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Diese Daten liefert der 'Fraport Noise Monitor' FraNoM. Die Winddaten sind (wahrscheinlich) falsch, zeigen aber das Richtige an: Betriebsrichtung 07 war nicht notwendig.
Erst beim Durchsehen liegengebliebener Zeitungen fiel uns auf, dass vor Weihnachten mal wieder ein Wirbelschleppen-Schaden aus Raunheim gemeldet wurde. Wie die Main-Spitze berichtet (seltsamer Weise nur in der Papier-, nicht in der Online-Ausgabe), krachte es am Freitag, 16.12., "kurz vor 6 Uhr" morgens in der Carl-von-Ossietzky-Straße. Die geschilderten Umstände sind es wert, den Fall auch leicht verspätet nochmal aufzugreifen.
Nach Schilderung der Bewohnerin knallte und bebte es, und es flogen nicht nur Ziegel vom Dach, sondern vor ihrem Fenster wurde auch der Rollladen und ein Fliegengitter weggerissen. Offenbar hat die Wirbelschleppe Dach und Fassade des Hauses getroffen und an beiden Schäden angerichtet.
Das wirft erneut ein Schlaglicht auf die Behauptung von Fraport und Landesregierung, mit den Dachklammerungen seien alle Probleme gelöst. Wirbelschleppen können offensichtlich nicht nur auf Dachziegel, sondern auch auf andere Gegenstände erhebliche Kräfte ausüben und Schaden anrichten. Dokumentiert sind bereits Schäden an Dachfenstern und Solarmodulen, von fliegenden Blumenkübeln und anderen schweren Gegenständen wird immer wieder berichtet. Das Gefährdungspotential durch Wirbelschleppen bleibt bestehen, auch wenn alle Dächer geklammert sind - und das ist noch längst nicht der Fall.
Dieser Fall zeigt auch wieder, was wirklich getan werden könnte, um das Wirbelschleppen-Risiko zu minimieren. Wirbelschleppen können nur dann am Boden Schaden anrichten, wenn der Wind nicht zu stark ist, weil sie sonst schon in der Luft zu sehr geschwächt oder ganz aufgelöst werden. Bei schwachem Wind gibt es aber auch keinen Grund, aus Westen anzufliegen, und nur dort ist das Wirbelschleppen-Risiko relevant.
Die Zeitangabe in der Main-Spitze ist zu ungenau, um die Situation genau zu recherchieren, und in der Stunde zwischen 5 und 6 Uhr flogen an diesem Tag 20 Flugzeuge über Raunheim an, darunter etliche große Maschinen, die starke Wirbelschleppen erzeugen. Wir haben die Angabe "kurz vor 6 Uhr" mal sehr eng ausgelegt und den Überflug eines solchen Brummers um 5:57 Uhr betrachtet (s. Grafik). Die Typenbezeichnung B77W ist eine Kurzform, und über das damit bezeichnete Flugzeug sagt
Wikipedia: "Die 777-300ER (ER für „extended range“ – vergrößerte Reichweite) ist das größte und schwerste zweistrahlige Flugzeug. Es wird ausschließlich mit dem GE90-115B von General Electric bestückt, das mit 519 kN Schub das bisher leistungsstärkste zivile Strahltriebwerk ist." Gute Voraussetzungen für starke Wirbelschleppen - und für viel Krach, wie die Grafik zeigt (81,1 dB(A)).
Wenn die Windangaben von FraNoM richtig wären, wäre die Maschine sogar mit einer Rückenwind-Komponente von ca. 3,5 Knoten über Raunheim angeflogen. Die METAR-Daten für den fraglichen Zeitraum ergeben allerdings ein leicht anderes Bild und sprechen von schwachen Winden aus unterschiedlichen, vorwiegend östlichen Richtungen. Kein einziger Bericht im Zeitraum zwischen 4:00 und 7:00 Uhr ergibt allerdings eine Rückenwind-Komponente von mehr als 5 Knoten bei Anflug aus Osten, und auch von starken Böen ist keine Rede. Nach den geltenden Regeln hätte also Betriebsrichtung 25 geflogen werden müssen, und Wirbelschleppen-Schäden hätten nicht auftreten können. Dass die Wirbelschleppe überhaupt in der Carl-von-Ossietzky-Straße herunterkommen konnte, zeigt allerdings, dass der Wind eine deutliche südliche Komponente gehabt haben muss.
Sollte jemals ein Mensch bei einem solchen Vorfall zu Schaden kommen, wird sich auch die DFS dafür verantworten müssen, dass sie bei der Betriebsrichtungswahl das Wirbelschleppen-Risiko ignoriert. Hauptverantwortlich bleibt aber natürlich die Fraport, die glaubt, den Flugbetrieb in dieser Weise organisieren zu können, und nicht einmal alle Möglichkeiten nutzt, um die Überflughöhe soweit wie möglich zu vergrössern - was das Risiko ebenfalls mindern würde.
Für die Statistik bleibt noch festzuhalten, dass der Fraport 2016 bis einschließlich November 10 Fälle von Wirbelschleppen-Schäden
gemeldet wurden, von denen sie (willkürlich wie immer) nur 7 als solche anerkannt hat.
Für alle Betroffenen wäre es sicher hilfreich, wenn alle Fälle öffentlich gemacht würden und die jeweiligen Beurteilungen nachprüfbar wären. Auch hier versagt die Landesregierung, indem sie weiterhin den Bock zum Gärtner und Fraport zum Gutachter für die Schäden macht, die der Flugbetrieb anrichtet.
Während sich das ICAO-System CORSIA als extrem schwach entpuppt, hat zumindest der Umweltausschuss des EU-Parlaments anspruchsvollere Ziele beschlossen.
Während die EU-Kommission sich ängstlich (oder auch aus Überzeugung) den Forderungen der Luftverkehrs-Lobby beugt, zeigt der Umweltausschuss des EU-Parlaments (und das sogar in einer breiten Koalition von 'Mitte-rechts' bis 'weit links'), dass auch anspruchsvolle Reformen an den EU-Instrumenten zum Klimaschutz denkbar wären.
Auch wenn die meisten Umweltverbände insgesamt
weitergehende Vorstellungen hatten, finden die
Beschlüsse des Ausschuss zur Refom des Emissionshandels-Systems EU-ETS ab 2020 auch viel Zustimmung, weil viele wohl Schlimmeres erwartet hatten. Interessanter Weise werden aber die Teile des Beschlusses, die sich
auf die Luftfahrt beziehen, meist garnicht oder nur sehr oberflächlich erwähnt.
Natürlich sind die behandelten Fragen sehr technisch und die Beschluss-Texte nicht leicht zu verstehen, aber die grundsätzlichen Folgen, die die Umsetzung dieses Beschlusses hätte, sind klar: die Zahl der heute vorhandenen überschüssigen Zertifikate würde sinken, es würden deutlich weniger kostenlose Zertifikate vergeben, und die Emissionen müssten ab 2020 real sinken. Aus dem Text geht sogar hervor, dass die Abgeordneten davon ausgehen, dass auch internationale Flüge (wieder) vom ETS erfaßt werden, aber das ist nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungs-Aktes.
Wie ambitioniert dieser Vorschlag ist, geht aus einem
Vergleich hervor. Würde er umgesetzt, würden dadurch fast viermal mehr CO2-Emissionen eingespart, als durch das von ICAO geplante System CORSIA im besten Fall kompensiert werden könnten.
Leider stehen hinter der Umsetzung noch viele Fragezeichen. Zwar kann man angesichts der breiten Unterstützung im Ausschuss darauf hoffen, dass auch das Gesamt-Parlament im Februar diesem Beschluss im Wesentlichen zustimmen wird, wie aber ein Kompromiss aussehen wird, der zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission dazu gefunden werden muss, ist noch völlig offen. Der Umweltministerrat hat sich in seiner letzten Sitzung offenbar garnicht mit dem Thema Luftverkehr befasst und zeigte sich auch hinsichtlich anderer Aspekte der ETS-Reform
tief gespalten. Wenn aber das ETS insgesamt nicht funktionsfähig gemacht und der Preis für Emissions-Zertifikate deutlich nach oben getrieben wird, dann wird auch die Einbeziehung des Luftverkehrs keine Wirkung zeigen.
Die wichtigsten Vorentscheidungen dazu werden im Februar 2017 fallen.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, welche katastrophalen Folgen der in den jüngsten 'Freihandelsverträgen' vorgesehene Mechanismus der regulatorischen Kooperation haben kann, dann hat ihn die EU gerade geliefert.
Wie die deutsche Ausgabe des
Online-Magazin EurActiv berichtet, wendet die EU-Kommission diesen Mechanismus in vorauseilendem Gehorsam bereits an und hat ihren Vorschlag für eine Überarbeitung der europäischen Pestizid-Gesetzgebung so gestaltet, dass er den Bedenken gegen mögliche Handelsbeschränkungen Rechnung trägt. Im Kern geht es darum, erstmals eine bestimmte Klasse von hormon-wirksamen Substanzen, sog. 'endokrine Disruptoren', zu regeln. Nach dem in der EU gültigen Vorsorge-Prinzip genügt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Substanzen gravierende Gesundheitsschäden auslösen können, um Lebensmittel, die damit behandelt wurden, zu verbieten. Die USA, Kanada und viele südamerikanische Staaten verfolgen den sog. 'risiko-basierten Ansatz', der ein Verbot nur erlaubt, wenn die Substanzen in den Lebensmitteln in Konzentrationen vorliegen, für die eine Schädigung nachgewiesen ist.
Insbesondere die USA haben den europäischen Ansatz von Anfang an
intensiv bekämpft, letztlich mit Erfolg: die EU-Kommission hat ihren eigenen Vorschlag so verwässert, dass damit auch in Europa die Nutzung des 'risiko-basierten Ansatz' für diese Substanzen ermöglicht würde. Wie aus dem EurActiv vorliegenden Protokoll, das die EU-Kommission nur aufgrund von juristischem Druck herausgegeben hat, hervorgeht, hat EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis den Botschaftern aus den USA, Kanada, Argentinien, Brasilien und Uruguay versichert, dass damit ihren Bedenken gegen Handelsbeschränkungen Rechnung getragen werde.
Was die EU-Kommission hier schon aus eigener ideologischer Verbohrtheit heraus tut, würde mit Inkrafttreten von TTIP, CETA und/oder TiSA zum verpflichtenden Verfahren für alle europäischen Gremien: alle gesetzgebenden Akte sind dann nur noch unter der Prämisse möglich, dass sie den freien Handel nicht gefährden.
Das wäre dann etwa so, als müssten alle Medikamente, Therapien oder Umweltregeln hierzulande von der Industrie- und Handelskammer genehmigt werden.
Und die Gefahr ist durchaus real. Nicht einmal das mit der Wahl von Donald Trump totgesagte TTIP-Abkommen ist wirklich endgültig vom Tisch. Zumindest in seinem Beraterkreis gibt es auch Fans eines solchen Abkommens.
Bei CETA ist die Kommission zwar mit den übelsten Tricks, um das Parlament zu umgehen, nicht durchgekommen und hat sich auch prompt schon eine erste Absage eingehandelt, hat aber trotzdem gute Chancen, im Februar die Zustimmung des Gesamt-Parlaments zu erhalten. Zwar haben die Sozialdemokraten gerade mit großem Getöse die langjährige 'große Koalition' mit den Christdemokraten aufgekündigt, und es gibt auch erste Lockerungsübungen nach links, aber einen Schwenk in der Einschätzung zu CETA, der dem Glaubwürdigkeit verleihen könnte, werden mindestens die SPD-Abgeordneten verhindern. Schließlich haben ihre führenden Köpfe, Parlamentspräsident Schulz und Ausschuss-Vorsitzender Lange, jede Schweinerei der Kommission zur Durchsetzung dieses Abkommens aktiv mitgetragen.
Entsprechend gibt sich die Kommission optimistisch und verhandelt bereits mit Kanada über die Umsetzung des in CETA vorgesehenen "System der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS)".
Auch das geplante Abkommen zur Liberalisierung von Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TiSA) ist nicht mehr ganz im Zeitplan, steht aber Anfang nächsten Jahres gleich auf der Tagesordnung. Nachdem im Laufe des Jahres verschiedene Organisationen die wesentlichen Texte aus den wie immer geheimen Verhandlungen
geleakt hatten,
ergaben unterschiedlichste Analysen, dass die Gefahren durch TiSA denen durch TTIP und CETA in Nichts nachstehen.
Eine gute Übersicht dazu, inklusive der neuesten Leaks, enthält z.B. die
Broschüre des Internationalen Gewerkschaftsbundes (der wesentlich vom DGB getragen wird). Darin enthalten ist auch eine bisher wenig beachtete
Analyse des TiSA-Anhang zu Luftverkehrsdienstleistungen durch die Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft (in der ver.di Mitglied ist). Darin heißt es:
"Der TiSA-Anhang würde die Art der unter die Bestimmungen des internationalen Handels mit Dienstleistungen fallenden Luftverkehrsdienste erheblich ausweiten, was für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beträchtliche Folgen hätte. Die Arbeitsbedingungen an Flughäfen und in der Bodenabfertigung haben sich bereits drastisch verschlechtert. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen sind in diesen beiden Bereichen äußerst rar, und bei der Reparatur und Wartung der Flugzeuge geht der Trend in dieselbe Richtung. Erweiterte TiSA-Verpflichtungen werden den fortgesetzten Wettlauf nach unten weiter verschärfen."
Mithin würde auch TiSA dazu beitragen, den Billig-Trend im Luftverkehr zu verstärken und neben den Arbeitsbedingungen auch die Sicherheit gefährden und noch mehr Flugverkehr produzieren. Beobachter der Verhandlungen berichten allerdings, dass zwar "die Luftverkehrsdienstleistungen unter anderen für Australien, die Schweiz, die EU und Hongkong" wichtig sind, aber "das Niveau der Ambitionen bei Transport-Dienstleistungen wegen des Widerstandes der USA generell niedriger ist als in anderen Bereichen" (eigene Übersetzung).
Interessant ist auch, dass die EU offensichtlich in den TiSA-Verhandlungen bezüglich dem "System der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS)"
ganz andere Positionen vertritt, als sie in den CETA-Verhandlungen als Muster für alle künftigen Verträge propagiert hatte. Von einem Gerichtshof mit berufenen Richtern und Berufungs-Instanz ist dort keine Rede. Die Glaubwürdigkeit der EU-Kommission in Handelsfragen ist allerdings ohnehin auf einem Niveau, dass durch solche Widersprüche kaum noch beeinträchtigt werden kann.
Die Vorgänge um die als 'endokrine Disruptoren' bekannten Chemikalien passen zwar eigentlich nicht in den Themenkreis, den wir üblicherweise hier behandeln, sind aber auch für sich ein derartiger Skandal, dass wir noch kurz darauf eingehen wollen.
Wie das Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN in einer Pressemitteilung mitteilt, ist die Gefahr durch diese Substanzen zumindest insofern sehr konkret, als sie häufig in unseren Lebensmitteln gefunden werden. Die Bewertung der Gefahren durch die EU-Kommission, die ihrem Regulierungsvorschlag zugrunde liegt, wird von den meisten Experten außerhalb der Chemie-Industrie massiv angezweifelt. Eine Petition gegen diesen Vorschlag wurde bereits über 100.000mal unterschrieben. Trotzdem versucht die EU-Kommission weiterhin, ihren Vorschlag durchzusetzen, und möchte
noch vor Weihnachten die Zustimmung der Mitgliedsstaaten einholen. Die
Lobby-Anstrengungen auch der europäischen Chemie-Industrie dafür sind immens und machen einmal mehr deutlich, dass es auch hier nicht um einen Konflikt USA - EU, sondern um einen Widerspruch zwischen den Interessen der Konzerne und denen der Bevölkerung geht - so wie bei den Freihandels-Abkommen generell nicht ein freier Handel, sondern ein unbeschränktes Agieren der Konzerne im Mittelpunkt steht.
Wie dpa meldet, hat die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshof in einem Gutachten, dessen Bedeutung über den konkreten Einzelfall hinausgeht, Kriterien festgelegt, wann von der EU ausgehandelte Freihandelsverträge auch von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müssen. Wenn der Gerichtshof bei seinem Urteil im Frühjahr (wie meist üblich) dem Gutachten folgt, dürfte klar sein, dass die 'grossen' Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA ohne Zustimmung der nationalen Parlamente nicht in Kraft treten können.
dpa meldet auch den Neujahrswunsch der deutschen Industrie (bzw. den eines ihrer ideologisch borniertesten Vertreter): der neue US-Präsident möge bitte einsehen, dass Protektionismus der falsche Weg ist, und TTIP doch noch zum Abschluss bringen.
Es gibt sicher vieles, was The Donald ganz schnell lernen müsste - bzgl. TTIP wünschen wir uns allerdings, dass dieses Abkommen, wie die anderen auch, daran scheitern wird, dass die Bevölkerung beiderseits des Atlantik den dreisten Raubzug der Konzerne nicht mehr dulden wird.
Den Flughafen ins Meer wachsen lassen und für internationale Flüge fit machen, ist Sache des griechischen Staates und der EU - den Profit kassiert Fraport.
Dass Fraport Ryanair gegen Kritik an deren Geschäftspraktiken in Schutz nimmt, könnte nicht nur daran liegen, dass die eigenen denen immer ähnlicher werden, sondern auch daran, dass die Zusammenarbeit nicht nur auf FRA beschränkt ist.
Prekäre Arbeitsverhältnisse sind auch bei Fraport und anderen Arbeitgebern auf FRA häufig genug, und was Ryanair an staatlicher Erpressung kann, übertrifft zumindest Fraport Greece locker. Wohl wissend, dass Griechenland gar nicht anders kann, als den Privatisierungs-Deal unter allen Umständen durchzuziehen, weil sonst die 'Quadriga' dem Staat den Geldhahn abdreht, droht Fraport damit, aus dem Geschäft auszusteigen, wenn nicht eine ganze Liste von Bedingungen erfüllt wird. Nur ein Punkt aus dieser Liste ist bisher öffentlich: der Ausbau des Flughafens Thessaloniki muss zeitlich so gestaltet werden, dass er das Tourismus-Geschäft für Fraport nicht gefährdet, egal, was das an zusätzlichen Kosten oder sonstigem Aufwand für die anderen Beteiligten bedeutet. Natürlich hat das zuständige Ministerium umgehend zugestimmt.
Dieser Vorgang ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Neben der Dreistigkeit des Vorgehens der Fraport belegt er auch, dass die Behauptung von Ministerpräsident Bouffier, die Flughäfen müssten privatisiert werden, denn "dieser Staat wird sie nicht herrichten", komplett gelogen war. Die grundlegenden Ausbaumaßnahmen bleiben Aufgabe des Staates (und werden auch noch von der EU gefördert), der Fraport-Beitrag beschränkt sich, wie auch die einschlägige Pressemitteilung bestätigt, auf die geschäftsfördernden Luxusausbauten. Die genauen Konditionen des Deals sind allerdings nach wie vor nicht offiziell veröffentlicht.
Klar ist aber auch, dass die Profit-Erwartungen der Fraport nur erfüllt werden können, wenn der Tourismus-Verkehr nicht nur nicht gestört, sondern weiter gesteigert werden kann - und der Partner, der das in erster Linie bewerkstelligen soll, ist Ryanair. Thessaloniki ist für Fraport der wichtigste Flughafen, und zu den bereits bestehenden 17 Verbindungen, die Ryanair dort bedient, sollen im März 2017 vier weitere hinzukommen. Auch für andere von Fraport übernommene griechische Flughäfen hat Ryanair Steigerungen in Aussicht gestellt. Von den prekären Verhältnissen in Griechenland profitieren beide.
Alles in allem also Gründe genug für den Beginn einer wunderbaren Freundschaft - auf Kosten der Beschäftigten in Griechenland und hier.
Gefahr im Anflug - aber dagegen hilft kein Raketen-Abwehrsystem.
Nach den Worten eines Offiziellen ist die EU-Kommission sehr besorgt, ihre "internationalen Verpflichtungen" im Klimaschutz rechtzeitig zu erfüllen - leider versteht sie das ganz anders, als man glaubt.
Zum einen quält den Herrn Vis die Angst, die EU könnte "aus Versehen" ihren Beschluss wieder in Kraft treten lassen, auch internationale Flüge von und nach EU-Mitgliedsstaaten in das EU-Emissionshandelssystem einzubeziehen. Dieser Beschluss war 2013 nach Protesten u.a. der USA und Chinas bis Ende 2016 ausgesetzt worden, um abzuwarten, ob ICAO eine hinreichend anspruchsvolle Regelung für internationale Flüge findet. Das ist nachweislich nicht der Fall, trotzdem meint Herr Vis (und, wie zu befürchten ist, die ganze EU-Kommission), das der Beschluss nun dringend ganz aufgehoben werden muss, um die ICAO-Verhandlungen nicht zu "destabilisieren". Und das, obwohl das ICAO-System überhaupt erst 2027 verbindlich in Kraft treten soll.
Zum anderen wiederholt die EU-Kommission in ihrem sog. Winter-Paket den gleichen Fehler in Bezug auf sog. 'Bio-Treibstoffe', den sie in der Vergangenheit gemacht hat: Treibstoffe aus Biomasse sollen als 'erneuerbare Energie' gelten, selbst wenn ihre Treibhausgas-Bilanz schlechter ist als die fossiler Brennstoffe.
Für die Luftfahrtindustrie ist diese Einstufung entscheidend, denn Bio-Treibstoffe sind für sie, neben geringfügigen Fortschritten beim Luftverkehrs-Management und in der konventionellen Flugzeug- und Triebwerks-Technologie, der einzige Weg, echte Emissions-Reduktionen geltend zu machen. Zwar könnten die Technologie-Beiträge deutlich grösser sein, aber das Kartell der großen Flugzeugbauer Airbus und Boeing (im zitierten Report vornehm 'Marktkräfte' genannt), die ihre bisherigen Produktionskapazitäten voll ausnutzen wollen, verhindert die schnelle Einführung der dazu notwendigen neuen Technologien.
Daher findet die geplante Förderung von 'Advanced Biofuels' für die Luftfahrt nicht nur die Zustimmung der Lobbyverbände, sie fordern darüber hinaus auch noch, diese Treibstoffe für die Luftfahrt zu reservieren.
Darüber, was 'Advanced Biofuels' eigentlich sind, gehen die Meinungen stark auseinander. Während eine von der
European Climate Foundation zusammen gebrachte Koalition relativ strikte Kriterien für eine
nachhaltige Nutzung von Biomasse zur Treibstoff-Produktion formuliert, erklärt IATA in ihrer
Sustainable Alternative Aviation Fuels Strategy offen, dass diese Treibstoffe "in der vorhersehbaren Zukunft überwiegend aus Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs ... oder aus Abfällen" (eigene Übersetzung) kommen werden. Auch die von ICAO bisher zertifizierten Treibstoffe bzw. -Zuschläge stammen aus diesen Quellen und erfüllen die strengen Nachhaltigkeitskriterien nicht.
Selbst unabhängig von ökologischen Bedenken gibt es massive Zweifel an der Realisierbarkeit dieser Vorstellungen. Der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur würde
erhebliche Investitionen erfordern, von denen weit und breit nichts zu sehen ist.
Vor dem Hintergrund massenhafter illegaler Rodungen und immer neuer Skandale auch bei zertifizierten Biomasse-Nutzungen sowie der Tatsache, dass in Europa
nicht genügend Land für den Anbau von Energiepflanzen zur Verfügung steht, ist absehbar, dass die Versprechungen von Emissions-Reduktionen im Luftverkehr ab 2030 oder 2050 nur heiße Luft sind. Wenn das Weltklima nicht völlig aus den Fugen geraten soll, darf die europäische Luftfahrt ihre Wachstumsfantasien nicht realisieren.
Wir wissen nicht, wie die Unterhaltung zwischen den Herren Schulte und Dobrindt wirklich abgelaufen ist. Aber wir finden, dieser Text passt sowohl zu den Abläufen als auch zu den Bildern.
Noch Ende November hatte Verkehrsminister Dobrindt verlauten lassen, dass es bis Jahresende ein neues Luftverkehrskonzept der Bundesregierung geben werde. Nur zwei Wochen später teilt sein Staatssekretär einer Arbeitsgruppe von 'Stakeholdern' mit, dass es damit nichts wird und erst die nächste Bundesregierung (nach den Wahlen im Herbst 2017) darüber befinden wird. Die Öffentlichkeit erfährt davon durch eine verärgerte Presseinformation von drei beteiligten 'Umweltorganisationen' (BUND, Bundesvereinigung gegen Fluglärm BVF und Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen ADF). Auf der Webseite des Ministeriums findet sich zu dem ganzen Debakel kein Wort.
Damit bleibt es zunächst bei den
drei Eckpunkten, die der Minister schon vorher verkündet hatte (einen offiziellen Text dazu gibt es ebenfalls nicht, nur Presseberichte):
Auch auf europäischer Ebene geht es mit den Formalia offenbar nicht recht voran. Ziemlich genau ein Jahr nachdem die Kommission ihren
Entwurf für eine Luftfahrtstrategie für Europa vorgelegt hat, wollte sich das EU-Parlament am 14.12. damit beschäftigen, aber der Punkt wurde in letzter Minute von der Tagesordnung gestrichen. Offenbar war es dem federführenden Verkehrsausschuss nicht gelungen, rechtzeitig einen Kompromiss auszuarbeiten, nachdem sowohl der Umwelt- als auch der Sozial-Ausschuss kritische Anmerkungen zum Entwurf vorgelegt hatten. Ob sich davon im endgültigen Parlamentsbeschluss mehr wiederfinden wird als in der ersten Stellungnahme, entscheidet sich wohl erst im Februar nächsten Jahres.
Aber auch hier kann sich die Industrie entspannt zurücklehnen, denn die Kommission handelt auch ohne Parlamentsbeschluss in ihrem Interesse.
Was von dem Gerede über die notwendige 'Stärkung der Luftverkehrsindustrie' zu halten ist, zeigen die Tatsachen, dass die meisten Fluggesellschaften Rekordprofite einfahren, die Subventionen ohnehin schon schwindelerregende Höhen erreichen und die Lobby-Verbände auch in anderen Weltregionen das gleiche Gejammer anstimmen. Aber auch hier gilt natürlich die alte Unternehmerweisheit: Profit kann man nie genug machen.
Bei der diesjährigen "Internationalen Konferenz Aktiver Schallschutz" des Umwelthauses / Forum Flughafen und Region gab es anscheinend wenig Neuigkeiten. In den Medien gibt es kaum Resonanz, lediglich Echo Online und das Wissensmagazin scinexx berichten sehr ähnlich über die neuen Anflugverfahren, die die DLR am Frankfurter Flughafen testet. Details sind für Aussenstehende noch nicht zu erfahren, denn das UNH hat zwar schon eine Seite für die Video-Dokumentation eingerichtet, aber zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrags war dort noch kein Inhalt zu finden.
Eher wie ein Kuriosum wirkt ein Beitrag eines Vertreters der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO, der über Arbeiten zur Standardisierung der Lärmbelastung durch Überschallflüge berichtet hat. Aber 13 Jahre nach dem Ende der unseligen Concorde hofft die Flugzeugbau-Industrie offenbar tatsächlich darauf, dieses aktuell dem Militärflugbetrieb vorbehaltene Segment neu für die Zivilluftfahrt erschliessen zu können. Während die Forschung an überschall-schnellen großen Passagierflugzeugen noch überwiegend steuerfinanziert, z.B. von der
NASA, durchgeführt wird, möchten kleinere Spezialfirmen schon bald das Luxus-Segment von Privatjets für die eiligen Superreichen erschliessen - unter wohlwollender Beobachtung bzw. Beteiligung der Großen Airbus und Boeing.
Diese nächste Generation der Supersonic Jets soll am Boden nur noch einen kleinen Knall erzeugen - den großen Knall haben diejenigen, die glauben, dass bei einer solchen Entwicklung die Lärmschutz-Aspekte ohne öffentlichen Druck angemessen berücksichtigt würden.
Aktuelle Verlautbarungen und eine schon etwas ältere Übersicht bestätigen, dass ICAO mit ihren Aktivitäten zum Überschall-Flug nicht alleine dasteht. Auch wenn bisher überwiegend nur kleine Start-ups daran tüfteln - die Großen der Branche und Milliarden-schwere Investoren haben die Nische im Blick und werden einsteigen, wenn sie ein Geschäft wittern.
Eher etwas mit Schallschutz hätte die Idee von Boeing zu tun, einen senkrecht startenden Passagier-Jet zu entwickeln. Sie haben vor Kurzem ein Patent dafür angemeldet, aber allen diesen Projekten ist gemeinsam, dass es anfangs großartige Verlautbarungen und anspruchsvolle Zeitpläne gibt. Ob und wann mal etwas daraus wird, ist offen.
Auch das Umwelthaus braucht seine Zeit - die ICANA-Ergebnisse sind immer noch nicht online.
Sie haben es geschafft: die Vorträge der Konferenz, inklusive einiger Diskussionen, sind in Form von Videomitschnitten online, und auch die Vortragsfolien sind dort verfügbar.
Wer sich also die kommenden Feiertage mit solchen Themen verderben will, kann nun das Wichtigste der beiden Konferenztage nachvollziehen. Viel Hoffnung Schaffendes fürs neue Jahr dürfte nicht dabei sein. Sollte uns noch etwas Wesentliches darin begegnen, werden wir in eigenen Beiträgen darüber berichten.
Das am Flughafen Frankfurt geplante Projekt zu Erfassung der Immissionen von Ultrafeinstaub nimmt langsam Gestalt an. Die Leistungsbeschreibung, die Bestandteil der Ausschreibung war, gibt an, was das UBA erwartet, und das Ingenieur-Büro Lohmeyer als Leiter des Konsortiums, das den Zuschlag erhalten hat, beschreibt die geplante
Durchführung. Aus den Unterlagen ist zu schließen, dass keiner der Beteiligten schon größere Erfahrung mit Ultrafeinstaub hat, und es ist zu hoffen, dass sie nach Abschluss des einleitenden Literatur-Studiums noch mal überprüfen werden, was sie da vorhaben. Nicht nur sind die Emissionsdaten, auf die sie sich schützen wollen, teilweise veraltet, auch das auch von Herrn Jacobi berichtete Faktum, dass die Ausbreitung von Ultrafeinstaub offenbar anderen Gesetzen folgt als die Ausbreitung anderer Schadstoffe, findet bisher keine Berücksichtigung. Ob die Standard-Ausbreitungsmodelle, mit denen gerechnet werden soll, durch reine Parameter-Anpassung auch die UFP-Ausbreitung halbwegs korrekt angeben können, ist keinesfalls sicher.
Ein weiterer gravierender Mangel wird aber mit Sicherheit nicht zu korrigieren sein. Die Flugzeuge als Quelle der Emissionen werden nur summarisch über den "Landing, Taxi and Take Off" (LTO) -Zyklus nach sog. Journal-Einträgen erfasst. Angesichts des sehr direkten Zusammenhangs zwischen Überflug und Immission am Boden, wie er in allen zeitlich hoch aufgelösten Messungen (u.a. des BBI-Arbeitskreises) zu sehen ist, wäre es absolut notwendig, die reale Bewegung der Flugzeuge in der Umgebung des Flughafens zu erfassen, wie das in der NORAH-Studie zur genauen Erfassung des jeweils am Ort einwirkenden Lärms gemacht wurde. Das würde allerdings einen deutlich höheren Aufwand erfordern (selbst wenn die NORAH-Daten zur Verfügung stehen), und solche Nachbesserungen sind in aller Regel im Projekt-Budget nicht vorgesehen.
Die Modellrechnungen zur Ausbreitung von ultrafeinen Partikeln rund um den Flughafen, die am Ende des Projekts wohl vorliegen werden, können also in keinem Fall die exaktere Auswertung der Messungen in Raunheim (die HLNUG immer noch verweigert) ersetzen.
Am Flughafen Düsseldorf, der eine Kapazitätserweiterung beantragt hat, spielt erstmals das Thema Ultrafeinstaub in einem Genehmigungsverfahren von Anfang an eine Rolle. Nicht nur hat eine dortige BI mit eigenen Messungen schon öffentliches Aufsehen erregt, sie konnten auch durchsetzen, dass ein Gutachten in das Verfahren eingebracht wurde, das die gesundheitlichen Folgen von Ultrafeinstaub thematisiert. Die dortigen Genehmigungsbehörden werden es nicht ganz leicht haben, dieses Gutachten vom Tisch zu wischen, auch wenn sie die Ausflüchte, die Herr Jacobi regelmäßig vorbringt, schon übernommen haben.
Auch das UBA bearbeitet das Thema noch in anderen Zusammenhängen. So hat es gemeinsam mit der TU Berlin ein
Symposium durchgeführt, das eine Unmenge von aktuellen Informationen zu Emission und Wirkung von Ultrafeinstäuben in verschiedenen Bereichen zusammengetragen hat. Leider sind die dort vorgelegten Präsentationen nur für die Teilnehmer*innen zugänglich. Die wichtigsten Ergebnisse aus ihrer Sicht haben zwei Mitglieder des BBI-AK in einem
Bericht zusammengefaßt.
Darüber hinaus hat das UBA auch noch ein neues Projekt zu den gesundheitlichen Wirkungen von UFP ausgeschrieben.
Dass ultrafeine Partikel eine besondere Gefahr darstellen und in die Luftüberwachung einbezogen werden müssen, wird mittlerweile kaum noch bestritten. Die Meß-Praktiker, organisiert im Verein Deutscher Ingenieure, machen trotzdem nochmal einen Versuch, doch lieber die Messung von Ruß, die in den neunziger Jahren aufgegeben wurde, wieder aufzunehmen. Ihr
Statusbericht legt nahe, dass Rußmessungen einfacher und billiger sind und trotzdem das Risiko hinreichend erfassen, da Ruß zu 75% aus ultrafeinen Partikeln bestehe und viel besser mit einschlägigen Krankheiten korreliere als z.B. der bisher gemessene Parameter PM2.5. (Der Leiter der Arbeitsgruppe, die den Bericht erarbeitet hat, ist Herr Jacobi.) Nun wäre es sicher nicht schlecht, flächendeckende Ruß-Messungen als Indikator für den Anteil von Verbrennungsprozessen an der Luftverschmutzung zu haben - eine Alternative zum Zählen der ultrafeinen Partikel ist es allerdings nicht, schon garnicht, wenn man die Beiträge unterschiedlicher Verbrennungsprozesse ermitteln will.
Zusätzliche Bewegung kommt in die Diskussion, weil eine neue Quelle ultrafeiner Partikel aufkommt, die ebenfalls unzureichend reguliert ist. Die Deutsche Umwelthilfe weist in einer
Pressemitteilung darauf hin, dass die jüngste Generation von Benzin-Direkteinspritzer-Motoren wesentlich mehr ultrafeine Partikel ausstößt als die geltende
Abgasnorm erlaubt. Wie die EU-Umweltorganisation 'Transport & Environment' in einem
Briefing erläutert, versuchen wesentliche Teile der Autoindustrie derzeit, statt entsprechende FIlter einzubauen, die Meßvorschriften zu verwässern. Auch um zu klären, was da passiert und wie gut die Vorschriften wirken, wird man um das Messen der Partikelzahlen nicht herumkommen.
Passender Weise hat das EU-Parlament nach langen Verhandlungen nun doch noch beschlossen, neue Ziele für die Reduktion der Luftverschmutzung in Europa zu setzen und dabei auch den Feinstaub zu begrenzen - zwar nur als PM2.5, aber wenn sie die Ursachen gezielt bekämpfen wollen, werden die Mitgliedstaaten nicht darum herum kommen, auch den Ultrafeinstaub-Anteil daran zu messen. Es ist allerdings eher ein langfristiges Projekt, denn die Ziele gelten für 2030.
Das Beste, was zu diesem Thema zu vermelden ist, ist wohl, dass am 4.11. das Pariser Abkommen zum Klimaschutz
in Kraft getreten ist. Aber schon bei der 07.11. eröffneten
Nachfolgekonferenz COP22 zeigt sich, dass die Umsetzung extrem schwierig werden wird - obwohl der neue US-Präsident, der neben allen sonstigen abartigen Vorstellungen auch noch den Klimawandel für eine chinesische Erfindung hält, noch gar nicht im Amt ist. Ein aktueller UNEP-Bericht zeigt, dass von der notwendigen Trendwende bei den Treibhausgas-Emissionen noch nicht die Rede sein kann, und von der Umsetzung der in Paris gegebenen Versprechen ist nirgendwo etwas zu sehen. Im Gegenteil beginnen Staaten bereits, Bedenken zu äussern oder gleich ganz Rückzieher zu machen.
In Deutschland gibt Wirtschaftsminister Gabriel
den Klima-Trump, beugt sich den Wünschen des BDI-Präsidenten und der Fossil-Gewerkschaft IG BCE und schickt seine Parteifreundin Hendriks mit einem
völlig verwässerten Klimaschutzplan nach Marrakesch (wo sie dafür einen besonderen Preis abholen darf). Auch die Brandenburger SPD
setzt ganz auf Braunkohle und wird dabei auch von ihrem Koalitionspartner Die Linke nicht gebremst, ebenso wenig wie die NRW-SPD von den Grünen. Darüber hinaus versucht Gabriel auch noch, Druck auf China auszuüben, um dort die Einführung von Elektro-Autos zu verlangsamen.
Vom Klimaschutz im Luftverkehr gibt es auch nichts Positives zu berichten. ICAO hat inzwischen den
endgültigen Resolutions-Text zu ihrem
Beschluss über einen marktbasierten Mechanismus zum Offsetting des Zuwachses der CO2-Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr namens CORSIA veröffentlicht. Der ICAO-Präsident hat diesen Beschluss in Marrakesch
stolz präsentiert, aber konkret dazu auch nur sagen können, dass bisher "Staaten, die mehr als 86,5% des internationalen Luftverkehrs repräsentieren", sich freiwillig bereit erklärt haben, an der ersten Phase dieses Systems ab 2021 teilzunehmen. Diese Erklärungen sind allerdings noch keineswegs bindend, und sie decken auch nicht 86,5% des Emissionszuwachses ab. Tatsächlich beträgt die Abdeckung nach Berechnungen des
Environmental Defense Fund bis 2026 nicht einmal 2/3 des Zuwachses und steigt danach auf knapp 80%. Sollte der Irre auf dem US-Präsidentenstuhl tatsächlich durchsetzen, dass die USA wieder aussteigen, betrügen die entsprechenden Zahlen 46% bzw. 59%. Luftfahrt-Experten halten das nicht für ausgeschlossen. Selbst wenn es dazu nicht kommen sollte, werden die USA sicherlich unter Trump keinen positiven Beitrag zur Klärung der vielen noch offenen Fragen zu diesem Mechanismus leisten.
Umweltorganisationen schätzten die Vereinbarung schon vorher als unzureichend ein und fordern Nachbesserungen, die aktuell wohl wenig Chancen haben. Auch Vertreter von Fluggesellschaften glauben nicht, dass der Mechanismus
vor 2030 Wirkungen zeigt. Derweil hat Atmosfair einen neuen Airline Index zur Energieeffizienz im Luftverkehr vorgelegt, der selbst nach Ansicht von Luftfahrt-Lobbyisten beweist, welch enge Grenzen den Fortschritten im technischen Bereich gesetzt sind. Der Spiegel steuert noch ein
anschauliches Beispiel bei, was das bedeutet.
Wer also Chancen sieht, das Jahr 2050 (oder gar 2100) noch zu erleben, darf sich auf eine ereignisreiche Zeit vorbereiten.
Die ARD-Sendung Monitor zeigt in einem 6-Minuten-Beitrag alles Wichtige zum sog. 'Klimaschutz-Abkommen' der ICAO. Prädikat: Empfehlenswert.
Ausserdem gibt es einen neuen Bericht über die Entwicklung der CO2-Emissionen und einen
neuen Wärmerekord. Die Zeit bis zum Durchbrechen der Klimaziele läßt sich neuerdings auf Uhren ablesen, in den USA machen unter Trump Klimaleugner Karriere, und Greenpeace
würdigt den Klimaschutzplan 2050.
Am Rande des diesjährigen
Welt-Klimagipfel in Marrakesch gab es auch noch ein paar wenige Informationen zum ICAO-'Klimaschutzprogramm'. ICAO selbst hat neben der oben schon zitierten Rede auch noch ein erläuterndes Papier, eine sog.
Submission, eingebracht, die aber auch nichts wesentlich Neues enthält. EU-Parlamentarier haben einige Ideen geäussert, wie das Emissionshandelssystem
EU ETS in Bezug auf die Luftfahrt an die neuen Bedingungen angepaßt werden sollte. Demnach ist nicht zu erwarten, dass die EU den internationalen Luftverkehr wieder, wie ursprünglich geplant, in das System einbeziehen wird. Wenn überhaupt, soll bestenfalls eine teilweise Einbeziehung derjenigen Flüge erfolgen, die von CORSIA garnicht erfasst werden.
Der
Europäische Rechnungshof hat der EU-Kommission bescheinigt, dass sie bei der Berechnung ihrer Klimaschutz-Leistungen "innovativ" sei, aber trotzdem die gesetzten Ziele nicht erreichen wird. Eine
Studie im Auftrag von Umweltverbänden sagt der Bundesregierung für ihre Emissionsziele 2020 das Gleiche voraus.
Luftkampf über FRA: Wer kann billig ?
Zuhause läuft es derzeit überwiegend nicht gut für Fraport. Auch im kommenden Winter wird das Wachstum
negativ sein, und diesmal nimmt nicht nur die Zahl der Flugbewegungen ab, sondern auch die der angebotenen Sitzplätze. Liegt natürlich nur an den "geopolitischen Rahmenbedingungen", aber wann die mal wieder besser werden, weiß kein Mensch. Auch der Zuwachs an Beschäftigten bleibt minimal, und wann die für den Ausbau-Fall für 2015 versprochenen
100.000 zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen werden, darüber möchte Fraport gar nicht mehr reden.
Dass Fraport trotzdem einen
Gewinnsprung verzeichnen darf, liegt einzig an besonderen Entwicklungen im Ausland. Aber auch dort gibt es jede Menge Baustellen, und die beste Nachricht (für Fraport) kommt aus Griechenland: das oberste griechische Verwaltungsgericht, der Staatsrat, hat die letzte
Klage zurückgewiesen, so dass im Februar nächsten Jahres 14 Regionalflughäfen
als All-Inklusive-Paket an Fraport übergeben werden können. Die zuständige Gewerkschaft ist zwar nach wie vor nicht begeistert, sieht Fraport weiterhin als
Eroberer und sucht nach weiteren Klagemöglichkeiten, aber angesichts der weiter sehr hohen Arbeitslosigkeit und zunehmenden Verelendung in Griechenland sind ihre Möglichkeiten zum Widerstand gering. Ideale Bedingungen also für die griechische Tochter 'Fraport Greece', die die Flughäfen zu Luxus-Zentren für Touristen ausbauen will.
Die Lösung für das Problem des falschen Vorzeichens beim Wachstum auf FRA soll die bereits im Frühjahr angekündigte neue Strategie bringen: Alle machen auf Billig. Nach der
Ankündigung, dass im Sommer 2017 mit Ryanair der
größte und fieseste Billigflieger auf FRA aktiv wird, gab es zunächst ein großes Rauschen im Blätterwald. Während die regionalen Medien wie FAZ, FNP, FR und
hessenschau pflichtschuldigst die Meinungen der lokalen Akteure wiedergeben (man kennt ja seine Werbekunden), wird das Ganze
von vermeintlichen oder tatsächlichen externen Experten als Medienspektakel oder gar als
Zickenkrieg abgetan.
Auf der politischen Bühne gab es zunächst den üblichen Parteienstreit, wobei die Grünen sogar ein bißchen Koalitionsstreit spielen, dabei aber gleich selbst deutlich machen, dass das was sie sagen und was sie tun ganz verschiedene Dinge sind. Die CDU findet alles ganz toll, die SPD sorgt sich, ob Fraport damit auch wirklich Erfolg hat und ätzt gegen die Grünen. Lediglich die Linke fordert (wenn auch sehr zurückhaltend) das Land Hessen und die Stadt Frankfurt als Anteilseigner auf, den Billig-Kurs der Fraport zu unterbinden. Ansonsten konzentriert sich der Streit darauf, ob Minister Al-Wazir den Fraport-Entwurf für eine neue Entgelt-Ordnung und die darin vorgesehenen Rabatte für Ryanair genehmigen darf bzw. sollte. Das Ministerium hat schon verlauten lassen, dass die Genehmigung wohl kommen wird. Lufthansa-Chef Spohr hat daraufhin angekündigt, dass LH in diesem Fall auch nicht mehr zahlen werde. Gleichzeitig droht er aber auch damit, den eigenen Billigflieger Eurowings
nach FRA zu holen, was Fraport auch begrüssen würde.
Und was bedeutet das Ganze nun für die Bewohner*innen der Region? Während die FAZ darauf hinweist, dass Billigflüge auch nicht lauter sind als andere, aber mehr davon eben auch mehr Lärm bedeuten, meint Ministerpräsident Bouffier, "dass das eine mit dem anderen gar nichts zu tun hat". Da darf nun jede/r für sich entscheiden, ob sie/er diesen Herren nur für dumm oder für besonders dreist hält (wir glauben, er ist beides). Sein zuständiger Minister ist nicht ganz so unverschämt und teilt mit, er gehe "nicht davon aus, dass die jetzt angekündigten neuen Flugverbindungen zu einem sprunghaften Anstieg der Bewegungszahlen und der Lärmbelastung führen werden". Soweit er die für Sommer 2017 konkret angekündigten 28 Flüge pro Woche meint, stimmt das, weil die nur in etwa das kompensieren, was die praktisch bankrotte Air Berlin aufgeben will. Was die erklärten Absichten von Fraport und Ryanair angeht, ist bestenfalls richtig, dass der gewünschte Anstieg nicht "sprunghaft" verlaufen muss. Interessant ist aber, was er zu den Regeln für die Genehmigung zu sagen hat.
In der Mitteilung des Ministeriums heißt es, die "Incentivierung von Neubewerbern ist von Gesetzes wegen nicht per se verboten", sondern müsse "anhand von § 19b LuftVG" geprüfte werden. "Liegen die Voraussetzungen vor, muss genehmigt werden." Aber nach diesem Paragraphen "ist zu gewährleisten, dass ... allen Flugplatznutzern in gleicher Weise Zugang zu den Dienstleistungen und Infrastrukturen des Verkehrsflughafens ... gewährt wird" und ihnen "nicht ohne sachlichen Grund Entgelte in unterschiedlicher Höhe auferlegt werden". Die Öffnungsklausel, die Abweichungen erlaubt, lautet "Eine Differenzierung der Entgelte zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen ist ... zulässig", als Beispiele werden "Differenzierung der Entgelte nach Lärmschutzgesichtspunkten" oder nach Schadstoffemissionen genannt.
Der Minister kann die "Incentives" genannten Rabatte also nur genehmigen, wenn er glaubt, dass das Anlocken von mehr Billig-Flugverkehr im "öffentlichen oder allgemeinen Interesse" ist - eine völlig unpolitische Entscheidung.
Mittelfristig wird es aber unabhängig von irgendwelchen Rabatten auch in Frankfurt verstärkt dazu kommen, dass die Jagd nach den im Flugverkehr möglichen Profiten immer mehr auf Kosten der Belegschaften und der Bevölkerung ausgetragen wird. Ryanair ist nur das Musterbeispiel einer Fluggesellschaft, die die Preise dadurch drücken kann, dass die Personalkosten an der untersten Grenze gehalten werden. Konkurrenten wie Eurowings, die den Sozialabbau in ihren Belegschaften nicht so schnell durchsetzen können, müssen anderswo sparen und wollen das laut Herrn Spohr tun, indem sie billigere Gebrauchtflugzeuge, die ruhig laut und dreckig sein dürfen, einsetzen. Fraport versucht die Gebühren niedrig zu halten, indem immer mehr Leistungen outgesourct und durch prekäre Arbeit erbracht werden. Darunter werden alle zu leiden haben - bis auf die, die die Profite einstreichen. Von gesellschaftlicher Verantwortung, Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz und solchem Kram redet da ohnehin keiner mehr.
In der politischen Debatte um das Anlocken von Ryanair übt die SPD nun
scharfe Kritik: "Prinzipiell sei es richtig, dass sich Airlines aus dem Low-Cost-Segment ansiedelten, da es 40 Prozent
des Flugverkehrs in Europa ausmache. Auch das Anwerben durch Vergünstigungen sei richtig". Also eigentlich alles in Ordnung, aber dass ausgerechnet Al-Wazir ... ein typisches TSG-Argument eben - taugt so garnichts.
Im Landtag wies die Linken-Fraktionsvorsitzende Wissler darauf hin, dass zwei Ryanair-Landungen kommenden Sommer kurz vor Beginn des Nachtflugverbots geplant sind - mit der durchaus realen Gefahr, dass ähnlich wie bei Air Berlin regelmäßige Verspätungen bereits einkalkuliert sind.
Derweil ärgert Fraport ihren Hauptkunden - und die ganze Region - erneut. Auch die Golf-Airlines bekommen ein spezielles Angebot, allerdings keine befristeten Rabatte, sondern gleich ein speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Terminal. Der FNP-Kommentator
ärgert sich über die miserable Informationspolitik von Fraport und besonders darüber, dass auch er seine Informationen aus einem
Interview des Fraport-Finanzvorstands mit dem Nachrichtendienst Bloomberg beziehen muss, aber es lohnt sich generell, das Original zu lesen. Dort heißt es zunächst: "Ein eigenes Stockwerk wird eingefügt werden, um den Bedarf der Mittelost-Anbieter nach mehr Raum zu befriedigen und damit den Platz für Luxus-Lounges zu verdoppeln, sagt Zieschang. Die Design-Änderung trägt zu der einjährigen Verzögerung der Fertigstellung des Terminal auf 2023 bei und könnte die Baukosten über die veranschlagten 3 Milliarden Euro hinaustreiben." Und zur Begründung heißt es: "Luxus-Verkehre 'boomen' und sind lebhafter als der Gesamtmarkt, sagt Fraport's Zieschang". (Alle Zitate eigene Übersetzung).
Weiterhin kann man aus diesem Artikel lernen, dass Lufthansa nicht komfortabel genung eingestuft ist, um mit Quatar Airways und Etihad im Luxussektor zu konkurrieren, und dass Emirates und Etihad sehr wohl (anders als die FNP suggeriert) ihr Angebot an Flügen nach FRA problemlos erhöhen könnten. Ein kleines Bonbon gibt es am Schluss auch noch, und das zitiert man am Besten im Original: "Fraport is also building a second, larger common-use luxury lounge in Terminal 1 to complement its existing offering in the same building. Entry to the facility costs 300 euros a person. In January, a hotel within the terminal’s security zone will open, with rooms available by the hour, Zieschang said." Ein Luxus-Stundenhotel ist wahrhaftig das, worauf die Region noch gewartet hat.
Von anderen Bedarfen der Region, die angeblich den Ausbau notwendig gemacht haben, ist nicht mehr die Rede.
Inzwischen kann man auch in der deutschen Fachpresse (oder was sich dafür hält) sowohl über die Ausbaupläne als auch über die SPD-Kritik Genaueres lesen. Letztere richtet sich danach primär gegen "schlechte Arbeitsbedingungen, die Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit sowie die Ablehnung von Tarifverträgen" bei Ryanair, was diese natürlich
umgehend dementiert. Natürlich dürfte kaum jemand den Herren O'Leary und Kiely diese Behauptungen abnehmen, ab was glaubt Herr Schäfer-Gümbel eigentlich, warum die anderen Billigflieger so deutlich günstigere Angebote machen können als die etablierten Airlines? Wenn er ausdrücklich zitieren läßt: "Gegen Low-Cost-Airlines im Allgemeinen hat er aber nichts", meint er dann 'Sklaventum nein danke, Elendskapitalismus ja bitte'? Vielleicht sollte er zum Sozialdumping im Luftverkehr die Meinungen
des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss,
der Flughafenbeschäftigten und
der Piloten zur Kenntnis nehmen.
Derweil kann sich Fraport freuen, dass im Nahen Osten ein weiterer Carrier das Luxus-Segment für sich erschliessen will und besonders gut zu den neuen Geschäftsmodellen paßt, die Fraport anwerben will, weil er gleich auch noch einen eigenen Billigflieger mitbringt. Blöderweise baut er auch noch einen eigenen Flughafen, der als Hub-Konkurrenz für den Fernost-Verkehr auftreten will ...
DPA meldet, dass Fraport den Entwurf für die Entgeltordnung 2017 bei den Rabatten nochmal nachgebessert hat. Daraus darf man wohl schliessen, dass die Genehmigung tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
Spät aber doch haben der Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann und der Landrat des Kreises Groß-Gerau und Vorsitzende der 'Zukunft Rhein-Main', Thomas Will, Minister Al-Wazir aufgefordert, die Rabatte zum Anlocken neuer Kunden für Fraport nicht zu genehmigen. Sie verweisen dabei ebenfalls darauf, dass "eine Differenzierung der Entgelte ... nach dem Luftverkehrsgesetz lediglich zur Verfolgung von öffentlichen oder allgemeinen Interessen zulässig" ist und wenden sich, anders als ihr Parteifreund Schäfer-Gümbel, generell gegen Billigflieger auf FRA.
Zu Ryanair wäre noch zu ergänzen, dass sich deren Chef O'Leary erneut als der Donald unter den Airline-Chefs positioniert hat, indem er das Gerede des "global warming mob" als 'kompletten Schwindel' ("completely bogus")
bezeichnet hat. Möglicherweise ist er aber auch nur der Einzige in diesem Club, der sich traut, diese Meinung offen auszusprechen - schließlich hat er ja keinen guten Ruf mehr zu verlieren.
Und nun ist es soweit: das Ministerium hat die neue Entgeltordnung in der von Fraport beantragten abgeänderten Form genehmigt. Das Ministerium hebt drei Elemente als wichtig hervor: laute Flugzeuge sollen mehr bezahlen, mit modernen Navigationsgeräten, d.h. GBAS, ausgerüstete Flugzeuge weniger, und für zusätzliche Passagiere gibt es Rabatte. Inwieweit ersteres etwas bringt, läßt sich erst beurteilen, wenn die Details veröffentlicht werden; den alten Vorschlag hatte die Fluglärmkommission als unzureichend kritisiert. GBAS zu fördern, ist sicherlich in Ordnung, auch wenn der Effekt begrenzt bleiben dürfte. Der dritte Punkt bleibt ein Skandal, selbst wenn eine 'Lex Ryanair' abgewendet wurde: Anreize dafür, zusätzlichen Flugverkehr nach FRA zu ziehen, sind unverantwortlich, egal ob sie nun nur neuen oder auch den bisher schon hier aktiven Fluggesellschaften zugute kommen. Entsprechende Kritik wird in der Pressemitteilung des BBI formuliert.
Diese Dunklen Mächte sind schon länger aktiv, aber derzeit laufen sie zu Hochform auf.
Am 18.Oktober wollen die EU-Mitgliedsstaaten einstimmig ihre Zustimmung zum Freihandelsabkommen mit Kanada beschließen, damit die Kommission es kurz danach bei einem Besuch des kanadischen Premierministers unterzeichnen kann. Damit das möglich wird, werden zahlreiche Hürden aus dem Weg geräumt - mit allen Mitteln.
In Deutschland mußte, nachdem Minister Gabriel den Widerstand in seiner Partei ausgetrickst hat, noch das Bundesverfassungsgericht überzeugt werden, jetzt kein weiteres Hindernis aufzubauen. Das ist diese Woche gelungen, die Eilanträge der diversen Klage-Initiativen, die die Zustimmung des Ministers kommenden Dienstag verhindern sollten, wurden abgelehnt. Zwar war es kein voller Erfolg für die Regierung, denn das Gericht hat die Klagen zur Hauptverhandlung angenommen und Auflagen für die jetzige Zustimmung formuliert, die u.a. Mehr Demokratie e.V., Campact und foodwatch als großen Erfolg feiern.
Tatsächlich ist völlig unklar, wie die Forderungen des Gerichts rechtssicher erfüllt werden können, und auch die Zusatzvereinbarung, die Gabriel seinen Parteifreunden versprochen hatte, liefert nicht das, was angekündigt war. Auch ist der juristische Widerstand längst nicht überwunden, weil nicht nur die Hauptverhandlung vor dem Verfassungsgericht irgendwann im kommenden Jahr droht, sondern es auch noch zahlreiche Initiativen in den Bundesländern gibt wie z.B. das
Volksbegehren in Bayern, das am 14.10. weit mehr als die zur Beantragung notwendigen Unterschriften abgegeben hat. Mit ihnen soll CETA über den Bundesrat gestoppt werden.
Das erste Ziel aber hat die Bundesregierung erreicht: Deutschland wird trotz der breiten Proteste in der Bevölkerung den Prozess der Unterzeichnung zunächst nicht aufhalten.
Auch in anderen EU-Ländern wurden vorhandene Widerstände mit zweifelhaften Mitteln weggeräumt. So hat die Regierung in Frankreich eine Abstimmung in einem Parlamentsausschuss manipuliert, um eine Abstimmung im Plenum, für die die Regierungsmehrheit nicht sicher war, zu verhindern. Auch die SPÖ ist trotz einem eindeutigen 'Nein' in der Mitgliederbefragung umgefallen, und der östereichische Bundeskanzler Kern ist inzwischen voll auf Gabriel-Linie. Lediglich in Belgien gibt es noch Probleme, da zwei Regionalparlamente, auf deren Zustimmung die Zentralregierung (eigentlich) angewiesen ist, mit großer Mehrheit CETA abgelehnt haben. Aber auch das wird sich wohl umgehen lassen.
Auch im Europaparlament ist es gelungen, sicherzustellen, dass das Abkommen im nächsten Jahr im Schnellverfahren durchgezogen werden kann. Der nette Herr Trudeau hätte also gar nicht mehr so ungewohnt
auf die Pauke hauen müssen.
Auch bei TTIP will die Kommission nicht aufgeben. Zwar mußten die Unterhändler nach der letzten Verhandlungsrunde eingestehen, dass das Ziel, die Verhandlungen bis zum Jahresende abzuschließen, nicht erreicht werden kann, und außerdem hat die Kommission neuerdings eine kritische Klage am Hals, die sie dazu zwingen könnte, ein weiteres Geheimdokument zu veröffentlichen, das den Widerstand noch weiter befeuern könnte. Trotzdem soll nach den Wahlen in den USA weiter verhandelt werden, da die Kommission offensichtlich davon ausgeht, dass Clinton gewinnt und im Amt wieder zu ihrer früheren, freihandels-freundlichen Position zurückkehrt.
Und dann sind da noch die Verhandlungen über TiSA, die bisher relativ ungestört laufen. Zwar hat Greenpeace auch hier wichtige Dokumente geleakt, die zeigen, dass auch dieses Abkommen erhebliche Gefahren für unterschiedlichste Dienstleistungsbereiche bringen kann, und aktuell gibt es wohl sogar innerhalb der Kommission einen Konflikt, wie der Datenschutz in diesem Abkommen gewährleistet werden kann, aber im Großen und Ganzen laufen die Verhandlungen zügig und ohne große öffentliche Aufmerksamkeit.
Es sind wohl noch erhebliche zusätzliche Anstrengungen nötig, um der Kommission auch hier den Spaß zu verderben.
Immerhin haben nun auch die europäischen Gewerkschafts-Dachverbände auf die TiSA-Leaks reagiert. Wie einer
Pressemitteilung von UNI Europa, der europäischen Sektion des Weltverbandes der Dienstleistungsgewerkschaften (mit ver.di als Mitglied) zu entnehmen ist, fordern sie den Stop der Verhandlungen und eine breite öffentliche Diskussion über die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen.
Auf der CETA-Bühne gibt der sozialdemokratische Premierminister der Wallonie derweil
weiterhin den Fischer, so dass nun sogar schon darüber spekuliert wird, dass wegen der höheren Dramatik nicht die Handelsminister am Dienstag, sondern erst die Regierungschefs am Donnerstag 'grünes Licht' für die Unterzeichnung geben könnten.
Und so kam es denn auch. Die Minister haben die Entscheidung
an die Chefs delegiert mit der Ankündigung, in den nächsten Tagen die Abweichler zur Raison zu bringen. Nach der
Tagesordnung haben sie dafür Zeit bis Freitag Morgen. Am Rande wurde dabei noch bekannt, dass nicht nur die Wallonie, sondern auch Rumänien und Bulgarien noch Probleme mit der Zustimmung haben. Aber das sind auch nicht die starken Player, die sich dem Druck der Großen lange widersetzen könnten.
Zugleich ist auf der Online-Plattform EurActiv.de ein Artikel zur Problematik der
Vereinheitlichung von Standards mithilfe von TTIP und CETA erschienen, von dem man sich fragen muss, warum er nicht schon vor Monaten geschrieben wurde. Auch wenn nichts grundlegend Neues drin steht, gibt er doch noch einmal aus Sicht eines Insiders wieder, warum dieses Problem mit den Verträgen nicht gelöst, sondern vielleicht sogar noch verschärft wird.
Überraschend hat sich Ministerpräsident Magnette doch entschieden, lieber den Asterix zu geben und das letzte
gallische Widerstandsnest gegen die Übergriffe der Römer zu verteidigen - trotz Drohungen der bösen Nachbarn,
das Dorf niederzubrennen. Die 'Zugeständnisse' der EU waren
nicht ausreichend, und auch die kanadische Handelsministerin gab entnervt auf und fuhr nach Hause. Ob sie nächste Woche mit ihrem Chef wiederkommen wird, um wie geplant den Vertrag zu unterzeichnen, ist daher weiter offen. Cäsar Juncker hofft aber weiter, das Dorf einnehmen zu können.
Derweil geht die Kritik an dem Vertragsentwurf weiter. So zitiert die Frankfurter Rundschau einen der renommiertesten deutschen Arbeitsrechtler anläßlich der Vorstellung eines Gutachtens über "Auswirkungen bisheriger Handels- und Investitionsschutzabkommen und CETA auf Arbeitnehmerrechte und soziale Standards" mit der Einschätzung zu den Sozialklauseln in CETA: "Werden sie beachtet, so ist es schön. Werden sie nicht beachtet, macht dies auch nichts". Deshalb fordert der IG Metall-Vorsitzende Hofmann (der vor ein paar Wochen noch Gabriel geholfen hat, die Zustimmung zu CETA in der SPD durchzusetzen), "weitere Nachbesserungen beim Freihandelsabkommen CETA". Er könnte von seinen wallonischen Genossen lernen, was man tun sollte, wenn man so etwas wirklich durchsetzen will.
Grundsätzlich muss man sich aber fragen, wie es sein kann, dass ein sieben Jahre lang verhandeltes Abkommen nun in wenigen Tagen mit stündlich neuen Ergänzungen, Erklärungen, Zusatzvereinbarungen und Interpretationen, die kaum gründlich geprüft werden können, zustimmungsfähig gemacht werden soll. Die Befürchtung, dass es dabei nur um Schönheitskorrekturen handelt, die die grundlegenden Probleme gar nicht berühren, ist wohl nur zu berechtigt. Warum und wie der Widerstand dagegen hierzulande weitergehen wird, kann man dem neuesten Attac-Newsletter entnehmen.
Nun also doch. Zwar mußte der für Donnerstag geplante Gipfel zur Unterzeichnung des CETA-Abkommens abgesagt werden, aber noch am gleichen Tag haben sich die Vertreter der französisch-sprachigen belgischen Regionen mit der belgischen Regierung auf ein knapp 4-seitiges Papier geeinigt, dessen Annahme es der Regierung erlaubt, der Unterzeichnung des CETA-Vertrages zuzustimmen. Die anderen EU-Regierungen haben dieses Papier ohne Diskussion akzeptiert, die belgischen Regionalparlamente haben am Freitag zugestimmt. Damit steht einer Unterzeichnung des Vertrags
schon am Sonntag nichts mehr im Weg. Hat das gallische Dorf kapituliert?
Nicht unbedingt. So wie Asterix und Obelix bei ihren Tripps durch Europa überall auf Sympathie für ihren Widerstand gegen die römische Herrschaft stoßen, aber dennoch keine europäische Widerstandsbewegung zum Sturz Caesars anführen, so haben auch die Vertreter der Wallonie keinen grundsätzlichen Widerstand gegen CETA geleistet, sondern ihre spezifischen Interessen verteidigt. Wie erfolgreich sie damit waren und inwieweit alle davon profitieren können, bleibt abzuwarten. Das Papier ist noch nicht öffentlich verfügbar, aber zwei Punkte daraus sind bekannt: Belgien wird vom Europäischen Gerichtshof prüfen lassen, ob das in CETA vorgesehene 'Investitions-Schiedsgericht' mit Europarecht vereinbar ist, und die Wallonie hat sich Ausstiegsrechte gesichert, falls CETA ihrer Wirtschaft schadet. Was daraus folgt und inwieweit das auch für Kanada verbindlich sein kann, wenn am Vertragstext keine Änderungen vorgenommen werden, wird sich wohl erst in einiger Zeit herausstellen. Der BUND jedenfalls ist der Wallonie
für ihren Widerstand dankbar, und die Initiative 'Stopp TTIP' glaubt, dass sie damit einen
wichtigen Sieg unserer Bewegung gegen CETA und TTIP erreicht haben.
Auf der anderen Seite ist die EU-Kommission in Jubelstimmung und glaubt, dass sie nun
auch noch TTIP durchsetzen kann. Es bleibt spannend.
Im Nachgang zur Unterzeichnung des Abkommens am 30.10. sind abschließend noch einige Entwicklungen nachzutragen. Die EU-Kommission reagierte heftig auf den Vorwurf, die Wallonie unter Druck gesetzt zu haben, damit sie ihren Widerstand aufgibt. Kommissionspräsident Juncker keilte verbal dermaßen zurück, dass ein belgischer Kommentator vermutete, er müsse dabei wohl besoffen gewesen sein. Der deutsche EU-Kommissar Oettinger enthüllte (neben anderen Ungeheuerlichkeiten), die Wallonie sei eine "Mikroregion", die von "Kommunisten" regiert werde, die sich perfider Weise als Sozial- und Christ-Demokraten tarnen. Von dem weiß man aber, dass er für sowas gar keinen Alkohol braucht. Er bewirbt sich gerade mit rassistischen, sexistischen und homophoben Sprüchen um den freigewordenen Posten eines Kommissions-Vizepräsidenten und Handelskommissars und hat gute Chancen. Allerdings hat ihm Kanzlerin Merkel ihr "vollstes Vertrauen" ausgesprochen, und das hat schon andere Politiker-Karrieren beendet.
Auch die Bundesregierung sieht den CETA-Erfolg als Türöffner für TTIP, aber während Sigmar Was-kümmert-mich-mein-Dummgeschwätz-von-Gestern Gabriel dafür auf Hillary Clinton setzt, möchten Merkel und Obama noch während dessen Abschiedsreise durch Europa Fakten schaffen. Grüne spekulieren derweil darüber, CETA im Bundesrat zu stoppen, aber ob sie dazu Gelegenheit haben werden, ist völlig unklar. Erstens ist noch nicht entschieden, ob der Bundesrat wirklich zustimmen muss (und die Grünen könnten eine Zustimmung blockieren, aber keine Mehrheit für einen Einspruch zustande bringen), und zweitens hat sich ihre Kretschmann-Fraktion noch nicht geäussert, ob sie eine Ablehnung von CETA durchsetzen würde.
Die zusammen mit anderen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen CETA klagende Organisation foodwatch schätzt die Unterzeichnung des Abkommens zwar als Niederlage ein, hat aber auch schon juristische Maßnahmen eingeleitet, um die vorläufige Anwendung zu stoppen.
Eine parlamentarische Hürde hat CETA inzwischen praktisch schon genommen. Wie drei Abgeordnete des Europaparlaments in einem
Meinungsbeitrag schreiben, haben die Führungsgremien der EU in einem "undemokratischen und noch nie dagewesenen Eingriff in die Arbeit der Parlamentsausschüsse" diese daran gehindert, eine fundierte Behandlung des Abkommens vorzunehmen und daraus resultierende Stellungnahmen in das Gesamtparlament einzubringen. Letzteres hat seiner Selbstentmachtung in dieser Frage bereits zugestimmt, indem es ein Schnellverfahren beschlossen hat, in dem das Abkommen ohne Diskussion der Vielzahl der Einwände bereits am 14.Dezember durchgewunken werden soll. Ausserdem hat es abgelehnt, das Abkommen vom Europäischen Gerichtshof überprüfen zu lassen. Interessant ist, das die drei Abgeordneten, die dieses Verfahren so heftig kritisieren, aus drei Parteien kommen (Sozialdemokraten, Grüne und Linke), die zusammen dieses Vorgehen blockieren könnten - wenn nicht ein Großteil der sozialdemokratischen Fraktion, unter Führung des SPDlers Martin Schulz, es unterstützen würde.
Derweil hat Donald Trump für sein Programm der ersten 100 Tage angekündigt, dass er den bereits beschlossenen 'Freihandelsvertrag' TTP mit elf weiteren Pazifik-Anrainerstaaten aufkündigen wird, woraus die große Mehrheit der Kommentatoren schließt, dass es mit TTIP unter seiner Präsidentschaft auch nichts wird. Nahezu alle TTIP-Gegner in Europa (und viele aus den USA) wehren sich aber vehement dagegen, daraus irgendwelche Gemeinsamkeiten mit Trump abzuleiten - ihre Kritik kommt aus der entgegengesetzten Richtung.
In diesem Herbst feiert die internationale Staatengemeinschaft zwei Durchbrüche im Bereich Klimaschutz. Zum einen kann das Pariser Abkommen, das ambitionierte Ziele für die Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs setzt, nach einem rekordverdächtig kurzen Zeitraum von weniger als 11 Monaten in Kraft treten, zum anderen hat sich die Zivilluftfahrtorganisation ICAO auf ihrer Jahrestagung in Montreal auf die Rahmenbedingungen für ein Abkommen geeinigt, das die Emissionen der internationalen Luftfahrt, die vom Pariser Abkommen nicht erfaßt werden, begrenzen soll. Ist die Menschheit damit auf dem richtigen Weg?
Bei genauerem Hinsehen haben die beiden Abkommen zwei Dinge gemeinsam: gefeiert wird bei beiden hauptsächlich, dass sie überhaupt zustande gekommen sind, und von beiden ist sicher, dass sie in ihrer jetzigen Form die gesteckten Ziele nicht erreichen werden.
Für das Pariser Abkommen war schon bei Abschluss klar, dass die vorgelegten Selbstverpflichtungen der Staaten zur Treibhausgas-Reduktion den Temperatur-Anstieg nicht auf "deutlich unter 2 Grad Celsius" beschränken würden, sondern bestenfalls auf um die 3 Grad. In den Monaten danach hat sich allerdings zusätzlich noch sehr schnell herausgestellt, dass kaum ein Staat, insbesondere nicht die großen Emittenden, daran denkt, diese Verpflichtungen mit der notwendigen Geschwindigkeit und Konsequenz umzusetzen. Auch Deutschland bleibt seiner Linie treu, große Ziele anzukündigen, wird sie aber, ebenso wie die EU insgesamt, mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlen.
Der ICAO-Beschluss zur Einführung eines "markt-basierten Mechanismus" namens CORSIA ("Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation") wird zwar offiziell
überwiegend begrüßt, aber alle wissen natürlich, welche gravierenden Mängel dieses System hat. Über die bereits beschriebenen Defizite hinaus wurde auch noch der Bezug auf die Ziele des Pariser Abkommens zur Begrenzung des Temperaturanstiegs aus den Zielen dieses Systems gestrichen. Die tauchen jetzt nur noch im Rahmen der möglichen Weiterentwicklungen des Systems durch die alle drei Jahre fälligen 'Reviews' auf - nach den wichtigeren Zielen der Kostenbegrenzung und der ungestörten Marktentwicklung.
Das die 'Kosten-Effizienz' ein wesentlicher Grund ist, warum die Luftfahrt-Industrie dieses System unterstützt, erklärt ein unabhängiger Experte des ICCT in diesem Blog.
Auch die groß heraus gestellte Aussage, dass mit der Zusage von 65 Staaten zur Teilnahme an den ersten beiden freiwilligen Phasen (von 2021 bis 2027) 80% des Emissions-Wachstums kompensiert werden würden, ist noch mit großen Fragezeichen zu versehen. In der Liste wurden einfach alle Staaten aufgeführt, die sich positiv zu dem System bekannt haben, auch wenn sie nicht explizit ihre Teilnahme von Anfang an erklärt haben. Eine entsprechende Umfrage wird ICAO erst in den nächsten Monaten durchführen, und wirklich verbindliche Erklärungen müssen erst 2020 vorgelegt werden.
Der ICAO-Beschluss begrenzt die Einsatzdauer von CORSIA zunächst bis 2035, da dann "technologische Maßnahmen" dazu führen sollen, dass die CO2-Emissionen des Luftverkehrs real sinken. Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass das Wunschträume sind. ICAO selbst hat gezeigt, dass für die Bereitstellung von entsprechenden Mengen von
Biosprit bereits heute erhebliche Investitionen notwendig wären, die weit und breit nicht in Sicht sind und ökologisch auch katastrophal wären.
Untersuchungen von ICCT zu möglichen Verbesserungen der
Treibstoff-Effizienz haben ergeben, dass auch hier die notwendigen Fortschritte nur möglich sind, wenn Airlines und Staaten über das bisher geplante hinaus wesentlich investieren würden, was ebenfalls nicht absehbar ist.
Die EU hätte nun allen Grund, mit Hinweis auf die Schwächen des ICAO-Beschlusses ihren 'Stop-the-clock'-Beschluß auslaufen zu lassen und internationale Flüge von und nach ihren Mitgliedsstaaten wieder in ihr Emissionshandelssystem ETS einzubeziehen. Ob das passieren wird, bleibt allerdings vorläufig offen: die EU-Kommission hat die Entscheidung darüber bis irgendwann
im nächsten Jahr verschoben. Zwar endet die Aussetzung automatisch am 31.12.2016, aber die Fluggesellschaften, die damit wieder verpflichtet werden, müssen die Emissionszertifikate für 2017 erst im ersten Quartal 2018 vorlegen - und bis dahin kann man sich ja Zeit lassen, zu entscheiden, ob das wirklich notwendig ist.
Fragt sich wirklich noch jemand, warum keiner mehr diese Art von Politik ernst nimmt?
Und während die Staaten-Lenker in ihrem Parallel-Universum vom Klimaschutz reden, schreitet der Klimawandel in der realen Welt weiter voran. Jüngstes Indiz ist die Tatsache, dass der CO2-Gehalt der globalen Atmosphäre nun dauerhaft über 400 ppm liegt - ein symbolischer Wert, der vor 40 Jahren, als der Klimawandel in akademischen Kreisen zum Thema wurde, als Katastrophen-Indiz galt. Wissenschaftler wie James Hanson, die die Entwicklung seit damals mitgestaltet haben, gehen heute davon aus, dass nur noch negative Emissionen eine Klima-Katastrophe verhindern können. Wenn die herrschenden Eliten nicht in die reale Welt zurück geholt werden, wird es dazu nicht kommen. Die Abkommen von Paris und Montreal werden nur dann zu wirklichen Fortschritten, wenn die hehren Ziele auch mit den adäquaten Instrumenten verfolgt werden. Die kommen aber nur zum Einsatz, wenn die Zivilgesellschaft das erzwingt.
Die Beiträge entstehen derzeit unter Zeitdruck, deswegen geht hin und wieder etwas verloren, was eigentlich direkt hinein gehört hätte. So hat das Bündnis der Bürgerinitiativen ebenfalls in einer Pressemitteilung auf die Unzulänglichkeit dieses Beschlusses hingewiesen.
Ausserdem war der oben eingefügte interne Link zur EU-Klimapolitik eine Erinnerung, mal nachzusehen, ob unsere
Aktion zur Teilnahme an der EU-Konsultation Wirkungen gehabt hat. Die EU-Kommission hat es zwar auch nach 4 Monaten noch nicht geschafft, ein Ergebnis der Konsultation zu erarbeiten, aber immerhin sind jetzt PDF-Dokumente mit den eingegangenen Antworten verfügbar. Der Beitrag der BIFR ist bei den registrierten Organisationen als Nr.32 (S.47) aufgeführt, und man sieht dort sowie bei den
nicht registrierten Organisationen und den anonymen Beiträgen, dass er in etlichen Fällen Anregungen geliefert hat. Immerhin.
Das ist nicht das offizielle Logo für die 50-Jahr-Feier der FLK ...
Am 5./6. Oktober 1981 begann die brutale
Räumung des Baugeländes für die 18 West
In der Geschichte des Kampfes gegen Fluglärm und des Widerstands gegen den Flughafenausbau gibt es häufig mehr oder weniger 'runde' Jahrestage, wenige zu feiern, viele zu erinnern. Der Oktober ist besonders voll davon, und dieses Jahr gibt es sogar einen, der eine eigene Feierstunde in Wiesbaden bekommen hat: die Fluglärmkommission wurde am 4. Oktober 50 Jahre alt. In einer Pressemitteilung gibt die FLK einen kurzen Überblick über ihr bisheriges Wirken. Interessanter ist aber noch die Broschüre, die sie zu ihrer Geschichte herausgegeben hat und die eine Vielzahl von Details enthält.
Für Ausbaugegner ist der 5. Oktober als der Tag in Erinnerung, an dem 1981, also vor 35 Jahren, mit der Räumung des sog. '7-Hektar-Geländes' und dem 'Blutsonntag' die Phase härtester Polizeigewalt rund um das Baugelände für die Startbahn 18 West begann. Zu feiern gibt es da nichts, wohl aber zu erinnern, dass damals die wirtschaftlichen Interessen des Flughafenbetreibers, getarnt als 'öffentliches Interesse', mit Brachialgewalt gegen breitesten Widerstand in der lokalen Bevölkerung durchgesetzt wurden.
... und für 5 Jahre Nachtflugverbot gab es gar keine Feier.
Am 21. Oktober 2011 feierte diese Fünfer-Bande die Eröffnung der Landebahn Nordwest
Im Oktober 2011 gab es dann gleich zwei Ereignisse, an die zu erinnern ist: einerseits ist am 10. Oktober als Ergebnis eines hartnäckigen Widerstands von Bevölkerung und Kommunen und gegen den Willen der Landesregierung das 'Mediations-Nachtflugverbot' in Kraft getreten, dass wenigstens fünf, manchmal sogar sechs Stunden Nachtruhe für die Flughafenanwohner sichert. Das ist sicherlich ein Grund zum Feiern, wenn schon nicht für die Landesregierung, dann doch für die Betroffenen.
Andererseits ist am 21. Oktober die Landebahn Nordwest in Betrieb gegangen und damit ein Ausbauschritt vollzogen worden, der nach dem Willen der Fraport die Kapazität des Flughafens nahezu verdoppeln soll und dafür die Region noch großflächiger verlärmt. Der Widerstand gegen diesen Schritt war im Vorfeld weitaus weniger breit als der gegen die Startbahn West und hatte einen anderen Charakter, gewalttätige Auseinandersetzungen sind weitgehend ausgeblieben. Dafür sind die schädlichen Wirkungen des weiteren Wachstums des Flugverkehrs, von den gesundheitlichen Schäden durch Lärm und Abgase bis zu den Klimawirkungen, heute weitaus besser dokumentiert. Geholfen hat es allerdings genau so wenig.
Was läßt sich daraus lernen? Durch die Arbeit in Institutionen wie der Fluglärmkommission und durch den hartnäckigen öffentlichen Widerstand sind kleine Erfolge möglich und die eine oder andere Verbesserung erreichbar, aber von einer grundsätzliche Kursänderung hin zu einer Politik, die nicht mehr das Wirtschaftswachstum vergöttert (und zur Not durchprügelt), sondern Gesundheit und Lebensqualität der Menschen und die Erhaltung der Umwelt in den Mittelpunkt stellt, sind wir nach wie vor meilenweit entfernt. Das ist nicht besonders ermutigend, aber auch kein Grund, den Widerstand aufzugeben: ohne ihn würde es mit Sicherheit deutlich schlimmer.
Manchmal verlaufen Landungen etwas schräg ...
Vom 26.-28.09. hat die DLR am Frankfurter Flughafen ein neues Anflugverfahren getestet. Zum Einsatz kam dabei ein Piloten-Assistenzsystem, das es ermöglichen soll, "die optimalen Zeitpunkte zum Ausfahren der Klappen und des Fahrwerks so zu wählen, dass ein möglichst großer Teil der Landephase komplett im besonders leisen und treibstoffsparenden Leerlauf stattfinden kann".
Wie man hört, wurden 70 Anflüge durchgeführt, die Auswertung der Lärmmessungen soll im November vorliegen. Das wichtigste Ergebnis aber nach einem Bericht der FNP: "Eine exaktere Punktlandung sei so möglich, dazu kämen die Einsparungen beim Kerosin: 8 bis 10 Kilogramm pro Flugzeug und Anflug seien realistisch."
Sollte in Raunheim jemand geglaubt haben, den Effekt hören zu können, hätte er sich aus mehreren Gründen getäuscht. Zwar herrschte während etwa der Hälfte der Zeit Ostwind, so dass aus Westen angeflogen wurde, aber die Test-Anflüge fanden vorwiegend auf der Nordwestbahn statt (weil es davor in den interessierenden Bereichen mehr offizielle Lärm-Meßstationen gibt). Und außerdem wußte nicht nur die Main-Spitze schon vorher, dass es damit grundsätzlich nichts werden kann. Das System "funktioniert nur bis zu einer Höhe von 1.000 Fuß (etwa 350 Meter) und schließt damit die beiden am meisten vom Fluglärm im Landebetrieb betroffenen Städte Flörsheim und Raunheim aus".
Über die Hintergründe dieses und eines zweiten laufenden Forschungsprojekt hatten wir schon im letzten Jahr bei deren Vorstellung berichtet, insbesondere auch darüber, dass es sich keinesfalls um revolutionär neue Schallschutz-Methoden handelt, sondern um die Anpassung längst bekannter Methoden an die sehr speziellen Bedingungen des völlig überfüllten Frankfurter Luftraums - und darüber, dass dafür auch noch der Steuerzahler aufkommen muss.
Ob es tatsächlich wenigstens ein bißchen weniger Lärm bringt, und wenn ja, für wen, bleibt abzuwarten. Die Frage ist aber, ob die Auswertungen genau genug sein können, um wirklich alle Folgen zu erfassen. Denkbar wäre, dass die Beteiligten triumphierend verkünden, dass es bei Mainz leiser werden kann, aber dabei übergehen, dass es irgendwo weiter östlich (d.h. vor Flörsheim und Raunheim) auch lauter wird, weil dann näher am Flughafen und damit tiefer als bisher Klappen und Fahrwerk ausgefahren und Korrekturschub gesetzt wird. Diejenigen, über deren Köpfen das dann passiert, hätten wieder mal Pech.
Eine beruhigende Korrektur, aber war das wirklich nur Schlamperei?
In der Sitzung der Fluglärmkommission am 28.09.16 hat die DFS nochmals präsentiert, wie die Parameter für die Südumfliegung geändert werden sollen, um eine exaktere Einhaltung der Route zu gewährleisten und zugleich die Kollisionssicherheit zu erhöhen. Zu Letzterem gab es eine genauere Beschreibung für die Festlegung des "Wegpunkt" ADEVO. Die hatte uns in der vorhergehenden Sitzung erheblich beunruhigt, da sie eine gerade Linie direkt über Raunheim enthielt, die auch noch mit dem Kürzel einer Abflugroute bezeichnet war. Die neue Version hat das korrigiert: die Abflugrouten, zwischen denen Kollisionen zu vermeiden sind, sind die alten und führen um Raunheim herum.
Das ist zunächst einmal sehr beruhigend und bestätigt die Aussage der Fluglärmschutzbeauftragten, wonach die erste Darstellung ein Versehen war und keine neue Abflugroute über Raunheim geplant ist. Zwei Fragen bleiben aber dennoch.
Die erste ist: wie kann es sein, dass ein DFS-Vertreter in der Fluglärmkommission eine Grafik präsentiert, die eine Linie darstellt und einen Punkt prominent markiert, die beide mit dem darzustellenden Sachverhalt absolut nichts zu tun haben? Hat der Mann wirklich nur einfach nicht verstanden, worum es geht, oder sind da Sachverhalte in die Darstellung gerutscht, die in anderen Zusammenhängen eine Rolle spielen? Im Interesse der Flugsicherheit kann man jedenfalls nur hoffen, dass die DFS ihre Arbeitsunterlagen sorgfältiger ausarbeitet als ihre Präsentationen.
Die zweite Frage ist aber noch wichtiger: wenn es keine direkte Flugroute über Raunheim gibt und geben soll, warum wird da geflogen? Es ist inzwischen fast drei Monate her, dass wir der Fluglärmschutzbeauftragten eine Dokumentation von Direktabflügen über Raunheim übermittelt hatten mit der Bitte, die Fälle zu prüfen und uns die Gründe für dieses Vorgehen zu nennen. Eine Antwort liegt bisher nicht vor, statt dessen wird die Praxis weiter angewandt und es kommt immer wieder zu Abflügen in Ost-West-Richtung über Raunheim, die weder Durchstarter noch Propeller-Maschinen sind (die beide offiziell so fliegen dürfen).
Auch die zweite Merkwürdigkeit, die wir in unserer Dokumentation angesprochen hatten, tritt weiter auf, ohne dass es eine offizielle Erklärung dafür gibt: die "verkürzten Südumfliegungen", bei denen Maschinen wesentlich früher als geplant abdrehen und irgendwo über Rüsselsheim nach Norden fliegen. Selbst die DFS zeigt in ihrer o.g. Präsentation eine Grafik, in der, vermutlich unbeabsichtigt, solche Flüge dokumentiert sind.
Offensichtlich ist es wohl immer noch so, dass die Verantwortlichen davon ausgehen, dass die blöde Bevölkerung nicht mitzureden hat bei dem, was über ihren Köpfen vorgeht, und froh sein soll, wenn hin und wieder ein paar Informations-Bröckchen verteilt werden. Rechtfertigen zu müssen, warum wann von den öffentlich verkündeten Regeln abgewichen wird, erscheint als unerträgliche Zumutung.
Obrigkeitsstaatlich geprägtes Denken und elitäres Bewußtsein, das davon ausgeht, dass das gemeine Volk die komplexen Prozesse, die da ablaufen, sowieso nicht versteht, tragen sicher zu solchem Verhalten bei. Dass das mit der so oft beschworenen "guten Nachbarschaft" nichts zu tun hat und die Akzeptanz für den Flugverkehr und die damit verbundenen Belastungen darunter massiv leiden, wird dann gerne verdrängt.
Wir lassen uns aber davon nicht abschrecken und werden weiter auf Antworten drängen, auch wenn das sehr viel Geduld erfordert.
Nach Wirbelschleppen-Wichtel, Lärmpausen-Clown und Entgelt-Komiker eine neue Rolle für Staatsschauspieler Al-Wazir - wie auf den Leib geschneidert.
Am 27.09. war es endlich soweit: Minister Al-Wazir hatte zur Pressekonferenz nach Wiesbaden eingeladen, um sein lange angekündigtes, inzwischen schon etliche Monate überfälliges Modell für eine Lärmobergrenze am Flughafen Frankfurt vorzustellen. Das wäre dann die letzte der Lärmschutz-Maßnahmen, die die schwarz-grüne Koalition für diese Legislaturperiode angekündigt hatte - von Lärmschutz kann man allerdings auch dabei nicht reden.
Im Gegenteil ist das vorgestellte Modell noch schlimmer als erwartet. Wie man in der Pressemitteilung des Ministeriums nachlesen kann, "sieht das Modell vor, die Gebiete mit hoher Fluglärmbelastung (55 dB(A) und mehr) sowie mit der höchsten Fluglärmbelastung (60 dB(A) und mehr) zu begrenzen" - die flächenmäßige Ausdehnung dieser Gebiete wohlgemerkt, nicht etwa den dort herrschenden Lärm. Und obwohl die Karten, die das Ministerium in einer Präsentation für die Presse gezeigt hat, nur sehr grob sind, sieht man dort schon, wo die Belastung noch wachsen wird.
Die negativen Konsequenzen dieses Ansatzes sind offenkundig:
Neben diesem völlig falschen Grundansatz hat das Modell noch eine ganze Reihe anderer gravierender Mängel:
Und obwohl dieser Vorschlag vermutlich das schwächste denkbare Modell für eine Lärmobergrenze darstellt, sieht sich Fraport zu Widerspruch veranlasst. In deren Pressemitteilung heißt es:
"Soweit der Vorschlag derzeit bekannt ist, ist er aus unserer Sicht nicht akzeptabel ... . Eine Lärmobergrenze darf die Ausbauziele nicht konterkarieren."
Aber selbstverständlich ist man gesprächsbereit.
Auch die Fluglärmkommission hat sich schon zu Wort gemeldet. Wie üblich traut sie sich nicht, ihrem Auftraggeber deutlich die Meinung zu sagen, aber bei genauem Lesen ihrer Pressemeldung merkt man doch, wie schwer es ihr gefallen sein muss, wenigstens zwei Forderungen aus ihrem Katalog zu finden, die dieses Konzept erfüllt. Bei allen anderen müßte das Urteil eindeutig lauten "Durchgefallen", aber das war bei den Lärmpausen auch schon so, und die wurden letztendlich trotzdem abgesegnet.
Wenn man das Schallschutz-Theater dieser Landesregierung schliessen will, darf man sich nicht auf die Institutionen verlassen. Der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Ruhe muss sich in deutlich spürbaren Manifestationen bemerkbar machen, wenn er nicht weiter ignoriert werden soll.
Die nächste Gelegenheit dazu ist die Demo anläßlich des 5. Jahrestages des letzten großen Ausbauschrittes - der Eröffnung der Nordwestbahn.
Die Vorstellung des Modells hat erwartungsgemäß zahlreiche Reaktionen in der Öffentlichkeit ausgelöst. Einiges davon enthält die
ZRM-Übersicht, die weiter aktualisiert werden soll.
Im Gegensatz zu den anderen Frankfurter Zeitungen hat die FAZ nur einen kurzen Kommentar veröffentlich, dem aber eine verbesserte Version der Grafik vorangestellt, die die räumlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Grenze verdeutlichen soll.
Auch die obige Stellungnahme hat eine heftig ablehnende Reaktion hervorgerufen. Das wird beim nächsten BIFR-Treffen am 06.10. zu diskutieren sein.
Tatsächlich gab es beim BIFR-Treffen am 06.10. eine lebhafte Diskussion, in der neben der oben beschriebenen ablehnenden Haltung auch positivere Einschätzungen vertreten wurden, von der Position, dass dieses Modell die Chance für einen Einstieg in die (Deutschland-weite) Einführung von Lärmobergrenzen sei, die gegen die Angriffe der Luftfahrtindustrie verteidigt werden müsse, bis zu der Position, dass von dem Modell wohl nicht viel zu erwarten sei, der Versuch einer Einführung aber auch keinen großen Schaden anrichten könne. Die Diskussion soll fortgesetzt werden, wenn weitere Details bekannt sind.
Um der FAZ hier nicht unrecht zu tun, sei auch erwähnt, dass am nächsten Tag noch zwei längere Artikel zum Thema erschienen sind mit Reaktionen aus der Politik und aus der Luftverkehrswirtschaft. Für eine kritische Hintergrund-Recherche hat die Zeit aber wohl trotzdem nicht gereicht.
Auch der BUND hat inzwischen mit einer Pressemitteilung zu dem Modell Stellung genommen und fordert mehr Rechtsverbindlichkeit und schärfere Sanktionsmaßnahmen, falls die Obergrenze überschritten wird. Ansonsten "behält [er] sich ausdrücklich eine abschließende Bewertung bis zur Klärung aller offenen fachlichen und rechtlichen Fragen vor".
Wie das Rüsselsheimer Echo berichtet, wurde das Modell der Lärmobergrenze bei einer Versammlung der SPD Raunheim nicht nur sehr positiv dargestellt, sondern auch die These vertreten, es werde "faktisch dazu beitragen, dass es perspektivisch in Raunheim sogar leiser wird".
Für die SPD ist sowas nicht ungewöhnlich. Schon Willy Brandt hatte vor fast 45 Jahren eine
Wahlkampf-Helferin, deren bekannteste Botschaft schon die Grundüberzeugung beschreibt, die man braucht, um solche Thesen vertreten zu können. Und auch wenn von Willy Brandts Politik bei der SPD fast nichts mehr zu finden ist - das gilt immer noch.
Nun haben auch die die Landesregierung tragenden Parteien CDU und Grüne ihre Position zu dem Modell in einem
Antrag im Landtag ausformuliert und, wenig überraschend, finden es toll. Die Frankfurter Rundschau konstatiert in ihrem
Bericht über die Landtagsdebatte "keine große Zustimmung", verweist dabei aber hauptsächlich auf die Kritik von Unternehmerverbänden, die die FDP vortragen durfte, und das Herumgeeiere der SPD, die einerseits eine "verbindlich und rechtlich umsetzbare" Lärmobergrenze haben möchte, mit der der Flughafen aber andererseits "die geplante Expansion verwirklichen" können soll. Was das konkret heissen könnte, bleibt aber ihr Geheimnis.
Der Minister hat sein Verhandlungsangebot an die 'Luftverkehrsseite' nochmal in einer
Pressemitteilung beschrieben, in der er auch darauf hinweist, dass ohne eine Lärmobergrenze die Lärmbelastung laut Planfeststellungsbeschluss noch um 1,8dB(A) steigen dürfte; sein Modell aber den möglichen Zuwachs auf ca. 20% dieses Werts begrenzt und damit 1,8dB(A) unter dem PFB-Wert bleibt. Versteht etwa jemand die Mathematik hinter dieser Aussage nicht?
Nicht unbedingt das wichtigste politische Gremium in der Region, aber manchmal lohnt sich ein Besuch.
Nachdem die Ultrafeinstaub-Messungen in Raunheim nun schon ein Jahr lang laufen, war es für das HLNUG auch langsam Zeit, sich dazu zu äussern. Gelegenheit dazu hatte Herr Jacobi in der Sitzung des Regionalausschuss des Kreistags Gross-Gerau, wo er zusammen mit Herrn Wirtz vom UBA und Wolfgang Schwämmlein vom BBI-Arbeitskreis referierte.
Viel mehr, als in der Antwort der Hessischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken zu dem Thema steht, hatte er allerdings auch da nicht zu sagen. Auf die zusätzlichen Details kann man erst dann vernünftig eingehen, wenn seine Vortragsfolien vom Veranstalter veröffentlicht werden können (was erfahrungsgemäß dauern kann). Im Kern hat er mit vielen Grafiken gezeigt, dass die gemessene UFP-Anzahlkonzentration deutlicher von der Windrichtung abhängt als die Konzentration anderer Schadstoffe und stärker auf den Flughafen als Quelle hinweist, aber eine Korrelation zur Zahl der Überflüge konnte oder wollte er nicht herstellen. Zwar hat er auch versprochen, weitere Auswertungen vorzunehmen und die Daten zu veröffentlichen, aber was genau er veröffentlichen wird und wann das soweit sein wird, blieb im Dunkeln. Kategorisch abgelehnt hat er allerdings die Aufforderung, die Daten jetzt schon so detailliert zu veröffentlichen, dass Andere diese Auswertungen vornehmen können. Es ist also wohl nicht nur eine Frage der verfügbaren Kapazitäten.
Immerhin hat er bestätigt, dass das Land Hessen die Messungen in Raunheim weiterführen und sogar noch ausbauen wird, indem künftig nicht nur die Partikelanzahl insgesamt, sondern auch die Verteilung auf die einzelnen Größenklassen gemessen werden soll. Ein Schritt in die richtige Richtung - aber noch lange nicht alles, was nötig ist. Auch die chemische Zusammensetzung der Teilchen wäre ein wichtiger Parameter, der gemessen werden müßte, wenn man zu brauchbaren Aussagen über mögliche Quellen und Wirkungen dieser spezifischen Schadstoff-Belastung kommen will.
Von Herrn Wirtz gab es auch nur wenige Neuigkeiten. Er bestätigte, dass das geplante Forschungsprojekt des UBA am Flughafen Frankfurt durchgeführt wird, betonte allerdings auch, dass es primär um die Entwicklung eines Modells für die Ausbreitung des Ultrafeinstaubs von der Quelle Flughafen aus geht und das UBA keine zusätzlichen eigenen Messeinrichtungen dafür aufbauen wird. Er bestätigte auch, dass das Projekt im Oktober dieses Jahres beginnen soll und dass die Bürgerinitiativen über einen Begleitkreis in die Projektabwicklung einbezogen werden sollen. Details zum zeitlichen Ablauf und dem Umfang der Informationen gab es allerdings auch hier nicht.
Zusätzliche Informationen zum Meßprogramm des HLNUG und zum Forschungsprojekt des UBA gab es schon vor der Veranstaltung von Dirk Treber, Mitglied des Vorstands der Fluglärmkommission.
Zusammenfassend kann man dazu nur feststellen: das Problem wird nicht mehr geleugnet, es passiert einiges, aber längst nicht genug. Die Experten möchten in Ruhe vor sich hin forschen, bis sie nach Jahren (vielleicht) 'gesicherte Ergebnisse' vorweisen können, und die Politik freut sich, mit Hinweis auf diese Aktivitäten die besorgte Bevölkerung hinhalten zu können. Damit es mehr und schneller vorangeht, werden wir uns noch sehr aktiv einmischen müssen. Folgende Forderungen an die Landesregierung sollten Priorität haben:
Die Folien von Herrn Jacobis Vortrag gibt es in den Unterlagen der Sitzung der Fluglärmkommission vom 28.9.2016; offenbar hat er auch dort seine Ergebnisse (bzw. ausgewählte Teile davon) vorgetragen.
Dass Wirtschaftsminister Gabriel TTIP für tot erklärt, um CETA in der SPD durchsetzen zu können, kann man inzwischen ja sogar
in der FAZ nachlesen (und die hält das auch noch für eine geschickte Taktik). Und tatsächlich hat er mit diesem durchsichtigen Ablenkungsmanöver nicht nur ein positives Votum seines Parteivorstands bekommen, sondern auch die Widersprüche in den Gewerkschaften weiter zugespitzt. Zwar ruft der DGB weiterhin zur Demo am 17.09. auf, aber der Vorsitzende Hoffmann (ohnehin nicht gerade für Prinzipientreue und Stehvermögen bekannt) und starke Kräfte in den "fossilen" Gewerkschaften IG Bergbau, Chemie, Energie und IG Metall arbeiten an einer Kurskorrektur, während der ver.di-Vorsitzende Bsirske auch CETA
weiterhin klar ablehnt (der hat damit allerdings auch kein Loyalitätsproblem, denn er ist Mitglied bei den Grünen).
Auch in anderen europäischen Ländern passiert Ähnliches. In Frankreich wenden sich
Regierung und bürgerliche Opposition gegen TTIP, und auch in Österreich sind beide Regierungsparteien dagegen, der SPÖ-Kanzler darüber hinaus auch noch gegen CETA. Ist es Zufall, dass in diesen Ländern Wahlen bevorstehen, in denen rechten, "euro-skeptischen" Parteien Erfolge prognostiziert werden?
In Frankfurt, wo die lokalen Gruppierungen der Parteien und Gewerkschaften in der Regel etwas fortschrittlicher sind als bundesweit, scheint das breite Bündnis gegen CETA und TTIP stabil zu stehen. Auch SPD-OB Feldmann
tritt als Redner auf, konzentriert sich in der Ankündigung aber ganz auf TTIP und überlässt die Aussage zu CETA dem Parteivorsitzenden Josef. Es bleibt abzuwarten, ob er den
Bündnis-Konsens der klaren Ablehnung beider Verträge auch deutlich zum Ausdruck bringen wird.
Der Jurist, SPD-Bundestagsabgeordnete und Sprecher der SPD-Linken Matthias Miersch hat in einer Bewertung des CETA-Abkommens festgehalten: "In zentralen Bereichen wie Investitionsschutz, öffentlicher Daseinsvorsorge und Verbraucherschutz sind die von der SPD gezogenen roten Linien klar überschritten worden" - alles Bereiche, in denen Feldmann bei TTIP Gefahren sieht. Mierschs Schlussfolgerung: "Aus meiner Sicht kann kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments CETA in der vorliegenden Fassung zustimmen.". Sollte sich diese Sicht, die von vielen Basis-Gliederungen der SPD geteilt wird, beim SPD-Konvent am 19.09. in Wolfsburg durchsetzen, hätte Gabriel ein Problem: als SPD-Parteivorsitzender dürfte er der vorläufigen Anwendung von CETA, die beim Treffen der Handelsminister beschlossen werden soll, nicht zustimmen; als Wirtschaftsminister müsste er die Vorgaben seiner Chefin, Kanzlerin Merkel, umsetzen und zustimmen (oder die Koalition aufkündigen). Es werden sehr, sehr viele Menschen am 17. auf der Straße sein müssen, um die SPD zu so viel Konsequenz zu bewegen und den CETA-Fahrplan noch durcheinander zu bringen.
Dass dazu unbedingt auch FluglärmgegnerInnen gehören sollten, begründet das Bündnis der Bürgerinitiativen in einer Pressemitteilung so:
"Was haben die geplanten Freihandelsabkommen mit dem Flughafenausbau und dem Fluglärm zu tun? Beide Abkommen sollen sogenannte „nichttarifäre Handelshindernisse“ beseitigen. Dazu zählen die Abschaffung oder Vereinheitlichung regulatorischer Vorschriften sowie die umfassende Liberalisierung des Dienstleistungsbereichs und des öffentlichen Beschaffungswesen. Die EU-Kommission hat im Bereich des Luftverkehrs beispielsweise operative Beschränkungen auf Flughäfen (Nachtflugverbote!) als „nichttarifäre Handelshindernisse“ ausgemacht." (Weitere Details dazu finden sich
hier.)
"Die Abkommen sind ein Frontalangriff auf elementare Errungenschaften unseres Kampfes gegen den Flughafenausbau sowie gegen die Lärm- und Schadstoffbelastungen des Luftverkehrs. Das BBI Bündnis der Bürgerinitiativen ruft zu massenhafter Beteiligung an den zeitgleich in sieben deutschen Städten stattfindenden Großdemonstrationen auf.
In Frankfurt am Main beginnt die Demonstration um 12 Uhr auf dem Opernplatz. Treffpunkt der Flughafenausbaugegner ist in der Taunusanlage der Lautsprecherwagen des 'Frankfurter Bündnis gegen TTIP, CETA und TISA'."
Um nicht hetzen zu müssen, sollten RaunheimerInnen die S-Bahn um 11:06 Uhr ab Raunheim Bahnhof nehmen. Eine Anreise mit dem PKW empfiehlt sich hier wirklich nicht.
Die Demos gegen CETA und TTIP waren groß, sehr groß - aber nicht groß genug, um die bürgerlichen Parteien von ihrer konzern-treuen Haltung abzubringen. (Beeindruckende Bilder der Frankfurter Demo gibt es bei fast allen lokalen Tageszeitungen, z.B. der Frankfurter Neuen Presse, aber auch auf der
Webseite des BBI.)
In der CDU darf der sog. 'Arbeitnehmerflügel' ein paar Klarstellungen verlangen, die Führer der SPD-Linken handeln ein bißchen Verfahrens-Kosmetik aus, aber das war's dann auch schon mit den Reaktionen der Parteien. Selbst die katastrophalen Wahlergebnisse bei den Wahlen (die SPD 'siegt' mit weniger als 22%, die CDU rutscht unter 18%) in Berlin führen nicht dazu, dass sie ihren selbstmörderischen Kurs ernsthaft in Frage stellen. Insbesondere Hessens SPD-Chef Schäfer-Gümbel hat sich dafür
stark gemacht, die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung zu ignorieren, und 2/3 der Delegierten des 'kleinen SPD-Parteitags' folgten dieser Aufforderung. Bleibt zu hoffen, dass auch bei kommenden Wahlen die Gegner dieser Art von 'Freihandel' die Schäfer-Gümbels in allen Parteien ignorieren werden.
CETA hat aber mit diesem Umfall der SPD noch längst nicht alle Hürden genommen. In den kommenden Monaten gibt es noch einige Entscheidungen, für die Widerstände angekündigt sind. Im EU-Ministerrat will Österreich nicht zustimmen, in belgischen Regionalparlamenten gab es Widerstand, und auch einige andere EU-Staaten haben Einwände formuliert. In der parlamentarischen Behandlung in Deutschland müsste CETA spätestens im Bundesrat scheitern, wenn die Landesverbände der Grünen und der SPD, die Ablehnung angekündigt haben, die jeweiligen Landesregierungen, an denen sie beteiligt sind, zur Enthaltung zwingen. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen Konzern-Lobbyisten und Bürger-Widerstand gehen weiter.
Die Fluglärmkommission bringt mal wieder etwas Transparenz in einen undurchsichtigen Vorgang: indem sie ihre
Stellungnahme zu einem nicht veröffentlichten Fraport-Antrag an das Verkehrsministerium veröffentlicht, erfährt man zumindest etwas über dessen Inhalt. Es ist nichts Gutes.
Der Antrag betrifft eine neue Entgelt-Ordnung für den Frankfurter Flughafen, die ab 01.01.2017 gelten soll. Die aktuell gültige ist zum 01.01.2015 als letzte Stufe einer fünfjährigen Rahmenvereinbarung mit den Airlines in Kraft getreten. Im letzten Jahr hatte Fraport einen Antrag für eine neue 5-Jahres-Vereinbarung im Streit mit dem Ministerium zurückgezogen, so dass die alte Ordnung in Kraft blieb. Nun also ein neuer Versuch.
Die Stellungnahme der Fluglärmkommission lässt nicht erkennen, inwieweit die alten Streitpunkte beseitigt sind. Sehr wohl aber wird deutlich, dass Fraport ihren Antrag weitgehend verwässert hat. Die FLK hebt die folgenden Punkte hervor:
Wie erwähnt, liegt der Fraport-Antrag nun dem Hessischen Verkehrsminister zur Genehmigung vor. Doch wie kommt es überhaupt, dass so ein bürokratisches Genehmigungsritual überlebt hat in Zeiten, in denen der freie Markt die Beziehungen zwischen den Wirtschaftsakteuren doch aufs Schönste regelt? Die Frage ist falsch gestellt: es hat nicht überlebt, es ist hochaktuell.
Die EU Richtlinie, die die Grundlage für das Verfahren darstellt, ist erst 2009 beschlossen wurden. Sie beruht zwar teilweise auf ICAO-Empfehlungen, die schon deutlich älter sind, aber auch die werden ständig,
zuletzt 2012, aktualisiert. Worum es ihr dabei geht, erläuterte die EU-Kommission im Mai 2014 in einem
Bericht, der eine
Studie über die Wirkung dieser Richtlinie aus dem Jahr 2013 auswertet. Darin heißt es: "Im Interesse eines erfolgreichen Luftfahrtsektors in der EU ist es zweifellos von zentraler Bedeutung, dass alle Arten von Luftfahrtunternehmen hochwertige Flughafeninfrastrukturen zu einem wettbewerbsfähigen Preis nutzen können" (Hervorhebung von uns). An anderen Stellen heißt es noch deutlicher, dass es darum geht, die Monopol-Macht von Flughäfen einzuschränken (besonders wenn sie, wie immer noch die meisten in Europa, im Besitz der öffentlichen Hand sind) und einen Druck zur Senkung der Entgelte zu erzeugen. Darin, dass Minister Al-Wazir diese Vorgaben widerspruchslos und effizient umsetzt, liegt der eigentliche politische Skandal hinter diesem Vorgang.
Das Ganze ist eingebunden in die Luftfahrtstrategie der EU, in der zwar sonst viel von Deregulierung die Rede ist, deren Hauptziel aber ist, das Wachstum des europäischen Luftfahrtsektors zu beschleunigen und die europäischen Airlines wettbewerbsfähig zu halten. Aktuell hat die EU-Kommission gerade eine
Roadmap veröffentlicht, in der beschrieben ist, wie die Entgelt-Richtlinie erneut evaluiert und ggf. novelliert werden soll, um dieses Ziel zu unterstützen.
Wer erreichen will, dass auch in diesem Bereich das Verursacher-Prinzip gelten soll und die Airlines tatsächlich die gesamten Kosten ihrer Aktivitäten tragen, einschließlich der Kosten für die Minderung der von ihnen angerichteten Gesundheits- und Umwelt-Schäden, der muss sich auch gegen diese Art der Regulierung wenden. Es geht dabei nicht darum, Fraport zu höheren Profiten zu verhelfen. Es geht darum, finanzielle Anreize und zusätzliche Mittel für mehr Lärmschutz zu generieren und letztendlich auch die Möglichkeit hin zu einem Kurswechsel zu weniger Wachstumswahn und Anpassung an die Bedürfnisse der Region zu eröffnen. Von seiten der Aufsichtsbehörde ist hier, wie schon im letzten Jahr bewiesen, absolut nichts zu erwarten.
Minister Al-Wazir hat in einer Pressemitteilung bestätigt, dass er die Genehmigung völlig 'unpolitisch' behandeln möchte. Zwar möchte er etwas von dem positiven Image abhaben, das Fraport zu erzeugen versucht, indem er erklärt: "Unser Ziel ist es, dass die Fluggesellschaften den Frankfurter Flughafen mit ihren leisesten Maschinen anfliegen. Die jetzt beantragte weitere Spreizung und Erhöhung der lärmabhängigen Entgelte geht genau in diese Richtung.". Aber irgendwie Druck zu machen, damit diese 'Spreizung' auch nur halbwegs in die Nähe einer steuernden Wirkung kommt, ist ihm leider versagt, denn "Der Minister wies darauf hin, dass bei der Genehmigung oder möglichen Untersagung einzelner Anträge kein politischer Abwägungsspielraum bestehe. ... 'Im Fall der Lärmentgelte, wie bei den Entgelten insgesamt, sind wir als Ministerium nur die Genehmigungsbehörde, die Anträge stellt Fraport. ...'". Auf die Hinweise und Forderungen der Fluglärmkommission geht er mit keinem Wort ein.
Das Leben als Politiker kann so einfach sein, wenn man seine Ansprüche nur weit genug reduziert.
Nach dem Einstieg der SPD in die bisher in Frankfurt regierende Schwarz-Grüne Koalition hat OB Feldmann mehr Aktionsmöglichkeiten - und er nutzt sie u.a., um zum 1. Oktober eine neue Stabsstelle Fluglärm einzurichten. Ihre Aufgabe ist es laut Feldmanns Pressemitteilung, für den "Frankfurter Flughafen als Deutschlands größte Arbeitsstätte" "wirtschaftliche Stärke und Lärmreduzierung in Einklang zu bringen".
Geleitet wird die Stabsstelle von der ehrenamtlichen Stadträtin und Sprecherin der Bürgerinitiative Sachsenhausen, Frau Dr. Ursula Fechter.
Im Bericht der Frankfurter Rundschau von der Pressekonferenz, in der Feldmann und Fechter die neue Stabsstelle vorstellten, werden noch ein paar weitere Einzelheiten genannt: "Beide können sich den Ausbau des Einzelhandelsgeschäfts („retail“) als Einnahmequelle vorstellen, ... ". "„Fraport soll Gewinne erzielen“, sagte Fechter, und kritisierte die vielen Kurzstreckenflüge. Deren Passagiere
zählten sicher nicht zum Retail-Kundenkreis. Feldmann sprach von „unglaublichen Potenzialen“ für den Einzelhandel."
Nun kann man nicht immer für bare Münze nehmen, was die Presse berichtet, aber diese Aussagen passen zu dem, was Feldmann schon kürzlich beim Wissenschaftsforum des Rhein-Main-Instituts vorgetragen hat und was man inzwischen auch in voller Länge nachhören kann.
Was sich, ganz naiv betrachtet, vielleicht als plausibles Konzept anhört (weniger fliegen, Profit mit anderen Geschäften machen), ist natürlich keineswegs so trivial. Das dahinter stehende Konzept, in Frankfurt AirportCity, global Aerotropolis genannt, beinhaltet etwas ganz anderes. Im Kern geht es darum, Flughäfen von Bestandteilen der nationalen Transport-Infrastruktur weg hin zu Profit Centern zu entwickeln, die in einer globalen Struktur Dienstleistungen und Geschäftsmöglichkeiten für Investoren unabhängig von den sonstigen lokalen Bedingungen anbieten. Dazu gehört natürlich, dass der Airport sein Angebot ganz auf die Bedürfnisse der globalen Besserverdienenden ausrichtet (und die lokalen Bedürfnisse dafür weitgehend ignoriert, insbesondere dann, wenn sie seinem Geschäftsmodell widersprechen).
Was immer man von Herrn Feldmann hält, so naiv, dass er davon nichts wüßte, kann er garnicht sein (und nach unserer Einschätzung weiß er sehr genau, was er da tut). Es ist wohl leider so, dass der Neoliberalimus sich derzeit immer durchsetzt, auch wenn die Partei, die ihn offiziell vertreten möchte, an der 5%-Hürde herumkrebst, und Feldmann und Fechter auf einem anderen Partei-Ticket in ihre Ämter gekommen sind.
Was Feldmanns Fans angeht, kann man da in puncto Naivität keinesfalls so sicher sein. Frau Fechter gibt sich jedenfalls Mühe, die Aufgabe der Stabsstelle in einem anderen Licht darzustellen und hat dazu im Diskussionsforum ihrer BI auch einen programmatischen Beitrag veröffentlicht. Unabhängig von der grundsätzlichen Problematik wirft der auch Fragen auf. Einige seien hier benannt.
So wird als eine Aufgabe genannt: "Kritische Wertung der Lärmschutzmaßnahmen, die von dem FFR vorgeschlagen wurden und Einbringung Frankfurter Forderungen". Hier wüsste man doch zu gern, was diese "Frankfurter Forderungen" denn sind. Sollte dazu etwa auch die Forderung nach Aufhebung der Rückenwindkomponente gehören, die in diesem Forum schon häufig gefordert wurde? Aber nein, das wäre ja eine reine Lärmverschiebungsmaßnahme, und sowas ist von Frau Fechter immer heftig abgelehnt worden.
Eine weitere Aufgabe ist "Aufstellung von Schadstoffmessstationen, die Stadt Frankfurt könnte hier Vorreiter sein". Ja, könnte sie, aber warum so undifferenzert? HLNUG weist seit Jahren nach, dass die üblichen Schadstoffmessungen nicht geeignet sind, Luftverkehrs-spezifische Belastungen nachzuweisen. Einzig die Messung von Ultrafeinstaub bringt hier wirklich weiter. Wenn das geplant sein sollte, warum wird es nicht konkret benannt? Und hat nicht die Stadt Frankfurt die Einrichtung einer solchen Meßstation gerade erst abgelehnt?
Und schließlich: "Frankfurter Beitrag zur Lärmobergrenze. Wichtig ist hier ein neuer Fluglärmindex, der die Basis für jedes Lärmobergrenzenmodell sein muss. Hier wird es dazu eine erste Pressekonferenz der Stabsstelle im September geben". Na schön, warten wir ab. Ein paar Kriterien, was dieser Index anders gewichten soll als der bisherige (d.h. wessen Belastung er höher gewichtet), wären aber schon interessant gewesen.
Zusammengefaßt gibt es leider wenig Hoffnung, dass diese neue Stabsstelle den Widerstand gegen den Flughafenausbau tatsächlich stärken könnte. Die Rolle, die Oberbürgermeister und Regierungskoalition in Frankfurt dem Flughafen zuordnen, ist in erster Linie an dessen Profit-Funktion orientiert, ein bißchen vielleicht noch an der Funktion als Arbeitsplatz-Beschaffer (wobei hier Quantität eindeutig vor Qualität geht), und dann kommt lange nichts. Natürlich möchte man die meuternde Bevölkerung gerne mit ein paar Zugeständnissen ruhig stellen, aber nur, wenn es dem Hauptziel nicht in die Quere kommt.
Dass jemand diesen Prozess organisieren bzw. begleiten soll, der aus der Bewegung gegen den Ausbau kommt, hat nicht viel zu sagen. Es gibt leider allzu viele Beispiele dafür, wie solche Personen sich entwickeln, wenn sie in die offiziellen Strukturen eingebunden werden (wem hier der Name Al-Wazir einfällt, der ist auf dem richtigen Weg). Und was an inhaltlichen Aussagen bisher vorliegt, läßt auch nur Schlimmes befürchten. Die BIs sollten sich schon mal darauf vorbereiten, wie sie mit kommenden Attacken zur Spaltung der Bewegung umgehen wollen.
Inzwischen hat auch die schwarz-rot-grüne Koalition in einem Antrag im Umweltausschuss formuliert, was die Stabsstelle ihrer Meinung nach tun soll: sie soll "zu einer zentralen Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger" werden und "im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten für einen besseren Fluglärmschutz eintreten und in Zusammenarbeit mit dem Umweltdezernat, dem Land Hessen und den Kommunen in der Region Kriterien für regionale Lärmobergrenzen erarbeiten"; das Ganze unter der Überschrift "wirtschaftliche Stärke und Lärmreduzierung in Einklang bringen". Diffuser geht es wohl kaum.
Erklären lässt sich das wohl nur dadurch, dass gar kein Antrag geplant war, aber kurzfristig gebraucht wurde als Alternative zu einem Antrag, der konkrete Maßnahmen zur Förderung eines Nachtflugverbots von 22 - 6 Uhr forderte. Um sowas ablehnen zu können, muss man wenigstens den Anschein erwecken, eigene Initiativen zu haben.
Der amtierende ICAO-Präsident könnte einem fast leid tun: wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.
Nach dem Friends of the President meeting am 22./23.08., das einen Kompromiss für ICAOs Klimaschutz-Flaggschiff, die
Globale Markt-basierte Maßnahme COSIA, vorbereiten sollte, herrscht rundum beredtes - oder betretenes - Schweigen. Kein Kommunique, keine Pressemeldung, keine Kommentare - offenbar möchte keiner der Beteiligten dieses nicht-öffentlichen Treffens als Überbringer der schlechten Nachrichten auftreten. Selbst in der
Liste der Treffen zu diesem Thema wird diese Zusammenkunft nicht erwähnt.
Was bekannt ist, läßt Schlimmes befürchten. Die dokumentierten
Einlassungen der Beteiligten weisen darauf hin, dass die von Reuters bereits Anfang August veröffentlichten Andeutungen Wahrheit geworden sind: Der von ICAO geplante Kompensations-Mechanismus soll nicht nur von Anfang an grosse Lücken haben, er soll für die ersten Jahre nicht einmal verbindlich sein. Das wäre der Super-Gau für den Klimaschutz im Luftverkehr.
Ob die nun offenbar wieder aufgenommenen bilateralen Gespräche vor der ICAO-Vollversammlung Ende September noch einmal zu anderen Ergebnissen kommen, bleibt abzuwarten.
Zeitlich lange geplant, aber trotzdem wie auf den Punkt, hat ICAO den Environmental Report 2016 veröffentlicht. Dieser Bericht erscheint alle drei Jahre vor der jeweiligen ICAO-Vollversammlung und faßt die Arbeit des ICAO Umweltschutzkomittees CAEP und andere diesbezüglich relevante Entwicklungen zusammen.
Wie immer malt er die Umweltschutz-Bemühungen der Luftfahrt-Industrie in den schönsten Farben (obwohl das bei der Betrachtung des Titelbildes auch eine Geschmacksfrage ist) und ist voll von leuchtenden Beispielen für die Bemühungen einzelner Staaten, Flughäfen und Airlines, ihre Umweltbilanz zu verbessern. Er liefert aber auch eine Unmenge an Hintergründen, Daten und Prognosen, die sonst schwer oder garnicht zugänglich sind. Und einiges davon kann man eigentlich nur als dringenden Appell an die ICAO-Mitgliedsstaaten lesen: 'Wir wissen, was zu tun ist, und es ist dringend - handelt endlich!'.
Eine erste Analyse der dort beschriebenen Emissions-Szenarien kommt jedenfalls zu einem eindeutigen Ergebnis: das Erreichen der von der Luftfahrt-Industrie selbst formulierten Ziele erfordert sofortige und höchste Anstrengungen, aber sie sind trotzdem nicht mit dem in Paris formulierten Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C vereinbar. Das steht zwar so nicht im ICAO-Report (und ist selbst aus der Analyse von CarbonBudget nur herauszulesen, wenn man zusätzliche Informationen hat, was dieses "1.5°C Carbon Budget" eigentlich ist), aber man findet auch nicht so leicht eine andere Datenbasis, aus der man diese Schlussfolgerung so überzeugend ableiten kann.
Auch zum Thema 'Ultrafeinstaub' finden sich eine Reihe von interessanten Beiträgen, die zeigen, dass ICAO selbst, und erst recht einzelne Flughäfen auf der Welt, bei diesem Thema schon sehr viel weiter sind als Fraport und die hessische Landesregierung (s. folgende Nachricht). Gerade die Bemühungen in Kopenhagen, wenigstens die Vorfeld-Mitarbeiter halbwegs vor UFP-Belastungen zu schützen, bilden da einen deutlichen Kontrast. Und auch die Bemühungen, mit dem neuen Emissionsstandard für "nicht-volatile Teilchen" die Belastung durch UFP zumindest zu erfassen, vielleicht sogar zu begrenzen, sind wesentlich mehr, als hierzulande diskutiert wird.
Natürlich geht das alles quälend langsam und kommt viel zu spät - wenn die Betroffenen die Informationen nicht nutzen, mit deutlich mehr öffentlichem Druck die Prozesse zu beschleunigen.
Zumindest Reuters hat Quellen gefunden, die bestätigen, dass der schlimmste Fall tatsächlich eingetreten ist. Der aktuelle Vorschlag, der angeblich "breite Unterstützung" hat, sieht vor, dass Staaten in der ersten Phase von 2021 bis 2026 freiwillig an dem Kompensationsgeschäft teilnehmen sollen (und vielleicht sogar wieder aussteigen können, wenn sie das wollen). Erst ab 2027 soll es dann eine verbindliche Teilnahme geben, allerdings weiterhin mit Ausnahmen. Offiziell kommentieren wollte das keiner der Beteiligten, aber spätestens bei der ICAO-Ratstagung am 02.09. wird wohl deutlich werden, wer diesen faulen Kompromiss unterstützt.
Sollte der Rat das nun wohl vorliegende Dokument der ICAO-Vollversammlung Ende September zur Beschlussfassung empfehlen, dann hätte die gleiche Staatengemeinschaft, die letztes Jahr in Paris ambitionierte Klimaschutz-Ziele propagiert hat und sich ebenfalls im September dafür feiern wird, dass der dort verhandelte Vertrag
schon nach einem Jahr in Kraft treten kann, schon beim ersten Test der Ernsthaftigkeit dieser Ambitionen kläglich versagt.
Nun zeigen sich auch die Mitglieder des
Umwelt-Komittee des Europaparlaments 'geschockt' von den Vorhaben der ICAO. Nachdem der Chefdelegierte der EU-Kommission bei ICAO über die jüngsten Ergebnisse informiert und die oben zitierte Reuters-Meldung bestätigt hatte, verlangten sie nach der EurActiv-Meldung "über das gesamte politische Spektrum hinweg", die EU solle "in den Verhandlungen aggressiver auftreten". Der Kommissionsvertreter teilte dazu nur kühl mit, die Kommission habe ihre Verhandlungsposition nicht geändert, diese sei aber "nicht das wahrscheinlichste Ergebnis".
Das deutet stark darauf hin, dass die EU bereit ist, den wohl im Wesentlichen zwischen den USA und China ausgehandelten Deal zu akzeptieren. Sie stimmt zwar formal in der Vollversammlung garnicht mit ab, weil dort die Einzelstaaten Mitglied sind, aber die folgen normaler Weise dem von der EU-Kommission koordinierten Vorgehen. (Sie müssen das nicht, aber wenn die Bundesregierung, in diesem Fall dann vertreten durch das Verkehrsministerium, eigenständig entscheiden würde, würde es auch nicht besser.) Das Europaparlament hat nicht mitzureden, es wird nur gefragt, wenn es darum geht, welche Schlüsse aus dem ICAO-Ergebnis für die Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel zu ziehen sind.
Nun ist das Ergebnis dieser Verhandlungsrunde auch amtlich. Der ICAO-Rat hat seinen
Entwurf für den Beschluss der Mitgliederversammlung Ende September vorgestellt (wer genau wissen möchte, welche Staaten dafür verantwortlich sind, findet hier eine
Liste der Ratsmitglieder). Eine genaue Analyse des Papiers steht noch aus und macht auch nur begrenzt Sinn, da in den nächsten drei Wochen wohl noch an Details gefeilscht werden wird, aber klar ist schon jetzt, dass die Verbindlichkeit der Teilnahme in der ersten Phase (bis 2026) noch geringer sein wird als befürchtet: Staaten nehmen nur freiwillig teil, können praktisch jederzeit ein- und wieder aussteigen, bestimmen den Modus der Berechnung der Verpflichtungen ihrer Airlines selber usw..
Da ist es wohl kein Wunder, dass die Zustimmung zu einem solchen Deal vielen Staaten leichtfällt, zumal bei einigen noch nicht einmal klar ist, ob ihre Zustimmung nur für den zu fassenden Beschluss oder für eine tatsächliche Teilnahme gilt. Optimisten gehen immer noch davon aus, dass trotz allem in der ersten Phase eine rund 80%ige Kompensation der Emissions-Zuwächse ab 2021 erreicht werden könnte - die Hoffnung stirbt eben immer zuletzt.
Es gab wohl doch einen aktuellen Anlass für den unten diskutierten Artikel der FR: Das Hessische Umweltministerium, das offenbar auch gerne das Sommerloch nutzt, um unangenehme Dinge zu entsorgen, hat die ruhige Zeit in Wiesbaden genutzt, um mit einiger Verspätung seine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu "Gefahren durch Ultrafeinstäube am Frankfurter Flughafen" zu veröffentlichen.
Tatsächlich finden sich etliche von der FR zitierte Aussagen in diesem Papier, aber darüber hinaus stehen noch ein paar interessante Sachen drin. Besonders spannend ist die Antwort auf Frage 3 (s. Grafik).
Sie bezieht sich explizit auf die Auswertung des ersten halben Jahres der UFP-Messungen an der Station Raunheim, und sie bestätigt einmal mehr die Aussagen der BI: die Grundbelastung ist in Raunheim höher als an vergleichbaren Orten, die gemessenen Spitzenwerte deuten auf massive Kurzzeit-Quellen in unmittelbarer Nähe hin, und der Hauptteil der Belastung kommt aus Richtung Ostnordost.
Wenn es dann trotzdem in der Antwort auf "Frage 4. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Ultrafeinstaubkonzentrationen und der Anzahl der Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen?" sehr, sehr zurückhaltend heißt:
"Eine einfache Korrelation zwischen diesen beiden Größen ist nicht ohne Weiteres aussagekräftig. ... Rein qualitativ weist zwar der einfache Vergleich des mittleren Tagesgangs der ultrafeinen Partikel mit dem über den gleichen Zeitraum gemittelten Tagesgang der Flugbewegungen gewisse Ähnlichkeiten auf, ... Die zeitliche Korrelation bedarf jedoch einer weiteren Untersuchung, ...", dann wird deutlich, wie sehr auch das Umweltministerium bemüht ist, dem 'wichtigsten Arbeitgeber in Hessen' nur ja nicht zu nahe zu treten, selbst wenn die Fakten nach einer klaren Interpretation geradezu schreien.
Besonders peinlich sichtbar wird das auch in der Antwort auf "Frage 9. Welche Maßnahmen hat die Fraport getroffen, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ultrafeinstäuben zu schützen?". Nach einer Auflistung der allgemeinen rechtlichen Grundlagen für den Arbeitsschutz und der generellen Verpflichtung der Arbeitgeber, für den Schutz der Beschäftigten zu sorgen, heißt es beruhigend:
"Nach eigenen Aussagen stellt Fraport dazu die geeigneten (Schutz-) Mittel zur Verfügung und trifft die erforderlichen Maßnahmen, um Unfälle und Gesundheitsschäden, die sich im Zusammenhang mit der Tätigkeit ergeben können, zu vermeiden."
Davon kann in Bezug auf UFP natürlich keine Rede sein - aber dafür ist das Ministerium nicht zuständig.
Von einer baldigen Veröffentlichung der vorliegenden Meßwerte und der bereits vorgenommenen Auswertungen ist auch beim Ministerium nicht die Rede.
Es bleibt leider dabei: ohne zusätzlichen Druck der Betroffenen bewegt sich hier nichts.
Am Mittwoch, den 14.09.2016, gibt es Gelegenheit, die Herren Jacobi und Wirtz direkt zu den neuesten Entwicklungen zu hören: Um 17:00 Uhr lädt der Regionalausschuss des Kreises Gross-Gerau zu einer öffentlichen Sitzung, in der die beiden Herren, zusammen mit Wolfgang Schwämmlein von der AG Feinstaub des BBI, zum Thema "Ultrafeinstaub im Bereich des Frankfurter Flughafens" referieren. Ob die Öffentlichkeit da auch Fragen stellen darf, wissen wir nicht.
Auch die Fraport demonstriert, dass sie das Thema aufmerksam verfolgt. So haben sie Ende August extra ihre kleine UFP-Broschüre überarbeitet, um auf S.3 mitzuteilen, dass "ein technischer Standard zur Messung dieser Partikel ... veröffentlicht" wurde (was so nicht stimmt, da die zitierte deutsche Fassung frühestens im Oktober veröffentlicht wird). Auf S.5 haben sie das auch schon wieder vergessen, und an den Schlussfolgerungen ("Wir messen nicht!") ändert sich auch nichts.
Nicht nur die EU, auch die Bundesregierung verabschiedet sich in rasendem Tempo von ihren noch im Dezember letzten Jahres lauthals verkündeten Klimaschutz-Ambitionen. Während Umweltministerium und Umweltbundesamt noch, weitgehend vergeblich, versuchen,
Positionen zu verteidigen, lehnen Wirtschaftsministerium und Kanzleramt jede Steigerung der Anstrengungen über bereits eingegangene Verpflichtungen hinaus
kategorisch ab.
Das Verkehrsministerium steht dem natürlich nicht nach. Wie die von ihm formulierte
Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen verdeutlicht, tut die Bundesregierung nichts, um die Verhandlungen über ein Klimaschutz-Abkommen im internationalen Luftverkehr voranzubringen.
Eine
Analyse der Online-Plattform 'klimaretter.info' hebt hervor, die Antwort zeige, dass die Bundesregierung "fast ohne eigene Vorstellungen in die entsprechenden Verhandlungen" der ICAO gehe. "Als zufriedenstellendes Ergebnis des Jahrestreffens nennt sie schlicht die Schaffung eines solchen globalen Mechanismus – obwohl der nach jetzigem Stand den größten Teil der Emissionen außen vor lässt." Sie kritisiert weiterhin: "Die Bundesregierung hat ihrer Antwort zufolge auch keinen Standpunkt in der Frage, ob der Flugverkehr sich stärker am Europäischen Emissionshandel beteiligen soll."
Für die Umweltorganisation Robin Wood ist die Antwort Anlass, in ihrem
Blog festzustellen, dass "sich das federführende Verkehrsministerium zum Sprachrohr der Luftfahrtlobby" macht, und noch einmal auf die Kampagne 'Nein zum Ausbau des Flugverkehrs! Keine Klima-Scheinlösungen!' hinzuweisen.
Die Grünen selber schweigen allerdings bisher seltsamer Weise zu dieser Antwort. Weder auf den Webseiten der Bundestagsfraktion oder der Bundes-Partei, noch auf denen der Haupt-AutorInnen ist ein Hinweis auf die Anfrage oder die Antwort zu finden. Ob das möglicherweise daran liegt, dass die Partei inzwischen mit dem Thema selber ein Problem hat, nachdem die ihr nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit Airbus ein Papier vorgestellt hat, in dem sie gemeinsam von einer "nachhaltigen Entwicklung des Luftverkehrs" träumen?
Während dieses Papier ausserhalb der Partei auch in grün-orientierten Kreisen
ätzende Kritik auf sich zieht, herrscht innerhalb auch dazu weitgehend Schweigen.
Derweil ist innerhalb der ICAO auch unmittelbar vor dem nächsten Treffen nicht absehbar, wie ein Kompromiss zustande kommen kann und wie der aussehen könnte. In der Dokumentation zu dem Treffen ist drei Tage vor Beginn noch kein einziges relevantes Dokument veröffentlicht, und in den einschlägigen Foren sind keinerlei optimistische Prognosen zu finden. Die Gefahr, dass selbst der bisher formulierte völlig unzureichende Vorschlag gar nicht oder nur als Absichtserklärung verabschiedet wird, ist durchaus real.
Dafür wird in der realen Welt umso deutlicher, wie dringend sofortiges und konsequentes Handeln wäre. Immer mehr wissenschaftliche Studien belegen, dass das ambitioniertere Ziel des Pariser Klimaabkommens, den Temperaturanstieg auf der Erde auf 1,5°C zu begrenzen, kaum noch erreichbar ist, weil die Temperaturen immer schneller ansteigen und dieser Wert temporär fast schon erreicht worden ist.
Was wie schnell getan werden muss, um einen Klimawandel mit fatalen Konsequenzen für die Menschheit zu verhindern, ist inzwischen hinlänglich bekannt, und man kann es auch in den Dokumenten der Bundesregierung nachlesen (s. Grafik). Diese und andere Regierungen zu entsprechendem Handeln zu zwingen, ist ein ganz anderes Problem.
Ein bißchen haben wir den Grünen Unrecht getan. Auch wenn sie es auf ihren Webseiten nicht verraten, haben sie wohl doch etwas an die Presse gegeben. Sowohl die
Zeit als auch die
FR berichten fast gleichlautend über eine kurze dpa-Meldung. Darin heißt es: "Die Grünen werfen der Bundesregierung mangelndes Engagement für den Klimaschutz im internationalen Luftverkehr vor. Wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion hervorgeht, hat der Bund weder in den USA noch in China darauf gedrungen, Flüge von und aus der EU in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen. Das sei ein "verheerendes Signal", sagten die Grünen-Politiker Stephan Kühn und Annalena Baerbock, der dpa."
Nun wissen wir aus eigener Erfahrung, dass das, was in Presseerklärungen steht, und dass, was danach in Zeitungen erscheint, sehr verschiedene Dinge sein können. Aber hier erscheint doch merkwürdig, dass zwei Zeitungen aus einer dpa-Meldung etwas hervorheben, was ohne Vorkenntnisse kein Mensch versteht. Wieso soll der Bund in den USA und in China darauf drängen, dass Flüge in den europäischen Emissionshandel einbezogen werden? Dazu muss man wissen, dass Proteste u.a. aus den USA und China dazu geführt haben, dass die eigentlich vorgesehene Einbeziehung internationaler Flüge in das EU-ETS ausgesetzt wurde, um auf eine internationale Lösung durch ICAO zu warten, und dass dieser Widerstand überwunden werden müsste, wenn die Einbeziehung künftig möglich sein soll. Das war aber bestenfalls ein kleiner Teilaspekt der Anfrage, und mit Sicherheit nicht das Hauptproblem in der Antwort.
Liegt es wirklich nur an Unwillen oder Unfähigkeit der Redakteure in Presseagenturen und Zeitungen, dass der eigentliche Inhalt dieses ganzen Vorgangs nicht deutlich wird?
Inzwischen sind Wirbelschleppen-Schäden offenbar auch in Flörsheim soweit Routine, dass sie es nicht einmal mehr in die Lokalpresse schaffen, wenn nichts Dramatisches passiert ist.
Der Schadensfall vom 15.08. jedenfalls wurde nur durch einen Facebook-Eintrag von Bürgermeister Antenbrink publik, und viel hatte der auch nicht zu berichten:
"Wieder ein Wirbelschleppenschaden in Flörsheim am Main. Gestern am 15. August holte eine B777 der Thai Airways International um 18:45 Uhr einige Ziegel in der Weilbacher Straße 32 vom Dach. Dank eines Schneefanggitters ist nicht mehr passiert."
Dazu noch ein Foto, das ein kleines Loch im Dach und ein paar Ziegel im Schneefanggitter zeigt.
Eine genauere Betrachtung der Umstände (s. Grafik links) ergibt auch nichts Besonderes. Der Schadensort liegt nahe an der Anfluglinie, der Wind kam zu diesem Zeitpunkt (am Flughafen) aus Nordost und lebte weiter auf, so dass die Betriebsrichtung gerechtfertigt war, der Flieger war ein 'Heavy' und flog in der (immer noch) üblichen Höhe von weniger als 300 Meter über Boden.
Warum also überhaupt darüber berichten ?
Die scheinbare Normalität ist Teil des Skandals. Nicht nur wird nach wie vor die Gefährdung der Bevölkerung durch Wirbelschleppen-Schäden als normales Risiko des Flugbetriebs akzeptiert, selbst die wenigen Maßnahmen, die das Risiko offiziell reduzieren sollen, werden nicht umgesetzt. Der 3°-Anflugwinkel ist auch für die Nordwestbahn immer noch die Norm, obwohl die technischen Voraussetzungen für eine Anhebung auf 3,2° längst gegeben sind. Die vorhandenen Möglichkeiten für eine weitere Anhebung auf mindestens 3,5° zu nutzen, scheitert am Widerstand der Fluggesellschaften, obwohl jeder Meter Höhe die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wirbelschleppe am Boden Schaden anrichten kann, verringert.
Das Dachklammerungs-Programm geht weiterhin nur langsam voran und wird wegen der
bekannten Mängel nie eine flächendeckende Sicherung erreichen.
Über die tatsächlich notwendigen Maßnahmen (konsequente Vergrösserung der Überflughöhen, Reduzierung der Zahl der Überflüge) soll möglichst nicht mehr geredet werden. Umso wichtiger ist es, jeden einzelnen Vorfall, der bekannt wird, dazu zu nutzen, diese Forderungen wieder ins Gedächtnis zu rufen, auch wenn (zum Glück) nichts Schlimmes passiert ist.
Die Partikelkonzentration steigt mit der Zahl der Überflüge -
aber das beweist natürlich garnichts ...
Am 15.08. war in der Frankfurter Rundschau eine
überraschende Meldung
zu lesen. Unter der Überschrift 'Dem Ultrafeinstaub auf der Spur' wird berichtet, dass das Land Hessen "die Belastung der Bevölkerung mit Ultrafeinstäuben untersuchen" will. Dazu "würden Instrumente beschafft, um die in Kooperation mit dem Umweltbundesamt erfolgten Messungen in Raunheim fortzusetzen".
Zu den Ergebnissen dieser Messungen, die im September 2015 begonnen wurden, wird Herr Jacobi vom HLNUG zitiert mit den Worten, sie "seien bezüglich eines Zusammenhangs mit den Überflügen jedoch nicht ohne Weiteres aussagekräftig". Und er warnt schon mal, "dass auch künftig valide Ergebnisse nicht „von jetzt auf gleich“ zu erwarten sind. Das technische Aufrüsten erfordere umfangreiche Investitionen, es müsste dann auch erst Erfahrung mit den Gerätschaften gesammelt werden".
Die Botschaft, die hier vermittelt werden soll, ist eindeutig: "Wir tun was !", und es kann sich nur noch um Jahrzehnte handeln, bis auch etwas dabei herauskommt.
Warum also dieser Artikel? Zunächst scheint es sich um ein typisches Sommerloch-Produkt zu handeln. Ein aktueller Anlass ist nicht erkennbar, es gibt keine neuen Stellungnahmen der zitierten Institutionen (und weder Wirtschafts- noch Umwelt-Ministerium lassen gerne eine Gelegenheit aus, sich ausgiebig zu feiern, wenn sie mal Gelder für öffentliche Belange ausgeben können), es wird nicht gesagt, wann und wo die zitierten Äusserungen gefallen sind, und auch Herr Jacobi kann gut weit weg in Urlaub sein: die zitierten Floskeln kann man bei ihm wohl auch automatisiert abrufen.
Sollte er sich aber tatsächlich aktuell so geäussert haben, so kann man darin bestenfalls ein Indiz sehen, dass er es auch nach einem Jahr Messübungen in Raunheim nicht eilig haben wird, die dort erhaltenen Ergebnisse zu veröffentlichen. Ihm genügt es, mitteilen zu können, dass er in den Daten keinen eindeutigen Beweis für die Rolle des Luftverkehrs bei der UFP-Belastung sehen muss. Damit kann er sich beruhigt zurücklehnen: ein Grenzwert ist nicht überschritten (da noch keiner existiert), und ansonsten sind die Unsicherheiten so groß, dass Nichtstun weiterhin gerechtfertigt ist.
Was die Unsicherheiten angeht, hatten wir diese Diskussion bereits im Dezember letzten Jahres mit Herrn Wirtz vom Umweltbundesamt, und unsere Position hat sich nicht geändert. Die vorliegenden Daten müssen auf den Tisch, damit sie von allen Seiten einer kritischen Bewertung unterzogen werden können. Herr Jacobi hat die wissenschaftliche Erkenntnis nicht für sich gepachtet, auch andere sind in der Lage, Meßdaten zu interpretieren und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Was auf der Grafik oben zu sehen ist, ist sicher noch kein hinreichender Beweis für den genauen Zusammenhang zwischen UFP-Belastung in der Atemluft und der Zahl der direkten Überflüge, aber (zusammen mit vielen Erkenntnissen von anderen Orten) ein hinreichend starkes Indiz dafür, dass dringend etwas getan werden muss.
Hier wäre wohl als Nächste die Fluglärmkommission gefordert, deutlich zu machen, dass die Region ein vitales Interesse daran hat, auch über diesen Aspekt der Belastung durch den Flugverkehr informiert zu werden. Sie sollte in ihrer nächsten Sitzung darauf drängen, die Daten der UFP-Meßstation in Raunheim für den Zeitraum September 2015 - August 2016 umgehend zu erhalten und durch unabhängige ExpertInnen bewerten zu lassen. Das HLNUG hat sich durch seine extrem einseitigen Äusserungen dafür hinreichend disqualifiziert.
Auf den ersten Blick haben die beiden Meldungen wenig miteinander zu tun, ausser dass sie beide am 04.08. veröffentlicht wurden: der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft bejammert die schwierige Situation seiner Mitglieder, und die Kampagne Verfassungsbeschwerde "Nein zu CETA" meldet mehr als 100.000 UnterstützerInnen ihrer Bürgerklage. Zusammenhänge gibt es aber reichlich.
Der BDL gibt sich alamiert, weil seine neuesten Statistiken zeigen: "Im Vergleich zu der europäischen und internationalen Entwicklung hinkt die deutsche Luftfahrt hinterher". Ihre Wachstumsraten sind unterdurchschnittlich, und sie verliert Marktanteile. Normalerweise ziehen Neoliberale aus einer solchen Entwicklung den Schluss, dass hier die Marktkräfte am Werk sind, die die Tüchtigen belohnen und die Transusen bestrafen.
Nicht so Fraport-Chef Schulte: in seiner Eigenschaft als BDL-Präsident stellt er fest, "dass die deutschen Luftverkehrsunternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligt sind. Insbesondere sind es die einseitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie die nationalen Alleingänge bei der Luftverkehrsteuer, bei den Luftsicherheitskosten und bei den rigidesten Nachtflugbeschränkungen, die die deutsche Luftverkehrswirtschaft im internationalen Wettbewerb benachteiligen".
Schuld ist die Bundesregierung: "Fluggesellschaften und Flughäfen senken ihre Kosten, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Aber wir warten immer noch darauf, dass die große Koalition ihr Vorhaben, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftverkehrswirtschaft auch bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu stärken, in dieser Legislaturperiode umsetzt".
Aber Verkehrsminister Dobrindt, der ja auch sonst nichts auf die Reihe bringt, trödelt auch hier. Der BDL möchte ihm mit seinem Gejammer Beine machen, ihm aber zugleich auch mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit unter die Arme greifen.
Was Herr Dobrindt zu tun hätte, steht in zwei Papieren, für die der Ausdruck 'Gutachten' viel zu wissenschaftlich wäre. Das erste
Papier hat sich der BDL vom sattsam bekannten Herrn Rürup verfassen lassen (und leider haben auch noch ver.di, Cockpit und UFO mitbezahlt). Es listet alles auf, was aus Sicht der Luftfahrt-Industrie beseitigt gehört. Das zweite hat Herr Dobrindt selber in Auftrag gegeben, es firmiert als
Grundlagenermittlung für ein Luftverkehrskonzept. Es leiert die gleichen Gebetsmühlen ab, mit einer interessanten Ausnahme: die 'Betriebsbeschränkungen', sprich Nachtflug-Einschränkungen u.ä., stehen hier nicht so deutlich auf der Abschußliste. Hier möchte die Politik wohl aktuell nicht aktiv werden. Der BDL spielt mit und fordert (zumindest an dieser Stelle) nur, was Herr Dobrindt auch glaubt liefern zu können. Auf der Wunschliste stehen Abschaffung der Luftverkehrssteuer, Übernahme der Kosten für die Luftsicherheit durch den Bund und die Revision (sprich: Verwässerung) der EU-Fluggastrechte-Verordnung. Dass das weder logisch noch gerechtfertigt ist, hat den BDL ja noch nie gestört, genausowenig wie Herrn Dobrindt.
Unlogisch ist die Behauptung, die "deutschen Airlines" seien durch diese Punkte besonders benachteiligt, weil die jeweiligen Kosten alle Anbieter in gleicher Weise treffen. Ungerechtfertigt sind sie, weil die Fluggastrechte-Verordnung auch jetzt schon keine extremen Rechte für die Passagiere vorsieht und Entschädigungen ohnehin nur
extrem selten ausgezahlt werden, weil es keinerlei Grund dafür gibt, alle Steuerzahler für die Sicherheit der Exklusiv-Veranstaltung Flugverkehr zur Kasse zu bitten, und weil die Luftverkehrssteuer nicht einmal 10% der Summe einbringt, die der Staat an Subventionen für den Luftverkehr ausgibt. Das
Umweltbundesamt hatte schon für 2010 berechnet, dass der Verzicht auf Kerosin- und Mehrwert-Steuer den Flugverkehr mit über 10 Milliarden Euro subventioniert, das ARD-Magazin
Plusminus schätzt die Summe aktuell auf 11,8 Mrd. €.
Das nationalistisch gefärbte Getöse dient an dieser Stelle aber auch nur dazu, zu rechtfertigen, dass dem deutschen Steuerzahler in die Tasche gegriffen werden soll. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt des Gesamtprojekts.
Beim Durchsehen der BDL-Tabellen, die die Aussagen belegen sollen, fällt auf, dass immer nur relativ argumentiert wird. Es geht um Marktanteile und Wachstumsraten, fast überall gibt es nur Prozentsätze, selten absolute Werte. Das hat seinen Grund: würden die Änderungsraten in Relation zu den absoluten Größen dargestellt, würde deutlich, dass der BDL sich benimmt wie ein Erwachsener, der sich darüber beklagt, dass ein Kleinkind schneller wächst als er. Europa hat, trotz des Wachstums in Asien und am Golf, immer noch einen weit überproportionalen Anteil am Weltluftverkehr, und innerhalb Europas sind die deutschen Airlines nach denen aus Großbritannien und Irland die größten Player. Dieses historisch gewachsene Übergewicht soll nicht nur verteidigt, sondern auch möglichst wieder ausgebaut werden. (Um das Bild fortzuführen: Der Erwachsene möchte wenn schon nicht bei der Grösse, dann zumindest beim Gewicht mehr zulegen als das Kleinkind. Dass das langfristig nicht gut gehen kann, ist offensichtlich.)
Der Weg dazu ist die
Aviation Strategy der EU. Wie unten bereits erläutert, geht es dabei hauptsächlich darum, mit einem Bündel von bilateralen Luftverkehrsabkommen globale Wachstumsmärkte für die europäische Luftverkehrswirtschaft zu erschliessen, indem Zugangsbeschränkungen aufgebrochen und nationale Schutzmechanismen (genannt 'Protektionismus') beseitigt werden. In diesem Sektor ist es die EU, die besonders aggressiv vorgeht. So hat erst kürzlich der Direktor der Generaldirektion 'Mobilität und Verkehr (MOVE)' der EU-Kommission in einer
Rede vor dem International Aviation Club in Washington gefordert, den Luftverkehr vollständig in das TTIP-Abkommen einzubeziehen. Was die EU als Gegenleistung für freieren Marktzugang anbieten würde, hat er nicht gesagt, aber es steht in den einschlägigen EU-Studien: die Aufhebung handelshemmender Betriebsbeschränkungen, wie z.B. Nachtflugverbote.
Auch in anderen Bereichen, wie etwa den sog. Partnerschaftsabkommen mit afrikanischen Staaten, steht die EU bei 'Liberalisierungen' an vorderster Front. Generell sind sich EU, USA und Kanada aber einig, ihre jeweilige Freihandels-Agenda mit bilateralen Verträgen durchzusetzen und UN-Organisationen, in denen Entwicklungs- und Schwellenländer zuviel Einfluss haben, an den Rand zu drängen. So wird nicht nur die sog. Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation WTO
praktisch beerdigt, die UN-Organisation für industrielle Entwicklung UNIDO finanziell ausgetrocknet und die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung UNCTAD nur mit Mühe am Leben gehalten, auch die ICAO darf zum Thema Wettbewerb nur unterschiedliche Auffassungen zu Protokoll nehmen, auch wenn sie noch tapfer daran festhält, den
heftig kritisierten Rahmen für ein multilaterales Abkommen zu Liberalisierung
weiter zu entwickeln, obwohl der Zeitplan schon ziemlich durcheinander gekommen und keineswegs klar ist, wer ein solches Abkommen überhaupt noch anwenden würde.
Und damit wären wir endlich bei der zweiten Nachricht. Die Umsetzung des Freihandelsabkommens mit Kanada,
CETA, ist der nächste große Schritt in der EU-Strategie. Die Kommission hat nur scheinbar einen Rückzieher gemacht mit dem Zugeständnis, CETA als sog. gemischtes Abkommen einzustufen, so daß auch die nationalen Parlamente darüber abstimmen dürfen. In ihrem
Vorschlag für die vorläufige Anwendung von CETA besteht die Kommission auf ihrer Rechtsauffassung, dass praktisch alle Bestandteile des Vertrags in ihre ausschließliche Kompetenz fallen. Das hat unmittelbare Auswirkungen, denn alle diese Bestandteile können, wenn der EU-Ministerrat und das Europäische Parlament zustimmen, unmittelbar 'vorläufig' in Kraft gesetzt werden. Worüber die nationalen Parlamente dann überhaupt noch abstimmen dürfen, bleibt bisher noch unklar. (Der offizielle deutsche Vertragstext steht übrigens auch erst seit dem 05.07. zur Verfügung und ist im
Anhang 1 zu diesem Vorschlag versteckt.)
Aber selbst wenn die besonders umstrittenen Investitionsschutz-Regeln zunächst nicht angewendet würden, wäre damit nicht viel gewonnen. Die Roadmap der Kommission für die Einführung des vorgesehenen Investitions-Schiedsgerichts sieht ohnehin noch einen längeren Zeitrahmen vor. Wichtiger ist, dass die vorgesehenen Gremien zur 'regulatorischen Kooperation' und andere Sonderausschüsse, die insbesondere die "beschwerlichen nichttarifären Handelshemmnisse" beseitigen sollen, eingerichtet und tätig werden können.
Politischen Widerstand aus den Institutionen hat die Kommission bisher kaum zu erwarten. Die großen Player im Rat, inklusive Merkel und Gabriel, sind für das Abkommen, und auch die große Koalition im EU-Parlament steht bisher. Der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses, der deutsche SPD-Parlamentarier Lange, hat in einer Synopse zusammengestellt, was im Zuge der weiteren parlamentarischen Behandlung (nach der vorläufigen Inkraftsetzung!) vielleicht noch verbessert werden könnte, stellt aber die Zustimmung nicht grundsätzlich in Frage. Kurz gesagt: Auch die Sozialdemokraten im Europa-Parlament sind bereit, den Giftbecher zu trinken, sie möchten nur noch ein wenig an der Geschmacksnote feilen.
Wenn CETA noch verhindert werden soll, muss daher der ausserparlamentarische Druck noch deutlich zunehmen. Die geplanten Verfassungsbeschwerden (neben der oben genannten gibt es noch zwei weitere) sind sicher ein gutes und notwendiges Mittel, aber man sollte sich auf keinen Fall auf den Rechtsweg verlassen. Viel wichtiger ist es, dass die geplanten Demonstrationen am 17. September deutlich machen, dass der Widerstand in der Bevölkerung gegen CETA, TTIP & Co. keineswegs nachgelassen hat, sondern ständig weiter zunimmt. Und das Bündnis der Bürgerinitiativen hat besonders gute Gründe, sich an diesem Widerstand zu beteiligen.
CETA ist nicht nur fester Bestandteil der Freihandelsoffensive der EU, die auch im Luftverkehr zu immer mehr Wachstum und damit immer mehr Belastungen führen soll. Es enthält auch eine ganze Reihe von Bestimmungen zur weiteren Liberalisierung des Luftverkehrssektors, obwohl die EU bereits 2009 ein bilaterales Luftverkehrsabkommen mit Kanada geschlossen hat, das die Grundlagen dafür schon gelegt hat. Zwar geht ein eigens dafür erstelltes Kurzgutachten des Fachbereichs Europa des Bundestages davon aus, dass das Nachtflugverbot in Frankfurt über CETA nicht direkt angegriffen werden kann. Ob der Autor aber die komplexen juristischen Regelungen richtig interpretiert, würde im Zweifelsfall dann doch erst ein Schiedsgericht (oder eben einer der berüchtigten Schlichtungsausschüsse) entscheiden. Vor allem aber liegt die Gefahr darin, dass über die "regulatorische Kooperation" dieses Abkommen "weiterentwickelt" werden kann und notwendige Ausweitungen der Schutzvorschriften in Frage gestellt werden können.
Immerhin begreifen auch die Gewerkschaften zunehmend, dass die neoliberale Offensive ihre Mitglieder immer mehr gefährdet. Hatte sich die Betriebsrätekonferenz deutscher Flughäfen im April noch sozialpartnerschaftlich einbinden und sich ihre Abschlusserklärung von Herrn Rürup und dem BDL diktieren lassen, klangen bei der
Protestaktion im Juni auch andere Töne an. Und das Weißbuch 'Fairer Verkehr Europa' und die darauf basierende Kampagne 'Fair Transport' machen schon sehr deutlich, dass die bisherigen Liberalisierungen zu massivem Sozialdumping geführt haben und zunehmend umfassender Arbeitsrechte und Sozialstandards gefährden.
Und weil dieser Text ziemlich lang geraten ist, kann er ausnahmsweise auch mal zum in Ruhe nachlesen als PDF-Dokument heruntergeladen werden (Symbol anklicken).
Aufgrund erster Rückmeldungen haben wir im obigen Text ein paar kleine Fehler verbessert sowie falsche oder fehlende Links korrigiert.
Als (nicht wirkliche) Neuigkeit gibt es noch ein
Interview mit Minister Gabriel zu erwähnen, in dem er nochmal seine Begeisterung für CETA kundtut und prognostiziert, dass die SPD der vorläufigen Inkraftsetzung zustimmen werde. Seine Begründung: "Das Abkommen mit Kanada liegt ja in seiner deutschen Übersetzung vor. Wer liest, was da alles erreicht wurde, kann eigentlich nicht ernsthaft dagegen sein, es zu verabschieden". Das ist selbst für seine Verhältnisse eine besondere Frechheit. Seit dem 05.07. liegen die mehr als 2.200 Seiten zwar in deutsch vor, aber es gibt keinerlei Hilfen, die es erlauben würden, den kompliziert strukturierten, über viele Anhänge verteilten juristischen Text irgendwie auch nur zu überblicken, geschweige denn zu verstehen. Er darf getrost davon ausgehen, dass fast alle, die bei der SPD-Tagung abstimmen werden, nur darüber zu entscheiden haben, wem sie glauben möchten. Eine fundierte Meinungsbildung auf der Basis eines wirklichen Verständnisses dessen, was zur Entscheidung ansteht, ist weder in der SPD noch sonst gefragt.
Fällt nicht nur beim Lärmschutz, sondern auch beim Klimaschutz ständig unangenehm auf - die Lufthansa
Obwohl weitgehend bereits Sommerpause herrscht, gibt es einige Neuigkeiten von internationaler und europäischer Ebene, die nichts Gutes verheissen. So hat die EU-Kommission am 20.07. eine
EU-Strategie für emissionsarme Mobilität veröffentlicht, die zwar einiges Sinnvolle zum Strassenverkehr enthält, aber für den Bereich der Luftverkehrs-Emissionen nur auf die Unterstützung der ICAO-Verhandlungen verweist. Wie bereits berichtet, sind davon aber auch im besten Fall keine ausreichenden Maßnahmen zu erwarten, um die Luftverkehrs-Emissionen auch nur zu bremsen, geschweige denn angemessen zu reduzieren.
Während die EU sich über das Ergebnis ihrer Konsultation zur 'Reduzierung der Klimawirkungen des internationalen Luftverkehrs' auch zwei Monate nach Abschluss weiter ausschweigt (die Ergebnisse sind als für die Öffentlichkeit "nicht verfügbar" gekennzeichnet), lädt ICAO zu immer neuen ausserplanmäßigen Meetings ein, um doch noch einen vorzeigbaren Kompromiss zu erreichen. Das nächste derartige Treffen am 22./23. August nennt sich
Friends of the President Meeting
(Freunde des 'film noir' mögen sich an Friends of Carlotta erinnert fühlen und vielleicht sogar Parallelen entdecken). Ziel ist, die Ergebnisse der bilateralen und multilateralen Konsultationen der letzten Wochen auszuwerten und einen Kompromisstext für die nächste ICAO-Ratstagung Ende August zu entwickeln.
Wer sich in den Stand der Verhandlungen vertiefen möchte, findet Material auf der Online-Plattform
GreenAir Online, u.a. eine Analyse der Ergebnisse des letzten ICAO High Level Meetings, sowie eine Beschreibung der Kernprobleme aus Sicht einer NGO, die die Verhandlungen sehr konstruktiv verfolgt.
Andere NGOs haben die Hoffnung bereits aufgegeben (oder nie gehabt) und rufen dazu auf, das Vorgehen der ICAO als 'Greenwashing' zu verurteilen. Das 'klimaneutrale Wachstum' wird in der Kampagne noch einmal eigenständig gewürdigt (Vorsicht, Satire).
Die Lobby-Organisation der europäischen Airlines A4E drängt dagegen darauf, die ICAO-Maßnahmen, unabhängig davon, wie schwach die Beschlüsse im Oktober auch ausfallen werden, als die einzig erlaubte Klimaschutz-Maßnahme festzulegen und damit auch das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS auszuhebeln.
Ein führendes Mitglied dieses Vereins, die Lufthansa, fällt nicht nur durch besondere Ignoranz auf, sondern führt die ICAO-Prognosen auch durch besonders schlechte Performance ad absurdum. Wähend ICAO beim spezifischen Treibstoffverbrauch (Menge pro Personen- bzw. Tonnen-Kilometer) von einem jährlichen Rückgang von 2% ausgeht, meldet die Lufthansa-Gruppe in ihrem Nachhaltigkeitsbericht für 2015 einen Rückgang von 0% im Personenverkehr und sogar eine Zunahme von 1,9% im Frachtverkehr. Und das, obwohl die Airlines der Gruppe dem aktuellen Standard sowieso hoffnungslos hinterher hinken und im
atmosfair Airline Index 2015 Plätze von 68 abwärts belegen.
Derweil muss die WMO feststellen, dass der Klimawandel in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 erneut alle Rekorde bricht und die Erwärmung wesentlich schneller vonstatten geht als vorhergesagt. Das Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 ist noch nicht einmal in Kraft getreten, aber die darin formulierten Ziele sind teilweise bereits Makulatur. Den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu beschränken mit Maßnahmen, die ab 2020 erst allmählich in Kraft treten, ist unmöglich, wenn bereits heute 1,3°C erreicht sind, und auch die Begrenzung auf maximal 2°C ist ausser Reichweite angesichts der Tatsache, dass die Ambitionen ehemaliger Vorreiter im Klimaschutz zunehmend den aktuellen Krisen geopfert werden.
Alle halbe Jahre veröffentlicht Fraport ein Broschürchen, dass sich hochtrabend "Schallschutzbericht" nennt. In der
jüngsten Ausgabe wird der Zeitraum des Winterflugplans 2015/2016 abgehandelt.
Relevante Informationen finden sich darin nicht, aber ein paar Details, die insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Attacken gegen die Nachtflug-Einschränkungen von Interesse sind (s. Meldung unten).
So schreibt die gleiche Frau Giesen, die jetzt unbedingt eine Aufweichung der Beschränkungen durchsetzen will, im Vorwort noch freundlich lächelnd: "Und nicht zuletzt haben wir in Frankfurt mit der Nachtflugbeschränkung von 23 bis 5 Uhr eines der schärfsten, aber auch wirksamsten Instrumente des aktiven Schallschutzes akzeptiert". Dummes Geschwätz von gestern?
Zugleich ist in der Zusammenfassung nachzulesen, dass die Zahl der Flugbewegungen zwar weiter gesunken ist, aber "nachts rund zwei Prozent über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres" lag. Fraport schiebt also einen immer größeren Anteil der Flugbewegungen in die Nacht und wundert sich dann, wenn es bei schlechtem Wetter mal eng wird.
Ansonsten werden weitgehend die gleichen Phrasen gedroschen wie letztes Jahr, nur das Wetter sorgt für Abwechslung. Statt "Hoher Ostbetriebsanteil prägt Dauerschallpegel" heißt es nun "Reduzierter Ostbetriebsanteil prägt Dauerschallpegel". Da kann man doch endlich mal mit anderen Prozentsätzen jonglieren und über andere Wirkungszusammenhänge spekulieren.
Auch die Schallschutzmaßnahme der Saison ist eine andere: statt der unsäglichen "Lärmpausen" wird diesmal der "Segmented Approach", d.h. das Umfliegen grösserer Siedlungsgebiet im Anflug, beschrieben. Auch das ist eine Lärmverschiebungs-Maßnahme und hat daher, da es im Rhein-Main-Gebiet praktisch keine unbesiedelten Flächen mehr gibt, Gewinner und Verlierer. Man kann also darüber streiten, ob man so etwas hier sinnvoll findet oder nicht. Zwei Dinge sind dabei allerdings sicher: sollte die Maßnahme jemals eingeführt werden (im Augenblick wird nur getestet), wird der Fluglärmindex sinken, und das sieht allemal gut aus; und zweitens wird sich für Raunheim nichts verbessern, denn bei dieser Technik müssen die Flieger über Raunheim bereits auf dem geraden Endanflug sein.
So etwas möchte Fraport auch noch nach Mitternacht erlaubt haben.
Konnte man die bisherigen Attacken des Fraport-Vorstandes selbst gegen die kümmerlichen Versuche der Landesregierung, ein bißchen mehr Lärmschutz zu organisieren, noch als übliches Lobby-Geplänkel abtun, so haben die aktuellen Angriffe auf das Nachtflugverbot eine neue Qualität. Fraport nimmt das selbstverschuldete Versagen in einer Ausnahmesituation zum Anlass, neue Ausnahmeregelungen zu fordern.
Was war passiert? Am Freitag, den 22.07., tobten sich abends, wie bereits lange vorher prognostiziert, schwere Gewitter über dem Rhein-Main-Gebiet aus. Aufgrund des völlig verkorksten Bahnsystems (eine Bahn nur für Landungen, eine nur für Starts in eine Richtung) war Fraport von den dadurch hervorgerufenen Einschränkungen besonders stark betroffen, so dass 76 geplante Starts nicht wie vorgeschrieben vor 23:00 Uhr erfolgen konnten. Die Landesregierung erteilte für alle diese Flüge Ausnahmegenehmigungen für die Abwicklung zwischen 23:00 und 24:00 Uhr. Fraport schaffte es in dieser Zeit aber lediglich, 35 Starts abzuwickeln.
Die Folgen lesen sich in der Fraport-Pressemitteilung so: "Obwohl die Passagiere in den Flugzeugen schon bis zu einer Stunde auf dem Vorfeld auf den Start warten mussten, gab es keine erweiterte Genehmigung für einen Start nach 24 Uhr. So mussten insgesamt 25 Maschinen - darunter auch zahlreiche Langstreckenflüge - mit insgesamt rund 7.000 Passagieren wieder zurück auf die Positionen. Dort stiegen die Passagiere unter teils heftiger Kritik und großem Widerstand wieder aus. Viele hundert Passagiere mussten anschließend die Nacht auf Feldbetten oder den Sitzbänken am Flughafen verbringen."
Fraport versucht im Weiteren, sein eklatantes Versagen mit dem Hinweis auf bürokratische Sturheit seitens der Aufsichtsbehörde zu vertuschen. Die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Die rechtliche Situation musste Fraport bekannt sein: die Betriebsgenehmigung erlaubt keine Starts nach 24:00 Uhr aufgrund von Wetterbedingungen, es gibt da auch für die wohlwollendste Behörde keinen Spielraum. Trotzdem hat Fraport nach eigenen Angaben 58 Flugzeuge nach 23:00 Uhr zum Start auf das Vorfeld geschickt, wohl wissend, dass die selbst unter idealen Bedingungen unmöglich alle in der vorgegebenen Zeit starten konnten. Auch die Behauptung, "mit nur 30 Minuten verlängerten Startgenehmigungen" hätte das Problem vermieden werden können, ist vor diesem Hintergrund Unsinn. Wenn in 60 Minuten nur 35 Starts bewältigt werden konnten, wie sollen die verbliebenen 23 in 30 Minuten möglich sein?
Dass unter den ausgefallenen Flügen "auch zahlreiche Langstreckenflüge" waren, hat sich Fraport ebenfalls selbst zuzuschreiben. Von den 35 Starts nach 23:00 Uhr waren 9(!) Kurzstreckenflüge zu Zielen, die die leidenden Passagiere leicht mit dem Zug zurücklegen könnten. Auch von den 22 Starts zwischen 22:00 und 23:00 Uhr waren 4 für Kurzstrecken, die ohne große Probleme ersetzt werden könnten.
Hätte man diese 13 Flüge rechtzeitig gecancelt und den Passagieren Tickets für entsprechende Züge angeboten, hätte sicherlich ein Teil des Problems vermieden werden können.
Gewitter sind im Sommer nicht selten und werden künftig noch häufiger werden. Ein Flughafen, dessen Kapazität so empfindlich von den Wetterbedingungen abhängt wie FRA, muss deshalb Notfallpläne parat haben, mit denen auch längere Einschränkungen bewältigt werden können. Dazu gehört dann eben auch, rechtzeitig Alternativen anzubieten und eine grössere Anzahl von Passagieren angemessen unterbringen zu können, wenn sie nicht weiterkommen.
Die Aufsichtsbehörden haben aktuell keine Hemmungen, die Bevölkerung rund um den Flughafen auf Wunsch von Fraport eine Stunde länger dem Lärm auszusetzen und die ohnehin viel zu geringen Nachtflugbeschränkungen noch um eine weiter Stunde auf 5 Stunden Schlafzeit zu verkürzen. Dazu setzen sie mit der Erlaubnis, sich nicht an Flugrouten halten zu müssen und Gewitter irgendwie zu umfliegen (s. Grafik), auch Gegenden dem Lärm aus, die nicht einmal über den rudimentären passiven Schallschutz verfügen, der den Anwohnern unter den Flugrouten zugestanden wird.
Hier noch mehr Freiheiten für die Lärmverursacher einzufordern und die Betroffenen noch mehr zu belasten, ist eine Frechheit. Der Luftverkehr ist keine hochherrschaftliche Angelegenheit mehr, sondern eine Fortbewegungsart wie jede andere auch. Wer sie in Anspruch nimmt, muss mit den spezifischen Einschränkungen leben, die dabei auftreten können. Fraport wäre in der Pflicht, die Passagiere darauf hinzuweisen und gleichzeitig für solche Fälle besser vorzusorgen, anstatt zu versuchen, ihre Probleme bei anderen abzuladen.
Laut Fraport-PM gerät durch die Vorfälle von Freitag Nacht die "Reputation von Frankfurt und Deutschland unter Druck". Das ist natürlich der ganz große Knüppel, den großmäulige PR-Leute gerne schwingen, wenn ihnen gar keine Argumente mehr einfallen. Wenn hier Reputation in Gefahr sein könnte, dann die eines Managements, dass seine Unfähigkeit mit Arroganz und Dreistigkeit zu verdecken versucht. Aber sie können beruhigt sein: was nicht vorhanden ist, kann auch nicht in Gefahr geraten.
Politik und Öffentlichkeit müssen diese dreiste Anmaßung zurückweisen. Die Forderung bleibt weiterhin: Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr, und Ausnahmen nur für medizinische Notfälle oder Vergleichbares.
Eine präzise Beschreibung der Abläufe auf dem Flughafen am Freitag, den 22.07.16, liefert die Pressemitteilung des Verkehrsministeriums. Angesichts der unterschiedlichen Versionen in den diversen Presseberichten ist es sehr nützlich, sich auf diese Quelle beziehen zu können.
Nach der Fraport hat sich auch die Lufthansa zu Wort gemeldet und mitgeteilt, dass sie "am vergangenen Freitag wegen der schlechten Witterungsbedingungen 50 Flüge mit 8000 Passagieren streichen" musste, darunter "fünf Langstreckenflüge ... mit allein 1800 Fluggästen". Sie fordert deshalb, dass künftig "alle Flugzeuge, die rechtzeitig ihre Parkposition verlassen hätten, auch tatsächlich starten dürfen". (Eine offizielle Stellungnahme für die Öffentlichkeit gibt es nicht, man muss sich darauf verlassen, dass die FR richtig zitiert.)
Das ist noch ein Stück dreister als die Fraport-Forderung: Alles, was irgendwie aufs Vorfeld geschafft werden kann, soll dann auch starten dürfen, egal, wie spät es wird. Für die Anwohner würde das bedeuten, dass sie die ganze Nacht mit weiteren Starts rechnen müssten. Auch das Gejammer über die armen Langstrecken-Reisenden, die am Boden bleiben mussten, ist eine Frechheit. Fünf LH-Langstreckenflüge mussten u.a. deshalb zurück, weil sieben LH-Kurzstreckenflüge, darunter nach Stuttgart, Düsseldorf und Hamburg, offenbar für LH eine höhere Priorität hatten!
Die Reaktionen der hessischen Politik sind im Wesentlichen die üblichen. CDU und Grüne überlassen alle Stellungnahmen dem zuständigen Verkehrsministerium, das zwar einerseits erklärt, "Die Regeln des Nachtflugverbots werden nicht aufgeweicht", andererseits aber eine Arbeitsgruppe mit Fraport einrichtet, um zu beraten, "ob sich die Abläufe am Flughafen noch weiter optimieren lassen". Will der Staatssekretär da tatsächlich nur der Fraport erklären, wie man einen Flughafen betreibt?
Die SPD argumentiert (laut FR) rein formal und meint, wenn Fraport eine Änderung wolle, könne sie "eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses beantragen", dann müssten ja alle Interessen neu abgewogen werden. Es klingt, als sei ihr ganz egal, was dabei herauskommt. Die FDP wird (nach der gleichen Quelle) deutlicher und macht wie immer klar, dass die Interessen der Wirtschaft Vorrang vor allem anderen haben müssen. Lediglich die Linksfraktion weist die Fraport-Forderung klar zurück und unterstützt die Forderung der Bürgerinitiativen nach einer Ausweitung der Beschränkungen zu einem echten Nachtflugverbot von 22:00-06:00 Uhr.
Die Position des Bündnisses der Bürgerinitiativen zu dem Vorgang erläutert Sprecher Dietrich Elsner in einem FR-Interview sehr präzise.
Da die Hintergründe und Verantwortlichkeiten für das Chaos am Flughafen in der öffentlichen Diskussion selten klar benannt wurden, haben wir mit einer eigenen Pressemitteilung die beiden wichtigsten Aspekte noch einmal betont: die Lufthansa hat bei der Auswahl der Flüge, die starten konnten, die Priorität eindeutig nicht auf das Wohl der Passagiere, sondern auf die geringstmögliche Störung der eigenen Betriebsabläufe gelegt, und der Flughafen wurde überwiegend nicht durch Gewitter, sondern durch Nordwinde in seiner Startkapazität eingeschränkt, wofür Fraport trotz der lange bekannten Problematik offensichtlich keine ausreichenden Notfallpläne hat.
Das wurde ansatzweise in der Berichterstattung der Frankfurter Rundschau, etwas umfassender in der
Main-Spitze aufgenommen.
Auch das Bündnis der Bürgerinitiativen hat sich noch einmal umfassender geäussert, und auch die Hessenschau berichtet über diverse Reaktionen in einem zweiten Artikel.
Wie das Ministerium in einer
Pressemitteilung wissen läßt, hat die angekündigte Arbeitsgruppe getagt und "ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es notwendig ist, in solchen Ausnahmesituationen bereits bei der Beantragung von Ausnahmegenehmigungen seitens der Luftverkehrsgesellschaften eine Priorisierung vorzunehmen. Dies soll dazu beitragen, dass möglichst viele Fluggäste vor Eintritt des
Nachtflugverbots starten können". Daraus könnte man eine Bestätigung herauslesen dafür, dass erstens zu viele Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden und zweitens die falschen Flugzeuge gestartet sind. So deutlich will das aber natürlich keiner der Beteiligten sagen. Wir fühlen uns trotzdem in unserer Kritik bestätigt.
Weiterhin "stellt die Arbeitsgruppe fest, dass die operativen Abläufe im Zusammenhang mit der seit nunmehr nahezu fünf Jahren bestehenden Nachtflugregelung weitestgehend optimiert worden sind". Das klingt fast so, als wolle Fraport die Forderung nach einer weiteren Einschränkung der Nachtflugbeschränkungen fallen lassen. Da sollten wir uns aber nicht zu früh freuen: wenn irgend etwas, dann haben sie höchstens eingesehen, dass das nicht der richtige Anlass für diese Forderung war.
Als das novellierte Fluglärmschutzgesetz 2007 verabschiedet wurde, hat der Gesetzgeber der Bundesregierung aufgegeben, alle 10 Jahre zu berichten, ob das Gesetz seinen Zweck erfüllt. Im nächsten Jahr ist daher der erste Bericht fällig. Aus diesem Anlass hat das Rhein-Main-Institut, unterstützt von der Initiative "Zukunft Rhein-Main", zu einem Wissenschaftsforum eingeladen. Ziel war, den "aktuellen Stand der Lärmwirkungsforschung" zusammenzufassen und daraus "Schlussfolgerungen" für "gesetzgeberische Vorgaben für Fluglärmgrenzen" zu ziehen - ein anspruchsvolles Programm für knapp fünf Stunden.
Den Auftakt machte der Frankfurter OB Feldmann, dessen Grusswort einen zwiespältigen Eindruck hinterliess. Positiv war (neben der Tatsache, dass er überhaupt da war) seine Betonung des Prinzips "Gesundheit geht vor Profit" und daraus abgeleitet die Forderung, dass die geplante Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt den Deckel bei der jetzigen Lärmbelastung setzen und dafür sorgen müsse, dass es künftig leiser wird. Er meinte sogar, dafür müssten auch Betriebsbeschränkungen möglich sein, erweckte dabei allerdings auch die Illusion, als könne oder wolle die aktuelle Frankfurter Stadtregierung aus CDU, SPD und Grünen für so etwas eintreten. Im zweiten Teil seiner Rede kritisierte er den Flughafen allerdings aus einem ganz anderen Blickwinkel. Er benutzte das Schlagwort von der "Shopping Mall mit Kerosin-Tankstelle", um sich zu beschweren, dass das Shopping auf FRA nicht effektiv genug organisiert sei, und er lobte die EU-Kommission, allen voran den deutschen Kommissar Oettinger, für ihre Luftfahrtstrategie, die dafür sorgen müsse, dass FRA keine Marktanteile an die Konkurrenz in der Türkei und am Golf verliert. Am Schluss schien er sich sogar noch darüber zu wundern, dass der Beifall für diesen Beitrag äusserst verhalten ausfiel.
Danach aber gings zur Sache: Fünf Lärmwirkungsforscher fassten zusammen, was die Forschung der letzten Jahre an Erkenntnissen über die Wirkung von Fluglärm auf die Gesundheit der Menschen gewonnen hat. Es bestand große Einigkeit darüber, dass das gegenwärtig erreichte Schutzniveau gesundheitliche Schädigungen nicht verhindert und erst recht nicht vor "erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen" schützt, wie § 1 eigentlich verlangt.
Die Vielzahl von Einzelfakten, die vorgetragen wurden, lässt sich hier nicht wiedergeben. Einen Überblick über die Inhalte gibt das Presse-Handout der Veranstalter, eine vollständige Dokumentation der Veranstaltung soll in Kürze verfügbar sein. Besonders interessant erscheint hier die von mehreren Referenten gezogene Schlussfolgerung, dass der äquivalente Dauerschallpegel in seiner bisherigen Form alleine kein geeignetes Maß für die vorhandene Belastung sein kann und die Häufigkeit von Fluglärmereignissen stärker einbezogen werden müsse.
Bei aller Einigkeit gab es allerdings auch Differenzen. So kritisierte Prof. Münzel aus Mainz den ebenfalls anwesenden Leiter der NORAH-Studie, Prof. Guski, mit deutlichen Worten für den geduldeten Mißbrauch der Ergebnisse dieser Studie und die immer weitere Verzögerung der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Grundlagen. Diesen Beitrag würde man sich als Wortprotokoll wünschen.
Nach der Mittagspause ging es dann um die politischen Schlussfolgerungen aus den medizinischen Befunden. Herr Myck vom Umweltbundesamt stellte den Prozess der Evaluation des Gesetzes dar und erläuterte die beiden Forschungsaufträge, die an das Öko-Institut vergeben wurden und zu denen bereits ein Bericht vorliegt, sowie eigene Aktivitäten. Er versicherte, dass das UBA alle Anregungen von Beteiligten in seinen Bericht einfliessen lassen werde und rief dazu auf, von dieser Möglichkeit regen Gebrauch zu machen. Prof. Lercher beschrieb den ebenfalls gerade stattfindenden Prozess des Updates der WHO-Fluglärmrichtlinie, und die Rechtsanwältin Heß aus Leipzig fasste in einem fulminanten Beitrag zusammen, was aus ihrer Sicht mindestens in die anstehende Novellierung einfliessen müsste.
Man hätte mit dem Gefühl nach Hause gehen können, dass hier einiges in Bewegung ist - wären da nicht die häufigen Hinweise gewesen, dass auch ein noch so guter Vorschlag des UBA, der immerhin möglich erscheint, noch durch den Filter des zuständigen Umweltministeriums, die Ressort-Abstimmung mit dem Verkehrs-, dem Wirtschafts- und den anderen Bundesministerien und letztlich durch Bundestag und Bundesrat muss. Und aus den Erfahrungen der Vergangenheit heraus ergibt sich das ungute Gefühl, dass auf diesem Weg der Einfluss der Luftverkehrslobby immer entscheidender werden wird - es sei denn, der politische Druck durch die Fluglärm-Betroffenen wird wesentlich grösser, als er derzeit ist.
Aber das ist natürlich nur die Wiedergabe subjektiver Eindrücke. Wie man professionell über eine solche Veranstaltung berichtet, zeigt die Pressemitteilung der Veranstalter.
So sieht das aus, wenn Raunheim bei Betriebsrichtung 25 "keinen Fluglärm" hat.
Dass Raunheim nur bei Betriebsrichtung 07, wenn die landenden Flugzeuge direkt übers Dorf donnern, Fluglärm hätte, war schon immer ein dummes Gerücht. Sowohl der Nordabflug als auch die Südumfliegung erzeugen in den östlichen Teilen Raunheims auch bei Betriebsrichtung 25 einen Lärm, der die Belastung vieler weiter entfernter Kommunen, die (zu Recht!) gegen Fluglärm protestieren, übersteigt.
Mit den Ausbauplänen der Fraport kamen auch immer wieder die Fragen auf, wie denn die geplante Zahl der Starts Richtung Westen künftig realisiert werden soll, wenn der Nordabflug aufgrund möglicher Kollisionen mit durchstartendem Landeverkehr auf der Nordwestbahn reduziert werden muss. Die als Ausweg eingeführte Südumfliegung wurde immer wieder in Frage gestellt, und bis heute sieht es so aus, als sei sie tatsächlich nicht in der Lage, die von Fraport gewünschte Kapazität sicher zu stellen.
Klagen, die die Nutzung der Südumfliegung deshalb in Frage stellen wollten, wurden zwar bisher abgewiesen, aber die BI hatte schon anlässlich des letzten Urteils dazu im Dezember 2015
darauf hingewiesen, dass damit noch keineswegs garantiert ist, dass nicht doch andere, Raunheim stärker belastende Varianten noch zum Zug kommen könnten. Aktuell gibt es leider Hinweise, dass diese Warnung nur allzu berechtigt war.
Nachdem es Mitte/Ende Juni zu einer Häufung direkter Starts über Raunheim gekommen war, die von der DFS auf Anfrage der Main-Spitze als "wetterbedingt" abgetan wurde, hat die BI genauer recherchiert und 17 solcher Direktstarts im Zeitraum vom 12. bis 21.06., also innerhalb von 10 Tagen, dokumentiert. Diese Dokumentation, ergänzt um eine grafische Darstellung der Flugrouten über Raunheim, haben wir der Fluglärmschutzbeauftragten des Landes Hessen, Frau Barth, übermittelt mit der Bitte, die tatsächlichen Ursachen dieser Überflüge zu ermitteln und Maßnahmen vorzuschlagen, wie so etwas künftig vermieden werden kann. Auf die Antwort warten wir mit Spannung.
Mehr durch Zufall sind wir nach Absendung des Schreibens an Frau Barth auf ein weiteres Indiz gestossen, das darauf hindeuten, dass diese Häufung der Überflüge kein reiner Zufall war. In der Sitzung der Fluglärmkommission am 06.07. hat die DFS einen Bericht vorgetragen, der u.a. (auf S. 6-8) die "Festlegung eines neuen Wegpunkts" auf der Südumfliegung beschreibt, der der "Entzerrung der Verkehrsströme" dienen soll. Entzerrt werden sollen die Ströme auf den Routen MARUN/TOBAK (das ist die Südumfliegung) und BIBTI. Dem Bericht beigefügt ist eine Grafik, die erklärt, was gemeint ist (s. unten): BIBTI beschreibt die Geradeaus-Abflugrouten über Raunheim, die offensichtlich künftig so hohe Verkehrsströme aufnehmen sollen, dass eine Entzerrung notwendig ist !
Hier zeichnet sich ein Skandal ab, vor dem nicht laut genug gewarnt werden kann. Die BIBTI-Routen sind nicht neu, aber ihre Bedeutung wurde in den öffentlichen Diskussionen über die Abflüge Richtung Westen bisher völlig ignoriert oder heruntergespielt ("nur für Propeller-Maschinen"), wenn ihre Existenz nicht sogar völlig geleugnet wurde ("nur eine Notfall-Route für durchstartende Maschinen"). Wie sich nun zeigt, war das eine Irreführung der Bevölkerung, die nun nach und nach aufgegeben wird.
Fakt ist offenbar, dass die BIBTI-Routen nicht als Notfallrouten, sondern als SIDs, d.h. Standard Instrument Departures, zu deutsch Standardisierte Abflugstrecke für Instrumentenflüge, definiert sind. Eine Einschränkung auf bestimmte Flugzeugtypen ist in der Definition nicht vorgesehen, lediglich eine Mindest-Steigleistung wird vorausgesetzt.
Wie die von der BI dokumentierten Fälle zeigen, wird diese Route offenbar allen Maschinentypen bis hin zu Heavies zugewiesen, wenn das der Flugsicherung notwendig oder nützlich erscheint - und keinesfalls nur dann, wenn "extreme Wetterbedingungen" dies erforderlich machen würden.
Es sieht ganz danach aus, als würde hier der Versuch gemacht, diese Abflugrouten schleichend einzuführen mit dem Ziel, ihre Nutzung universell verfügbar zu machen, wenn die Südumfliegung die gewünschten Kapazitäten eines Tages nicht mehr sicher stellen kann. Das ist nicht hinnehmbar.
Die Belastung durch Fluglärm und Schadstoffe in Raunheim übersteigt schon heute das erträgliche Maß bei weitem. Ein Vorgehen, das dazu führt, dass Raunheim bei beiden Betriebsrichtungen direkt überflogen wird, ist völlig verantwortungslos und in keiner Weise tolerabel.
Die BI wird darauf bestehen, dass die gegenwärtigen Vorgehensweisen und die dahinter stehenden Absichten vollständig offen gelegt und einer öffentlichen Entscheidung zugänglich gemacht werden. Wer glaubt, der Bevölkerung in Raunheim und den anderen Anlieger-Gemeinden im Westen des Flughafens könne noch mehr Lärm zugemutet werden, soll das offen erklären.
Aus unserer Sicht kann die Forderung nur lauten: es darf keinen regulären Geradeaus-Abflug über Raunheim geben. BIBTI muss weg !
Wir hätten es ja wissen können: wer Äusserungen der DFS für bare Münze nimmt, riskiert, sich zu blamieren. Zum Glück hat die Fluglärmschutzbeauftragte schnell reagiert. Sie schreibt uns:
"Bei der gestrichelten Linie über Raunheim handelt es sich NICHT um eine Abflugstrecke, weder um die derzeitige Propellerstrecke, noch eine geplante zukünftige Strecke für Jets. Es ist lediglich eine Darstellung, wie man in der DFS auf die Platzierung des Punkts auf der Südumfliegung gekommen ist (Verlängerung der Anfluggrundlinie). Ich verstehe, dass die Darstellung missverständlich ist, weil die gleiche Farbe verwendet wurde wie für die tatsächliche Abflugstrecke, die Südumfliegung. Ich habe Herrn Seefloth von der DFS heute darauf angesprochen, der mir das bestätigt hat. Ich werde auch Frau Wollert bitten, das im Protokoll der FLK entsprechend klarzustellen, damit hier unmissverständlich klar ist, dass eine solche Abflugstrecke nicht existiert und auch nicht geplant ist."
Wir hatten ja inzwischen schon herausgefunden, dass "BIBTI 3F/3G" den Zweig des Nordabflugs beschreibt, der dann Richtung Köln/Bonn (oder London) weiterführt und damit nördlich der gestrichelten Linie in der DFS-Grafik verläuft (Danke, Berthold!). Der (theoretische) Schnittpunkt der beiden Routen, an dem eine Kollision vermieden werden muss, liegt also weiter nördlich.
Aus der DFS-Grafik eine Seite vorher kann man auch ablesen, dass der neue Meldepunkt ADEVO, an dem offensichtlich geprüft werden soll, ob die Kollisions-vermeidende Höhe von 6.000 ft auch wirklich erreicht ist, logischerweise deutlich weiter südlich liegt (damit Zeit für eine Reaktion bleibt, falls erforderlich).
Diese beiden Punkte definieren für die DFS sowohl das Problem als auch die Lösung. Der Schnittpunkt der Südumfliegung mit der Verlängerung der Anfluggrundlinie dagegen bedeutet für dieses Problem - gar nichts.
Aber gut, man muss als Laie nicht alles verstehen. Entscheidend ist, die gerade Linie über Raunheim ist keine Flugroute. Wenn unsere Intervention nun zur Folge hätte, dass die DFS künftig da auch keine Flugzeuge mehr entlang schickt, dann hätte unsere Falsch-Information ja sogar etwas Richtiges bewirkt.
Auf das Ergebnis der Prüfung der dokumentierten Fälle müssen wir allerdings noch etwas warten.
Zwei interessante Stunden: 4 Starts über das Stadtgebiet,
2 Annäherungen über dem Waldsee und
eine "kleine Südumfliegung".
Die Hoffnung war allerdings zumindest verfrüht. Am 13.07. war wieder so ein Tag. Ein kleines Gewitterchen irgendwo zwischen Rhein und Odenwald war wohl Anlass genug, eine Stunde lang Wild West zu fliegen. Um 10:27 Uhr donnerte ein A 380 schnurstracks übers Ort, und zwischen 11:12 und 11:21 Uhr nahmen drei weitere Lufthansa-Maschinen den kurzen Abflugweg. Das die im Gegensatz zu dem Superjumbo an den Messstationen mit weniger als 80 db(A) registriert wurden (wenn auch eine nur knapp), macht die Sache nur unwesentlich besser.
Am Abend um 19:14 Uhr hatte es eine B 737 der TUIfly dann so eilig, ihre Passagiere zum Ballermann zu schaffen, dass sie, nachdem sie schon zu einem Schwenk nach Norden angesetzt hatte, dann doch lieber direkt nach Süden flog - und dabei natürlich auch übers Ort. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass um 22:01 Uhr auch noch ein "NightExpress" die gerade Route genommen hat - aber das war eine Propellermaschine, die das wohl sowieso darf, obwohl sie mit 68 db(A) auch nicht gerade leise ist.
Der Tag im Überblick findet sich hier.
Interessant ist auch der Abflug eines A 320 der Lufthansa auf dem Weg nach Tallinn um 10:31 Uhr, der auch auf der Grafik rechts zu sehen ist. Obwohl er Raunheim sauber umkurvt, fragen wir uns doch, was Rüsselsheim und Flörsheim von so einem Kurs halten.
Solche nirgendwo beschriebenen "kleinen Südumfliegungen" werden aber wohl häufiger geflogen. Schon einen Tag später konnte man gleich drei Varianten innerhalb kurzer Zeit bewundern (siehe Grafik)
Wir entschuldigen uns hier jedenfalls jetzt bei allen Augenzeugen, denen wir nie so recht glauben wollten, wenn sie berichteten, dass sie zwischen Raunheim und Rüsselsheim Verkehrsflugzeuge quer zu den offiziellen Flugrouten fliegen gesehen haben. Offensichtlich gibt es das, und sicher gibt es auch eine gute Erklärung dafür.
Auffällig ist, dass es in allen vier Fällen (ebenso wie in etlichen weiteren, auf die wir mehr zufällig gestossen sind) Lufthansa-Maschinen waren, die solche Spezial-Kurse geflogen sind. Das kann natürlich daran liegen, dass halt die meisten Maschinen, die hier starten, von Lufthansa sind. Und es muss wohl auch daran liegen, denn die DFS könnte es sich natürlich niemals erlauben, einer bestimmten Fluggesellschaft Sonderbedingungen einzuräumen, auch wenn sie hier als lokaler Platzhirsch agiert.
Für uns bleibt festzuhalten: die Zahl der Ausnahmen von dem, was offiziell geflogen werden soll, sind offenkundig erheblich, und es ist für die Öffentlichkeit völlig undurchschaubar, wem diese Ausnahmen warum und von wem erlaubt werden. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar, wenn es sich dabei um Dinge handelt, die Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung hier unmittelbar betreffen. Mit einer ausführlichen Kommentierung wollen wir aber doch noch warten, bis klar ist, ob, und wenn ja, welche, Erklärungen für diese Zustände angeboten werden.
Die Nachrichten aus dem ersten Halbjahr 2016 sind hier verfügbar.