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Lageplan Schaden

Diese Daten liefert der 'Fraport Noise Monitor' FraNoM. Die Winddaten sind (wahr­scheinlich) falsch, zeigen aber das Richtige an: Betriebs­richtung 07 war nicht notwendig.

Zum Jahres­abschluss noch ein bemerkens­werter Wirbel­schleppen-Schaden

Erst beim Durch­sehen liegen­geblie­bener Zeitungen fiel uns auf, dass vor Weih­nachten mal wieder ein Wirbel­schlep­pen-Scha­den aus Raunheim gemeldet wurde. Wie die Main-Spitze berichtet (selt­samer Weise nur in der Papier-, nicht in der Online-Ausgabe), krachte es am Freitag, 16.12., "kurz vor 6 Uhr" morgens in der Carl-von-Ossietzky-Straße. Die geschil­derten Umstände sind es wert, den Fall auch leicht verspätet nochmal aufzu­greifen.

Nach Schilde­rung der Bewohnerin knallte und bebte es, und es flogen nicht nur Ziegel vom Dach, sondern vor ihrem Fenster wurde auch der Roll­laden und ein Fliegen­gitter wegge­rissen. Offenbar hat die Wirbel­schleppe Dach und Fassade des Hauses getroffen und an beiden Schäden ange­richtet.
Das wirft erneut ein Schlag­licht auf die Behaup­tung von Fraport und Landes­regierung, mit den Dach­klamme­rungen seien alle Probleme gelöst. Wirbel­schleppen können offen­sicht­lich nicht nur auf Dach­ziegel, sondern auch auf andere Gegen­stände erheb­liche Kräfte ausüben und Schaden anrichten. Dokumen­tiert sind bereits Schäden an Dach­fenstern und Solar­modulen, von flie­genden Blumen­kübeln und anderen schweren Gegen­ständen wird immer wieder berichtet. Das Gefähr­dungs­poten­tial durch Wirbel­schleppen bleibt bestehen, auch wenn alle Dächer geklam­mert sind - und das ist noch längst nicht der Fall.

Dieser Fall zeigt auch wieder, was wirklich getan werden könnte, um das Wirbel­schleppen-Ri­siko zu mini­mieren. Wirbel­schleppen können nur dann am Boden Schaden anrichten, wenn der Wind nicht zu stark ist, weil sie sonst schon in der Luft zu sehr geschwächt oder ganz aufge­löst werden. Bei schwachem Wind gibt es aber auch keinen Grund, aus Westen anzu­fliegen, und nur dort ist das Wirbel­schleppen-Ri­siko relevant.
Die Zeit­angabe in der Main-Spitze ist zu ungenau, um die Situation genau zu recher­chieren, und in der Stunde zwischen 5 und 6 Uhr flogen an diesem Tag 20 Flug­zeuge über Raun­heim an, darunter etliche große Maschinen, die starke Wirbel­schleppen erzeugen. Wir haben die Angabe "kurz vor 6 Uhr" mal sehr eng ausgelegt und den Überflug eines solchen Brummers um 5:57 Uhr betrachtet (s. Grafik). Die Typen­bezeich­nung B77W ist eine Kurz­form, und über das damit bezeich­nete Flugzeug sagt Wikipedia: "Die 777-300ER (ER für „extended range“ – ver­größerte Reich­weite) ist das größte und schwerste zwei­strahlige Flug­zeug. Es wird aus­schließ­lich mit dem GE90-115B von General Electric bestückt, das mit 519 kN Schub das bisher leistungs­stärkste zivile Strahl­triebwerk ist." Gute Voraus­setzungen für starke Wirbel­schleppen - und für viel Krach, wie die Grafik zeigt (81,1 dB(A)).

Wenn die Wind­angaben von FraNoM richtig wären, wäre die Maschine sogar mit einer Rücken­wind-Kom­ponente von ca. 3,5 Knoten über Raun­heim ange­flogen. Die METAR-Daten für den frag­lichen Zeitraum ergeben allerdings ein leicht anderes Bild und sprechen von schwachen Winden aus unter­schied­lichen, vor­wiegend östlichen Rich­tungen. Kein einziger Bericht im Zeitraum zwischen 4:00 und 7:00 Uhr ergibt aller­dings eine Rücken­wind-Kom­ponente von mehr als 5 Knoten bei Anflug aus Osten, und auch von starken Böen ist keine Rede. Nach den gelten­den Regeln hätte also Betriebs­richtung 25 geflogen werden müssen, und Wirbel­schlep­pen-Schäden hätten nicht auf­treten können. Dass die Wirbel­schleppe überhaupt in der Carl-von-Os­sietzky-Straße herunter­kommen konnte, zeigt aller­dings, dass der Wind eine deut­liche süd­liche Kompo­nente gehabt haben muss.
Sollte jemals ein Mensch bei einem solchen Vorfall zu Schaden kommen, wird sich auch die DFS dafür verant­worten müssen, dass sie bei der Betriebs­richtungs­wahl das Wirbel­schleppen-Ri­siko ignoriert. Haupt­verantwort­lich bleibt aber natür­lich die Fraport, die glaubt, den Flug­betrieb in dieser Weise organi­sieren zu können, und nicht einmal alle Mög­lich­keiten nutzt, um die Über­flug­höhe soweit wie möglich zu vergrös­sern - was das Risiko eben­falls mindern würde.

Für die Statistik bleibt noch festzu­halten, dass der Fraport 2016 bis einschließ­lich November 10 Fälle von Wirbel­schlep­pen-Schäden gemeldet wurden, von denen sie (will­kürlich wie immer) nur 7 als solche anerkannt hat.
Für alle Betrof­fenen wäre es sicher hilfreich, wenn alle Fälle öffent­lich gemacht würden und die jewei­ligen Beur­teilungen nach­prüfbar wären. Auch hier versagt die Landes­regie­rung, indem sie weiter­hin den Bock zum Gärtner und Fraport zum Gut­achter für die Schäden macht, die der Flugbetrieb anrich­tet.




Vergleich EU-ETS, CORSIA

Während sich das ICAO-System CORSIA als extrem schwach entpuppt, hat zumindest der Umweltausschuss des EU-Parlaments anspruchsvollere Ziele beschlossen.

EU-Ambitionen im Klimaschutz - nur zur Weihnachtszeit ?

Während die EU-Kommission sich ängstlich (oder auch aus Überzeu­gung) den Forde­rungen der Luft­verkehrs-Lobby beugt, zeigt der Umwelt­ausschuss des EU-Par­laments (und das sogar in einer breiten Koalition von 'Mitte-rechts' bis 'weit links'), dass auch anspruchs­volle Reformen an den EU-Instru­menten zum Klima­schutz denkbar wären.

Auch wenn die meisten Umwelt­verbände insgesamt weiter­gehende Vorstel­lungen hatten, finden die Beschlüsse des Ausschuss zur Refom des Emissions­handels-Systems EU-ETS ab 2020 auch viel Zustimmung, weil viele wohl Schlimmeres erwartet hatten. Interes­santer Weise werden aber die Teile des Beschlusses, die sich auf die Luft­fahrt beziehen, meist garnicht oder nur sehr ober­fläch­lich erwähnt.
Natür­lich sind die behan­delten Fragen sehr technisch und die Beschluss-Texte nicht leicht zu verstehen, aber die grund­sätz­lichen Folgen, die die Umsetzung dieses Beschlusses hätte, sind klar: die Zahl der heute vorhan­denen über­schüssigen Zerti­fikate würde sinken, es würden deutlich weniger kosten­lose Zerti­fikate vergeben, und die Emissionen müssten ab 2020 real sinken. Aus dem Text geht sogar hervor, dass die Abgeord­neten davon ausgehen, dass auch inter­natio­nale Flüge (wieder) vom ETS erfaßt werden, aber das ist nicht Gegen­stand dieses Gesetz­gebungs-Aktes.

Wie ambitioniert dieser Vorschlag ist, geht aus einem Vergleich hervor. Würde er umgesetzt, würden dadurch fast viermal mehr CO2-Emis­sionen eingespart, als durch das von ICAO geplante System CORSIA im besten Fall kompen­siert werden könnten.
Leider stehen hinter der Umsetzung noch viele Frage­zeichen. Zwar kann man ange­sichts der breiten Unter­stützung im Ausschuss darauf hoffen, dass auch das Gesamt-Par­lament im Februar diesem Beschluss im Wesent­lichen zustimmen wird, wie aber ein Kom­promiss aus­sehen wird, der zwischen Parla­ment, Minister­rat und Kommis­sion dazu gefunden werden muss, ist noch völlig offen. Der Umwelt­minister­rat hat sich in seiner letzten Sitzung offen­bar gar­nicht mit dem Thema Luft­verkehr befasst und zeigte sich auch hinsicht­lich anderer Aspekte der ETS-Reform tief gespalten. Wenn aber das ETS insge­samt nicht funktions­fähig gemacht und der Preis für Emis­sions-Zerti­fikate deutlich nach oben getrieben wird, dann wird auch die Einbe­ziehung des Luft­verkehrs keine Wirkung zeigen.
Die wichtigsten Vorentscheidungen dazu werden im Februar 2017 fallen.




Erde als Marionette der Konzerne

Freihandel killt Vorsorge

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, welche katastro­phalen Folgen der in den jüngsten 'Frei­handels­verträgen' vorge­sehene Mecha­nismus der regula­torischen Koope­ration haben kann, dann hat ihn die EU gerade geliefert.

Wie die deutsche Ausgabe des Online-Ma­gazin EurActiv berichtet, wendet die EU-Kom­mission diesen Mecha­nismus in voraus­eilendem Gehorsam bereits an und hat ihren Vorschlag für eine Über­arbei­tung der europä­ischen Pesti­zid-Gesetz­gebung so gestaltet, dass er den Bedenken gegen mög­liche Handels­beschrän­kungen Rechnung trägt. Im Kern geht es darum, erstmals eine bestimmte Klasse von hormon-wirk­samen Substanzen, sog. 'endo­krine Disrup­toren', zu regeln. Nach dem in der EU gültigen Vorsor­ge-Prin­zip genügt die Wahr­schein­lich­keit, dass diese Substanzen gravie­rende Gesund­heits­schäden auslösen können, um Lebens­mittel, die damit behandelt wurden, zu ver­bieten. Die USA, Kanada und viele süd­amerika­nische Staaten verfolgen den sog. 'risiko-ba­sierten Ansatz', der ein Verbot nur erlaubt, wenn die Substanzen in den Lebens­mitteln in Konzen­tratio­nen vorliegen, für die eine Schädigung nach­gewiesen ist.
Insbe­sondere die USA haben den europä­ischen Ansatz von Anfang an intensiv bekämpft, letztlich mit Erfolg: die EU-Kom­mission hat ihren eigenen Vorschlag so verwässert, dass damit auch in Europa die Nutzung des 'risiko-ba­sierten Ansatz' für diese Substanzen ermöglicht würde. Wie aus dem EurActiv vorlie­genden Proto­koll, das die EU-Kom­mission nur aufgrund von juris­tischem Druck heraus­gegeben hat, hervor­geht, hat EU-Gesund­heits­kommissar Andriu­kaitis den Botschaf­tern aus den USA, Kanada, Argen­tinien, Brasilien und Uruguay ver­sichert, dass damit ihren Bedenken gegen Handels­beschrän­kungen Rechnung getragen werde.

Freihandel zerstört Regeln

Was die EU-Kom­mission hier schon aus eigener ideolo­gischer Verbohrt­heit heraus tut, würde mit Inkraft­treten von TTIP, CETA und/oder TiSA zum verpflich­tenden Verfahren für alle europä­ischen Gremien: alle gesetz­gebenden Akte sind dann nur noch unter der Prä­misse möglich, dass sie den freien Handel nicht gefähr­den.
Das wäre dann etwa so, als müssten alle Medika­mente, Thera­pien oder Umwelt­regeln hierzu­lande von der Indus­trie- und Handels­kammer genehmigt werden.

Und die Gefahr ist durchaus real. Nicht einmal das mit der Wahl von Donald Trump totge­sagte TTIP-Ab­kommen ist wirklich endgültig vom Tisch. Zumindest in seinem Berater­kreis gibt es auch Fans eines solchen Abkommens.
Bei CETA ist die Kommission zwar mit den übelsten Tricks, um das Parla­ment zu umgehen, nicht durchge­kommen und hat sich auch prompt schon eine erste Absage einge­handelt, hat aber trotzdem gute Chancen, im Februar die Zustim­mung des Gesamt-Par­laments zu erhalten. Zwar haben die Sozial­demo­kraten gerade mit großem Getöse die lang­jährige 'große Koalition' mit den Christ­demo­kraten aufge­kündigt, und es gibt auch erste Lockerungs­übungen nach links, aber einen Schwenk in der Einschät­zung zu CETA, der dem Glaub­würdig­keit ver­leihen könnte, werden mindestens die SPD-Abge­ordneten verhindern. Schließlich haben ihre führen­den Köpfe, Parlaments­präsident Schulz und Ausschuss-Vor­sitzender Lange, jede Schwei­nerei der Kommission zur Durch­setzung dieses Abkommens aktiv mitge­tragen.
Entsprechend gibt sich die Kommission opti­mistisch und verhan­delt bereits mit Kanada über die Umset­zung des in CETA vorge­sehenen "System der Inves­tor-Staat-Streit­beilegung (ISDS)".

TiSA-Leaks

Auch das geplante Abkommen zur Liberali­sierung von Dienst­leistungen (Trade in Services Agreement, TiSA) ist nicht mehr ganz im Zeitplan, steht aber Anfang nächsten Jahres gleich auf der Tages­ordnung. Nachdem im Laufe des Jahres verschie­dene Organi­sationen die wesent­lichen Texte aus den wie immer geheimen Verhand­lungen geleakt hatten, ergaben unter­schied­lichste Analysen, dass die Gefahren durch TiSA denen durch TTIP und CETA in Nichts nach­stehen.
Eine gute Übersicht dazu, inklusive der neuesten Leaks, enthält z.B. die Broschüre des Inter­natio­nalen Gewerk­schafts­bundes (der wesent­lich vom DGB getragen wird). Darin enthalten ist auch eine bisher wenig beachtete Analyse des TiSA-An­hang zu Luft­verkehrs­dienst­leistungen durch die Inter­natio­nalen Trans­port­arbei­ter-Gewerk­schaft (in der ver.di Mitglied ist). Darin heißt es:

"Der TiSA-Anhang würde die Art der unter die Bestim­mungen des inter­natio­nalen Handels mit Dienst­leistungen fallenden Luft­verkehrs­dienste erheb­lich ausweiten, was für die Arbeit­nehme­rinnen und Arbeit­nehmer beträcht­liche Folgen hätte. Die Arbeits­beding­ungen an Flug­häfen und in der Boden­abferti­gung haben sich bereits drastisch verschlech­tert. Menschen­würdige Arbeits­bedingungen sind in diesen beiden Bereichen äußerst rar, und bei der Reparatur und Wartung der Flugzeuge geht der Trend in dieselbe Richtung. Erweiterte TiSA-Ver­pflich­tungen werden den fort­gesetzten Wettlauf nach unten weiter verschärfen."

Mithin würde auch TiSA dazu beitragen, den Billig-Trend im Luft­verkehr zu verstärken und neben den Arbeits­bedingungen auch die Sicher­heit gefährden und noch mehr Flug­verkehr produzieren. Beobachter der Verhand­lungen berichten aller­dings, dass zwar "die Luft­verkehrs­dienst­leistungen unter anderen für Austra­lien, die Schweiz, die EU und Hong­kong" wichtig sind, aber "das Niveau der Ambi­tionen bei Trans­port-Dienst­leistungen wegen des Wider­standes der USA generell niedriger ist als in anderen Bereichen" (eigene Über­setzung).
Interessant ist auch, dass die EU offen­sichtlich in den TiSA-Ver­handlungen bezüg­lich dem "System der Inves­tor-Staat-Streit­beilegung (ISDS)" ganz andere Posi­tionen vertritt, als sie in den CETA-Ver­handlungen als Muster für alle künftigen Verträge propa­giert hatte. Von einem Gerichts­hof mit berufenen Richtern und Berufungs-Instanz ist dort keine Rede. Die Glaub­würdigkeit der EU-Kom­mission in Handels­fragen ist allerdings ohnehin auf einem Niveau, dass durch solche Wider­sprüche kaum noch beein­trächtigt werden kann.

Hormongifte stoppen

Breiter Protest gegen die EU-Pläne ist notwendig.

Die Vorgänge um die als 'endokrine Disrup­toren' bekannten Chemika­lien passen zwar eigentlich nicht in den Themen­kreis, den wir üblicher­weise hier behandeln, sind aber auch für sich ein derartiger Skandal, dass wir noch kurz darauf eingehen wollen.
Wie das Pesti­zid-Ak­tions-Netz­werk PAN in einer Presse­mittei­lung mitteilt, ist die Gefahr durch diese Substanzen zumindest insofern sehr konkret, als sie häufig in unseren Lebens­mitteln gefunden werden. Die Bewertung der Gefahren durch die EU-Kom­mission, die ihrem Regu­lierungs­vorschlag zugrunde liegt, wird von den meisten Experten außerhalb der Chemie-In­dustrie massiv ange­zweifelt. Eine Petition gegen diesen Vorschlag wurde bereits über 100.000mal unter­schrieben. Trotzdem versucht die EU-Kom­mission weiterhin, ihren Vorschlag durchzu­setzen, und möchte noch vor Weih­nachten die Zustimmung der Mitglieds­staaten einholen. Die Lobby-An­strengungen auch der europä­ischen Chemie-In­dustrie dafür sind immens und machen einmal mehr deutlich, dass es auch hier nicht um einen Konflikt USA - EU, sondern um einen Wider­spruch zwischen den Interessen der Konzerne und denen der Bevölke­rung geht - so wie bei den Frei­handels-Ab­kommen generell nicht ein freier Handel, sondern ein unbe­schränktes Agieren der Konzerne im Mittel­punkt steht.

Update 21.12.16:

Wie dpa meldet, hat die General­anwältin des Europä­ischen Gerichts­hof in einem Gut­achten, dessen Bedeu­tung über den konkreten Einzel­fall hinaus­geht, Krite­rien fest­gelegt, wann von der EU ausgehan­delte Frei­handels­verträge auch von den Mitglieds­staaten ratifiziert werden müssen. Wenn der Gerichts­hof bei seinem Urteil im Früh­jahr (wie meist üblich) dem Gut­achten folgt, dürfte klar sein, dass die 'grossen' Frei­handels­abkommen TTIP, CETA und TiSA ohne Zustimmung der nationalen Parla­mente nicht in Kraft treten können.

Update 26.12.16:

dpa meldet auch den Neujahrs­wunsch der deutschen Indus­trie (bzw. den eines ihrer ideo­logisch bornier­testen Ver­treter): der neue US-Prä­sident möge bitte einsehen, dass Protek­tionis­mus der falsche Weg ist, und TTIP doch noch zum Abschluss bringen.
Es gibt sicher vieles, was The Donald ganz schnell lernen müsste - bzgl. TTIP wünschen wir uns aller­dings, dass dieses Abkom­men, wie die anderen auch, daran scheitern wird, dass die Bevöl­kerung beider­seits des Atlantik den dreisten Raubzug der Konzerne nicht mehr dulden wird.




EU fördert Flughafenausbau

Den Flughafen ins Meer wachsen lassen und für internationale Flüge fit machen, ist Sache des griechischen Staates und der EU - den Profit kassiert Fraport.

Fraport und Ryanair - ziemlich beste Freunde ?

Dass Fraport Ryanair gegen Kritik an deren Geschäfts­praktiken in Schutz nimmt, könnte nicht nur daran liegen, dass die eigenen denen immer ähnlicher werden, sondern auch daran, dass die Zusammen­arbeit nicht nur auf FRA beschränkt ist.

Prekäre Arbeitsverhältnisse sind auch bei Fraport und anderen Arbeit­gebern auf FRA häufig genug, und was Ryanair an staat­licher Erpres­sung kann, über­trifft zumindest Fraport Greece locker. Wohl wissend, dass Griechen­land gar nicht anders kann, als den Privati­sierungs-Deal unter allen Umständen durchzu­ziehen, weil sonst die 'Quadriga' dem Staat den Geldhahn abdreht, droht Fraport damit, aus dem Geschäft auszu­steigen, wenn nicht eine ganze Liste von Bedingungen erfüllt wird. Nur ein Punkt aus dieser Liste ist bisher öffent­lich: der Ausbau des Flug­hafens Thessa­loniki muss zeitlich so gestaltet werden, dass er das Touris­mus-Geschäft für Fraport nicht gefährdet, egal, was das an zusätz­lichen Kosten oder sonstigem Aufwand für die anderen Betei­ligten bedeutet. Natür­lich hat das zuständige Minis­terium umgehend zuge­stimmt.

Dieser Vorgang ist in mehrerer Hinsicht bemerkens­wert. Neben der Dreistig­keit des Vorgehens der Fraport belegt er auch, dass die Behaup­tung von Minister­präsident Bouffier, die Flughäfen müssten privati­siert werden, denn "dieser Staat wird sie nicht herrichten", komplett gelogen war. Die grund­legenden Ausbau­maßnahmen bleiben Aufgabe des Staates (und werden auch noch von der EU gefördert), der Fraport-Bei­trag beschränkt sich, wie auch die ein­schlägige Presse­mittei­lung bestätigt, auf die geschäfts­fördernden Luxusaus­bauten. Die genauen Kondi­tionen des Deals sind aller­dings nach wie vor nicht offiziell veröffent­licht.

Klar ist aber auch, dass die Profit-Er­wartungen der Fraport nur erfüllt werden können, wenn der Touris­mus-Verkehr nicht nur nicht gestört, sondern weiter gesteigert werden kann - und der Partner, der das in erster Linie bewerk­stelligen soll, ist Ryanair. Thessa­loniki ist für Fraport der wich­tigste Flughafen, und zu den bereits beste­henden 17 Verbin­dungen, die Ryanair dort bedient, sollen im März 2017 vier weitere hinzu­kommen. Auch für andere von Fraport über­nommene griechische Flughäfen hat Ryanair Steige­rungen in Aussicht gestellt. Von den prekä­ren Verhält­nissen in Griechen­land profi­tieren beide.
Alles in allem also Gründe genug für den Beginn einer wunder­baren Freund­schaft - auf Kosten der Beschäf­tigten in Griechen­land und hier.




EU-Luftverkehr schmilzt Erde

Gefahr im Anflug - aber dagegen hilft kein Raketen-Abwehrsystem.

Klimaschutz nach EUnArt - schützt den Luftverkehr
vor den Anforderungen des Klimawandels

Nach den Worten eines Offiziellen ist die EU-Kom­mission sehr besorgt, ihre "inter­natio­nalen Verpflich­tungen" im Klima­schutz recht­zeitig zu erfüllen - leider versteht sie das ganz anders, als man glaubt.

Zum einen quält den Herrn Vis die Angst, die EU könnte "aus Versehen" ihren Beschluss wieder in Kraft treten lassen, auch inter­natio­nale Flüge von und nach EU-Mit­glieds­staaten in das EU-Emis­sionshandels­system einzu­beziehen. Dieser Beschluss war 2013 nach Protesten u.a. der USA und Chinas bis Ende 2016 ausgesetzt worden, um abzu­warten, ob ICAO eine hinreichend anspruchs­volle Regelung für inter­natio­nale Flüge findet. Das ist nach­weislich nicht der Fall, trotzdem meint Herr Vis (und, wie zu befürch­ten ist, die ganze EU-Kom­mission), das der Beschluss nun dringend ganz aufge­hoben werden muss, um die ICAO-Ver­handlungen nicht zu "destabi­lisieren". Und das, obwohl das ICAO-System überhaupt erst 2027 verbindlich in Kraft treten soll.

Zum anderen wiederholt die EU-Kom­mission in ihrem sog. Winter-Paket den gleichen Fehler in Bezug auf sog. 'Bio-Treib­stoffe', den sie in der Vergangen­heit gemacht hat: Treib­stoffe aus Biomasse sollen als 'erneuer­bare Energie' gelten, selbst wenn ihre Treib­haus­gas-Bilanz schlechter ist als die fossiler Brenn­stoffe.

Gegen Biosprit

Für die Luftfahrt­industrie ist diese Einstufung entschei­dend, denn Bio-Treib­stoffe sind für sie, neben gering­fügigen Fort­schritten beim Luftver­kehrs-Manage­ment und in der konventio­nellen Flugzeug- und Triebwerks-Tech­nologie, der einzige Weg, echte Emissions-Re­duktionen geltend zu machen. Zwar könnten die Technolo­gie-Beiträge deut­lich grösser sein, aber das Kartell der großen Flugzeug­bauer Airbus und Boeing (im zitierten Report vornehm 'Markt­kräfte' genannt), die ihre bishe­rigen Produk­tions­kapazi­täten voll ausnutzen wollen, verhindert die schnelle Einführung der dazu notwen­digen neuen Technolo­gien.
Daher findet die geplante Förderung von 'Advanced Biofuels' für die Luftfahrt nicht nur die Zustimmung der Lobby­verbände, sie fordern darüber hinaus auch noch, diese Treib­stoffe für die Luftfahrt zu reser­vieren.
Darüber, was 'Advanced Biofuels' eigentlich sind, gehen die Meinungen stark auseinander. Während eine von der European Climate Foundation zusammen gebrachte Koalition relativ strikte Kriterien für eine nachhal­tige Nutzung von Biomasse zur Treib­stoff-Pro­duktion formuliert, erklärt IATA in ihrer Sustain­able Alter­native Aviation Fuels Strategy offen, dass diese Treib­stoffe "in der vorher­sehbaren Zukunft über­wiegend aus Material pflanz­lichen oder tierischen Ursprungs ... oder aus Abfällen" (eigene Übersetzung) kommen werden. Auch die von ICAO bisher zertifi­zierten Treib­stoffe bzw. -Zuschläge stammen aus diesen Quellen und erfüllen die strengen Nach­haltig­keits­kriterien nicht.

Selbst unabhängig von ökolo­gischen Bedenken gibt es massive Zweifel an der Realisier­barkeit dieser Vorstel­lungen. Der Aufbau einer entspre­chenden Infra­struktur würde erheb­liche Investi­tionen erfordern, von denen weit und breit nichts zu sehen ist.
Vor dem Hinter­grund massen­hafter illegaler Rodungen und immer neuer Skandale auch bei zertifi­zierten Biomasse-Nut­zungen sowie der Tatsache, dass in Europa nicht genügend Land für den Anbau von Energie­pflanzen zur Verfügung steht, ist absehbar, dass die Verspre­chungen von Emissions-Re­duktionen im Luft­verkehr ab 2030 oder 2050 nur heiße Luft sind. Wenn das Weltklima nicht völlig aus den Fugen geraten soll, darf die europä­ische Luftfahrt ihre Wachstums­fantasien nicht realisieren.




Dialog Dobrindt-Schulte

Wir wissen nicht, wie die Unterhaltung zwischen den Herren Schulte und Dobrindt wirklich abgelaufen ist. Aber wir finden, dieser Text passt sowohl zu den Abläufen als auch zu den Bildern.

Luftverkehrtkonzept

Noch Ende November hatte Verkehrs­minister Dobrindt verlauten lassen, dass es bis Jahres­ende ein neues Luft­verkehrs­konzept der Bundes­regierung geben werde. Nur zwei Wochen später teilt sein Staats­sekretär einer Arbeits­gruppe von 'Stake­holdern' mit, dass es damit nichts wird und erst die nächste Bundes­regierung (nach den Wahlen im Herbst 2017) darüber befinden wird. Die Öffent­lichkeit erfährt davon durch eine verärgerte Presse­infor­mation von drei beteiligten 'Umwelt­organisa­tionen' (BUND, Bundes­vereini­gung gegen Fluglärm BVF und Arbeits­gemein­schaft Deutscher Fluglärm­kommis­sionen ADF). Auf der Webseite des Mini­steriums findet sich zu dem ganzen Debakel kein Wort.

Damit bleibt es zunächst bei den drei Eckpunkten, die der Minister schon vorher verkündet hatte (einen offiziellen Text dazu gibt es ebenfalls nicht, nur Presse­berichte):

Zum ersten Punkt ist die Senkung der Gebühren für die Flug­sicherung bereits beschlossen. Was noch alles auf dem Wunsch­zettel der Luft­verkehrs­wirtschaft steht (und was Herr Dobrindt gerne unterstützen würde), haben wir schon vor einigen Monaten beschrieben. Unter­stützung kommt von der Hessen-SPD, die die Luft­verkehrs­abgabe abschaffen möchte.
Zum zweiten Punkt muss er nicht viel tun; Kapazitäts­erweite­rungen werden von den Bundes­ländern umgesetzt. Lediglich wenn das Umwelt­ministerium auf die Idee kommen sollte, Empfeh­lungen seiner Fach­behörde ernst zu nehmen und z.B. ein allge­meines Nacht­flug­verbot von 22:00 bis 6:00 Uhr einführen zu wollen, müsste er solche Zumu­tungen im Kabinett blockieren.
Was der dritte Punkt genau bringen soll, ist unklar, denn das wird eigentlich im Wesent­lichen auf EU-Ebene umgesetzt.
Insofern ist es kein Wunder, dass BDL & Co. mit dem Nichtstun des Ministers in dieser Beziehung durchaus zufrieden sind. Thomas Jühe bringt es als Sprecher der ADF auf den Punkt: "Die vorge­legten Eckpunkte haben ganz offen­sichtlich nur ein Ziel, und zwar die Stärkung der deutschen Luft­verkehrs­industrie. Demgegen­über fehlen essen­tielle Bestand­teile für ein über­greifendes Konzept, welches neben den wirtschaft­lichen auch die Umwelt­aspekte hinrei­chend mitberück­sichtigt, ...".

Auch auf europä­ischer Ebene geht es mit den Formalia offenbar nicht recht voran. Ziemlich genau ein Jahr nachdem die Kommission ihren Entwurf für eine Luft­fahrt­strategie für Europa vorgelegt hat, wollte sich das EU-Par­lament am 14.12. damit beschäftigen, aber der Punkt wurde in letzter Minute von der Tages­ordnung gestrichen. Offenbar war es dem feder­führenden Verkehrs­ausschuss nicht gelungen, recht­zeitig einen Kompromiss auszu­arbeiten, nachdem sowohl der Umwelt- als auch der Sozial-Aus­schuss kritische Anmer­kungen zum Entwurf vor­gelegt hatten. Ob sich davon im endgül­tigen Parlaments­beschluss mehr wieder­finden wird als in der ersten Stellung­nahme, entscheidet sich wohl erst im Februar nächsten Jahres.
Aber auch hier kann sich die Industrie entspannt zurück­lehnen, denn die Kommission handelt auch ohne Parlaments­beschluss in ihrem Interesse.

Was von dem Gerede über die notwendige 'Stärkung der Luft­verkehrs­industrie' zu halten ist, zeigen die Tatsachen, dass die meisten Flug­gesell­schaften Rekord­profite ein­fahren, die Subven­tionen ohnehin schon schwindel­erregende Höhen erreichen und die Lobby-Verbände auch in anderen Welt­regionen das gleiche Gejammer anstimmen. Aber auch hier gilt natürlich die alte Unternehmer­weisheit: Profit kann man nie genug machen.




ICANA-Logo"

ICANA 2016 - Nichts Neues beim Schallschutz

Bei der diesjährigen "Inter­natio­nalen Konferenz Aktiver Schall­schutz" des Umwelt­hauses / Forum Flughafen und Region gab es anscheinend wenig Neuig­keiten. In den Medien gibt es kaum Resonanz, ledig­lich Echo Online und das Wissens­magazin scinexx berichten sehr ähnlich über die neuen Anflug­verfahren, die die DLR am Frank­furter Flughafen testet. Details sind für Aussen­stehende noch nicht zu erfahren, denn das UNH hat zwar schon eine Seite für die Video-Doku­menta­tion einge­richtet, aber zum Zeit­punkt der Entstehung dieses Beitrags war dort noch kein Inhalt zu finden.

Eher wie ein Kuriosum wirkt ein Beitrag eines Vertreters der Inter­natio­nalen Zivil­luft­fahrt-Orga­nisation ICAO, der über Arbeiten zur Standardi­sierung der Lärmbe­lastung durch Überschall­flüge berichtet hat. Aber 13 Jahre nach dem Ende der unseligen Concorde hofft die Flugzeug­bau-In­dustrie offenbar tatsäch­lich darauf, dieses aktuell dem Militär­flug­betrieb vorbe­haltene Segment neu für die Zivil­luftfahrt erschliessen zu können. Während die Forschung an über­schall-schnel­len großen Passagier­flugzeugen noch über­wiegend steuer­finanziert, z.B. von der NASA, durch­geführt wird, möchten kleinere Spezial­firmen schon bald das Luxus-Seg­ment von Privat­jets für die eiligen Super­reichen erschliessen - unter wohl­wollender Beobach­tung bzw. Betei­ligung der Großen Airbus und Boeing.
Diese nächste Generation der Supersonic Jets soll am Boden nur noch einen kleinen Knall erzeugen - den großen Knall haben die­jenigen, die glauben, dass bei einer solchen Entwick­lung die Lärm­schutz-As­pekte ohne öffent­lichen Druck ange­messen berück­sichtigt würden.

Update 01.12.16:

Aktuelle Verlautbarungen und eine schon etwas ältere Übersicht bestätigen, dass ICAO mit ihren Aktivitäten zum Überschall-Flug nicht alleine dasteht. Auch wenn bisher überwiegend nur kleine Start-ups daran tüfteln - die Großen der Branche und Milliarden-schwere Investoren haben die Nische im Blick und werden einsteigen, wenn sie ein Geschäft wittern. Eher etwas mit Schallschutz hätte die Idee von Boeing zu tun, einen senkrecht startenden Passagier-Jet zu entwickeln. Sie haben vor Kurzem ein Patent dafür angemeldet, aber allen diesen Projekten ist gemeinsam, dass es anfangs großartige Verlautbarungen und anspruchsvolle Zeitpläne gibt. Ob und wann mal etwas daraus wird, ist offen.
Auch das Umwelthaus braucht seine Zeit - die ICANA-Ergebnisse sind immer noch nicht online.

Update 18.12.16:

Sie haben es geschafft: die Vorträge der Konferenz, inklusive einiger Diskus­sionen, sind in Form von Video­mitschnitten online, und auch die Vortrags­folien sind dort verfügbar.
Wer sich also die kommenden Feier­tage mit solchen Themen verderben will, kann nun das Wichtigste der beiden Konferenz­tage nachvoll­ziehen. Viel Hoffnung Schaf­fendes fürs neue Jahr dürfte nicht dabei sein. Sollte uns noch etwas Wesent­liches darin begegnen, werden wir in eigenen Beiträgen darüber berichten.




Russendes Flugzeug und Meßgerät

Neues vom Ultrafeinstaub

Das am Flughafen Frankfurt geplante Projekt zu Erfassung der Immis­sionen von Ultra­feinstaub nimmt langsam Gestalt an. Die Leistungs­beschreibung, die Bestand­teil der Aus­schreibung war, gibt an, was das UBA erwartet, und das Ingen­ieur-Büro Lohmeyer als Leiter des Konsortiums, das den Zuschlag erhalten hat, beschreibt die geplante Durch­führung. Aus den Unterlagen ist zu schließen, dass keiner der Beteiligten schon größere Erfahrung mit Ultra­feinstaub hat, und es ist zu hoffen, dass sie nach Abschluss des einleitenden Litera­tur-Studiums noch mal überprüfen werden, was sie da vorhaben. Nicht nur sind die Emissions­daten, auf die sie sich schützen wollen, teilweise veraltet, auch das auch von Herrn Jacobi berichtete Faktum, dass die Ausbreitung von Ultra­feinstaub offenbar anderen Gesetzen folgt als die Ausbreitung anderer Schad­stoffe, findet bisher keine Berück­sichtigung. Ob die Standard-Aus­breitungs­modelle, mit denen gerechnet werden soll, durch reine Para­meter-An­passung auch die UFP-Aus­breitung halbwegs korrekt angeben können, ist keines­falls sicher.
Ein weiterer gravierender Mangel wird aber mit Sicherheit nicht zu korri­gieren sein. Die Flugzeuge als Quelle der Emissionen werden nur summarisch über den "Landing, Taxi and Take Off" (LTO) -Zyklus nach sog. Journal-Ein­trägen erfasst. Angesichts des sehr direkten Zusammen­hangs zwischen Überflug und Immission am Boden, wie er in allen zeitlich hoch aufge­lösten Messungen (u.a. des BBI-Arbeits­kreises) zu sehen ist, wäre es absolut notwendig, die reale Bewegung der Flugzeuge in der Umgebung des Flughafens zu erfassen, wie das in der NORAH-Studie zur genauen Erfassung des jeweils am Ort einwirkenden Lärms gemacht wurde. Das würde allerdings einen deutlich höheren Aufwand erfordern (selbst wenn die NORAH-Daten zur Verfügung stehen), und solche Nach­besserungen sind in aller Regel im Projekt-Budget nicht vorgesehen.
Die Modell­rechnungen zur Ausbreitung von ultra­feinen Partikeln rund um den Flughafen, die am Ende des Projekts wohl vorliegen werden, können also in keinem Fall die exaktere Auswertung der Messungen in Raunheim (die HLNUG immer noch verweigert) ersetzen.

Am Flughafen Düsseldorf, der eine Kapazitäts­erweiterung beantragt hat, spielt erstmals das Thema Ultra­feinstaub in einem Genehmigungs­verfahren von Anfang an eine Rolle. Nicht nur hat eine dortige BI mit eigenen Messungen schon öffent­liches Auf­sehen erregt, sie konnten auch durch­setzen, dass ein Gutachten in das Verfahren eingebracht wurde, das die gesund­heit­lichen Folgen von Ultra­feinstaub thematisiert. Die dortigen Genehmigungs­behörden werden es nicht ganz leicht haben, dieses Gutachten vom Tisch zu wischen, auch wenn sie die Ausflüchte, die Herr Jacobi regel­mäßig vorbringt, schon übernommen haben.

Auch das UBA bearbeitet das Thema noch in anderen Zusammen­hängen. So hat es gemeinsam mit der TU Berlin ein Symposium durchgeführt, das eine Unmenge von aktuellen Informa­tionen zu Emission und Wirkung von Ultra­feinstäuben in verschiedenen Bereichen zusammen­getragen hat. Leider sind die dort vorgelegten Präsen­tationen nur für die Teilneh­mer*innen zugänglich. Die wichtigsten Ergebnisse aus ihrer Sicht haben zwei Mitglieder des BBI-AK in einem Bericht zusammen­gefaßt. Darüber hinaus hat das UBA auch noch ein neues Projekt zu den gesundheit­lichen Wirkungen von UFP ausge­schrieben.
Dass ultrafeine Partikel eine besondere Gefahr darstellen und in die Luft­überwachung einbezogen werden müssen, wird mittler­weile kaum noch bestritten. Die Meß-Praktiker, organisiert im Verein Deutscher Ingenieure, machen trotzdem nochmal einen Versuch, doch lieber die Messung von Ruß, die in den neunziger Jahren aufge­geben wurde, wieder aufzunehmen. Ihr Status­bericht legt nahe, dass Ruß­messungen einfacher und billiger sind und trotzdem das Risiko hin­reichend erfassen, da Ruß zu 75% aus ultra­feinen Partikeln bestehe und viel besser mit einschlägigen Krank­heiten korreliere als z.B. der bisher gemessene Para­meter PM2.5. (Der Leiter der Arbeits­gruppe, die den Bericht erarbeitet hat, ist Herr Jacobi.) Nun wäre es sicher nicht schlecht, flächen­deckende Ruß-Mes­sungen als Indikator für den Anteil von Verbrennungs­prozessen an der Luftver­schmutzung zu haben - eine Alter­native zum Zählen der ultrafeinen Partikel ist es aller­dings nicht, schon garnicht, wenn man die Beiträge unter­schiedl­icher Verbrennungs­prozesse ermitteln will.

Zusätzliche Bewegung kommt in die Diskussion, weil eine neue Quelle ultrafeiner Partikel aufkommt, die ebenfalls unzu­reichend reguliert ist. Die Deutsche Umwelt­hilfe weist in einer Presse­mitteilung darauf hin, dass die jüngste Generation von Benzin-Direkt­einspritzer-Mo­toren wesentlich mehr ultrafeine Partikel ausstößt als die geltende Abgasnorm erlaubt. Wie die EU-Umwelt­organisation 'Trans­port & Environ­ment' in einem Briefing erläutert, versuchen wesent­liche Teile der Auto­industrie derzeit, statt entsprechende FIlter einzubauen, die Meßvor­schriften zu verwässern. Auch um zu klären, was da passiert und wie gut die Vorschriften wirken, wird man um das Messen der Partikel­zahlen nicht herumkommen.
Passender Weise hat das EU-Par­lament nach langen Verhand­lungen nun doch noch beschlossen, neue Ziele für die Reduktion der Luftver­schmutzung in Europa zu setzen und dabei auch den Feinstaub zu begrenzen - zwar nur als PM2.5, aber wenn sie die Ursachen gezielt bekämpfen wollen, werden die Mitglied­staaten nicht darum herum kommen, auch den Ultra­fein­staub-Anteil daran zu messen. Es ist aller­dings eher ein lang­fristiges Projekt, denn die Ziele gelten für 2030.




Klima-Thermometer

Schlechte Chancen für das Klima

Das Beste, was zu diesem Thema zu vermelden ist, ist wohl, dass am 4.11. das Pariser Abkommen zum Klima­schutz in Kraft getreten ist. Aber schon bei der 07.11. eröff­neten Nachfolge­konferenz COP22 zeigt sich, dass die Umsetzung extrem schwierig werden wird - obwohl der neue US-Präsident, der neben allen sonstigen abartigen Vorstel­lungen auch noch den Klima­wandel für eine chine­sische Erfin­dung hält, noch gar nicht im Amt ist. Ein aktueller UNEP-Bericht zeigt, dass von der notwen­digen Trend­wende bei den Treib­hausgas-Emis­sionen noch nicht die Rede sein kann, und von der Umsetzung der in Paris gegebenen Versprechen ist nirgendwo etwas zu sehen. Im Gegen­teil beginnen Staaten bereits, Bedenken zu äussern oder gleich ganz Rück­zieher zu machen.
In Deutschland gibt Wirtschafts­minister Gabriel den Klima-Trump, beugt sich den Wünschen des BDI-Prä­sidenten und der Fossil-Ge­werkschaft IG BCE und schickt seine Partei­freundin Hendriks mit einem völlig verwäs­serten Klima­schutz­plan nach Marra­kesch (wo sie dafür einen besonderen Preis abholen darf). Auch die Branden­burger SPD setzt ganz auf Braun­kohle und wird dabei auch von ihrem Koalitions­partner Die Linke nicht gebremst, ebenso wenig wie die NRW-SPD von den Grünen. Darüber hinaus versucht Gabriel auch noch, Druck auf China auszuüben, um dort die Einfüh­rung von Elektro-Autos zu verlang­samen.

Vom Klimaschutz im Luft­verkehr gibt es auch nichts Positives zu berichten. ICAO hat inzwischen den endgül­tigen Resolu­tions-Text zu ihrem Beschluss über einen markt­basierten Mecha­nismus zum Off­setting des Zuwachses der CO2-Emis­sionen aus dem inter­nationalen Luft­verkehr namens CORSIA veröffent­licht. Der ICAO-Prä­sident hat diesen Beschluss in Marra­kesch stolz präsen­tiert, aber konkret dazu auch nur sagen können, dass bisher "Staaten, die mehr als 86,5% des inter­nationalen Luft­verkehrs repräsen­tieren", sich frei­willig bereit erklärt haben, an der ersten Phase dieses Systems ab 2021 teilzu­nehmen. Diese Erklärungen sind aller­dings noch keines­wegs bindend, und sie decken auch nicht 86,5% des Emissions­zuwachses ab. Tatsäch­lich beträgt die Abdeckung nach Berech­nungen des Environ­mental Defense Fund bis 2026 nicht einmal 2/3 des Zuwachses und steigt danach auf knapp 80%. Sollte der Irre auf dem US-Präsi­dentenstuhl tatsächlich durch­setzen, dass die USA wieder aussteigen, betrügen die entspre­chenden Zahlen 46% bzw. 59%. Luftfahrt-Ex­perten halten das nicht für ausge­schlossen. Selbst wenn es dazu nicht kommen sollte, werden die USA sicher­lich unter Trump keinen positiven Beitrag zur Klärung der vielen noch offenen Fragen zu diesem Mecha­nismus leisten.
Umweltorganisationen schätzten die Vereinbarung schon vorher als unzureichend ein und fordern Nachbesserungen, die aktuell wohl wenig Chancen haben. Auch Vertreter von Fluggesell­schaften glauben nicht, dass der Mechanismus vor 2030 Wir­kungen zeigt. Derweil hat Atmos­fair einen neuen Airline Index zur Energie­effizienz im Luft­verkehr vorge­legt, der selbst nach Ansicht von Luft­fahrt-Lobby­isten beweist, welch enge Grenzen den Fort­schritten im technischen Bereich gesetzt sind. Der Spiegel steuert noch ein anschau­liches Beispiel bei, was das bedeutet.
Wer also Chancen sieht, das Jahr 2050 (oder gar 2100) noch zu erleben, darf sich auf eine ereignisreiche Zeit vorbereiten.

Update 15.11.16:

Die ARD-Sendung Monitor zeigt in einem 6-Minuten-Beitrag alles Wichtige zum sog. 'Klimaschutz-Abkommen' der ICAO. Prädikat: Empfehlenswert.
Ausserdem gibt es einen neuen Bericht über die Entwicklung der CO2-Emissionen und einen neuen Wärmerekord. Die Zeit bis zum Durchbrechen der Klimaziele läßt sich neuerdings auf Uhren ablesen, in den USA machen unter Trump Klimaleugner Karriere, und Greenpeace würdigt den Klimaschutzplan 2050.

Update 23.11.16:

Am Rande des diesjährigen Welt-Klimagipfel in Marrakesch gab es auch noch ein paar wenige Informa­tionen zum ICAO-'Klima­schutz­programm'. ICAO selbst hat neben der oben schon zitierten Rede auch noch ein erläuterndes Papier, eine sog. Submission, eingebracht, die aber auch nichts wesentlich Neues enthält. EU-Parla­mentarier haben einige Ideen geäussert, wie das Emissions­handels­system EU ETS in Bezug auf die Luftfahrt an die neuen Bedingungen angepaßt werden sollte. Demnach ist nicht zu erwarten, dass die EU den interna­tionalen Luftverkehr wieder, wie ursprüng­lich geplant, in das System einbe­ziehen wird. Wenn überhaupt, soll besten­falls eine teilweise Einbe­ziehung derjenigen Flüge erfolgen, die von CORSIA garnicht erfasst werden.
Der Europä­ische Rechnungs­hof hat der EU-Kommission bescheinigt, dass sie bei der Berechnung ihrer Klima­schutz-Leis­tungen "innovativ" sei, aber trotzdem die gesetzten Ziele nicht erreichen wird. Eine Studie im Auftrag von Umwelt­verbänden sagt der Bundes­regierung für ihre Emissions­ziele 2020 das Gleiche voraus.




Logo-Kollektion Billig

Luftkampf über FRA: Wer kann billig ?

Fraport auf Abwegen

Zuhause läuft es derzeit über­wiegend nicht gut für Fraport. Auch im kommenden Winter wird das Wachstum negativ sein, und diesmal nimmt nicht nur die Zahl der Flugbe­wegungen ab, sondern auch die der ange­botenen Sitzplätze. Liegt natürlich nur an den "geopoli­tischen Rahmen­beding­ungen", aber wann die mal wieder besser werden, weiß kein Mensch. Auch der Zuwachs an Beschäf­tigten bleibt minimal, und wann die für den Ausbau-Fall für 2015 verspro­chenen 100.000 zusätz­lichen Arbeits­plätze geschaffen werden, darüber möchte Fraport gar nicht mehr reden.
Dass Fraport trotzdem einen Gewinn­sprung verzeichnen darf, liegt einzig an beson­deren Entwick­lungen im Ausland. Aber auch dort gibt es jede Menge Bau­stellen, und die beste Nachricht (für Fraport) kommt aus Griechen­land: das oberste griechische Verwal­tungs­gericht, der Staatsrat, hat die letzte Klage zurück­gewiesen, so dass im Februar nächsten Jahres 14 Regional­flughäfen als All-Inklu­sive-Paket an Fraport übergeben werden können. Die zuständige Gewerk­schaft ist zwar nach wie vor nicht begeistert, sieht Fraport weiter­hin als Eroberer und sucht nach weiteren Klage­möglich­keiten, aber angesichts der weiter sehr hohen Arbeits­losig­keit und zunehmenden Verelen­dung in Griechen­land sind ihre Möglich­keiten zum Widerstand gering. Ideale Bedingungen also für die griechische Tochter 'Fraport Greece', die die Flughäfen zu Luxus-Zen­tren für Touristen ausbauen will.

Die Lösung für das Problem des falschen Vorzeichens beim Wachstum auf FRA soll die bereits im Frühjahr angekündigte neue Strategie bringen: Alle machen auf Billig. Nach der Ankün­digung, dass im Sommer 2017 mit Ryanair der größte und fieseste Billig­flieger auf FRA aktiv wird, gab es zunächst ein großes Rauschen im Blätter­wald. Während die regio­nalen Medien wie FAZ, FNP, FR und hessen­schau pflicht­schuldigst die Meinungen der lokalen Akteure wieder­geben (man kennt ja seine Werbe­kunden), wird das Ganze von vermeint­lichen oder tatsäch­lichen externen Experten als Medien­spektakel oder gar als Zicken­krieg abgetan.
Auf der politischen Bühne gab es zunächst den üblichen Parteien­streit, wobei die Grünen sogar ein bißchen Koalitions­streit spielen, dabei aber gleich selbst deutlich machen, dass das was sie sagen und was sie tun ganz verschie­dene Dinge sind. Die CDU findet alles ganz toll, die SPD sorgt sich, ob Fraport damit auch wirklich Erfolg hat und ätzt gegen die Grünen. Lediglich die Linke fordert (wenn auch sehr zurück­haltend) das Land Hessen und die Stadt Frankfurt als Anteils­eigner auf, den Billig-Kurs der Fraport zu unter­binden. Ansonsten konzen­triert sich der Streit darauf, ob Minister Al-Wazir den Fraport-Entwurf für eine neue Entgelt-Ordnung und die darin vorgesehenen Rabatte für Ryanair genehmigen darf bzw. sollte. Das Ministe­rium hat schon verlauten lassen, dass die Geneh­migung wohl kommen wird. Lufthan­sa-Chef Spohr hat daraufhin ange­kündigt, dass LH in diesem Fall auch nicht mehr zahlen werde. Gleich­zeitig droht er aber auch damit, den eigenen Billig­flieger Euro­wings nach FRA zu holen, was Fraport auch begrüssen würde.

Und was bedeutet das Ganze nun für die Bewohne­r*innen der Region? Während die FAZ darauf hinweist, dass Billig­flüge auch nicht lauter sind als andere, aber mehr davon eben auch mehr Lärm bedeuten, meint Minister­präsident Bouffier, "dass das eine mit dem anderen gar nichts zu tun hat". Da darf nun jede/r für sich entschei­den, ob sie/er diesen Herren nur für dumm oder für besonders dreist hält (wir glauben, er ist beides). Sein zustän­diger Minister ist nicht ganz so unverschämt und teilt mit, er gehe "nicht davon aus, dass die jetzt angekün­digten neuen Flug­verbin­dungen zu einem sprung­haften Anstieg der Bewegungs­zahlen und der Lärmbe­lastung führen werden". Soweit er die für Sommer 2017 konkret angekün­digten 28 Flüge pro Woche meint, stimmt das, weil die nur in etwa das kompen­sieren, was die praktisch bankrotte Air Berlin aufgeben will. Was die erklärten Absichten von Fraport und Ryanair angeht, ist besten­falls richtig, dass der gewünschte Anstieg nicht "sprung­haft" verlaufen muss. Interes­sant ist aber, was er zu den Regeln für die Geneh­migung zu sagen hat.
In der Mitteilung des Ministe­riums heißt es, die "Incenti­vierung von Neube­werbern ist von Gesetzes wegen nicht per se verboten", sondern müsse "anhand von § 19b LuftVG" geprüfte werden. "Liegen die Voraus­setzungen vor, muss genehmigt werden." Aber nach diesem Para­graphen "ist zu gewähr­leisten, dass ... allen Flugplatz­nutzern in gleicher Weise Zugang zu den Dienst­leistungen und Infra­strukturen des Verkehrs­flughafens ... gewährt wird" und ihnen "nicht ohne sach­lichen Grund Entgelte in unter­schied­licher Höhe auferlegt werden". Die Öffnungs­klausel, die Abwei­chungen erlaubt, lautet "Eine Differen­zierung der Entgelte zur Verfol­gung von öffent­lichen oder allge­meinen Interes­sen ist ... zulässig", als Beispiele werden "Differen­zierung der Entgelte nach Lärmschutz­gesichts­punkten" oder nach Schad­stoff­emissionen genannt.
Der Minister kann die "Incentives" genannten Rabatte also nur geneh­migen, wenn er glaubt, dass das Anlocken von mehr Billig-Flug­verkehr im "öffent­lichen oder allge­meinen Interesse" ist - eine völlig unpoli­tische Entschei­dung.

Mittel­fristig wird es aber unab­hängig von irgend­welchen Rabatten auch in Frank­furt verstärkt dazu kommen, dass die Jagd nach den im Flug­verkehr möglichen Profiten immer mehr auf Kosten der Beleg­schaften und der Bevölke­rung ausge­tragen wird. Ryanair ist nur das Muster­beispiel einer Fluggesell­schaft, die die Preise dadurch drücken kann, dass die Personal­kosten an der untersten Grenze gehalten werden. Konkur­renten wie Eurowings, die den Sozial­abbau in ihren Beleg­schaften nicht so schnell durch­setzen können, müssen anderswo sparen und wollen das laut Herrn Spohr tun, indem sie billi­gere Gebraucht­flugzeuge, die ruhig laut und dreckig sein dürfen, einsetzen. Fraport versucht die Gebühren niedrig zu halten, indem immer mehr Leis­tungen outge­sourct und durch prekäre Arbeit erbracht werden. Darunter werden alle zu leiden haben - bis auf die, die die Profite ein­streichen. Von gesell­schaft­licher Verant­wortung, Gesundheits-, Umwelt- und Klima­schutz und solchem Kram redet da ohnehin keiner mehr.

Update 13.11.16:

In der politischen Debatte um das Anlocken von Ryanair übt die SPD nun scharfe Kritik: "Prinzip­iell sei es richtig, dass sich Airlines aus dem Low-Cost-Seg­ment ansiedelten, da es 40 Prozent des Flug­verkehrs in Europa ausmache. Auch das Anwerben durch Vergüns­tigungen sei richtig". Also eigent­lich alles in Ordnung, aber dass ausge­rechnet Al-Wazir ... ein typisches TSG-Ar­gument eben - taugt so garnichts.
Im Landtag wies die Linken-Frak­tionsvor­sitzende Wissler darauf hin, dass zwei Ryanair-Lan­dungen kommenden Sommer kurz vor Beginn des Nacht­flug­verbots geplant sind - mit der durch­aus realen Gefahr, dass ähnlich wie bei Air Berlin regel­mäßige Verspä­tungen bereits einkal­kuliert sind.

Derweil ärgert Fraport ihren Haupt­kunden - und die ganze Region - erneut. Auch die Golf-Air­lines bekommen ein spezielles Angebot, aller­dings keine befris­teten Rabatte, sondern gleich ein speziell auf ihre Bedürf­nisse zugeschnit­tenes Terminal. Der FNP-Kommen­tator ärgert sich über die miserable Infor­mations­politik von Fraport und besonders darüber, dass auch er seine Informa­tionen aus einem Interview des Fraport-Finanz­vorstands mit dem Nach­richten­dienst Bloomberg beziehen muss, aber es lohnt sich generell, das Original zu lesen. Dort heißt es zunächst: "Ein eigenes Stock­werk wird eingefügt werden, um den Bedarf der Mittel­ost-Anbieter nach mehr Raum zu befrie­digen und damit den Platz für Luxus-Lounges zu verdoppeln, sagt Zieschang. Die Design-Än­derung trägt zu der einjäh­rigen Verzöge­rung der Fertig­stellung des Terminal auf 2023 bei und könnte die Baukosten über die veran­schlagten 3 Milliar­den Euro hinaus­treiben." Und zur Begründung heißt es: "Luxus-Verkehre 'boomen' und sind lebhafter als der Gesamt­markt, sagt Fraport's Zieschang". (Alle Zitate eigene Über­setzung).
Weiterhin kann man aus diesem Artikel lernen, dass Lufthansa nicht komfortabel genung einge­stuft ist, um mit Quatar Airways und Etihad im Luxus­sektor zu konkur­rieren, und dass Emirates und Etihad sehr wohl (anders als die FNP suggeriert) ihr Angebot an Flügen nach FRA problemlos erhöhen könnten. Ein kleines Bonbon gibt es am Schluss auch noch, und das zitiert man am Besten im Original: "Fraport is also building a second, larger common-use luxury lounge in Terminal 1 to complement its existing offering in the same building. Entry to the facility costs 300 euros a person. In January, a hotel within the terminal’s security zone will open, with rooms available by the hour, Zieschang said." Ein Luxus-Stunden­hotel ist wahrhaftig das, worauf die Region noch gewartet hat.
Von anderen Bedarfen der Region, die angeb­lich den Ausbau notwendig gemacht haben, ist nicht mehr die Rede.

Update 15.11.16:

Inzwischen kann man auch in der deutschen Fachpresse (oder was sich dafür hält) sowohl über die Ausbaupläne als auch über die SPD-Kritik Genaueres lesen. Letztere richtet sich danach primär gegen "schlechte Arbeits­bedingungen, die Verhin­derung von Gewerk­schafts­arbeit sowie die Ablehnung von Tarif­verträgen" bei Ryanair, was diese natürlich umgehend demen­tiert. Natürlich dürfte kaum jemand den Herren O'Leary und Kiely diese Behaup­tungen abnehmen, ab was glaubt Herr Schäfer-Gümbel eigentlich, warum die anderen Billig­flieger so deutlich günstigere Angebote machen können als die etablierten Airlines? Wenn er ausdrück­lich zitieren läßt: "Gegen Low-Cost-Airlines im Allge­meinen hat er aber nichts", meint er dann 'Sklaven­tum nein danke, Elends­kapita­lismus ja bitte'? Vielleicht sollte er zum Sozial­dumping im Luft­verkehr die Meinungen des Europä­ischen Wirt­schafts- und Sozial­ausschuss, der Flug­hafen­beschäf­tigten und der Piloten zur Kenntnis nehmen.
Derweil kann sich Fraport freuen, dass im Nahen Osten ein weiterer Carrier das Luxus-Seg­ment für sich erschlies­sen will und besonders gut zu den neuen Geschäfts­modellen paßt, die Fraport anwerben will, weil er gleich auch noch einen eigenen Billig­flieger mitbringt. Blöder­weise baut er auch noch einen eigenen Flughafen, der als Hub-Konkurrenz für den Fernost-Ver­kehr auftreten will ...

Update 23.11.16:

DPA meldet, dass Fraport den Entwurf für die Entgelt­ordnung 2017 bei den Rabatten nochmal nachge­bessert hat. Daraus darf man wohl schliessen, dass die Genehmi­gung tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

Update 01.12.16:

Spät aber doch haben der Frank­furter Ober­bürger­meister Feldmann und der Landrat des Kreises Groß-Gerau und Vorsit­zende der 'Zukunft Rhein-Main', Thomas Will, Minister Al-Wazir aufge­fordert, die Rabatte zum Anlocken neuer Kunden für Fraport nicht zu geneh­migen. Sie verweisen dabei eben­falls darauf, dass "eine Differen­zierung der Entgelte ... nach dem Luft­verkehrs­gesetz lediglich zur Verfol­gung von öffent­lichen oder allge­meinen Inter­essen zulässig" ist und wenden sich, anders als ihr Partei­freund Schäfer-Gümbel, generell gegen Billig­flieger auf FRA.
Zu Ryanair wäre noch zu ergänzen, dass sich deren Chef O'Leary erneut als der Donald unter den Airline-Chefs positio­niert hat, indem er das Gerede des "global warming mob" als 'kompletten Schwindel' ("completely bogus") bezeichnet hat. Möglicher­weise ist er aber auch nur der Einzige in diesem Club, der sich traut, diese Meinung offen auszu­sprechen - schließlich hat er ja keinen guten Ruf mehr zu verlieren.

Update 02.12.16:

Und nun ist es soweit: das Ministerium hat die neue Entgeltordnung in der von Fraport beantragten abgeänderten Form genehmigt. Das Ministerium hebt drei Elemente als wichtig hervor: laute Flugzeuge sollen mehr bezahlen, mit modernen Navigationsgeräten, d.h. GBAS, ausgerüstete Flugzeuge weniger, und für zusätzliche Passagiere gibt es Rabatte. Inwieweit ersteres etwas bringt, läßt sich erst beurteilen, wenn die Details veröffentlicht werden; den alten Vorschlag hatte die Fluglärmkommission als unzureichend kritisiert. GBAS zu fördern, ist sicherlich in Ordnung, auch wenn der Effekt begrenzt bleiben dürfte. Der dritte Punkt bleibt ein Skandal, selbst wenn eine 'Lex Ryanair' abgewendet wurde: Anreize dafür, zusätzlichen Flugverkehr nach FRA zu ziehen, sind unverantwortlich, egal ob sie nun nur neuen oder auch den bisher schon hier aktiven Fluggesellschaften zugute kommen. Entsprechende Kritik wird in der Pressemitteilung des BBI formuliert.




The Dark EU Lord

Diese Dunklen Mächte sind schon länger aktiv, aber derzeit laufen sie zu Hochform auf.

Freihandel - kein Trick zu schmutzig, um die Verträge durchzusetzen

Am 18.Oktober wollen die EU-Mitglieds­staaten einstimmig ihre Zustim­mung zum Freihandels­abkommen mit Kanada beschließen, damit die Kommission es kurz danach bei einem Besuch des kana­dischen Premier­ministers unter­zeichnen kann. Damit das möglich wird, werden zahl­reiche Hürden aus dem Weg geräumt - mit allen Mitteln.

In Deutschland mußte, nachdem Minister Gabriel den Wider­stand in seiner Partei ausge­trickst hat, noch das Bundes­verfassungs­gericht überzeugt werden, jetzt kein weiteres Hindernis aufzubauen. Das ist diese Woche gelungen, die Eil­anträge der diversen Klage-Ini­tiativen, die die Zustimmung des Ministers kommenden Dienstag verhindern sollten, wurden abgelehnt. Zwar war es kein voller Erfolg für die Regierung, denn das Gericht hat die Klagen zur Haupt­verhandlung ange­nommen und Auflagen für die jetzige Zustimmung formuliert, die u.a. Mehr Demo­kratie e.V., Campact und food­watch als großen Erfolg feiern.
Tatsächlich ist völlig unklar, wie die Forde­rungen des Gerichts rechts­sicher erfüllt werden können, und auch die Zusatz­verein­barung, die Gabriel seinen Partei­freunden versprochen hatte, liefert nicht das, was ange­kündigt war. Auch ist der juristische Wider­stand längst nicht überwunden, weil nicht nur die Haupt­verhandlung vor dem Verfassungs­gericht irgendwann im kommenden Jahr droht, sondern es auch noch zahlreiche Initia­tiven in den Bundes­ländern gibt wie z.B. das Volks­begehren in Bayern, das am 14.10. weit mehr als die zur Bean­tragung notwendigen Unter­schriften abgegeben hat. Mit ihnen soll CETA über den Bundesrat gestoppt werden.
Das erste Ziel aber hat die Bundes­regierung erreicht: Deutsch­land wird trotz der breiten Proteste in der Bevölke­rung den Prozess der Unter­zeichnung zunächst nicht aufhalten.

Auch in anderen EU-Ländern wurden vorhandene Wider­stände mit zweifel­haften Mitteln weggeräumt. So hat die Regierung in Frankreich eine Abstimmung in einem Parlaments­ausschuss mani­puliert, um eine Abstimmung im Plenum, für die die Regierungs­mehrheit nicht sicher war, zu verhindern. Auch die SPÖ ist trotz einem eindeutigen 'Nein' in der Mitglieder­befragung umgefallen, und der östereich­ische Bundes­kanzler Kern ist inzwischen voll auf Gabriel-Linie. Lediglich in Belgien gibt es noch Probleme, da zwei Regional­parlamente, auf deren Zustimmung die Zentral­regierung (eigent­lich) angewiesen ist, mit großer Mehrheit CETA abgelehnt haben. Aber auch das wird sich wohl umgehen lassen.
Auch im Europaparlament ist es gelungen, sicherzustellen, dass das Abkommen im nächsten Jahr im Schnellverfahren durchgezogen werden kann. Der nette Herr Trudeau hätte also gar nicht mehr so ungewohnt auf die Pauke hauen müssen.

Auch bei TTIP will die Kommission nicht aufgeben. Zwar mußten die Unter­händler nach der letzten Verhandlungs­runde einge­stehen, dass das Ziel, die Verhand­lungen bis zum Jahresende abzu­schließen, nicht erreicht werden kann, und außerdem hat die Kommission neuer­dings eine kritische Klage am Hals, die sie dazu zwingen könnte, ein weiteres Geheim­dokument zu veröffent­lichen, das den Widerstand noch weiter befeuern könnte. Trotzdem soll nach den Wahlen in den USA weiter verhandelt werden, da die Kommission offen­sichtlich davon ausgeht, dass Clinton gewinnt und im Amt wieder zu ihrer früheren, frei­handels-freund­lichen Position zurück­kehrt.

Und dann sind da noch die Verhand­lungen über TiSA, die bisher relativ ungestört laufen. Zwar hat Green­peace auch hier wichtige Dokumente geleakt, die zeigen, dass auch dieses Abkommen erhebliche Gefahren für unter­schied­lichste Dienst­leistungs­bereiche bringen kann, und aktuell gibt es wohl sogar innerhalb der Kommission einen Konflikt, wie der Daten­schutz in diesem Abkommen gewähr­leistet werden kann, aber im Großen und Ganzen laufen die Verhand­lungen zügig und ohne große öffent­liche Aufmerk­samkeit.
Es sind wohl noch erhebliche zusätz­liche Anstreng­ungen nötig, um der Kommission auch hier den Spaß zu verderben.

Update 17.10.16:

Immerhin haben nun auch die europä­ischen Gewerk­schafts-Dach­verbände auf die TiSA-Leaks reagiert. Wie einer Presse­mittei­lung von UNI Europa, der europä­ischen Sektion des Welt­verbandes der Dienst­leistungs­gewerk­schaften (mit ver.di als Mitglied) zu entnehmen ist, fordern sie den Stop der Verhand­lungen und eine breite öffent­liche Diskus­sion über die Liberali­sierung öffent­licher Dienst­leistungen.
Auf der CETA-Bühne gibt der sozialdemokratische Premierminister der Wallonie derweil weiterhin den Fischer, so dass nun sogar schon darüber spekuliert wird, dass wegen der höheren Dramatik nicht die Handels­minister am Dienstag, sondern erst die Regierungs­chefs am Donners­tag 'grünes Licht' für die Unter­zeich­nung geben könnten.

Update 18.10.16:

Und so kam es denn auch. Die Minister haben die Entscheidung an die Chefs delegiert mit der Ankün­digung, in den nächsten Tagen die Abweichler zur Raison zu bringen. Nach der Tages­ordnung haben sie dafür Zeit bis Freitag Morgen. Am Rande wurde dabei noch bekannt, dass nicht nur die Wallonie, sondern auch Rumänien und Bulgarien noch Probleme mit der Zustimmung haben. Aber das sind auch nicht die starken Player, die sich dem Druck der Großen lange wider­setzen könnten.
Zugleich ist auf der Online-Plattform EurActiv.de ein Artikel zur Proble­matik der Verein­heit­lichung von Standards mithilfe von TTIP und CETA erschienen, von dem man sich fragen muss, warum er nicht schon vor Monaten geschrieben wurde. Auch wenn nichts grund­legend Neues drin steht, gibt er doch noch einmal aus Sicht eines Insiders wieder, warum dieses Problem mit den Verträgen nicht gelöst, sondern viel­leicht sogar noch ver­schärft wird.

Campact 'Stark bleiben, Wallonien'

Einige setzen große Hoffnungen auf die Initiative Walloniens

Update 21.10.16:

Überraschend hat sich Minister­präsident Magnette doch entschieden, lieber den Asterix zu geben und das letzte gallische Wider­stands­nest gegen die Übergriffe der Römer zu vertei­digen - trotz Drohungen der bösen Nachbarn, das Dorf nieder­zubrennen. Die 'Zugeständ­nisse' der EU waren nicht aus­reichend, und auch die kanadische Handels­ministerin gab entnervt auf und fuhr nach Hause. Ob sie nächste Woche mit ihrem Chef wieder­kommen wird, um wie geplant den Vertrag zu unter­zeichnen, ist daher weiter offen. Cäsar Juncker hofft aber weiter, das Dorf einnehmen zu können.
Derweil geht die Kritik an dem Vertrags­entwurf weiter. So zitiert die Frank­furter Rund­schau einen der renommier­testen deutschen Arbeits­rechtler anläßlich der Vorstel­lung eines Gutach­tens über "Auswir­kungen bisheriger Handels- und Investitions­schutz­abkommen und CETA auf Arbeit­nehmer­rechte und soziale Standards" mit der Einschät­zung zu den Sozial­klauseln in CETA: "Werden sie beachtet, so ist es schön. Werden sie nicht beachtet, macht dies auch nichts". Deshalb fordert der IG Metall-Vor­sitzende Hofmann (der vor ein paar Wochen noch Gabriel geholfen hat, die Zustimmung zu CETA in der SPD durch­zusetzen), "weitere Nach­besse­rungen beim Freihandels­abkommen CETA". Er könnte von seinen wallonischen Genossen lernen, was man tun sollte, wenn man so etwas wirklich durch­setzen will.
Grund­sätzlich muss man sich aber fragen, wie es sein kann, dass ein sieben Jahre lang verhan­deltes Abkommen nun in wenigen Tagen mit stünd­lich neuen Ergän­zungen, Erklä­rungen, Zusatz­vereinba­rungen und Inter­preta­tionen, die kaum gründ­lich geprüft werden können, zustimmungs­fähig gemacht werden soll. Die Befürchtung, dass es dabei nur um Schönheitskorrekturen handelt, die die grundlegenden Probleme gar nicht berühren, ist wohl nur zu berechtigt. Warum und wie der Widerstand dagegen hierzu­lande weiter­gehen wird, kann man dem neuesten Attac-News­letter entnehmen.

Update 29.10.16:

Nun also doch. Zwar mußte der für Donnerstag geplante Gipfel zur Unter­zeichnung des CETA-Ab­kommens abgesagt werden, aber noch am gleichen Tag haben sich die Vertreter der franzö­sisch-spra­chigen belgischen Regionen mit der belgischen Regierung auf ein knapp 4-seitiges Papier geeinigt, dessen Annahme es der Regierung erlaubt, der Unter­zeichnung des CETA-Vertrages zuzu­stimmen. Die anderen EU-Re­gierungen haben dieses Papier ohne Diskussion akzeptiert, die belgischen Regional­parla­mente haben am Freitag zugestimmt. Damit steht einer Unter­zeichnung des Vertrags schon am Sonntag nichts mehr im Weg. Hat das gallische Dorf kapituliert?
Nicht unbedingt. So wie Asterix und Obelix bei ihren Tripps durch Europa überall auf Sympathie für ihren Widerstand gegen die römische Herrschaft stoßen, aber dennoch keine europä­ische Widerstands­bewegung zum Sturz Caesars anführen, so haben auch die Vertreter der Wallonie keinen grundsätz­lichen Widerstand gegen CETA geleistet, sondern ihre spezifischen Interessen verteidigt. Wie erfolgreich sie damit waren und inwieweit alle davon profi­tieren können, bleibt abzuwarten. Das Papier ist noch nicht öffentlich verfügbar, aber zwei Punkte daraus sind bekannt: Belgien wird vom Europä­ischen Gerichts­hof prüfen lassen, ob das in CETA vorgesehene 'Investi­tions-Schieds­gericht' mit Europarecht vereinbar ist, und die Wallonie hat sich Ausstiegs­rechte gesichert, falls CETA ihrer Wirtschaft schadet. Was daraus folgt und inwieweit das auch für Kanada verbindlich sein kann, wenn am Vertrags­text keine Änderungen vorgenommen werden, wird sich wohl erst in einiger Zeit heraus­stellen. Der BUND jedenfalls ist der Wallonie für ihren Wider­stand dankbar, und die Initiative 'Stopp TTIP' glaubt, dass sie damit einen wichtigen Sieg unserer Bewegung gegen CETA und TTIP erreicht haben.
Auf der anderen Seite ist die EU-Kom­mission in Jubel­stimmung und glaubt, dass sie nun auch noch TTIP durch­setzen kann. Es bleibt spannend.

Update 01.11.16:

Im Nachgang zur Unter­zeichnung des Abkommens am 30.10. sind abschließend noch einige Entwick­lungen nachzu­tragen. Die EU-Kommission reagierte heftig auf den Vorwurf, die Wallonie unter Druck gesetzt zu haben, damit sie ihren Wider­stand aufgibt. Kommissions­präsident Juncker keilte verbal dermaßen zurück, dass ein belgischer Kommen­tator vermutete, er müsse dabei wohl besoffen gewesen sein. Der deutsche EU-Kom­missar Oettinger enthüllte (neben anderen Ungeheuer­lichkeiten), die Wallonie sei eine "Mikro­region", die von "Kommunisten" regiert werde, die sich perfider Weise als Sozial- und Christ-Demo­kraten tarnen. Von dem weiß man aber, dass er für sowas gar keinen Alkohol braucht. Er bewirbt sich gerade mit rassis­tischen, sexis­tischen und homo­phoben Sprüchen um den freige­wordenen Posten eines Kommis­sions-Vize­präsidenten und Handels­kommissars und hat gute Chancen. Aller­dings hat ihm Kanzlerin Merkel ihr "vollstes Vertrauen" ausge­sprochen, und das hat schon andere Politi­ker-Kar­rieren beendet.
Auch die Bundes­regierung sieht den CETA-Erfolg als Tür­öffner für TTIP, aber während Sigmar Was-kümmert-mich-mein-Dumm­geschwätz-von-Gestern Gabriel dafür auf Hillary Clinton setzt, möchten Merkel und Obama noch während dessen Abschieds­reise durch Europa Fakten schaffen. Grüne spekulieren derweil darüber, CETA im Bundesrat zu stoppen, aber ob sie dazu Gelegen­heit haben werden, ist völlig unklar. Erstens ist noch nicht ent­schieden, ob der Bundesrat wirklich zustimmen muss (und die Grünen könnten eine Zustimmung blockieren, aber keine Mehrheit für einen Einspruch zustande bringen), und zweitens hat sich ihre Kretsch­mann-Fraktion noch nicht geäussert, ob sie eine Ablehnung von CETA durch­setzen würde.
Die zusammen mit anderen vor dem Bundes­verfassungs­gericht gegen CETA klagende Organi­sation foodwatch schätzt die Unter­zeichnung des Abkommens zwar als Niederlage ein, hat aber auch schon juris­tische Maß­nahmen einge­leitet, um die vorläufige Anwendung zu stoppen.

Update 23.11.16:

Eine parlamentarische Hürde hat CETA inzwischen praktisch schon genommen. Wie drei Abgeordnete des Europa­parlaments in einem Meinungs­beitrag schreiben, haben die Führungs­gremien der EU in einem "undemo­kratischen und noch nie dage­wesenen Eingriff in die Arbeit der Parlaments­ausschüsse" diese daran gehindert, eine fundierte Behandlung des Abkommens vorzu­nehmen und daraus resul­tierende Stellung­nahmen in das Gesamt­parlament einzu­bringen. Letzteres hat seiner Selbst­entmachtung in dieser Frage bereits zugestimmt, indem es ein Schnell­verfahren beschlossen hat, in dem das Abkommen ohne Diskussion der Vielzahl der Einwände bereits am 14.Dezember durch­gewunken werden soll. Ausserdem hat es abgelehnt, das Abkommen vom Europä­ischen Gerichts­hof überprüfen zu lassen. Interessant ist, das die drei Abgeordneten, die dieses Verfahren so heftig kriti­sieren, aus drei Parteien kommen (Sozial­demokraten, Grüne und Linke), die zusammen dieses Vorgehen blockieren könnten - wenn nicht ein Großteil der sozial­demokra­tischen Fraktion, unter Führung des SPDlers Martin Schulz, es unter­stützen würde.
Derweil hat Donald Trump für sein Programm der ersten 100 Tage angekündigt, dass er den bereits beschlos­senen 'Freihandels­vertrag' TTP mit elf weiteren Pazifik-An­rainer­staaten aufkün­digen wird, woraus die große Mehrheit der Kommen­tatoren schließt, dass es mit TTIP unter seiner Präsident­schaft auch nichts wird. Nahezu alle TTIP-Gegner in Europa (und viele aus den USA) wehren sich aber vehement dagegen, daraus irgend­welche Gemeinsam­keiten mit Trump abzuleiten - ihre Kritik kommt aus der entgegen­gesetzten Richtung.




EU-Infografik Teilnahme MBM

Die EU-Kommission jubelt: fast 1/3 aller Staaten nehmen schon ab 2021 an CORSIA teil !

Klimaschutz - große Worte, nichts dahinter ?

In diesem Herbst feiert die inter­nationale Staaten­gemein­schaft zwei Durch­brüche im Bereich Klima­schutz. Zum einen kann das Pariser Abkom­men, das ambitio­nierte Ziele für die Begren­zung des globalen Tempe­ratur­anstiegs setzt, nach einem rekord­verdächtig kurzen Zeitraum von weniger als 11 Monaten in Kraft treten, zum anderen hat sich die Zivil­luftfahrt­organi­sation ICAO auf ihrer Jahres­tagung in Montreal auf die Rahmen­beding­ungen für ein Abkom­men geeinigt, das die Emis­sionen der inter­natio­nalen Luftfahrt, die vom Pariser Abkom­men nicht erfaßt werden, begrenzen soll. Ist die Mensch­heit damit auf dem richtigen Weg?
Bei genauerem Hinsehen haben die beiden Abkommen zwei Dinge gemeinsam: gefeiert wird bei beiden haupt­sächlich, dass sie über­haupt zustande gekommen sind, und von beiden ist sicher, dass sie in ihrer jetzigen Form die gesteckten Ziele nicht erreichen werden.

Für das Pariser Abkommen war schon bei Abschluss klar, dass die vorge­legten Selbst­verpflich­tungen der Staaten zur Treibhaus­gas-Reduk­tion den Tempera­tur-An­stieg nicht auf "deutlich unter 2 Grad Celsius" beschränken würden, sondern besten­falls auf um die 3 Grad. In den Monaten danach hat sich aller­dings zusätz­lich noch sehr schnell heraus­gestellt, dass kaum ein Staat, insbe­sondere nicht die großen Emitten­den, daran denkt, diese Verpflich­tungen mit der notwen­digen Geschwin­digkeit und Konse­quenz umzusetzen. Auch Deutsch­land bleibt seiner Linie treu, große Ziele anzu­kündigen, wird sie aber, ebenso wie die EU insgesamt, mit großer Wahr­schein­lich­keit verfehlen.

Grafik Offset-Kosten

Kein Wunder, dass die Luftfahrtindustrie den ICAO-Beschluss feiert ...

Der ICAO-Beschluss zur Einführung eines "markt-ba­sierten Mecha­nismus" namens CORSIA ("Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation") wird zwar offiziell über­wiegend begrüßt, aber alle wissen natür­lich, welche gravie­renden Mängel dieses System hat. Über die bereits beschrie­benen Defizite hinaus wurde auch noch der Bezug auf die Ziele des Pariser Abkommens zur Begren­zung des Tempera­turan­stiegs aus den Zielen dieses Systems gestrichen. Die tauchen jetzt nur noch im Rahmen der mög­lichen Weiter­entwick­lungen des Systems durch die alle drei Jahre fälligen 'Reviews' auf - nach den wichti­geren Zielen der Kosten­begren­zung und der unge­störten Markt­entwick­lung.
Das die 'Kosten-Effi­zienz' ein wesent­licher Grund ist, warum die Luftfahrt-In­dustrie dieses System unter­stützt, erklärt ein unab­hängiger Experte des ICCT in diesem Blog.

Auch die groß heraus gestellte Aussage, dass mit der Zusage von 65 Staaten zur Teil­nahme an den ersten beiden frei­willigen Phasen (von 2021 bis 2027) 80% des Emis­sions-Wachs­tums kompen­siert werden würden, ist noch mit großen Frage­zeichen zu versehen. In der Liste wurden einfach alle Staaten aufge­führt, die sich positiv zu dem System bekannt haben, auch wenn sie nicht explizit ihre Teilnahme von Anfang an erklärt haben. Eine entspre­chende Umfrage wird ICAO erst in den nächsten Monaten durch­führen, und wirklich verbind­liche Erklä­rungen müssen erst 2020 vorgelegt werden.

Der ICAO-Beschluss begrenzt die Einsatz­dauer von CORSIA zunächst bis 2035, da dann "techno­logische Maß­nahmen" dazu führen sollen, dass die CO2-Emis­sionen des Luf­tverkehrs real sinken. Neuere Unter­suchungen zeigen aller­dings, dass das Wunsch­träume sind. ICAO selbst hat gezeigt, dass für die Bereit­stellung von entspre­chenden Mengen von Biosprit bereits heute erheb­liche Investi­tionen notwendig wären, die weit und breit nicht in Sicht sind und ökolo­gisch auch kata­strophal wären.
Unter­suchungen von ICCT zu möglichen Verbes­serungen der Treib­stoff-Effi­zienz haben ergeben, dass auch hier die notwen­digen Fort­schritte nur möglich sind, wenn Airlines und Staaten über das bisher geplante hinaus wesent­lich inves­tieren würden, was eben­falls nicht absehbar ist.

Die EU hätte nun allen Grund, mit Hinweis auf die Schwächen des ICAO-Be­schlusses ihren 'Stop-the-clock'-Be­schluß auslaufen zu lassen und inter­natio­nale Flüge von und nach ihren Mitglieds­staaten wieder in ihr Emissions­handels­system ETS einzu­beziehen. Ob das passieren wird, bleibt aller­dings vorläufig offen: die EU-Kom­mission hat die Entschei­dung darüber bis irgend­wann im nächsten Jahr verschoben. Zwar endet die Aus­setzung automa­tisch am 31.12.2016, aber die Flug­gesell­schaften, die damit wieder verpflichtet werden, müssen die Emissions­zertifi­kate für 2017 erst im ersten Quartal 2018 vorlegen - und bis dahin kann man sich ja Zeit lassen, zu ent­scheiden, ob das wirklich notwendig ist.
Fragt sich wirklich noch jemand, warum keiner mehr diese Art von Politik ernst nimmt?

Und während die Staaten-Lenker in ihrem Paral­lel-Uni­versum vom Klima­schutz reden, schreitet der Klima­wandel in der realen Welt weiter voran. Jüngstes Indiz ist die Tatsache, dass der CO2-Gehalt der globalen Atmo­sphäre nun dauer­haft über 400 ppm liegt - ein symbo­lischer Wert, der vor 40 Jahren, als der Klima­wandel in akade­mischen Kreisen zum Thema wurde, als Kata­strophen-Indiz galt. Wissen­schaftler wie James Hanson, die die Entwick­lung seit damals mitge­staltet haben, gehen heute davon aus, dass nur noch negative Emis­sionen eine Klima-Kata­strophe verhindern können. Wenn die herr­schenden Eliten nicht in die reale Welt zurück geholt werden, wird es dazu nicht kommen. Die Abkommen von Paris und Montreal werden nur dann zu wirk­lichen Fort­schritten, wenn die hehren Ziele auch mit den adäquaten Instru­menten verfolgt werden. Die kommen aber nur zum Einsatz, wenn die Zivil­gesell­schaft das erzwingt.

Update 14.10.16:

Die Beiträge entstehen derzeit unter Zeitdruck, deswegen geht hin und wieder etwas verloren, was eigent­lich direkt hinein gehört hätte. So hat das Bündnis der Bürger­initia­tiven eben­falls in einer Presse­mittei­lung auf die Unzuläng­lichkeit dieses Beschlusses hinge­wiesen.
Ausserdem war der oben eingefügte interne Link zur EU-Klima­politik eine Erinne­rung, mal nachzu­sehen, ob unsere Aktion zur Teilnahme an der EU-Kon­sulta­tion Wirkungen gehabt hat. Die EU-Kom­mission hat es zwar auch nach 4 Monaten noch nicht geschafft, ein Ergebnis der Konsul­tation zu erar­beiten, aber immerhin sind jetzt PDF-Dokumente mit den einge­gangenen Ant­worten verfügbar. Der Beitrag der BIFR ist bei den regis­trierten Organi­sationen als Nr.32 (S.47) aufgeführt, und man sieht dort sowie bei den nicht regis­trierten Orga­nisatio­nen und den anonymen Bei­trägen, dass er in etlichen Fällen Anre­gungen geliefert hat. Immer­hin.




Seitenwind-Landung

Das ist nicht das offizielle Logo für die 50-Jahr-Feier der FLK ...

Foto Räumung Baugelände

Am 5./6. Oktober 1981 begann die brutale
Räumung des Baugeländes für die 18 West

Jahrestage

In der Geschichte des Kampfes gegen Fluglärm und des Wider­stands gegen den Flughafen­ausbau gibt es häufig mehr oder weniger 'runde' Jahres­tage, wenige zu feiern, viele zu erinnern. Der Okto­ber ist besonders voll davon, und dieses Jahr gibt es sogar einen, der eine eigene Feier­stunde in Wies­baden bekommen hat: die Fluglärm­kommission wurde am 4. Oktober 50 Jahre alt. In einer Presse­mittei­lung gibt die FLK einen kurzen Überblick über ihr bishe­riges Wirken. Interes­santer ist aber noch die Broschüre, die sie zu ihrer Geschichte heraus­gegeben hat und die eine Vielzahl von Details enthält.

Für Ausbau­gegner ist der 5. Oktober als der Tag in Erinne­rung, an dem 1981, also vor 35 Jahren, mit der Räumung des sog. '7-Hek­tar-Ge­ländes' und dem 'Blut­sonntag' die Phase härtes­ter Polizei­gewalt rund um das Bauge­lände für die Start­bahn 18 West begann. Zu feiern gibt es da nichts, wohl aber zu erinnern, dass damals die wirtschaft­lichen Inter­essen des Flughafen­betreibers, getarnt als 'öffent­liches Inter­esse', mit Brachial­gewalt gegen breitesten Wider­stand in der lokalen Bevöl­kerung durch­gesetzt wurden.

5 Jahre Mediationsnacht

... und für 5 Jahre Nachtflugverbot gab es gar keine Feier.

5 Jahre Nordwestbahn

Am 21. Oktober 2011 feierte diese Fünfer-Bande die Eröffnung der Landebahn Nordwest

Im Oktober 2011 gab es dann gleich zwei Ereig­nisse, an die zu erinnern ist: einer­seits ist am 10. Oktober als Ergebnis eines hart­näckigen Wider­stands von Bevölke­rung und Kommu­nen und gegen den Willen der Landes­regie­rung das 'Media­tions-Nacht­flug­verbot' in Kraft getreten, dass wenig­stens fünf, manch­mal sogar sechs Stunden Nacht­ruhe für die Flughafen­anwohner sichert. Das ist sicher­lich ein Grund zum Feiern, wenn schon nicht für die Landes­regierung, dann doch für die Betrof­fenen.
Anderer­seits ist am 21. Oktober die Lande­bahn Nord­west in Betrieb gegangen und damit ein Ausbau­schritt voll­zogen worden, der nach dem Willen der Fraport die Kapa­zität des Flug­hafens nahezu verdop­peln soll und dafür die Region noch groß­flächiger verlärmt. Der Wider­stand gegen diesen Schritt war im Vorfeld weitaus weniger breit als der gegen die Start­bahn West und hatte einen anderen Charak­ter, gewalt­tätige Auseinan­derset­zungen sind weit­gehend ausge­blieben. Dafür sind die schäd­lichen Wirkungen des weiteren Wachs­tums des Flug­verkehrs, von den gesund­heit­lichen Schäden durch Lärm und Abgase bis zu den Klima­wirkungen, heute weitaus besser dokumen­tiert. Geholfen hat es aller­dings genau so wenig.

Was läßt sich daraus lernen? Durch die Arbeit in Insti­tutio­nen wie der Flug­lärm­kommis­sion und durch den hart­näckigen öffent­lichen Wider­stand sind kleine Erfolge möglich und die eine oder andere Verbes­serung erreich­bar, aber von einer grund­sätz­liche Kurs­änderung hin zu einer Politik, die nicht mehr das Wirt­schafts­wachstum vergöt­tert (und zur Not durch­prügelt), sondern Gesund­heit und Lebens­qualität der Menschen und die Erhal­tung der Umwelt in den Mittel­punkt stellt, sind wir nach wie vor meilen­weit entfernt. Das ist nicht besonders ermuti­gend, aber auch kein Grund, den Wider­stand aufzu­geben: ohne ihn würde es mit Sicher­heit deut­lich schlim­mer.




Seitenwind-Landung

Manchmal verlaufen Landungen etwas schräg ...

Neue Anflugverfahren - wo wirken sie?

Vom 26.-28.09. hat die DLR am Frankfurter Flughafen ein neues Anflug­verfahren getestet. Zum Einsatz kam dabei ein Piloten-Assis­tenz­system, das es ermöglichen soll, "die optimalen Zeit­punkte zum Ausfahren der Klappen und des Fahrwerks so zu wählen, dass ein möglichst großer Teil der Lande­phase komplett im besonders leisen und treibstoff­sparenden Leerlauf statt­finden kann".
Wie man hört, wurden 70 Anflüge durchgeführt, die Auswertung der Lärm­messungen soll im November vorliegen. Das wichtigste Ergebnis aber nach einem Bericht der FNP: "Eine exaktere Punkt­landung sei so möglich, dazu kämen die Einspa­rungen beim Kerosin: 8 bis 10 Kilogramm pro Flugzeug und Anflug seien realistisch."

Sollte in Raunheim jemand geglaubt haben, den Effekt hören zu können, hätte er sich aus mehreren Gründen getäuscht. Zwar herrschte während etwa der Hälfte der Zeit Ostwind, so dass aus Westen angeflogen wurde, aber die Test-Anflüge fanden vorwiegend auf der Nordwest­bahn statt (weil es davor in den interes­sieren­den Bereichen mehr offizielle Lärm-Meß­stationen gibt). Und außerdem wußte nicht nur die Main-Spitze schon vorher, dass es damit grundsätz­lich nichts werden kann. Das System "funktio­niert nur bis zu einer Höhe von 1.000 Fuß (etwa 350 Meter) und schließt damit die beiden am meisten vom Fluglärm im Lande­betrieb betroffenen Städte Flörsheim und Raunheim aus".

Über die Hinter­gründe dieses und eines zweiten laufenden Forschungs­projekt hatten wir schon im letzten Jahr bei deren Vorstellung berichtet, insbe­sondere auch darüber, dass es sich keines­falls um revolu­tionär neue Schallschutz-Me­thoden handelt, sondern um die Anpassung längst bekannter Methoden an die sehr speziellen Bedingungen des völlig über­füllten Frank­furter Luftraums - und darüber, dass dafür auch noch der Steuer­zahler aufkommen muss.
Ob es tatsächlich wenigstens ein bißchen weniger Lärm bringt, und wenn ja, für wen, bleibt abzuwarten. Die Frage ist aber, ob die Auswer­tungen genau genug sein können, um wirklich alle Folgen zu erfassen. Denkbar wäre, dass die Betei­ligten trium­phierend verkünden, dass es bei Mainz leiser werden kann, aber dabei übergehen, dass es irgendwo weiter östlich (d.h. vor Flörsheim und Raunheim) auch lauter wird, weil dann näher am Flughafen und damit tiefer als bisher Klappen und Fahrwerk ausgefahren und Korrektur­schub gesetzt wird. Diejenigen, über deren Köpfen das dann passiert, hätten wieder mal Pech.




Abflugrouten

Eine beruhigende Korrektur, aber war das wirklich nur Schlamperei?

Keine offizielle Abflugroute über Raunheim

In der Sitzung der Fluglärm­kommission am 28.09.16 hat die DFS nochmals präsentiert, wie die Para­meter für die Südum­fliegung geändert werden sollen, um eine exaktere Einhaltung der Route zu gewähr­leisten und zugleich die Kollisions­sicherheit zu erhöhen. Zu Letzterem gab es eine genauere Beschrei­bung für die Fest­legung des "Wegpunkt" ADEVO. Die hatte uns in der vorher­gehenden Sitzung erheblich beunruhigt, da sie eine gerade Linie direkt über Raunheim enthielt, die auch noch mit dem Kürzel einer Abflugroute bezeichnet war. Die neue Version hat das korrigiert: die Abflugrouten, zwischen denen Kollisionen zu vermeiden sind, sind die alten und führen um Raunheim herum.

Das ist zunächst einmal sehr beruhigend und bestätigt die Aussage der Fluglärm­schutzbeauf­tragten, wonach die erste Darstellung ein Versehen war und keine neue Abflugroute über Raunheim geplant ist. Zwei Fragen bleiben aber dennoch.
Die erste ist: wie kann es sein, dass ein DFS-Vertreter in der Fluglärm­kommission eine Grafik präsentiert, die eine Linie darstellt und einen Punkt prominent markiert, die beide mit dem darzu­stellenden Sach­verhalt absolut nichts zu tun haben? Hat der Mann wirklich nur einfach nicht ver­stan­den, worum es geht, oder sind da Sachver­halte in die Darstellung gerutscht, die in anderen Zusammen­hängen eine Rolle spielen? Im Inter­esse der Flugsicher­heit kann man jeden­falls nur hoffen, dass die DFS ihre Arbeits­unterlagen sorgfäl­tiger ausarbeitet als ihre Präsenta­tionen.
Die zweite Frage ist aber noch wichtiger: wenn es keine direkte Flugroute über Raunheim gibt und geben soll, warum wird da geflogen? Es ist inzwischen fast drei Monate her, dass wir der Fluglärm­schutzbeauf­tragten eine Dokumentation von Direkt­abflügen über Raunheim über­mittelt hatten mit der Bitte, die Fälle zu prüfen und uns die Gründe für dieses Vorgehen zu nennen. Eine Antwort liegt bisher nicht vor, statt dessen wird die Praxis weiter angewandt und es kommt immer wieder zu Abflügen in Ost-West-Rich­tung über Raunheim, die weder Durch­starter noch Propeller-Maschinen sind (die beide offiziell so fliegen dürfen).

Auch die zweite Merkwür­digkeit, die wir in unserer Dokumen­tation angesprochen hatten, tritt weiter auf, ohne dass es eine offizielle Erklärung dafür gibt: die "verkürzten Südum­fliegungen", bei denen Maschinen wesentlich früher als geplant abdrehen und irgendwo über Rüssels­heim nach Norden fliegen. Selbst die DFS zeigt in ihrer o.g. Präsen­tation eine Grafik, in der, vermut­lich unbeab­sichtigt, solche Flüge dokumen­tiert sind.

Offensichtlich ist es wohl immer noch so, dass die Verantwortlichen davon ausgehen, dass die blöde Bevölkerung nicht mitzureden hat bei dem, was über ihren Köpfen vorgeht, und froh sein soll, wenn hin und wieder ein paar Informations-Bröckchen verteilt werden. Rechtfertigen zu müssen, warum wann von den öffentlich verkündeten Regeln abgewichen wird, erscheint als unerträgliche Zumutung.
Obrigkeitsstaatlich geprägtes Denken und elitäres Bewußtsein, das davon ausgeht, dass das gemeine Volk die komplexen Prozesse, die da ablaufen, sowieso nicht versteht, tragen sicher zu solchem Verhalten bei. Dass das mit der so oft beschworenen "guten Nachbarschaft" nichts zu tun hat und die Akzeptanz für den Flugverkehr und die damit verbundenen Belastungen darunter massiv leiden, wird dann gerne verdrängt.
Wir lassen uns aber davon nicht abschrecken und werden weiter auf Antworten drängen, auch wenn das sehr viel Geduld erfordert.




Grenz-Kasper Al-Wazir

Nach Wirbelschleppen-Wichtel, Lärmpausen-Clown und Entgelt-Komiker eine neue Rolle für Staatsschauspieler Al-Wazir - wie auf den Leib geschneidert.

Vom Pausenclown zum Grenzkasper - Tarek hat fertig

Am 27.09. war es endlich soweit: Minister Al-Wazir hatte zur Presse­konferenz nach Wiesbaden einge­laden, um sein lange ange­kündig­tes, inzwischen schon etliche Monate über­fälliges Modell für eine Lärm­ober­grenze am Flughafen Frankfurt vorzu­stellen. Das wäre dann die letzte der Lärm­schutz-Maß­nahmen, die die schwarz-grüne Koali­tion für diese Legis­latur­periode ange­kündigt hatte - von Lärmschutz kann man allerdings auch dabei nicht reden.

Im Gegenteil ist das vorge­stellte Modell noch schlimmer als erwartet. Wie man in der Presse­mittei­lung des Ministe­riums nachlesen kann, "sieht das Modell vor, die Gebiete mit hoher Fluglärm­belastung (55 dB(A) und mehr) sowie mit der höchsten Fluglärm­belastung (60 dB(A) und mehr) zu begrenzen" - die flächen­mäßige Ausdeh­nung dieser Gebiete wohlge­merkt, nicht etwa den dort herrschenden Lärm. Und obwohl die Karten, die das Ministe­rium in einer Präsen­tation für die Presse gezeigt hat, nur sehr grob sind, sieht man dort schon, wo die Belastung noch wachsen wird.

Die negativen Konsequenzen dieses Ansatzes sind offenkundig:

Neben diesem völlig falschen Grund­ansatz hat das Modell noch eine ganze Reihe anderer gravie­render Mängel:

Die Liste liesse sich fortsetzen.

Und obwohl dieser Vorschlag vermut­lich das schwächste denkbare Modell für eine Lärm­obergrenze darstellt, sieht sich Fraport zu Wider­spruch veranlasst. In deren Presse­mittei­lung heißt es:
"Soweit der Vorschlag derzeit bekannt ist, ist er aus unserer Sicht nicht akzeptabel ... . Eine Lärm­obergrenze darf die Ausbau­ziele nicht konter­karieren."
Aber selbstverständlich ist man gesprächsbereit.

Auch die Fluglärm­kommission hat sich schon zu Wort gemeldet. Wie üblich traut sie sich nicht, ihrem Auftrag­geber deutlich die Meinung zu sagen, aber bei genauem Lesen ihrer Presse­meldung merkt man doch, wie schwer es ihr gefallen sein muss, wenigstens zwei Forde­rungen aus ihrem Katalog zu finden, die dieses Konzept erfüllt. Bei allen anderen müßte das Urteil eindeutig lauten "Durch­gefallen", aber das war bei den Lärmpausen auch schon so, und die wurden letzt­endlich trotzdem abgesegnet.

Wenn man das Schallschutz-Theater dieser Landes­regierung schliessen will, darf man sich nicht auf die Institu­tionen verlassen. Der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Ruhe muss sich in deutlich spürbaren Manife­stationen bemerkbar machen, wenn er nicht weiter ignoriert werden soll.
Die nächste Gelegenheit dazu ist die Demo anläßlich des 5. Jahres­tages des letzten großen Ausbau­schrittes - der Eröffnung der Nordwest­bahn.

Update 28.09.16:

Die Vorstellung des Modells hat erwartungs­gemäß zahl­reiche Reak­tionen in der Öffent­lichkeit ausgelöst. Einiges davon enthält die ZRM-Über­sicht, die weiter aktuali­siert werden soll.
Im Gegensatz zu den anderen Frank­furter Zeitungen hat die FAZ nur einen kurzen Kommentar veröffent­lich, dem aber eine verbes­serte Version der Grafik voran­gestellt, die die räum­lichen Auswir­kungen der vorgeschla­genen Grenze verdeut­lichen soll.

Auch die obige Stellung­nahme hat eine heftig ablehnende Reaktion hervor­gerufen. Das wird beim nächsten BIFR-Treffen am 06.10. zu disku­tieren sein.

Update 07.10.16:

Tatsächlich gab es beim BIFR-Treffen am 06.10. eine lebhafte Diskussion, in der neben der oben beschrie­benen ableh­nenden Haltung auch posi­tivere Einschät­zungen vertreten wurden, von der Position, dass dieses Modell die Chance für einen Einstieg in die (Deutsch­land-weite) Einführung von Lärm­ober­grenzen sei, die gegen die Angriffe der Luft­fahrt­industrie vertei­digt werden müsse, bis zu der Position, dass von dem Modell wohl nicht viel zu erwarten sei, der Versuch einer Einfüh­rung aber auch keinen großen Schaden anrichten könne. Die Diskus­sion soll fort­gesetzt werden, wenn weitere Details bekannt sind.
Um der FAZ hier nicht unrecht zu tun, sei auch erwähnt, dass am nächsten Tag noch zwei längere Artikel zum Thema erschienen sind mit Reaktionen aus der Politik und aus der Luft­verkehrs­wirtschaft. Für eine kritische Hinter­grund-Re­cherche hat die Zeit aber wohl trotzdem nicht gereicht.

Auch der BUND hat inzwischen mit einer Presse­mittei­lung zu dem Modell Stellung genommen und fordert mehr Rechts­verbind­lichkeit und schärfere Sanktions­maßnahmen, falls die Ober­grenze über­schritten wird. Ansonsten "behält [er] sich ausdrück­lich eine abschließende Bewertung bis zur Klärung aller offenen fachlichen und recht­lichen Fragen vor".

Update 10.10.16:

Wie das Rüssels­heimer Echo berichtet, wurde das Modell der Lärmober­grenze bei einer Versammlung der SPD Raunheim nicht nur sehr positiv darge­stellt, sondern auch die These vertreten, es werde "faktisch dazu beitragen, dass es perspek­tivisch in Raunheim sogar leiser wird".
Für die SPD ist sowas nicht unge­wöhnlich. Schon Willy Brandt hatte vor fast 45 Jahren eine Wahl­kampf-Hel­ferin, deren bekannteste Botschaft schon die Grundüber­zeugung beschreibt, die man braucht, um solche Thesen vertreten zu können. Und auch wenn von Willy Brandts Politik bei der SPD fast nichts mehr zu finden ist - das gilt immer noch.

Update 14.10.16:

Nun haben auch die die Landes­regierung tragenden Parteien CDU und Grüne ihre Position zu dem Modell in einem Antrag im Landtag ausformu­liert und, wenig über­raschend, finden es toll. Die Frank­furter Rund­schau konstatiert in ihrem Bericht über die Landtags­debatte "keine große Zustimmung", verweist dabei aber haupt­sächlich auf die Kritik von Unter­nehmer­verbänden, die die FDP vortragen durfte, und das Herum­geeiere der SPD, die einer­seits eine "verbind­lich und rechtlich umsetzbare" Lärmober­grenze haben möchte, mit der der Flughafen aber anderer­seits "die geplante Expansion verwirk­lichen" können soll. Was das konkret heissen könnte, bleibt aber ihr Geheimnis.
Der Minister hat sein Verhandlungs­angebot an die 'Luftverkehrs­seite' nochmal in einer Presse­mittei­lung beschrieben, in der er auch darauf hinweist, dass ohne eine Lärmober­grenze die Lärmbe­lastung laut Planfest­stellungs­beschluss noch um 1,8dB(A) steigen dürfte; sein Modell aber den möglichen Zuwachs auf ca. 20% dieses Werts begrenzt und damit 1,8dB(A) unter dem PFB-Wert bleibt. Versteht etwa jemand die Mathe­matik hinter dieser Aussage nicht?




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Nicht unbedingt das wichtigste politische Gremium in der Region, aber manchmal lohnt sich ein Besuch.

Ultrafeinstaub-Messungen in Raunheim:
das HLNUG informiert - ein bißchen, irgendwann.

Nachdem die Ultrafein­staub-Mes­sungen in Raunheim nun schon ein Jahr lang laufen, war es für das HLNUG auch langsam Zeit, sich dazu zu äussern. Gelegen­heit dazu hatte Herr Jacobi in der Sitzung des Regional­ausschuss des Kreis­tags Gross-Gerau, wo er zusammen mit Herrn Wirtz vom UBA und Wolfgang Schwämm­lein vom BBI-Arbeits­kreis referierte.
Viel mehr, als in der Antwort der Hessi­schen Landes­regierung auf eine Kleine Anfrage der Linken zu dem Thema steht, hatte er aller­dings auch da nicht zu sagen. Auf die zusätz­lichen Details kann man erst dann vernünftig ein­gehen, wenn seine Vortrags­folien vom Veran­stalter veröffent­licht werden können (was erfahrungs­gemäß dauern kann). Im Kern hat er mit vielen Grafiken gezeigt, dass die gemes­sene UFP-Anzahl­konzentration deutlicher von der Wind­richtung abhängt als die Konzen­tration anderer Schad­stoffe und stärker auf den Flughafen als Quelle hinweist, aber eine Korre­lation zur Zahl der Überflüge konnte oder wollte er nicht herstellen. Zwar hat er auch versprochen, weitere Auswer­tungen vorzu­nehmen und die Daten zu veröffent­lichen, aber was genau er veröffent­lichen wird und wann das soweit sein wird, blieb im Dunkeln. Kate­gorisch abgelehnt hat er aller­dings die Auffor­derung, die Daten jetzt schon so detail­liert zu veröffent­lichen, dass Andere diese Auswer­tungen vor­nehmen können. Es ist also wohl nicht nur eine Frage der verfüg­baren Kapazi­täten.
Immerhin hat er bestätigt, dass das Land Hessen die Messungen in Raunheim weiter­führen und sogar noch ausbauen wird, indem künftig nicht nur die Partikel­anzahl insgesamt, sondern auch die Vertei­lung auf die einzelnen Größen­klassen gemessen werden soll. Ein Schritt in die richtige Richtung - aber noch lange nicht alles, was nötig ist. Auch die chemische Zusammen­setzung der Teilchen wäre ein wichtiger Para­meter, der gemessen werden müßte, wenn man zu brauch­baren Aussagen über mögliche Quellen und Wirkungen dieser spezi­fischen Schad­stoff-Belast­ung kommen will.

Von Herrn Wirtz gab es auch nur wenige Neuig­keiten. Er bestätigte, dass das geplante Forschungs­projekt des UBA am Flughafen Frankfurt durch­geführt wird, betonte aller­dings auch, dass es primär um die Entwick­lung eines Modells für die Ausbrei­tung des Ultra­feinstaubs von der Quelle Flughafen aus geht und das UBA keine zusätzlichen eigenen Mess­einrich­tungen dafür aufbauen wird. Er bestätigte auch, dass das Projekt im Oktober dieses Jahres beginnen soll und dass die Bürger­initiativen über einen Begleit­kreis in die Projekt­abwicklung einbe­zogen werden sollen. Details zum zeitlichen Ablauf und dem Umfang der Informa­tionen gab es aller­dings auch hier nicht.

Zusätz­liche Informa­tionen zum Meß­programm des HLNUG und zum Forschungs­projekt des UBA gab es schon vor der Veran­staltung von Dirk Treber, Mitglied des Vorstands der Fluglärm­kommission.
Zusammen­fassend kann man dazu nur fest­stellen: das Problem wird nicht mehr geleugnet, es passiert einiges, aber längst nicht genug. Die Experten möchten in Ruhe vor sich hin forschen, bis sie nach Jahren (vielleicht) 'gesicherte Ergeb­nisse' vorweisen können, und die Politik freut sich, mit Hinweis auf diese Aktivi­täten die besorgte Bevölke­rung hinhalten zu können. Damit es mehr und schneller vorangeht, werden wir uns noch sehr aktiv einmischen müssen. Folgende Forde­rungen an die Landes­regierung sollten Priori­tät haben:

Update 30.09.16:

Die Folien von Herrn Jacobis Vortrag gibt es in den Unterlagen der Sitzung der Fluglärmkommission vom 28.9.2016; offenbar hat er auch dort seine Ergebnisse (bzw. ausgewählte Teile davon) vorgetragen.




CETA, TTIP - Zwei Seiten

Da kann man einfach nicht Nein sagen !

CETA soll durchgepaukt werden - aber alle reden von TTIP ?

Dass Wirtschafts­minister Gabriel TTIP für tot erklärt, um CETA in der SPD durchsetzen zu können, kann man inzwischen ja sogar in der FAZ nachlesen (und die hält das auch noch für eine geschickte Taktik). Und tatsäch­lich hat er mit diesem durch­sichtigen Ablenkungs­manöver nicht nur ein positives Votum seines Partei­vorstands bekommen, sondern auch die Wider­sprüche in den Gewerk­schaften weiter zugespitzt. Zwar ruft der DGB weiterhin zur Demo am 17.09. auf, aber der Vorsitzende Hoffmann (ohnehin nicht gerade für Prinzipien­treue und Steh­vermögen bekannt) und starke Kräfte in den "fossilen" Gewerk­schaften IG Bergbau, Chemie, Energie und IG Metall arbeiten an einer Kurs­korrektur, während der ver.di-Vor­sitzende Bsirske auch CETA weiterhin klar ablehnt (der hat damit allerdings auch kein Loyalitäts­problem, denn er ist Mitglied bei den Grünen).
Auch in anderen europäischen Ländern passiert Ähnliches. In Frank­reich wenden sich Regierung und bürger­liche Opposi­tion gegen TTIP, und auch in Öster­reich sind beide Regierungs­parteien dagegen, der SPÖ-Kanzler darüber hinaus auch noch gegen CETA. Ist es Zufall, dass in diesen Ländern Wahlen bevor­stehen, in denen rechten, "euro-skep­tischen" Parteien Erfolge prognos­tiziert werden?

In Frankfurt, wo die lokalen Gruppie­rungen der Parteien und Gewerk­schaften in der Regel etwas fortschritt­licher sind als bundesweit, scheint das breite Bündnis gegen CETA und TTIP stabil zu stehen. Auch SPD-OB Feldmann tritt als Redner auf, konzentriert sich in der Ankün­digung aber ganz auf TTIP und überlässt die Aussage zu CETA dem Partei­vorsitzenden Josef. Es bleibt abzuwarten, ob er den Bündnis-Konsens der klaren Ablehnung beider Verträge auch deutlich zum Ausdruck bringen wird.
Der Jurist, SPD-Bundes­tagsabge­ordnete und Sprecher der SPD-Linken Matthias Miersch hat in einer Bewertung des CETA-Abkommens festge­halten: "In zentralen Bereichen wie Investi­tionsschutz, öffent­licher Daseins­vorsorge und Verbraucher­schutz sind die von der SPD gezogenen roten Linien klar über­schritten worden" - alles Bereiche, in denen Feldmann bei TTIP Gefahren sieht. Mierschs Schluss­folgerung: "Aus meiner Sicht kann kein sozialdemokratisches Mitglied eines Parlaments CETA in der vorlie­genden Fassung zustimmen.". Sollte sich diese Sicht, die von vielen Basis-Gliede­rungen der SPD geteilt wird, beim SPD-Konvent am 19.09. in Wolfsburg durchsetzen, hätte Gabriel ein Problem: als SPD-Partei­vorsitzender dürfte er der vorläufigen Anwendung von CETA, die beim Treffen der Handels­minister beschlossen werden soll, nicht zustimmen; als Wirtschafts­minister müsste er die Vorgaben seiner Chefin, Kanzlerin Merkel, umsetzen und zustimmen (oder die Koalition aufkündigen). Es werden sehr, sehr viele Menschen am 17. auf der Straße sein müssen, um die SPD zu so viel Konsequenz zu bewegen und den CETA-Fahrplan noch durch­einander zu bringen.

Dass dazu unbe­dingt auch Flug­lärm­gegner­Innen gehören sollten, begründet das Bündnis der Bürger­initia­tiven in einer Presse­mitteilung so:
"Was haben die geplanten Freihandels­abkommen mit dem Flughafen­ausbau und dem Fluglärm zu tun? Beide Abkommen sollen soge­nannte „nicht­tarifäre Handels­hinder­nisse“ beseitigen. Dazu zählen die Abschaf­fung oder Vereinheit­lichung regula­torischer Vorschriften sowie die umfassende Liberali­sierung des Dienst­leistungs­bereichs und des öffent­lichen Beschaffungs­wesen. Die EU-Kom­mission hat im Bereich des Luft­verkehrs beispiels­weise operative Beschrän­kungen auf Flughäfen (Nacht­flug­verbote!) als „nicht­tarifäre Handels­hinder­nisse“ ausgemacht." (Weitere Details dazu finden sich hier.)
"Die Abkommen sind ein Frontal­angriff auf elementare Errungen­schaften unseres Kampfes gegen den Flughafen­ausbau sowie gegen die Lärm- und Schadstoff­belastungen des Luft­verkehrs. Das BBI Bündnis der Bürger­initia­tiven ruft zu massen­hafter Betei­ligung an den zeitgleich in sieben deutschen Städten statt­findenden Groß­demonstra­tionen auf.
In Frankfurt am Main beginnt die Demon­stration um 12 Uhr auf dem Opern­platz. Treffpunkt der Flughafen­ausbau­gegner ist in der Taunus­anlage der Laut­sprecher­wagen des 'Frank­furter Bündnis gegen TTIP, CETA und TISA'."

Um nicht hetzen zu müssen, sollten RaunheimerInnen die S-Bahn um 11:06 Uhr ab Raunheim Bahnhof nehmen. Eine Anreise mit dem PKW empfiehlt sich hier wirklich nicht.

Update 19.09.16:

Die Demos gegen CETA und TTIP waren groß, sehr groß - aber nicht groß genug, um die bürger­lichen Parteien von ihrer konzern-treuen Haltung abzu­bringen. (Beein­druckende Bilder der Frank­furter Demo gibt es bei fast allen lokalen Tages­zeitungen, z.B. der Frank­furter Neuen Presse, aber auch auf der Webseite des BBI.)
In der CDU darf der sog. 'Arbeit­nehmer­flügel' ein paar Klar­stel­lungen verlangen, die Führer der SPD-Linken handeln ein bißchen Verfahrens-Kos­metik aus, aber das war's dann auch schon mit den Reak­tionen der Parteien. Selbst die katastro­phalen Wahlergeb­nisse bei den Wahlen (die SPD 'siegt' mit weniger als 22%, die CDU rutscht unter 18%) in Berlin führen nicht dazu, dass sie ihren selbst­mörderischen Kurs ernsthaft in Frage stellen. Insbe­sondere Hessens SPD-Chef Schäfer-Gümbel hat sich dafür stark gemacht, die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung zu ignorieren, und 2/3 der Dele­gierten des 'kleinen SPD-Par­teitags' folgten dieser Auffor­derung. Bleibt zu hoffen, dass auch bei kommenden Wahlen die Gegner dieser Art von 'Frei­handel' die Schäfer-Gümbels in allen Parteien ignorieren werden.

CETA hat aber mit diesem Umfall der SPD noch längst nicht alle Hürden genommen. In den kommenden Monaten gibt es noch einige Entschei­dungen, für die Wider­stände angekündigt sind. Im EU-Minis­terrat will Öster­reich nicht zustimmen, in belgischen Regional­parla­menten gab es Wider­stand, und auch einige andere EU-Staaten haben Einwände formuliert. In der parlamen­tarischen Behandlung in Deutsch­land müsste CETA spätestens im Bundesrat scheitern, wenn die Landes­verbände der Grünen und der SPD, die Ableh­nung angekündigt haben, die jewei­ligen Landes­regie­rungen, an denen sie beteiligt sind, zur Enthaltung zwingen. Die politischen Auseinander­setzungen zwischen Konzern-Lobby­isten und Bürger-Wider­stand gehen weiter.




Titel EU-COM Airport Services

Darum gehts: Wachstum, Wettbewerb, Kostensenkung

Die Fraport Entgelt-Ordnung - neue Runde, alte Skandale

Die Fluglärm­kommission bringt mal wieder etwas Trans­parenz in einen undurch­sichtigen Vorgang: indem sie ihre Stellung­nahme zu einem nicht veröffent­lichten Fraport-Antrag an das Verkehrs­ministe­rium veröffent­licht, erfährt man zumindest etwas über dessen Inhalt. Es ist nichts Gutes.
Der Antrag betrifft eine neue Entgelt-Ord­nung für den Frank­furter Flug­hafen, die ab 01.01.2017 gelten soll. Die aktuell gültige ist zum 01.01.2015 als letzte Stufe einer fünf­jährigen Rahmen­verein­barung mit den Airlines in Kraft getreten. Im letzten Jahr hatte Fraport einen Antrag für eine neue 5-Jah­res-Verein­barung im Streit mit dem Mini­sterium zurück­gezogen, so dass die alte Ordnung in Kraft blieb. Nun also ein neuer Versuch.

Die Stellung­nahme der Flug­lärm­kommis­sion lässt nicht erkennen, inwieweit die alten Streit­punkte beseitigt sind. Sehr wohl aber wird deutlich, dass Fraport ihren Antrag weit­gehend verwäs­sert hat. Die FLK hebt die folgenden Punkte hervor:

Alle diese Punkte werden in der Stellung­nahme so deutlich benannt, dass sich weitere Ausfüh­rungen dazu hier erübrigen. Es gibt aller­dings noch ein paar Hinter­gründe zu betrachten.

Wie erwähnt, liegt der Fraport-Antrag nun dem Hessi­schen Verkehrs­minister zur Geneh­migung vor. Doch wie kommt es über­haupt, dass so ein bürokra­tisches Genehmi­gungs­ritual überlebt hat in Zeiten, in denen der freie Markt die Bezieh­ungen zwischen den Wirtschafts­akteuren doch aufs Schönste regelt? Die Frage ist falsch gestellt: es hat nicht überlebt, es ist hoch­aktuell.
Die EU Richt­linie, die die Grundlage für das Verfahren darstellt, ist erst 2009 beschlossen wurden. Sie beruht zwar teilweise auf ICAO-Em­pfehlungen, die schon deutlich älter sind, aber auch die werden ständig, zuletzt 2012, aktua­lisiert. Worum es ihr dabei geht, erläuterte die EU-Kom­mission im Mai 2014 in einem Bericht, der eine Studie über die Wirkung dieser Richt­linie aus dem Jahr 2013 auswertet. Darin heißt es: "Im Inter­esse eines erfolg­reichen Luft­fahrt­sektors in der EU ist es zweifel­los von zentraler Bedeutung, dass alle Arten von Luft­fahrt­unter­nehmen hoch­wertige Flughafen­infrastruk­turen zu einem wett­bewerbs­fähigen Preis nutzen können" (Hervor­hebung von uns). An anderen Stellen heißt es noch deut­licher, dass es darum geht, die Mono­pol-Macht von Flughäfen einzu­schränken (besonders wenn sie, wie immer noch die meisten in Europa, im Besitz der öffent­lichen Hand sind) und einen Druck zur Senkung der Entgelte zu erzeugen. Darin, dass Minister Al-Wazir diese Vorgaben wider­spruchs­los und effizient umsetzt, liegt der eigent­liche poli­tische Skandal hinter diesem Vorgang.

Das Ganze ist einge­bunden in die Luft­fahrt­strategie der EU, in der zwar sonst viel von Deregu­lierung die Rede ist, deren Hauptziel aber ist, das Wachs­tum des europä­ischen Luft­fahrt­sektors zu beschleu­nigen und die europä­ischen Airlines wett­bewerbs­fähig zu halten. Aktuell hat die EU-Kom­mission gerade eine Roadmap veröffent­licht, in der beschrie­ben ist, wie die Entgelt-Richt­linie erneut eva­luiert und ggf. novel­liert werden soll, um dieses Ziel zu unter­stützen.
Wer erreichen will, dass auch in diesem Bereich das Verur­sacher-Prin­zip gelten soll und die Airlines tatsäch­lich die gesamten Kosten ihrer Aktivi­täten tragen, einschließ­lich der Kosten für die Minderung der von ihnen angerich­teten Gesund­heits- und Umwelt-Schäden, der muss sich auch gegen diese Art der Regu­lierung wenden. Es geht dabei nicht darum, Fraport zu höheren Profiten zu verhelfen. Es geht darum, finan­zielle Anreize und zusätz­liche Mittel für mehr Lärm­schutz zu generieren und letzt­endlich auch die Möglich­keit hin zu einem Kurs­wechsel zu weniger Wachstums­wahn und Anpassung an die Bedürf­nisse der Region zu eröffnen. Von seiten der Aufsichts­behörde ist hier, wie schon im letzten Jahr bewiesen, absolut nichts zu erwarten.

Update 07.09.16:

Minister Al-Wazir hat in einer Presse­mittei­lung bestätigt, dass er die Geneh­migung völlig 'unpoli­tisch' behandeln möchte. Zwar möchte er etwas von dem positiven Image abhaben, das Fraport zu erzeugen versucht, indem er erklärt: "Unser Ziel ist es, dass die Flug­gesell­schaften den Frank­furter Flug­hafen mit ihren leisesten Maschinen anfliegen. Die jetzt beantragte weitere Sprei­zung und Erhöhung der lärm­abhängigen Entgelte geht genau in diese Richtung.". Aber irgendwie Druck zu machen, damit diese 'Sprei­zung' auch nur halbwegs in die Nähe einer steuernden Wirkung kommt, ist ihm leider versagt, denn "Der Minister wies darauf hin, dass bei der Genehmi­gung oder möglichen Unter­sagung einzelner Anträge kein poli­tischer Abwägungs­spiel­raum bestehe. ... 'Im Fall der Lärm­entgelte, wie bei den Ent­gelten insgesamt, sind wir als Ministe­rium nur die Geneh­migungs­behörde, die Anträge stellt Fraport. ...'". Auf die Hinweise und Forde­rungen der Flug­lärm­kommis­sion geht er mit keinem Wort ein.
Das Leben als Politiker kann so einfach sein, wenn man seine Ansprüche nur weit genug reduziert.




Dream Team

Das Dream Team des Fluglärmschutz in Frankfurt
- lächeln sie auch für die Region ?

'Stabsstelle Fluglärm' in Frankfurt -
ein Plus für die Region ?

Nach dem Einstieg der SPD in die bisher in Frankfurt regierende Schwarz-Grüne Koalition hat OB Feldmann mehr Aktions­möglich­keiten - und er nutzt sie u.a., um zum 1. Oktober eine neue Stabs­stelle Flug­lärm einzu­richten. Ihre Aufgabe ist es laut Feldmanns Presse­mittei­lung, für den "Frankfurter Flughafen als Deutschlands größte Arbeitsstätte" "wirtschaft­liche Stärke und Lärm­reduzie­rung in Einklang zu bringen".
Geleitet wird die Stabs­stelle von der ehrenamt­lichen Stadträtin und Sprecherin der Bürger­initia­tive Sachsen­hausen, Frau Dr. Ursula Fechter.

Im Bericht der Frankfurter Rundschau von der Presse­konferenz, in der Feldmann und Fechter die neue Stabs­stelle vorstell­ten, werden noch ein paar weitere Einzel­heiten genannt: "Beide können sich den Ausbau des Einzel­handels­geschäfts („retail“) als Einnahme­quelle vorstellen, ... ". "„Fraport soll Gewinne erzielen“, sagte Fechter, und kriti­sierte die vielen Kurz­strecken­flüge. Deren Passa­giere zählten sicher nicht zum Retail-Kun­denkreis. Feldmann sprach von „unglaub­lichen Poten­zialen“ für den Einzel­handel."
Nun kann man nicht immer für bare Münze nehmen, was die Presse berichtet, aber diese Aussagen passen zu dem, was Feldmann schon kürzlich beim Wissen­schafts­forum des Rhein-Main-In­stituts vorge­tragen hat und was man inzwi­schen auch in voller Länge nach­hören kann.

Was sich, ganz naiv betrachtet, viel­leicht als plausi­bles Konzept anhört (weniger fliegen, Profit mit anderen Geschäften machen), ist natür­lich keines­wegs so trivial. Das dahinter stehende Konzept, in Frankfurt Airport­City, global Aero­tropo­lis genannt, bein­haltet etwas ganz anderes. Im Kern geht es darum, Flughäfen von Bestand­teilen der natio­nalen Trans­port-Infra­struktur weg hin zu Profit Centern zu entwickeln, die in einer globalen Struktur Dienst­leistungen und Geschäfts­möglich­keiten für Investoren unab­hängig von den sonstigen lokalen Beding­ungen anbieten. Dazu gehört natürlich, dass der Airport sein Angebot ganz auf die Bedürf­nisse der globalen Besser­verdie­nenden aus­richtet (und die lokalen Bedürf­nisse dafür weit­gehend ignoriert, insbe­sondere dann, wenn sie seinem Geschäfts­modell wider­sprechen).
Was immer man von Herrn Feldmann hält, so naiv, dass er davon nichts wüßte, kann er garnicht sein (und nach unserer Einschät­zung weiß er sehr genau, was er da tut). Es ist wohl leider so, dass der Neo­libera­limus sich derzeit immer durch­setzt, auch wenn die Partei, die ihn offi­ziell vertreten möchte, an der 5%-Hürde herumkrebst, und Feldmann und Fechter auf einem anderen Partei-Ticket in ihre Ämter gekommen sind.

Was Feldmanns Fans angeht, kann man da in puncto Naivität keines­falls so sicher sein. Frau Fechter gibt sich jeden­falls Mühe, die Aufgabe der Stabs­stelle in einem anderen Licht darzu­stellen und hat dazu im Dis­kussions­forum ihrer BI auch einen program­matischen Beitrag veröffent­licht. Unab­hängig von der grund­sätz­lichen Proble­matik wirft der auch Fragen auf. Einige seien hier benannt.
So wird als eine Aufgabe genannt: "Kritische Wertung der Lärm­schutz­maßnahmen, die von dem FFR vorge­schlagen wurden und Ein­bringung Frank­furter Forde­rungen". Hier wüsste man doch zu gern, was diese "Frank­furter Forde­rungen" denn sind. Sollte dazu etwa auch die Forde­rung nach Auf­hebung der Rücken­windkom­ponente gehören, die in diesem Forum schon häufig gefordert wurde? Aber nein, das wäre ja eine reine Lärm­verschie­bungs­maß­nahme, und sowas ist von Frau Fechter immer heftig abge­lehnt worden.
Eine weitere Aufgabe ist "Aufstel­lung von Schad­stoff­mess­stationen, die Stadt Frank­furt könnte hier Vorreiter sein". Ja, könnte sie, aber warum so undiffe­renzert? HLNUG weist seit Jahren nach, dass die üblichen Schad­stoff­messungen nicht geeignet sind, Luft­verkehrs-spe­zifische Belas­tungen nachzu­weisen. Einzig die Messung von Ultra­fein­staub bringt hier wirklich weiter. Wenn das geplant sein sollte, warum wird es nicht konkret benannt? Und hat nicht die Stadt Frankfurt die Einrich­tung einer solchen Meß­station gerade erst abge­lehnt?
Und schließlich: "Frank­furter Beitrag zur Lärm­ober­grenze. Wichtig ist hier ein neuer Flug­lärm­index, der die Basis für jedes Lärm­obergrenzen­modell sein muss. Hier wird es dazu eine erste Presse­konfe­renz der Stabs­stelle im September geben". Na schön, warten wir ab. Ein paar Krite­rien, was dieser Index anders gewichten soll als der bishe­rige (d.h. wessen Belastung er höher gewichtet), wären aber schon interes­sant gewesen.

Zusammen­gefaßt gibt es leider wenig Hoffnung, dass diese neue Stabs­stelle den Wider­stand gegen den Flug­hafen­ausbau tatsäch­lich stärken könnte. Die Rolle, die Ober­bürger­meister und Regierungs­koalition in Frank­furt dem Flug­hafen zuordnen, ist in erster Linie an dessen Profit-Funktion orientiert, ein bißchen viel­leicht noch an der Funktion als Arbeits­platz-Be­schaffer (wobei hier Quantität eindeutig vor Qualität geht), und dann kommt lange nichts. Natür­lich möchte man die meuternde Bevöl­kerung gerne mit ein paar Zugeständ­nissen ruhig stellen, aber nur, wenn es dem Haupt­ziel nicht in die Quere kommt.
Dass jemand diesen Prozess organi­sieren bzw. begleiten soll, der aus der Bewegung gegen den Ausbau kommt, hat nicht viel zu sagen. Es gibt leider allzu viele Beispiele dafür, wie solche Personen sich entwickeln, wenn sie in die offi­ziellen Struk­turen einge­bunden werden (wem hier der Name Al-Wazir einfällt, der ist auf dem richtigen Weg). Und was an inhalt­lichen Aus­sagen bisher vorliegt, läßt auch nur Schlimmes befürchten. Die BIs sollten sich schon mal darauf vorbe­reiten, wie sie mit kommenden Attacken zur Spaltung der Bewegung umgehen wollen.

Update 05.09.16:

Inzwischen hat auch die schwarz-rot-grüne Koalition in einem Antrag im Umweltausschuss formuliert, was die Stabsstelle ihrer Meinung nach tun soll: sie soll "zu einer zentralen Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger" werden und "im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten für einen besseren Fluglärmschutz eintreten und in Zusammenarbeit mit dem Umweltdezernat, dem Land Hessen und den Kommunen in der Region Kriterien für regionale Lärmobergrenzen erarbeiten"; das Ganze unter der Überschrift "wirtschaftliche Stärke und Lärmreduzierung in Einklang bringen". Diffuser geht es wohl kaum.
Erklären lässt sich das wohl nur dadurch, dass gar kein Antrag geplant war, aber kurzfristig gebraucht wurde als Alternative zu einem Antrag, der konkrete Maßnahmen zur Förderung eines Nachtflugverbots von 22 - 6 Uhr forderte. Um sowas ablehnen zu können, muss man wenigstens den Anschein erwecken, eigene Initiativen zu haben.




Titel ICAO-Report

Ziemlich bunt, aber interessant -
ICAO-Berichte sind deutlich besser als ICAO-Beschlüsse

ICAO beschreibt, was nötig ist - aber handelt nicht

Der amtierende ICAO-Präsident könnte einem fast leid tun: wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.
Nach dem Friends of the President meeting am 22./23.08., das einen Kompromiss für ICAOs Klima­schutz-Flagg­schiff, die Globale Markt-ba­sierte Maß­nahme COSIA, vorbe­reiten sollte, herrscht rundum beredtes - oder betre­tenes - Schweigen. Kein Kommu­nique, keine Presse­meldung, keine Kommen­tare - offenbar möchte keiner der Betei­ligten dieses nicht-öf­fentlichen Treffens als Über­bringer der schlechten Nach­richten auf­treten. Selbst in der Liste der Treffen zu diesem Thema wird diese Zusammen­kunft nicht erwähnt.
Was bekannt ist, läßt Schlimmes befürchten. Die dokumen­tierten Einlas­sungen der Betei­ligten weisen darauf hin, dass die von Reuters bereits Anfang August veröffent­lichten Andeu­tungen Wahrheit gewor­den sind: Der von ICAO geplante Kompen­sations-Mecha­nismus soll nicht nur von Anfang an grosse Lücken haben, er soll für die ersten Jahre nicht einmal verbind­lich sein. Das wäre der Super-Gau für den Klima­schutz im Luft­verkehr.
Ob die nun offenbar wieder aufge­nommenen bilate­ralen Gespräche vor der ICAO-Voll­versammlung Ende September noch einmal zu anderen Ergeb­nissen kommen, bleibt abzu­warten.

Zeitlich lange geplant, aber trotzdem wie auf den Punkt, hat ICAO den Environ­mental Report 2016 veröffent­licht. Dieser Bericht erscheint alle drei Jahre vor der jeweiligen ICAO-Voll­versammlung und faßt die Arbeit des ICAO Umwelt­schutz­komittees CAEP und andere dies­bezüg­lich rele­vante Entwick­lungen zusammen.
Wie immer malt er die Umwelt­schutz-Be­mühungen der Luftfahrt-In­dustrie in den schönsten Farben (obwohl das bei der Betrach­tung des Titel­bildes auch eine Geschmacks­frage ist) und ist voll von leuch­tenden Bei­spielen für die Bemüh­ungen einzelner Staaten, Flughäfen und Airlines, ihre Umwelt­bilanz zu verbes­sern. Er liefert aber auch eine Unmenge an Hinter­gründen, Daten und Prog­nosen, die sonst schwer oder gar­nicht zugäng­lich sind. Und einiges davon kann man eigent­lich nur als dring­enden Appell an die ICAO-Mit­glieds­staaten lesen: 'Wir wissen, was zu tun ist, und es ist dringend - handelt endlich!'.
Eine erste Analyse der dort beschrie­benen Emis­sions-Sze­narien kommt jeden­falls zu einem eindeu­tigen Ergebnis: das Errei­chen der von der Luft­fahrt-In­dustrie selbst formu­lierten Ziele erfordert sofortige und höchste Anstreng­ungen, aber sie sind trotzdem nicht mit dem in Paris formu­lierten Ziel der Begren­zung der Erder­wärmung auf 1,5°C vereinbar. Das steht zwar so nicht im ICAO-Report (und ist selbst aus der Analyse von CarbonBudget nur herauszulesen, wenn man zusätzliche Informationen hat, was dieses "1.5°C Carbon Budget" eigentlich ist), aber man findet auch nicht so leicht eine andere Datenbasis, aus der man diese Schlussfolgerung so überzeugend ableiten kann.
Auch zum Thema 'Ultra­fein­staub' finden sich eine Reihe von interes­santen Beiträgen, die zeigen, dass ICAO selbst, und erst recht einzelne Flug­häfen auf der Welt, bei diesem Thema schon sehr viel weiter sind als Fraport und die hessi­sche Landes­regierung (s. fol­gende Nach­richt). Gerade die Bemühungen in Kopen­hagen, wenig­stens die Vor­feld-Mit­arbeiter halbwegs vor UFP-Be­lastungen zu schützen, bilden da einen deut­lichen Kontrast. Und auch die Bemüh­ungen, mit dem neuen Emissions­standard für "nicht-vo­latile Teil­chen" die Belas­tung durch UFP zumindest zu erfassen, vielleicht sogar zu begrenzen, sind wesent­lich mehr, als hierzu­lande diskutiert wird.
Natürlich geht das alles quälend langsam und kommt viel zu spät - wenn die Betrof­fenen die Infor­matio­nen nicht nutzen, mit deut­lich mehr öffent­lichem Druck die Prozesse zu beschleu­nigen.

Update 30.08.16:

Zumindest Reuters hat Quellen gefunden, die bestä­tigen, dass der schlimmste Fall tatsäch­lich einge­treten ist. Der aktuelle Vorschlag, der angeblich "breite Unter­stützung" hat, sieht vor, dass Staaten in der ersten Phase von 2021 bis 2026 frei­willig an dem Kompen­sations­geschäft teil­nehmen sollen (und viel­leicht sogar wieder aussteigen können, wenn sie das wollen). Erst ab 2027 soll es dann eine verbind­liche Teil­nahme geben, aller­dings weiter­hin mit Ausnahmen. Offi­ziell kommen­tieren wollte das keiner der Betei­ligten, aber spätestens bei der ICAO-Rats­tagung am 02.09. wird wohl deutlich werden, wer diesen faulen Kompromiss unter­stützt.
Sollte der Rat das nun wohl vorlie­gende Dokument der ICAO-Voll­versammlung Ende September zur Beschluss­fassung empfehlen, dann hätte die gleiche Staaten­gemein­schaft, die letztes Jahr in Paris ambitio­nierte Klima­schutz-Ziele propa­giert hat und sich eben­falls im September dafür feiern wird, dass der dort verhan­delte Vertrag schon nach einem Jahr in Kraft treten kann, schon beim ersten Test der Ernst­haftig­keit dieser Ambi­tionen kläglich versagt.

Update 01.09.16:

Nun zeigen sich auch die Mitglieder des Umwelt-Ko­mittee des Europa­parla­ments 'geschockt' von den Vorhaben der ICAO. Nachdem der Chef­delegierte der EU-Kommis­sion bei ICAO über die jüngsten Ergeb­nisse infor­miert und die oben zitierte Reuters-Mel­dung bestätigt hatte, verlang­ten sie nach der EurActiv-Mel­dung "über das gesamte poli­tische Spektrum hinweg", die EU solle "in den Verhand­lungen aggres­siver auftreten". Der Kommis­sions­vertreter teilte dazu nur kühl mit, die Kommis­sion habe ihre Verhand­lungsposi­tion nicht geändert, diese sei aber "nicht das wahr­schein­lichste Ergebnis".
Das deutet stark darauf hin, dass die EU bereit ist, den wohl im Wesent­lichen zwischen den USA und China ausge­handel­ten Deal zu akzep­tieren. Sie stimmt zwar formal in der Voll­versamm­lung gar­nicht mit ab, weil dort die Einzel­staaten Mitglied sind, aber die folgen normaler Weise dem von der EU-Kom­mission koordi­nierten Vor­gehen. (Sie müssen das nicht, aber wenn die Bundesregierung, in diesem Fall dann vertreten durch das Verkehrsministerium, eigenständig entscheiden würde, würde es auch nicht besser.) Das Europa­parla­ment hat nicht mitzu­reden, es wird nur gefragt, wenn es darum geht, welche Schlüsse aus dem ICAO-Er­gebnis für die Einbe­ziehung des Luft­verkehrs in den europä­ischen Emissions­handel zu ziehen sind.

Update 05.09.16:

Nun ist das Ergebnis dieser Verhand­lungs­runde auch amtlich. Der ICAO-Rat hat seinen Entwurf für den Beschluss der Mit­glieder­versamm­lung Ende September vorge­stellt (wer genau wissen möchte, welche Staaten dafür verant­wortlich sind, findet hier eine Liste der Ratsmit­glieder). Eine genaue Analyse des Papiers steht noch aus und macht auch nur begrenzt Sinn, da in den nächsten drei Wochen wohl noch an Details gefeilscht werden wird, aber klar ist schon jetzt, dass die Verbind­lichkeit der Teilnahme in der ersten Phase (bis 2026) noch geringer sein wird als befürchtet: Staaten nehmen nur frei­willig teil, können praktisch jederzeit ein- und wieder aussteigen, bestimmen den Modus der Berech­nung der Verpflich­tungen ihrer Airlines selber usw..
Da ist es wohl kein Wunder, dass die Zustim­mung zu einem solchen Deal vielen Staaten leicht­fällt, zumal bei einigen noch nicht einmal klar ist, ob ihre Zustim­mung nur für den zu fassen­den Beschluss oder für eine tatsäch­liche Teilnahme gilt. Opti­misten gehen immer noch davon aus, dass trotz allem in der ersten Phase eine rund 80%ige Kompen­sation der Emis­sions-Zu­wächse ab 2021 erreicht werden könnte - die Hoffnung stirbt eben immer zuletzt.



Ultrafeinstaub: Das Umweltministerium antwortet

Es gab wohl doch einen aktuellen Anlass für den unten disku­tierten Artikel der FR: Das Hessische Umwelt­ministerium, das offenbar auch gerne das Sommer­loch nutzt, um unange­nehme Dinge zu ent­sorgen, hat die ruhige Zeit in Wies­baden genutzt, um mit einiger Verspä­tung seine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu "Gefahren durch Ultra­fein­stäube am Frank­furter Flug­hafen" zu veröffent­lichen.

Auszug Antwort HMUKVL

Tatsächlich finden sich etliche von der FR zitierte Aussagen in diesem Papier, aber darüber hinaus stehen noch ein paar interes­sante Sachen drin. Besonders span­nend ist die Antwort auf Frage 3 (s. Grafik).
Sie bezieht sich explizit auf die Auswer­tung des ersten halben Jahres der UFP-Mes­sungen an der Station Raun­heim, und sie bestätigt einmal mehr die Aus­sagen der BI: die Grund­belas­tung ist in Raun­heim höher als an ver­gleich­baren Orten, die gemes­senen Spitzen­werte deuten auf massive Kurz­zeit-Quel­len in unmittel­barer Nähe hin, und der Haupt­teil der Belas­tung kommt aus Richtung Ost­nord­ost.

Wenn es dann trotzdem in der Antwort auf "Frage 4. Gibt es einen Zusammen­hang zwischen den Ultra­feinstaub­konzentra­tionen und der Anzahl der Flug­bewe­gungen am Frank­furter Flug­hafen?" sehr, sehr zurück­haltend heißt:
"Eine einfache Korre­lation zwischen diesen beiden Größen ist nicht ohne Weiteres aussage­kräftig. ... Rein quali­tativ weist zwar der einfache Vergleich des mitt­leren Tages­gangs der ultra­feinen Partikel mit dem über den gleichen Zeitraum gemit­telten Tages­gang der Flug­bewe­gungen gewisse Ähnlich­keiten auf, ... Die zeit­liche Korre­lation bedarf jedoch einer weiteren Unter­suchung, ...", dann wird deutlich, wie sehr auch das Umwelt­ministe­rium bemüht ist, dem 'wichtig­sten Arbeit­geber in Hessen' nur ja nicht zu nahe zu treten, selbst wenn die Fakten nach einer klaren Inter­preta­tion geradezu schreien.

Besonders peinlich sicht­bar wird das auch in der Antwort auf "Frage 9. Welche Maß­nahmen hat die Fraport getrof­fen, um ihre Mit­arbeite­rinnen und Mitar­beiter vor Ultra­fein­stäuben zu schützen?". Nach einer Auf­listung der allge­meinen recht­lichen Grund­lagen für den Arbeits­schutz und der gene­rellen Verpflich­tung der Arbeit­geber, für den Schutz der Beschäf­tigten zu sorgen, heißt es beruhi­gend:
"Nach eigenen Aus­sagen stellt Fraport dazu die geeig­neten (Schutz-) Mittel zur Verfügung und trifft die erforder­lichen Maß­nahmen, um Unfälle und Gesund­heits­schäden, die sich im Zusammen­hang mit der Tätig­keit ergeben können, zu ver­­meiden."
Davon kann in Bezug auf UFP natürlich keine Rede sein - aber dafür ist das Mini­sterium nicht zuständig.

Von einer baldigen Veröffent­lichung der vorlie­genden Meß­werte und der bereits vorgenom­menen Auswer­tungen ist auch beim Mini­sterium nicht die Rede.
Es bleibt leider dabei: ohne zusätz­lichen Druck der Betrof­fenen bewegt sich hier nichts.

Update 05.09.16:

Am Mittwoch, den 14.09.2016, gibt es Gelegen­heit, die Herren Jacobi und Wirtz direkt zu den neuesten Entwick­lungen zu hören: Um 17:00 Uhr lädt der Regional­ausschuss des Kreises Gross-Gerau zu einer öffent­lichen Sitzung, in der die beiden Herren, zusammen mit Wolf­gang Schwämm­lein von der AG Fein­staub des BBI, zum Thema "Ultra­feinstaub im Bereich des Frank­furter Flug­hafens" referieren. Ob die Öffent­lichkeit da auch Fragen stellen darf, wissen wir nicht.

Auch die Fraport demonstriert, dass sie das Thema aufmerksam verfolgt. So haben sie Ende August extra ihre kleine UFP-Bro­schüre überar­beitet, um auf S.3 mitzu­teilen, dass "ein tech­nischer Standard zur Messung dieser Partikel ... veröffent­licht" wurde (was so nicht stimmt, da die zitierte deutsche Fassung frühestens im Oktober veröffent­licht wird). Auf S.5 haben sie das auch schon wieder vergessen, und an den Schluss­folge­rungen ("Wir messen nicht!") ändert sich auch nichts.




Titel und Text UBA-Bericht

Das Umweltbundesamt weiß, was zu tun wäre -
die Bundesregierung will davon nichts wissen.

Klimaschutz im Luftverkehr - für die Bundesregierung kein Thema

Nicht nur die EU, auch die Bundes­regierung verabschiedet sich in rasendem Tempo von ihren noch im Dezember letzten Jahres lauthals verkün­deten Klima­schutz-Ambi­tionen. Während Umwelt­ministe­rium und Umwelt­bundesamt noch, weit­gehend vergeb­lich, versuchen, Positionen zu vertei­digen, lehnen Wirtschafts­ministerium und Kanzler­amt jede Steigerung der Anstreng­ungen über bereits einge­gangene Verpflich­tungen hinaus kate­gorisch ab.
Das Verkehrs­ministerium steht dem natürlich nicht nach. Wie die von ihm formu­lierte Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundes­tags­fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen verdeut­licht, tut die Bundes­regierung nichts, um die Verhand­lungen über ein Klima­schutz-Ab­kommen im inter­natio­nalen Luft­verkehr voranzu­bringen.

Eine Analyse der Online-Platt­form 'klima­retter.info' hebt hervor, die Antwort zeige, dass die Bundes­regierung "fast ohne eigene Vorstel­lungen in die entspre­chenden Verhand­lungen" der ICAO gehe. "Als zufrieden­stellendes Ergebnis des Jahres­treffens nennt sie schlicht die Schaffung eines solchen globalen Mecha­nismus – obwohl der nach jetzigem Stand den größten Teil der Emis­sionen außen vor lässt." Sie kritisiert weiter­hin: "Die Bundes­regierung hat ihrer Antwort zufolge auch keinen Stand­punkt in der Frage, ob der Flugverkehr sich stärker am Europä­ischen Emissions­handel beteiligen soll."
Für die Umwelt­organisation Robin Wood ist die Antwort Anlass, in ihrem Blog festzu­stellen, dass "sich das feder­führende Verkehrs­ministe­rium zum Sprachrohr der Luftfahrt­lobby" macht, und noch einmal auf die Kampagne 'Nein zum Ausbau des Flug­verkehrs! Keine Klima-Schein­lösungen!' hinzu­weisen.

Die Grünen selber schweigen aller­dings bisher seltsamer Weise zu dieser Antwort. Weder auf den Webseiten der Bundes­tags­fraktion oder der Bundes-Partei, noch auf denen der Haupt-Auto­rInnen ist ein Hinweis auf die Anfrage oder die Antwort zu finden. Ob das möglicher­weise daran liegt, dass die Partei inzwischen mit dem Thema selber ein Problem hat, nachdem die ihr nahe­stehende Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit Airbus ein Papier vor­gestellt hat, in dem sie gemeinsam von einer "nach­haltigen Entwick­lung des Luft­verkehrs" träumen?
Während dieses Papier ausser­halb der Partei auch in grün-orien­tierten Kreisen ätzende Kritik auf sich zieht, herrscht innerhalb auch dazu weit­gehend Schweigen.

Derweil ist inner­halb der ICAO auch unmit­telbar vor dem nächsten Treffen nicht absehbar, wie ein Kompromiss zustande kommen kann und wie der aussehen könnte. In der Dokumen­tation zu dem Treffen ist drei Tage vor Beginn noch kein einziges relevantes Dokument veröffent­licht, und in den einschlä­gigen Foren sind keinerlei optimis­tische Prog­nosen zu finden. Die Gefahr, dass selbst der bisher formu­lierte völlig unzurei­chende Vorschlag gar nicht oder nur als Absichts­erklärung verab­schiedet wird, ist durchaus real.

Dafür wird in der realen Welt umso deutlicher, wie dringend sofor­tiges und konse­quentes Handeln wäre. Immer mehr wissen­schaft­liche Studien belegen, dass das ambitio­niertere Ziel des Pariser Klima­abkommens, den Tempe­ratur­anstieg auf der Erde auf 1,5°C zu begrenzen, kaum noch erreichbar ist, weil die Tempe­raturen immer schneller ansteigen und dieser Wert temporär fast schon erreicht worden ist.
Was wie schnell getan werden muss, um einen Klima­wandel mit fatalen Konse­quenzen für die Mensch­heit zu verhin­dern, ist inzwischen hinläng­lich bekannt, und man kann es auch in den Doku­menten der Bundes­regierung nach­lesen (s. Grafik). Diese und andere Regie­rungen zu entspre­chendem Handeln zu zwingen, ist ein ganz anderes Problem.

Update 20.08.16:

Ein bißchen haben wir den Grünen Unrecht getan. Auch wenn sie es auf ihren Web­seiten nicht verraten, haben sie wohl doch etwas an die Presse gegeben. Sowohl die Zeit als auch die FR berichten fast gleich­lautend über eine kurze dpa-Meldung. Darin heißt es: "Die Grünen werfen der Bundes­regierung mangelndes Engage­ment für den Klima­schutz im inter­nationalen Luft­verkehr vor. Wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Bundestags­fraktion hervor­geht, hat der Bund weder in den USA noch in China darauf gedrungen, Flüge von und aus der EU in den europä­ischen Emissions­handel einzube­ziehen. Das sei ein "verheerendes Signal", sagten die Grünen-Po­litiker Stephan Kühn und Anna­lena Baerbock, der dpa."
Nun wissen wir aus eigener Erfahrung, dass das, was in Presse­erklä­rungen steht, und dass, was danach in Zeitungen erscheint, sehr verschie­dene Dinge sein können. Aber hier erscheint doch merk­würdig, dass zwei Zeitungen aus einer dpa-Meldung etwas hervor­heben, was ohne Vorkennt­nisse kein Mensch versteht. Wieso soll der Bund in den USA und in China darauf drängen, dass Flüge in den europä­ischen Emissions­handel einbe­zogen werden? Dazu muss man wissen, dass Proteste u.a. aus den USA und China dazu geführt haben, dass die eigent­lich vorge­sehene Einbe­ziehung inter­nationaler Flüge in das EU-ETS aus­gesetzt wurde, um auf eine inter­nationale Lösung durch ICAO zu warten, und dass dieser Widerstand über­wunden werden müsste, wenn die Einbe­ziehung künftig möglich sein soll. Das war aber besten­falls ein kleiner Teil­aspekt der Anfrage, und mit Sicher­heit nicht das Haupt­problem in der Antwort.
Liegt es wirklich nur an Unwillen oder Unfähig­keit der Redak­teure in Presse­agenturen und Zeitungen, dass der eigent­liche Inhalt dieses ganzen Vorgangs nicht deutlich wird?




Karte Überflug

Wirbelschleppen-Schaden in Flörsheim

Inzwischen sind Wirbel­schleppen-Schäden offenbar auch in Flörs­heim soweit Routine, dass sie es nicht einmal mehr in die Lokal­presse schaffen, wenn nichts Drama­tisches passiert ist.
Der Schadens­fall vom 15.08. jeden­falls wurde nur durch einen Facebook-Eintrag von Bürger­meister Anten­brink publik, und viel hatte der auch nicht zu berichten:
"Wieder ein Wirbel­schleppen­schaden in Flörsheim am Main. Gestern am 15. August holte eine B777 der Thai Airways Inter­national um 18:45 Uhr einige Ziegel in der Weil­bacher Straße 32 vom Dach. Dank eines Schnee­fang­gitters ist nicht mehr passiert."
Dazu noch ein Foto, das ein kleines Loch im Dach und ein paar Ziegel im Schnee­fang­gitter zeigt.

Eine genauere Betrach­tung der Umstände (s. Grafik links) ergibt auch nichts Besonderes. Der Schadens­ort liegt nahe an der Anflug­linie, der Wind kam zu diesem Zeit­punkt (am Flug­hafen) aus Nordost und lebte weiter auf, so dass die Betriebs­richtung gerecht­fertigt war, der Flieger war ein 'Heavy' und flog in der (immer noch) üblichen Höhe von weniger als 300 Meter über Boden.
Warum also überhaupt darüber berichten ?

Die scheinbare Normalität ist Teil des Skandals. Nicht nur wird nach wie vor die Gefähr­dung der Bevöl­kerung durch Wirbel­schleppen-Schäden als normales Risiko des Flug­betriebs akzep­tiert, selbst die wenigen Maß­nahmen, die das Risiko offiziell redu­zieren sollen, werden nicht umgesetzt. Der 3°-Anflug­winkel ist auch für die Nord­west­bahn immer noch die Norm, obwohl die tech­nischen Voraus­setzungen für eine Anhebung auf 3,2° längst gegeben sind. Die vorhan­denen Möglich­keiten für eine weitere Anhebung auf mindestens 3,5° zu nutzen, scheitert am Wider­stand der Flug­gesell­schaften, obwohl jeder Meter Höhe die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wirbelschleppe am Boden Schaden anrichten kann, verringert.
Das Dach­klammerungs-Pro­gramm geht weiterhin nur langsam voran und wird wegen der bekannten Mängel nie eine flächen­deckende Sicherung erreichen.

Über die tatsächlich notwendigen Maßnahmen (konsequente Vergrösserung der Überflughöhen, Reduzierung der Zahl der Überflüge) soll möglichst nicht mehr geredet werden. Umso wichtiger ist es, jeden einzelnen Vorfall, der bekannt wird, dazu zu nutzen, diese Forderungen wieder ins Gedächtnis zu rufen, auch wenn (zum Glück) nichts Schlimmes passiert ist.




UFP-Meßwerte Raunheim

Die Partikelkonzentration steigt mit der Zahl der Überflüge -
aber das beweist natürlich garnichts ...

Ultrafeinstaub: Tut sich was ?

Am 15.08. war in der Frankfurter Rundschau eine über­raschende Meldung zu lesen. Unter der Über­schrift 'Dem Ultra­feinstaub auf der Spur' wird berichtet, dass das Land Hessen "die Belastung der Bevöl­kerung mit Ultra­feinstäuben unter­suchen" will. Dazu "würden Instru­mente beschafft, um die in Koope­ration mit dem Umwelt­bundesamt erfolgten Messungen in Raunheim fortzu­setzen".
Zu den Ergebnissen dieser Messungen, die im September 2015 begonnen wurden, wird Herr Jacobi vom HLNUG zitiert mit den Worten, sie "seien bezüglich eines Zusammen­hangs mit den Über­flügen jedoch nicht ohne Weiteres aussage­kräftig". Und er warnt schon mal, "dass auch künftig valide Ergeb­nisse nicht „von jetzt auf gleich“ zu erwarten sind. Das tech­nische Aufrüsten erfordere umfang­reiche Investi­tionen, es müsste dann auch erst Erfah­rung mit den Gerät­schaften gesammelt werden".

Weiterhin erfährt man noch: "Neue Erkennt­nisse könnte auch eine vom Bund geplante Studie liefern, für die sich Hessen mit Deutsch­lands größtem Airport beworben hat. Sie soll den Einfluss eines Groß­flug­hafens auf erhöhte Konzen­trationen an Ultra­feinstaub und Ruß quanti­fizieren, hat eine Laufzeit von 27 Monaten. Die Ausschrei­bung laufe noch, heißt es aus dem Bundes­umwelt­ministerium. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen."
Aber da braucht die FR-Redak­teurin Herrn Jacobi garnicht mehr, um zu wissen: "Selbst wenn in den kommenden Jahren valide Mess­ergebnisse vorliegen, ist noch lange nicht bewiesen, wer Verur­sacher ist. Die Haupt­quelle ist Ruß aus Verbrennungs­prozessen. Das können Motoren von Autos, Schiffen oder Flug­zeugen sein, ebenso Blockheiz­kraftwerke und Heizungen."

Die Botschaft, die hier vermittelt werden soll, ist eindeutig: "Wir tun was !", und es kann sich nur noch um Jahr­zehnte handeln, bis auch etwas dabei heraus­kommt.

Warum also dieser Artikel? Zunächst scheint es sich um ein typisches Sommer­loch-Pro­dukt zu handeln. Ein aktueller Anlass ist nicht erkennbar, es gibt keine neuen Stellung­nahmen der zitier­ten Institu­tionen (und weder Wirt­schafts- noch Umwelt-Mini­sterium lassen gerne eine Gelegen­heit aus, sich aus­giebig zu feiern, wenn sie mal Gelder für öffent­liche Belange aus­geben können), es wird nicht gesagt, wann und wo die zitier­ten Äusse­rungen gefallen sind, und auch Herr Jacobi kann gut weit weg in Urlaub sein: die zitierten Floskeln kann man bei ihm wohl auch automa­tisiert abrufen.

Sollte er sich aber tatsäch­lich aktuell so geäussert haben, so kann man darin besten­falls ein Indiz sehen, dass er es auch nach einem Jahr Mess­übungen in Raunheim nicht eilig haben wird, die dort erhal­tenen Ergeb­nisse zu veröffent­lichen. Ihm genügt es, mitteilen zu können, dass er in den Daten keinen eindeu­tigen Beweis für die Rolle des Luft­verkehrs bei der UFP-Be­lastung sehen muss. Damit kann er sich beruhigt zurück­lehnen: ein Grenz­wert ist nicht über­schritten (da noch keiner exis­tiert), und ansonsten sind die Unsicher­heiten so groß, dass Nichts­tun weiter­hin gerecht­fertigt ist.
Was die Unsicher­heiten angeht, hatten wir diese Diskussion bereits im Dezember letzten Jahres mit Herrn Wirtz vom Umwelt­bundesamt, und unsere Position hat sich nicht geändert. Die vorlie­genden Daten müssen auf den Tisch, damit sie von allen Seiten einer kritischen Bewertung unter­zogen werden können. Herr Jacobi hat die wissen­schaft­liche Erkennt­nis nicht für sich gepachtet, auch andere sind in der Lage, Meßdaten zu inter­pretieren und Schluss­folge­rungen daraus zu ziehen. Was auf der Grafik oben zu sehen ist, ist sicher noch kein hinrei­chender Beweis für den genauen Zusammen­hang zwischen UFP-Be­lastung in der Atemluft und der Zahl der direkten Überflüge, aber (zusammen mit vielen Erkennt­nissen von anderen Orten) ein hinrei­chend starkes Indiz dafür, dass dringend etwas getan werden muss.

Hier wäre wohl als Nächste die Fluglärm­kommission gefordert, deutlich zu machen, dass die Region ein vitales Interesse daran hat, auch über diesen Aspekt der Belastung durch den Flug­verkehr informiert zu werden. Sie sollte in ihrer nächsten Sitzung darauf drängen, die Daten der UFP-Meß­station in Raunheim für den Zeitraum September 2015 - August 2016 umgehend zu erhalten und durch unab­hängige Exper­tInnen bewerten zu lassen. Das HLNUG hat sich durch seine extrem einsei­tigen Äusse­rungen dafür hinrei­chend disquali­fiziert.




BDL-Titelbild

Diese Wolken sind tiefschwarz. Wer's nicht glaubt,
muss nur lange genug BDL-Statements lesen ...

BDL: Jammern auf höchstem Niveau -
CETA: 100.000 unterstützen Verfassungsklage

Auf den ersten Blick haben die beiden Meldungen wenig miteinander zu tun, ausser dass sie beide am 04.08. veröffent­licht wurden: der Bundes­verband der deutschen Luft­verkehrs­wirtschaft bejammert die schwierige Situation seiner Mitglieder, und die Kampagne Verfas­sungs­beschwerde "Nein zu CETA" meldet mehr als 100.000 Unter­stützer­Innen ihrer Bürger­klage. Zusammen­hänge gibt es aber reich­lich.

Der BDL gibt sich alamiert, weil seine neuesten Statis­tiken zeigen: "Im Vergleich zu der europä­ischen und inter­natio­nalen Entwick­lung hinkt die deutsche Luftfahrt hinter­her". Ihre Wachstums­raten sind unter­durch­schnitt­lich, und sie verliert Markt­anteile. Normaler­weise ziehen Neo­liberale aus einer solchen Entwick­lung den Schluss, dass hier die Markt­kräfte am Werk sind, die die Tüchtigen belohnen und die Tran­susen bestrafen.
Nicht so Fraport-Chef Schulte: in seiner Eigen­schaft als BDL-Präsident stellt er fest, "dass die deutschen Luft­verkehrs­unternehmen im inter­natio­nalen Wett­bewerb benach­teiligt sind. Insbe­sondere sind es die einsei­tigen gesetz­lichen Rahmen­bedingungen, wie die nationalen Allein­gänge bei der Luft­verkehr­steuer, bei den Luft­sicher­heits­kosten und bei den rigi­desten Nacht­flug­beschrän­kungen, die die deutsche Luft­verkehrs­wirtschaft im inter­natio­nalen Wett­bewerb benach­teiligen".
Schuld ist die Bundes­regierung: "Flug­gesell­schaften und Flug­häfen senken ihre Kosten, um im inter­natio­nalen Wett­bewerb bestehen zu können. Aber wir warten immer noch darauf, dass die große Koalition ihr Vorhaben, die Wett­bewerbs­fähigkeit der deutschen Luft­verkehrs­wirtschaft auch bei den gesetz­lichen Rahmen­bedingungen zu stärken, in dieser Legis­latur­periode umsetzt".
Aber Verkehrs­minister Dobrindt, der ja auch sonst nichts auf die Reihe bringt, trödelt auch hier. Der BDL möchte ihm mit seinem Gejammer Beine machen, ihm aber zugleich auch mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit unter die Arme greifen.

Was Herr Dobrindt zu tun hätte, steht in zwei Papieren, für die der Ausdruck 'Gutachten' viel zu wissen­schaft­lich wäre. Das erste Papier hat sich der BDL vom sattsam bekannten Herrn Rürup verfassen lassen (und leider haben auch noch ver.di, Cockpit und UFO mitbezahlt). Es listet alles auf, was aus Sicht der Luft­fahrt-In­dustrie beseitigt gehört. Das zweite hat Herr Dobrindt selber in Auftrag gegeben, es firmiert als Grund­lagen­ermittlung für ein Luft­verkehrs­konzept. Es leiert die gleichen Gebets­mühlen ab, mit einer interes­santen Ausnahme: die 'Betriebs­beschrän­kungen', sprich Nacht­flug-Ein­schränkungen u.ä., stehen hier nicht so deutlich auf der Abschuß­liste. Hier möchte die Politik wohl aktuell nicht aktiv werden. Der BDL spielt mit und fordert (zumindest an dieser Stelle) nur, was Herr Dobrindt auch glaubt liefern zu können. Auf der Wunsch­liste stehen Abschaf­fung der Luft­verkehrs­steuer, Übernahme der Kosten für die Luft­sicherheit durch den Bund und die Revision (sprich: Verwäs­serung) der EU-Flug­gast­rechte-Ver­ordnung. Dass das weder logisch noch gerecht­fertigt ist, hat den BDL ja noch nie gestört, genausowenig wie Herrn Dobrindt.
Unlogisch ist die Behauptung, die "deutschen Airlines" seien durch diese Punkte besonders benach­teiligt, weil die jeweiligen Kosten alle Anbieter in gleicher Weise treffen. Ungerecht­fertigt sind sie, weil die Flug­gast­rechte-Ver­ordnung auch jetzt schon keine extremen Rechte für die Passa­giere vorsieht und Entschä­digungen ohnehin nur extrem selten ausge­zahlt werden, weil es keinerlei Grund dafür gibt, alle Steuer­zahler für die Sicher­heit der Exklu­siv-Ver­anstaltung Flug­verkehr zur Kasse zu bitten, und weil die Luft­verkehrs­steuer nicht einmal 10% der Summe einbringt, die der Staat an Subven­tionen für den Luft­verkehr ausgibt. Das Umwelt­bundes­amt hatte schon für 2010 berechnet, dass der Verzicht auf Kerosin- und Mehr­wert-Steuer den Flug­verkehr mit über 10 Milliar­den Euro subven­tioniert, das ARD-Magazin Plus­minus schätzt die Summe aktuell auf 11,8 Mrd. €.
Das nationa­listisch gefärbte Getöse dient an dieser Stelle aber auch nur dazu, zu recht­fertigen, dass dem deutschen Steuer­zahler in die Tasche gegrif­fen werden soll. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt des Gesamt­projekts.

Flaggen

Mit all diesen Staaten möchte die EU Luftverkehrsabkommen abschließen

Beim Durch­sehen der BDL-Ta­bellen, die die Aussagen belegen sollen, fällt auf, dass immer nur relativ argumen­tiert wird. Es geht um Markt­anteile und Wachstums­raten, fast überall gibt es nur Prozent­sätze, selten absolute Werte. Das hat seinen Grund: würden die Änderungs­raten in Relation zu den absoluten Größen darge­stellt, würde deutlich, dass der BDL sich benimmt wie ein Erwach­sener, der sich darüber beklagt, dass ein Klein­kind schneller wächst als er. Europa hat, trotz des Wachstums in Asien und am Golf, immer noch einen weit über­propor­tiona­len Anteil am Welt­luft­verkehr, und inner­halb Europas sind die deutschen Airlines nach denen aus Groß­britan­nien und Irland die größten Player. Dieses histo­risch gewachsene Über­gewicht soll nicht nur verteidigt, sondern auch möglichst wieder ausge­baut werden. (Um das Bild fortzu­führen: Der Erwachsene möchte wenn schon nicht bei der Grösse, dann zumindest beim Gewicht mehr zulegen als das Klein­kind. Dass das lang­fristig nicht gut gehen kann, ist offen­sicht­lich.)

Der Weg dazu ist die Aviation Strategy der EU. Wie unten bereits erläutert, geht es dabei haupt­sächlich darum, mit einem Bündel von bilate­ralen Luft­verkehrs­abkommen globale Wachstums­märkte für die europä­ische Luft­verkehrs­wirtschaft zu erschlies­sen, indem Zugangs­beschrän­kungen aufge­brochen und nationale Schutz­mecha­nismen (genannt 'Protek­tionis­mus') beseitigt werden. In diesem Sektor ist es die EU, die besonders aggressiv vorgeht. So hat erst kürz­lich der Direktor der General­direktion 'Mobi­lität und Verkehr (MOVE)' der EU-Kom­mission in einer Rede vor dem Inter­national Aviation Club in Washing­ton gefordert, den Luft­verkehr voll­ständig in das TTIP-Ab­kommen einzu­beziehen. Was die EU als Gegen­leistung für freieren Markt­zugang anbieten würde, hat er nicht gesagt, aber es steht in den einschlä­gigen EU-Studien: die Aufhe­bung handels­hemmen­der Betriebs­beschrän­kungen, wie z.B. Nacht­flug­verbote.
Auch in anderen Bereichen, wie etwa den sog. Partner­schafts­abkommen mit afrika­nischen Staaten, steht die EU bei 'Libera­lisie­rungen' an vorderster Front. Generell sind sich EU, USA und Kanada aber einig, ihre jeweilige Frei­handels-Agenda mit bilate­ralen Verträgen durchzu­setzen und UN-Orga­nisationen, in denen Entwick­lungs- und Schwellen­länder zuviel Einfluss haben, an den Rand zu drängen. So wird nicht nur die sog. Doha-Ent­wicklungs­runde der Welt­handels­organisa­tion WTO praktisch beerdigt, die UN-Orga­nisation für indus­trielle Entwick­lung UNIDO finanziell ausge­trocknet und die UN-Konferenz für Handel und Entwick­lung UNCTAD nur mit Mühe am Leben gehalten, auch die ICAO darf zum Thema Wett­bewerb nur unter­schied­liche Auffas­sungen zu Protokoll nehmen, auch wenn sie noch tapfer daran festhält, den heftig kriti­sierten Rahmen für ein multi­laterales Abkommen zu Libera­lisie­rung weiter zu entwickeln, obwohl der Zeitplan schon ziemlich durch­einander gekommen und keineswegs klar ist, wer ein solches Abkommen überhaupt noch anwenden würde.

Logo Verfassungsbeschwerde

CETA auszu-X-en ist notwendig, aber man sollte
sich keinesfalls nur auf den Rechtsweg verlassen.

Und damit wären wir endlich bei der zweiten Nach­richt. Die Umset­zung des Frei­handels­abkommens mit Kanada, CETA, ist der nächste große Schritt in der EU-Strategie. Die Kommis­sion hat nur scheinbar einen Rück­zieher gemacht mit dem Zuge­ständnis, CETA als sog. gemischtes Abkommen einzu­stufen, so daß auch die natio­nalen Parla­mente darüber abstimmen dürfen. In ihrem Vorschlag für die vorläu­fige Anwen­dung von CETA besteht die Kommis­sion auf ihrer Rechts­auffas­sung, dass praktisch alle Bestand­teile des Vertrags in ihre aus­schließ­liche Kompetenz fallen. Das hat unmit­telbare Auswir­kungen, denn alle diese Bestand­teile können, wenn der EU-Minis­terrat und das Europä­ische Parla­ment zustimmen, unmit­telbar 'vorläufig' in Kraft gesetzt werden. Worüber die natio­nalen Parla­mente dann über­haupt noch abstimmen dürfen, bleibt bisher noch unklar. (Der offi­zielle deutsche Vertrags­text steht übrigens auch erst seit dem 05.07. zur Verfü­gung und ist im Anhang 1 zu diesem Vorschlag versteckt.)
Aber selbst wenn die beson­ders umstrit­tenen Investi­tions­schutz-Regeln zunächst nicht ange­wendet würden, wäre damit nicht viel gewonnen. Die Roadmap der Kommis­sion für die Einfüh­rung des vorge­sehenen Investi­tions-Schieds­gerichts sieht ohnehin noch einen längeren Zeit­rahmen vor. Wichtiger ist, dass die vorge­sehenen Gremien zur 'regula­torischen Koope­ration' und andere Sonder­ausschüsse, die insbe­sondere die "beschwer­lichen nicht­tarifären Handels­hemmnisse" besei­tigen sollen, einge­richtet und tätig werden können.

Politischen Wider­stand aus den Institu­tionen hat die Kommis­sion bisher kaum zu erwarten. Die großen Player im Rat, inklusive Merkel und Gabriel, sind für das Abkommen, und auch die große Koalition im EU-Par­lament steht bisher. Der Vorsitzende des zuständigen Aus­schusses, der deutsche SPD-Parla­mentarier Lange, hat in einer Synopse zusammen­gestellt, was im Zuge der weiteren parla­menta­rischen Behand­lung (nach der vor­läufigen Inkraft­setzung!) viel­leicht noch verbessert werden könnte, stellt aber die Zustim­mung nicht grund­sätz­lich in Frage. Kurz gesagt: Auch die Sozial­demo­kraten im Europa-Par­lament sind bereit, den Gift­becher zu trinken, sie möchten nur noch ein wenig an der Geschmacks­note feilen.

CETA-TTIP Demo

Da sollten gerade auch Fluglärm-Gegner hin !

Wenn CETA noch verhindert werden soll, muss daher der ausser­parlamen­tarische Druck noch deutlich zunehmen. Die geplanten Verfassungs­beschwer­den (neben der oben genannten gibt es noch zwei weitere) sind sicher ein gutes und notwen­diges Mittel, aber man sollte sich auf keinen Fall auf den Rechts­weg verlassen. Viel wichtiger ist es, dass die geplan­ten Demon­stra­tionen am 17. September deutlich machen, dass der Wider­stand in der Bevöl­kerung gegen CETA, TTIP & Co. keines­wegs nach­gelassen hat, sondern ständig weiter zunimmt. Und das Bündnis der Bürger­initia­tiven hat besonders gute Gründe, sich an diesem Wider­stand zu betei­ligen.
CETA ist nicht nur fester Bestand­teil der Freihandels­offensive der EU, die auch im Luft­verkehr zu immer mehr Wachstum und damit immer mehr Belas­tungen führen soll. Es enthält auch eine ganze Reihe von Bestim­mungen zur weiteren Liberali­sierung des Luft­verkehrs­sektors, obwohl die EU bereits 2009 ein bilate­rales Luft­verkehrs­abkommen mit Kanada geschlossen hat, das die Grund­lagen dafür schon gelegt hat. Zwar geht ein eigens dafür erstelltes Kurzgut­achten des Fach­bereichs Europa des Bundes­tages davon aus, dass das Nachtflug­verbot in Frankfurt über CETA nicht direkt ange­griffen werden kann. Ob der Autor aber die komplexen juris­tischen Rege­lungen richtig inter­pretiert, würde im Zweifels­fall dann doch erst ein Schieds­gericht (oder eben einer der berüch­tigten Schlichtungs­ausschüsse) entscheiden. Vor allem aber liegt die Gefahr darin, dass über die "regula­torische Koope­ration" dieses Abkommen "weiter­entwickelt" werden kann und not­wendige Auswei­tungen der Schutz­vorschriften in Frage gestellt werden können.

Logo

Immerhin begreifen auch die Gewerk­schaften zunehmend, dass die neo­liberale Offen­sive ihre Mit­glieder immer mehr gefährdet. Hatte sich die Betriebs­rätekon­ferenz deutscher Flug­häfen im April noch sozial­partner­schaft­lich einbinden und sich ihre Abschluss­erklärung von Herrn Rürup und dem BDL diktieren lassen, klangen bei der Protest­aktion im Juni auch andere Töne an. Und das Weißbuch 'Fairer Verkehr Europa' und die darauf basierende Kampagne 'Fair Transport' machen schon sehr deutlich, dass die bishe­rigen Liberali­sierungen zu massivem Sozial­dumping geführt haben und zunehmend umfas­sender Arbeits­rechte und Sozial­standards gefährden.

PDF-Logo
Am 17. September gibt es also wirklich mal die Gelegen­heit, dass Flug­lärm­gegner­Innen und Flug­hafen-Beschäf­tigte gemeinsam demon­strieren können - wenn das kein Grund ist, dabei zu sein !

Und weil dieser Text ziemlich lang geraten ist, kann er ausnahms­weise auch mal zum in Ruhe nachlesen als PDF-Dokument herunter­geladen werden (Symbol anklicken).

Update 12.08.16:

Aufgrund erster Rückmeldungen haben wir im obigen Text ein paar kleine Fehler verbessert sowie falsche oder fehlende Links korrigiert.
Als (nicht wirkliche) Neuigkeit gibt es noch ein Interview mit Minister Gabriel zu erwähnen, in dem er nochmal seine Begeisterung für CETA kundtut und prognos­tiziert, dass die SPD der vorläufigen Inkraft­setzung zustimmen werde. Seine Begrün­dung: "Das Abkommen mit Kanada liegt ja in seiner deutschen Übersetzung vor. Wer liest, was da alles erreicht wurde, kann eigentlich nicht ernsthaft dagegen sein, es zu verab­schieden". Das ist selbst für seine Verhält­nisse eine besondere Frechheit. Seit dem 05.07. liegen die mehr als 2.200 Seiten zwar in deutsch vor, aber es gibt keinerlei Hilfen, die es erlauben würden, den kompliziert struktu­rierten, über viele Anhänge verteilten juris­tischen Text irgendwie auch nur zu über­blicken, geschweige denn zu verstehen. Er darf getrost davon ausgehen, dass fast alle, die bei der SPD-Tagung abstimmen werden, nur darüber zu ent­scheiden haben, wem sie glauben möchten. Eine fundierte Meinungs­bildung auf der Basis eines wirk­lichen Verständ­nisses dessen, was zur Ent­scheidung ansteht, ist weder in der SPD noch sonst gefragt.




LH Klimamacher

Fällt nicht nur beim Lärmschutz, sondern auch beim Klimaschutz ständig unangenehm auf - die Lufthansa

Kein Klimaschutz im Luftverkehr ?

Obwohl weitgehend bereits Sommer­pause herrscht, gibt es einige Neuig­keiten von inter­natio­naler und europä­ischer Ebene, die nichts Gutes verheissen. So hat die EU-Kommis­sion am 20.07. eine EU-Stra­tegie für emissions­arme Mobi­lität veröffent­licht, die zwar einiges Sinn­volle zum Strassen­verkehr enthält, aber für den Bereich der Luftver­kehrs-Emis­sionen nur auf die Unter­stützung der ICAO-Ver­handlungen verweist. Wie bereits berichtet, sind davon aber auch im besten Fall keine ausrei­chenden Maß­nahmen zu erwarten, um die Luftver­kehrs-Emis­sionen auch nur zu bremsen, geschweige denn ange­messen zu redu­zieren.
Während die EU sich über das Ergebnis ihrer Konsul­tation zur 'Reduzie­rung der Klima­wirkungen des inter­natio­nalen Luft­verkehrs' auch zwei Monate nach Abschluss weiter aus­schweigt (die Ergeb­nisse sind als für die Öffent­lichkeit "nicht verfügbar" gekenn­zeichnet), lädt ICAO zu immer neuen ausser­plan­mäßigen Meetings ein, um doch noch einen vorzeig­baren Kompromiss zu erreichen. Das nächste der­artige Treffen am 22./23. August nennt sich Friends of the President Meeting (Freunde des 'film noir' mögen sich an Friends of Carlotta erinnert fühlen und viel­leicht sogar Parallelen entdecken). Ziel ist, die Ergeb­nisse der bilate­ralen und multila­teralen Konsulta­tionen der letzten Wochen auszu­werten und einen Kompro­misstext für die nächste ICAO-Rats­tagung Ende August zu entwickeln.

Kampagnen-Logo

Logo der Kampagne:
Nein zum Ausbau des Flugverkehrs!
Keine Klima-Scheinlösungen!

Wer sich in den Stand der Verhand­lungen vertiefen möchte, findet Material auf der Online-Platt­form GreenAir Online, u.a. eine Analyse der Ergeb­nisse des letzten ICAO High Level Meetings, sowie eine Beschrei­bung der Kern­probleme aus Sicht einer NGO, die die Verhand­lungen sehr konstruktiv verfolgt.
Andere NGOs haben die Hoff­nung bereits aufge­geben (oder nie gehabt) und rufen dazu auf, das Vorgehen der ICAO als 'Green­washing' zu verur­teilen. Das 'klima­neutrale Wachstum' wird in der Kampagne noch einmal eigen­ständig gewür­digt (Vorsicht, Satire).
Die Lobby-Orga­nisation der europä­ischen Airlines A4E drängt dagegen darauf, die ICAO-Maß­nahmen, unab­hängig davon, wie schwach die Beschlüsse im Oktober auch ausfallen werden, als die einzig erlaubte Klima­schutz-Maß­nahme festzu­legen und damit auch das euro­päische Emissions­handels­system EU-ETS auszu­hebeln.
Ein führendes Mitglied dieses Vereins, die Lufthansa, fällt nicht nur durch beson­dere Igno­ranz auf, sondern führt die ICAO-Prog­nosen auch durch beson­ders schlechte Perfor­mance ad absur­dum. Wähend ICAO beim spezi­fischen Treib­stoff­verbrauch (Menge pro Per­sonen- bzw. Tonnen-Kilo­meter) von einem jähr­lichen Rückgang von 2% ausgeht, meldet die Luft­hansa-Gruppe in ihrem Nach­haltig­keits­bericht für 2015 einen Rückgang von 0% im Personen­verkehr und sogar eine Zunahme von 1,9% im Fracht­verkehr. Und das, obwohl die Airlines der Gruppe dem aktuellen Standard sowieso hoff­nungslos hinterher hinken und im atmosfair Airline Index 2015 Plätze von 68 abwärts belegen.

Derweil muss die WMO fest­stellen, dass der Klima­wandel in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 erneut alle Rekorde bricht und die Erwärmung wesent­lich schneller von­statten geht als vorher­gesagt. Das Pariser Klima­abkommen vom Dezember 2015 ist noch nicht einmal in Kraft getreten, aber die darin formu­lierten Ziele sind teilweise bereits Makulatur. Den Temperatur­anstieg auf 1,5°C zu beschränken mit Maß­nahmen, die ab 2020 erst allmählich in Kraft treten, ist unmög­lich, wenn bereits heute 1,3°C erreicht sind, und auch die Begrenzung auf maximal 2°C ist ausser Reichweite angesichts der Tatsache, dass die Ambi­tionen ehemaliger Vorreiter im Klima­schutz zunehmend den aktuellen Krisen geopfert werden.




Grafik 'Segmented Approach'

Schallschutz durch Lärmverschiebung: mehr Gewinner als Verlierer?

Fraport-Schallschutz

Alle halbe Jahre veröffent­licht Fraport ein Broschür­chen, dass sich hoch­trabend "Schall­schutz­bericht" nennt. In der jüng­sten Aus­gabe wird der Zeitraum des Winter­flug­plans 2015/2016 abge­handelt.
Relevante Infor­mationen finden sich darin nicht, aber ein paar Details, die insbe­sondere vor dem Hinter­grund der jüngsten Attacken gegen die Nacht­flug-Ein­schränkungen von Interesse sind (s. Meldung unten).

So schreibt die gleiche Frau Giesen, die jetzt unbedingt eine Aufwei­chung der Beschrän­kungen durch­setzen will, im Vorwort noch freund­lich lächelnd: "Und nicht zuletzt haben wir in Frank­furt mit der Nacht­flugbe­schränkung von 23 bis 5 Uhr eines der schärf­sten, aber auch wirksam­sten Instru­mente des aktiven Schall­schutzes akzep­tiert". Dummes Geschwätz von gestern?
Zugleich ist in der Zusammen­fassung nachzu­lesen, dass die Zahl der Flug­bewe­gungen zwar weiter gesunken ist, aber "nachts rund zwei Prozent über dem Vergleichs­zeitraum des Vorjahres" lag. Fraport schiebt also einen immer größeren Anteil der Flug­bewe­gungen in die Nacht und wundert sich dann, wenn es bei schlechtem Wetter mal eng wird.

Ansonsten werden weitgehend die gleichen Phrasen gedroschen wie letztes Jahr, nur das Wetter sorgt für Abwechs­lung. Statt "Hoher Ost­betriebs­anteil prägt Dauer­schall­pegel" heißt es nun "Redu­zierter Ost­betriebs­anteil prägt Dauer­schall­pegel". Da kann man doch endlich mal mit anderen Prozent­sätzen jong­lieren und über andere Wirkungs­zusammen­hänge speku­lieren.
Auch die Schallschutz­maßnahme der Saison ist eine andere: statt der unsäg­lichen "Lärmpausen" wird diesmal der "Segmented Approach", d.h. das Umfliegen grösserer Siedlungs­gebiet im Anflug, beschrieben. Auch das ist eine Lärm­verschie­bungs-Maß­nahme und hat daher, da es im Rhein-Main-Gebiet praktisch keine unbesie­delten Flächen mehr gibt, Gewinner und Verlierer. Man kann also darüber streiten, ob man so etwas hier sinnvoll findet oder nicht. Zwei Dinge sind dabei aller­dings sicher: sollte die Maßnahme jemals eingeführt werden (im Augenblick wird nur getestet), wird der Fluglärm­index sinken, und das sieht allemal gut aus; und zweitens wird sich für Raunheim nichts verbessern, denn bei dieser Technik müssen die Flieger über Raunheim bereits auf dem geraden Endanflug sein.




Flugspuren Nacht

So etwas möchte Fraport auch noch nach Mitternacht erlaubt haben.

Fraport wird dreist

Konnte man die bisherigen Attacken des Fraport-Vor­standes selbst gegen die kümmer­lichen Versuche der Landes­regie­rung, ein bißchen mehr Lärmschutz zu organi­sieren, noch als übliches Lobby-Ge­plänkel abtun, so haben die aktuellen Angriffe auf das Nacht­flug­verbot eine neue Qualität. Fraport nimmt das selbst­verschul­dete Versagen in einer Aus­nahme­situation zum Anlass, neue Ausnahme­rege­lungen zu fordern.

Was war passiert? Am Freitag, den 22.07., tobten sich abends, wie bereits lange vorher prognos­tiziert, schwere Gewitter über dem Rhein-Main-Gebiet aus. Aufgrund des völlig verkork­sten Bahn­systems (eine Bahn nur für Landungen, eine nur für Starts in eine Richtung) war Fraport von den dadurch hervor­gerufenen Einschrän­kungen besonders stark betroffen, so dass 76 geplante Starts nicht wie vorge­schrieben vor 23:00 Uhr erfolgen konnten. Die Landes­regierung erteilte für alle diese Flüge Ausnahme­genehmi­gungen für die Abwick­lung zwischen 23:00 und 24:00 Uhr. Fraport schaffte es in dieser Zeit aber ledig­lich, 35 Starts abzuwickeln.
Die Folgen lesen sich in der Fra­port-Presse­mittei­lung so: "Obwohl die Passa­giere in den Flug­zeugen schon bis zu einer Stunde auf dem Vorfeld auf den Start warten mussten, gab es keine erweiterte Geneh­migung für einen Start nach 24 Uhr. So mussten insgesamt 25 Maschinen - darunter auch zahl­reiche Lang­strecken­flüge - mit insgesamt rund 7.000 Passa­gieren wieder zurück auf die Posi­tionen. Dort stiegen die Passa­giere unter teils heftiger Kritik und großem Wider­stand wieder aus. Viele hundert Passa­giere mussten anschließend die Nacht auf Feld­betten oder den Sitz­bänken am Flughafen ver­bringen."

Fraport versucht im Weiteren, sein eklatantes Versagen mit dem Hinweis auf büro­kratische Sturheit seitens der Aufsichts­behörde zu vertuschen. Die Fakten sprechen eine andere Sprache.
Die recht­liche Situation musste Fraport bekannt sein: die Betriebs­genehmigung erlaubt keine Starts nach 24:00 Uhr aufgrund von Wetter­beding­ungen, es gibt da auch für die wohl­wollend­ste Behörde keinen Spiel­raum. Trotzdem hat Fraport nach eigenen Angaben 58 Flug­zeuge nach 23:00 Uhr zum Start auf das Vorfeld geschickt, wohl wissend, dass die selbst unter idealen Beding­ungen unmöglich alle in der vorge­gebenen Zeit starten konnten. Auch die Behaup­tung, "mit nur 30 Minuten verläng­erten Start­genehmi­gungen" hätte das Problem vermieden werden können, ist vor diesem Hinter­grund Unsinn. Wenn in 60 Minuten nur 35 Starts bewältigt werden konnten, wie sollen die verblie­benen 23 in 30 Minuten möglich sein?
Dass unter den ausge­fallenen Flügen "auch zahl­reiche Lang­strecken­flüge" waren, hat sich Fraport eben­falls selbst zuzu­schreiben. Von den 35 Starts nach 23:00 Uhr waren 9(!) Kurz­strecken­flüge zu Zielen, die die leidenden Passa­giere leicht mit dem Zug zurück­legen könnten. Auch von den 22 Starts zwischen 22:00 und 23:00 Uhr waren 4 für Kurz­strecken, die ohne große Probleme ersetzt werden könnten.
Hätte man diese 13 Flüge recht­zeitig gecancelt und den Passagieren Tickets für entspre­chende Züge angeboten, hätte sicher­lich ein Teil des Problems vermieden werden können.

Gewitter sind im Sommer nicht selten und werden künftig noch häufiger werden. Ein Flughafen, dessen Kapa­zität so empfind­lich von den Wetter­beding­ungen abhängt wie FRA, muss deshalb Notfall­pläne parat haben, mit denen auch längere Einschrän­kungen bewältigt werden können. Dazu gehört dann eben auch, recht­zeitig Alter­nativen anzu­bieten und eine grössere Anzahl von Passa­gieren ange­messen unter­bringen zu können, wenn sie nicht weiter­kommen.
Die Aufsichts­behörden haben aktuell keine Hem­mungen, die Bevölke­rung rund um den Flughafen auf Wunsch von Fraport eine Stunde länger dem Lärm auszu­setzen und die ohnehin viel zu geringen Nacht­flug­beschrän­kungen noch um eine weiter Stunde auf 5 Stunden Schlaf­zeit zu ver­kürzen. Dazu setzen sie mit der Erlaubnis, sich nicht an Flug­routen halten zu müssen und Gewitter irgendwie zu umfliegen (s. Grafik), auch Gegenden dem Lärm aus, die nicht einmal über den rudimen­tären passiven Schall­schutz verfügen, der den Anwohnern unter den Flug­routen zuge­standen wird.
Hier noch mehr Frei­heiten für die Lärm­verursacher einzu­fordern und die Betrof­fenen noch mehr zu belasten, ist eine Frechheit. Der Luftverkehr ist keine hoch­herr­schaft­liche Angele­genheit mehr, sondern eine Fort­bewegungs­art wie jede andere auch. Wer sie in Anspruch nimmt, muss mit den spezi­fischen Einschrän­kungen leben, die dabei auf­treten können. Fraport wäre in der Pflicht, die Passagiere darauf hinzu­weisen und gleich­zeitig für solche Fälle besser vorzusorgen, anstatt zu versuchen, ihre Probleme bei anderen abzuladen.

Laut Fraport-PM gerät durch die Vorfälle von Freitag Nacht die "Repu­tation von Frankfurt und Deutsch­land unter Druck". Das ist natürlich der ganz große Knüppel, den groß­mäulige PR-Leute gerne schwingen, wenn ihnen gar keine Argu­mente mehr einfallen. Wenn hier Repu­tation in Gefahr sein könnte, dann die eines Manage­ments, dass seine Unfähig­keit mit Arroganz und Dreistig­keit zu verdecken versucht. Aber sie können beruhigt sein: was nicht vorhanden ist, kann auch nicht in Gefahr geraten.
Politik und Öffent­lichkeit müssen diese dreiste Anmaßung zurück­weisen. Die Forderung bleibt weiterhin: Nacht­flugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr, und Ausnahmen nur für medizi­nische Notfälle oder Vergleich­bares.

Update 16.07.16:

Eine präzise Beschreibung der Abläufe auf dem Flughafen am Freitag, den 22.07.16, liefert die Presse­mittei­lung des Verkehrs­ministe­riums. Angesichts der unter­schied­lichen Versionen in den diversen Presse­berichten ist es sehr nützlich, sich auf diese Quelle beziehen zu können.

Nach der Fraport hat sich auch die Lufthansa zu Wort gemeldet und mitge­teilt, dass sie "am vergang­enen Freitag wegen der schlechten Witterungs­beding­ungen 50 Flüge mit 8000 Passa­gieren streichen" musste, darunter "fünf Lang­strecken­flüge ... mit allein 1800 Flug­gästen". Sie fordert deshalb, dass künftig "alle Flugzeuge, die recht­zeitig ihre Park­position verlassen hätten, auch tatsäch­lich starten dürfen". (Eine offi­zielle Stellung­nahme für die Öffent­lich­keit gibt es nicht, man muss sich darauf verlassen, dass die FR richtig zitiert.)
Das ist noch ein Stück dreister als die Fraport-For­derung: Alles, was irgendwie aufs Vorfeld geschafft werden kann, soll dann auch starten dürfen, egal, wie spät es wird. Für die Anwohner würde das bedeuten, dass sie die ganze Nacht mit weiteren Starts rechnen müssten. Auch das Gejammer über die armen Lang­strecken-Rei­senden, die am Boden bleiben mussten, ist eine Frech­heit. Fünf LH-Lang­strecken­flüge mussten u.a. deshalb zurück, weil sieben LH-Kurz­strecken­flüge, darunter nach Stuttgart, Düssel­dorf und Hamburg, offenbar für LH eine höhere Priorität hatten!

Die Reaktionen der hessischen Politik sind im Wesent­lichen die üblichen. CDU und Grüne überlassen alle Stellung­nahmen dem zustän­digen Verkehrs­ministe­rium, das zwar einer­seits erklärt, "Die Regeln des Nacht­flug­verbots werden nicht aufge­weicht", anderer­seits aber eine Arbeits­gruppe mit Fraport ein­richtet, um zu beraten, "ob sich die Abläufe am Flughafen noch weiter opti­mieren lassen". Will der Staats­sekretär da tatsäch­lich nur der Fraport erklären, wie man einen Flughafen betreibt?
Die SPD argumentiert (laut FR) rein formal und meint, wenn Fraport eine Änderung wolle, könne sie "eine Änderung des Plan­fest­stellungs­beschlusses beantragen", dann müssten ja alle Interessen neu abgewogen werden. Es klingt, als sei ihr ganz egal, was dabei heraus­kommt. Die FDP wird (nach der gleichen Quelle) deutlicher und macht wie immer klar, dass die Inter­essen der Wirtschaft Vorrang vor allem anderen haben müssen. Lediglich die Links­fraktion weist die Fraport-For­derung klar zurück und unterstützt die Forderung der Bürger­initia­tiven nach einer Ausweitung der Beschrän­kungen zu einem echten Nacht­flugverbot von 22:00-06:00 Uhr.
Die Position des Bündnisses der Bürger­initia­tiven zu dem Vorgang erläutert Sprecher Dietrich Elsner in einem FR-Interview sehr präzise.

Update 31.07.16:

Da die Hinter­gründe und Verant­wortlich­keiten für das Chaos am Flughafen in der öffent­lichen Diskussion selten klar benannt wurden, haben wir mit einer eigenen Presse­mittei­lung die beiden wichtigsten Aspekte noch einmal betont: die Lufthansa hat bei der Auswahl der Flüge, die starten konnten, die Priorität eindeutig nicht auf das Wohl der Passa­giere, sondern auf die geringst­mögliche Störung der eigenen Betriebs­abläufe gelegt, und der Flughafen wurde über­wiegend nicht durch Gewitter, sondern durch Nordwinde in seiner Start­kapazität einge­schränkt, wofür Fraport trotz der lange bekannten Proble­matik offensicht­lich keine ausreichenden Notfall­pläne hat.
Das wurde ansatzweise in der Bericht­erstattung der Frank­furter Rund­schau, etwas umfas­sender in der Main-Spitze aufge­nommen.

Auch das Bündnis der Bürger­initia­tiven hat sich noch einmal umfassender geäussert, und auch die Hessen­schau berichtet über diverse Reaktionen in einem zweiten Artikel.

Update 05.08.16:

Wie das Ministerium in einer Presse­mittei­lung wissen läßt, hat die angekün­digte Arbeits­gruppe getagt und "ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es notwendig ist, in solchen Ausnahme­situa­tionen bereits bei der Beantra­gung von Ausnahme­genehmi­gungen seitens der Luft­verkehrs­gesell­schaften eine Priori­sierung vorzu­nehmen. Dies soll dazu bei­tragen, dass möglichst viele Fluggäste vor Eintritt des Nacht­flug­verbots starten können". Daraus könnte man eine Bestä­tigung heraus­lesen dafür, dass erstens zu viele Ausnahme­genehmi­gungen erteilt wurden und zweitens die falschen Flugzeuge gestartet sind. So deutlich will das aber natür­lich keiner der Betei­ligten sagen. Wir fühlen uns trotzdem in unserer Kritik bestätigt.
Weiterhin "stellt die Arbeits­gruppe fest, dass die operativen Abläufe im Zusammen­hang mit der seit nunmehr nahezu fünf Jahren bestehenden Nacht­flug­regelung weitest­gehend optimiert worden sind". Das klingt fast so, als wolle Fraport die Forde­rung nach einer weiteren Einschrän­kung der Nacht­flugbe­schränkungen fallen lassen. Da sollten wir uns aber nicht zu früh freuen: wenn irgend etwas, dann haben sie höchstens eingesehen, dass das nicht der richtige Anlass für diese Forderung war.




Titel RMI-Wissenschaftsforum

Nicht nur der Titel war anspruchsvoll ...

Mehr Lärmschutz durch neues Gesetz ?

Als das novellierte Fluglärm­schutzgesetz 2007 verabschiedet wurde, hat der Gesetzgeber der Bundes­regierung aufge­geben, alle 10 Jahre zu berichten, ob das Gesetz seinen Zweck erfüllt. Im nächsten Jahr ist daher der erste Bericht fällig. Aus diesem Anlass hat das Rhein-Main-Institut, unter­stützt von der Initiative "Zukunft Rhein-Main", zu einem Wissenschafts­forum eingeladen. Ziel war, den "aktuellen Stand der Lärm­wirkungs­forschung" zusammen­zufassen und daraus "Schluss­folgerungen" für "gesetz­geberische Vorgaben für Fluglärm­grenzen" zu ziehen - ein anspruchs­volles Programm für knapp fünf Stunden.

Den Auftakt machte der Frank­furter OB Feldmann, dessen Grusswort einen zwiespäl­tigen Eindruck hinter­liess. Positiv war (neben der Tatsache, dass er überhaupt da war) seine Betonung des Prinzips "Gesund­heit geht vor Profit" und daraus abgeleitet die Forderung, dass die geplante Lärmober­grenze für den Flughafen Frankfurt den Deckel bei der jetzigen Lärmbelastung setzen und dafür sorgen müsse, dass es künftig leiser wird. Er meinte sogar, dafür müssten auch Betriebs­beschrän­kungen möglich sein, erweckte dabei aller­dings auch die Illusion, als könne oder wolle die aktuelle Frank­furter Stadt­regierung aus CDU, SPD und Grünen für so etwas eintreten. Im zweiten Teil seiner Rede kritisierte er den Flughafen allerdings aus einem ganz anderen Blickwinkel. Er benutzte das Schlagwort von der "Shopping Mall mit Kerosin-Tank­stelle", um sich zu beschweren, dass das Shopping auf FRA nicht effektiv genug organisiert sei, und er lobte die EU-Kom­mission, allen voran den deutschen Kommissar Oettinger, für ihre Luft­fahrt­strategie, die dafür sorgen müsse, dass FRA keine Markt­anteile an die Konkur­renz in der Türkei und am Golf verliert. Am Schluss schien er sich sogar noch darüber zu wundern, dass der Beifall für diesen Beitrag äusserst verhalten ausfiel.

Danach aber gings zur Sache: Fünf Lärm­wirkungs­forscher fassten zusammen, was die Forschung der letzten Jahre an Erkennt­nissen über die Wirkung von Fluglärm auf die Gesundheit der Menschen gewonnen hat. Es bestand große Einigkeit darüber, dass das gegen­wärtig erreichte Schutz­niveau gesundheit­liche Schädigungen nicht verhindert und erst recht nicht vor "erheb­lichen Nach­teilen und erheb­lichen Belästi­gungen" schützt, wie § 1 eigentlich verlangt.
Die Vielzahl von Einzel­fakten, die vorge­tragen wurden, lässt sich hier nicht wiedergeben. Einen Überblick über die Inhalte gibt das Presse-Handout der Veranstalter, eine vollständige Dokumentation der Veranstaltung soll in Kürze verfügbar sein. Besonders interes­sant erscheint hier die von mehreren Referenten gezogene Schluss­folgerung, dass der äquivalente Dauer­schall­pegel in seiner bisherigen Form alleine kein geeignetes Maß für die vorhandene Belastung sein kann und die Häufigkeit von Flug­lärm­ereignissen stärker einbezogen werden müsse.
Bei aller Einigkeit gab es allerdings auch Differenzen. So kritisierte Prof. Münzel aus Mainz den ebenfalls anwesenden Leiter der NORAH-Studie, Prof. Guski, mit deutlichen Worten für den geduldeten Mißbrauch der Ergebnisse dieser Studie und die immer weitere Verzögerung der Veröffent­lichung der wissenschaft­lichen Grundlagen. Diesen Beitrag würde man sich als Wort­protokoll wünschen.

Nach der Mittagspause ging es dann um die politischen Schluss­folgerungen aus den medizi­nischen Befunden. Herr Myck vom Umwelt­bundesamt stellte den Prozess der Evaluation des Gesetzes dar und erläuterte die beiden Forschungs­aufträge, die an das Öko-Institut vergeben wurden und zu denen bereits ein Bericht vorliegt, sowie eigene Aktivi­täten. Er versicherte, dass das UBA alle Anregungen von Beteiligten in seinen Bericht einfliessen lassen werde und rief dazu auf, von dieser Möglichkeit regen Gebrauch zu machen. Prof. Lercher beschrieb den ebenfalls gerade statt­findenden Prozess des Updates der WHO-Flug­lärm­richtlinie, und die Rechts­anwältin Heß aus Leipzig fasste in einem fulminanten Beitrag zusammen, was aus ihrer Sicht mindestens in die anstehende Novel­lierung einfliessen müsste.
Man hätte mit dem Gefühl nach Hause gehen können, dass hier einiges in Bewegung ist - wären da nicht die häufigen Hinweise gewesen, dass auch ein noch so guter Vorschlag des UBA, der immerhin möglich erscheint, noch durch den Filter des zuständigen Umwelt­ministeriums, die Ressort-Abstimmung mit dem Verkehrs-, dem Wirtschafts- und den anderen Bundes­ministerien und letztlich durch Bundestag und Bundesrat muss. Und aus den Erfahrungen der Vergangen­heit heraus ergibt sich das ungute Gefühl, dass auf diesem Weg der Einfluss der Luft­verkehrs­lobby immer entschei­dender werden wird - es sei denn, der politische Druck durch die Flug­lärm-Be­troffenen wird wesentlich grösser, als er derzeit ist.

Aber das ist natürlich nur die Wiedergabe subjektiver Eindrücke. Wie man professionell über eine solche Veranstaltung berichtet, zeigt die Pressemitteilung der Veranstalter.




Starts über Raunheim

So sieht das aus, wenn Raunheim bei Betriebsrichtung 25 "keinen Fluglärm" hat.

Starts über Raunheim

Dass Raunheim nur bei Betriebs­richtung 07, wenn die landenden Flugzeuge direkt übers Dorf donnern, Fluglärm hätte, war schon immer ein dummes Gerücht. Sowohl der Nordabflug als auch die Südum­fliegung erzeugen in den östlichen Teilen Raunheims auch bei Betriebs­richtung 25 einen Lärm, der die Belastung vieler weiter entfernter Kommunen, die (zu Recht!) gegen Fluglärm protestieren, übersteigt.
Mit den Ausbau­plänen der Fraport kamen auch immer wieder die Fragen auf, wie denn die geplante Zahl der Starts Richtung Westen künftig realisiert werden soll, wenn der Nordabflug aufgrund möglicher Kollisionen mit durch­startendem Lande­verkehr auf der Nordwest­bahn reduziert werden muss. Die als Ausweg eingeführte Südum­fliegung wurde immer wieder in Frage gestellt, und bis heute sieht es so aus, als sei sie tatsäch­lich nicht in der Lage, die von Fraport gewünschte Kapazität sicher zu stellen.
Klagen, die die Nutzung der Südum­fliegung deshalb in Frage stellen wollten, wurden zwar bisher abgewiesen, aber die BI hatte schon anläss­lich des letzten Urteils dazu im Dezember 2015 darauf hinge­wiesen, dass damit noch keineswegs garantiert ist, dass nicht doch andere, Raunheim stärker belastende Varianten noch zum Zug kommen könnten. Aktuell gibt es leider Hinweise, dass diese Warnung nur allzu berechtigt war.

Nachdem es Mitte/Ende Juni zu einer Häufung direkter Starts über Raunheim gekommen war, die von der DFS auf Anfrage der Main-Spitze als "wetter­bedingt" abgetan wurde, hat die BI genauer recher­chiert und 17 solcher Direkt­starts im Zeitraum vom 12. bis 21.06., also innerhalb von 10 Tagen, dokumentiert. Diese Dokumen­tation, ergänzt um eine grafische Darstel­lung der Flug­routen über Raunheim, haben wir der Fluglärm­schutzbeauf­tragten des Landes Hessen, Frau Barth, übermittelt mit der Bitte, die tatsäch­lichen Ursachen dieser Überflüge zu ermitteln und Maßnahmen vorzu­schlagen, wie so etwas künftig vermieden werden kann. Auf die Antwort warten wir mit Spannung.

Mehr durch Zufall sind wir nach Absendung des Schreibens an Frau Barth auf ein weiteres Indiz gestossen, das darauf hindeuten, dass diese Häufung der Überflüge kein reiner Zufall war. In der Sitzung der Fluglärm­kommission am 06.07. hat die DFS einen Bericht vorgetragen, der u.a. (auf S. 6-8) die "Fest­legung eines neuen Wegpunkts" auf der Südum­fliegung beschreibt, der der "Entzerrung der Verkehrs­ströme" dienen soll. Entzerrt werden sollen die Ströme auf den Routen MARUN/TOBAK (das ist die Südum­fliegung) und BIBTI. Dem Bericht beigefügt ist eine Grafik, die erklärt, was gemeint ist (s. unten): BIBTI beschreibt die Gerade­aus-Abflug­routen über Raunheim, die offensicht­lich künftig so hohe Verkehrs­ströme aufnehmen sollen, dass eine Entzerrung notwendig ist !

Hier zeichnet sich ein Skandal ab, vor dem nicht laut genug gewarnt werden kann. Die BIBTI-Routen sind nicht neu, aber ihre Bedeutung wurde in den öffent­lichen Diskus­sionen über die Abflüge Richtung Westen bisher völlig ignoriert oder herunter­gespielt ("nur für Propeller-Maschinen"), wenn ihre Existenz nicht sogar völlig geleugnet wurde ("nur eine Notfall-Route für durch­startende Maschinen"). Wie sich nun zeigt, war das eine Irre­führung der Bevölkerung, die nun nach und nach aufgegeben wird.
Fakt ist offenbar, dass die BIBTI-Routen nicht als Notfall­routen, sondern als SIDs, d.h. Standard Instrument Departures, zu deutsch Standardi­sierte Abflug­strecke für Instrumenten­flüge, definiert sind. Eine Einschränkung auf bestimmte Flugzeug­typen ist in der Definition nicht vorgesehen, lediglich eine Mindest-Steig­leistung wird voraus­gesetzt.

Abflugrouten BIBTI

Die DFS meint, es sollte "Standard-Abflugrouten" über Raunheim geben ...

Wie die von der BI dokumen­tierten Fälle zeigen, wird diese Route offenbar allen Maschinen­typen bis hin zu Heavies zugewiesen, wenn das der Flug­sicherung notwendig oder nützlich erscheint - und keinesfalls nur dann, wenn "extreme Wetter­bedingungen" dies erforder­lich machen würden.
Es sieht ganz danach aus, als würde hier der Versuch gemacht, diese Abflug­routen schleichend einzu­führen mit dem Ziel, ihre Nutzung universell verfügbar zu machen, wenn die Südum­fliegung die gewünschten Kapazitäten eines Tages nicht mehr sicher stellen kann. Das ist nicht hinnehmbar.

Die Belastung durch Fluglärm und Schadstoffe in Raunheim übersteigt schon heute das erträgliche Maß bei weitem. Ein Vorgehen, das dazu führt, dass Raunheim bei beiden Betriebs­richtungen direkt überflogen wird, ist völlig verantwor­tungslos und in keiner Weise tolerabel.
Die BI wird darauf bestehen, dass die gegen­wärtigen Vorgehens­weisen und die dahinter stehenden Absichten voll­ständig offen gelegt und einer öffent­lichen Entschei­dung zugänglich gemacht werden. Wer glaubt, der Bevölkerung in Raunheim und den anderen Anlieger-Ge­meinden im Westen des Flughafens könne noch mehr Lärm zugemutet werden, soll das offen erklären.

Aus unserer Sicht kann die Forderung nur lauten: es darf keinen regulären Gerade­aus-Ab­flug über Raunheim geben. BIBTI muss weg !

Update 12.07.16:

Wir hätten es ja wissen können: wer Äusse­rungen der DFS für bare Münze nimmt, riskiert, sich zu blamieren. Zum Glück hat die Fluglärm­schutz­beauftragte schnell reagiert. Sie schreibt uns:
"Bei der gestrichelten Linie über Raunheim handelt es sich NICHT um eine Abflug­strecke, weder um die derzeitige Propeller­strecke, noch eine geplante zukünftige Strecke für Jets. Es ist lediglich eine Darstellung, wie man in der DFS auf die Platzierung des Punkts auf der Südum­fliegung gekommen ist (Verlängerung der Anflug­grundlinie). Ich verstehe, dass die Darstellung missver­ständlich ist, weil die gleiche Farbe verwendet wurde wie für die tatsächliche Abflug­strecke, die Südum­fliegung. Ich habe Herrn Seefloth von der DFS heute darauf angesprochen, der mir das bestätigt hat. Ich werde auch Frau Wollert bitten, das im Protokoll der FLK entsprechend klarzu­stellen, damit hier unmiss­verständlich klar ist, dass eine solche Abflugstrecke nicht existiert und auch nicht geplant ist."

Wir hatten ja inzwischen schon heraus­gefunden, dass "BIBTI 3F/3G" den Zweig des Nordabflugs beschreibt, der dann Richtung Köln/Bonn (oder London) weiterführt und damit nördlich der gestrichelten Linie in der DFS-Grafik verläuft (Danke, Berthold!). Der (theoretische) Schnittpunkt der beiden Routen, an dem eine Kollision vermieden werden muss, liegt also weiter nördlich.
Aus der DFS-Grafik eine Seite vorher kann man auch ablesen, dass der neue Meldepunkt ADEVO, an dem offen­sichtlich geprüft werden soll, ob die Kollisions-ver­meidende Höhe von 6.000 ft auch wirklich erreicht ist, logischer­weise deutlich weiter südlich liegt (damit Zeit für eine Reaktion bleibt, falls erfor­derlich).
Diese beiden Punkte definieren für die DFS sowohl das Problem als auch die Lösung. Der Schnitt­punkt der Südum­fliegung mit der Verlängerung der Anflug­grundlinie dagegen bedeutet für dieses Problem - gar nichts.

Aber gut, man muss als Laie nicht alles verstehen. Entscheidend ist, die gerade Linie über Raunheim ist keine Flugroute. Wenn unsere Intervention nun zur Folge hätte, dass die DFS künftig da auch keine Flugzeuge mehr entlang schickt, dann hätte unsere Falsch-In­formation ja sogar etwas Richtiges bewirkt.
Auf das Ergebnis der Prüfung der dokumentierten Fälle müssen wir allerdings noch etwas warten.

Starts über Raunheim

Zwei interessante Stunden: 4 Starts über das Stadtgebiet,
2 Annäherungen über dem Waldsee und
eine "kleine Südumfliegung".

Update 16.07.16:

Die Hoffnung war allerdings zumindest verfrüht. Am 13.07. war wieder so ein Tag. Ein kleines Gewitter­chen irgendwo zwischen Rhein und Odenwald war wohl Anlass genug, eine Stunde lang Wild West zu fliegen. Um 10:27 Uhr donnerte ein A 380 schnur­stracks übers Ort, und zwischen 11:12 und 11:21 Uhr nahmen drei weitere Lufthansa-Ma­schinen den kurzen Abflugweg. Das die im Gegen­satz zu dem Super­jumbo an den Mess­stationen mit weniger als 80 db(A) registriert wurden (wenn auch eine nur knapp), macht die Sache nur unwesent­lich besser.
Am Abend um 19:14 Uhr hatte es eine B 737 der TUIfly dann so eilig, ihre Passa­giere zum Baller­mann zu schaffen, dass sie, nachdem sie schon zu einem Schwenk nach Norden angesetzt hatte, dann doch lieber direkt nach Süden flog - und dabei natürlich auch übers Ort. Nur der Vollstän­digkeit halber sei erwähnt, dass um 22:01 Uhr auch noch ein "Night­Express" die gerade Route genommen hat - aber das war eine Propeller­maschine, die das wohl sowieso darf, obwohl sie mit 68 db(A) auch nicht gerade leise ist.
Der Tag im Überblick findet sich hier.

Interessant ist auch der Abflug eines A 320 der Lufthansa auf dem Weg nach Tallinn um 10:31 Uhr, der auch auf der Grafik rechts zu sehen ist. Obwohl er Raunheim sauber umkurvt, fragen wir uns doch, was Rüssels­heim und Flörs­heim von so einem Kurs halten.
Solche nirgendwo beschriebenen "kleinen Süd­umflie­gungen" werden aber wohl häufiger geflogen. Schon einen Tag später konnte man gleich drei Varianten innerhalb kurzer Zeit bewundern (siehe Grafik)
Wir entschuldigen uns hier jedenfalls jetzt bei allen Augen­zeugen, denen wir nie so recht glauben wollten, wenn sie berich­teten, dass sie zwischen Raun­heim und Rüssels­heim Verkehrs­flugzeuge quer zu den offi­ziellen Flug­routen fliegen gesehen haben. Offen­sichtlich gibt es das, und sicher gibt es auch eine gute Erklärung dafür.
Auffällig ist, dass es in allen vier Fällen (ebenso wie in etlichen weiteren, auf die wir mehr zufällig gestossen sind) Lufthansa-Ma­schinen waren, die solche Spezial-Kurse geflogen sind. Das kann natürlich daran liegen, dass halt die meisten Maschinen, die hier starten, von Lufthansa sind. Und es muss wohl auch daran liegen, denn die DFS könnte es sich natürlich niemals erlauben, einer bestimmten Flug­gesell­schaft Sonder­beding­ungen einzuräumen, auch wenn sie hier als lokaler Platz­hirsch agiert.

Für uns bleibt festzu­halten: die Zahl der Ausnahmen von dem, was offiziell geflogen werden soll, sind offen­kundig erheblich, und es ist für die Öffent­lichkeit völlig undurch­schaubar, wem diese Ausnahmen warum und von wem erlaubt werden. Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar, wenn es sich dabei um Dinge handelt, die Gesundheit und Wohlbe­finden der Bevölke­rung hier unmittelbar betreffen. Mit einer ausführ­lichen Kommen­tierung wollen wir aber doch noch warten, bis klar ist, ob, und wenn ja, welche, Erklä­rungen für diese Zustände angeboten werden.




Die Nachrichten aus dem ersten Halbjahr 2016 sind hier verfügbar.


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