Darmstadt geltend machen."
Diese Frist hatte wohl kaum jemand im Auge gehabt (wir auch nicht), und in der Meldung findet sich auch nichts Genaueres zu den Hintergründen. Auf der Webseite des RP Darmstadt findet man garnichts zu diesem Termin, auch nicht in den angebotenen Info-Materialien zum Schallschutz-Programm. Aber wie so oft hilft auch hier ein Blick ins Gesetz zur Klärung der Rechtslage.
Besagter § 9 Fluglärmgesetz sagt im allerletzten Satz (§ 9 (7) Satz 2): "Der Anspruch ... kann nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden." (Vergleichbare Regelungen gelten auch für die Ansprüche nach dem Regionalfonds-Gesetz und auf Aussenwohnbereichs-Entschädigung, siehe dazu unsere (korrigierte) Doku.)
Bisher hat es praktisch keine Rolle gespielt, aber der Zeitpunkt der Entstehung des genannten Anspruchs ist tatsächlich nicht für alle Raunheimer Hausbesitzer gleich. Denn zwar liegt ganz Raunheim in der sog. "Nachtschutzzone", aber die ist in sich nochmal in zwei Bereiche geteilt: einen inneren Bereich, in dem der (berechnete) Lärmwert zwischen 55 und 60 db(A) liegt, und einen äusseren Bereich von 50 bis 55 dB(A) (orangefarbener bzw. brauner Bereich der Karte). (Für die "Tagschutzzone" gibt es ebenfalls zwei Bereiche, aber da liegt ganz Raunheim im "äusseren Bereich" (!))
Bei Novellierung des Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm im Jahr 2007, bei der auch die "Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen" und die "Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs" geregelt wurden, wurde eine allgemein als Lex Fraport kritisierte Fristen-Regelung eingeführt, die den "weniger belasteten" Anwohnern des äusseren Bereichs erst nach sechs Jahren Schutzansprüche einräumen sollte. Das hat sich bei den Erstattungen für Schallschutzmaßnahmen nicht ausgewirkt, weil Fraport sich nach massiven Protesten nach der Eröffnung der Nordwestbahn mit der Einführung des Regionalfonds 2012 "freiwillig" verpflichten musste, die Erstattungen für alle umgehend auszuzahlen.
Für die Ablauf-Fristen bleibt aber der gesetzlich festgelegte Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs relevant, und das ist für die Bewohner der orange-farbenen inneren Nachtschutzzone der 12. Oktober 2016, denn am 13. Oktober 2011 trat die Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main in Kraft, die diese Zone definiert hat. Deshalb gilt für sie, "dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Schallschutzmaßnahmen auch bereits umgesetzt sein müssen. Betroffenen Bürgern wird daher geraten, Anträge nunmehr zeitnah zu stellen." Diesem Rat können wir uns für diesen Personenkreis nur anschliessen.
Alle anderen hätten eigentlich noch fünf Jahre Zeit, sich zu entscheiden, was sie wie tun wollen, wenn da nicht noch ein anderer Fallstrick wäre. Wer auch Mittel aus dem Regionalfonds nutzen möchte, muss gemäß
Förderrichtlinie (Teil II, 1.5.1) vorher die gesetzlichen Ansprüche geltend gemacht haben. Da aber auch die Ansprüche an den Regionalfonds nach fünf Jahren verfallen (Teil II, 1.6) und diese Richtlinie am 1.1.2013 in Kraft getreten ist (Teil III, 13), ist da am 31.12.2017 Schluss mit der Förderung (soweit das Geld überhaupt bis dahin reicht (Teil 3, 3)).
Lediglich mit dem Antrag auf "Entschädigung für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs" kann man sich bis zum 12.10.2021 Zeit lassen, falls man das Geld vorher gar nicht brauchen kann (es kommt aber ohnehin erst ab Oktober 2016).
Ganz soweit ist es noch nicht,
aber das Bündnis arbeitet dran
Je mehr über die geplanten Freihandelsabkommen, die die EU abschliessen möchte, bekannt wird, desto breiter wird der Widerstand dagegen. Am 21. Juli war es auch im Kreis Groß-Gerau soweit: Auf Initiative des BUND gründete sich ein "Aktionsbündnis gegen TTIP, CETA und TISA im Kreis Groß-Gerau". Bemerkenswert: unter den sechs Gründer-Organisationen ist auch eine aus Raunheim, die Katholische Arbeitnehmerbewegung Raunheim.
Von den zehn weiteren Organisationen, die beim Gründungstreffen anwesend waren, müssen etliche noch Beschlüsse über eine mögliche Mitarbeit fassen; andere, die nicht teilnehmen konnten, haben ihre Mitarbeit angekündigt. Weitere Unterstützer sind dringend erwünscht.
Per Presseerklärung und Aufruf hat sich das Bündnis an die Öffentlichkeit gewandt und angekündigt, dass die ersten Aktivitäten in der Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP und in der Mobilisierung zur Großdemo in Berlin am 10.10. bestehen sollen. Ein weiteres Plenum ist für Ende August / Anfang September geplant.
Ein weiterer Schritt sollte sicherlich sein, die Gremien des Kreises und seiner Kommunen dazu zu bringen, sich ebenfalls gegen diese Abkommen zu positionieren. Nachdem die Raunheimer Stadtverordneten-Versammlung auf SPD-Antrag gerade beschlossen hat, Raunheim zum Fairtrade-Town zu machen, sollte ein solches Anliegen auch da auf offene Ohren stossen.
Solange die violette Kontur innerhalb der ockerfarbenen liegt, ist die Welt formal in Ordnung - zumindest für das Ministerium
Neben den halbjährlichen Berichten zum Thema Schallschutz für die Öffentlichkeit (siehe weiter unten) verfasst Fraport auch noch regelmäßig ebenso aussagekräftige Berichte über die Entwicklung des Fluglärms für das zuständige Ministerium. Das neuste Exemplar wurde Mitte April erstellt und vor Kurzem auf der Webseite des Ministeriums
veröffentlicht. Es enthält "die aktuellen Berechnungen ... für das Betriebsjahr 2014".
Berechnet werden de facto nur Vergleichswerte, die für die "verkehrsreichsten sechs Monate Mai bis Oktober" einige Lärmkonturen mit den jeweiligen in der Planfeststellung aufgrund des im Jahr 2020 zu erwartenden Lärms festgelegten Schutzzonen vergleichen. "Insgesamt zeigt sich, dass die berechneten Ergebnisse nach wie vor unterhalb" dieser erwarteten Werte liegen, stellt das Ministerium erfreut fest, also alles in Ordnung. Es ist überall noch nicht so laut, wie es sein dürfte - bis auf einen kleinen Ausreisser im Nordwesten.
"In der Nacht ... kommt es aufgrund ... einer verstärkten nächtlichen Nutzung der Nordwestabflugstrecken zu einer örtlichen Veränderung der Dauerschallpegel-Konturen sowie der NAT-Kontur im Bereich westlich Eddersheim", muss das Ministerium feststellen, kennt aber auch den Schuldigen: "Die Gründe hierfür liegen in der vorübergehenden Aussetzung der Unabhängigkeit der Abflüge von Südumfliegung und Startbahn West durch die DFS".
Obwohl das alles recht harmlos klingt, hat es einen bedenklichen Hintergrund. Zum Ersten ist es grundsätzlich bedenklich, wenn bei deutlich weniger als 500.000 Flugbewegungen im Jahr 2014 Lärmwerte erreicht oder sogar überschritten werden, die für mehr als 700.000 Flugbewegungen (im Jahr 2020, nach den falschen Prognosen aus der Planfeststellung) berechnet wurden. Weder Fraport noch Ministerium interessiert es offenbar, herauszufinden, welcher Anteil der Überschreitungen tatsächlich auf die unterschiedlichen Flugrouten-Belegungen zurückzuführen ist, und welcher Anteil möglicherweise aus anderen Veränderungen kommt.
Zum Zweiten sind die Schlussfolgerungen, die das Ministerium andeutet, äusserst bedenklich: "Das HMWEVL ist mit der DFS bezüglich der Frage, ob dauerhaft von diesem Sachverhalt auszugehen ist, im Gespräch und wird ggf. auch Prüfungen im Hinblick auf Auswirkungen auf den Lärmschutzbereich vornehmen." Im Klartext heisst das, dass es das Ministerium durchaus für möglich hält, dass entgegen früheren Versprechungen eine stärkere Nutzung der Nordabflugrouten durchaus dauerhaft eingerichtet werden kann, und dass die Reaktion darauf einzig darin bestehen wird, ggf. die Lärmschutzzonen etwas anzupassen. Festzustellen, dass die geplante Kapazität mit diesem Bahnsystem technisch nicht erreicht werden kann und daher die Grundlagen für die Planfeststellung entfallen sind, liegt ausserhalb des Vorstellungsvermögens des Herrn Ministers und seiner Beamten.
Das bedeutet dann nicht nur für Flörsheim, Wicker, Eddersheim und andere mehr Lärm auch bei Betriebsrichtung 25, auch im Raunheimer Norden würde es lauter. Die kleine Überlappung der beiden Kurven im Raunheimer Nordosten zeigt schon, dass es auch hier aktuell lauter ist als vorhergesagt. Und die Perspektive ist auch nicht besser.
Wer hat Grund zum Feiern,
und warum ?
Zwei Ereignisse mit Bezug zum Flughafen prägten die Meldungen aus Raunheim kurz vor den Sommerferien. Zum einen wurde am 24. Juli mit einem ganztägigen Fest "AIRPORT GARDEN" eröffnet. Die Stadt hofft, dass mit der Inbetriebnahme des Business-Parks, in dem "vorrangig die Ansiedlung chinesischer Unternehmen erfolgen soll", die Zukunft beginnt - eine "wirtschaftlich abgesicherte" Zukunft, wie der Bürgermeister betont. Bisher ist das allerdings nicht mehr als eine Hoffnung, denn nicht nur ist es in heutigen Zeiten generell sehr schwierig, wirtschaftliche Entwicklungen vorherzusehen (und unmöglich, sie zu planen), die Rahmenbedingungen sind auch nicht wirklich gut. Was passieren soll, liest sich in den städtischen Texten so:
"Jetzt wird hier ein moderner, weitläufiger Businesspark mit einem breiten Gastronomie- und Dienstleistungsangebot entstehen, in dem anspruchsvolle Unternehmen unterschiedlichster Branchen zukunftsfähige Standortbedingungen vorfinden. Besonders hervorzuheben sind dabei die Ausstattung mit Highspeed Glasfaser-Technologie, mit einer Co2-neutralen Nahwärmeversorgung, mit öffentlichem W-LAN, bester Verkehrsanbindung an Autobahnen und ÖPVN sowie die weitläufige, naturnahe Gestaltung des gesamten Areals. Seinen Namen AIRPORT GARDEN trägt dieser Businesspark nicht ohne Grund."
Was in den Jubelarien nicht besungen wird, ist die Tatsache, dass das "naturnahe Areal" fast direkt unter der Endanfluglinie der Südbahn liegt und in weniger als 300 Metern Höhe überflogen wird. Gastronomie und Dienstleister, die auf angenehme Umgebung Wert legen, werden sich dort mit Sicherheit nicht niederlassen. Die Ansprüche der Unternehmen, die sich (vielleicht) dort ansiedeln werden, werden die nach technischer Ausstattung und Flughafen-Nähe sein, wobei sie sich bzw. ihren Beschäftigten die Lärmbelastung eben zumuten und bestenfalls die Büros schalldämmen. Wer das auf Dauer durchhält, bleibt abzuwarten. Die Gefahr ist jedenfalls groß, dass das Gelände relativ schnell zum "AIRPORT BACKYARD" verkommt - ein Hinterhof-Standort für alle, die "Flughafen-affine" Geschäfte betreiben, denen die Premium-Standorte der Airport City aber zu teuer sind.
Wirtschaftsminister Al-Wazir hat auch noch ein Lob zu vergeben: "Der neue gewerbliche Stadtteil wurde auf einer industriellen Brachfläche entwickelt. So mussten keine zusätzlichen Freiflächen in Anspruch genommen werden, die in der Rhein-Main-Region mit ihrer stetig wachsenden Bevölkerung ohnehin sehr knapp sind."
Diese Betrachtungsweise ist bestenfalls teilweise richtig. Immerhin wurde die "Brachfläche" noch um mehr als 10.000 m2 teils sehr wertvolle Waldfläche erweitert, und die "Ausgleichsmaßnahmen" dafür sind mehr als dubios. Ein Großteil des Ausgleichs soll im berüchtigten Phantom-Wald "Im Sainer" zwischen Raunheim und Rüsselsheim erfolgen. Diesen 'Wald' sucht man heute vergeblich und wird ihn auch niemals finden, denn schon aus Platzgründen kann dort bestenfalls ein Baumstreifen entstehen, der nur wenige ökologische Funktionen eines Waldes erfüllen kann.
Dazu paßt die zweite Meldung: Am 23. Juli hat Bürgermeister Jühe der Stadtverordneten-Versammlung den Entwurf eines
Kommunalen Klimaschutzkonzepts vorgelegt. Die Stadtverordneten werden das umfangreiche Werk zur Kenntnis nehmen und die Verwaltung wird die dort vorgesehenen Maßnahmen nach und nach zur Umsetzung vorbereiten.
Tatsächlich ist das Konzept im Bereich energetischer Maßnahmen sehr umfassend. Viele andere Bereiche werden jedoch stark vernachlässigt, und unter dem Stichwort "nachhaltige Stadt- und Umweltplanung" finden sich nur wenige Seiten, die überwiegend auf das Programm "Grünes Raunheim" verweisen. Was dieses Programm genau beinhalten soll, ist nicht ganz nachvollziehbar, die sichtbaren Ergebnisse stehen jedenfalls in deutlichem Widerspruch zu den formulierten Grundsätzen. Man lese nur, was da zur Grünflächengestaltung und Entsiegelung steht, und betrachte die Steinwüsten, die rund um das Stadtzentrum entstanden sind.
Was aus Sicht der BI zum Thema 'Kommunaler Klimaschutz' zu sagen ist, hatten wir seinerzeit in einem Kommentar formuliert und in die Bürgerbeteiligung eingebracht. Einige Aspekte zur kommunalen Beschaffung finden sich immerhin in dem jetzt vorgelegten Konzept wieder.
Wie die FLK in einer ausführlichen Pressemitteilung zu ihrer 231. Sitzung mitteilt, hat sie einen "Beschluss zur Neuordnung der Mitgliedschaft" gefasst, der nun vom Ministerium als Aufsichtsbehörde umgesetzt werden kann. Es geht aus dem Text nicht genau hervor, aber man darf davon ausgehen, dass dieser Beschluss inhaltlich mit dem übereinstimmt, was Frau Barth als Vertreterin des Ministeriums als Vorschlag präsentiert hat.
Für den Hauptstreitpunkt, die Mitgliedschaft der Landkreise, ergibt sich daraus, dass 7 der 14 interessierten Kreise die gewählten Kriterien erfüllen und dadurch Mitglied werden. Die anderen sieben können Anträge stellen, um aufgrund besonderer Betroffenheiten zugelassen zu werden. Für welche das der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.
Für die kommunal-unabhängige Interessenvertretung der Betroffenen werden der Bundesvereinigung gegen Fluglärm weiterhin zwei Sitze eingeräumt (die wohl weiterhin Dirk Treber und Berthold Fuld einnehmen werden), darüber hinaus wird dem DFLD auch noch ein Sitz für einen namentlich benannten Experten (Horst Weise) zugestanden.
Wenn nichts dazwischen kommt, wird die FLK bereits in der nächsten Sitzung im Oktober 2015 in der neuen Zusammensetzung tagen.
Wie begrenzt man Lärm ?
Die letzte Wunderwaffe der Landesregierung gegen den Fluglärm, die "Lärmobergrenze", war wieder einmal Thema in der letzten Sitzung der Fluglärmkommission. In einer
Präsentation erläuterte Frau Barth den aktuellen Sachstand. Viel hatte sie nicht zu berichten.
Ausser den bekannten Grundlagen (Koalitionsvertrag, Landtagsbeschluss, Vorarbeiten in FFR und FLK, siehe dazu unsere
Doku) stellte sie kurz zwei existierende Modelle (Zürich, Hamburg) vor (ohne deren Versagen explizit zu benennen) und formulierte dann nur noch Fragen, die künftig bearbeitet werden sollen. Einen nächsten Bericht stellte sie für Dezember 2015 in Aussicht, ansonsten bleibt es bei dem Zeitplan, frühestens im Sommer 2016 einen Vorschlag "zur politischen Entscheidung" vorzulegen.
In einem zwischenzeitlich durchgeführten Gespräch der BBI-SprecherInnen mit VertreterInnen der Grünen aus Landesregierung und Landtagsfraktion bestätigten Letztere nochmal eindeutig, dass der Termin des Inkrafttretens der EU-Betriebsbeschränkungs-Verordnung im Sommer 2016 dafür keine Rolle spielt, weil diese "Lärmobergrenze" nichts beschränken soll.
Um dieser Diskussion eine andere Richtung zu geben, hat der Sprecherkreis des BBI nach ausführlicher Diskussion in der Delegiertenversammlung ein Positionspapier zur Diskussion gestellt, das Forderungen formuliert, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation führen könnten. Statt eine "Obergrenze" einzuführen, die noch wesentlich mehr Lärm zuläßt als heute, sollen Lärmminderungsziele formuliert werden, die den heute schon unhaltbaren Zustand Schritt für Schritt, aber verbindlich für alle, verbessern.
EU und Landesregierung wollen die Griechen überzeugen,
dass Fraport-Blau hervorragend zu ihren Flughäfen paßt ...
Wenn der griechische Staat nun doch noch sein allerletztes Tafelsilber verramschen muss, um unter EU-Kuratel weiter existieren zu dürfen, möchte Fraport natürlich auch einen Teil der Beute abhaben.
Schon bei der ersten Privatisierungs-Runde im Herbst 2014 wollte Fraport mit einem griechischen Partner eine Konzession für den
Betrieb von 14 Regionalflughäfen für 40 Jahre übernehmen. Die neue, SYRIZA-geführte Regierung hatte nach ihrem Wahlsieg im Januar 2015 allerdings die Privatisierungen erst einmal gestoppt. Nachdem die EU aber klargestellt hat, dass solche Entscheidungen unter den gegebenen Bedingungen nicht in Athen, sondern in Brüssel (und ggf. Berlin) getroffen werden, und die Kontrolle über die griechische Politik und Wirtschaft nochmal verstärkt hat, hofft Fraport auf noch bessere Konditionen.
Am liebsten würde man sich wohl die ÖBB zum Vorbild nehmen, denn die würde, wenn sie geruhen sollte, die griechische Staatsbahn TrainOSE
zu übernehmen, "völlig ausschließen, einen positiven Kaufpreis zu bezahlen".
Während Fraport-Chef Schulte aber eher dezent im Hintergrund sondiert und öffentlich beckenbauert ("Schaun mer mal"), stellt Ministerpräsident Bouffier in seiner allseits beliebten, direkten Art klar, wie das diesmal funktionieren muss. Hessen ist schließlich größter Anteilseigner der Fraport, da muss sich der Chef schon mal selber drum kümmern, dass das alles klar geht. Wirtschaftsminister Al-Wazir darf sich dann vermutlich um die Feinheiten kümmern, und "Aufsichtsrat" Kaufmann ist ohnehin für nichts mehr zu gebrauchen.
Diesmal "muss eine Sicherheitskonstruktion herbei, die das Risiko überschaubar macht", fordert Bouffier, vor allem aber muss sichergestellt sein, dass nicht wieder "irgendein Politiker" daherkommt und mit dem lächerlichen Hinweis auf irgendeine Wahl glaubt, "das Ganze wieder rückgängig" machen zu können. Nur das kann die Flughäfen retten, denn Bouffier weiss, "Dieser Staat wird sie nicht herrichten", und "Ohne Privatisierung würden sie irgendwann mit Unkraut zuwuchern". Hat da jemand was vom "häßlichen Deutschen" gesagt?
Man kann die Primitivität unseres politischen Spitzenpersonals aber nicht nur am vollständigen Mangel an diplomatischem Geschick und der grenzenlosen Arroganz ablesen, die hier zum Vorschein kommt. Während allen vernünftigen Ökonomen klar ist, dass das neue Troika-Spardiktat die griechische Wirtschaft endgültig ruinieren wird (selbst ein FAZ-Kommentator spottet nur noch über die "
Fünfzig Phantastilliarden", die die Privatisierungen bringen sollen), faselt Bouffier davon, mit dem Raubzug werde "Griechenland geholfen, da der Tourismus durch funktionierende Flughäfen in Gang gebracht werden könne". Fakt ist aber, dass auch im Tourismus-Sektor die profit-trächtigen Teile verscherbelt werden müssen, bevorzugt an ausländische Investoren, während ein völlig verarmter Staat kaum die Infrastruktur aufrecht erhalten kann, die die kleinen und mittleren Gewerbetreibenden brauchten, um in diesem Sektor zu überleben.
Fraport und Landesregierung müssen also offensichtlich glauben, von einem völlig extern gesteuerten Reise- und Tourismus-Boom profitieren zu können, der sich in einigen Nobel-Zentren in einem ansonsten verarmten Land abspielt. Partiell funktioniert das derzeit noch in einigen Teilen der Welt. Dass es ein zukunftsfähiges Modell sein kann, darf man nicht nur bezweifeln - man muss darauf hoffen, dass es nicht (mehr) funktionieren wird, weder in Griechenland noch anderswo.
Ob der Deal wirklich reibungslos über die Bühne gehen kann, ist wohl noch nicht klar. Wie das ARD-Magazin Monitor berichtet, regt sich selbst in der von Dissidenten gesäuberten griechischen Regierung noch Widerstand. "Bei dieser Privatisierung soll der griechische Staat 14 gewinnbringende Flughäfen verkaufen, und die anderen 30 Flughäfen, die keinen Gewinn machen und subventioniert werden müssen, bleiben beim griechischen Staat. Das ist ein Modell, das so noch nirgendwo in Europa angewandt wurde. Das passt eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland", wird der zuständige Infrastrukturminister zitiert. Ob das hilft, die neuen Kolonialherren zu bremsen?
Update 13.08.15: Zumindest bei den "Institutionen" war Bouffier erfolgreich. Im Entwurf des sog.
Memorandum of Understanding vom 11.08.15, in dem die "Gläubiger" der griechischen Regierung die Bedingungen diktieren, die sofort umzusetzen sind, heisst es (auf S.25): "die Regierung wird nicht umkehrbare Schritte vornehmen zum Verkauf der regionalen Flughäfen an den bereits ausgewählten Bieter zu den bestehenden Bedingungen" (eigene Übersetzung).
Voller Erfolg für Fraport - falls das griechische Parlament der Erpressung zustimmt. Die Griechen können allerdings anstellen, was sie wollen, Deutschland profitiert von ihrer Krise, selbst wenn sie keinen Cent ihrer Schulden zurückzahlen.
Die neuen Hüter des Umweltschutz im Luftverkehr
Trotz des in den aktuellen Krisen überdeutlich gewordenen Scheiterns der neoliberalen Ideologie geht der Liberalisierungswahn unvermindert weiter. Während es aber bei den grossen Projekten, wie den Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA, wenigstens gelungen ist, ein gewisses Maß an Öffentlichkeit herzustellen, gelingt es der Luftverkehrswirtschaft noch, ihre Absichten weitgehend im Dunkeln zu halten. Zwei Beispiele sind aktuell bekannt geworden.
Die Bundesregierung möchte nach der Sommerpause ein Gesetz durch den Bundestag schleusen, das ganz harmlos als Umsetzung bzw. Ergänzung eines schon länger bestehenden Luftverkehrs-Abkommens zwischen der EU und den USA daher kommt. Tatsächlich geht der Gesetzestext aber noch über das, was auf EU-Ebene bereits beschlossen (und schlimm genug) ist, hinaus und versucht, noch weitere Hürden aufzubauen gegen lokale Bestrebungen, aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes spezielle Regelungen an Flughäfen (wie z.B. Nachtflugverbote) einzuführen.
Mainzer Initiativen haben eine Petition aufgesetzt, die die Hintergründe erklärt und die Bundestagsabgeordneten auffordert, diesen Gesetzentwurf so nicht durchgehen zu lassen.
Die Petition ist unbedingt unterstützenswert, eine Anmerkung sei allerdings erlaubt: ein einfaches Gesetz wie dieses kann nicht wirklich Kompetenzen von nationalen Gesetzgeber auf eine internationale Organisation übertragen. Um sich selbst zu entmündigen, braucht der Bundestag eine 2/3-Mehrheit, und er muss klar sagen, dass er das vorhat. Alle Vereinbarungen, die mit diesem Gesetz bestätigt oder neu getroffen werden, stehen unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit bestehenden nationalen Gesetzen. Natürlich wird das argumentative Trommelfeuer gegen neue Regulierungen an Flughäfen damit heftiger, und die Durchsetzung wird schwieriger (und erfordert u.U. den Gang durch die juristischen Institutionen bis zum Verfassungsgericht), aber trotzdem: auch wenn die Hürden höher werden - unüberwindlich werden sie nicht!
Das zweite Projekt ist nur durch einen empörten Aufschrei der Europäischen Piloten-Vereinigung
ECA in der Fachpresse bekannt geworden. In der ICAO arbeiten zwei Arbeitsgruppen mit sorgsam ausgewählter nationaler Beteiligung (Deutschland ist natürlich dabei) an der Ausarbeitung eines multinationalen Abkommens zur (endgültigen) Liberalisierung des Luftverkehrs. Der Präsident der ECA beschreibt das Vorgehen in einer Meldung als "TTIP für die Luftfahrt, aber auf globaler Ebene" und qualifiziert es als "nicht weniger als skandalös".
Viele Details sind bisher nicht bekannt. Anscheinend handelt es sich um einen Versuch der Staaten mit den größten Carriern (USA, EU, Golf-Staaten), trotz massiv gegensätzlicher Interessen eine gemeinsame Basis für die weitere Entwicklung der Luftverkehrswirtschaft zu finden und "Wachstums-Hindernisse" zu beseitigen. Dabei konzentrieren sie sich auf die wirtschaftlichen Kernthemen; Randthemen wie Arbeitnehmer-Rechte, Umweltschutz etc. spielen dabei keine Rolle. Dafür wird wohl auch nicht viel Zeit bleiben, denn der Fahrplan ist anspruchsvoll: schon zur nächsten ICAO-Generalversammlung im Herbst 2016 soll ein Entwurf für ein Abkommen vorliegen, dem sich dann alle Staaten (selbstverständlich freiwillig und ohne jeden Zwang) anschliessen dürfen.
Man wird hier, ähnlich wie bei den anderen "Liberalisierungen", versuchen müssen, Licht ins Dunkel zu bringen, ehe es zu spät ist und neue Schäden angerichtet werden.
Nur in der lokalen Presse kurz erwähnt, stand am 13.7. im Kreistag des Main-Taunus-Kreises ein Antrag zur Abstimmung, in dem gefordert wurde, klarzustellen, dass Fraport wirklich die gesamten Kosten, die für die Sicherung eines durch Wirbelschleppen gefährdeten Daches entstehen, zu tragen habe. Hintergrund ist, dass Fraport rechtswidrig, aber beharrlich
behauptet, dass "Kosten, die entstehen, um die Voraussetzungen für die Sicherung der Dacheindeckungen zu schaffen, nicht durch Fraport zu tragen" seien. In Flörsheim sind Fälle bekannt, in denen Hauseigentümer fünfstellige Summen für Vorbereitungsarbeiten aufbringen sollen, damit das Dach dann anschließend durch Fraport geklammert werden kann. (Falls das in Raunheim auch der Fall sein sollte, haben es die Betroffenen bis jetzt leider vorgezogen, damit nicht in die Öffentlichkeit zu gehen.)
Hier hätte also eine Chance bestanden, etwas politischen Druck auszuüben, damit das Ministerium endlich einmal klarstellt, was es eigentlich verfügt hat (bzw. verfügen wollte). Aber wohl, weil der Antrag von der LINKEN kam, mochte die Mehrheit aus CDU, SPD und FDP dem nicht zustimmen. Die Grünen waren inhaltlich mit den LINKEN einer Meinung, haben aber angesichts der Mehrheitsverhältnisse zusammen mit den anderen den Antrag in einen Ausschuss überwiesen, wo er erst mal bis September ruht. Ausgerechnet der Flörsheimer Bürgermeister Antenbrink, der auch als SPD-Abgeordneter im Kreistag sitzt, meinte sogar, vor dem Antrag warnen zu müssen, weil er die Durchführung des Sicherungsprogramms verzögern könnte!
Warum die Fraport-Behauptung rechtlich nicht haltbar ist, haben wir bereits in einem Kommentar unmittelbar nach der ersten "Planergänzung" durch Herrn Rentsch und vor ein paar Monaten nochmal in einer Presseerklärung erläutert.
Politisch ist sie natürlich völlig unhaltbar, denn es kann nicht sein, dass Fraport, um den Flugbetrieb wie gewünscht durchführen zu können, den Hausbesitzern in der Umgebung nicht nur zusätzliche Risiken, sondern auch erhebliche Kosten aufbürdet. Selbst diejenigen, die für die Dachsicherung unmittelbar nichts zuzahlen müssen, haben ja u.U. erhebliche Folgekosten, weil jeder kommende Eingriff am Dach durch die Sicherung deutlich teurer wird. Es ist wahrhaftig an der Zeit, hier einen Riegel vorzuschieben. Eine volle Kostenübernahme durch Fraport wäre ein erster Schritt - eine Minderung des Wirbelschleppen-Risikos durch weniger Flugbewegungen und größere Überflughöhen die bessere Lösung.
Am Anfang kamen nur einzelne InteressentInnen ...
Auch in diesem Jahr gab es wieder einen Stand der BI beim Bahnhofstrassen-Fest. Optisch machte er sogar noch mehr her als sonst, weil die beiden A380, die über dem Stand hingen und auf die Gefahr der Änderung der Abflugrouten hinweisen sollten, die ganze Strasse entlang zu sehen waren und Aufmerksamkeit anzogen.
Inhaltlich waren neben dem lokalen Schwerpunkt der Gefahren durch Wirbelschleppen und den Problemen mit dem dagegen gerichteten Dachsicherungs-Programm insbesondere der weitere Ausbau in Form des drohenden Baubeginns von Terminal 3, die "Lärmpausen", die Ergebnisse der NORAH-Kinderstudie und eben die Gefahren, die mit dem anstehenden Urteil zur Südumfliegung drohen könnten, Themen auf den Stelltafeln. (Einen ausführlichen Bericht sowie alle Materialien, die am Stand zu sehen waren, gibt es hier.)
... später gabs dann viel Betrieb.
Nachdem der Aufbau schon durch leichten Regen erschwert war und der fast fertige Stand beinahe von einem Wolkenbruch weggespült wurde, lief das Fest etwas zögerlich an, aber am späteren Nachmittag, bei deutlich besserem Wetter, gingen dann auch Stimmung und Beteiligung deutlich nach oben.
Am Sonntag wars dann richtig sommerlich und entsprechend gut war der Besuch. Am BI-Stand gab es den ganzen Tag über Diskussionen in kleinen Gruppen zu allen möglichen Themen, aber ein Highlight war sicherlich die Diskussion mit Thomas Jühe, Bürgermeister und Vorsitzender der Fluglärm-Kommission, über die mögliche Weiterentwicklung im Konflikt um die Südumfliegung.Bei der Diskussion um die Südumfliegung war richtig was los.
Nachdem Thomas Jühe die aktuelle Situation kurz beschrieben hatte (siehe dazu einen älteren Kommentar, der im Kern nach wie vor gültig ist), drehte sich die Diskussion darum, welche Optionen möglich wären je nachdem, wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ausfällt.
Fluglärm-Kommission und DFS arbeiten an Vorschlägen, mit denen das Gericht überzeugt werden soll, den weiteren Betrieb der gewählten, allseits als "lärm-ärmsten" Variante eingeschätzten Route zuzulassen.
Für die BI steht im Mittelpunkt, dass das Dogma, wonach die Kapazitätsziele immer Vorrang vor Lärmschutz-Aspekten haben, politisch und juristisch gebrochen werden muss. Wenn der Betrieb des Flughafens nicht so organisiert werden kann, dass die Menschen der Region ohne gesundheitliche Schäden und sonstige Belastungen damit leben können, dann muss der Betrieb beschränkt werden, nicht die Lebensmöglichkeiten der Menschen.
Die Diskussion endete mit einem Appell an alle Anwesenden, sich aktiv am Widerstand gegen den weiteren Ausbau und die zunehmende Verlärmung der Region zu beteiligen. Zumindest zu diesem Zeitpunkt schienen alle damit einverstanden zu sein.
"Lufthansa fliegt jetzt deutlich leiser", teilt die Airline stolz in einer
Meldung mit. Grund dafür: "Experten von Lufthansa Technik rüsten in der kommenden Woche das 100. Flugzeug der Lufthansa A320-Flotte mit schallreduzierenden Wirbelgeneratoren aus". Und es wird bald noch leiser: "Insgesamt erhalten 157 Flugzeuge der Kurz- und Mittelstreckenflotte einen Wirbelgenerator. Werksneue Airbus-Flugzeuge werden schon seit Anfang 2014 mit der geräusch-reduzierenden Technik an Lufthansa ausgeliefert. Insgesamt fliegen künftig mehr als 200 Lufthansa-Jets deutlich leiser."
Zur Wirkung dieser Maßnahme erklärt Lufthansa, "... dass die Wirbelgeneratoren störende Töne beseitigen und den Gesamtschallpegel des Flugzeugs im Landeanflug deutlich reduzieren – um bis zu vier Dezibel bei Entfernungen zwischen 17 und zehn Kilometer zum Flughafen. Weiter entfernt vom Flughafen ist der Effekt nach Herstellerangaben noch größer". Lufthansa ist so stolz auf diese Maßnahme, dass man sich die Wirkung sogar auf ihrer Webseite anhören kann.
In der Meldung zur Einführung der Maßnahme im November 2014 erklärte Lufthansa: "Die Ein- und Umrüstung der A320-Flotte ist eine der umfangreichsten Maßnahmen zum aktiven Schallschutz, die Lufthansa bisher durchgeführt hat". Das glauben wir aufs Wort.
Ein "Wirbelgenerator" ist ein Stückchen Blech mit einem Materialwert von maximal 5 Euro; acht davon werden pro Flugzeug gebraucht. Montiert werden sie bei der Lufthansa inhouse, mit einem Zeitaufwand von maximal 5 Minuten/Stück. (Nähere Einzelheiten zu dem Gesamtprojekt findet man in unserer Doku.) Damit kann jede/r grob abschätzen, wie teuer diese Maßnahme für Lufthansa ist (maximal ein paar hundert Euro pro Flugzeug), und daraus auch schliessen, wieviel Geld Lufthansa sonst für den Schallschutz aufwendet (weniger als 100.000 Euro pro Jahr (?)). Wer's nicht glaubt, sollte sich den aktuellen Lufthansa-Flyer zum Lärmschutz ansehen. Ausser dieser Umrüstungsmaßnahme (und der Anschaffung neuer Flugzeuge, die zum normalen Geschäft gehört), findet man dort nur Maßnahmen, an denen Lufthansa praktisch kostenlos beteiligt ist, wie etwa die sog. "Lärmpausen".
Immerhin zeigt die Umrüstungs-Maßnahme eine gewisse Wirkung, wenn sie auch im Nahbereich (d.h. zum Beispiel über Raunheim) gegen Null geht, weil da die Stellung der Landeklappen den Heulton ebenso gut verhindert wie der "Wirbelgenerator". Ein umso grösserer Skandal ist es, dass diese Mini-Maßnahme bei den rund 3.000 weiteren Flugzeugen dieses Typs, die weltweit unterwegs sind, nicht umgesetzt wird, und Airbus auch die Neuauslieferungen nur auf besonderen Wunsch damit ausstattet.
Das gibt einen guten Eindruck davon, wie sehr die Luftfahrtindustrie dem Lärmschutz verpflichtet ist.
Auch Fraport hat es nicht leicht. Obwohl doch mit der Inbetriebnahme der neuen Bahn die Nachtflugbeschränkungen deutlich verschärft wurden, beschweren sich die Anwohner immer noch, sogar relativ mehr als vorher. Bei den Beschwerden über Flüge zwischen 23 und 5 Uhr sei die Quote (die Beschwerden pro Flugbewegung) von 3,9 im Jahr 2005 auf 52,2 im Jahr 2014 gestiegen. Die Menschen werden immer anspruchsvoller und egoistischer - oder sollte es daran liegen, dass jetzt noch wesentlich mehr Menschen betroffen sind und zwischen 23 und 5 Uhr eigentlich gar kein Flugzeug mehr fliegen sollte?
Die anderen Kapitel dieses Berichts sind von ähnlicher Qualität. Zwei Seiten über die tollen neuen Lärmpausen, zwei Seiten darüber, dass man ja eigentlich genehmigungsrechtlich noch viel mehr Krach machen dürfte (aber leider das Wachstum bisher weit unter den Prognosen geblieben ist) und immer wieder Sätze wie "Der Flughafen Frankfurt arbeitet seit 1970 kontinuierlich daran, die Fluglärmbelastung zu verringern" (klappt aber leider immer noch nicht). Manche dieser Floskeln sind so beliebt, dass sie auf 13 Text-Seiten gleich dreimal wiederholt werden.
Auch die statistischen Angaben sind eher dünn. Die Zahl der Flugbewegungen ist leicht rückläufig, der Lärm verteilt sich etwas anders als im Vorjahr, weil häufiger Ostbetrieb geflogen wurde. Letzteres führt dazu, dass die Dauerschallpegel an allen Messstationen im Westen angestiegen sind, während sie im Osten und Süden überwiegend gleichgeblieben und nur partiell gesunken sind. Am Wetter liegt das übrigens nur bedingt: während laut DFLD-Wetterstatistik der Anteil der Wetterlagen, bei denen Betriebsrichtung 07 geflogen werden muss (weil die Rückenwind-Komponente über 5 Knoten liegt), seit Jahren zwischen 15 und 20 % liegt, ist der Anteil von BR07 von 20% in der Periode 2013/14 auf 30% 2014/15 gestiegen. Aber dazu äussert sich Fraport natürlich nicht.
Insgesamt bleibt dieser Bericht deutlich hinter seinen Ansprüchen zurück. "Mit innovativen Maßnahmen hat Fraport die technologische Entwicklung stets vorangetrieben. Der vorliegende Bericht über Schallschutz dokumentiert die verschiedenen Verfahren und ihre Wirkung." Davon kann keine Rede sein. Weder dokumentiert er die Verfahren, die sich im Berichtszeitraum verändert haben (allen voran das geänderte Startverfahren der Lufthansa, aber auch geänderte Routenbelegungen wie z.B. bei der Südumfliegung usw.), noch weiss er auch nur das Geringste über konkrete Wirkungen zu sagen. Er bleibt ein dünnes Propaganda-Papierchen.
Der Kommentar zum "Testbetrieb" ...
Die PR-Leute im Verkehrsministerium haben es wirklich nicht leicht. Wenn politisch mal wieder eine Positiv-Meldung gebraucht wird, müssen sie liefern, auch wenn beim besten Willen keine positive Entwicklung zu finden ist. Ihr jüngster Versuch in dieser Übung ist die
Pressemitteilung zum ersten Monat des Testbetriebs der "Lärmpausen" am Flughafen. „Das Lärmpausenmodell am Frankfurter Flughafen hat sich auf Anhieb als praktikabel erwiesen“, lassen sie den Minister schwärmen, und "Die Lärmpausen funktionieren verlässlich".
Das ist also ein Erfolg? Der Flughafenausbau wurde ja angeblich vorgenommen, um 126 Flugbewegungen (Starts und Landungen) pro Stunde umsetzen zu können, also ca. 31 pro Bahn. In den beiden "Lärmpausen"-Stunden gab es im Mai insgesamt immer deutlich weniger als 100 Flugbewegungen, und es stehen 3 Bahnen zur Verfügung, also höchstens 17 pro Bahn. Um das Modell bei diesem Puffer in den Sand zu setzen, müsste man sich schon ziemlich anstrengen.
Zu den Wirkungen der "Lärmpausen" lässt sich Al-Wazir so zitieren: "Ich bin zuversichtlich, dass das jetzt angelaufene Lärmmonitoring durch das FFR zeigen wird, dass sich die Lärmpausen auch in den Messwerten widerspiegeln. Verlässliche Daten kann man seriös aber erst nach ausreichender Zeit des Probebetriebs erwarten.“. Warum kann man Belegungszahlen schon nach einem Monat auswerten und feiern, Lärmmesswerte aber nicht? Sollte das daran liegen, dass diese Messwerte nichts zu feiern hergeben?
So sah die Situation am 21.5. um 16:39 Uhr aus:
Die B747 startete in ca. 800 m Höhe über der Südbahn durch, während die B767 mit qualmenden Bremsen auf der Centerbahn stehen blieb.
(Für Gesamtdarstellung Grafik anklicken)
Am Donnerstag, den 21. Mai, kam es am Nachmittag mal wieder zu einer Situation, wie sie seit Eröffnung der Nordwestbahn und der Einführung der damit geänderten Flugverfahren schon öfter vorgekommen ist. Wie der Aviation Herald berichtet, musste eine aus Moskau kommende B747-400 Frachtmaschine auf der Südbahn durchstarten. Der Fluglotse wies die gleichzeitig auf der Centerbahn startende B767-300 Passagiermaschine nach Kanada an, den Start abzubrechen, was der Pilot trotz fast erreichter Startgeschwindigkeit auch tat. Die Konsequenzen waren heftig: da die Bremsen eines Flugzeugs nicht dafür ausgelegt sind, eine vollbeladene Maschine bei annähernder Startgeschwindigkeit schnell zum Stehen zu bringen, musste die Flughafen-Feuerwehr in einem Notfalleinsatz die heiss gewordenen Bremsen kühlen. Anschliessend musste die Maschine zur Reparatur, um Reifen und Bremsen auszutauschen und das Fahrwerk zu überprüfen. Die Passagiere wurden erst am folgenden Tag mit einer anderen Maschine ans Ziel gebracht.
Auch wenn es hier nicht zu einer "gefährlichen Annäherung" kommen konnte, weil die 767 gar nicht erst abgehoben hat, ist das Problem doch das gleiche wie in früheren Fällen. Da wegen des "unabhängigen Betriebs" auf der Nordwestbahn die auf der Centerbahn startenden Maschinen nicht ohne Weiteres nach Norden abdrehen dürfen, sollte wegen der Gefahr des Durchstartens bei Landungen auf der Südbahn die Centerbahn eigentlich während Annäherung und Landung gesperrt sein (die sog. "Tabuzone"). Faktisch wird diese Regelung offenkundig häufig nicht eingehalten - was im Ernstfall eben dazu führt, dass es beim Durchstarten dann doch zu kritischen Situationen kommt. Die durchstartende Maschine nach Süden ausweichen zu lassen, wäre wegen des gleichzeitigen Starts auf der Startbahn West auch keine gute Lösung gewesen.
Abgesehen von der allgemeinen Sicherheitsproblematik steckt in diesen Fällen für Raunheim noch ein besonderes Problem. Wenn sich nämlich die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass die derzeit praktizierten Verfahren nicht sicher zu handhaben sind, könnte sich ein starker Druck dafür entwickeln, doch noch die vermeintlich sichere und einfache Lösung zu wählen und die Starts von der Centerbahn geradeaus zu führen - direkt über Raunheim. Das Bundesverwaltungsgericht wird demnächst darüber entscheiden, denn dort steht die Klage zur Südumfliegung an.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders bedenklich, dass die DFS offenbar erst zu Jahresanfang eine neue Prozedur eingeführt hat, die eigentlich genau das verhindern soll, was hier passiert ist. Wie die Zeitschrift der
Gewerkschaft der Flugsicherung in der Ausgabe 03/2015 auf S.41 kommentarlos berichtet, teilt die DFS ihren Kunden mit, dass ab 19. Februar 2015 die erwähnte "Tabuzone" auf 6 Nautische Meilen erweitert wird und damit eine Empfehlung umgesetzt werden soll, die aufgrund vorangegangener Vorkommnisse zur Erhöhung der Sicherheit notwendig wurde. Offensichtlich hat es nicht geholfen. Aber je mehr die DFS hier pfuscht, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht die ganze Konstruktion kassiert. Damit stünde dann aber wieder die Frage verschärft im Raum: Kapazitätserweiterung auch dann, wenn die Verlärmung der Region noch unerträglicher und Raunheim unbewohnbar wird - oder doch ein Abschied vom Wachstumswahn ?
Update 15.07.15:
Ein Zusammenhang läst sich zwar nicht nachweisen, aber es fällt doch auf, dass die Bundesanstalt für Flugunfalluntersuchungen (BfU) am 25. Juni 2015 (nach fast 10jähriger Untersuchungszeit!) zwei Berichte über "schwere Störungen" am Flughafen Frankfurt veröffentlicht hat, die sich am 30.9. bzw. 5.11.2005 ereignet hatten.
Im ersten Fall wurde eine B737 mit 95 Personen an Bord, im zweiten Fall ein nur mit zwei Piloten besetzter A320 im Landeanflug aus Richtung Osten unerwartet um die Längsachse gedreht. Beide waren wohl in die Wirbelschleppe einer jeweils vorausfliegenden B747 geraten. Beide konnten, nachdem der Pilot das Flugzeug wieder stabilisiert hatte, problemlos landen.
Mehrere Aspekte sind hier von Interesse. Zum einen bedeutet die Einstufung der beiden Vorfälle als "schwere Störung" durch die BfU definitionsgemäß, dass die "Umstände darauf hindeuten, daß sich beinahe ein Unfall ereignet hätte". Andererseits wurden aus den Ergebnissen der Untersuchung anscheinend keine Sicherheitsempfehlungen abgeleitet, obwohl die "nach Möglichkeit" im Bericht enthalten sein sollten. Stattdessen erfährt man nur etwas verklausuliert, dass die von der ICAO empfohlenen Mindestabstände für Wirbelschleppen-Staffelungen in beiden Fällen eingehalten wurden - jede Empfehlung hätte also dieses eherne Gesetz in Frage stellen müssen.
Mit der aktuellen Problematik sind diese Vorfälle nur bedingt vergleichbar, weil sie sich lange vor Inbetriebnahme der Nordwestbahn und den damit verbundenen Änderungen der Flugverfahren abspielten. Allerdings sind auch bei Fehlanflügen auf die Südbahn und gleichzeitigen Starts auf der Centerbahn die Wirbelschleppen-Staffelungen ein Problem, wie aus dem Bericht über eine andere schwere Störung dieser Art im Dezember 2011 hervorgeht. Dem kann man entnehmen, dass die o.a. "Tabuzone" "als Mindestvoraussetzung anzusehen [ist], um ggf. die erforderliche Radar- bzw. Wirbelschleppenstaffelung schnellstmöglich herstellen zu können."
Die ist also nun seit Februar 6 Nautische Meilen lang. Würde sie damit ausreichend Sicherheit schaffen, wenn sie denn beachtet würde? Man darf daran zweifeln, wenn man im Bericht über den Vorfall im September 2005, bei dem die B737 ziemlich durchgeschüttelt wurde (immerhin eine Drehung um die Längsachse um fast 90° innerhalb von 10 Sekunden), liest: "Zum Zeitpunkt der Bildung der ... Wirbelschleppe des vorausfliegenden Flugzeuges (B747), betrug der Abstand zum folgenden Flugzeug (B737) etwa 6 NM.". Wenn man sich also nun vorstellt, dass eine leichte Maschine durchstartet und hinter einer schweren herfliegt, die gerade mit 6 NM Abstand vor ihr gestartet ist, und vielleicht gerade die richtige Höhendifferenz hat, dann kann es ihr durchaus so gehen wie der B737 im obigen Beispiel. Und da das Durchstarten laut BfU generell eine "kritische Flugphase" darstellt, wäre sie damit in einer doppelt kritischen Situation. Sieht so Sicherheit aus?
Eigentlich eine klassische Westwetterlage. Warum zwischen 9:00 und 12:00 Uhr Betriebsrichtung 07 geflogen wurde, weiss wohl nur die DFS ...
Am 26.05.2015 wurden gegen 11:20 Uhr in der Flörsheimer Austrasse ca. 30 Ziegel durch eine Wirbelschleppe vom Dach gerissen. Der Hausbewohner, der erst kurz vorher ins Haus gegangen war, blieb nur durch Zufall von Schäden verschont. Der Hund, der im Garten geblieben war, ist seither völlig verstört und verlässt das Haus nicht mehr. Ein Bericht auf RTL gibt einen Eindruck von den Wirkungen, die das Ereignis bei Betroffenen hinterlassen hat.
Die Bilder zeigen, dass auf beiden Hausseiten erhebliche Gefahr bestanden hat, dass Personen verletzt werden können: es traf den Weg vor dem Hauseingang und den Bürgersteig an der Strasse. Das steht in krassem Widerspruch zu der Aussage, die der Verwaltungsgerichtshof Kassel in seiner
Mitteilung zur Ablehnung der Klage der Stadt Flörsheim gegen den Flughafenausbau verkündet hat:
"Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass Wirbelschleppen am Boden Leben und Gesundheit von Personen direkt gefährden, seien nach dem aktuellen Erkenntnisstand in der Wissenschaft nicht festzustellen." Dieser Erkenntnisstand hinkt der Realität wohl deutlich hinterher.
Den Verursacher des Schadens festzumachen, ist wie meist nicht ganz einfach, da die vorhandenen Daten ungenau sind. Geht man aber davon aus, dass die Wirbelschleppe von einem Flugzeugtyp der Kategorie "Heavy" erzeugt worden sein muss, weil sie andernfalls den relativ grossen Seitenabstand von ca. 700 Metern bis zum beschädigten Haus nicht hätte überwinden können, kommt nur eine Boeing 777-300ER der Canadian Airlines in Frage.
Interessant ist aber wieder einmal die Frage, wieso dieser Überflug überhaupt stattfinden konnte. Nach den offiziellen METAR-Winddaten, nach denen sich die DFS nach eigenen Angaben bei der Betriebsrichtungswahl hauptsächlich richtet (und die von
windfinder.com nur grafisch hübsch aufbereitet werden, s. Grafik rechts), hatten wir den gesamten Tag über eine stabile Westwetterlage. Warum trotzdem zwischen 9:00 und 12:00 Uhr Betriebsrichtung 07 und damit Anflug über Flörsheim (und Raunheim) geflogen wurde, bedürfte schon einer besonderen Begründung.
Das Rüsselsheimer Echo hat bei der DFS nachgefragt und zu hören bekommen, es habe "sehr schwierige weil instabile Windverhältnisse am Flughafen" gegeben, und "Änderungen zwischen nordwestlichem und nordöstlichem Wind hätten die Entscheidung für die Betriebsrichtung schwierig gemacht". Der Deutsche Wetterdienst hat davon aber auch nichts mitbekommen, denn er teilte dem Echo mit, dass "am Frankfurter Flughafen zwischen 10 und 12 Uhr sowohl am Boden wie auch in höheren Luftschichten über 1500 Meter ein stabiler Wind aus Richtung Nordwest" herrschte. Was wohl die DFS hier wieder veranlasst, ihre Glaubwürdigkeit so aufs Spiel zu setzen?
Der Vorfall war für die Main-Spitze Anlass für eine Nachfrage bei Fraport nach dem Stand der Umsetzung des Dachsicherungsprogramms. Ergebnis ist, dass für 1.941 der rund 6.000 zu sichernden Dächern (also ca. 1/3) Anträge eingegangen sind, 824 Dächer (ca. 14%) sind bisher gesichert. Fazit der Main-Spitze: "Die Umsetzung des Programms wird sich vermutlich noch Jahre hinziehen". Ob man angesichts dieser Zahlen "von einer schnellen und deutlichen Verringerung des Gefahrenpotenzials" ausgehen kann, wie das der Hessische Verwaltungsgerichtshof in der Ablehnung eines Eilantrags der Stadt Flörsheim im Juli 2013 getan hat? Aber inzwischen will er davon wohl auch nichts mehr wissen; zumindest ist in der aktuellen Entscheidung davon nicht mehr die Rede.
In der Berichterstattung der meisten Medien ging es fast unter: die Fluglärmkommission hat sich in ihrer letzten Sitzung nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit Fluglärm-Themen befasst.
Als erstes war darunter eine Zumutung des Ministeriums: die unsägliche Mini-"Lärmpause" DROps Early Morning, die bei Einführung der Al-Wazir-Pausen ausgesetzt worden war, soll wieder eingeführt werden. Die FLK hat diesem Unsinn zugestimmt, und die stellvertretende Vorsitzende, Al-Wazirs Parteifreundin Eder, begrüsst in der Pressemitteilung sogar, dass "nach den positiven Erfahrungen der vergangenen Jahre ... das bisherige DROps-Konzept in der morgendlichen Nachtrandstunde ab um 5:00 Uhr nun zumindest bei Betriebsrichtung 07 doch weiter fortgesetzt wird". Man muss wohl davon ausgehen, dass Frau Eder nicht so genau weiß, wovon sie hier redet; als Umweltdezernentin von Mainz muss sie das ja auch nicht. "... zumindest bei Betriebsrichtung 07 ... fortgesetzt" ist schon deshalb eine seltsame Formulierung, weil bei Betriebsrichtung 25 "Early Morning" das gleiche beinhaltet wie "Al-Wazir": Stillegung der 18 West, alle Starts Richtung Westen. Das wird nun wieder ergänzt dadurch, dass bei BR07 alle Starts über die 18 West rausgehen. Für die Menschen im Süden bedeutet das: abhängig von der Windrichtung entweder Ruhe oder die volle Dröhnung. Damit das aber auch nicht wirklich eindeutig ist, wird "Early Morning" weiterhin nur an ungeraden Tagen geflogen! Wie sagt Frau Eder doch so richtig in der gleichen PE: "Für die Betroffenen ist es ... besonders wichtig, dass die Anwendung der Lärmpausen vorhersehbar ist und verlässlich umgesetzt wird".
Warum läßt sich jemand, der sonst eigentlich nicht durch mangelnde Intelligenz auffällt, zu so dämlichen Aussagen hinreissen? Die Erklärung heißt wohl: Partei-Solidarität. Parteifreund Al-Wazir muss irgendwie dafür sorgen, dass der schwarz-grünen "Allianz für Lärmschutz" keine Schutzmaßnahme verloren geht, also muss "DROps Early Morning" gerettet werden, sonst fehlt eine Maßnahme in der Erfolgsbilanz. Nach dem eigentlichen Sinn zu fragen, verbietet sich dabei.
Weiterhin wurden in der Sitzung auch noch zwei Monitoring-Konzepte vorgestellt: eines für die Lärmpausen und eines für die Startverfahren
Ersteres beinhaltet neben dem Versprechen, nun tatsächlich auch die Veränderung der Dauerschallpegel betrachten zu wollen, auch ein "Wahrnehmungs- & Wirkungsmonitoring", für das "qualitative Fokusgruppen" gebildet werden sollen - man darf gespannt sein, sollte die Erwartungen aber nicht zu hoch schrauben.
Zum Zweiten, auch als "Monitoringkonzept Cutback" bezeichnet, wird in der Präsentation nur mitgeteilt, dass Fraport zusätzliche Daten bereit gestellt habe, die auch nur bestätigen, was man vorher schon wußte: man kann keine Unterschiede messen, weil man an den entscheidenden Stellen keine Messgeräte hat. Diese Nicht-Messung soll aber intensiv fortgesetzt werden.
Verantwortlich für beide Verfahren ist das Umwelthaus - die gewohnte Qualität dürfte also garantiert sein.
In der Sitzung am 20.05.2015 wurden die schon früher angekündigten Pläne zur Umstrukturierung der Fluglärmkommission Frankfurt im Detail vorgestellt. Wie zu erwarten, waren die Landkreise, denen das Stimmrecht entzogen werden soll, mit dieser Änderung nicht einverstanden. Bereits im Vorfeld der Sitzung hatte es heftige Diskussionen gegeben, was den Vorsitzenden der Kommission, Raunheims Bürgermeister Thomas Jühe, zu einer Persönlichen Erklärung veranlasste, der er auch noch einen besonders dümmlichen Presse-Kommentar beigefügt hat. In der
Pressemitteilung zu den Ergebnissen der Sitzung kann er es sich ausserdem nicht verkneifen, das Bündnis der Bürgerinitiativen abzuwatschen, das seinerseits in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen hatte, dass sich der Flughafenverband ADV in einem
Positionspapier "genau für die Art der Neuorganisation der Fluglärmkommissionen ausgesprochen" habe, die jetzt zur Diskussion steht.
Im Kern geht es dabei um die Frage, wer vom Fluglärm so betroffen ist, dass er bei Entscheidungen über Maßnahmen zur Lärmreduzierung zumindest gehört werden sollte. Mehr bedeutet das Stimmrecht in der Fluglärmkommission letztendlich nicht, denn sie hat nur beratende Funktion, keine Entscheidungskompetenzen, auch wenn ihre Stimme durchaus Gewicht hat. Und hier gibt es in der Tat einen Konflikt, den der ADV verdeutlicht, wenn er in seinem Papier formuliert: "Der Schutz vor jeglichem Fluglärm, egal wie niedrig der Pegel auch immer ist, führt nicht zu sinnvollen und effektiven Maßnahmen" und weiter "Neue Maßnahmen zur Lärmminderung ... dürfen nicht durch Proteste einer Mehrheit der weniger betroffenen Bevölkerung diskreditiert werden". Dahinter steht natürlich das Bestreben, die Zahl derjenigen, auf die beim erhofften Wachstum des Luftverkehrs Rücksicht genommen werden muss, möglichst klein zu halten.
Die (derzeitigen) FLK-Mitglieder werden bis zur nächsten Sitzung an den Kriterien arbeiten müssen, nach denen die Mitgliedschaft künftig festgelegt werden soll, was sicherlich keine einfache Aufgabe ist. Vorsorglich hat das Ministerium aber schon mal daran erinnert, wie es dann weitergeht: "HMWEVL wird als zuständige Genehmigungsbehörde dann mit dem FLK Vorstand über die Neuordnung beraten, ob nach Auswertung
der Argumente ggf. Justierungen am Gesamtkonzept oder an der Zuordnung einzelner Akteure erfolgen sollten" - und im Zweifelsfall allein entscheiden, denn die FLK berät ja nur.
Von den 2.445 hessischen Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, versenden 465 (19%) Luftfracht.
Davon sehen nur 98 Unternehmen (4%) Auswirkungen des Nachtflugverbots.
Wer die Auseinandersetzung um den aktuellen Ausbauschritt des Frankfurter Flughafens mitverfolgt hat, wird sich erinnern: unter Bruch aller vorher gegebenen Versprechungen versuchte die damalige CDU/FDP-Landesregierung unter Roland Koch, die in der Mediation vereinbarten Nachtflug-Beschränkungen zu beseitigen und durchschnittlich 17 Flüge in der Zeit von 23:00-05:00 Uhr durchzusetzen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht dieses Ansinnen zurückgewiesen hatte, prophezeiten Landesregierung, Luftverkehrswirtschaft und Unternehmerverbände den Zusammenbruch mindestens der hessischen, wenn nicht der gesamtdeutschen Wirtschaft.
Nach nunmehr dreieinhalb Jahren nach Einführung der Betriebsbeschränkungen in der "Mediationsnacht" haben die hessischen Industrie- und Handelskammern zusammen mit dem Verkehrsministerium eine
Umfrage
durchgeführt, in der u.a. auch danach gefragt wurde, inwieweit diese Beschränkungen die Tätigkeit hessischer Unternehmen beeinträchtigen. Das Ergebnis ist eindeutig.
Nur etwa ein Fünftel der Unternehmen, die "den Flughafen nutzen und Luftfracht versenden", fühlen sich beeinträchtigt, die grosse Mehrheit von fast 80% hat damit kein Problem (s. Grafik). An anderer Stelle im Text der Zusammenfassung der Umfrageergebnisse wird erwähnt, dass 171 Unternehmen "den Flughafen nutzen und vom Nachtflugverbot eingeschränkt sind", bezogen auf die Gesamtzahl der an der Umfrage beteiligten Unternehmen wären das 7%.
Ganz im Gegensatz zum Gejammer der Luftverkehrs-Lobbyisten und der Spitze der hessischen Unternehmerverbände hat die grosse Mehrheit der Unternehmen also offenbar kein Problem mit diesen Betriebsbeschränkungen, und man darf wohl davon ausgehen, dass auch ein echtes Nachtflugverbot von 22:00 - 6:00 Uhr nicht zum Ruin der deutschen Wirtschaft führen würde.
Diese Umfrage bestätigt auch frühere, allgemeinere Ergebnisse. So hat der von der Frankfurter Sparkasse als "Wirtschaftstrend-Report für das Rhein-Main-Gebiet" bezeichnete Rhein-Main-Kompass schon im November 2013 festgestellt, dass eine knappe Mehrheit der Unternehmen (51%) den Flughafenausbau für "unwichtig" oder "verzichtbar" hält, während nur 9% ihn für "unerlässlich" halten.
Im Februar 2015 gaben sogar nur 3% an, dass sie den größten Investitionsbedarf in der Verkehrsinfrastruktur im Luftverkehr sehen.
Kapazitätsprobleme am Flughafen sind also ganz offensichtlich keine große Sorge für die lokale Wirtschaft.
Veränderung des Dauerschallpegels durch die "Lärmpause" am Morgen.
Durch die Verlagerung aller Starts von der Startbahn West auf die Südbahn wird es im Süden leiser, im Westen lauter, aber (angeblich) nur unmittelbar vor der Bahn und auf Königstädten und Nauheim zu.
Warum es ab Raunheim nach Westen lauter werden soll, ist nicht zu verstehen. Wurde da ein spezieller Nordabflug gerechnet, der anfangs super-leise ist?
(für Gesamt-Bild Grafik anklicken)
Im Vorfeld der nächsten Sitzung der Fluglärmkommission hat die "Gemeinsame FFR-FLK AG Lärmberechnung-Lärmpausen" eine erweiterte Version des Kompendiums vorgelegt, in dem die Resultate der Berechnungen dargestellt sind, die eine Bewertung der Lärmwirkungen der fünf Lärmpausenmodelle ermöglichen sollen. In der Tagesordnung ist allerdings eine Diskussion dieses Machwerks nicht explizit vorgesehen, obwohl das bitter nötig wäre.
Neu ist vor allem ein Resultat, dass insofern spannend sein könnte, weil es eine Aussage darüber erlauben müsste, ob die "Lärmpausen" die Lärmbelastung der Region insgesamt reduzieren oder steigern: die Veränderung des Dauerschallpegels. Vielleicht deshalb wird das Ergebnis in einer Form präsentiert, die nur Fragen aufwirft. Dass nur ein Resultat für Modell 4 bei Westbetrieb präsentiert wird, ist angesichts der bereits getroffenen Entscheidung ja vielleicht noch verständlich, auch wenn es natürlich schon interessant wäre zu erfahren, ob das wirklich die beste Wahl war.
Für diesen gewählten Fall werden aber auch nur zwei Grafiken präsentiert und mit wenigen Worten kommentiert (S. 40/41). Die Kommentare beschränken sich auf Selbstverständlichkeiten (wenn man die Anflüge von der Süd- auf die Centerbahn verlegt, verschiebt sich der Lärm nach Norden, u.ä.). Die eigentlichen Merkwürdigkeiten bleiben unkommentiert. So zeigt der nebenstehende Grafik-Ausschnitt für die "Morgenrandstunde" (MRS, 5:00 - 6:00 Uhr) einen gleichbleibenden Pegel für den Raunheimer Süden, obwohl die Abflüge von der Startbahn West jetzt über die Südbahn rausgehen. Dafür gibt es eine Zunahme um 1 - 3 dB(A) im Raunheimer Westen und weiter zwischen Flörsheim und Rüsselsheim den Main entlang, die sicher einer Erklärung bedürfte.
Die eigentlich versprochene Aussage über "die Zahl der Personen, die um 5 bzw. 10 dB(A) entlastet/belastet werden" (S. 16, Abb. 4) erhält man mit dieser Darstellung jedenfalls nicht.
Die anderen Ergebnisse sind auch nicht aussagekräftiger und zum Teil ähnlich merkwürdig. Sieht man sich zunächst an, was seit Einführung der "Lärmpausen" wirklich passiert ist, kann man aus der Statistik lernen, dass jetzt 6-7 Flugzeuge in der "Morgenrandstunde" über die Südbahn auf Raunheim zu starten, während es vorher 1-2 über die Centerbahn waren. Eine typische Lärmkurve zeigt den Effekt: 6-7 Lärmereignisse über 60 dB(A) in Raunheim-Süd. Demnach würde man erwarten, dass ganz Raunheim vorher eine "rechnerische Lärmpause" (rLP) hatte (mit weniger als 6 Starts auf der Centerbahn; keine Lärmpause hat man erst mit ≥ 6 x 58db(A)) und nun zumindest der Raunheimer Süden keine mehr hat.
Und was sagen die Rechnungen? Das Kompendium besteht zu mehr als der Hälfte (98 von 188 Seiten) aus einem riesigen Zahlenfriedhof, der unmöglich zu lesen ist, weil man z.T. über ein Dutzend Seiten blättern muss, um zu einem Tabelleneintrag die richtige Spaltenbeschriftung zu finden. Wir haben daher die für Raunheim relevanten Ergebnisse in einem Überblick zusammengefast. Da lernt man aus der ersten Tabelle (4.1), dass in Raunheim morgens auch vorher schon 1.800 Personen keine Lärmpause hatten (wieso?) und auch keine bekommen (das ist die Aussage der 2. Spalte), und jetzt 1.200 Personen zusätzlich keine mehr haben, was einen Negativ-Saldo von 1.200 und 3.000 Leute ohne Lärmpause ergibt. (Doch, das steht da alles, man muss es nur richtig interpretieren.) Nur 20% der Bevölkerung dürfen sich also von den morgendlichen Starts gestört fühlen.
Unter diesen ≥6 Starts ist allerdings im Mittel einer, der Menschen in Raunheim mit ≥68 dB(A) beschallt, wie die zweite Tabelle (4.2, Tab. 26) aussagt. Auch hier wüsste man allerdings gerne genauer, warum vorher 300 Leute davon betroffen gewesen sein sollen, während es jetzt, wo alle Starts Richtung Raunheim erfolgen (wenn auch von der Süd- statt der Centerbahn), angeblich nur noch 200 sind.
Aus den beiden letzten Tabellen lernt man dann noch, dass vorher (statistisch gesehen) 800 Personen 700mal zwischen 5:00 - 6:00 Uhr durch Lärm aufgewacht sind, während es künftig 1.700 Personen sein werden, die 1.400mal aufwachen (oder, grob umgerechnet, an 5 von 6 "Lärmpausen"-Tagen durch Flugzeuge statt Wecker geweckt werden).
Also alles Blödsinn? Nicht ganz. Auch wenn die statistischen Ergebnisse im Detail eher kuriose Aussagen liefern, werden doch in der grossen Zahl (nur dafür taugt Statistik) Trends deutlich. So muss selbst dieses Kompendium in der Zusammenfassung festhalten, dass den von Minister Al-Wazir gefeierten netto 40.000 Personen, die eine zusätzliche "rechnerische Lärmpause" erhalten, im Gesamtgebiet ein "mittlerer Anstieg der Aufwachreaktionen" und sogar ein "mittlerer Anstieg der Aufwachreaktionen der Hochbetroffenen" gegenüber steht. Im Klartext: punktuellen Entlastungen für wenige steht sehr wahrscheinlich eine Steigerung der Gesamtbelastung der Region gegenüber.
Die Parameter, mit denen man das eindeutig nachweisen könnte, werden im "Kompendium" allerdings nur sehr diffus oder gleich garnicht behandelt.
Und damit wären wir beim politischen Hintergrund dieser Bewertung. Wenn man von einem grünen Minister etwas hätte erwarten dürfen, dann doch wohl, dass er, wenn er die Sache selbst schon nicht verbessern kann, wenigstens die Sachverhalte ehrlicher kommuniziert als seine Vorgänger. Wie es scheint, ist das Gegenteil der Fall.
Nur der Vollständigkeit halber ist zu berichten, dass der VGH auch die beiden letzten offenen Punkte der Flörsheimer Klage gegen den Bau der Nordwestbahn vom Tisch gewischt hat. In einer Pressemitteilung erklärt er, dass er auch dazu keinen Korrekturbedarf sieht. Alle anderen Punkte hatte er ja schon sechs Wochen vorher in einem "kurzen Prozess" ohne mündliche Anhörung für erledigt erklärt (siehe weiter unten auf dieser Seite). Auch für Spekulationen, dass das Urteil (das wohl erst in einigen Tagen veröffentlicht wird) wenigstens noch einige Klarstellungen bzgl. der Kostentragungspflicht der Fraport bei der Dachsicherung gegen Wirbelschleppenschäden enthalten könnte, liefert die PM keinen Anlass.
Ganz abgeschlossen ist der Vorgang damit aber immer noch nicht. Die Stadt Flörsheim hat gegen die Nichtzulassung der Revision gegen den ersten Teilbeschluss Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt und wird das wohl auch hier tun. Sollte sie damit Erfolg haben, steht noch eine weitere Runde an, entweder vor dem Bundesgericht in Leipzig oder erneut (mit BVerwG-Auflagen) in Kassel.
Im Vorfeld der diesjährigen Klimakonferenzen in Bonn und Paris werden auch die Klimaschädigungen durch den Luftverkehr wieder Thema. In den letzten Tagen berichteten u.a. der Spiegel, die taz und der Deutschlandfunk über eine von mehreren DLR-Instituten erstellte Studie mit dem Titel "Die Einbeziehung des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle (AviClim)". Dabei gelingt es den Medien allerdings kaum, deutlich zu machen, was das Neue an dieser Studie ist und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen wären.
Dies ist allerdings nicht erstaunlich, da auch die DLR selbst in drei verschiedenen, gleichzeitig veröffentlichten Zusammenfassungen (die Nachricht im DLR-Portal, die als Kurzfassung veröffentlichte deutsche Zusammenfassung und das nur im Abschlussbericht enthaltene englische Extended Abstract) unterschiedliche Schwerpunkte setzt.
Um diese Studie zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass es sich hier um Auftragsforschung für die Bundesregierung handelt. Der Zweck ist auf einem Poster des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das diese Arbeit finanziert, klar beschrieben: "Die AviClim-Ergebnisse werden ein wichtiger Input für die politischen Gespräche auf der Ebene der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation (ICAO), des UNFCCC und der EU sein". Die Bundesregierung braucht diese Resultate, um ihre Verhandlungsposition zu untermauern. Worin besteht die?
Zumindest diese Botschaft ist in allen Papieren klar kommuniziert. Das einzig realistische Instrument zur Einbeziehung des Luftverkehrs ist eine Form des Emissionshandels, weil damit "ein signifikanter Klimaschutz mit einem moderat bremsenden Einfluss auf die Luftverkehrsnachfrage
möglich" ist. Alle anderen Instrumente, insbesondere "die Klimasteuer würde den Luftverkehr überproportional belasten, was deutlich steigende Preise und einen dadurch deutlich bremsenden Einfluss auf die Luftverkehrsnachfrage nach sich" ziehen würde.
Neue Steuern, Abgaben auf Stickoxid oder andere klimaschädigende Substanzen oder ähnliches sind Teufelswerk und müssen wissenschaftlich liquidiert werden. Klimaschutz durch einen "bremsenden Einfluss auf die Luftverkehrsnachfrage" ist das Letzte, was diese Regierung möchte. Dann schon lieber der bekannte Ablasshandel, bei dem "kostengünstige Vermeidungsmaßnahmen in anderen Wirtschaftssektoren angerechnet werden können" und die "ökologischen Effekte ganz überwiegend durch Zukäufe von Emissionsrechten von stationären Sektoren, also nicht durch Reduktionsleistungen des Luftverkehrs selbst erzielt werden".
Damit kommt man aber auch den wirklich interessanten Aussagen dieser Studie näher. Die gibt es, auch wenn ca. 150 der 190 Seiten Ergebnisse ökonomischer Simulationen abhandeln, die auf haarsträubenden Annahmen basieren.
Die physikalischen Simulationen, die den ökonomischen Spielchen zugrunde liegen, bestätigen offenbar, dass der Gesamt-Klimaeffekt des globalen Luftverkehrs etwa dreimal so groß ist wie der Effekt des CO2-Ausstosses der Flugzeuge allein. Der Anteil des Luftverkehrs an der globalen Erwärmung liegt also nicht bei 1,6, sondern bei knapp 5%. Weiterhin ergeben die Emissions-Szenarien, dass die in den Prognosen und Selbstverpflichtungen der Luftverkehrswirtschaft enthaltenen Verpflichtungen auf Reduktionsziele 2030 oder 2050 mit den absehbar vorhandenen Technologien schlichtweg nicht erreichbar, also leere Versprechungen sind.
Letztendlich belegt die Studie damit, was sie eigentlich so hartnäckig zu leugnen versucht: ohne einen "bremsenden Einfluss auf die Luftverkehrsnachfrage" sind Luftverkehr und Klimaschutz unvereinbar.
Die ICAO braucht übrigens bezüglich der Hauptaussage dieser Studie nicht mehr überzeugt zu werden. Sie hat gerade eine globale Dialogrunde mit ihren Mitgliedsstaaten beendet, in der ebenfalls einvernehmlich festgestellt wurde, dass nur der globale Ablasshandel mit dem weiteren Wachstum des Flugverkehrs und den notwendigen Profiten vereinbar ist. Allerdings hat sie dabei auch gleich den schüchternen Erweiterungsvorschlägen, wie etwa der Einbeziehung der sonstigen klimawirksamen Emissionen über CO2 hinaus, eine klare Absage erteilt.
Als Tarek & Volker, die Pausenclowns im Ausbau-Circus, haben Ministerpräsident Bouffier und Vize-Ministerpräsident, Wirtschafts- und Verkehrsminister Al-Wazir schon hessische Geschichte gemacht. Dreister ist die Bevölkerung noch selten veralbert worden, obwohl es auch unter den Vorgängern einige bemerkenswerte Ansätze gab. Aber aller Welt von siebenstündigen Lärmpausen zu erzählen und dann ein Modell einzuführen, bei dem nur bei einer Betriebsrichtung überhaupt etwas passiert, dabei abends nur ein kleiner Bereich (die südlichen Teile Frankfurts) tatsächlich weniger Lärm hat und die Südbahn-Anlieger (Neu-Isenburg, Offenbach) den doppelten Lärm abbekommen, während morgens der Landelärm ein paar hundert Meter (von der Süd- auf die Centerbahn) und der Startlärm von der Startbahn West auf die Südbahn (u.a. zu Lasten Raunheims) verschoben wird - das ist schon ein bemerkenswertes Stück Demagogie.
In den Propaganda-Pamphleten des Ministeriums ist von netto 40.000 Menschen abends und 1.000 morgens die Rede, die eine "zusätzliche Lärmpause" bekämen. Das wird selbst in konservativen Medien kritisch gesehen, aber die dreistesten Lügen werden dort nicht angeprangert.
"Lärmpause" heisst nicht Ruhe: 6 Einzelschall-Ereignisse mit 58 dB(A) aussen sind in dieser Stunde zulässig, das soll laut Ministerium innen "sechs einzelnen Anschlägen auf einer Computertastatur" entsprechen. Die Betroffenen wissen das besser.
Die übelste Lüge liegt aber darin, dass die Gesamtwirkung der Massnahme nur danach betrachtet wird, wieviele Menschen eine solche "Lärmpause" gewinnen oder verlieren. Wenn also abends der gesamte Landelärm auf die Südbahn gepackt wird, dann gelten als dadurch zusätzlich Belastete nur diejenigen, die (in den Randbereichen) vorher eine "rechnerische Lärmpause" hatten. Die Hauptbetroffenen unter der Bahn, die auch vorher schon genug Lärm hatten und nun den doppelten Krach erdulden müssen, gelten nicht als zusätzlich belastet!
(Auch in Raunheim gibt es trotz erhöhten Startlärms morgens keine "zusätzlich Belasteten".)
Da daran nun wirklich nichts Witziges ist und hier gesundheitliche Belastungen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen umverteilt werden, scheint uns der Begriff "Giftküche" für diese Aktivitäten treffender. Aus Anlass der geplanten Einführung dieser Lärmpausen haben wir daher eine neue Würdigung verfasst. Sie soll auch deutlich machen, dass der Grüne Al-Wazir zwar als Aushängeschild fungiert, die gesamte Entwicklung aber wesentlich von Koch (-Nachfolger) Bouffier und seiner Clique bestimmt wird.
Ab 23.04. wird also für ein Jahr getestet (wenn der Wind richtig weht, nicht gerade an einer Bahn gebaut wird und auch sonst nichts dazwischen kommt). Also: hinhören. Das Umwelthaus möchte wissen, wie die Lärmpausen wirken und wie sie wahrgenommen werden. Sagen wir es ihnen. Und machen wir dabei ganz deutlich: nur ein Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr, vollständig und für alle, löst das Problem wirklich.
Nachtrag: Wider Erwarten war der erste "Lärmpausen"-Tag auch für Raunheim ein Erfolg. Um die Pause termingerecht einzuführen, wurde die Betriebsrichtung morgens für zwei Stunden auf 25 gedreht mit der Wirkung, dass Raunheim vom Anfluglärm verschont blieb. Auch der Startbetrieb über die Südbahn blieb relativ leise. Letzterer hätte allerdings stattfinden können, wie und wo er wollte, ohne eine "rechnerische Lärmpause" zu unterbrechen. Dafür braucht es bekanntlich 6 Einzelschallereignisse - in der Stunde zwischen 5:00 und 6:00 Uhr starteten aber nur 5 Maschinen.
Das Ministerium feiert diesen Erfolg gleich mit zwei Pressemitteilungen: noch am Donnerstag mit einer euphorischen
Beschreibung, wie toll alles werden wird, und am Freitag mit der zufriedenen Feststellung: „Die Bündelung der Flugbewegungen auf einzelnen Bahnen hat reibungslos funktioniert“. Diese "Bündelung" bestand darin, morgens 24 Maschinen auf Center- und Nordwestbahn und abends 12 auf der Südbahn landen zu lassen - jeweils innerhalb nur einer Stunde! Morgens wurden dazu noch alle 5 Starts auf der Südbahn "gebündelt" und die Startbahn West nicht genutzt! Al-Wazir lässt wirklich keine Peinlichkeit aus.
Die Medien allerdings können diese Euphorie nicht teilen und berichten überwiegend kritisch, z.B. die FR oder die FNP.
2. Nachtrag: Nach einer Woche verkündet Minister Al-Wazir per Pressemitteilung, die "Lärmpausen" hätten den ersten "Praxistest bestanden", denn "seit dem 23. April konnten bei Westbetrieb die siebenstündigen Lärmpausen morgens zwischen 5 und 6 Uhr durchgängig zum Einsatz kommen". Aha. Die kleine Einschränkung "bei Westbetrieb" heisst praktisch übersetzt: sollte jemand z.B. im angeblich entlasteten Neu-Isenburg so naiv gewesen sein, sich auf eine Stunde länger Ruhe einzustellen, so hatte er statt dessen an sieben Tagen einen nur geringfügig seitlich versetzten Landelärm und an einem Tag (wg. Betriebsrichtungswechsel) sogar den lauteren Startlärm zu ertragen.
Und abends? Abends konzediert der Minister "lediglich zwei Ausnahmen" (bei acht Fällen, d.h. 25%) und erklärt: "In beiden Fällen hat es Ausnahmegenehmigungen für verspätete Starts nach den geltenden Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses gegeben. Am Abend des 29. Aprils musste der Startvorgang eines Flugzeugs abgebrochen werden, weil ein Vogel in die Turbine geraten war (Vogelschlag). Die Startbahn West musste daraufhin kurzzeitig gesperrt werden. Am Abend des 30. Aprils musste wegen Gewitter sicherheitsbedingt die Zahl der Anflüge auf den Flughafen limitiert werden. Es gab insgesamt 9 Einzelgenehmigungen für verspätete Starts".
Haben diese Erklärungen etwas mit den "Lärmpausen" zu tun? Indirekt ja, aber die Wahrheit, von der der Minister hier abzulenken versucht, lautet: in vier von acht Fällen gab es abends keine Lärmpause. Zweimal wurde Betriebsrichtung 07 geflogen, bei der es generell keine Lärmpausen gibt, und zweimal wurden sie aus betrieblichen Gründen ausgesetzt. Wenn man für den Moment einmal voraussetzt, dass der Minister bzw. seine Reden-Schreiber nicht zu dämlich sind, ihre eigene Statistik
zu lesen, muss man konstatieren, dass dies wieder einmal ein billiger Trick ist, um die "Lärmpausen" nach aussen schöner scheinen zu lassen, als sie faktisch je sein können.
Das wahre Ergebnis dieses "Praxistest" lautet: selbst an der einzigen Stelle, wo sie eine gewisse Wirkung entfalten könnten (abends im Frankfurter Süden), sind sie weitgehend wirkungslos, weil unvorhersagbar. In zwei der acht Fälle, in denen sich die Menschen dort vielleicht auf eine Stunde mehr Ruhe eingestellt hatten, hatten sie acht bzw. sechzehn Landungen über dem Kopf (s. die
Auswertung der "Lärmpausen" auf
flugauswertung.de), in zwei weiteren Startlärm. Das Testergebnis kann daher nur lauten: durchgefallen.
Am 15.04. hat sich der Wirtschafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessischen Landtags mit dem Thema "Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt" befasst. Anlass war ein SPD-Antrag, der die Landesregierung auffordern sollte, bis zum Jahresende einen Vorschlag für so etwas vorzulegen.
Obwohl Minister Al-Wazir noch am Tag vorher per Pressemitteilung ein Statement zu Terminal 3 hatte verbreiten lassen, in dem es heisst, "Insbesondere die Entwicklung von Modellen zur Einführung einer Lärmobergrenze wird der nächste Schwerpunkt der Arbeit der Stabsstelle Fluglärmreduzierung im Verkehrsministerium sein", hatten die Regierungsfraktionen dazu wenig zu sagen und brachten ihrerseits kurzfristig einen Gegenantrag ein (und beschlossen ihn mit ihrer Mehrheit natürlich auch), der der Regierung dafür die übliche "Al-Wazir-Frist" ("ein gutes Jahr" bzw. ca. 15 Monate) einräumt.
Dieses Timing hat noch einen besonderen Hintergrund. Am 13. Juni 2016 tritt die neue EU-Verordnung über Betriebsbeschränkungen an Flughäfen in Kraft, die es deutlich schwerer macht, aus Lärmschutzgründen echte Beschränkungen einzuführen. Wer zu diesem Zeitpunkt erst einen Vorschlag vorlegen will, weiss offensichtlich schon, dass er nichts ernsthaft beschränken will.
Inhaltlich sind die Unterschiede zwischen beiden Anträgen ansonsten minimal. Der SPD liegen die "weiteren Entwicklungsmöglichkeiten" des Luftverkehrs besonders am Herzen, deswegen muss ein solches Konstrukt in der Lage sein, "die Belastung durch Fluglärm zu begrenzen, ohne die Funktion des Frankfurter Flughafens einzuschränken".
CDU-B90/Grüne fordern immerhin gleich zweimal, dass diese Grenze "deutlich unterhalb der im Planfeststellungsbeschluss prognostizierten Lärmwerte" liegen soll, aber trotzdem sicherstellen muss, "dass der Flughafen seine zentrale Funktion im nationalen und internationalen Luftverkehr erfolgreich entwickeln kann".
Die FDP findet das alles überflüssig und eine Zumutung für den Flughafen und ist deshalb ganz dagegen.
Das lässt ahnen, was von diesem Instrument in den Händen der Ausbau-Fetischisten zu erwarten ist. Ähnlich wie die Lärmpausen, die grundsätzlich ein sinnvolles Instrument des Lärmschutz sein können, aber hier zur Lachnummer verkommen, wird auch die Lärmobergrenze keine werden, solange diese Akteure darüber entscheiden.
Wenig überraschend, hat auch der Fraport-Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 15.04.
beschlossen, dass Terminal 3 wie geplant gebaut werden soll. Wie immer, gibt es keine Information darüber, wie die AR-Mitglieder abgestimmt haben, obwohl man natürlich schon gerne wüsste, ob die Vertreter der Anteilseigner Land Hessen und Stadt Frankfurt wenigstens pro forma dagegen gestimmt haben. (Laut
Frankfurter Neue Presse haben nur 2 von 20 AR-Mitgliedern mit "Nein" gestimmt, der "grüne" Vertreter des Landes Hessen, Kaufmann, und der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann.) Faktisch spielt es allerdings keine Rolle: die Mehrheit der bornierten Wachstums-Befürworter steht, inklusive der sog. "Arbeitnehmer-Vertreter", die blind dem Katastrophenkurs des Vorstands folgen.
Zunächst werden also die Bauleistungen ausgeschrieben; wenn das Vergabe-Verfahren im Spätsommer/Herbst abgeschlossen ist, werden erste Baumaßnahmen ev. Ende des Jahres beginnen. Für die Bürgerinitiativen wird es nun Zeit, zu überlegen, wie der Widerstand gegen dieses Vorhaben praktisch organisiert werden soll. Regierungen oder Gerichte werden den Bau nicht mehr verhindern.
Das Umweltbundesamt ist eine Fachbehörde des Bundesumweltministeriums und damit direkt der Bundesregierung unterstellt. Wenn es in einem Positionspapier vor Gefahren einer Entwicklung warnt, die von eben dieser Regierung voran getrieben wird, müssen die Bedenken schwerwiegend sein. Und bei aller Zurückhaltung in den Formulierungen ist die UBA-Aussage tatsächlich eindeutig: Das Freihandelsabkommen TTIP birgt "... erhebliche Risiken: Umweltstandards könnten sinken und die Umwelteigenschaften von Produkten gefährdet werden" (S.4). Dabei bezieht sich das UBA nicht einmal auf ein Verhandlungsergebnis, sondern auf einen Vorschlag, der von der EU eingebracht wurde und vermutlich von US-Seite nochmal verschärft werden soll.
Konkret macht das Positionspapier deutlich, dass eine "Angleichung" von Standards, die in der EU auf dem Vorsorgeprinzip ("beweise, dass es unschädlich ist") basieren, in den USA jedoch auf dem Risikoprinzip ("beweise, dass es schädlich ist"), nur zu einer Aufweichung der EU-Standards führen kann. Er wird unter den UBA-Beispielen nicht genannt, aber genau das gilt auch für den Lärmschutz, und damit für die Frage, ob Nachtflugverbote und andere Auflagen für den Flugverkehr künftig "weggeklagt" werden können.
Zudem weist das Papier (sehr zurückhaltend) darauf hin, dass die bisherigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den USA in diesem Bereich nicht gerade positiv waren und die Arbeit der (meist erfolgreicheren) UN-Gremien durch solche bilateralen Aktivitäten unterlaufen werden kann.
Sehr dezent wird auch darauf hingewiesen, dass im Verhältnis zu Kanada die gleichen Probleme bestehen, aber das entsprechende Abkommen CETA ist bereits im Geheimen ausverhandelt (wie das für TTIP auch vorgesehen war), so dass hier eine politische Entscheidung ansteht und das UBA keine fachliche Beratung der Regierung mehr vornehmen kann. Die Probleme sind jedoch bei beiden Abkommen im Wesentlichen die gleichen.
Nachdem erste Ergebnisse der TTIP-Verhandlungen, sehr zum Ärger der Verhandler, an die Öffentlichkeit gebracht wurden und bald zwei Millionen EuropäerInnen dagegen protestiert haben, versucht die EU, den Prozess zu retten, indem sie Teile ihrer Verhandlungspositionen öffentlich macht und das EU-Parlament der EU-Delegation neue Auflagen mitgeben will. Letztere werden bis Ende April in den EP-Ausschüssen diskutiert und sollen vom Parlament noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Ob dann, wie geplant, die Verhandlungen mit den USA noch in diesem Jahr zu Ende gebracht werden können, steht in den Sternen.
Unmittelbar vor dem nächsten
Aktionstag am 18. April muss auch Wirtschaftsminister
Gabriel eingestehen, dass das angekündigte TTIP-Wirtschaftswunder nicht kommen wird. Er lehnt TTIP aber deswegen nicht etwa ab, sondern zieht sich auf die zweite Verteidigungslinie zurück, die BDI-Präsident
Grillo vorge
geben hat: wenn die EU sich nicht den USA anschliesst, darf sie gar nicht mehr bei den Grossen mit
spielen. Beide versprechen natürlich nach wie vor, dass die hohen europä
ischen Schutz
standards nie und nimmer angetastet werden dürften. Aller
dings sind nicht alle Industrie
vertreter so zurück
haltend. Eine sehr klare Ansage kam z.B. nach Abschluss der CETA-Verhand
lungen von einem
Lobby
isten der Metall
industrie:
"Ich hoffe, CETA schafft am Ende auch eine Diskussions
plattform, mit dem Ziel, den recht
lichen Rahmen in der EU neu abzu
stecken. ... Ein Beispiel dafür ist das Zulassungs
verfahren unter REACH."
Wie das zu verstehen ist, kann man im oben zitierten UBA-Positions
papier nachlesen. REACH regelt die Zulas
sung von chemischen Stoffen in der EU - nach dem Vorsorge-Prinzip.
Ungeplanter Rundflug - Ein A333 der Lufthansa musste unmittelbar nach dem Start von der Startbahn West umkehren und landete wieder auf der Centerbahn.
(Zum Vergrössern Bild anklicken)
Der Absturz der Germanwings-Maschine über Südfrankreich, der vermutlich vom Copiloten absichtlich herbeigeführt wurde, hat eine neue Debatte über Sicherheit im Flugverkehr ausgelöst. Auch wenn dieses Ereignis (hoffentlich) einmalig und (wahrscheinlich) auch kaum zu verhindern war, wurden in der Diskussion eine ganze Reihe Aspekte publik, die sonst gerne zurückgehalten werden. Dabei geht es in erster Linie um die Rolle der Piloten.
Schon in der ersten Meldung dieses Jahres (ganz unten auf dieser Seite) hatten wir auf eine
Allianz-Studie hingewiesen, in der abgeschätzt wird,
"... dass in der gewerblichen Luftfahrt 70% der tödlichen Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, ...".
Eine EU-Studie über atypische Beschäftigung in der Luftverkehrswirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass auch in diesem Bereich die Billig-Mentalität drastisch zunimmt und ruft
"alle Beteiligten auf, auf diese deutliche Warnung zu reagieren und die zerstörerischen Erfahrungen aus der Seefahrt - die in riskanten Sicherheitsproblemen, Steuerproblemen und purem Sozialdumping resultierten - nicht im Luftverkehr zu wiederholen. In dieser Hinsicht ist es fünf Minuten nach Zwölf" (Executive Summary, p. XVII, eigene Übersetzung).
In der Presse werden
Piloten zitiert, die dramatische Zustände bei Billigfluggesellschaften beschreiben. Letztendlich geht es dabei immer um Stress, Übermüdung, Ausbeutung usw., und es spielt im Grunde keine Rolle, ob diese Faktoren direkt zu Problemen führen, oder ob sie die Betroffenen in psychische Erkrankungen treiben, die dann fatale Reaktionen auslösen.
Zugleich wird in der aktuellen Diskussion daran erinnert, dass die Regeln für die medizinische Überwachung von Piloten in der EU
heruntergefahren wurden, aber selbst diese in Deutschland möglicherweise nicht voll eingehalten werden.
Zugleich scheinen sich auch die Meldungen über technische Probleme zu häufen. So musste am 07.04. ein A330 der LH einen ungeplanten
Rundflug über dem Rhein-Main-Gebiet durchführen, weil Rauch in der Kabine aufgetreten ist und die Piloten die Situation offenbar als so gefährlich einschätzten, dass sie auch das Risiko eingingen, mit einer voll betankten Maschine zu landen. Wenige Tage vorher, am 20.03., ist ein A380 erst gar nicht gestartet, sondern musste wegen
verdächtiger Gerüche an Bord geräumt werden.
Nur einen Tag nach dem "Rundflug", am 08.04., musste ein A380 seinen Flug abbrechen und den Rückflug nach FRA antreten, weil sich die Landeklappen nicht einfahren liessen. Hier deutet der Flugweg darauf hin, dass sich die Piloten die Zeit genommen haben, über dem Hunsrück überflüssigen Sprit abzulassen. Am gleichen Tag musste ein in Düsseldorf gestarteter A320 ungeplant in Nürnberg landen, weil eine Scheibe im Cockpit gesprungen war.
Keiner dieser Vorfälle war besonders dramatisch, aber die Häufung fällt dennoch auf. Sie ist auch kein blosser Zufall. Wie die aktuelle Statistik des LBA zeigt, ist die Zahl der "von deutschen Luftfahrtunternehmen gemeldeten flugbetrieblichen Störungen" von ca. 1.500 Meldungen 2010 auf knapp 2.500 in 2014 kontinuierlich gestiegen. (Darin enthalten sind zwar auch "Störungen", für die weder Piloten noch Airlines etwas können, wie z.B. "Vogelschlag" oder "Turbulenzen", aber die scheinen nicht für den Anstieg verantwortlich zu sein.)
Die oben zitierte Allianz-Studie freut sich noch darüber, dass das Sicherheitsniveau 2014 weiter angestiegen sei, weil die Zahl der gravierenden Unfälle weiter zurück gegangen ist. Auf der anderen Seite deuten die hier zitierten Statistiken und Berichte darauf hin, dass die Risiken personeller und technischer Art zunehmen und der zunehmende "Wettbewerbsdruck", sprich: die Profitorientierung, zu immer weiter gehenden Einsparungen bei Personal und Technik führt. Dies kann den noch positiven Trend bei schweren Unfällen rasch umkehren. Insbesondere die Lufthansa sollte sich gut überlegen, ob sie dieses "Rennen in den Abgrund" wirklich mitmachen will. Die Gründung der Tochter Germanwings war der erste Schritt in die Billigfliegerei, der nun mit der noch billigeren
Eurowings fortgesetzt werden soll. Die Menschen der Region wollen aber zusätzlich zu Lärm und Schadstoffen nicht auch noch steigende Sicherheitsrisiken ertragen.
Wenn die Fraport-Hauspostille STARTfrei statistische Daten liefert, ist normalerweise Vorsicht angesagt. Manchmal bestätigen solche Daten aber die Argumente der Ausbau-Gegner so schön, dass man sie gerne glaubt. Deshalb möchten wir hier ein solches Beispiel mal hervorheben - auch weil viele das vermutlich garnicht mitbekommen, weil ihr Exemplar des Blättchen aus dem Briefkasten direkt in die Altpapiertonne wandert (was wir generell auch empfehlen würden).
So berichtet die neue Ausgabe 1/2015, dass 55,3% der Passagiere auf Fraport Umsteiger sind. Würden diese woanders umsteigen oder direkt fliegen, blieben der Region mehr als die Hälfte des Lärms und der Abgase erspart, und keiner hätte einen Nachteil - ausser Fraport, der der mit diesen Umsteigern verbundene Profit entgehen würde.
Ebenso kann man da lernen, dass 60,2% der Passagiere privat unterwegs sind. Die ach so wichtigen Geschäftsverbindungen, ohne die die hiesige Wirtschaft auf der Stelle abwandern würde, machen also nur ein gutes Drittel des Flugverkehrs aus. Von den Privaten weiss man aber, dass Viele weder aus der Region kommen noch darauf angewiesen sind, hier ein- oder auszusteigen - sie würden genauso gut mit ihrem Auto an einen anderen Standort fahren. (Auch das lernt man aus dieser Statistik: zwei Drittel aller Passagiere sind landseitig mit Kfz unterwegs. Und aus leidvoller Erfahrung weiss man als Raunheimer auch, wieviele PKW wochenlang Parkplätze blockieren, während die Inhaber auf Tour sind.)
Mit anderen Worten: das Argument der Ausbau-Gegner, dass ein großer Teil der Flugbewegungen mit den Bedürfnissen der Region nichts zu tun hat und nur hier stattfindet, damit Fraport damit Profit machen kann, wird aufs Schönste bestätigt. Danke, Fraport !
Presseberichten ist zu entnehmen, dass die Zusammensetzung der Frankfurter Fluglärmkommission verändert werden soll. Die bisher als Vollmitglieder vertretenen neun Landkreise sollen ihr Stimmrecht verlieren und nur noch beratend teilnehmen, dafür sollen einige betroffene Kommunen nachrücken.
Anlass dafür ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November letzten Jahres, das sich eigentlich mit der Flugrouten-Festlegung am neuen Berliner Flughafen beschäftigt, aber auch einige Anmerkungen zur Zusammensetzung der (dortigen) Fluglärmkommission enthält. Der Vorstand der Frankfurter Kommission hatte bereits damals hervorgehoben, dass er diese Anmerkungen für wichtig hält, und geht jetzt offenbar an die Umsetzung. Dahinter steht aber natürlich das hessische Wirtschaftsministerium, das letztlich darüber zu entscheiden hat.
Grundsätzlich ist die Zusammensetzung der Fluglärmkommissionen in § 32b des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) geregelt. Dieser Paragraph ist allerdings genauso antiquiert wie die meisten sonstigen Regeln dieses Gesetzes. So legt er die Regelgrösse einer Kommission auf 15 Mitglieder fest, was bestenfalls an Kleinflughäfen eine vernünftige Repräsentanz der Betroffenen zulässt. Da fand auch das BVerwG die tatsächliche Grösse der Berliner Kommission von 38 stimmberechtigten Mitgliedern eher als angemessen. (Die Frankfurter Kommission hat 40 stimmberechtigte Mitglieder.) Auch die Mitgliedschaft von Landkreisen fand das BVerwG gerechtfertigt, obwohl der Gesetzestext nur von Kommunen spricht.
Es wäre sinnvoll, noch einmal grundsätzlich über die Vertretung der Betroffenen in den Kommissionen nachzudenken und das Gesetz entsprechend zu ändern. Es macht sicher Sinn, wie für Frankfurt vorgeschlagen, allen relevant betroffenen Kommunen (also all denen, die in einer der gesetzlich definierten Schutzzonen liegen) einen Platz in der Kommission anzubieten. Es macht allerdings keinen Sinn, all diejenigen auszuschliessen, die ausserhalb dieser viel zu eng definierten Zonen liegen, aber dennoch von Fluglärm betroffen sind. Es macht ebenso wenig Sinn, als Organisation der Betroffenen nur die "Bundesvereinigung gegen Fluglärm" zuzulassen. Bei allem Respekt vor deren Leistungen: in Frankfurt sollten der Deutsche Fluglärmdienst (DFLD) und das
Bündnis der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm ebenso dazu gehören.
Vor allem aber wäre das ein guter Anlass, die Ausstattung der Kommissionen nochmals zu thematisieren. Sie verfügen über viel zu wenig eigene Ressourcen, um ihren Aufgaben nachzukommen, und sind viel zu sehr von der Expertise der Luftverkehrswirtschaft abhängig. Ein eigener Etat für unabhängige Gutachten wäre das Mindeste, was nötig wäre.
Getreu seiner bisherigen Linie hat der VGH Kassel auch den größten Teil der Klage der Stadt Flörsheim gegen die neue Landebahn vom Tisch gewischt. Die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss war bis zum Entscheid der als Musterverfahren ausgewählten Klagen zurückgestellt und nach deren Abschluss wieder aufgenommen worden. Flörsheim hatte in der Zwischenzeit noch eine Reihe von Argumenten und Anträgen nachgereicht, die die Entwicklungen der Jahre nach den ersten Urteilen (2009 bzw. 2012) berücksichtigten. Geholfen hat es nichts. In seiner Pressemitteilung erklärt der VGH alle Fragen für erledigt mit Ausnahme von zweien, die sich auf Planergänzungen nach den Urteilen bezogen und daher auch beim schlechtesten Willen nicht einbezogen werden konnten. Revision wurde wie üblich nicht zugelassen. Die Stadt Flörsheim hat noch nicht entschieden, ob sie dagegen Beschwerde einlegen wird.
Kämpft man sich durch den Text des Teilbeschlusses, findet man Formulierungen wie "Außerdem ist es ... unerheblich, ob in dem Gutachten G 1 Anhang II.1 die damals schon etablierten
Methoden zur Beurteilung von Wirbelschleppen nicht oder nur fehlerhaft herangezogen wurden ... mit dem Ergebnis eines um den Faktor von mindestens 107 abweichenden Wertes der Ereigniswahrscheinlichkeit." (Rn 103, S. 50/51). Sieben Größenordnungen daneben und trotzdem nicht falsch genug für Konsequenzen - ob diese Richter so auch ihre Mathematik-Prüfungen in der Schule bestanden haben?
Selbst die NORAH-Studie bringt nach ihrer Auffassung keine rechtlich relevanten neuen Erkenntnisse, auch wenn sich ihre Argumentation (Rn 177, S. 83/84) hier normaler menschlicher Logik nicht erschließt (und die Quellen nicht öffentlich nachvollziehbar zitiert werden). Vermutlich haben sie aber nur die Schlussbemerkung (S. 233) der NORAH-Kinderstudie nicht verstanden, so dass man hoffen kann, dass bei anderen Gelegenheiten noch eine seriösere Würdigung erfolgt.
Die beiden noch ausstehenden Punkte (Schutz vor Wirbelschleppen und Lärmbelastung in den Nachtrandstunden) sollen vom 28.-30. April in Kassel verhandelt werden. Wer aber immer noch glaubt, vor diesem Gericht irgend einen Erfolg gegen den Flughafenausbau erzielen zu können, der kann wohl aus keiner Erfahrung lernen.
Nein, das ist keine boshafte Anspielung auf die dunklen Geschäfte der Fraport, das ist der Original-Titel.
Gerade einmal 14 Tage hat Fraport-Chef Schulte gewartet, ehe er Minister Al-Wazir eine klare Absage erteilt hat. Anlässlich der Vorlage des Geschäftsberichts 2014 der Fraport widersprach er allen Argumenten, mit denen Al-Wazir seine Alternative zu Terminal 3 begründet hatte, und kündigte den Baubeginn für den Spätsommer 2015 an - nicht ohne noch ironisch anzumerken, dass bis dahin die Vorschläge des Herrn Minister natürlich "intensiv geprüft" würden. Die Bedarfsprüfung ist damit abgehakt, es geht weiter wie geplant. In den Worten des Geschäftsberichts: Fraport rechnet "nach wie vor mit einem langfristig stabilen Wachstum des Luftverkehrsmarkts", deshalb wird der Bau des Terminals 3 "der aktuellen Planung entsprechend bereits im laufenden Geschäftsjahr 2015 beginnen". War was?
Der Kommentator der Frankfurter Neuen Presse hat dazu noch einen Trost für die lärmgeplagte Bevölkerung bereit: lauter wird es ja sowieso, weil Fraport die höhere Kapazität, die das neue Bahnsystem bietet, auf alle Fälle ausnutzen wird. Mit T3 können dabei auch Premium-Passagiere bedient werden, ansonsten würden eben Billigflieger angelockt. T3 veredelt sozusagen den Fluglärm.
So zynisch diese Argumentation klingt, sie hat einen wahren Kern. Ein Blick auf die Gewinnstruktur des Konzerns zeigt eindeutig: Fraport lebt nicht von den Gewinnen, die mit dem Flugbetrieb ("Aviation" und "Ground Handling") erwirtschaftet werden können; die machen nur ein gutes Drittel (35,6%) des operativen Gewinns aus. Fast zwei Drittel kommen aus dem Bereich des Einzelhandels, der Flächenvermietung und sonstiger Dienstleistungen und hängen damit davon ab, wie viele und welche Art von Kunden die Flächen bevölkern. Wohlhabende Chinesen, kauflustige Russen und luxusliebende Araber müssen umworben werden, indem das entsprechende Ambiente geschaffen wird. Hat man dagegen nur Billigflieger-Kunden, braucht man wesentlich mehr Masse, um den gleichen Effekt zu erreichen.
In dieser Logik wird der Bedarf für Terminal 3 nahezu unabhängig von Verkehrsprognosen. Wenn die Nachfrage nach Flügen nicht von selber kommt, muss sie eben geschaffen werden - Hauptsache, die Kunden kommen zum Shoppen.
Im Umkehrschluss heisst das aber auch: solange die Fraport-Strategie von den Dividenden-Interessen der Aktionäre bestimmt wird, wird es in der Tat "sowieso lauter". Erst wenn die Strategie wieder am öffentlichen Interesse nach angemessenen Verkehrs-Infrastruktur-Dienstleistungen ausgerichtet wird, kann sich das ändern. Aber dafür tritt im Augenblick (fast) keiner dieser Aktionäre ein.
Im November sollen die Ergebnisse präsentiert werden.
Am 17. März hat das Umwelthaus angekündigt, dass alle Ergebnisse der NORAH-Studie im Rahmen der Konferenz Aktiver Schallschutz im November dieses Jahres, die das Leitthema "Gesundheit" haben soll, präsentiert werden sollen. Am 18. März haben die Grünen, deren Führungspersonal aufgrund der einschlägigen Gremien-Mitgliedschaften die Ergebnisse sicher schon kennt (sie werden bis November noch einer "Qualitätssicherung" unterzogen), einen Antrag mit dem Titel "Fluglärm wirksam reduzieren" im Bundestag eingebracht. Sind die NORAH-Resultate derart revolutionär, dass eine sofortige politische Reaktion unverzichtbar ist?
Nein, das zeitliche Zusammentreffen ist rein zufällig. Nicht nur ist von NORAH nichts wirklich Neues zu erwarten (auch wenn Vieles, was jetzt schon bekannt ist, genauer beschrieben und besser belegt werden könnte), der Antrag nimmt auch gar keinen Bezug darauf. Er ist vielmehr ein Versuch, die Bundesregierung endlich zu Konsequenzen aus dem Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, das seit einem Jahr vorliegt, zu bewegen. Er bleibt deshalb auch ziemlich blass. Zwar werden so ziemlich alle relevanten Themen angesprochen, aber fast nichts konkretisiert. Die Initiative dient wohl primär dazu, die Untätigkeit der Regierung anzuprangern, eigene Ideen und Vorschläge fehlen. Nach Vorlage der NORAH-Ergebnisse wird wesentlich mehr öffentliche Aktion notwendig werden, um das Thema wirklich voran zu bringen.
Am 18. März soll der Neubau der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend offiziell eingeweiht werden. Die ursprünglich angedachte ganz grosse Party findet nicht statt, nur wenig Prominenz wird vor Ort sein - dafür aber umso mehr Protestierende. Das Blockupy-Bündnis und andere Organisationen haben zu Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen gegen das europäische Krisenregime, gegen Sparpolitik und Verarmung aufgerufen. Hat das etwas mit Fluglärm zu tun?
Leider ja. Erstens gibt es einen ganz direkten Zusammenhang: die Bundesregierung hat das geplante Terminal 3 auf die Liste derjenigen Projekte gesetzt, mit denen die EU-Kommission die durch die Sparpolitik abgewürgte Konjunktur wieder in Schwung bringen will und möchte Fraport damit zusätzlich motivieren, ein wirtschaftlich hoch riskantes Projekt umzusetzen. Wenn es schiefgeht, zahlt der Steuerzahler eben doppelt.
Viel wichtiger aber ist die grundsätzliche Rolle, die Flughäfen generell und Großflughäfen wie FRA im Besonderen in der neoliberalen Wachstums- und Globalisierungs-Strategie spielen. Wer eine Deckelung der Zahl der Flugbewegungen (ob auf 380.000 fix oder in Form einer Lärmobergrenze) durchsetzen will, der muss dafür nicht die Juristen im Verkehrsministerium überzeugen. Das geht nur, wenn man für ein anderes Geschäftsmodell für diesen Flughafen und eine andere Form der Mobilität und der internationalen Wirtschaftsverkehre eintritt - jedenfalls dann, wenn man den Fluglärm wirklich bekämpfen und nicht nur beim Nachbarn abladen will. Dafür müssen alle Bewegungen zusammen arbeiten, die eine andere Form des Wirtschaftens, eine neue Prioritäten-Setzung wollen, bei der Mensch und Umwelt im Mittelpunkt stehen, nicht der Profit.
Deshalb haben einige BIs (u.a. Rüsselsheim, Flörsheim-Hochheim, Mörfelden-Walldorf, Nauheim) in einem
Flugblatt zur Teilnahme aufgerufen. Man muss nicht alle dort vertretenen Positionen teilen, wenn man gegen Fluglärm und Flughafenausbau aktiv werden will, aber man sollte verstehen, dass dieser Zusammenhang existiert. Leider gibt es im Bündnis der Bürgerinitiativen eine BI, deren Vorsitzende dermaßen panische Angst davor haben, dem "parteipolitisch linken Spektrum" zugeordnet zu werden, dass sie glauben, sich mit einem Offenen Brief auch noch von der
Berichterstattung über diesen Aufruf distanzieren zu müssen. Dabei stellen sie nicht nur zweifelhafte Behauptungen auf, sondern zitieren auch noch einen äusserst kuriosen Absatz aus einem Text des Ordnungsamtes, mit dem dieses versucht, die Ablehnung von Forderungen des Anmelders einer Teilaktion am 18.03. zu begründen. Peinlicher geht's eigentlich nicht mehr.
Nun darf sich ja jeder blamieren, so gut er kann, aber dieses Vorgehen hat noch andere Aspekte. (Sonst wäre es auch keiner Erwähnung wert, nachdem der Herausgeber des angegriffenen Blattes die Details in einer Antwort richtig gestellt hat.). Der Versuch, die Aktivitäten anderer zu diffamieren, gerne auch verbunden mit persönlichen Angriffen, schreckt ab und schwächt das Bündnis insgesamt. Es ist eine Sache, seine eigenen Positionen klar zu vertreten, aber eine ganz andere, die Positionen anderer Bündnispartner in die Schmuddelecke drängen zu wollen. Und es ist völlig inakzeptabel, den eigenen (un-)politischen Kurs als den einzigen im Bündnis vertretbaren darstellen zu wollen, obwohl er in den BBI-Delegiertenversammlungen regelmäßig in der Minderheit ist. Wer die Bürgerinitiativen politisch entmündigen will, will sie wirkungslos machen - und das werden wir nicht mitmachen.
So sieht der Zwischen-Ausbauschritt aus, den Tarek Al-Wazir als Alternative
oder als Ergänzung zu Terminal 3 propagiert.
Am 4. März stellte Minister Al-Wazir in einer öffentlichen Sitzung des Wirtschaftsausschuss des hessischen Landtags die mit mehr oder weniger Spannung erwarteten "Ergebnisse der Bedarfsprüfung zum Bau eines dritten Terminals am Frankfurter Flughafen" vor. Das Ergebnis ist die erwartete Kapitulation vor den Fraport-Wünschen, aber er hat sich alle Mühe gegeben, das geschickt zu verpacken.
Drei Gutachten hat der Minister erstellen lassen. In einer Pressemitteilung und einer Präsentation fasst er die (für ihn) wichtigsten Ergebnisse zusammen: die von Fraport vorgelegten Prognosen des Wachstums von Passagierzahlen und Flugbewegungen haben deutliche Mängel, können aber nicht als falsch eingestuft werden; es gibt Alternativen zu Terminal 3, die ebenfalls eine, wenn auch geringere Steigerung der Passagierzahlen erlauben; die endgültige Entscheidung ist Sache der Fraport, da sie juristisch unanfechtbares Baurecht hat. Alle drei Aussagen lassen sich mit guten Argumenten angreifen, aber das Hauptproblem liegt woanders.
Al-Wazirs Argumentation scheint rein ökonomisch darauf gerichtet, nur die für den Flughafen günstigste Lösung zu finden. Er lobt seine Alternative dafür, dass sie in Zeiten unsicherer Wachstumsprognosen die risikoärmere Lösung sei, die noch dazu bei wieder einsetzendem stärkeren Wachstum mit Terminal 3 vollständig kompatibel ist und deswegen eine geeignete Übergangslösung darstellt. Das geht aber am ökonomischen Kern der Sache vorbei. Fraport ist im Grunde eine riesige Shopping Mall, die den größten Teil ihrer Kunden einfliegt. Die Airport City, der Immobiliensektor von Fraport, ist der eigentliche Gewinnbringer des Konzerns, und der soll ausgebaut werden. Ein paar Stellplätze für Flugzeuge mehr und ein Flugsteig, der kaum Platz für neue Läden bietet, sind da keine Alternative.
Das weiss Al-Wazir natürlich auch, aber ihm geht es nur darum, zumindest den Eindruck zu erwecken, als würde er nach praktikablen Alternativen suchen, da ihn ja selbst die bürgerliche Presse immer wieder daran erinnert, dass er vor der Wahl ein strikter Gegner dieses Terminals war. Dabei nimmt er sogar in Kauf, dass sich kaum noch verbergen läßt, dass er inzwischen nichts anderes mehr tut, als den Ausbau zu optimieren. Von den Grenzen der Belastbarkeit der Rhein-Main-Region, die auch ohne das neue Terminal schon überschritten sind, ist da keine Rede mehr.
Mit seiner "Alternative" versucht er zumindest den Schein zu wahren, er habe seine Wahlkampf-Versprechen nicht vergessen. Wenn Fraport nicht auf ihn hört, kann er aber leider nichts tun, denn die Grünen haben sich ja schon im Koalitionsvertrag darauf festlegen lassen, dass der Planfeststellungsbeschluss keinesfalls angetastet werden darf und der Ausbau reibungslos umgesetzt werden muss. Fraport teilt denn auch in einer Pressemitteilung unmittelbar im Anschluss an Al-Wazirs Vorstellung nur trocken mit, sie habe bereits "alle denkbaren Alternativen zu einem Terminalneubau berücksichtigt".
Würde Al-Wazir es ernst meinen, könnte er sich von einem Logistik-Experten beraten lassen, der in einem Kommentar in der Frankfurter Rundschau erläutert, wie die Anteilseigner (Fraport gehört mehrheitlich dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt) eine neue Strategie durchsetzen können, die auf die gegebenen Grenzen Rücksicht nimmt. Er könnte auch dagegen vorgehen, dass der Bundesfinanzminister das Projekt T3 über den Kopf des Landes Hessen hinweg von der EU fördern lassen will. Er könnte - wenn er nicht die Koalitionsdisziplin über alle Inhalte stellen würde.
Die Präsentation, die die Pestalozzi-Lehrer für den KuMi vorbereitet haben,
bringt nicht nur die Forderungen auf den Punkt,
sie ist auch exakt an das Niveau der Zielgruppe angepasst.
Am 23.02. hat der hessische Kultusminister Lorz (CDU) die Pestalozzi-Schule besucht, um auch mal vor Ort zu demonstrieren, dass er die Ergebnisse der NORAH-Kinderstudie "sehr ernst" nimmt. Mitgebracht hat er ausser notorisch guter Laune und den schon in einer Pressemitteilung seines Ministeriums angekündigten dürftigen Maßnahmen nichts (s. dazu 4 Meldungen weiter unten).
Das Lehrer_innen-Kollegium der Schule hatte für den Minister eine Präsentation ausgearbeitet, in der die dringendsten Forderungen zur Verbesserung der Situation formuliert und begründet wurden. Verkürzt zusammengefaßt lauten sie: kleinere Lerngruppen, mehr Förderstunden, mehr Lehrerstunden, bessere bauliche Bedingungen, bessere Ausstattung. Nichts davon hatte der Kultusminister im Gepäck oder wollte es auch nur prüfen. Sein Angebot bleibt: der allgemeine Standard, der sowieso überall zur Leseförderung eingeführt werden soll, wird an den betroffenen Schulen vielleicht etwas schneller eingeführt, und er beschränkt sich darauf, die vorhandenen Lehrer_innen fortzubilden, damit sie für alle Probleme die neuesten Methoden parat haben.
Die Präsentation endet mit der Feststellung "Es ist Zeit zu handeln!!!". Das ist ohne Zweifel richtig, nur der Adressat ist falsch. Handeln müssen die betroffenen Lehrer_innen, Schüler_innen und Eltern, denn soviel ist sicher: ohne Druck kommt vor dieser Landesregierung nichts Gutes.
In Anlehnung an einen Spruch von Walter Ulbricht nimmt der MCV
die Aussagen von Tarek Al-Wazir zu Terminal 3 aufs Korn
Wenn Tarek Al-Wazir geglaubt hatte, mit der Verschiebung der Veröffentlichung seiner "Prüf-Gutachten" zu Terminal 3 könne er dem Hohn und Spott der Fassenachter wenigstens in diesem Punkt entgehen, hat er sich getäuscht. Zwar hatten sich die BI-Gruppen in den Zügen in Mainz und Flörsheim auf andere Themen konzentriert, aber dieser Versuch, den Bruch eines zentralen Wahlversprechens möglichst geräuschlos über die Bühne zu bringen, war zumindest dem MCV einen Wagen wert. Unter Anspielung auf einen Spruch des DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht, der versucht hatte, die geplante Teilung Berlins solange wie möglich geheim zu halten ("Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen."), reimt der MCV: "... doch in Hessen, ohne Fraach, steht man im Lügen kaum ihm nach." - hart, aber treffend.
Tatsächlich ist schon seit Tagen in der Presse zu lesen (z.B. hier), dass die drei Gutachten, die Al-Wazir am 4. März vorlegen will, die Ausbau-Argumentation der Fraport nicht ernsthaft in Frage stellen. Angesichts der zahlreichen Einwände, die schon gegen die verwendeten Verkehrsprognosen vorgebracht wurden, ist das erstaunlich, aber da muss man wohl den genauen Text abwarten.
Klar ist aber jetzt schon: Nachdem das Projekt der siebenstündigen Lärmpausen für Alle kläglich gescheitert ist und der angekündigte Widerstand gegen den Bau von Terminal 3 sich gerade in heisse Luft auflöst, bleibt noch ein Projekt aus dem Koalitionsvertrag, mit dem Al-Wazir bei den Fluglärm-geplagten Anwohnern punkten könnte - die Lärmobergrenze. Noch gibt es dazu keine konkreten Aussagen, aber die Betrugsmöglichkeiten zeichnen sich schon sehr deutlich ab. Al-Wazir weiss vermutlich schon, dass auch dabei nichts herauskommen wird. Letztes Jahr fiel ihm auf eine entsprechende Frage nur ein, dass das "eine wahnsinnig anspruchsvolle Aufgabe" sei, die er in einem aktuellen Interview lieber gar nicht mehr erwähnt.
Drei Projekte, dreimaliges Scheitern, aber Schönreden - die Bilanz ist absehbar. Wenn es so kommt, dürfen sich der Minister und seine Partei nicht wundern, wenn immer mehr Enttäuschte dem Wahlspruch folgen: "Wer dreimal lügt, den wählt man nicht".
Kaum herrscht mal ein paar Tage Ostwetterlage, fliegen schon wieder Ziegel vom Dach. Nach einer Meldung der Mainspitze hat es am Mittwoch, den 04.02., ein Haus in der Wickerer Strasse in Flörsheim getroffen. Etwa 15 Ziegel wurden aus der Verankerung gerissen und rutschten das Dach herunter, ohne allerdings in den Hof zu fallen. Ein fast alltäglicher Vorfall also, aber die Hintergründe sind interessant.
Nach Aussagen des Hauseigentümers ist das Haus schon zum zweiten Mal betroffen. Nach dem ersten Schaden im April 2013 hatte die Fraport ihm allerdings mitgeteilt, dass die Ziegel des Hauses (Baujahr 1958) für eine Klammerung zu alt wären. Eine neue Dacheindeckung hätte er selber bezahlen sollen, Fraport hätte nur die Klammern spendiert. Das war ihm zu teuer.
Nun jedoch wolle man ihm "entgegenkommen". Fraport erklärt sich bereit, bei Neueindeckung und Klammerung die vollen Lohnkosten und die Hälfte der Kosten für die neuen Ziegel zu übernehmen. Ein wahrhaft großzügiges Angebot!
"Die Eigentümer von Grundstücken, die innerhalb der in der Anlage zu diesem Planergänzungsbeschluss bezeichneten Gebiete belegen sind oder von den Gebietsgrenzen angeschnitten werden, können verlangen, dass die Dacheindeckungen von Gebäuden auf diesen Grundstücken ... gegen wirbelschleppenbedingte Windböen gesichert sind."
Das gilt nur dann nicht,"... soweit die auf den Grundstücken errichteten Gebäude hinsichtlich der Dacheindeckungen den Anforderungen des § 12 der Hessischen Bauordnung in der zum Zeitpunkt ihrer Errichtung anwendbaren Fassung nicht genügen.",
und die Begründung erläutert:"Gemäß § 12 HBO müssen bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass insbesondere durch Einflüsse der Witterung Gefahren, unzumutbare Nachteile oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen."
Im Klartext: Ein Dach, das ansonsten "in Ordnung" ist, muss vollständig auf Kosten von Fraport gesichert werden, egal, ob dafür neue Ziegel oder sonstige Änderungen erforderlich sind. Das "großzügige" Fraport-Angebot besteht in diesem Fall also darin, dass sie sich bereit erklären, ihren rechtlichen Verpflichtungen wenigstens teilweise nachzukommen!
Wahrscheinlich muss man zur Kenntnis nehmen, dass solches Verhalten mittlerweile Standard ist. Der alte Anarcho-Spruch "Legal, illegal - scheißegal" ist zur Handlungsmaxime aller Großkonzerne geworden. Man sollte allerdings darauf bestehen, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden das nicht so ohne Weiteres hinnehmen - wofür sind die grünen Witzfiguren im Wirtschaftsministerium denn überhaupt noch gut, wenn sie nicht einmal die wachsweichen Vorgaben ihrer Vorgänger durchsetzen können?
Die von Mainzer Initiativen ersonnene Bezeichnung der Exponenten der Landesregierung als Lärmpausen-Clowns ist treffend gewählt. Während im Fraport Ausbau Circus Direktor Schulte das Programm bestimmt, versuchen Bouffier und Al-Wazir das Publikum mit Luftnummern abzulenken. Während aber normale Pausen-Clowns wenigstens den einen oder anderen guten Gag im Programm haben, können sich die meisten Bewohner des Rhein-Main-Gebiets darüber nicht amüsieren.
Den ersten Versuch zur Einführung von "Lärmpausen" konnte man zwar durchaus noch als Lachnummer sehen, denn was davon nach Einführung des Nachtflugverbots als "DROps Early Morning" noch übriggeblieben war, war so wirkungslos, dass die angerichteten Schäden ebenso wie der behauptete Nutzen gar nicht meßbar waren. Das kann diesmal anders werden.
Zur Sitzung der Fluglärmkommission am 28.01.15 in Raunheim, die auf der Basis umfangreicher Lärmberechnungen eine Stellungnahme zu den im Herbst 2014 vorgelegten
Modellen der Landesregierung für siebenstündige Lärmpausen beschlossen hat, rückte Al-Wazir mit grosser Besetzung an (Staatssekretär, Fluglärmschutzbeauftragte, Fachbeamte), konnte aber trotzdem nicht genügend Unterstützung für eines seiner Modelle mobilisieren.
Trotz des ablehnenden Votums der Fluglärmkommission muss die Landesregierung aber darauf bestehen, ein irgendwie geartetes "Lärmpausen"-Modell zu testen, denn anders als z.B. bei der Prüfung zu Terminal 3 hat sich auch die CDU von Anfang an darauf festgelegt, hier einen Erfolg vorweisen zu wollen. Und so wie "DROps Early Morning" durchgezogen wurde, obwohl jede/r Beteiligte weiß, dass es kompletter Unsinn ist, so muss auch bei den "siebenstündigen Lärmpausen" etwas passieren.
Die FLK hat dieser Notwendigkeit zur Gesichtswahrung in ihrem Beschluss Rechnung getragen, indem sie die Anwendung des sog. "Modell 4" (bzw. abwechselnd 4 und 5) bei Betriebsrichtung 25 nicht völlig ausgeschlossen hat. Der Minister hat diesen Beschluss natürlich als Freibrief genommen und umgehend in einer Pressemitteilung verkündet, dass die Landesregierung diese Variante ein Jahr testen lassen wird. Dabei redet er die Ergebnisse der Lärmberechnungen in einer Weise schön, die geradezu abstossend ist. Eine geringfügige Verlagerung von Flugbewegungen von der Süd- auf die Centerbahn z.B. führt für ihn schon zu einer "Lärmpause", obwohl der Lärm für die meisten Betroffenen dadurch nur geringfügig (aber unter einen vorgegebenen Grenzwert) sinkt.
Was die FLK für möglich hält:
Für Raunheim sind die Folgen dieses Tests absehbar negativ. In der Abendstunde ändert sich im Westen zwar nichts, da werden lediglich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isenburg und Teile Offenbachs zu leiden haben. Morgens sieht Modell 4 allerdings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raunheimer Süden lauter wird. Würde das im Wechsel mit Modell 5 geschehen, wäre da wenigstens auch jeden zweiten Tag Ruhe, da dann alle Abflüge über die Startbahn West rausgehen würden, aber dieser Vorschlag der Fluglärmkommission ist irgendwie unter den Tisch gefallen.
Es gibt aber auch noch eine Gefahr, die aus dem Modell nicht deutlich wird. Sollte wegen der Lärmpausen-Regelung der Westbetrieb morgens und/oder abends zu instabil oder aufwändig werden, könnte die DFS auf die Idee kommen, die Willkür, die in der Betriebsrichtungswahl steckt, öfter mal zu nutzen, dem Chaos zu entkommen und ganz ohne Lärmpause Betriebsrichtung 07 zu fliegen - worst case für Raunheim. Es bleibt daher bei der Forderung der Bürgerinitiativen: nur Modell 8 ist eine sinnvolle Lösung für mehr Nachtruhe für alle.
Am 04.02. gab es eine Sondervorstellung mit erweiterter Besetzung: im Wirtschaftsministerium wurde das Bündnis für Lärmpausen aus der Taufe gehoben. In der
Pressemitteilung des Ministeriums durfte jeder der Beteiligten seinen bevorzugten Gag unterbringen, das Bündnis-Papier selber enthält das Kleingedruckte: Lärmpausen sind unverbindlich und freiwillig, sie schaffen keinerlei rechtliche Ansprüche über den Planfeststellungsbeschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicherheit, der "Infrastruktur" (sprich: Kapazität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entsprechend hoch sind die Erwartungen: der Test gilt nur dann als nicht bestanden, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwendung gekommen ist".
Eine einzige neue Information war dem ganzen Aufwand zu entnehmen: am 23. April soll der Test beginnen (wahrscheinlich sind alle Beteiligten ganz froh, dass die Zeit zu knapp ist, um am 1. April zu starten ...).
Nachdem am 16.01.15 ein nicht-öffentliches Treffen der Minister Al-Wazir und Lorz mit Vertreter_innen der betroffenen Schulen, Schulträgern und anderen Beteiligten stattgefunden hat, haben am 21.01. das Wirtschafts- und das Kultus-Ministerium in gleichlautenden Pressemitteilungen erklärt, wie sie auf die Ergebnisse der NORAH-Kinderstudie, die im November letzten Jahres vorgelegt wurden, reagieren wollen. Zwei Kernpunkte sind deutlich herauszulesen: die Ergebnisse der Studie sollen verharmlost und die Konsequenzen auf die Betroffenen abgewälzt werden.
Das Verharmlosen übernimmt Al-Wazir. So wiederholt er die Phrase der Staatskanzlei, es seien "zwar keine dramatischen, aber messbare Auswirkungen festgestellt" worden, und läßt sich zitieren mit der Behauptung: „Die Auswirkungen wurden von den Wissenschaftlern als statistisch gering beschrieben". Dass der Bericht der Wissenschaftler_innen von "statistisch signifikanten Ergebnissen" spricht und sie das Ausmaß einiger Effekte als "in dieser Deutlichkeit unerwartet" beurteilen, interessiert ihn dabei nicht. Trotzdem will er "den Fluglärm und die negativen Auswirkungen auf die Schulen so weit wie möglich reduzieren“ und zählt auf: Maßnahmen der Allianz für Lärmschutz, Lärmpausen und Lärmobergrenze. „Unser Ziel ist klar: Wir wollen den Flugverkehr Schritt für Schritt leiser machen.“
Dieselben dreisten Lügen, die er noch vor etwas über einem Jahr lauthals kritisiert hat, kommen ihm nun selbst sehr flüssig über die Lippen.
Keine dieser Maßnahmen bringt im Nahbereich des Flughafens irgend eine Verbesserung, und der Flugverkehr wird nicht leiser, sondern im besten Fall weniger schnell lauter. Und statt klare Standards zu entwickeln, wie laut es im Klassenraum schlimmstenfalls werden darf, und die notwendigen Mittel für Schallschutz und ausreichende Lüftung vom Verursacher einzufordern, möchte er die Schulen gegeneinander ausspielen: "individuelle Lösungen" sollen erarbeitet und "gemeinsam beraten [werden], welche Maßnahmen für die jeweilige Schule die geeignetsten sind." Der Konkurrenzkampf wird schon mal eröffnet, auch wenn noch völlig unklar ist, was es denn überhaupt zu verteilen geben könnte.
Für das Abwälzen ist primär sein CDU-Kollege Lorz zuständig. Man habe "den betroffenen Schulen eine bevorzugte Aufnahme in das Leseförderprogramm des Landes angeboten", erklärt er. Über dieses Programm ist auf der Webseite seines Ministeriums nichts zu finden, aber freundlicher Weise nennt er die Kernpunkte gleich selbst: "Lehrerinnen und Lehrer können sich hierbei auf dem aktuellen, wissenschaftlich gesicherten Stand der Leseforschung fortbilden lassen. Dadurch werden sie mit praxistauglichen Instrumenten und Maßnahmen ausgestattet", und ein "Lernverlaufsdiagnostik"-Tool bekommen sie auch noch.
Mit anderen Worten sagt er den Lehrerinnen und Lehrern: es ist euer Problem. Nutzt gefälligst eure Fortbildungszeiten, um euch dafür fit zu machen. Zusätzliche Lehrerstellen oder zusätzliches Zeitbudget vom Land gibt es nicht. Wenn das nicht reicht, sucht euch eine Stiftung oder ein paar Ehrenamtliche, um die betroffenen Schüler_innen zu fördern.
Wer also geglaubt hat, die Landesregierung würde von sich aus ernsthafte Konsequenzen aus der Studie ziehen und wirksame Maßnahmen einleiten, um den betroffenen Schüler_innen zu helfen, sieht sich mal wieder getäuscht. Es wird jetzt darauf ankommen, an allen betroffenen Schulen Eltern, Schüler_innen und Lehrer_innen dabei zu unterstützen, die Mittel einzufordern, die nötig sind, um die Belastungen durch Fluglärm soweit als möglich zu kompensieren. Fraport und Landesregierung werden freiwillig nichts dafür tun.
Auch wenn die Realität düster ist, müssen es gute PR-Leute schaffen, ihre Auftraggeber positiv darzustellen. Wenn die Zahl der Ausnahmegenehmigungen für Starts nach 23:00 Uhr, die der heute zuständige Minister Al-Wazir früher als Abgeordneter so heftig kritisiert hat, unter seiner Verantwortung um 10% zunimmt, dann muss man zumindest versuchen, dieses unangenehme Faktum verschwinden zu lassen hinter der Aussage, dass die Zahl der Tage, an denen spät gestartet wurde, abgenommen hat. So wird aus einer negativen Bilanz doch noch eine Erfolgsmeldung.
"Hauptgründe für verspätete Starts" waren laut Pressemitteilung des Ministeriums "Gewitter, ... Enteisungsmaßnahmen ... und die zeitweise Sperrung der Startbahn West wegen zu starkem Rückenwind". Weiter freut sich der Minister, dass die "Zahl der unbegründeten Anträge auf Ausnahmegenehmigungen ... erneut nachgelassen" habe. Konkreter wird die Mitteilung hier nicht, obwohl man das doch gerne in Zahlen sehen würde. Es gibt auch durchaus unterschiedliche Auffassungen davon, was eine "unbegründete ... Ausnahmegenehmigung" eigentlich ist. Fluglärmgegner haben gegen etliche dieser Genehmigungen Beschwerde eingelegt, z.T. mit ausführlich recherchierten Begründungen, aber auch darüber erfährt man weder hier noch anderswo auf den Ministeriumsseiten etwas.
Von Landungen während der Zeit des "Nachtflugverbots" ist in der Mitteilung schon garnicht die Rede, obwohl die in der Regel wesentlich mehr stören. Hier muss man sich die Daten aus anderen Quellen zusammensuchen, z.B. aus den Jahresstatistiken des DFLD, zusammengefasst in einem Report auf der Webseite "flugauswertung.de". Demzufolge ist die Zahl der Flugbewegungen in der Kernnacht (23:00 - 5:00) von 696 in 2013 auf 788 in 2014 gestiegen (+13%). Zieht man davon die in der oben genannten PM des Ministeriums genannten Start-Zahlen (282 bzw. 311) ab, ergeben sich 414 Landungen in 2013 und 477 in 2014, eine Steigerung um 15%. Darüber muss das Ministerium aber nicht berichten, denn für Landungen zwischen 23:00 und 24:00 Uhr braucht es nichtmal eine Genehmigung, sie dürfen nur nicht erkennbar geplant sein.
Erstaunlich ist dabei auch, dass das Umwelthaus (immerhin auch eine Einrichtung des Ministeriums) andere Statistiken vorlegt. Danach gab es 2014 sogar 752 Flugbewegungen zwischen 23:00 und 24:00 Uhr, davon 341 Starts, 2013 waren es dagegen nur 585, davon 298 Starts. Das ergibt eine Steigerung der Gesamtzahl der Flugbewegungen in der Kernnacht um knapp 29%, der Starts um 14%, aber der Landungen um satte 43%. Derartige Diskrepanzen in der Zahl der erteilten Ausnahmegenehmigungen und der tatsächlich durchgeführten Flüge werfen ebenfalls Fragen auf.
Aber egal, welche Zahlen man zugrunde legt: Mehr als 60% der Verstösse gegen das "Nachtflugverbot" tauchen in der Ministeriums-PM garnicht auf, Einwände und Beschwerden werden nicht erwähnt, Einschätzungen nicht mit Zahlen belegt - was sagten Sie doch gleich bei Ihrem Regierungsantritt zum Thema "Transparenz", Herr Minister?
Am 18. Januar 2015 ist die schwarz-grüne Landesregierung ein Jahr im Amt. Sie feiert sich dafür auf den Regierungs-Webseiten gleich dreimal (mit immer demselben Text, in Kurzfassung auf der Seite der Regierung und mit einem leicht unterschiedlich formatierten und bebilderten Langtext der Staatskanzlei und des
Wirtschaftsministeriums). Einige andere Ministerien (Sozial, Innen) haben ihre eigenen Jahresbilanzen.
Soweit die Medien das Ereignis überhaupt zur Kenntnis nehmen, wird in der Regel die reibungslose Zusammenarbeit der beiden Koalitionspartner (gerne auch verknüpft mit einer Empfehlung für Berlin) in den Vordergrund gestellt. Herausragende Erfolgsmeldungen fallen auch der wohlwollendsten Zeitung nicht ein.
Aus unserer Sicht ist ebenfalls schon alles gesagt. Der Kommentar zu den ersten 100 Tagen dieser Koalition kann unverändert für das erste Jahr übernommen werden; es hat sich nichts, aber auch garnichts verändert. Allerdings werden wohl die nächsten Wochen etwas mehr Klarheit zu den Themen "Lärmpausen" und "Terminal 3" bringen - aber das wird dann zu kommentieren sein.
Mit dieser Grafik feiert der BDL seinen Erfolg.
Die Zahlen stimmen, aber die Gründe bleiben im Dunkeln.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL)
überschlägt sich gradezu vor Freude. Endlich hat auch das Umweltbundesamt bestätigt, wie erfolgreich die Luftverkehrswirtschaft den Lärm bekämpft - ganz im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern, die immer mehr Leuten auf die Nerven gehen. So sei die Zahl der "von Fluglärm betroffenen Menschen" von 2007 bis 2012 um 8.600 gesunken (-1,2%), während sie beim Strassenlärm um ca. ein Drittel und beim Bahnlärm um fast die Hälfte zugenommen haben. Nur bei sehr genauem Lesen fällt auf, dass einige Formulierungen etwas vorsichtiger sind, als es den sonstigen Jubelarien des BDL entspricht.
Hintergrund des Ganzen ist ein eher trivialer Vorgang, der dem UBA nicht mal eine Pressemeldung wert war. Im Rahmen der
Umsetzung der EU-Umgebungslärm-Richtlinie sind von den Bundesländern in regelmäßigen Abständen Lärmkarten, u.a. für Flughäfen ab einer bestimmten Grösse, zu erstellen. Nachdem die Daten aller Bundesländer für die zweite Runde dieser Kartierung vorlagen, hat das UBA jetzt dazu eine Zusammenfassung veröffentlicht, die auch eine neue Tabelle zu Flughäfen enthält (gut versteckt auf einer anderen
Seite). Vergleicht man die beiden Tabellen zu Flughäfen von 2007 und 2012, so sieht man, dass hinter der geringfügigen Abnahme der Gesamtzahl der durch die Kartierung als "betroffen" erfassten Menschen ganz unterschiedliche EInzelentwicklungen stecken. Während zwei Flughäfen (Berlin-Schönefeld und Leipzig-Halle) mit insgesamt 28.100 Betroffenen neu dazu gekommen sind und die meisten anderen Flughäfen Zunahmen zeigen, fallen zwei aus dem Rahmen: Berlin-Tegel mit -11.000 Betroffenen und Frankfurt mit stolzen -41.100 Betroffenen! Welche revolutionären Veränderungen stecken dahinter?
Das Zauberwort heisst Nachtflugverbot. In Frankfurt gilt es seit 2011 von 23:00 bis 5:00 Uhr, in Tegel von 23:00 bis 6:00 Uhr. Diese Verbote sind zwar ziemlich löchrig, aber für die Lärmkartierung wird nicht gemessen, was ist, sondern berechnet, was sein sollte. Das für die Erfassung der Betroffenheit verwendete Maß für den Fluglärm Lden umfasst den gesamten Tag (24 Std.) und enthält Zuschläge für Nachtrandstunden und Kernnacht. Allein eine Verschiebung von Flügen aus diesen Zeiten auf Tagzeiten, die am (physikalischen) Lärm garnichts ändert, sorgt daher schon dafür, dass der Lärmwert und damit die Zahl der Betroffenen sinkt.
Die Zunahmen bei den anderen Verkehrsträgern kommen im Wesentlichen daher, dass im zweiten Teil der Kartierung wesentlich mehr Strecken erfasst wurden. Ob es an einzelnen Orten wirklich lauter geworden ist, geht daraus nicht hervor.
Der BDL nutzt also hier ein völlig ungeeignetes Maß, um Schallschutz-Erfolge zu behaupten. Immerhin ist aber richtig, dass Nachtflugverbote zur Verbesserung der Lärmsituation beitragen. Und wenn der BDL sagt, dass man damit "auf dem richtigen Weg" sei, dann kann man nur fordern: weiter so! Der nächste Schritt auf diesem Weg ist ein vollständiges Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr.
Zusammenstösse zwischen Verkehrsflugzeugen sind äusserst selten ...
Während die Öffentlichkeit von Nachrichten über dramatische Flugzeug-Abstürze geschockt wurde und selbst der Bundesverband der Deutschen Luftfahrtindustrie
einräumt, dass 2014 ein "turbulentes Jahr" war, freuen sich die Statistiker der Versicherungswirtschaft über einen weiteren Anstieg des Sicherheitsniveaus. Mathematisch haben sie natürlich recht, inwieweit das tatsächlich Vertrauen schafft, sei dahingestellt.
Einige Vorfälle werfen schon Fragen auf. So wurde nach dem Absturz des AirAsia-Fluges am 28.12. bekannt, dass die Fluggesellschaft gar keine Genehmigung hatte, an diesem Tag zu fliegen. Falls das Unglück tatsächlich dadurch verursacht wurde, dass der Pilot nicht rechtzeitig die Erlaubnis bekam, einer Gewitterwolke auszuweichen, weil der Luftraum zu dicht gefüllt war, wäre das schon ein ziemlicher Skandal.
Und offensichtlich kommen derart laxe Handhabungen von Genehmigungen nicht nur im "Wilden Osten" vor. So konnte am 03.01. um 23:43 Uhr ein Airbus A331 der Etihad Airways in Köln mit Ziel Frankfurt starten, obwohl allen Beteiligten klar sein musste, dass er dort wegen des Nachtflugverbots nicht landen durfte. Nach zwei Runden über dem östlichen Rhein-Main-Gebiet
landete er um 0:25 Uhr trotzdem mit der Behauptung, er habe nicht mehr genügend Kerosin, um woanders zu landen, was so nicht zutraf. Flugsicherung und Verkehrsministerium waschen ihre Hände in Unschuld: allein der Pilot sei verantwortlich und müsse mit einem heftigen Bussgeld rechnen. Wer aber hat diesen Flugplan genehmigt, und wieso durfte die Maschine in Köln starten? Wahrscheinlich ist wohl, dass die Maschine noch nach Frankfurt sollte (wo sie schon am Nachmittag landen wollte, aber wegen schlechten Wetters nicht durfte), um Übernachtungskosten zu sparen - Nachtflugverbot hin oder her.
Auch aus der Allianz-Studie gibt es einiges zu lernen. So geht schon aus der deutschen Zusammenfassung hervor, dass die meisten Unfälle bei Anflug und Landung (57%) und beim Steigflug (24%) passieren. Was das z.B. für Raunheim bedeutet, haben wir in unserer
Doku zusammengestellt.
Und dann heißt es da noch (S.4): "Man schätzt, dass in der gewerblichen Luftfahrt 70% der tödlichen Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, wobei die Ermüdung von Piloten eine wichtige Rolle spielt." Da ist es doch schon bezeichnend, dass der Gesetzgeber auf Druck der Fluggesellschaften den Piloten aus Kostengründen nach wie vor
ausreichende Ruhezeiten verweigert.
Mit mangelndem Piloten-Training, zunehmenden Wetterrisiken durch den Klimawandel, Cyberattacken und anderem werden noch eine ganze Reihe weiterer Risiken diskutiert, die es fraglich machen, ob das Fliegen tatsächlich weiterhin sicherer wird oder nicht vielmehr die Gefahr besteht, dass der Trend sich umkehrt.