Hier sind alle Beiträge zu aktuellen Themen aus der zweiten Hälfte des Jahres 2018 gesammelt.
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29.12.2018
Auch in diesem Jahr gab es eine Reihe bemerkenswerter Schäden durch Wirbelschleppen anfliegender Flugzeuge, und das Dachsicherungs-Programm der Fraport, das dagegen schützen soll, ist noch weiter ins Zwielicht geraten. Die Landesregierung tut allerdings alles, um Fraport zu helfen, auch wenn sie damit ihre eigene Glaubwürdigkeit massiv aufs Spiel setzt.
Zum Jahresbeginn hatte Fraport eine neue Werbekampagne gestartet, um mehr Hausbesitzer*innen zu motivieren, sich an dem Sicherungsprogramm zu beteiligen. Offensichtlich hatten sie bereits damals Bedenken, dass eine Sicherungsquote von deutlich unter 50% auf Dauer nicht reichen würde, um die Anforderungen der Gerichte, die im Rahmen der Planfeststellung formuliert worden waren, zu erfüllen. Die Kampagne war allerdings wenig erfolgreich. Obwohl ein massiver Schaden in Flörsheim die Gefahren nochmals sehr deutlich machte, stiessen die Angebote der Fraport in Flörsheim und Raunheim auf grosse Skepsis.
Im Mai kam es dann zu einem Schaden, der als
Super-GAU für das Dachsicherungsprogramm eingeschätzt werden muss. An einem von Fraport als "ordnungsgemäß gesichert" abgenommenen Dach trat ein schwerer Schaden auf, bei dem nicht nur Ziegel herausgerissen wurden, sondern auch ein Dachfenster beschädigt wurde. Da zum fraglichen Zeitpunkt keine Maschinen der Wirbelschleppen-Kategorie "Heavy" gelandet sind, muss der Verursacher auch noch ein leichteres Flugzeug, wahrscheinlich ein A320neo, gewesen sein.
Bei einem weiteren Schadensfall im September wurde dann noch eine weitere Standard-Annahme widerlegt. Trotz starker Winde über 10 Knoten richtete eine Wirbelschleppe 500 Meter von der Anfluglinie entfernt noch Schaden an - das galt bis dahin als unmöglich.
Weitere Schadensfälle im
September in Raunheim (Verursacher: ein A320) und im
Oktober in Flörsheim (Windgeschwindigkeit über 10 Knoten) bestätigen, dass Schäden auch unter ungewöhnlichen Bedingungen auftreten können.
Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen,
veröffentlichte die BI Flörsheim-Hochheim im September noch ein Gutachten, das der Fraport-Dachsicherung ein vernichtendes Zeugnis ausstellt. An einem ebenfalls von Fraport als "ordnungsgemäß gesichert" abgenommenen Haus fand ein unabhängiger Gutachter schwerste Mängel, sowohl technischer Art als auch in Bezug auf die Dokumentation und den Hinweis auf Wartungspflichten, die Fraport allen Besitzern gesicherter Dächer auferlegt hat, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
Fraport reagiert auf die neuen Entwicklungen wie gewohnt:
leugnen, vertuschen, verharmlosen. Als neue Maßnahme wird in einer
Pressemitteilung lediglich fürs kommende Jahr ein 'Inspektionsprogramm' angekündigt. Im Dunkeln bleibt aber vorläufig, was wann wie inspiziert wird, ob die Betroffenen einen Einfluss darauf haben, ob dabei auch die notwendigen Wartungen erledigt werden, ...
Ebenfalls wie gewohnt, aber trotzdem enttäuschend, ist die Reaktion der Landesregierung. Auf einen
Berichtsantrag der Landtagsfraktion der Linken, der am 5. September eingereicht wurde und nahezu alle bis dahin aufgeworfenen Fragen und Probleme des Dachsicherungs-Programms anspricht,
antwortet sie in einer Weise, die man nur als weiteren Skandal bezeichnen kann.
Der Bericht fragt in vier Kapiteln mit jeweils mehreren Einzelfragen nach dem (räumlichen und zeitlichen) Umfang der Dachsicherung, nach den technischen Grundlagen für die Ausführung der Sicherungen, nach den aufgetretenen Mängeln und nach der Bewertung der vorgebrachten Schadensmeldungen. Nur die wenigsten Fragen werden zufriedenstellend beantwortet. Die Ministerialbeamten haben sich vermutlich nicht einmal die Mühe gemacht, selber viel zu formulieren. Nach den üblichen Phrasen heisst es im Vorspann: "Für die Beantwortung des Berichtsantrags wurde eine Stellungnahme des Flughafenbetreibers Fraport eingeholt" - und genau so liesst sich das Ganze auch.
Dass das DLR Berechnungen vorgelegt hat, wonach auch ausserhalb des aktuellen Sicherungsgebietes, z.B. in Rüsselsheim, Wirbelschleppen-Schäden auftreten können, wird mit der Bemerkung abgetan, bisher habe es dort noch keine Schäden gegeben, die plausibel auf Wirbelschleppen zurückgeführt werden könnten, und wenn es welche gäbe, hätten die Geschädigten auch dort Anspruch auf Schadenersatz. Bei der Beurteilung von tatsächlich gemeldeten Schäden ausserhalb des Sicherungsgebietes verlässt sich die Landesregierung voll und ganz auf das völlig intransparente Bewertungs-Verfahren der Fraport und geht Schadensberichten aus anderen Quellen nicht nach.
Die Tatsache, dass auch fünfeinhalb Jahre nach Beginn des Sicherungsprogramms nicht einmal die Hälfte aller Dächer gesichert ist und immer mehr Hausbesitzer*innen von den Erfahrungen mit Fraport abgeschreckt werden, die Sicherung vornehmen zu lassen, tut das Ministerium ab mit dem Hinweis, dass die zuständigen Gerichte (vor Jahren!) ja auch keine Einwände gegen den geplanten Ablauf gehabt hätten.
Für die Ableitung der technischen Anforderungen an die Dachsicherung stützt sich Fraport auf eine 24 Jahre alte Studie aus London, die nur einen sehr begrenzten Aussagewert hat, sowie auf eine Reihe mehr oder weniger plausibler Annahmen, denen auf Seiten des Dachdeckerhandwerks niemand widerspricht, weil sich da auch niemand mit diesem sehr spezifischen Problem auskennt. Einige dieser Annahmen wurden im Laufe des Programms in einem völlig intransparenten Verfahren geändert - warum, weiss niemand.
Die Aufsichtsbehörde kümmert sich nicht um technische Details, nimmt fehlenden Widerspruch als Zustimmung und verweist mehrfach auf 'plausible Darstellungen des Flughafenbetreibers', um zu begründen, dass sie alles hinnimmt, was ihr von Fraport vorgesetzt wird. Zur Krönung beruft sie sich auch noch auf ein eigenes, nicht veröffentlichtes Gutachten, das schon obsolet gewesen sein muss, bevor es überhaupt vorgelegt wurde - es kam nämlich im "März 2014 zu dem Ergebnis, dass schon das ursprünglich mit Planergänzung vom 10.05.2013 verfügte Vorsorgegebiet die Ortschaften Flörsheim und Raunheim angemessen schütze," obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach ausserhalb dieses Gebiets zu Schäden gekommen war. Aber mit solchen Widersprüchen können sowohl die Behörden als auch der Minister offensichtlich gut leben.
Daher wird trotz vieler Worte die Kernfrage nicht beantwortet, welche Belastungen Wirbelschleppen an Dächern in Raunheim und Flörsheim auslösen können und wie dagegen gesichert werden müsste. Aus dem sonst gern benutzten DLR-Modell könnten solche möglichen Belastungswerte abgeleitet werden, aber ohne konkreten Auftrag tut das DLR das nicht - und einen solchen Auftrag erteilen wollen offensichtlich weder Fraport noch die Aufsichtsbehörde. Vielleicht wissen sie ja, was wir nur vermuten - dass nämlich das DLR-Modell eben auch nur ein mässig gelungener Versuch ist, die Realität der Wirbelschleppen-Ausbreitung wiederzugeben, und dass noch viel Forschung nötig wäre, um zu sicheren Ergebnissen zu kommen.
Nicht nur technisch ignorant, sondern auch politisch skandalös ist die Antwort zu dem letzten Fragenkomplex in diesem Kapitel. Angesprochen darauf, dass Fraport versucht, sich mit ihren 'Ausführungsbestimmungen' aus der vollen Kostenverantwortung für die aufwändigere Sicherung bestimmter Dachtypen zu stehlen, wiegelt die Behörde ab. Kryptisch heisst es da, "Jede Ausführungsbestimmung des Flughafenbetreibers ist im Lichte der Planergänzungen und ihres Sicherungsziels zu sehen", und in dieser speziellen Beleuchtung sehen sie für das Ministerium offensichtlich gut genug aus. Die betroffenen Hausbesitzer*innen bleiben im Regen stehen.
Zum Zeitpunkt der Einreichung des Berichtsantrages waren viele heute bekannte Mängel an den Dachsicherungen noch nicht bekannt, und der Minister denkt natürlich garnicht daran, Dinge, die in einem direkten sachlichen Zusammenhang stehen, nach denen aber nicht konkret gefragt wurde, mit zu beantworten. Die gegebenen Antworten fallen sehr knapp aus und lassen sich einfach zusammenfassen: Fraport macht das alles prima, es gibt kein Problem.
Angesichts des aktuellen Sachstandes ist das einfach nur lächerlich und wird sicherlich nochmal neu aufgegriffen.
Die Kriterien, nach denen Fraport gemeldete Schäden als „nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen“ bzw. „Wirbelschleppen als Schadensursache nicht auszuschließen“ einstuft, bleiben auch weiterhin im Dunkeln. Der Minister ist überzeugt: "Die Sachverständigen ... bewerten auf Grundlage der eigenen Feststellungen und der allgemein anerkannten Regeln der Technik", auch wenn Letztere dazu in den meisten Fällen nichts sagen können.
Immerhin folgt dann noch eine Liste, aus der man entnehmen kann, mit welchen Begründungen eine Schadensregulierung gegenüber den Betroffenen abgelehnt wurde. Als erstes fällt auf, dass von den 49 abgelehnten Fällen 7 aus Rüsselsheim, Kelsterbach und Nauheim kommen, obwohl angeblich nur 4 Schäden ausserhalb des Sicherungsgebietes aufgetreten sind. Das könnte nur dann stimmen, wenn die drei Kelsterbacher Fälle in dem kleinen Eckchen des Stadtgebietes aufgetreten sind, das im Sicherungsgebiet liegt. Ansonsten enthält die Liste 19mal den Grund "Instandhaltungsmängel bzw. fehlerhafte Ausführung der Dacheindeckung" (springen deswegen Ziegel vom Dach?), 9mal "Schäden, die auf Sturm, nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen sind" (eine interessante Unterscheidung, von der man gerne wissen würde, wie sie getroffen wird; acht Seiten vorher weiss der Minister noch: "Wirbelschleppen stellen eine Soglast dar; Windsog entsteht auch bei Windangriff"), 4mal soll es zum Schadenszeitpunkt in Flörsheim bzw. Raunheim keinen Überflug gegeben haben (ist der Zeitpunkt wirklich sicher?) und immerhin 16mal taucht die allseits beliebte Kategorie "Sonstiges" auf, in die ja nun fast alles hineinpasst. Der Skandal besteht ja hier gerade darin, dass die Aufsichtsbehörde die Entscheidungen der Fraport vollständig deckt - eine unabhängige Instanz, an die sich die Betroffenen wenden könnten, wenn sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, gibt es nicht.
Da ist es dann nur konsequent, wenn der Minister auch bei Schäden an sonstigen Dacheinbauten und anderen Gegenständen nur abwiegelt: absolute Ausnahmefälle, und Schäden werden ja ersetzt. Auch hier aber entscheidet erstmal Fraport: ein zerstörter Sonnenkollektor, ein zersprungenes Dachfenster - sowas geht nach den von ihr 'anerkannten Regeln der Technik' nicht durch Wirbelschleppen zu Bruch, und dann gibt es eben auch keinen Schadensersatz.
Das Timing der Anfrage der Linken war leider nicht wirklich gut. Die Antwort hat noch die alte Landesregierung gegeben, und der alte Landtag hat sie in einer der letzten Ausschuss-Sitzungen im November zur Kenntnis genommen und damit erledigt.
Die kommende Landesregierung, in der ja Herr Al-Wazir weiterhin für diesen Bereich verantwortlich sein wird, müsste daher neu mit diesen Fragen konfrontiert werden. Eine neue Anfrage mit Kritik an den bisherigen Antworten und Fragen zu den inzwischen neu bekannt gewordenen Mängeln wäre ohne weiteres möglich - wenn denn das öffentliche Interesse dafür da ist. Makaberer Weise wird das aber wohl nur der Fall sein, wenn es im kommenden Frühjahr (wo Wirbelschleppen-Schäden meist häufiger vorkommen) wieder zu einem grösseren Schadensfall kommt. Im Interesse der Bewohner*innen von Flörsheim und Raunheim wollen wir hoffen, dass das nicht passiert.
Was es aber wohl geben wird, sind neue Werbemaßnahmen der Fraport - und diese Gelegenheiten sollten wir nutzen, die hier beschriebenen Skandale, Skandälchen und Frechheiten weiter anzuprangern.
Die Zahlen der Flugbewegungen während der ersten Stunde des 'Nachtflugverbots', insbesondere die der Landungen, haben deutlich zugelegt.
(Die Zahlen muss man sich aus den UNH-Grafiken für die jeweiligen Jahre zusammen suchen.)
21.12.2018
Die zweite bedrohliche Entwicklung dieses Jahres, die allerdings nicht nur Raunheim betraf, war die zunehmende Zahl der Nachtflüge, die dazu geführt hat, dass im Großteil des Jahres die Nachtruhe, die ja angeblich in den beiden 'Nachtrandstunden' schon beginnen bzw. langsam auslaufen und in der 6stündigen 'Kernnacht' vollständig sein soll, auf höchstens fünf Stunden beschränkt war.
Wie die nebenstehende Grafik zeigt, gab es seit der Einführung der neuen Nachtflugbeschränkungen noch kein Jahr, in dem eine 6stündige Nachtruhe durchgehend eingehalten worden wäre. Selbst wenn im Jahresmittel in jedem Monat nur jeweils 20+ Starts und Landungen durchgeführt werden, bedeutet das ja, das auf beiden Seiten des Flughafens fast jede Nacht ein Flieger die Ruhe vor Mitternacht stört. Das Jahresmittel verschleiert zudem, dass diese Störungen sich in der Regel auf die Frühjahrs- und Sommer-Monate konzentrieren, wo sie besonders schädlich sind.
Zugleich zeigt die Grafik aber auch, dass es seit 2015 einen eindeutigen, bisher ungebrochenen Trend zum Wachstum der Zahl der Flugbewegungen, insbesondere der Landungen, in dieser Stunde gegeben hat.
Jubelrufe über vorübergehend mal zurückgehende Zahlen sind also völlig unangebracht.
Schon Ende letzten Jahres hatte der BUND auf die steigende Zahl der Landungen zwischen 23 und 24 Uhr
aufmerksam gemacht und dafür insbesondere den gerade erst
nach Frankfurt gelockten Billigflieger Ryanair verantwortlich gemacht. Mit einiger Verspätung reagierte auch das Verkehrsministerium als Aufsichtsbehörde auf diese Entwicklung und versuchte ebenfalls zunächst, Ryanair unter Druck zu setzen, möglichst Verspätungen zu vermeiden.
Schnell wurde allerdings klar, dass
nicht nur Ryanair für die steigende Zahl der Verspätungsflüge verantwortlich war, sondern alle Billig- und Ferien-Flieger versuchten, ihr Angebot zu steigern und dafür auch die
Nachtstunden zu nutzen - Nachtflugbeschränkungen hin oder her. Wie die Fluglärmschutzbeauftragte bei ihren Untersuchungen
feststellen musste, haben nicht nur die Verspätungslandungen nach 23:00 Uhr, sondern auch die Landungen in der 'Randstunde' 22:00-23:00 Uhr überproportional zugenommen.
Das Ministerium musste auch sehr schnell einsehen, dass es
praktisch keine Handlungsmöglichkeiten hatte und auf das (teilweise durchaus vorhandene) Entgegenkommen der Airlines angewiesen war, um wenigsten
ein bisschen Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Fluglärmkommission kam ebenfalls zu dem Schluss, dass die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Verspätungsflüge vorzugehen, völlig unzureichend sind und rang sich zu der radikalen Forderung durch,
den Planfeststellungsbeschluss zu ändern, um Beschränkungen durchsetzen zu können. Geholfen hat es nicht.
In ihrer letzten Sitzung konnte die FLK zur Kenntnis nehmen, was die Politik statt dessen zur Lösung des Problems anzubieten hat: eine Gesetzesänderung, nach der anstelle der Piloten die Airlines bestraft werden können, wenn denn (ausnahmsweise mal!) nachgewiesen werden könnte, dass die Verspätungen geplant waren; ein
7-Punkte-Programm des Verkehrsministeriums, das nur Vorschläge macht, was andere tun könnten; und die Ergebnisse eines Luftfahrtgipfels, die von niemandem ernst genommen werden.
Und die alt-neue schwarz-grüne Hessen-Koalition sagt im Kapitel Luftverkehr ihres neuen Koalitionsvertrags zum Thema 'Nachtruhe', sie werde "alle Möglichkeiten prüfen, um unzulässige verspätete Landungen nach 23:00 Uhr mit empfindlichen Strafen zu belegen" und "prüfen, inwieweit z. B. eine deutliche Erhöhung der lärmabhängigen Landeentgelte einen Beitrag dazu leisten kann, diese Grenze einzuhalten". Der Planfeststellungsbeschluss bleibt unangetastet, die geltenden Regeln, die das Chaos in diesem Jahr nicht verhindern konnten, werden nicht geändert, lediglich an den völlig unzureichenden finanziellen Hebelchen soll (vielleicht!) ein bisschen gefeilt werden. Also alles wie gehabt.
Während das nur die üblichen phrasenhaften Ausflüchte sind, ist der folgende Satz aber schon eine gelungene Übung in Orwell'schem Newspeak: "Neben der Einhaltung des Mediationsnachtflugverbotes von 23:00 bis 5:00 Uhr wollen wir sicherstellen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner von 22:00 bis 23:00 Uhr sowie von 5:00 bis 6:00 Uhr, also in der Zeit, in der der Flugbetrieb laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in eingeschränktem Maß stattfinden darf, auch unter Einbeziehung von verspäteten oder verfrühten Bewegungen verlässlich geschützt bleiben." Es ist absehbar, dass die Zahl der Flugbewegungen in diesen Stunden weiter wachsen wird, es gibt nichts, was die 'Anwohnerinnen und Anwohner' schützen könnte - und die Koalition stellt sicher, dass das Gegenteil "bleibt". Diese Regierung braucht wahrhaftig kein Wahrheitsministerium, sie hat die Orwell'schen Prinzipien schon völlig verinnerlicht.
Auch hier ist also kein Problem gelöst und von offizieller Seite keine Lösung zu erwarten. Die grundlegenden Trends, die zu dem Chaos dieses Jahres geführt haben, wirken weiterhin, und daher ist zu befürchten, dass das kommende Jahr nicht besser wird. Und wenn die Gegenmaßnahmen diesmal über hilflose Beschwichtigungsversuche hinausgehen sollen, muss der Druck eben entsprechend grösser werden.
Die DFLD-Grafik zeigt sehr deutlich:
der Anteil der Betriebsrichtung 07 war 2018 extrem hoch,
und bei Einhaltung der Regeln wäre das nicht nötig gewesen.
19.12.2018
In Bezug auf Fluglärm war 2018 für Raunheim ein Horrorjahr. Nicht nur war die Zahl der Tage, an denen Raunheim bei Betriebsrichtung 07 im Landeanflug überflogen wurde, deutlich höher als im langjährigen Durchschnitt, auch die Zahl der Nachtflüge, die sich insbesondere in den besonders sensiblen Frühjahrs- und Sommer-Monaten regelmäßig bis 24:00 Uhr hinzogen, hat stark zugenommen.
Dass in diesem Jahr besonders häufig über Raunheim gelandet wurde, lag nur zum Teil am Wetter. Zwar war die Zahl der sog. Ostwetterlagen, in denen der Wind aus östlichen Richtungen kommt, tatsächlich höher als in den vorhergehenden Jahren. In der Sitzung der Fluglärmkommission vom 28.11. hat eine Vertreterin des Deutschen Wetterdienstes dazu
Daten präsentiert. Ohne begleitenden Text sind die Folien allerdings nur bedingt aussagekräftig, und einige Fragen bleiben offen. So werden für die Monate März bis Juli Zahlen für die Stunden mit Ostwind gezeigt; warum allerdings der "Ostwind" nur den Winkel zwischen 10 und 170 Grad umfassen soll und ob die Geschwindigkeitsangabe "> 5 KT" die Windgeschwindigkeit aus der jeweiligen Richtung oder die eigentlich relevante Rückenwind-Komponente in Richtung der Bahn meint, ist unklar. Insgesamt vermitteln die Grafiken den Eindruck: ja, es war viel Ostwind, insbesondere im Mai und Juni, aber es war auch schon mal mehr, z.B. 2010 und 2013. Anschließend werden die meteorologischen Grundlagen in Form der "Omega-Wetterlage" und der "Wetterau-Strömung" erläutert. Die Schlussfolgerung lautet: es "handelt sich um eine immer wieder kehrende Konstellation" und es ist kein "meteorologisch[er] Trend erkennbar ..., der zukünftig zu mehr Ostbetrieb führen könnte". Auch eine Vertreterin des HLNUG kommt in der Betrachtung der
Aussagen von Klimamodellen zu dem Schluss, dass noch völlig unklar ist, ob solche Wetterlagen häufiger oder vielleicht sogar seltener werden.
Die FLK sagt dazu in ihrer
Pressemitteilung: "dass aus den noch zu wenigen Datenreihen der Vergangenheit bzw. auf der Grundlage von Klimamodellen Rückschlüsse auf einen möglichen dauerhaften Anstieg von Betriebsrichtung 07 noch nicht gezogen werden können. Der Vorsitzende bat in diesem Zusammenhang das Umwelt- und Nachbarschaftshaus, die Frage möglicher Veränderung der Betriebsrichtungsverteilung durch Klimawandel oder ggf. betriebliche Motive seitens der DFS vertieft aufklären zu lassen". Das trifft den Kern auch nicht ganz. Datenreihen zum Wetter gibt es lange genug, und Klimamodelle werden solche Details auf absehbare Zeit nicht vorhersagen können. Interessant wären die "betrieblichen Motive der DFS" (bzw. der Fraport), aber ob ausgerechnet das Umwelthaus hier etwas Vernünftiges herausbekommen kann oder auch nur will, ist mehr als fraglich.
Diese Gelben Westen gibt es schon länger. Wenn sich 2019 genau so entwickelt wie 2018, sollten wir vielleicht der DFS darin einen Besuch abstatten.
Aussagekräfiger sind, wie so häufig, auch hier wieder die Ergebnisse des Deutschen Fluglärmdienstes DFLD. In seiner
grafischen Darstellung der Wetterstatistik 2018, die wir oben leicht verändert wiedergeben, sieht man recht deutlich, was passiert ist.
Im ersten Torten-Diagramm ("Windrichtung") sieht man, dass tatsächlich in über der Hälfte der Zeit (51,2%) Wind aus östlichen Richtungen (und das meint hier den vollen 180°-Winkel östlich der Parallel-Bahnen) herrschte. Wenn man sich die Grafiken für die vorhergehenden Jahre ansieht, sieht man auch hier, dass das nicht völlig ungewöhnlich ist.
Das zweite Diagramm ("Entscheidungsgrundlage") analysiert dann, was daraus folgen müsste: wenn die für FRA festgelegte Regel, wonach BR07 nur geflogen werden soll, wenn die Rückenwind-Komponente bei BR25 grösser als 5 Knoten wäre, eingehalten worden wäre, hätte nur in gut einem Viertel der Zeit (27,2%) über Raunheim gelandet werden müssen. Auch das gilt für die vorhergehenden Jahre mehr oder weniger genau so.
Wie Diagramm 3 ("Betriebsrichtung") zeigt, wurde aber 2018 fast immer BR07 gewählt, wenn der Wind aus Osten kam (47,3% der Gesamtzeit oder 92,4% der Ostwind-Phasen), auch wenn er nur schwach war und die Rückenwind-Komponente bei BR25 unter 5 Knoten lag. Die DFS, die die Betriebsrichtung festzulegen hat, hat die Regel also nicht eingehalten - warum, darf man spekulieren. Das war in den vergangenen Jahren deutlich anders.
Welche Auswirkungen das auf die Lärmbelastung in Raunheim hatte, kann man, zumindest annähernd, im
Bericht der Fraport AG
nachlesen, der ebenfalls in der letzten FLK-Sitzung präsentiert wurde. In den Tabellen 1 und 2 findet man für jeden Monat, getrennt nach Tag und Nacht, die Betriebsrichtungs-Verteilung und den an den Fraport-Stationen gemessenen "äquivalenten Dauerschallpegel" LAeq. Die extremsten Werte zeigt dabei der Monat Mai: 77,9% und 76,3% BR07, LAeq 63,5 und 56,6 dB(A). Das sind jeweils rund 2 dB(A) mehr als im ebenfalls dadurch hoch belasteten Flörsheim, und 7-8 dB(A) mehr als am Lerchesberg in Frankfurt-Sachsenhausen.
Der 'äquivalente Dauerschallpegel' ist zwar nur ein krudes Maß für die tatsächliche Belastung mit Fluglärm, aber er reicht aus, um festzustellen: Raunheim ist nach wie vor die am meisten mit Fluglärm belastete Kommune im Rhein-Main-Gebiet, und 2018 war diese 'Führungsrolle' besonders ausgeprägt.
Die Raunheimer Stadtverordnetenversammlung hatte also allen Grund, in der Sitzung vom 13.12. einen
Beschluss zu fassen, der fordert, "die aktuelle Anwendungspraxis der bestehenden 5-Knoten-Rückenwindkomponente seitens der Deutschen Flugsicherung sorgfältig zu prüfen und hierüber öffentlich Bericht zu erstatten" und gleichzeitig zu fragen, "wie die im Maßnahmenpaket
2010 angekündigte Anhebung der Rückenwindkomponente auf 7 Knoten ... realisiert werden kann" und "ersatzweise andere Möglichkeiten des aktiven Schallschutzes aufzuzeigen, die zu einer wirksamen Entlastung der bei BR 07 in der Region Hochbetroffenen führen können".
Sie hätte allerdings durchaus noch weiter gehen können und müssen. Der Bericht des Magistrats und die Anhänge zur Beschlussvorlage liefern noch eine Menge Fakten zur Problematik der Rückenwind-Komponente und ihrer Anwendung und verweisen auch auf das alte und das neue Stadtleitbild, das ja auch in dieser Frage den langfristig tragenden Grundkonsens in Raunheim darstellen soll. Und darin findet man neben der Erhöhung der Rückenwind-Komponente mindestens zwei weitere Forderungen, die bei dieser Gelegenheit in den Vordergrund gerückt werden müssen. Zum einen ist das die Forderung nach (Rück-)Verlegung der Landeschwellen für Center- und Süd-Bahn bei Betriebsrichtung 07 nach Osten, was die Überflughöhe über Raunheim und Rüsselsheim vergrössern würde und niemandem wehtut ausser der Fraport, die die Abläufe rund um die Bahnen neu organisieren müsste. Vor allem aber wäre das die Forderung, das weitere Wachstum der Zahl der Flugbewegungen auf FRA umgehend einzustellen und diese Zahl wieder auf ein verträgliches Maß zurück zu fahren.
Aber auch hier gilt, wie in der 'großen' Politik: was die Bevölkerung nicht selber in die Hand nimmt und mit entsprechendem Druck durchsetzt, das passiert auch nicht. Da gibt es fürs neue Jahr noch einiges zu tun.
Die Grafik aus dem Flugbewegungs-Monitoring des UNH macht ebenfalls deutlich,
dass Raunheim mit 24,8% aller Landungen in diesem Jahr eine besonders hohe Belastung zu tragen hatte.
Auch die nebenstehende Grafik aus dem
Monitoring der Flugbewegungen des 'Umwelt- und Nachbarschaftshauses' macht noch einmal deutlich, dass Raunheim in diesem Jahr eine herausragende Belastung zu tragen hatte: in absoluten Zahlen gemessen, ging ein Viertel aller Landungen in diesem Jahr über das Stadtgebiet. Ausser dem Nordosten von Rüsselsheim und Offenbach, die beide ein Stückchen weiter weg liegen und daher etwas höher überflogen werden, ist nur Raunheim vom Endanflug auf beide Parallelbahnen direkt betroffen, so dass man die Werte hier addieren muss.
Flörsheim liegt logischerweise dicht dahinter, da bei Betriebsrichtung 07 knapp die Hälfte aller Landungen über die Nordwestbahn abgewickelt werden. Weil dort aber einige "Heavies" nicht landen dürfen, ist der Lärm über Raunheim trotzdem meist deutlich grösser. Für die Kommunen und Stadtteile im Osten, die ganz nah am Flughafen liegen, führt jeweils nur die Anfluglinie einer Bahn direkt übers Stadtgebiet. Erst Offenbach bekommt dann sogar den Lärm von allen drei Landebahnen ab.
Der Ablauf in 20-Sekunden-Intervallen:
Der A320 wird auf die Centerbahn "geswingt", obwohl dort gerade ein A321 startet. Er verwechselt Landebahn und Rollweg und muss durchstarten. Zum Glück ist der seine Flugbahn kreuzende A321 rechtzeitig weg.
15.10.2018
Es ist schon einen Monat her, da kam es auf FRA zu etwas, was die Hessenschau einen Zwischenfall nennt: "Eine tunesische Maschine visierte einen Rollweg statt der Landebahn an und musste durchstarten". Der Bericht zitiert die Deutsche Flugsicherung mit der Aussage, "Der Vorfall werde untersucht und sei an das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) und die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) gemeldet worden. Weitere Details konnte die Sprecherin nicht nennen. Ob im Rahmen der Untersuchung auch bestimmte Anflugverfahren vorerst ausgesetzt wurden, konnte sie ebenfalls nicht sagen." Der Vorgang wirft etliche Fragen auf.
Als Quelle für die Information wird das Online-Portal 'The Aviation Herald' angegeben. Liest man den dortigen
Bericht, so wird zunächst einmal deutlich, dass die DFS erst durch den Herald darauf gestossen wurde, dass da etwas passiert ist, was auch erklärt, warum sie erst 14 Tage später sowohl BAF und BFU als auch die Öffentlichkeit informierte.
Als wäre das nicht schon merkwürdig genug, wird aus dem Bericht auch klar, dass die Initiative zu dem "mit dem Tower abgesprochenen Bahnwechsel" nicht von den Piloten, sondern vom Tower ausging. Gemäß dem seit 2013 offiziell legitimierten
Swing-over-Verfahren, wonach bei Betriebsrichtung 25 (Anflug aus Osten) noch im Endanflug von der Süd- auf die Centerbahn gewechselt werden kann, wurde dieser Swing den Piloten angeboten, und sie akzeptierten auch - warum, bleibt unklar. Kommentare zu dem AvHerald-Bericht besagen, dass nach einem solchen Swing die Landung im Sichtflug (ohne ILS) erfolgt, was erklären würde, wieso eine Verwechselung von Landebahn und Rollweg überhaupt vorkommen kann. Tatsächlich bezeichnet die DFS das Verfahren in ihrem
Antrag auf Einführung auch als "IFR-Sichtanflug mit Pistenwechsel".
Vollends fragwürdig wird der ganze Vorgang aber, wenn man sich die Abläufe auf den Bahnen insgesamt ansieht. Denn die Centerbahn, auf die der A320 vom Tower geswingt wurde, war zu diesem Zeitpunkt durch einen startenden A321 belegt.
So etwas steht in deutlichem Gegensatz zu dem, was zu den Flug-Verfahren auf dem Parallelbahn-System öffentlich kommuniziert wird. Erst vor ein paar Jahren hat die DFS "aus Sicherheitsgründen" offiziell eine so genannte
Tabu-Zone oder 'No-fly-zone' eingeführt, die verhindern sollte, dass sich Abflüge von der Centerbahn, die nach Süden abdrehen, und Durchstart-Manöver auf der Südbahn in die Quere kommen können. Während eines Starts auf der Centerbahn sollte diese 6 Nautische Meilen oder rund 11 Kilometer lange Zone leer sein, d.h. Anflüge auf die Südbahn müssten entweder bereits "sicher gelandet" oder noch weit genug entfernt sein. Und nun soll es möglich sein, dass eine Maschine auf einer Bahn aufsetzt, die die vorausfliegende Maschine eben gerade erst verlassen hat?
Dass es sich nicht um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt hat, zeigen die Flugspuren nur wenige Minuten später. Um 11:26 Uhr und eine Stunde später um 12:27 Uhr sieht man ganz ähnliche Konstellationen: ein Flieger hat kaum von der Centerbahn abgehoben, da setzt der nächste schon auf. Um systematisch zu überprüfen, wie häufig so etwas vorkommt, fehlen uns die Möglichkeiten. Warum die, die dafür zuständig sind, es nicht tun oder dazu schweigen, wäre zu klären.
Nach dem Bericht des 'Herald' ist die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zu dem Schluss gekommen, dass es für sie nichts zu untersuchen gibt. Das mag man noch hinnehmen, da im konkreten Fall die Abläufe nicht zu einer Situation geführt haben, in der ein Unfall akut gedroht hätte. Was aber sagen das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung und ggf. das Luftfahrtbundesamt dazu, wie hier die geltenden Regeln interpretiert und angewendet werden? Bis jetzt herrscht offensichtlich Schweigen.
Eine Überprüfung des Verfahrens wäre dringend angesagt. Dass Verwechselungen von Bahnen passieren können, zeigt auch ein aktueller Bericht von Spiegel Online über einen Vorfall, der sich im Sommer letzten Jahres auf dem Flughafen San Francisco ereignete. Hier hatte ein A320 ebenfalls statt der zugewiesenen Landebahn einen Rollweg angesteuert, auf dem vier vollbesetzte Flugzeuge auf ihre Starterlaubnis warteten, und den Fehler erst im allerletzten Moment bemerkt. (Ob der Rollweg im oben geschilderten Fall auf FRA frei war, ist nicht bekannt.) Wenn die DFS daher ausführt: "Aus betrieblichen, ökonomischen und ökologischen Aspekten ist eine Nutzung der Swing-Overs bei BR25 grundsätzlich vorteilhaft und begrüßenswert", dann fehlt da ein sonst so gern hervorgehobenes Kriterium: die Sicherheit.
Dass auch sonst sicherheits-relevante Vorgänge nicht so gerne an die Öffentlichkeit getragen werden, zeigt eine weitere
Unfall-Meldung des Aviation Herald. Ebenfalls am 15. September, aber abends bei Betriebsrichtung 07, landete ein B747-400 Frachter auf der Südbahn. Nach der Landung stellte sich heraus, dass ein Teil der Landeklappen fehlte und offensichtlich unterwegs verloren gegangen ist.
Wo das passiert ist, ob das Teil gefunden wurde und was es ggf. angerichtet hat, ist nicht bekannt. (Alle Gartenbesitzer im Raunheimer Süden sind hiermit aufgefordert, nachzusehen, ob sowas irgendwo herumliegt.) Immerhin untersucht die BFU hier, so dass irgendwann mit einem Bericht zu rechnen ist. Grund für die Untersuchung ist allerdings, dass so ein Verlust ein Unfallrisiko für das Flugzeug darstellt - dass etwas herunterfällt,
kommt häufiger vor und ist für sich allein noch kein Anlass, näher hinzuschauen.
Es geht eben generell um die Sicherheit des Flugverkehrs - nicht um die Sicherheit derjenigen, die unter ihm leiden.
08.10.2018
Vergangene Woche gab es gleich zwei 'Spitzentreffen' der Luftverkehrswirtschaft. In Wien kamen die "Spitzen der europäischen Luftfahrt" zum European Aviation Summit zusammen, und in Hamburg trafen sich "Vertreter von Politik und Wirtschaft" zum deutschen Luftfahrt-Gipfel. Beides waren nicht-öffentliche Veranstaltungen, und von beiden gibt es (bisher?) nur wenig aussagekräftige Ergebnisse. Was hinter den verschlossenen Türen tatsächlich vereinbart wurde, bleibt der Spekulation überlassen.
Vom europäischen Gipfel gibt es bisher nur den
Redetext der EU-Kommissarin Bulc, in dem sie den Rahmen für den Gipfel vorgab und die bisherigen Erfolge der
EU-Luftverkehrsstrategie feiert. Diese bestehen demnach hauptsächlich darin, dass der Luftverkehr und die Profite der Beteiligten stärker als je zuvor wachsen konnten, während Umwelt- und Klimaschutz und soziale Sicherheit weiterhin 'Herausforderungen' sind. Die europäische Pilotenvereinigung ECA hatte im Vorfeld des Gipfels einige dieser Herausforderungen
klar benannt, aber es ist nicht bekannt, ob sie auf dem Gipfel eine Rolle spielten.
Ein bißchen Realitätsbezug kam jedenfalls in die Konferenz durch eine Intervention der Aktivistinnen der österreichischen Gruppe von 'System Change, not Climate Change!', die den Anwesenden höflich, aber deutlich sagten, was eigentlich notwendig wäre.
Vom 'Spitzengespräch' in Hamburg gibt es zumindest eine
Abschlusserklärung, die 25 Maßnahmen auflistet, mit denen verhindert werden soll, dass im kommenden Jahr wieder ein ähnliches
Chaos entsteht wie in diesem Jahr. Viel Neues liefert sie allerdings auch nicht, denn sie ist ein Bündel von unkonkreten Absichtserklärungen, altbekannten Forderungen und kryptischen Ankündigungen, deren konkrete Inhalte sich Aussenstehenden noch nicht wirklich erschliessen.
Schon im Vorfeld dieses 'Gipfels' war deutlich geworden, dass 'die Wirtschaft' zwar eine ganze Reihe von
Forderungen an 'die Politik' hat, aber auch etliche Differenzen existieren. Auch die
Auswahl der Beteiligten hat eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, die auch im Nachhinein nicht beantwortet wurden.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass trotz allem Gerede über die Notwendigkeit 'europäischer Lösungen' primär die Interessen der 'nationalen' Akteure (deutsche Flughäfen und deutsche Airlines) im Mittelpunkt standen und deren Position auch im europäischen Wettbewerb gestärkt werden soll. Deutsche Arbeitnehmer*innen und die deutsche Umwelt spielten dabei allerdings keine Rolle.
Bei allen Unklarheiten ist eines allerdings wieder sehr deutlich geworden: von echten Lösungen der bestehenden Probleme war bei beiden Konferenzen nicht die Rede. Es ging um mehr und reibungsloseres Wachstum, mehr Profit für die beteiligten Akteure und mehr staatliche Subventionen. Soziale und ökologische Probleme kamen bestenfalls als störende Randbedingungen in den Blick, die irgendwie zu minimieren sind, aber den grundsätzlichen Expansionskurs nicht gefährden dürfen. Impulse für notwendige Veränderungen müssen woanders her kommen.
Auch die Fachpresse findet nichts Positives an diesen Gipfeln. Der EU-Gipfel wird weitgehend ignoriert, und der deutsche Gipfel wird von Kommentatoren abgetan als
Andys Phrasenigpfel, der nur
"Selbstverständliches und auf absehbare Zeit nicht Umsetzbares" lieferte. Selbst eine
fachliche Analyse aus neoliberaler Perspektive findet ausser Trivialem nur mögliche Gefahren für den Wettbewerb zugunsten der etablierten Airlines.
Und obwohl Herr Schulte als ADV-Chef und Hauptbeteiligter des Gipfels agierte, teilen Fraport-Mitarbeiter der lokalen Presse mit, dass sich auch in Frankfurt
nichts ändern wird. ADV und BDL nehmen offiziell zu dem Papier garnicht Stellung, und Herr Scheurle als BDL-Sprecher nimmt lieber noch ein weiteres Treffen in Brüssel zum Anlass, seine
immer gleichen Lobbyphrasen
zu wiederholen.
Frankfurt-Schwanheim: wohl der erste, aber nicht der letzte
HLNUG-Meßcontainer, der speziell für die Messung von
Flugzeug-Emissionen aufgestellt wurde.
03.10.2018
Ziemlich versteckt am Ende der Materialien der letzten FLK-Sitzung findet sich ein zweiseitiger Vermerk des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie, der Aufschluss darüber gibt, was das Amt in der nächsten Zeit vorhat, um mehr über die Belastung mit Ultrafeinstaub durch den Flugverkehr zu erfahren. Es ist einiges.
Die Ausgangshypothese des HLNUG ist, "dass der Flughafen Frankfurt eine bedeutsame Quelle für ultrafeine Partikel (UFP) ist. Nach derzeitigen Erkenntnissen ist das Auftreten der UFP vom bodennahen Transport der Emissionen, die beim Betrieb auf dem Flughafengelände entstehen, geprägt". Ob sich Letzteres wirklich bestätigt, bleibt noch abzuwarten, aber die geplanten Messungen könnten Aufschluss darüber geben. Denn das HLNUG stellt auch fest: "Um das Thema besser zu erforschen, sind weitergehende Untersuchungen erforderlich. Zum einen muss es UFP-Messungen auch in anderen charakteristischen Belastungssituationen (z.B. an großen Straßen, im städtischen Hintergrund, in der Nähe anderer potentieller Quellen wie Industrie oder Gewerbe, im ländlichen Hintergrund) geben, um die erhöhten UFP-Konzentrationen infolge des Flughafens besser beurteilen und bewerten zu können. Andererseits ist zu untersuchen, wie weit sich die durch den Flughafen verursachte UFP-Belastung in der Region ausbreitet und inwiefern Überflüge einen Einfluss auf die bodennahe UFP-Konzentration haben."
Zu den konkreten Meßvorhaben erfährt man zunächst, dass bereits eine mobile Station zur Messung der UFP-Grössenverteilung "auf einem Parkplatz der Fraport AG zwischen Flughafengelände und Autobahn A3" im Einsatz ist und dazu dienen soll, "den UFP-Beitrag des Flughafens von dem der Autobahn unterscheiden zu können". Wie das gehen soll, wird nicht erläutert, aber man darf gespannt sein. Nach ein paar Monaten soll die Station weiter wandern.
Die
schon angekündigte Übernahme und Aufrüstung der Fraport-Meßstationen auf dem Flughafen-Gelände soll noch dieses Jahr vollzogen werden, so dass auch von dort Meßergebnisse zu erwarten sind.
Wichtig ist die Absicht, "mindestens ein weiteres Gerät zur Messung der Gesamtkonzentration der Partikel anzuschaffen und dieses an ausgewählten Standorten parallel zu den Größenverteilungsmessungen zu betreiben". Nur damit können "kurzfristige Änderungen der Partikelkonzentration" und damit auch der Einfluss der Überflüge genau bestimmt werden. Die Grössenverteilungsmessungen mitteln über mehrere Minuten und können daher einzelne Überflüge nicht erfassen.
Zwar betreibt HLNUG schon zwei weitere Geräte dieser Art, aber die sind vorläufig noch
an andere Standorte gebunden.
Darüber hinaus hat das HLNUG auch "zwei mobile (handgetragene) Partikelzähler angeschafft" (vergleichbar wohl dem Gerät, das auch
von BI-Mitgliedern benutzt wurde), die "bereits an verschiedenen Standorten nahe des Flughafens insbesondere in Bereichen der Flugrouten für diskontinuierliche Messungen der Partikelkonzentration eingesetzt bzw. getestet" werden. Auch daraus sollten Erkenntnisse zur Wirkung von Überflügen zu gewinnen sein.
Schlussendlich erkennt der Vermerk auch noch die Notwendigkeit einer weiteren Ergänzung der Messungen an: "Um die gesundheitliche Relevanz der UFP besser einschätzen zu können, wäre die Kenntnis der chemischen Zusammensetzung der Partikel von besonderer Bedeutung." Da jedoch geht es noch nicht wirklich voran, denn für das HLNUG ist "die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung von ultrafeinen Partikeln ... aufgrund ihrer geringen Masse technisch kaum zu realisieren". Hinter diese Aussage darf man ein dickes Fragezeichen setzen. Das Problem liegt wohl weniger im technischen, als im finanziellen Bereich, denn derartige Analysen sind durchaus möglich, aber ziemlich aufwändig.
Immerhin plant das HLNUG, "an einer der bestehenden Messstationen ... eine Methode ... zum Einsatz zu bringen, ... mit der man mit relativ geringem Aufwand zumindest die Fraktion der nicht-flüchtigen Partikel bestimmen kann". Dies könnte in der Tat dazu beitragen, den Anteil der Ultrafeinstaub-Partikel aus Verbrennungsprozessen zu bestimmen und den Einfluss anderer (z.B. biogener) Quellen auszuschliessen.
Alles in allem dürfen wir in aller Bescheidenheit feststellen, dass mit der Umsetzung dieser Ankündigungen zumindest zwei unserer drei Forderungen weitgehend erfüllt würden. Dass sich Fraport seiner Verantwortung völlig entzieht und alles auf das Land abwälzt (und die Landesregierung dieses dreckige Spiel mitspielt), bleibt ein Skandal, ist aber von diesen beiden Akteuren nicht anders zu erwarten. Auch bleibt abzuwarten, ob die vielversprechenden Ankündigungen auch tatsächlich so umgesetzt werden, dass die Öffentlichkeit und insbesondere die Betroffenen tatsächlich die Informationen bekommen, die sie brauchen und die gewonnen werden können. Mit diesem Programm wäre aber zumindest die Chance dafür gegeben.
Bis unmittelbar vor Mitternacht landen Flugzeuge auf FRA - das muss aufhören !
03.10.2018
Der so oft als unantastbar dargestellte Planfeststellungsbeschluss zum Flughafen-Ausbau von 2007 gerät wieder unter Druck. Nachdem schon die massiven Schäden durch Wirbelschleppen zwei "Planergänzungen" notwendig machten (die das Problem zwar etwas verkleinert, aber nicht gelöst haben), erweisen sich nun die Nachtflugregelungen als unhaltbar und völlig aus der Zeit gefallen.
Die Präsentation der Fluglärmschutzbeauftragten des Landes Hessen für die FLK beschreibt in aller Deutlichkeit, wie die Flugbewegungen in der Nachtstunde von 22:00-23:00 Uhr und die Verspätungen in der Nachtstunde von 23:00-0:00 Uhr drastisch angewachsen sind, ohne dass die vorgesehenen Beschränkungsregelungen auch nur annähernd erreicht worden wären.
In den zurückliegenden Monaten hatte man vielmehr den Eindruck, dass der reguläre Flugbetrieb täglich bis 24:00 Uhr ausgedehnt wurde. Die Fluglärmkommission hat daher völlig recht, wenn sie in ihrer
Pressemitteilung zur Sitzung am 26.09. sagt:
Der Zeitpunkt der Forderung ist gut gewählt, da am 28. Oktober der neue Landtag gewählt wird, der eine solche Änderung beschliessen müsste. Da bleibt noch Zeit, die Kandidatinnen und Kandidaten zu fragen, wie sie zu der Forderungen stehen und ob sie eine Änderung des Planfeststellungsbeschluss in diesem Sinne unterstützen würden.
Minister Al-Wazir tut das ausdrücklich nicht. In seiner
Pressemitteilung zum Thema knapp eine Woche nach der FLK-Sitzung geht er weder auf den Beschluss noch die dort von seiner eigenen Fluglärmschutzbeauftragten aufgezeigte dramatische Entwicklung ein, sondern lobt sich lieber dafür, dass die Zahl der Verspätungslandungen im September weiter zurück gegangen ist. Das aber ist eine Selbstverständlichkeit, die zu allererst damit zu tun hat, dass die Feriensaison vorbei ist und daher die besonders verspätungs-anfälligen Ferienflüge deutlich abgenommen haben. Maßnahmen, die über das bisherige,
nur sehr begrenzt wirksame Bitten und Drohen hinausgehen würden, hat er nicht zu bieten. Seine
sieben Punkte für mehr Nachtruhe beinhalten zwar vier, die sich mit dem Thema befassen, beschränken sich aber weitgehend auf Appelle an andere, etwas zu tun.
So freut er sich darüber, dass Fraport vorläufig die Zahl der (möglichen) Flugbewegungen nicht erhöhen möchte, hat eine Bundesratsinitiative gestartet, die anstelle der Piloten die Fluggesellschaften für die Ordnungswidrigkeit einer geplanten Verspätungslandung verantwortlich machen möchte (von der aber jeder Eingeweihte weiss, dass sie keine Chance hat), und bittet den Bundesgesetzgeber, die Bußgelder, und Fraport, die Lärmentgelte für Nachtlandungen zu erhöhen. Veränderungen im eigenen Verantwortungsbereich traut er sich nicht mal vorzuschlagen. Allerdings war ohnehin nicht zu erwarten, dass das amtierende schwarz-grüne Bündnis für solche Änderungen ansprechbar wäre.
Aber auch sonst sollte man genau hinschauen und -hören und seine Stimme nicht an jemanden verschenken, der zwar schöne Worte dazu findet, aber nicht glaubwürdig versichert, dafür eintreten zu wollen, oder aber für eine Partei kandidiert, die in ihrer grossen Mehrheit derartige Änderungen ablehnt. Viel Auswahl wird da in den meisten Fällen nicht mehr bleiben.
01.10.2018
Am heutigen 1. Oktober ist das globale Netzwerk 'Stay Grounded' mit der Veröffentlichung des inzwischen von über 100 Gruppen und Organisationen unterstützten Positionspapiers und einer Presseerklärung in mehreren Sprachen an die Öffentlichkeit gegangen. Dies ist zugleich der Auftakt zu zwei Aktionswochen, in denen lokale Gruppen eigenständig dezentrale Aktionen durchführen, die die Ziele von 'Stay Grounded' in den unterschiedlichsten Formen unterstützen.
Es gibt auch eine deutsche Gruppe in diesem Netzwerk. Die BI gegen Fluglärm Raunheim ist schon seit einiger Zeit Mitglied, und kürzlich hat auch das Bündnis der Bürgerinitiativen BBI beschlossen, Mitglied zu werden, und unterstützt die Aktion mit einer eigenen Pressemitteilung. Die wichtigste Aktion im Rhein-Main-Gebiet wird allerdings erst nach den weltweiten Aktionswochen stattfinden. Am Jahrestag der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest, dem wichtigsten Ausbauschritt der derzeitigen Expansionsphase von FRA, wird eine Sonntags-Demo unter dem Titel "Kontra Fluglärm und Feinstaub! Pro Gesundheit!" stattfinden, sieben Tage vor der Landtagswahl in Hessen.
Die nächsten Aktivitäten des Netzwerks werden sich mit den aktuellen Bestrebungen zum Ausbau der Infrastruktur für den Flugverkehr in Europa und der vollständigen Verwässerung der ohnehin unzureichenden Klimaschutz-Aktivitäten der EU im Bereich Luftverkehr befassen. Dabei wird es darum gehen, sowohl Druck auf das Verhalten der EU und ihrer Mitgliedsstaaten bei den anstehenden Entscheidungen im ICAO-Rat auszuüben als auch die Entscheidungsprozesse innerhalb der EU und die Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr zu beeinflussen.
Im Dachdeckerhandwerk wird robust gearbeitet
- massenhafter Pfusch hat aber andere Gründe
30.09.2018
Der Skandal um die Dachsicherung gegen Wirbelschleppen, die Fraport auf Veranlassung und unter Kontrolle des Verkehrsministeriums durchführt, nimmt immer grössere Ausmaße an. Nachdem ein Schaden an einem gesicherten Dach die grundsätzliche Frage nach dem Nutzen der Sicherung überhaupt aufgeworfen hat und ein Gutachten noch mehr Pfusch bei der Durchführung aufgedeckt hat, sind in den letzten Wochen weitere Fragen aufgetaucht, und das Verhalten der Fraport wird immer skandalöser.
Das beginnt damit, dass Fraport das 'Gegengutachten' zu dem Gutachten der BI Flörsheim-Hochheim, mit dem weiterer Pfusch aufgedeckt wurde, geheimhalten will. Das ist angesichts der Bedeutung der Thematik ein Skandal, verhindert aber nicht, dass der Fraport-Gutachter gegenüber der betroffenen Hausbesitzerin einräumen muss, dass die meisten Mängel tatsächlich vorhanden sind. Er versucht lediglich, sie in der Bedeutung herunterzuspielen und nimmt Fraport in Schutz mit der Behauptung, "dass das Schutzziel auch im jetzigen Zustand erreicht worden sei". Womit er das begründet, bleibt offen; glaubwürdig ist es nicht.
Es geht weiter damit, dass der Dachdecker, den Fraport zum Sündenbock für allen aufgedeckten Pfusch machen wollte, eine
ganz andere Geschichte erzählt. Demnach hat Fraport erheblichen Druck ausgeübt, um mehr und schnellere Leistungen zu bekommen, nachdem einige
schwere Schäden den öffentlichen Druck deutlich erhöht hatten. Dabei waren zumindest einige der Fraport-Bauleiter, die seine Arbeit angeleitet und überwacht haben, inkompetent und haben Anweisungen erteilt, die fachlich nicht begründet oder sogar falsch waren. Fraport weiss natürlich von nichts und 'untersucht'.
Auch zu der Tatsache, dass der angeblich durchgehend pfuschende Dachdecker für alle von seiner Firma gesicherten Dächer von Fraport ausgestellte Abnahmeprotokolle vorlegen kann, die "die mangelfreie Erbringung der Leistungen" attestieren, weiss Fraport (noch?) nichts zu sagen - und 'untersucht'.
Interessanter Weise verweist der Dachdecker zu seiner Verteidigung auf "mittlerweile modifizierte Vorgaben" für die Dachsicherung, die auch im oben zitierten 'Gegengutachten' der Fraport eine Rolle spielen. Da es im Dachdecker-Handwerk jedenfalls in Bezug auf Ziegeldächer in den letzten Jahren keine revolutionären Neuerungen gegeben hat, wäre dringend zu klären, welche Vorgaben sich warum geändert haben und vor allem, wer sie geändert hat.
Ein weiterer, durch das BI-Gutachten aufgedeckter Skandal betrifft die Kosten für notwendige Wartungen an gesicherten Dächern. Der Gutachter hatte darauf hingewiesen, dass die Sicherungshaken, die von Fraport eingebaut werden, damit gesicherte Dächer noch begangen werden können, jährlich gewartet werden müssen. Der Main-Spitze hat Fraport mitgeteilt, dass die Kosten für diese Wartung von Fraport nicht übernommen werden. Dreister Weise behauptet Fraport auch noch, die Hausbesitzer würden auf "die jährliche Wartung hingewiesen" - 'derzeit', das heisst wohl, seit der Gutachter dieses Versäumnis aufgedeckt hat. Die allermeisten Hausbesitzer, deren Dach gesichert wurde, haben von diesen Kosten weder vorher noch nachher etwas erfahren, und auch auf der Fraport-Webseite zur Dachsicherung ist dazu keine Aussage zu finden. Allerdings ist vor einigen Tagen eine Pressemitteilung erschienen, in der Fraport ankündigt, ein kostenloses "Inspektionsprogramm der gesicherten Dächer" anbieten zu wollen. Was das aber genau umfassen soll, geht aus der PM nicht hervor. Auch auf der Pressekonferenz, auf der diese 'Ergänzung' des Programms vorgestellt wurde, blieb Fraport sehr vage. Klar wurde offenbar nur, dass keine jährlichen Inspektionen vorgesehen sind, mit denen die Auflagen der Hersteller der Sicherungshaken und der Unfallversicherungen erfüllt werden könnten. Der Fraport-Dachdecker lehnt sich auch hier sehr weit aus der Dachluke und meint sagen zu können, aus seiner Sicht gäbe es "keine jährliche Überprüfungspflicht". Wieso von Fachleuten gegenteilige Aussagen gemacht werden und warum Fraport dann angeblich neuerdings auf eine solche Pflicht hinweist, bleibt unklar.
Zwei weitere Vorfälle beleuchten noch weitere Defizite in Fraports Umgang mit betroffenen Bürgern. In einem Fall in Raunheim wurde die Nachbesserung an einem schon vor Jahren gesicherten Dach
über die Köpfe der Eigentümer hinweg durchgezogen, Terminabsprachen nicht eingehalten, das Grundstück unerlaubt betreten. Fraport
leugnet natürlich auch hier jedes Fehlverhalten.
Schlimmer hat es allerdings noch Hauseigentümer in Flörsheim getroffen. Diese haben aufgrund eines von Fraport genehmigten Kostenvoranschlags ihr Dach in Eigenregie sichern lassen - ein Verfahren, das Fraport ausdrücklich vorsieht. Aber obwohl der Kostenrahmen eingehalten wurde,
weigert sich Fraport, die Kosten komplett zu übernehmen. Rund 3.000 Euro sollen die Eigentümer selber zahlen. Die Begründung für diese Frechheit und die Beschreibung der Art und Weise, wie Fraport mit den Betroffenen umgegangen ist, lesen sich wie ein Programm zur Abschreckung von der Teilnahme an dieser Fraport-Maßnahme.
Tatsächlich kann man nach all diesen Erfahrungen auch keinem Hausbesitzer mehr empfehlen, sich zur Sicherung des Daches in die Hände von Fraport zu begeben. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Aufsichtsbehörde aus all diesen Skandalen die Konsequenzen zieht und Fraport dieses Programm entzieht. Nur eine von Fraport und dem Ministerium unabhängige Durchführung und Kontrolle bei gleichzeitiger Klärung aller noch offenen Fragen könnte noch geeignet sein, wieder ein gewisses Vertrauen in diese Sicherungsmaßnahme zu schaffen und dazu führen, dass die rund 3.000 Dächer, die bisher nicht gesichert sind, noch von diesem Programm erfasst werden können. Es wäre ein notwendiger Schritt, auch wenn selbst danach von Sicherheit vor Wirbelschleppen-Schäden noch längst nicht die Rede sein kann.
Fraport hat übrigens weitere Bürgerversammlungen zu diesem Thema in Flörsheim und Raunheim angekündigt. Wir werden sie auch dort wieder mit ihren Falschaussagen konfrontieren und Antworten auf alle offenen Fragen einfordern. Je mehr Betroffene dabei mitmachen, desto besser.
Grafik: World Meteorological Organisation, 2017 (verändert)
19.09.2018
Wer gehofft hatte, die extremen Wetterlagen dieses Sommers würden die Unterstützung für Maßnahmen zum Klimaschutz erhöhen, sieht sich, zumindest was die Industrie angeht, sehr schnell wieder getäuscht. Und die Luftfahrtindustrie führt die Riege derjenigen, die den Klimaschutz aus Profitgründen zurückdrängen möchten, wieder einmal an.
Obwohl die letzten Beschlüsse der UN-Zivilluftfahrtorganisation ICAO auf
eine weitere Verwässerung ihres Kompensations-Mechanismus CORSIA hindeuten und die Industrie auch in anderen Bereichen immer weiter
hinter ihren Einspar-Zielen zurückbleibt, fordern Airline-Dachverbände in einem
unverschämten Brief die EU-Kommission auf, alle eigenen Ambitionen zum Klimaschutz im Luftverkehr aufzugeben, alle internationalen Flüge (auch die zwischen den EU-Mitgliedsstaaten) aus dem europäischen Emissionshandels-System EU-ETS herauszunehmen und nur noch CORSIA zu unterstützen. Und das auch noch zu einem Zeitpunkt, zu dem der ICAO-Rat noch in Arbeitskreisen darum feilscht, wie schwach die Kriterien für die 'Kompensationsmaßnahmen' in CORSIA noch werden sollen, und nicht vor Mitte November zu einem endgültigen Beschluss kommen wird.
Die Gruppe von NGOs, die an den Verhandlungen innerhalb von ICAO beteiligt ist, hat deshalb ihrerseits in einem Brief die EU-Kommission aufgefordert, diese Frechheit zurückzuweisen und in den laufenden ICAO-Verhandlungen zunächst einmal nachdrücklich für ambitioniertere Kriterien einzutreten, ehe nach Beschlussfassung im ICAO-Rat darüber entschieden werden könne, wie die EU weiter vorgehen sollte. Sollte die EU sich zur Teilnahme an CORSIA verpflichten und weitergehende ETS-Regeln aufheben, ohne die jeweiligen Wirkungen und ihre Übereinstimmung mit den Verpflichtungen der EU aus dem Pariser Abkommen zu untersuchen, droht die Gruppe juristische Schritte an.
Diese Forderungen sind zwar richtig, aber unzureichend. Die Chance, dass die noch ausstehenden ICAO-Beschlüsse CORSIA zu einem wirksamen Instrument des Klimaschutz machen könnten, ist gleich Null. Lediglich das zusätzliche Wachstum mit dubiosen Ausgleichsmaßnahmen kompensieren zu wollen und bei den realen Einsparungen regelmäßig weit selbst hinter den eigenen, völlig unzureichenden und mit dem Pariser Abkommen in keiner Weise in Übereinstimmung zu bringenden Zielen zurückzubleiben, hat mit Klimaschutz nichts zu tun. Es sind lediglich Ablenkungsmanöver, die das eigene, ungebremste Wachstum vor allen Versuchen, reale Beschränkungen durchzusetzen, abschirmen sollen.
Aber auch die Maßnahmen, die die EU vor der Einführung von CORSIA für die Reduzierung der Klimabelastungen durch den Luftverkehr geplant hat, reichen bei Weitem nicht aus, um die Anforderungen zu erfüllen, die sich aus dem Pariser Abkommen ergeben und die notwendig sind, um den Klimawandel auf ein vielleicht noch erträgliches Maß zu beschränken. Zwar haben sich die Preise im EU-Emissionshandel durch die letzten Reformen
etwas erholt und schwanken derzeit um ca. 20 Euro pro Tonne CO2-Emission, liegen damit aber immer noch deutlich unter dem Preisrahmen, den selbst eindeutige Befürworter dieses Marktmechanismus für notwendig halten (30-80 €). Kritiker sind dagegen
mit guten Gründen der Meinung, dass solche 'Kohlenstoffmärkte' keineswegs eine langfristige Emissionsminderung garantieren können.
Die Einsicht, dass nur ein
Verzicht auf weiteres Wachstum und echte Reduzierungen der Zahl der Flugbewegungen zu einem realen Beitrag der Luftverkehrsindustrie zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens leisten können, ist noch nicht sehr weit verbreitet.
Aber auch andere Industrien wollen nicht nachstehen in dem Bemühen, ambitionierten Klimaschutz zu verhindern, wenn er ihre Profiterwartungen schmälern könnte. Aktuell ist gerade ein internes Diskussionspapier des europäischen Lobbyverbandes 'BusinessEurope' bekannt geworden, das in aller Deutlichkeit beschreibt, wie und warum Industrieverbände gegen eine Erhöhung der Klimaschutz-Ziele der EU vorgehen sollten. Dort werden in aller Offenheit vier Strategien beschrieben:
Auch der Gutgläubigste wird nach diesen Entwicklungen feststellen müssen: freiwillig wird die Industrie, egal in welchem Bereich, nichts tun, um das Klima zu schützen. Jeder echte Fortschritt muss gegen die Profitgier der großen Konzerne erzwungen werden, und dafür braucht es massiven politischen Druck.
Zu dieser Aktion haben die Raunheimer gemäß der Rolle unserer Stadt als am stärksten vom Fluglärm belastete Kommune beigetragen: Nicht nur kamen alle Redner auf seiten der Fluglärmgegner aus Raunheim, auch die Gestaltung der Aktion haben wir wesentlich mitbestimmt.
15.09.2018
Am 12.09. hat die schon
länger vorbereitete Aktion anlässlich einer Anhörung zur Novellierung des Fluglärmgesetzes vor dem Reichstag in Berlin stattgefunden. Die Medien berichten (soweit sie das überhaupt tun) einheitlich von "über hundert Teilnehmern" aus dem ganzen Bundesgebiet, womit die angepeilte Grössenordnung locker erreicht wurde.
Auch die Aktion selbst lief wie geplant. Lautsprecher, dekoriert mit Flugzeug-Modellen, machten das Problem deutlich, und große rote Paragraphen drumherum symbolisierten, dass das Gesetz derzeit den Fluglärm schützt, aber nicht die Menschen. Das war auf dem Transparent im Hintergrund auch nochmal nachzulesen.
Und obwohl die Generaldebatte im Bundestag noch lief, waren die drei Vorsitzenden des Parlaments-Arbeitskreises Fluglärm zusammen mit einigen weiteren Abgeordneten gekommen, um die Forderungen entgegen zu nehmen und ein paar freundliche Worte an die Teilnehmer*innen zu richten.
Inhaltlich boten die Aussagen der Abgeordneten allerdings wenig Grund zu Optimismus. Für die Regierungsfraktionen blieb Frau Nissen (SPD) in ihren Aussagen sehr vage, und Frau Grohden-Kranich (CDU) betonte die notwendigen Verbesserungen an den Flugzeugen, was in den nächsten Jahren bestenfalls minimale Fortschritte bringt und mit dem Fluglärmgesetz nichts zu tun hat. Für die Opposition verbreitete Frau Rössner (Grüne) Optimismus, ohne begründen zu können, welche Fortschritte denn tatsächlich erreichbar sein sollen. Jörg Cezanne von den Linken erläuterte am Rande der Veranstaltung, warum er nicht mit Fortschritten rechnet: in der Ressortabstimmung innerhalb der Regierung werden Verkehrs- und Wirtschaftsministerium auch noch die letzten positiven Elemente im Bericht des Umweltministeriums attackieren, und der Einfluss der Fluglärmgegner in den Regierungsfraktionen ist minimal.
Dazu ist die Lobbyarbeit der Gegenseite natürlich ebenfalls stark. So hat der Flughafen-Dachverband ADV am gleichen Tag eine Broschüre
veröffentlicht, die mit einem bunten Mix aus Halbwahrheiten und unbewiesenen Behauptungen begründen möchte, dass eine Novellierung des Fluglärmgesetzes nicht notwendig ist. Viele Abgeordnete werden dem eher glauben wollen. Daran wird auch diese Aktion nichts grundsätzlich ändern.
Der Redebeitrag, der die Position der BIs umreissen sollte.
(Die tw. schlechte Tonqualität lag an der Übertragung zur Anlage)
Ein Video-Beitrag des SWR mit (offiziellen) Stimmen aus Rheinland-Pfalz
Auch in der anschliessenden Anhörung gab es wohl keinerlei Fortschritte. Von den Beteiligten haben sich die Fluglärmkommission Frankfurt, die Stadt Raunheim und die Stabsstelle Fluglärm Frankfurt öffentlich geäussert. Keiner dieser Erklärungen ist zu entnehmen, dass es zu wichtigen Punkten einen Konsens, geschweige denn eine konkrete Initiative gegeben hätte.
Das liegt wohl u.a. auch daran, dass trotz aller Bemühungen für eine plakative Aktion die Resonanz in den Medien eher verhalten war. Zwar hatten einige regionale Medien wie der SWR und der Bayrische Rundfunk schon vorab berichtet und ihren Beitrag nach der Aktion noch mehr oder weniger gelungen aktualisiert, aber die grossen, überregionalen Medien berichteten nicht, und auch regional blieben Berichte wie der des Wiesbadener Kurier eine Ausnahme. Lediglich lokal gelangten noch einige Beiträge in die Presse, wie z.B. in Raunheim, Flörsheim, und dem Main-Kinzig-Kreis.
Als Fazit bleibt daher festzuhalten, dass es mit der Aktion wohl gelungen ist, den Bundestagsabgeordneten klarzumachen, dass vor Ort die Unzufriedenheit mit dem Fluglärmgesetz groß ist. Nicht gelungen ist es dagegen, dass Thema einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und Interesse dafür zu wecken.
Das verweist auf das grundsätzliche Problem, dass die Zahl der vom Fluglärm Betroffenen zwar groß, aber doch auf die engere Umgebung der Flughäfen begrenzt ist, und das Thema darüber hinaus auf wenig Interesse stösst.
Um dennoch Erfolge erzielen und die notwendigen Beschränkungen des Luftverkehrs durchsetzen zu können, ist es daher unumgänglich, das Thema Fluglärm mit anderen Themen zu verbinden und die Zusammenarbeit mit Betroffenen aus anderen Bereichen zu suchen.
Luftverkehr belastet nicht nur durch Lärm, sondern auch durch Schadstoffe, und insbesondere durch den hohen und weiterhin ungebremsten Ausstoss an Treibhausgasen, die massiv zum Klimawandel beitragen. Jeder Beitrag zur Beschränkung des Luftverkehrs ist daher auch ein Beitrag zu mehr Klimaschutz, und Fluglärmgegner haben daher allen Grund, die
Aktionen der Waldbesetzer im Hambacher Forst zu unterstützen, nicht nur, weil Waldbesetzer auch
den Protest gegen Terminal 3 unterstützen, sondern weil es um unterschiedliche Aspekte des gleichen Problems geht.
Das Gleiche gilt, wenn die Expansion der Luftfahrtindustrie anderswo unter grober Verletzung von Menschenrechten stattfindet, wie ganz aktuell beim
Bau des Flughafens Istanbul. Auch das ist nur ein weiterer Aspekt einer Industrie, die in ihrer Expansions- und Profitgier keine Rücksichten kennt und nur durch gemeinsame Aktionen aller Betroffenen gebremst werden kann.
Daher wäre es wichtig, dass die für Anfang Oktober geplanten
Aktionswochen des Netzwerks 'Stay grounded' auch bei uns zu einem Erfolg werden. Bisher ist die Verankerung noch schwach und die Vorbereitung schlecht, aber wir werden weiter informieren, wenn Details bekannt werden.
Die Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerte im Rhein-Main-Gebiet nach Berechnungen des UBA.
Der Schwerpunkt liegt südwestlich des Frankfurter Kreuz - bzw. mitten auf dem Flughafen.
11.09.2018
Nachdem ein Gerichtsurteil den Luftreinhalteplan des Landes Hessen für die Stadt Frankfurt für unzureichend erklärt und die Einführung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge angeordnet hat, und das Gleiche eventuell auch für Wiesbaden und Offenbach droht, hat sich die Diskussion wieder intensiviert, wie die Stickstoffdioxid-Belastung in den Städten reduziert werden könnte. Die Diskussion konzentriert sich natürlich auf den Strassenverkehr, aber das greift zu kurz, weil es nur rund die Hälfte aller Emissionen erfasst.
Natürlich liegen die Hotspots der Belastung, soweit sie durch Messungen erfasst werden, alle in unmittelbarer Nähe vielbefahrener Strassen. Dort steigt die Belastung zu Spitzenzeiten weit über den Grenzwert, der ja nur für das Jahresmittel gilt und dort trotz Mittelung auch über ruhige Zeiten überschritten wird. Einige hundert Meter von den Strassen entfernt klingt diese Spitzenbelastung langsam ab.
Um zu verstehen, was wirklich passiert, reicht es nicht, nur die Werte an diesen Meßstationen zu betrachten, sondern man muss auch sehen, was in der Fläche passiert. Das wird nicht nur durch die Ausbreitung durch die Luftbewegung bestimmt, sondern dadurch kompliziert, dass man es mit mehr als einer Substanz und vielen Wechselwirkungen zu tun hat. Verbrennungsmotoren emittieren überwiegend Stickstoffmonoxid NO, dass sich in der Atmosphäre abhängig von der Konzentration einiger anderer Substanzen mehr oder weniger schnell in Stickstoffdioxid NO2 umwandelt. Nur letzteres gilt als Schadstoff und muss überwacht werden, die Vorläufer-Substanz wird nur an wenigen Stellen überhaupt gemessen, bestimmt aber wesentlich, wie sich die Konzentration von NO2 in der Umgebung entwickelt.
Um diese Prozesse halbwegs beschreiben zu können, benutzt das Umweltbundesamt ein komplexes Modell, um aus den Meßdaten an den einzelnen Stationen die Belastung mit NO2 und anderen Schadstoffen in der Fläche zu interpolieren und stellt das Ergebnis in Form von Karten dar, die Mittelwerte über eine gewisse Fläche (3 x 3 km) zeigen. Das Ergebnis ist hochinteressant.
In dieser Darstellung verschwinden die räumlich sehr begrenzten Hotspots an den Hauptverkehrsstrassen, stattdessen wird deutlich, wo Emissionen zu einer großflächig verbreiteten Hintergrundbelastung führen. Für das Rhein-Main-Gebiet ergibt sich daraus, dass die Großräume Frankfurt und Mainz/Wiesbaden flächendeckend eine hohe Belastung haben (wenn auch unter dem Grenzwert), aber der eindeutige Hotspot (über dem Grenzwert) westlich vom Frankfurter Kreuz liegt - genau da, wo sich auch der Flughafen befindet.
Angesichts der Tatsache, dass der Flugverkehr in der Diskussion um die NO2-Belastung meist überhaupt keine Rolle spielt, schon ein sehr seltsamer Befund. Was weiss man über die Rolle des Luftverkehrs für die Stickoxid-Emissionen?
Fraport veröffentlich die am Flughafen gemessenen Werte in einem
Lufthygienischen Jahresbericht,
die Abschätzung der Emissionen findet sich im
Umweltbericht. Aus den Meßwerten kann man ablesen, dass nur rund die Hälfte der Stickoxid-Menge als NO2 vorliegt (die andere Hälfte ist frisch emittiertes, noch nicht umgewandeltes NO), aber trotzdem der Grenzwert für NO2 überschritten wird.
Die von Fraport abgeschätzte Emissionsmenge an Stickoxiden ist allerdings mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Es ist in keiner Weise gerechtfertigt, nur die Emissionen bis in 300 Meter Höhe zu berücksichtigen. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO (sonst für Fraport gerne der Standard) berücksichtigt die Emissionen bis 900 Meter, und es gibt gute Gründe, auch das für eine Minimalschätzung zu halten. Tatsächlich ist es so, dass die untere atmosphärische Schicht, die sich relativ schnell durchmischt und deren Ausdehnung (die tatsächlich abhängig von Tages- und Jahreszeit und Wetter stark schwankt) damit berücksichtigt werden soll, von den höheren Schichten nicht strikt getrennt ist. Man muss daher davon ausgehen, dass auch die Emissionen auf den dicht beflogenen Anflugrouten über Rhein-Main die Konzentration am Boden in die Höhe treiben. Daher ist die Schätzung, wonach die Stickoxid-Emissionen aus dem Luftverkehr
rund ein Viertel der Emissionen aus dem Strassenverkehr betragen, eher niedrig angesetzt.
Man darf also getrost davon ausgehen, dass der Flugverkehr wesentlich dazu beiträgt, dass das Rhein-Main-Gebiet im Vergleich zum Umland flächendeckend deutlich höher belastet ist, und es ist auch wenig verwunderlich, dass die Konzentrationen im Gebiet des Flughafens am höchsten sind. Erstaunlich ist vielmehr, dass dieser Aspekt fast nirgendwo erwähnt wird und die Wachstumsphantasien der Fraport, die natürlich auch die Schadstoffbelastung in die Höhe treiben würden, allgemein bejubelt werden.
Was bedeutet das für die Region? Trotz aller Versuche, die Stickoxid-Problematik
zu verharmlosen, bleibt diese Belastung ein ernsthaftes Gesundheitsproblem, nicht nur dort, wo der Grenzwert überschritten wird. Das
Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung hat vor drei Jahren noch einmal die schon ältere Empfehlung bekräftigt, den Grenzwert auf die Hälfte abzusenken, und seither gibt es immer mehr Hinweise, dass die gesundheitlichen Wirkungen von NO2 eher unterschätzt werden. Ganz aktuell kommt ein
Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes, der die Luftreinhaltepolitik der EU untersucht hat, zu der Einschätzung, dass sie derzeit nicht in der Lage ist, die Menschen wirklich hinreichend zu schützen.
Wollte man dieses Problem ernsthaft angehen und nicht versuchen, es auf dem Rücken derjenigen zu lösen, die schon von der Autoindustrie
auf das Gemeinste betrogen worden sind, dann dürften auch Beschränkungen des Flugverkehrs kein Tabu sein.
Der Schadensort (orangefarbener Kreis), der vermutliche Verursacher
und die gemessenen Windverhältnisse.
Grafiken: Fraport Noise Monitor Fra.NoM,
Windfinder.com, modifiziert
06.09.2018
Es ist Wirbelschleppen-Saison: nur drei Tage nach dem Schadensfall in Flörsheim hat es auch in Raunheim wieder kräftig gekracht. Am Mittwoch Abend gegen 19:30 Uhr riss eine Wirbelschleppe in der Karl-Liebknecht-Strasse, knapp 400 Meter nördlich der Anfluglinie, etliche Ziegel vom Dach. Sie landeten auf der Strasse - zwischen zwei vorbeifahrenden Pkw. Während die Fahrerin, hinter deren Fahrzeug die Ziegel direkt aufschlugen, unmittelbar anhielt und den Vorgang beschreiben konnte, fuhr der nachfolgende Wagen, nachdem er scharf gebremst hatte, weiter. Beide können von Glück sagen, dass sie nicht getroffen wurden.
Zwar herrschte zu diesem Zeitpunkt reger Anflugverkehr auf der Südbahn, und der Zeitpunkt des Schadenseintritts ist nicht ganz exakt bekannt, so dass in der Bestimmung des Verursachers eine gewisse Unsicherheit liegt, aber am wahrscheinlichsten ist, dass es ein A320 der Lufthansa war (auf einem völlig unnötigen Kurzstreckenflug von Hannover). Aber selbst wenn das nicht korrekt sein sollte: in den Viertelstunden davor und danach landeten nur Flugzeuge der A320-Familie oder leichter, kein einziges der Wirbelschleppen-Kategorie 'Heavy'. Nach den beim DFLD abrufbaren Höhenprofilen hat auch keins die vorgegebene Anflughöhe unterschritten.
Bemerkenswert auch die Windverhältnisse: der Wind schwankte an diesem Abend zwischen Südost- und Nord-Richtungen, mit maximal 6 Knoten Stärke. Kurz vor dem Zeitpunkt des Schadens betrug die Rückenwind-Komponente für Betriebsrichtung 25 4,6 Knoten, danach flaute der Wind weiter ab. Ein Anflug aus Osten wäre also nach den geltenden Regeln angesagt gewesen - stattdessen wurde bis in die Nacht aus Westen angeflogen.
Das Dach des betroffenen Hauses, das zuletzt der Unterbringung von Geflüchteten gedient hatte und mittlerweile an eine Raunheimer Firma verkauft ist, war nicht gesichert. Ob das geholfen hätte, ist ohnehin nicht klar, denn neben dem
neu aufgedeckten Pfusch ist dieser Fall ja ein weiterer Beweis dafür, dass die bisherigen Annahmen über Ausbreitung und mögliche Stärke der Wirbelschleppen abhängig vom Flugzeugtyp zumindest lückenhaft sind.
Bezüglich der aufgedeckten Mängel versucht Fraport aktuell natürlich,
ausschliesslich die beauftragten Firmen verantwortlich zu machen, ohne auf die deutlich gewordenen systematischen Versäumnisse und das Versagen ihrer angeblichen 'Qualitätssicherung' einzugehen. Aus dem Wirtschaftsministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde ist bis jetzt garnichts zu hören.
Das wird so nicht bleiben können. Niemand weiss, ob die beiden Fälle kurz hintereinander purer Zufall sind oder ob besondere meteorologische Bedingungen oder atmosphärische Verhältnisse derzeit das Auftreten von Schäden begünstigen. Anwohner berichten, dass gestern im ganzen Ort Wirbelschleppen besonders laut zu hören waren, aber das können subjektive Eindrücke sein. Auch ist nicht klar, wie sich das Auftreten von Wirbelschleppen-Schäden wirklich entwickelt. So wurde z.B. anlässlich des gestrigen Falles bekannt, dass an einem benachbarten Nebengebäude vor Monaten ebenfalls ein Schaden aufgetreten ist - die Öffentlichkeit hat davon nichts erfahren. Auch kursieren hin und wieder Gerüchte von weiteren Schäden, die unauffällig beseitigt wurden.
Fraport könnte dazu zumindest teilweise Auskunft geben, beschränkt sich aber auf eine
dürre Statistik, zu der sie verpflichtet sind, ohne nähere Aussagen zu Art und Ort der Schäden. Auch die Bewertung ist nach wie vor pure Willkür und unterliegt keiner Kontrolle.
Es ist zu befürchten, dass sich vor der Landtagswahl politisch nicht mehr viel tun wird, und die Hoffnung ist gering, dass danach die Kumpanei zwischen Fraport und Landesregierung beendet werden könnte. Der politische Druck auf die, die (dann) Verantwortung tragen, wird erheblich grösser werden müssen, wenn die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung auch nur annähernd erfüllt werden sollen.
Pfusch als Standard ?
04.09.2018
Das Timing war Zufall, hätte aber kaum besser sein können. Kaum hat der gestrige Vorfall die Gefährlichkeit von Wirbelschleppen ins Gedächtnis zurück gerufen, erscheint ein Gutachten, das erneut ein ganz schlechtes Licht auf das Fraport-Dachsicherungsprogramm wirft. Die BI Flörsheim-Hochheim hat die Sicherung eines Daches, das 2015 gesichert wurde und ausdrücklich nicht auf der Fraport-Mängelliste stand, von einem unabhängigen Sachverständigen überprüfen lassen. Das Ergebnis ist vernichtend.
Die Mängelliste ist lang: Wichtige Unterlagen wurden nicht übergeben, Schuppen und Vordach wurden garnicht gesichert, auf dem Hauptdach wurde das Sicherungsschema nicht eingehalten, in verschiedenen Dachbereichen wurden die Ziegel nicht fachgerecht befestigt, die Schneefanganlage wurde unzureichend befestigt.
Höhepunkt waren aber die Sicherheitsdachhaken. Dazu stellt der Gutachter knapp fest:
Die Bilanz dieses Falls ist für die betroffene Hausbesitzerin also miserabel: alles, wovon sie unabhängig von der Sicherung gegen Wirbelschleppen vielleicht einen Vorteil haben könnte (Schneefanggitter, Sicherheitshaken) ist Pfusch und funktioniert nicht, und inwieweit die vorhandene Klammerung gegen Wirbelschleppen hilft, weiss sowieso kein Mensch.
Schlimmer aber sind die aufgedeckten systematischen Mängel wie fehlende Dokumentationen, fehlende Kennzeichnungen, fehlende Wartungshinweise usw., die ja vermutlich für die grosse Mehrheit oder sogar alle durchgeführten Sicherungsmaßnahmen zutreffen, sowie die Tatsache, dass gravierende Mängel wie die fehlende Sicherung ganzer Dachteile bei der Fraport-Abnahme nicht aufgefallen sind. Das führt nicht nur das Fraport-Geschwätz von den "umfangreichen Kontroll- und Qualitätssicherungsmaßnahmen", mit dem sie von der BI empfohlene
Anfragen besorgter Hauseigentümer nach der Qualität der Dachsicherung abwimmeln wollen, ad absurdum. Es wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Qualität der Aufsicht durch das Ministerium, das noch im Juli in einer
Antwort auf einen Offenen Brief des Vereins 'Für Flörsheim' geantwortet hat: "es ist zu unserer Überzeugung sichergestellt, dass der Vollzug durch die Fraport AG ordnungsgemäß erfolgt und nicht an systembedingten Mängeln leidet". Noch weiter kann man kaum daneben liegen.
Die BI Flörsheim-Hochheim fordert in ihrer
Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung des Gutachtens "den Rücktritt von Stefan Schulte [als Geschäftsführer der Fraport] und Betriebsbeschränkungen für die Nordwestlandebahn". Angesichts der Tatsache, dass mangelhafte Dachsicherungen das Leben von Menschen gefährden können, ist die Rücktrittsforderung sicherlich berechtigt. Um Fraport aber generell zu einer anderen Herangehensweise zu zwingen, ist der Austausch einzelner Personen wohl kaum ausreichend. Und Betriebsbeschränkungen, die ja dann generell für den Anflug bei Betriebsrichtung 07 gelten müssten, wären ebenfalls nur denkbar, wenn die Kumpanei zwischen Landesregierung und Fraport aufgebrochen und die Sicherheit der Bevölkerung an erste Stelle rücken würde. Aber grundsätzlich lässt sich das Problem ohne Beschränkungen natürlich nicht lösen.
Naheliegender ist allerdings zunächst die Forderung der Linksfraktion im Hessischen Landtag: "Alle im Auftrag der Fraport gesicherten Dächer müssen unabhängig überprüft werden." Perspektivisch viel wichtiger ist aber die ebenfalls in der
Pressemitteilung enthaltene Forderung: "Die komplette Umsetzung der Dachsicherungen durch die Fraport AG gehört jetzt auf den Prüfstand." Ein wichtiger Schritt dazu könnte der mit der PM veröffentlichte
Berichtsantrag
sein. Hier sind erstmals alle wichtigen offenen Fragen zu diesem Programm zusammengefasst, und die Landesregierung wird Mühe haben, ihren bisherigen Verschleierungs- und Beschwichtigungs-Kurs in der Beantwortung fortzusetzen. Leider sind die parlamentarischen Verfahren derart, dass eine Behandlung dieses Antrags wohl frühestens im November zu erwarten ist.
Wir sehen uns durch dieses Gutachten in der Auffassung bestätigt, dass das Dachsicherungsprogramm nicht vor Wirbelschleppenschäden schützt und bleiben bei dem Fazit, das wir in der
Pressemitteilung anlässlich des Schadensfalles im Mai gezogen haben und das aus unserer Sicht formuliert, was jetzt wichtig wäre:
Der Schadensort (orangefarbener Kreis) und der vermutliche Verursacher.
Grafik: Fraport Noise Monitor Fra.NoM, modifiziert
03.09.2018
Am Sonntag Nachmittag flogen in Flörsheim mal wieder Ziegel auf die Strasse, und wieder hatten Menschen grosses Glück. Die Main-Spitze zitiert eine Betroffene: "Das war haarscharf", denn die ca. 10 Ziegel schlugen an der Stelle auf, an der sie gerade vorbei gegangen war.
Da die Zeit recht genau bekannt ist, ist es auch leicht, den wahrscheinlichen Verursacher zu benennen: eine 777-200LRF der Lufthansa Cargo, Wirbelschleppen-Kategorie 'Heavy'. Bemerkenswert dabei: der Wind wehte relativ stark aus Nordost, trotzdem blieb die Wirbelschleppe über eine Strecke von rund 500 Metern stabil und stark genug, um die Ziegel heraus zu reissen. Der Anflug erfolgte laut DFLD-Höhenprofil zwar etwas zu niedrig, aber auf dem 3,2°-Leitstrahl und damit immer noch über der Standard-Überflughöhe.
Das Dach des betroffenen Hauses war nicht geklammert, und auch dazu macht der Zeitungsbericht eine interessante Aussage: die Anwohner "wollen nicht klammern, da bei ihren alten Dächern durch eine Dachklammerung erhebliche Kosten auf sie zukämen. die ihnen Fraport nicht erstatten würde".
Damit verweist auch dieser Fall wieder auf grundlegende Probleme des Sicherungsprogramms. Hatte der Fall im Mai dieses Jahres
deutlich gemacht, dass die technischen Notwendigkeiten zur Sicherung eines Daches gegen Wirbelschleppenschäden nicht ausreichend geklärt sind, so zeigt dieser Fall einmal mehr, dass sowohl die Bedingungen, unter denen Wirbelschleppen sich ausbreiten, nicht hinlänglich geklärt sind, als auch dass Fraport die Auflagen aus der Planergänzung nicht vollständig umsetzt.
Bisher konnte man davon ausgehen, dass starke Winde dafür sorgen, dass Wirbelschleppen relativ schnell an Stärke verlieren und den Boden entweder garnicht erreichen oder dann so schwach sind, dass sie keinen Schaden mehr anrichten. Dieser Fall zeigt, dass auch bei Winden über 10 Knoten Geschwindigkeit Wirbelschleppen über grössere Strecken so transportiert werden können, dass sie nach wie vor gefährlich sind.
Und die gerade erst wieder
wiederholte Weigerung der Fraport, tatsächlich, wie in der Planergänzung vorgesehen, alle Kosten zu übernehmen, die für eine Dachsicherung notwendig sind, führt dazu, dass viele Dächer nicht gesichert werden und damit das Risiko für Schäden auch schlimmerer Art hoch bleibt.
Die Landesregierung weigert sich erwartungsgemäß, aus diesen Fällen Konsequenzen zu ziehen und leugnet selbst die offenkundigsten Mängel an diesem Dachsicherungsprogramm. Auch die Landtagsparteien hüllen sich weitgehend in Schweigen, mit Ausnahme der Linken, die in ihrer aktuellen Pressemitteilung zumindest beide Aspekte anspricht. Es bleibt zu hoffen, dass sie auch über die Landtagswahl hinaus bei diesem Thema Druck auf die Landesregierung ausübt, um Fraport endlich zu verpflichten, alle offenen Fragen bezüglich der Wirbelschleppen-Gefahr zu klären und die notwendigen Gegenmaßnahmen in vollem Umfang umzusetzen.
Original-Grafik: Harmbengen 2015
01.09.2018
Das
Bündnis für eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt hat seinen ersten
Monitoring-Bericht für das Betriebsjahr 2017 und Prognosen für die Jahre 2018 und 2020 vorgelegt. Die Ergebnisse sind teils recht merkwürdig.
Die sog. Lärmobergrenze bezieht sich auf die Grösse zweier Flächen innerhalb von Isophonen, die die Hoch- und Höchst-Betroffenen umfassen sollen. Je grösser diese Flächen sind, desto lauter ist es in der Region. Der Bericht gibt diese Flächen für 2017 mit rund 17.000 ha (55 dB(A)) und 7.000 ha (60 dB(A)) an. Wir hatten schon bei der
Vorstellung des Modells dieser 'Obergrenze' darauf hingewiesen, dass eine solche Flächenangabe eine sehr begrenzte Aussagekraft hat. Abstrus wird es aber, wenn man sieht, dass diese Werte um 11,6% bzw. 10,5% niedriger sind als die bei der Modellvorstellung
angegebenen Werte für das Jahr 2015. Hat der Lärm tatsächlich abgenommen, obwohl die Zahl der Flugbewegungen zugenommen hat?
Das wagen natürlich nicht mal die Berichts-Verfasser zu behaupten und erläutern ganz verschämt auf der letzten Textseite ihres Berichts, dass das im Wesentlichen an den Abschlägen liegt, die nun erstmals für die Lärmwerte der Flugzeugtypen eingeführt wurden, die laut Zertifizierung unterhalb des Lärmwertes der Klasse liegen, in die sie sonst eingestuft würden. Und ausserdem habe die Zahl der Flugzeuge der A320-Familie, die mit
Wirbelgeneratoren ausgestattet sind (und dafür auch einen Abschlag erhalten), zugenommen.
Tendenziell sollen der Lärm und damit die Flächen aber doch wieder zunehmen; 2018 um 7,6% und 2020 um 10,2% gegenüber 2017. Die Werte, die mal für 2015 errechnet wurden, werden danach aber auch für 2020 noch nicht ganz erreicht.
Was sagt das nun tatsächlich aus? Zum Ersten zeigt die Differenz zwischen den Werten für 2015 und 2017, wieviel Willkür in der Berechnung dieser Flächen steckt. Der tatsächlich vorhandene und gemessene Lärm wird nicht berücksichtigt, es geht um reine Rechenmodelle, deren Annahmen teilweise extrem unsicher sind. Je nachdem, wie man die Ausgangswerte wählt, unterscheidet sich das Endergebnis deutlich. Und da die
Vereinbarung ausdrücklich vorsieht, dass diese Ausgangswerte angepasst werden können, ist darin schon eine Manipulationsmöglichkeit angelegt.
Zum Zweiten wird deutlich, dass die Grenze, die in der Vereinbarung absolut festgelegt wurde, viel mehr Lärmzuwachs zulässt, als damals behauptet wurde. Dadurch, dass der Ist-Zustand 2015 mit relativ hohen Werten abgeschätzt wurde, wirkte der Abstand zur Grenze weniger groß. Nur ein Jahr später wird deutlich, dass noch mehrere Jahre Wachstum möglich sind, bevor der angebliche Ist-Zustand überhaupt erreicht wird, und die Grenze rückt plötzlich in viel weitere Ferne. In Zahlen: gegenüber dem 'Ist-Zustand 2015' hätten die Flächen bis zur 'Obergrenze' noch um 15,4% bzw. 17,3% zunehmen können, gegenüber dem neuen 'Basiswert' 2017 können sie noch um 27,6% bzw. 30,9% zunehmen.
Und man muss es immer wieder betonen: diese Zahlen sind reine Rechengrössen. Wenn die Grenze für die berechneten Werte in weitere Ferne rückt, dann heisst das nicht, dass der Ist-Zustand irgendwie leiser gewesen wäre, sondern nur, dass der Lärm noch mehr zunehmen darf.
Eine besondere Betrachtung hat noch die Einstufung der Flugzeuge mit den sog. 'Wirbelgeneratoren' verdient. Dieses Stück Blech, das an die Tanköffnungen unter den Tragflächen der A320-Familie geschraubt wird, um einen Konstruktionsfehler zu beseitigen, der jahrelang zu einem lauten Pfeifton im Landeanflug geführt hatte, senkt den Lärm im Landeanflug laut dem Monitoring-Bericht des UNH in einer Entfernung von 10 - 20 km vom Aufsetzpunkt, je nach Flugzeugtyp und Anflugverfahren. In kleineren Entfernungen ist die Wirkung unbestritten gleich Null. Trotzdem wird der Abschlag auf den Lärm für die Flugzeuge, die damit ausgerüstet sind, für den gesamten Landeanflug angerechnet. Das hat zur Folge, dass ein Einsatz solcher Flugzeuge formal auch die Fläche der Höchstbelastung reduziert, obwohl er dort absolut keine Wirkung hat.
Das darf man wohl eindeutig Betrug nennen, und seine Auswirkungen auf die Rechenergebnisse sind erheblich.
Angesichts all dieser Kritikpunkte ist es fast kaum noch erwähnenswert, dass auch die Prognose der Werte für 2020 im Grunde nichts wert ist, weil die zugrunde gelegten Wachstumszahlen völlig aus der Luft gegriffen sind. Im Kern allerdings dürfte die Aussage richtig sein: es wird noch lauter, und die 'Lärmobergrenze' tut absolut nichts, um das zu verhindern.
Die Beteiligten wissen natürlich, dass dieser Bericht keinerlei Grund zum Jubeln, aber viel Anlass zu massiver Kritik enthält. Sie überlassen es daher dem Wirtschaftsministerium, den Bericht per
Pressemitteilung an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch Minister Al-Wazir ist natürlich klar, dass er dafür nicht auf Beifall hoffen kann, und wohl deshalb stellt er eine Trivialität an den Anfang, deren Neuigkeitswert gleich Null ist: "Die Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen ist im vergangenen Jahr eingehalten worden". Natürlich weiss jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, dass es unmöglich gewesen wäre, diese Pseudo-Grenze nicht einzuhalten, aber es erzielt den gewünschten Effekt. Soweit die lokalen Medien überhaupt darüber berichten, konzentrieren sie sich auf diesen Aspekt, und zitieren die entsprechende
dpa-Meldung. Auch die Kritiker fixieren sich darauf.
Lediglich in der Frankfurter Rundschau haben wir einen
Beitrag gefunden, der sich kritisch mit diesem Bericht auseinander setzt. Aber auch da wird lediglich allgemein darauf hingewiesen, dass die Lärmobergrenze die Zunahme des Lärms nicht begrenzt, ohne auf die Mechanismen einzugehen, mit denen das sichergestellt wird. Im Landtag haben CDU und Grüne nochmals per
Beschluss bestätigt, dass sie zu diesem Betrugsmanöver stehen. Die SPD
übt zwar Kritik,
bestätigt aber gleichzeitig, dass sie weiter für den Flughafenausbau ist. Die Linksfraktion formuliert zwar
die richtigen Forderungen, liefert aber auch keine fundierte Kritik dieses Berichts.
Alles in allem sehen wir uns in unserer Einschätzung bestätigt: diese 'Lärmobergrenze' begrenzt nichts. Weder wird sie in absehbarer Zeit trotz wachsendem Fluglärm überhaupt erreicht, noch würde sie wirkungsvolle Mechanismen bereitstellen, um eine Begrenzung oder gar Reduzierung durchzusetzen. Sie wurde nur zu dem Zweck eingeführt, eine Auflage aus der Mediation zu erfüllen, ohne irgend eine Einschränkung für die Luftverkehrswirtschaft befürchten zu müssen.
Dass die CDU sich eines grünen Ministers bedienen kann, um diesen Auftrag zu erfüllen, sollten angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen alle, denen an einer Reduzierung des Fluglärms und einer Verhinderung der weiteren Zunahme des Luftverkehrs gelegen ist, aufmerksam zur Kenntnis nehmen.
Das Fluglärmgesetz soll dem Schutz der Menschen vor dem Fluglärm dienen -
derzeit ist es umgekehrt.
27.08.2018
So langsam konkretisiert sich, wie die Protestaktion zur Unterstützung der Forderungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen zur
Novellierung des Fluglärmgesetzes, an der die Stadt Raunheim
sich beteiligen will, aussehen soll.
Am Mittwoch, den 12. September, will der parlamentarische Arbeitskreis 'Fluglärm', dem über 50 Abgeordnete des Bundestags angehören, von 13:00 bis 16:00 Uhr eine Anhörung zu der Novellierung durchführen, zu der als Expert*innen je zwei Vertreter*innen der ADF und der Bundesvereinigung gegen Fluglärm eingeladen sind. Aus diesem Anlass wollen ADF und BVF ab 12:00 Uhr eine Aktion vor dem Reichstag in Berlin durchführen, bei der symbolisch verdeutlicht wird, dass das Gesetz derzeit nur den Fluglärm schützt, aber nicht die Menschen, und die
ADF-Forderungen, wie das zu ändern wäre, an Vertreter*innen des Arbeitskreis übergeben werden.
Über zwei Dutzend Kommunal-Vertreter*innen werden die Aktion unterstützen, indem sie dabei die Ortsschilder ihrer Kommunen hochhalten.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen hat beschlossen, diese Aktion zu unterstützen und die BIs zur Beteiligung aufgerufen. Einige Dutzend BI-Mitglieder werden, ebenfalls mit Schildern ausgestattet, vor Ort sein und deutlich machen, dass die Forderung nach einer Verbesserung des Schutz vor Fluglärm breite Unterstützung hat. Anders als bei der Aktion vor 12 Jahren werden allerdings keine Busse aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Berlin fahren, da die Zugverbindungen zeitlich deutlich günstiger sind. Wer noch mitfahren möchte, sollte sich schnellstmöglich unter kontakt@BI-Fluglaerm-Raunheim.de anmelden.
Natürlich haben die beteiligten Akteure (ADF, BVF, BBI, andere Bürgerinitiativen) durchaus unterschiedliche Forderungen an eine Novellierung des Gesetzes, und die ADF-Forderungen sind nicht mehr als der Minimalkonsens, der von allen mitgetragen werden kann und beschreibt, was mindestens passieren muss, damit die Novellierung des Gesetzes überhaupt irgend einen Sinn macht. Sie gehen kaum über das hinaus, was im Bericht des Umweltministeriums steht und von diesem zur Umsetzung empfohlen wird.
Auf der anderen Seite ist zu befürchten, dass das Verkehrsministerium auch diese minimalen Fortschritte noch blockieren möchte und sich in der Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung dagegen aussprechen wird. Deshalb ist es richtig und wichtig, den Bundestagsabgeordneten deutlich zu machen, dass es Grenzen gibt, die sie nicht unterschreiten dürfen.
Das wird uns und andere BIs aber nicht daran hindern, auch weiterhin mit Nachdruck für Veränderungen einzutreten, die weit über das hinausgehen, was in dem ADF-Papier formuliert ist. Nicht nur ist klar, dass ein brauchbarer Rechts-Rahmen, der den Schutz vor Fluglärm unter den heutigen Bedingungen halbwegs auf ein zum Schutz der Gesundheit notwendiges Niveau bringen könnte,
deutlich breiter angelegt sein müsste. Angesichts der
Grenzen, die dem Luftverkehr zum Schutz des Lebens und der Umwelt generell gesetzt werden müssen, wäre das, was aus Lärmschutz-Gründen notwendig ist, nur ein allererster Schritt.
Aber bekanntlich beginnt ja auch die längste Reise immer mit dem ersten Schritt. Also: auf nach Berlin.
Da stehen sie demnächst: gerade mal einen Kilometer voneinander entfernt, einige hundert Meter nördlich der Anfluglinie - meßtechnisch optimal ist das nicht.
25.08.2018
Gut ein halbes Jahr hat der Streit gedauert, jetzt gibt es ein Ergebnis. Die 'Stabstelle Fluglärmschutz' des Oberbürgermeisters und die Umweltdezernentin haben sich geeinigt, wo die beiden Frankfurter Ultrafeinstaub-Meßgeräte stehen sollen, zumindest im ersten Jahr. Freundlich formuliert, kann man den Kompromiss als 'politisch' bezeichnen.
Meßtechnisch lässt sich die Standortwahl kaum erklären. Die beiden Standorte liegen relativ nah beieinander, in (annähernd) gleicher Richtung und Entfernung von der Anfluglinie auf die Nordwestbahn. Wollte man mit zwei Meßstationen möglichst viel über die UFP-Immissionen durch Überflüge erfahren, würde man die Stationen möglichst nah an die Flugroute bringen (z.B auf den Lerchesberg) und neben dem Anflug auch versuchen, die Wirkung der Abflüge zu messen (z.B. in Niederrad). Nun wird eher dort gemessen, wo man wissen möchte, wie hoch die Belastung ist, aber weniger darüber erfährt, wo sie herkommt.
Immerhin sollen die Stationen nun ab September in Betrieb gehen, und man wird sehen, welche Erkenntnisse sich aus den Ergebnissen ableiten lassen.
Inzwischen erscheinen immer mehr Arbeiten über die medizinischen Wirkungen von Ultrafeinstaub. So berichtet die Universitätsmedizin Mainz in einer Pressemitteilung über einen neuen Übersichtsartikel zu Wirkungen der Luftverschmutzung auf Blutgefäße und zitiert den Erstautor Prof. Münzel:
Der aktuelle Planungsstand. Alle, die von der Südbahn betroffen sind, dürfen sich darüber freuen, dass Terminal 3 besonders für Billigflieger attraktiv werden soll.
24.08.2018
Fraport hat wieder einmal Grund, sich zu freuen. Nach genau
einem Jahr Wartezeit konnten sie vor ein paar Tagen
mitteilen, dass nun die Baugenehmigung für den nunmehr ersten, vorgezogenen Teil des Terminal 3, den
Billig-Flugsteig G, vorliegt.
Knapp zwei Wochen vorher hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel eine Klage des Kreises Groß-Gerau gegen die Baugenehmigung für den (ursprünglich) ersten Bauabschnitt von Terminal 3
abgewiesen, so dass nun praktisch alle juristischen Hürden für das Terminal abgeräumt sind.
Überraschend kommt das nicht. Im Magistrat der Stadt Frankfurt gibt es keinen relevanten Widerstand gegen den Ausbau des Flughafens (er soll wachsen, aber dabei leiser werden). Zwar hat die SPD-Fraktion laut einem
Bericht der Frankfurter Rundschau am 16.08. den Planungsdezernenten aufgefordert, "die Genehmigung für das Terminal 3 zu verweigern", denn "eine ausreichende Erschließung durch den öffentlichen Personenverkehr sei nicht gesichert", aber das war im Jahr 2013, es ging um die Baugenehmigung für den ersten Abschnitt, und Planungsdezernent war der Grüne Olaf Cunitz. Heute
erklärt der Sprecher des SPD-Dezernenten Josef ganz genau so: "Die Bauaufsicht hat den Bauantrag auf Recht und Gesetz geprüft, alle Vorgaben wurden eingehalten, der Antrag ist genehmigungswürdig". Zwar ist die Erschliessung nach wie vor nicht gesichert, aber die SPD sitzt jetzt mit im Magistrat.
Die Grünen, in Frankfurt dafür nicht mehr zuständig, haben die Entscheidung in Form einer
zustimmenden Stellungnahme des Ministeriums unterstützt, für die Minister Al-Wazir extra noch ein Gutachten einer als besonders wirtschaftsfreundlich bekannten Anwaltskanzlei eingeholt hatte.
Widerstand geht anders.
Dass die Erschliessung in den ersten Betriebsjahren des Flugsteigs G sogar noch schlechter sein soll als im Planfeststellungsbeschluss für Terminal 3 insgesamt vorgesehen, war auch Gegenstand des
Gutachtens, mit dem der Kreis Groß-Gerau gegen diesen Ausbauschritt vorgehen wollte, aber das war dem Gericht egal. Ob Hochbahn und Förderanlage oder Bus und Lkw - irgendwie werden Menschen und Gepäck schon da hin und auch wieder weg kommen, und etwas Besseres ist laut PFB nicht nötig.
Es hätte einer politischen Entscheidung bedurft, die Rechtmäßigkeit des PFB in Frage zu stellen und eine grundsätzliche Verbesserung der Erschliessung durch den ÖPNV (auf Kosten Fraports), z.B. durch einen eigenen S-Bahnhof und einen entsprechenden Strecken-Ausbau, zu verlangen. Argumente dafür gäbe es genug, nicht zuletzt aus Gründen des Klimaschutzes, aber den politischen Willen dafür gibt es im Frankfurter Magistrat nirgendwo.
Und was macht nun krank ?
08.08.2018
Manchmal stösst man auf Artikel, die machen beim Lesen teilweise richtig Spass. Wenn ein Mediziner in aller Deutlichkeit vor den Gefahren von Ultrafeinstaub warnt und als dessen hauptsächliche gesundheitliche Folge "– epidemiologisch und experimentell gesichert und biologisch plausibel – die Zunahme an Herzinfarkten und Schlaganfällen" darstellt, könnte man glauben, nun endlich den lange gesuchten Beleg für diese Aussage in den Händen zu halten. Aber es wäre zu schön, um wahr zu sein.
Schon die Überschrift des
Artikels
müsste zur Vorsicht mahnen. Da geht es um Stickoxide, die im Dieselskandal "das geringere Übel" sein sollen. Und dann heisst es auch noch im Vorspann (den man online nicht gleich zu sehen bekommt) "Eine Nachrüstung der großen Emittenten mit Partikelfiltern ist nicht nur wesentlich wirksamer (99,99 %) als die Nachrüstung von PKW mit Hardware (SCR – ad blue – Reduktion des NO2 um ca. 70 %), sondern auch um den Faktor 4 billiger."
Und damit auch der Dümmste kapiert, worum es geht, lautet das Fazit am Ende des Artikels, dass Stickoxide schon irgendwie auch schädlich sind, aber "der Schaden durch die Partikel (sog. Feinstäube) ist mehrfach größer – für die Gesundheit und für das Klima. ... Eine Nachrüstung aller Schwerfahrzeuge mit Partikelfiltern ... kostet für Deutschland rund 3 Milliarden Euro. Eine Nachrüstung aller PKW mit SCR zur Reduktion der Stickoxide in der Praxis kostet bis zum Zehnfachen – bei einem Zehntel des Nutzens ... Deshalb ist es unsinnig, viel Geld in die Reduktion eines gesundheitlich weniger relevanten Stoffes zu investieren, wenn hocheffizient der Hauptschädiger durch Partikelfilter beseitigt werden kann."
Abgesehen davon, dass weitgehend unklar bleibt, worauf sich die angegebenen Prozent- und Verhältnis-Zahlen eigentlich beziehen, ist es grundsätzlich starker Tobak, in einer 'Zeitschrift für medizinische Prävention' zu argumentieren: "Die Bekämpfung dieser Krankheit ist zu teuer, bekämpfen wir lieber eine andere". Da müssen noch ein paar Argumente her, oder zumindest etwas, was wie ein Argument aussieht.
Und das geht dann so: als erstes wird die Weltgesundheitsorganisation WHO zitiert, denn die "schätzt in ihrem jüngsten Bericht ..., dass ungefähr 7 Millionen Menschen jährlich an Feinstaub sterben", aber "NO2 wird als Schadstoff nicht einmal erwähnt – weil er vergleichsweise wenig Schaden anrichtet?". Das Fragezeichen ist rein rhetorisch, denn dann folgt erstmal das arbeitsmedizinische Mantra, dass Stickoxide am Arbeitsplatz auch bei viel höheren Konzentrationen niemanden umbringen, und "Daher ist der Verdacht begründet, dass Langzeitwirkungen von NO2 mit anderen, gleichzeitig vorkommenden Luftschadstoffen, Allergenen und Infektionserregern erklärt werden müssen. Für die epidemiologisch dem Stickstoffdioxid NO2 zugeschriebenen Gesundheitsschäden ist vermutlich vorwiegend der ultrafeine Partikel (UFP) samt Beladung mit polyzyklischen Aromaten (PAK) und Metallabrieb aus dem Motor verantwortlich." Vermutlich - weil die beigefügte Grafik zeigt, dass an einem verkehrsreichen Platz die Partikelanzahl-Konzentration genauso schwankt wie die Stickoxid-Konzentration. Andere Belege für diese steile Behaup
tung gibt es nicht. Zweifelt noch jemand?
Soviel Unsinn auf einmal ist auch eine Leistung, aber wenn man bedenkt, wie die Leser*innen hier veralbert werden sollen, hält sich die Bewunderung in Grenzen. Der
jüngste Bericht der WHO entpuppt sich als Pressemitteilung, in der nicht nur die Stickoxide, sondern auch alle anderen Luftschadstoffe nicht erwähnt werden, weil, wie in den
anhängenden Fact Sheets beschrieben wird, 'Particulate Matter' (überwiegend PM10) als 'common proxy indicator', d.h. als üblicher Leitwert für Luftverschmutzung benutzt wird. In den folgenden technischen Erläuterungen sind Stickoxide als besonders relevante Schadstoffe natürlich weiterhin genannt.
Dass die anderen Deppen nicht gemerkt haben, dass sie die Effekte von UFP sehen, wenn sie glauben, die Wirkungen von Stickoxiden zu untersuchen, liegt einfach daran, dass sie nicht mitbekommen haben, dass die Partikel aus den Verbrennungsabgasen immer kleiner geworden sind und nicht mehr als sichtbarer Russ, sondern als unsichtbarer Ultrafeinstaub vorliegen. Oder, wie der Autor etwas vornehmer formuliert: "Diese „Verwechslung“ konnte nur deswegen geschehen, weil man glaubte, UFP würden mit PM2,5 ausreichend erfasst. Dabei wurde allerdings die Motorenentwicklung übersehen". Daran ist zwar richtig, dass UFP-Konzentrationen für epidemiologische Untersuchungen erst in jüngster Zeit und noch in unzureichendem Maß zur Verfügung stehen, aber richtig ist auch, dass sowohl die toxikologischen Untersuchungen zu Stickoxiden als auch die epidemiologischen, die sich auf größere Flächen beziehen, in denen sich Stickoxide ganz anders ausbreiten als UFP, davon nicht oder nur wenig beeinflusst sind. Aber wen kümmern solche Details, wenn man eine Grafik hat, die etwas anderes suggeriert.
Der Artikel enthält dann neben den schönen Worten über Ultrafeinstaub, bei denen aber auch ständig alle Feinstaubfraktionen bunt durcheinandergemischt werden, noch ein paar Bonbons für Umweltbewegte, von der Forderung nach einer CO2-Steuer über die Kritik an Subventionen für Diesel und den Einsatz von Palmöl als Treibstoff bis hin zu den militärischen Kosten für die Sicherung der Ölversorgung, die wohl noch etwas vom Renommee des Autors, der immerhin 'Umweltreferent der Tiroler und Österreichischen Ärztekammer' ist, retten sollen, aber auch das misslingt kläglich. Und auch einen Beleg für die oben zitierte vollmundige Behauptung über die wissenschaftlich gesicherten Wirkung von UFP sucht man vergeblich.
Warum dieses Machwerk dann überhaupt erwähnen? Sollte man nicht besser hoffen, dass es möglichst niemand liest und es ganz schnell in der Versenkung verschwindet? Im Prinzip ja, aber das wird nicht passieren.
Man muss sich nur das Umfeld dieses Artikels ansehen, um zu verstehen, dass hier nicht einfach ein profilierungssüchtiger Schreiberling weit über die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten hinaus herumschwadroniert, sondern eine Kampagne abläuft, die zwar fachlich keine Substanz hat, aber trotzdem öffentliche Wirkung erzielen wird.
Im
Editorial der gleichen Ausgabe trägt eine Ärztin, die genauso wenig vom Fach ist wie der Autor, noch dicker auf und behauptet, "Die wissenschaftlichen Erkenntnisse weisen klar darauf hin, dass für die dem Stickstoffdioxid angelasteten Gesundheitsschäden wohl Feinstaub und Metallabrieb aus dem Motor verantwortlich sind!" Und daraus folgert sie messerscharf: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass viel Geld in die Verminderung eines gesundheitlich weniger relevanten Stoffes wie dem Stickoxid investiert wird, wenn hocheffizient der Hauptschädiger „Feinstaub“ beseitigt werden kann! Eine Nachrüstung der großen Emittenten mit Partikelfiltern gegen Feinstäube ist nicht nur wesentlich wirksamer als die Nachrüstung von Personenkraftwagen mit Hardware zur Verminderung der Stickoxide aus Auspuffabgasen, sondern auch wesentlich günstiger!"
Und dann darf noch ein altgedienter Professor, der auch nichts davon versteht, eine
aktuelle Studie des Umweltbundesamtes zu den gesundheitlichen Wirkungen von Stickoxiden
als 'Panikmache' herunterputzen, und beide Artikel werden in der
Einführung noch besonders positiv hervorgehoben. Ein Ausrutscher sähe anders aus.
Wäre die ASU eine Zeitschrift des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, würde man sich nicht groß darüber wundern, dass sich da viele Autoren Gedanken darüber machen, wie die Autokonzerne am billigsten mit dem Dieselskandal fertig werden, und Argumente dafür suchen, warum Nachrüstungen, die die Konzerne bezahlen müssten, weniger sinnvoll sind als solche, die die Betreiber oder die öffentliche Hand bezahlen. Sie ist aber (u.a.) ein Publikationsorgan der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM), und zu deren Kernaufgaben gehört das normalerweise nicht. Nichtsdestotrotz feiert die DGAUM den Artikel von Herrn Fuchsig in einer eigenen
Pressemitteilung ebenfalls als eine Darstellung neuester Erkenntnisse, aus denen die gleichen politischen Forderungen abgeleitet werden.
Wirklich überraschend ist das allerdings auch nicht, denn bereits im Frühjahr hat der damalige DGAUM-Präsident Drexler
eine ähnliche Kampagne im Focus lanciert und auf der nachfolgenden DGAUM-Tagung damit fast einen Skandal produziert. Und weitere personellen Verflechtungen mit der unsäglichen
Forschungsvereinigung EUGT waren bereits vorher deutlich geworden.
Zwar ist nicht erkennbar, wie die jetzt handelnden Personen in diesen Klüngel einbezogen sind (lediglich Herr Hartmann hat mal mit dem EUGT-Geschäftsführer Spallek
ein Buch produziert), aber die inhaltlichen Zusammenhänge sind nicht zu übersehen.
Aber wie kann es sein, dass eine Handvoll Leute, die zwar Mediziner sind, aber keinerlei eigene Arbeiten oder Expertisen zu Luftschadstoffen vorweisen können, die jahrzehntelange Arbeit Hunderter Fachkolleg*innen einfach vom Tisch wischen und ohne jeden Beleg Zusammenhänge behaupten können, die niemand vorher je erwähnt hat? Warum dürfen sie in einer angeblich "peer reviewed"-Zeitschrift wissenschaftlichen Unsinn publizieren, ohne dass das von Menschen, die sich damit auskennen, rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen wird?
Offensichtlich ist das ein weiteres Beispiel dafür, wie weit die Wirkung der Lobbyarbeit grosser Konzerne reichen kann, und wie leicht Menschen, die sich eigentlich eine andere, positivere Reputation aufgebaut hatten, in so etwas hinein gezogen werden.
Für die eigene Arbeit sollte man daraus lernen: nicht jeder, der einen Sachverhalt behauptet, den man selber gerne glauben würde, und der eine Forderung vertritt, die man selber auch für richtig hält, ist damit schon ein Verbündeter. Natürlich ist es richtig, dass die Ultrafeinstaub-Belastung reduziert werden muss, und dass daher alles, was mit Verbrennungsmotoren angetrieben wird, auch einen Partikelfilter erhalten sollte. Wenn diese Forderung aber dafür missbraucht wird, die ebenso berechtigte Forderung nach einer Nachrüstung aller Diesel-Maschinen zur Reduktion der ebenso schädlichen Stickoxide zu diskreditieren, sollte man sich nicht vor diesen Karren spannen lassen.
Und wenn die Vertreter dieser Strategie dann auch noch so dilettantisch argumentieren, dass sie damit jede ernsthafte Auseinandersetzung ad absurdum führen, dann sollte man sie auch als Scharlatane an den Pranger stellen und deutlich machen, dass man mit dieser Art von politischer Auseinandersetzung nichts, aber auch garnichts gemein hat.
Umfassende Kontrolle bei den Vielen, 'Diskretion' bei den Wenigen - so wollen es (nicht nur) die EU-Staaten.
05.08.2018
Eigentlich gibt es ihn garnicht: die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation ICAO unterscheidet formal nur zwischen gewerblichem und nicht-gewerblichem Luftverkehr, und luftrechtlich ist der
Geschäftsflugverkehr (meist besser bekannt als 'Business Aviation') der überwiegend nicht-gewerblichen
Allgemeinen Luftfahrt zugeordnet, weil "es im Einzelfall schwer zu entscheiden wäre, ob der jeweilige Flug geschäftlicher oder sonstiger Art ist".
Faktisch spielt er aber eine durchaus bedeutende und leider auch immer negativere Rolle.
Das etwas verschwommene öffentliche Bild ist den beteiligten Akteuren durchaus recht, und sie tragen selbst mit unterschiedlichen Definitionen dazu bei. So ist nach der
Definition
des internationalen Dachverbands
IBAC
Business Aviation "der Sektor der Luftfahrt, der den Betrieb oder Gebrauch von Luftfahrzeugen durch Firmen für den Transport von Passagieren oder Gütern als Unterstützung ihrer Geschäftstätigkeit betrifft, geflogen für generell nicht als öffentlich betrachtete Zwecke von Personen, die mindestens über eine gültige gewerbliche Piloten-Lizenz für den Instrumentenflug verfügen" (Stand 03.08.2018, eigene Übersetzung). Zu dieser schon etwas länglichen Beschreibung gibt es je nach Bedarf auch noch vier Unterkategorien, die aber alle den professionellen Betrieb betonen.
Das ist eine deutliche Abgrenzung von anderen Akteuren der Allgemeinen Luftfahrt, wie Hobby- und Segelfliegern, Ballonfahrern, Ultraleicht-Fliegern usw., mit denen man eigentlich wenig zu tun haben möchte. Etwas offener
formuliert da der deutsche Dachverband
GBAA,
der gewerblichen Flugbetrieb wie "Luftfahrtunternehmen mit einem 'Air Operator Certificate' (AOC) wie Executive Charter, Ambulanz- und Helikopterflüge", nicht-gewerblichen Flugbetrieb wie "Betrieb von Luftfahrzeugen ohne AOC wie Werksflugbetrieb, private Flüge oder Eigentümerflüge" und spezielle Arten des Flugbetriebs wie "Regierungsflüge oder ein Luftfahrzeugbetrieb, bei dem ein Luftfahrzeug für einen speziellen Bereich zum Einsatz kommt wie bspw. in der Landwirtschaft oder im Such- und Rettungsdienst" mit einbezieht und damit deutlich stärker bemüht ist, den öffentlichen Nutzen dieses Sektors hervorzuheben.
Ganz am Anfang der GBAA-Definition steht allerdings ein Satz, der mit der darin enthaltenen Verlinkung den Kern des Sektors deutlich macht: "Die Business Aviation ist der individuelle Geschäftsreiseverkehr mit vielen Vorteilen", und die Vorteile dienen ausschliesslich dem Geschäft.
Es gibt eine Reihe guter Gründe für den 'fliegerischen Individualverkehr', sich nicht allzusehr von den anderen Bereichen der Allgemeinen Luftfahrt abzugrenzen. Dazu gehört in allererster Linie, dass die elitäre Privatfliegerei keine sonderlich breite Lobby-Basis hat und selbst wohlgesonnene Wirtschaftspolitiker Schwierigkeiten haben, Privilegien und Subventionen für diesen Bereich öffentlich zu verteidigen. Da macht es sich gut, wenn man für entsprechende Kampagnen auch andere, weniger diskreditierte Bereiche einbeziehen kann.
Genau das passiert derzeit. Die EU-Kommission hat im Rahmen der
EU-Luftverkehrsstrategie einen
Fahrplan zur Förderung der Allgemeinen Luftfahrt verabschiedet, dessen Umsetzung seither von der European Aviation Safety Agency (EASA)
vorangetrieben wird und offenbar
kurz vor dem Abschluss steht. Dabei werden als Ziele hauptsächlich 'Bürokratieabbau' und 'einfache und leichtere Regulierung' genannt. Die EASA benutzt dabei ihre
eigene Einteilung des Luftverkehrs, so dass noch mehr verschwimmt, was hier für wen durchgesetzt wird. Deutlich wird aber, dass mehr Befugnisse
auf EU-Ebene zentralisiert
werden und die Möglichkeiten nationaler Behörden, eigene Regel-Interpretationen und Auflagen durchzusetzen, eingeschränkt werden sollen.
Worum es aber neben der allgemeinen Deregulierung geht, wurde schon vor mehr als zehn Jahren in einem Positionspapier festgelegt und wird aktuell von einem ehemaligen SPD-Abgeordneten und jetzigem GBAA-Lobbyisten beschrieben als "eine Wiederbelebung des Regionalverkehrs auf unserem Netz des dezentralen Luftverkehrs", inklusive der notwendigen spezifischen Deregulierung und Subventionierung. Das zielt aber auf die politischen Entscheider, während für die Öffentlichkeit ein freundlicheres Bild gemalt wird.
Auch der Frankfurter Flughafen hat einen eigenen Bereich für die Privatfliegerei, der aber auch hier verschleiernd
General Aviation Terminal heisst. Die Fraport-Beschreibung macht allerdings sehr deutlich, für wen es da ist:
"Es sind zumeist Passagiere mit einem besonderen Status, die das – zu deutsch – Terminal für die Allgemeine Luftfahrt ansteuern. Regierungsvertreter, Konzernvorstände, Sportler und Hollywoodgrößen geben sich hier die Klinke in die Hand – eben jeder, der sich ein eigenes Privatflugzeug leisten oder von Amtes wegen auf ein solches zurückgreifen kann." Zur Auslastung wird berichtet: "Zwei Privatmaschinen pro Stunde sind in Frankfurt heute einkalkuliert, im vergangenen Jahr starteten und landeten durchschnittlich 23 der kleinen Jets am Tag".
Praktischerweise ist dieses Terminal trotz Nachtflugverbot an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang geöffnet, damit auch alle Arten von Notfällen dort abgewickelt werden können, und die Beamten der Luftaufsicht sitzen ebenfalls direkt vor Ort, um ggf. die Dringlichkeit direkt überprüfen zu können.
Dieses Terminal passt auch hervorragend zur Fraport-Strategie der Schaffung von Arbeitsplätzen durch
Induktion und Imagination, wie der GBAA-Geschäftsführer in einem
aktuellen Interview erläutert: "Wir befördern den einen oder anderen Passagier, der für Milliardenumsätze sorgt und damit auch für Arbeitsplätze". Neben solchen Aussagen liefert der Artikel aber auch noch ein paar neuere statistische Zahlen: "Deutschland hat die größte Business-Aviation-Flotte Europas: 668 Flugzeuge sind hier registriert, 726 stationiert. 35 Prozent davon sind Turboprops, der Rest Jets für bis zu 15 Passagiere. Bei der Anzahl der Abflüge belegte Deutschland 2017 mit 98.482 den zweiten Platz hinter Frankreich. Der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr betrug 3,5 Prozent. Die Business Aviation hat einen Anteil von 8,2 Prozent an den Flügen in Deutschland." Statistisch sind das rund 270 Abflüge täglich; mit weniger als 5% davon spielt FRA hier also noch keine große Rolle. Angesichts der immer wieder behaupteten besonderen Rolle des Flughafen für 'die Wirtschaft' wirkt das seltsam, und ob es sich mit dem mal für die Zeit nach 2020
angekündigten Neubau ändern soll, ist unklar.
Die dunklen Seiten dieses Geschäftszweigs werden in den Lobby-Papieren natürlich nicht beschrieben, das ist Sache des investigativen Journalismus. So hat sich
Investigate Europe einen Aspekt vorgenommen, der offiziell verharmlosend 'Diskretion' heisst. Im 'Tagesspiegel'
beschreiben zwei Autoren, wie die Privatfliegerei in Europa erfolgreich durchgesetzt hat, dass die umfangreiche Überwachung, der der gesamte sonstige Flugverkehr in der EU zwecks 'Terrorismus-Bekämpfung' unterworfen wurde, für sie nicht gilt und Geschäftsleute weiterhin anonym reisen können.
Dadurch wird zwar ein riesiges Schlupfloch geschaffen, aber das muss leider so sein. "„Der Privatflugverkehr würde sich nicht in die technische Systematik des EU-PNR-Systems
einfügen“, erklärte eine Sprecherin von Innenminister Horst Seehofer auf die Frage, warum das Ministerium dabei
mitmachte. Ohnehin werde „das Risiko, dass auf diesem Wege potenzielle Terroristen ins Land gelangen, derzeit als eher
gering eingeschätzt“, erläuterte sie zur Begründung." Terroristen können sich keine teuren Privatflugzeuge leisten, wenn sie nicht gerade von Saudi-Arabien oder den Emiraten finanziert werden, aber das sind ja unsere Verbündeten. Und Menschenhändler, Drogendealer und Waffenschieber, die das Schlupfloch ebenfalls nutzen, sind schliesslich auch Geschäftsleute.
Parallel dazu soll auch den Online-Portalen, auf denen Flugbewegungen nachvollzogen werden können, mithilfe der neuen europäischen Datenschutz-Grundverordnung
der Garaus gemacht werden. Und auch dafür muss wieder der Allgemeine Flugverkehr in Gestalt des Dachverbandes AOPA zur Tarnung herhalten. Zwar bekommt dessen Geschäftsführer in den Diskussionsforen dafür kräftig Prügel von Hobby-Fliegern, die davon garnichts halten, aber er weiss schließlich, von wem er bezahlt wird.
Nicht mehr tarnen kann sich die elitäre Privatfliegerei aber bei der größten Umweltsauerei, die sie gerade plant: die Wiedereinführung des Überschall-Passagierflugs. Während Ansätze für möglicherweise umweltfreundlicheres Fliegen mit Elektro-Antrieb nur öffentlich subventioniert und auch nur für Kurzstrecken oder Ultra-Kurzstrecken überhaupt vorankommen, wird der erfahrungsgemäß umweltschädliche Überschallflug von etablierten Flugzeugbauern, Start-ups und Aufsichtsbehörden massiv vorangetrieben. In den USA hat die Aufsichtsbehörde FAA unter fürsorglicher Aufsicht der Trump-Regierung den existierenden Bann für Überschallflüge über Land bereits so gut wie beseitigt. Und in Europa wird die Übertragung der Genehmigungsbefugnis an die deregulierungswütige EASA, die wie oben beschrieben gerade läuft, auch nicht dazu beitragen, Hindernisse aufrecht zu erhalten. Dabei machen erste kritische Abschätzungen schon sehr deutlich, dass die behaupteten technischen Fortschritte gegenüber den bisherigen Technologien bestenfalls extrem unsicher, wahrscheinlich aber garnicht zu realisieren sind. Der anvisierten Zielgruppe ist das egal: sie will fliegen, auch unter der Prämisse schnell, teuer, dreckig.
Die Teile der 'Allgemeinen Luftfahrt', die seriöseren Tätigkeiten nachgehen, sollten sich überlegen, ob sie künftig weiterhin als Deckmantel für derartige Aktivitäten herhalten wollen. Und alle anderen, denen Umwelt und Gesundheit etwas bedeuten, sollten dazu beitragen, die öffentliche Diskussion darüber voranzutreiben. Von selbst wird diese verantwortungslose Bande ihr Treiben nicht beenden.
Am Boden bleiben - faktisch und im übertragenen Sinn -
ist das Einzige, was hilft.
(Für Original Grafik anklicken)
26.07.2018
Wer
Wachstumsgrenzen nicht akzeptieren will, versucht, das derzeitige Chaos damit zu überwinden, immer mehr Ressourcen in das System zu pumpen. Airlines mobilisieren noch mehr Fluggerät, Airports bauen Hilfsterminals mit neuen Abfertigungsstrecken, die Flugsicherung bildet mehr Lotsen aus, und, und und. Die Konsequenzen dieses Irrsinns werden zwar durch
Hitzewellen, Dürren, Brände und andere Katastrophen immer deutlicher, aber so etwas hat die Profitjäger noch nie gestört.
Eine nachhaltige Lösung fordert dagegen die Initiative "STAY GROUNDED – AM BODEN BLEIBEN". Der Name ist im Englischen so doppeldeutig wie im Deutschen: 'am Boden bleiben' meint eben nicht nur nicht zu fliegen, sondern auch auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und Einsicht in Notwendigkeiten zu entwickeln. Das
Positionspapier
der Initiative tut genau das: begründen, warum der Flugverkehr eingeschränkt werden muss und was dafür alles notwendig ist.
Das Papier nimmt dabei entsprechend der Globalität der Probleme auch eine globale Perspektive ein und möchte eine Grundlage liefern für alle Arten von Initiativen, die sich gegen das ungebremste Wachstum des Luftverkehrs und gegen eine oder mehrere seiner negativen Folgen wehren, sei es der Klimawandel, die Schadstoffbelastung, der Lärm, der Landraub für Flughafenbauten oder die Zerstörung wirtschaftlicher, sozialer oder ökologischer Strukturen durch neue Wirtschaftszonen und Massentourismus.
Diese globale Perspektive im Auge zu behalten, ist nützlich, wenn man sich mit einem Gegner anlegen will, der global agiert und vernetzt ist, wenn man aber dem Aufruf zur Einmischung am Ende des Papiers folgen will, ist es nützlich, zunächst einmal genau hinzuschauen, mit welchen Triebkräften man es lokal zu tun hat.
Was treibt also das Wachstum des Luftverkehrs hierzulande und was ist dagegen zu tun? Bereits Anfang des Jahres waren in einem DLR-Report die folgenden aufschlussreichen Sätze zu lesen:
Schon die Klimabelastung durch den globalen Tourismus lässt sich nur grob abschätzen, aber eine neue, umfassende
Studie kommt zu dem Ergebnis, dass er für ca. 8 % des globalen CO2-Ausstoss verantwortlich ist und dieser Anteil stark wachsen wird, wobei hier nicht nur der Transport, sondern auch die erhöhten Emissionen vor Ort eingerechnet sind.
Eine weitere umfangreiche
Modell-Analyse untersucht, ob die gegenwärtige Form des Tourismus irgendwie mit den Erfordernissen des Klimaschutz in Einklang gebracht werden könnte und schliesst:
Hin und wieder berichten auch die hiesigen Mainstream-Medien über soziale Folgen der heutigen Form des Massentourismus, z.B. über
Massenarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung in den Ferienzentren am Mittelmeer, und über die
Verdrängung der Wohnbevölkerung durch Immobilien-Spekulanten, die Ferienwohnungen errichten. Dieser Aspekt wird auch als
Problem des Tourismus hierzulande erkannt. Eher selten und mehr für ausgewählte Kreise werden auch
weitergehende Zerstörungen angesprochen.
Die offizielle Politik, von den UN über
die EU bis zur
Bundesregierung sieht den Tourismus natürlich hauptsächlich als
wichtigen Wirtschaftsfaktor, der das Bruttosozialprodukt steigert und Arbeitsplätze schafft. Insbesondere sog. 'innovative Ansätze', die als Digitalisierung der Tourismuswirtschaft oder als Sharing Economy daherkommen, werden
gehätschelt und geschützt, auch wenn der ursprüngliche Ansatz
längst verloren gegangen ist und der wahre Charakter
immer deutlicher wird. Die Branche selbst
gesteht zwar Probleme ein, sieht aber
primär andere schuld daran und kuriert an Symptomen. Von Wachstumsgrenzen wollen sie nichts hören.
Auch kritische Organisationen und Projekte im Tourismus-Sektor, die von vielen NGOs unterstützt werden, wie Fair Unterwegs oder Transforming Tourism, deren Berliner Deklaration einige Unterstützung gefunden hat und die die sozialen und ökonomischen Probleme, die der Tourismus verursacht, recht deutlich beschreiben, haben Schwierigkeiten, die Grenzen, die dem Tourismus durch die Gefahren des Klimawandels gesetzt sind, zu akzeptieren und die Konsequenzen zu ziehen, weshalb die Forderungen nach einem 'nachhaltigen Tourismus' unscharf bleiben. Nur wenige Initiativen wie das TOURISM INVESTIGATION & MONITORING TEAM machen deutlich, dass so etwas wie 'Öko-Tourismus' auf der Basis der derzeitigen Transportmittel nicht möglich ist.
Und auch viele, die einfach nur weniger Fluglärm haben oder wenigstens die Nachtflug-Beschränkungen eingehalten sehen wollen, werden es wohl als Zumutung betrachten, sich gegen den Tourismus aussprechen zu sollen. Und selbst wenn: sollte man wirklich fordern, denen, die es wollen und bezahlen können,
Flüge zu verbieten?
Die Frage ist falsch gestellt. Wenn sich die Menschheit dieses System des Tourismus nicht mehr leisten kann, dann lautet die Frage nicht, ob, sondern nur wie es eingeschränkt und verändert werden kann, und wie die verbleibenden Möglichkeiten gerecht verteilt werden können. Von Gerechtigkeit kann derzeit so oder so nicht die Rede sein. Nicht nur hat die große Mehrheit der Menschen noch nie im Leben in einem Flugzeug gesessen, selbst im reichen Deutschland kann sich derzeit
jede/r Sechste nicht nur keine Flugreise, sondern gar keine Urlaubsreise leisten; in der EU ist es fast jede/r Dritte (30,5%). Global gesehen, sind Ferienflüge etwas für wenige Privilegierte - auch wenn die Wenigen schon zu viel sind.
Wenn sich also künftig weniger Menschen hierzulande jedes Jahr einen Flug in den Urlaub leisten könnten, weil die Preise dafür die realen Kosten widerspiegeln, würde die Welt dadurch nicht ungerechter, aber überlebensfähiger. Wer also das Chaos am Himmel, die wachsende Zahl der Flugbewegungen und die zunehmenden Nachtflüge wirksam bekämpfen will, der wird sich im Bündnis mit anderen Initiativen, die die negativen Folgen des Tourismus bekämpfen, für eine drastische Reduktion der Ferienflüge einsetzen müssen, denn anders lässt sich die Zahl der Flugbewegungen nicht reduzieren.
Wer aber das Ganze lieber durch die rosa Brille sehen und alle Probleme wegträumen möchte, wird natürlich auch bedient, z.B. in einem Szenario der Beraterfirma Mott Macdonald, in dem ohne Rücksicht auf lästige Details beschrieben wird, wie der Kapitalismus bis 2050 den Klimawandel eindämmt und das Paradies auf Erden errichtet. Alles wird gut, wenn man nur den Markt gewähren lässt. Warum das in den letzten 200 Jahren nicht funktioniert hat, wird allerdings nicht erklärt.
Hört jemand zu ?
18.07.2018
Fraport hat einen Lufthygienischen Jahresbericht für das Jahr 2017 veröffentlicht und die wichtigsten Ergebnisse in einer Präsentation in der Fluglärmkommission vorgestellt. Daran ist einiges bemerkenswert.
Zum ersten wird hier (erstmals?) offiziell bekannt gegeben, dass die Fraport-Messausrüstung zur Kontrolle der Luftqualität zum 01.09.2017 an das 'Umwelt- und Nachbarschaftshaus' übergeben wurde und künftig durch das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) betrieben wird. Zur Begründung gibt es ein paar dürre Sätze im Bericht, die davon reden, dass die "ursprünglichen Untersuchungsziele im Wesentlichen erreicht" seien, aber "eine Fortsetzung der Messreihe aus fachlicher Sicht wünschenswert" sei und "Der Standort ergänzt das behördliche Messnetz und ermöglicht die Beobachtung der zukünftigen Entwicklung, auch hinsichtlich einer weiteren Zunahme des Luftverkehrs", daher soll er auch in dieses Meßnetz integriert werden.
Das darf man wohl als Ansage an die Landesregierung übersetzen mit "Ihr habt uns diese Auflage in der Planfeststellung aufgedrückt. Wir haben die Messungen von Anfang an so angelegt, dass sie kein störendes Ergebnis liefern konnten, aber jetzt wird uns das Theater zu teuer. Wenn ihr die Show weiterführen wollt, macht es selber." Die Landesregierung war offensichtlich nur allzu bereit, diesem Wunsch entgegen zu kommen. Fraport übergibt großzügig die Anlagen, der Betrieb wird künftig aus Steuergeldern finanziert.
Da kann man dann auch wieder großzügig über mögliche Investitionen reden, und das ist die zweite Überraschung in diesem Bericht. Ein Großteil davon, und fast die gesamte Präsentation, ist nämlich einem Problem gewidmet, das bisher keins sein durfte: dem Ultrafeinstaub. Dieses "Sonderthema" nimmt gut die Hälfte des Berichts ein, und nach ein paar Seiten mit Allgemeinplätzen gibt es einen längeren Versuch, mit Statistiken und Modellen zu begründen, warum die HLNUG-Daten, die seit September 2015 in Raunheim erfasst werden, nur sehr wenig über die Belastung durch den Flughafen aussagen.
Hier wird eine Strategie deutlich, die sich bereits bei der ersten Präsentation von Ergebnissen des
UBA-Projekt zu UFP
und im letzten
HLNUG-Bericht zu den UFP-Messungen in Raunheim und Schwanheim andeutete. Die Rolle des Flughafens als Quelle für ultrafeine Partikel kann nicht mehr generell geleugnet werden, soll aber auf das Flughafengelände als Quelle reduziert werden. Dass startende und landende Flugzeuge die Umgebung großflächig belasten, darf nicht wahr sein.
Es wäre für Fraport natürlich ein Leichtes, die HLNUG-Daten aus Raunheim mit den ihnen vorliegenden Daten der Starts und Landungen über Raunheim zu korrelieren und zu sehen, ob Zusammenhänge sichtbar sind. Das tun sie aber nicht, sondern jonglieren stattdessen mit Statistiken über Windrichtungen und -stärken und Ausbreitungsmodellen für andere Schadstoffe, die für UFP definitiv nicht anwendbar sind. Damit kommen sie zu dem gewünschten Ergebnis, das besagt, dass man derzeit noch nichts sicher sagen kann. Oder, in der gestelzten Sprache des Berichts: "Die Messungen des HLNUG/UBA legen einen Einfluss des Flughafens auf die UFP-Konzentration in Raunheim nahe, wenn auch nicht den einzigen. ... Hinweise für einen Beitrag aus größerer Höhe durch Vorbeiflug an der Station Raunheim haben sich nicht ergeben. ... Das UFP-Konzentrationsniveau in Raunheim entspricht dem an anderen, typischerweise stärker verkehrs-exponierten Standorten. Für eine Bewertung der lufthygienischen Relevanz gibt es in absehbarer Zeit keine belastbare Grundlage.". Man könnte die Frechheit, mit der das vorgetragen wird, fast bewundern, wenn dabei nicht Fakten gefälscht und mit der Gesundheit von Hunderttausenden gespielt würde.
Wenn es also in der Fraport-Präsentation heisst, es seien künftig an den dem HLNUG übergebenen Messstationen "auch UFP-Messungen geplant", so bedeutet das einerseits, dass die dafür notwendigen Messgeräte aus Steuergeldern finanziert werden sollen, aber andererseits auch, dass die naheliegenden und wirklich aussagekräftigen Auswertungen dieser Messungen auf absehbare Zeit nicht durchgeführt werden. Dieser Zustand ist unhaltbar.
Unsere Forderungen bleiben daher bestehen: Fraport als Verursacher sollte selbst die UFP-Belastung an den wichtigsten Stellen, insbesondere aus Gesundheits- und Arbeitsschutzgründen in den Passagier-Bereichen und auf dem Vorfeld, messen; das HLNUG-Messprogramm in der Umgebung muss erweitert werden; und die Auswertung der erfassten Daten muss wesentlich verbessert werden !
Zugleich müssen aber auch die Rahmenbedingungen für die UFP-Messungen so verändert werden, dass sie künftig in allen relevanten Bereichen durchgeführt werden können und damit die Grundlage geschaffen wird, die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Immissionen genauer zu erfassen, um Grenzwerte und Minderungsstrategien festlegen zu können. Da passt es gerade, dass die EU-Kommission eine
Konsultation zu bisheriger Wirkung und Verbesserungsmöglichkeiten der EU-Luftqualitäts-Richtlinien durchführt. Der Text des Fragebogens ist manchmal schwer verständlich und viele der Fragen scheinen irrelevant, aber es gibt darin die Möglichkeit, an zwei Stellen die entscheidende Botschaft unterzubringen: künftig müssen bei der Erfassung der Belastung durch Feinstaub auch die ultrafeinen Partikel mit gemessen werden.
Die Konsultation läuft nur noch bis zum 31. Juli, aber wer noch die Chance sieht, sich daran zu beteiligen, kann sich den
Beitrag der BIFR als Vorlage nehmen. Man kann viele der sonstigen Fragen sicher auch anders oder garnicht beantworten, aber entscheidend sind die Texte zu den Fragen 6.4 und 10.4. Da kann der Kommission mitgeteilt werden, dass UFP künftig berücksichtigt werden müssen, und es kann hilfreich sein, wenn dieser Aspekt möglichst frühzeitig in der EU-Bürokratie registriert wird. Natürlich wird es noch wesentlich mehr Druck auf allen Ebenen brauchen, bis sich da wirklich etwas bewegt, aber es geht darum, alle möglichen Hebel zu nutzen.
Wenn sich der öffentliche Druck, das Problem konsequent anzugehen, nicht wesentlich erhöht, werden wir noch viele Jahre mit den bisherigen Hinhalte-Taktiken konfrontiert sein, und jede Forderung, gegen die Belastung vorzugehen, wird weiter mit der praktischen Formel abgewehrt werden können: "Kein Messwert - kein Grenzwert - kein Problem !"
Auch das Europäische Umweltbüro
ruft dazu auf, diese Konsultation zu nutzen, um notwendige Verbesserungen an den Richtlinien einzufordern. Leider gibt es den Text nur auf Englisch. Erfreulicherweise ist darin aber auch die Forderung enthalten, Ultrafeinstaub zu messen. Darüber hinaus haben sie auch noch 'Black carbon', also Ruß, auf der Liste, sowie Ammoniak aus der Landwirtschaft. Ruß ist in Bezug auf Verbrennungs-Emissionen auch eine sehr gute Idee, da er einfach zu messen ist und in vielen Bereichen schon mal eine Grundaussage erlaubt, ob solche Emissionen relevant sind.
Die sonstigen Antwort-Vorschläge unterscheiden sich in einigen Punkten, aber nicht wesentlich von unseren Vorschlägen, so dass wir davon ausgehen können, nicht allzu sehr daneben zu liegen. Die letzte Frage 10.4 möchte EEB allerdings dafür nutzen, einige
umfassendere Kommentare und Forderungen zu den Richtlinien anzubringen. Wer also gerne eine allgemeinere Perspektive in seine Antwort bringen möchte, sollte sich diesen Text als Vorlage nehmen.
15.07.2018
Ende Juni erschien in mehreren Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige, unterschrieben von 13 Top-Managern der deutschen Luftverkehrswirtschaft. Sie enthielt eine Entschuldigung für "zu lange Wartezeiten, zahlreiche Flugstreichungen und Unregelmäßigkeiten im Luftverkehr", die Ankündigung, dass es damit auch zumindest in diesem Sommer weitergehen werde, und die Aufforderung an die Politik, "die Rahmenbedingungen [zu] verbessern, um einen reibungslosen und leistungsfähigen Luftverkehr zu gewährleisten", damit "auch in der Zukunft die Freiheit des Fliegens grenzenlos ist". Der kurze Text sagt viel über den Zustand dieses Wirtschaftszweiges.
Anlass für die Aktion war
das Chaos, das viele Ferien-Flugreisende derzeit in Form von Verschiebungen, Verspätungen und Flugausfällen erleben und das die
Zahl der Beschwerden in ungeahnte Höhen treibt. Die zuständigen Politiker
sind wie immer besorgt, belassen es aber bei unverbindlichen Appellen oder
kurieren an Symptomen.
Auch die immer weiter
zunehmende Zahl von Nachtlandungen in Frankfurt und den wichtigsten anderen deutschen Flughäfen ist ein solches Symptom, aber die Probleme liegen tiefer.
Nach Jahren mit nur geringem Wachstum des Flugverkehrs und krampfhaften Versuchen, per Preisdumping doch noch Nachfrage zu generieren, gab es im letzten Jahr
die ersehnte Wende und wieder steigende Passagierzahlen. Von diesem nun wieder wachsenden Markt wollen alle Akteure einen möglichst grossen Anteil abhaben - auch wenn die Mittel dafür
garnicht vorhanden sind.
Zwar ist ein Teil des Chaos auch auf die
Air Berlin Pleite zurückzuführen, nach der Ressourcen wie fliegendes Material, Personal und Verbindungen bzw. Slots und Flugrechte neu verteilt werden mussten - ein Prozess, der teils kuriose Schleifen gedreht hat und immer noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Er ist aber nur ein - wenn auch bedeutender - Schritt hin zu angestrebten Konsolidierung des europäischen Luftverkehrsmarktes und als solcher normaler Bestandteil des Konzentrationsprozesses, der mittelfristig den Markt bereinigen soll. Das der trotz der aktuellen Probleme verstärkt weiter geht, zeigen die
Halbjahresbilanzen der großen Player.
Es zeigt sich, dass die, die den größten Anteil am derzeitigen Chaos haben, auch die sind, die sich den größten Brocken der Air-Berlin-Beute einverleibt haben (obwohl sie gerne noch mehr gehabt hätten), und die derzeit am schnellsten wachsen - die Airlines der Lufthansa-Group. Und auch dort ist es der Billig-Ableger, der sich die
schlimmsten Exzesse leistet und in der Öffentlichkeit am dreistesten auftritt - die jetzt so genannte
Eurowings-Group. Erst nachdem aufgrund von
Protesten der Reisebüros wirtschaftliches und juristisches Ungemach droht, denn
"Eurowings hat laut Gutachten möglicherweise bewusst den Sommerflugplan umfangreicher geplant, als sie ihn mit den vorhandenen Kapazitäten bewältigen konnte", versuchen sie etwas einzulenken. Eine gerichtliche Dokumentation eines Betrugsversuchs ist wohl doch ein zu hohes Risiko.
Aber es klemmt auch an anderen Ecken. Chaos gab es schon, bevor der Sommerflugplan die Zahl der Flugbewegungen hochgetrieben hat,
und das Wirtschaftsblatt Capital nannte dafür schon im Februar interessante Ursachen: den "Preiskampf in der Luft" und die "Liberalisierung der Bodenverkehrsdienstleistungen". Beides führt dazu, dass die Pflichtleistungen der Flughäfen immer billiger erbracht werden müssen und daher zu wenig, überlastetes und teilweise unqualifiziertes Personal zu Problemen bei der Passagier- und Gepäck-Abfertigung, den Sicherheitskontrollen u.ä. führt.
Das Personal der Airlines unterliegt zunehmend
ähnlichen Mechanismen.
Dieser Preisdruck wird einerseits
von den Airlines herbeigeführt, aber andererseits auch von der Politik auf EU-, Bundes- und Landes-Ebene so gewünscht, um Ticketpreise niedrig zu halten und dadurch das Wachstum des Luftverkehrs anzukurbeln. Wir hatten diesen Hintergrund bereits anlässlich des Streits um die
Entgelt-Regelungen der Fraport erläutert. Man kann die Perversion aber nicht oft genug betonen: einerseits wird 'liberalisiert' und den privaten Akteuren wie den Airlines werden alle Hindernisse aus dem Weg geräumt, damit sie ungehindert ihren Profit maximieren können, andererseits werden Infrastruktureinrichtungen wie Airports und Flugsicherungen, die sich europaweit noch mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden und sich über Gebühren finanzieren müssen, einem strengen zentralistischen System mit Preiskontrollen unterworfen, damit Fliegen billig bleibt.
Die Airlines schweigen natürlich am liebsten darüber, dass sie mit ihrem Verhalten selbst weitere Störungen durch
Streiks des Bodenpersonals oder der
eigenen Angestellten provozieren, und mockieren sich lieber über die gleichen Probleme bei
den Flugsicherungen.
Gleichzeitig versuchen sie überall, ihnen gesetzte Grenzen, z.B. Nachtflugbeschränkungen zum Schutz der Bevölkerung,
aufzuweichen und zu umgehen, um auch noch den letzten Euro einkassieren zu können, den Touristen ausgeben können und wollen. Die Bundesregierung demonstriert ihre vollständige Ignoranz dieser Probleme in einer
Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag, in der sie erklärt, dass sie von diesen Problemen nichts weiss, nichts wissen will und nicht zuständig ist. Dass sie aktuell nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht hätte, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die zuständigen Länder wenigstens die Möglichkeit hätten, effektive Grenzen zum Schutz der Gesundheit zu setzen,
ignoriert sie völlig.
Wenn Airlines also einmal eingestehen müssen, dass ihnen
Grenzen gesetzt sind, dann soll das bestenfalls temporär und punktuell gelten, weil Personal nicht schnell genug ausgebildet, Produktionskapazitäten nicht schnell genug aus dem Boden gestampft werden können. Auch wenn Einrichtungen wie EuroControl, die nicht den eigenen Profit, sondern eher das Gesamtsystem im Auge haben, Probleme wie den Klimawandel ins Auge fassen, geht es nur um die Frage, wie trotzdem noch
Wachstum gesichert werden kann. Sie wollen wirklich, dass "die Freiheit des Fliegens grenzenlos ist".
Dass ihr reale, nicht überwindbare Grenzen gesetzt sein könnten, die für die Sicherung der Überlebensfähigkeit der Menschheit eingehalten werden müssen, will diese Industrie nicht wahrhaben. Sie wird sich nicht von selbst auf ein nachhaltig vertretbares Maß beschränken. Das kann nur durch politischen Druck derjenigen erfolgen, die ihr eigenes Überleben und die Existenzmöglichkeit kommender Generationen sichern wollen.
Die Diskussion dieses Themas geht in den Medien heftig weiter, und einige lesenswerte Beiträge sind noch darunter. So wehrt sich
die Gewerkschaft der Fluglotsen in einer
Pressemitteilung
und in einem
Interview
ihres Vorsitzenden gegen den Vorwurf, die deutschen Fluglotsen seien an dem Chaos mit schuld, und macht den Beitrag der Airlines und des
DFS-Managements deutlich. Letzteres hat natürlich eine
etwas andere Sicht der Dinge.
Der Spiegel fasst nochmal
die Arbeitsbedingungen und den Widerstand der Belegschaften bei Ryanair zusammen, und ein Insider
beschreibt anschaulich das tägliche Chaos an einem Flughafen - ganz ohne Streiks und Unwetter.
06.07.2018
Die Presse spricht von einem spektakulären Schallschutz-Urteil, die Anwältin der Kläger*innen ist damit sehr zufrieden - so etwas kommt leider nicht allzu häufig vor. Und es passiert natürlich nicht in Hessen, sondern - wieder einmal - in Berlin. Dort konnten (und mussten) in der Umsetzung des passiven Schallschutzes, der vom Betreiber des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg International (BBI, auch bekannt als Airport Willy Brandt, Stehhafen, oder nach dem schon vergebenen IATA-Code Problem-BER) zu zahlen ist, vor Gericht schon einige wesentliche Verbesserungen durchgesetzt werden.
Leider sind diese Erfolge nur sehr begrenzt auf andere Flughäfen übertragbar. Konnte man Anfang letzten Jahres beim Urteil über die Raumlüftung noch die Hoffnung haben, dass die dort formulierten Grundsätze, die sich auf allgemeine technische Normen stützten, auch anderswo durchsetzbar sein müssten, ging es diesmal bei der Frage, für welche Räume Anspruch auf Schallschutz besteht, rechtlich betrachtet um eine Interpretation der Auflagen aus dem dortigen Planfeststellungsbeschluss, so dass die Entscheidungen eben auch nur für Berlin und Brandenburg direkte Wirkung haben.
Trotzdem darf man natürlich die Frage stellen, wie es sein kann, dass ein Flughafenbetreiber für einen Berliner Flughafen, der, falls er überhaupt jemals in Betrieb geht, lange nicht die Dimensionen erreichen wird, die der Frankfurter Flughafen heute schon hat, letztlich wahrscheinlich rund zwanzigmal mehr Geld für passiven Schallschutz ausgeben muss? In Zahlen: nach einem im letzten Jahr in der hiesigen Fluglärmkommission vorgelegten Sachstandsbericht hat Fraport für den passiven Schallschutz nach dem Ausbau 37,4 Millionen Euro ausgegeben - die Summe dürfte bis heute nur geringfügig gestiegen sein. Der Schallschutz-Etat des Berliner Betreibers FBB wird nach dem letzten Urteil auf rund 780 Millionen Euro geschätzt - und auch dort handelt es sich im Prinzip um einen Ausbau, denn der neue Flughafen liegt direkt neben dem alten (Schönefeld). Und auch wenn es in der DDR mit Schallschutz nicht weit her war, können die Unterschiede so gross nicht sein. Auch Fraport hat erst sehr spät und sehr wenig darin investiert.
Die Differenzen dürften im Wesentlichen durch zwei Punkte zu erklären sein. Da die Ansprüche auf Schallschutz nach den gesetzlichen Regelungen, also nach dem Fluglärmgesetz und den zugehörigen Verordnungen, minimal und völlig unzureichend sind, hängt es von den Bedingungen ab, die als Auflagen bei der Planfeststellung formuliert wurden, sowie davon, wie diese Bedingungen von den jeweils zuständigen Gerichten interpretiert werden. Hier ist es Fraport gelungen, mit Hilfe willfähriger Landesregierungen und entsprechender Gerichte die Ansprüche der Anwohner zu minimieren. Zum Zweiten ist es aber den Initiativen in Berlin gelungen, bei den Fragen, in denen technische Möglichkeiten und Anforderungen im Mittelpunkt stehen, wie etwa bei der notwendigen Raumbelüftung, eine geschicktere und fundiertere Strategie zu finden, um hier Erfolge zu erzielen. Eine Übertragung der dortigen Erfahrungen auf das Rhein-Main-Gebiet steht noch aus.
Aktuell sollte es aber zunächst darum gehen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Lärmschutz zu verbessern. Im derzeit laufenden Prozess der Überprüfung des Fluglärmgesetzes liegen Vorschläge vor, die von der Bundesregierung
ignoriert werden, in Übereinstimmung mit der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag, das
Wachstum des Luftverkehrs zu fördern, koste es, was es wolle.
Da ist es zwar nötig, genügt aber nicht, nur
Kritik an der Absicht der Bundesregierung zu äussern. Vielmehr wird es notwendig sein,
Aktivitäten zu entwickeln, um Bundesregierung und Bundestag deutlich zu machen, dass sich die vom Fluglärm Betroffenen nicht mehr mit Schönheitskorrekturen abspeisen lassen wollen. Derzeit ist der 12. September für eine Aktion vor dem Reichstag im Gespräch - wer an mehr Schallschutz interessiert ist, sollte sich diesen Termin schon mal freihalten.
Als Reaktion auf diesen Beitrag gab es einen interessanten Mail-Verkehr mit der Sprecherin der Bürgerinitiative „Mahlower Schriftstellerviertel“, BIMS e.V., Sigrid Zentgraf-Gerlach. Sie bezeichnet Blankenfelde-Mahlow als "das Raunheim am BER, nur noch etwas schlimmer", und in der Tat gibt es viele Ähnlichkeiten. Die Lage von Mahlow zu BER ist sehr ähnlich wie die von Raunheim zu FRA (4 km westlich, direkt vor den beiden (dort einzigen) Parallelbahnen), allerdings soll es bei Abflug Richtung Westen teilweise auch noch direkt überflogen werden, anders als in Raunheim, wo Nordabflug und Südumfliegung (wenigstens theoretisch) noch vor dem Stadtgebiet abbiegen. Die DFS hatte am BER ähnliche Konstrukte vorgeschlagen, aber die anderen Kommunen wollen den Krach über Mahlow bündeln ...
Ausfürlich kann man die Situation auf der
Homepage der BIMS nachlesen. Dort gibt es auch ausführliche
Informationen zum dortigen Schallschutzprogramm und seinen Mängeln, die es natürlich auch gibt.
Ausserdem enthalten die Mails noch einen Hinweis auf eine gute
Stellungnahme zur Novellierung des Fluglärmgesetzes, die auch die dort gemachten Erfahrungen mit Schallschutzmaßnahmen in die Diskussion einbringt. Die sonstigen Aussagen zu unserem Text und zur aktuellen Situation haben wir mit freundlicher Genehmigung in einem eigenen
Dokument zusammengefasst.
Die aktuelle ICAO-Botschaft
03.07.2018
Am 27.06. kam aus der ICAO-Zentrale in Montreal mal wieder eine
Erfolgsmeldung: der ICAO-Rat, dem 36 gewählte Mitgliedsstaaten (darunter auch Deutschland) angehören und der die UN-Organisation für Zivilluftfahrt zwischen den Jahrestagungen repräsentiert, hat ein weiteres Dokument zur Umsetzung des Kompensations-Mechanismus
ICAO CORSIA beschlossen. Die Luftverkehrsindustrie feiert das als
entscheidenden Schritt und als
Meilenstein und fordert lautstark, dass CORSIA nun alle anderen Instrumente zum Klimaschutz im Luftverkehr ersetzen müsse.
Die Bundesregierung sagt dazu wie meist nichts, nur das Umweltbundesamt
meldet den blanken Fakt auf einer Webseite, die wirklich nur einige wenige Experten nutzen.
Erste Analysen erklären, warum nur die dreistesten Lobbyisten diese Beschlüsse feiern können. Zwar ist vieles im gesamten CORSIA Package extrem technisch und in den Konsequenzen nicht mit einfachen Worten zu erklären, und der aktuell wichtigste beschlossene Punkt, die sog. MRV-Regeln (Monitoring, Reporting & Verification) waren auch nicht allzu umstritten. Eine Einigung war hier auch unbedingt erforderlich, da das Monitoring bereits zum Jahresbeginn 2019 beginnen soll, um die Basis für das Emissionsniveau 2020 zu bestimmen, das ja dann auch in den Folgejahren ohne jede Einschränkung oder Kompensation emittiert werden darf.
Aber es gab auch andere Beschlüsse. Die europäische NGO 'Transport & Environment' weist u.a. darauf hin, dass z.B. auch beschlossen wurde, dass zu den 'nachhaltigen Treibstoffen', deren Einsatz als Emissions-Reduzierung angerechnet werden soll, auch Öl (d.h. Kerosin aus Erdöl) gehört - wenn bei seiner Gewinnung und Verarbeitung irgendwo auch erneuerbare Energien eingesetzt werden. Darauf ist bisher noch kein anderer Industriezweig gekommen, und man versteht jetzt auch besser, warum die USA unter Trump und Saudi-Arabien in diesem Vertrag bleiben wollen. Man kann daher auch sicher davon ausgehen, dass auch die Nachhaltigkeitskriterien für andere alternative Treibstoffe ähnlich wirkungslos sein werden.
Und daher liegt das Hauptproblem dieser Tagung auch in dem, was nicht beschlossen, sondern auf die September-Sitzung vertagt wurde. Obwohl dringend erforderlich und eigentlich auch schon überfällig, gab es keine Einigung auf den ohnehin schon extrem schwachen Kompromissvorschlag für diese Nachhaltigkeitskriterien und die Qualitätskriterien für die sog. Offsets, also die Maßnahmen und Projekte, die die Airlines finanzieren sollen, damit die das CO2 wieder aus der Luft holen, das sie (über ihre Emissionen 2020 hinaus) zusätzlich emittieren.
Wegen der ICAO-üblichen Geheimnistuerei ist über den Ablauf der Diskussionen nichts Genaues bekannt, aber es gibt offenbar genügend
Hinweise, dass einige Staaten darauf bestehen, uralte, auf den meisten anderen Kohlenstoffmärkten wie z.B. dem EU-Emissionshandelssystem ETS nicht zugelassene und daher extrem billige Offsets nutzen zu dürfen. Damit könnte das gesamte CORSIA-Programm bis 2035 ablaufen, ohne dass
ein einziges neues Kompensationsprojekt begonnen werden müsste und kein einziges CO2-Molekül zusätzlich aus der Luft geholt würde.
Auch wirtschaftsnähere Quellen schätzen das Ergebnis dieser Ratssitzung daher als
Verwässerung der ursprünglichen Absichten ein. Ein Fachblatt für Emissionshandel sieht gar
das ganze System in Gefahr. Die EU-Staaten, die
gedroht hatten, weitere Abschwächungen der Kriterien nicht hinnehmen zu wollen, haben öffentlich bisher nicht reagiert.
Die EU-Kommission lobt den Beschluss zu den MRV-Regeln, bezieht sich in ihrer
Presseerklärung aber auch ausschließlich auf diese Vereinbarung. Ob sie die kontroverseren Diskussionen und Entscheidungen noch nicht mitbekommen haben (die EU ist kein Verhandlungspartner) oder unter den Teppich kehren wollen, bleibt abzuwarten.
Bis zum Showdown im September haben die EU-Staaten nun aber noch Zeit, ein möglichst elegantes Szenario für ihr weiteres Einknicken vor den Forderungen der Klimaschutz-Bremser zu entwickeln. Zusammen mit den von Anfang an bekannten
Grundmängeln von CORSIA bedeutet das: Klimaschutz findet im Luftverkehr nicht statt und ist auch auf absehbare Zeit nicht geplant.
Wer die in Paris beschlossenen (und zunehmend schon wieder als
unzureichend erkannten, aber trotzdem
kaum noch erreichbaren) Klimaziele ernst nehmen will, wird hier einen neuen Ansatz einfordern müssen - und der wird um massive Einschränkungen beim Luftverkehr nicht herumkommen.
Schneller als erwartet gibt es Hinweise, wie der Verhandlungspoker weitergehen könnte. Tauchten gestern schon
Gerüchte auf, China habe seine Bereitschaft zur Beteiligung an CORSIA widerrufen,
bestätigt Reuters heute, dass China nicht mehr
auf der ICAO-Liste der Teilnehmer an der ersten, freiwilligen Phase von CORSIA steht. Offizielle Bestätigungen dafür gibt es nicht, aber spekuliert wird darüber, dass China Druck erzeugen möchte dafür, dass die alten Offsets aus chinesischen Projekten für CORSIA anerkannt werden - da steht viel Geld auf dem Spiel.
Reuters zitiert eine anonyme 'Quelle der EU' mit der Aussage, dass "Europa mit seinen ICAO-Partnern in den kommenden Monaten mit China daran arbeiten wird, Wege zu finden, diese Bedenken zu adressieren, um dieses wichtige Luftverkehrs-Land an Bord zu behalten", natürlich "ohne die umweltpolitische Integrität der Vereinbarung zu gefährden". Man darf also davon ausgehen, dass jetzt um Formulierungen gefeilscht wird, die es erlauben, die chinesischen Offsets anzuerkennen, aber trotzdem so etwas wie Qualitätskriterien zu simulieren - im Finden fauler Kompromisse ist die EU derzeit ganz groß, und die meisten anderen großen Player werden gerne zustimmen. Dass ein paar kleinere Staaten, die gerade
wegen des Klimawandels absaufen oder sonstige existenzielle Probleme haben, damit nicht einverstanden sein können, spielt da keine große Rolle mehr.
An der Gesamteinschätzung ändert das nichts: CORSIA löst kein Problem, es ist eins. Andere Lösungen für den Luftverkehr sind dringender denn je.
China
widerspricht Berichten, es habe sich von der freiwilligen Phase von CORSIA zurückgezogen. Nach Aussagen eines chinesischen ICAO-Vertreters habe China gegenüber ICAO nie seine Bereitschaft erklärt, daran teilzunehmen, und auch ICAO mehrfach darauf hingewiesen. Der Fehler sei allerdings erst jetzt bei der Überarbeitung der entsprechenden
ICAO-Liste korrigiert worden. China habe schon vor der Beschlussfassung über CORSIA in der ICAO-Generalversammlung 2016 seine
Bedenken geltend gemacht und behalte sich auch vor, zu den aktuellen Beschlüssen eine abweichende Position zu formulieren. Eine Entscheidung über eine Beteiligung an CORSIA sei erst möglich, wenn alle Vereinbarungen dazu abgeschlossen sind.
Man kann viel darüber streiten, ob die chinesischen Einwände berechtigt sind oder nicht. China sieht sich als Vertreter der sich entwickelnden Länder, und wenn irgendwo, dann gibt es dort vielleicht noch eine gewisse Berechtigung für weiteres Wachstum im Luftverkehr, ganz im Gegensatz zu den überentwickelten Luftverkehrsmärkten in Nordamerika und Europa. Praktisch aber bedeuten diese Aussagen zunächst, dass vorläufig völlig unklar bleibt, wie es mit CORSIA weitergeht.
Der Vorgang verweist aber auch noch auf eine weitere grosse Unsicherheit. Die o.g. Liste, mit der gerne begründet wurde, dass CORSIA von Anfang an 88% des internationalen Luftverkehrs abdecken wird, deckt ohne China nur noch 76% ab. Aber von den 75 Staaten, die jetzt noch auf der Liste stehen, haben nur 17 per Schreiben an die ICAO erklärt, dass sie an der ersten Phase von CORSIA teilnehmen wollen. Die anderen 58 haben (ähnlich wie China) bei irgend welchen anderen Gelegenheiten ihre Teilnahme in Aussicht gestellt - verbindlich ist nichts davon. Erst Mitte 2020 wird feststehen, welchen Umfang CORSIA tatsächlich haben wird - und damit, ob die Farce noch grösser wird, als sie ohnehin schon ist.
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