Hier sind alle Beiträge zu aktuellen Themen aus der ersten Hälfte des Jahres 2017 gesammelt.
Die Beiträge aus der zweiten Jahreshälfte finden sich
hier.
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Wollen dem Fluglärm Grenzen gesetzt sehen: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen
und Bundesvereinigung gegen Fluglärm.
30.06.2017
Heute haben die Bundesvereinigung gegen Fluglärm und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen ein
gemeinsames Forderungspapier zur Bundestagswahl veröffentlicht. Darin setzen sie sich unter Hinweis auf die gesundheitlichen Folgen des Fluglärms für mehr aktiven Schallschutz ein. Dazu sollen, wie für andere Verkehrsbereiche auch, gesetzliche Immissionsgrenzwerte eingeführt werden. Ausserdem fordern sie "die Einführung einer Lärmkomponente bei der Luftverkehrssteuer" sowie die Einbeziehung der Luftfracht in diese Steuer. Bei "der Festlegung von Flugrouten" soll "Lärmschutz mit höherer Priorität als bisher" berücksichtigt werden.
Dem Papier angefügt sind die weitaus ausführlicheren Forderungskataloge, die die beiden Organisationen schon vorher zum Thema Schallschutz aufgestellt haben.
Bereits vor einigen Wochen hatte das Bündnis der Bürgerinitiativen seinen
Politikbrief zur Bundestagswahl veröffentlicht. Bei aller Unterschiedlichkeit in der Schwerpunktsetzung und Differenzen in Details findet sich eine hinreichende Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen. Dabei gibt es allerdings zwei Probleme: zum Einen ist das Verhältnis zwischen Bündnis und FLK nicht das Beste und Kooperation eher die Ausnahme. Schlimmer aber ist, dass die Bereitschaft der Politiker, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen, selbst vor der Wahl eher unterentwickelt ist. Zu wenige Wählerinnen und Wähler machen deutlich, dass die Haltung der Parteien zu Lärm und Schadstoffbelastung für ihre Wahlentscheidung relevant sein kann, deshalb greifen die, die gewählt werden wollen, diese Themen bestenfalls dann auf, wenn sie lokal unter Druck gesetzt werden. Nachhaltiges Agieren über den Wahltermin hinaus darf man unter diesen Bedingungen nicht erwarten, selbst wenn hier und da Lippenbekenntnisse abgegeben werden.
Und selbst dort, wo Politiker*innen ernsthaft guten Willens sind, sich für diese Interessen einzusetzen, dürften sie auch im neuen Bundestag Schwierigkeiten haben, solche Haltungen in ihren Parteien durchzusetzen, wenn es um mehr als Deklamationen geht.
Das Fest verlief überwiegend recht gemächlich, aber am BIFR-Stand
gab es manchmal auch lebhafte Diskussionen.
26.06.2017
Trotz gerade erst überstandenem Hessentag in der Nachbarstadt Rüsselsheim und vielen parallelen Veranstaltungen in der Region hatten sich Stadt und Gewerbeverein Raunheim entschlossen, auch in diesem Jahr wieder ein Wochenende lang Bahnhofstrassenfest zu feiern. Raunheimer Vereine und Gewerbe boten die Straße entlang Infos, Essen, Trinken und Musik an, und auch die BI gegen Fluglärm Raunheim war wieder mit dabei, nun schon traditionell mit einem Infostand vor Nr. 47. Als Blickfang schwebten über dem Stand Flieger im vorbildlichen Landeanflug (absolut lärmfrei), und dank überwiegend lebhaftem Wind war auch die BI-Fahne weithin zu sehen. Als Informationen gab es Stellwände zu den Themen Ultrafeinstaub, sonstige Schadstoffe und zu Terminal 3 sowie Infoblätter zur BI-Arbeit, zu Ultrafeinstaub und den Politikbrief des BBI.
Wie beim Fest insgesamt war es auch am BI-Stand eher ruhig, aber mit einigen interessanten Diskussionen mit einzelnen Besuchern, und es gab auch einige Highlights wie den Besuch der SPD-Landtagsabgeordneten Kerstin Geis aus Bischofsheim, die gerade eine Kleine Anfrage zu Ultrafeinstaub im Landtag eingebracht hat, oder die Diskussionsrunde mit Bürgermeister Thomas Jühe, die immerhin mehr als ein Dutzend Besucher anzog. Diskutiert wurden ebenfalls der Ultrafeinstaub und die sog. 'Lärmobergrenze'.
Kommunalpolitisch konnten wir darauf verweisen, dass die Stadtverordneten-Vorsteherin Heike Blaum immerhin im Spätsommer zu einer Bürgerversammlung zum Thema Ultrafeinstaub einladen will, und dass die BI ihre Positionen auch in den im August beginnenden Prozess zur Entwicklung eines Stadtleitbildes 2.0 einbringen wird.
Insgesamt glauben wir, dass sich der nicht unerhebliche Aufwand gelohnt hat, und erfreulicherweise haben dieses Jahr auch mehr BI-Mitglieder mitgeholfen, den Stand zu einem Erfolg zu machen. Wenn es das Fest im nächsten Jahr wieder gibt, werden wir wieder dabei sein, zumal der Grüne Stadtverordnete Ronald Schalle angekündigt hat, aus Sitzungsgeldern Mittel für die Beschaffung eines Ersatz für den arg in die Jahre gekommenen Pavillon zur Verfügung zu stellen.
Die Main-Spitze weist allerdings in ihrer Berichterstattung zu Recht darauf hin, dass es wohl neue Impulse braucht, um das Fest insgesamt wieder attraktiver zu machen.
In Kürze werden wir hier noch ein paar weitere Impressionen vom Fest und Infos über den Stand einstellen.
CORSIA erfasst nur CO2-Emissionen, aber die Gesamtwirkung des Luftverkehrs auf das Klima ist deutlich grösser.
20.06.2017
Nach der Ankündigung der US-Regierung, aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen zu wollen,
bemühen sich die Dachverbände der Luftverkehrswirtschaft, den Eindruck zu vermeiden, dass davon auch das geplante
CORSIA-System der ICAO zur Kompensation des Wachstums der CO2-Emissionen des Luftverkehrs betroffen sein könnte. Nicht nur ICAO selbst und der Internationale Airlines-Dachverband IATA, sondern auch die US-Fluggesellschaften beeilten sich zu versichern, dass sie nach wie vor an dem System festhalten.
Ob die USA auch da aussteigen, ist nicht klar. Eine Sprecherin des US-Aussenministeriums teilte auf Reuters-Anfrage mit, dass das Abkommen noch geprüft werde und es keinen Termin für eine Entscheidung gäbe. Reuters gibt aber auch einen Hinweis, warum die Airlines an dem Abkommen festhalten wollen: es sei für sie billiger, als sich mit vielen regionalen oder nationalen Regeln ausseinandersetzen zu müssen. Man kann ergänzen: bei CORSIA wissen sie, dass es sie fast nichts kosten und der Preis für die Zertifikate max. 1-2 % des Kerosinpreises betragen wird - das könnte bei anderen Systemen anders sein.
Auch die EU und China bekräftigen, dass sie an dem ICAO-Abkommen festhalten wollen. Zwar haben sie die vorbereitete Gemeinsame Erklärung zu Klimawandel und sauberer Energie, die in Punkt 16 auch eine Aussage zu den ICAO-Verhandlungen enthält, wegen Differenzen in Handelsfragen dann doch (noch) nicht verabschiedet, aber aus den getrennten Erklärungen nach dem Gipfel wird klar, dass diese Punkte gelten sollen. Optimisten haben dieses Papier schon als Vorboten einer neuen Weltordnung verherrlicht, während andere darauf hinweisen, dass in diesen Erklärungen viel Rhetorik steckt, die durch die Praxis nicht gedeckt ist.
Währenddessen warnen Insider wie die frühere EU-Klimakommissarin Hedegaard eindringlich davor, das ICAO-System durch Intransparenz und mangelnde Ambition noch weiter verwässern zu lassen. Offenbar deuten die Ergebnisse der letzten ICAO-Seminare, von denen offiziell wenig bekannt ist, auf eine solche Gefahr hin.
Probleme drohen aber auch noch aus einer anderen Richtung: schon 1999 hatte das 'Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)' in einem Sonderbericht abgeschätzt, dass die Gesamtwirkung der Luftfahrt-Emissionen rund 2-3 mal größer ist als die der CO2-Emissionen allein. Die DLR, sonst nicht als extrem luftfahrt-kritisch bekannt, schätzt sogar, dass allein die Wirkung von Cirruswolken, die sich aus Kondensstreifen bilden, größer ist als die CO2-Wirkungen, der Faktor insgesamt also deutlich höher sein muß. Schüchterne Versuche, auch von Seiten der Bundesregierung, das in die ICAO-Verhandlungen einzubringen, wurden erfolgreich abgeblockt, aber damit ist das Thema nicht vom Tisch.
Eine Übersicht, die im Auftrag der europäischen NGO Transport & Environment erstellt wurde, weist darauf hin, dass die EU sich eigentlich schon 2008 dazu verpflichtet hat, diese zusätzlichen Klimawirkungen zu erfassen, weiter zu erforschen und zu regulieren, was aber bis heute nicht umgesetzt wurde. Zwar geht eine
Studie für den Umweltausschuss des EU-Parlaments auf das Thema ein, aber politische Initiativen folgen daraus bisher nicht. Deshalb möchte T&E im Rahmen der derzeit laufenden Beschlussfassungen dafür Druck machen. Zeit dafür bleibt bis zum Herbst, denn selbst die relativ schwachen Vorschläge der EU-Kommission zur Überarbeitung der Klimainstrumente der EU stossen auf hinhaltenden Widerstand von Lobbygruppen
im EU-Parlament und einzelnen Mitgliedsstaaten im Umwelt-Ministerrat.
Und auch beim letzten Thema, das die Luftfahrt-Industrie noch aus ihrem 'Maßnahmen-Korb' holen kann, zeigen sich grosse Schwächen. Nicht nur DLR und Lufthansa, nahezu alle Airlines und viele Airports schmücken jeden angeblichen oder tatsächlichen Fortschritt bei der Entwicklung und Einführung sog. 'nachhaltiger alternativer Treibstoffe', d.h. in der Regel Biotreibstoffe, aufs Schönste aus. Die Realität ist wesentlich trister: hatte schon der ICAO Environmental Report 2016 eine ganze Reihe von Problemen aufgelistet, ohne sie im Einzelnen zu quantifizieren, zeigt eine Studie des renommierten ICCT das ganze Ausmaß der Illusion: es gibt bei Weitem nicht genug Rohstoffe für eine nachhaltige alternative Treibstoff-Gewinnung, die relevante Anteile des Flugverkehrsbedarfs decken könnte, und ihre Entwicklung wäre sehr teuer. Aber zumindest für das zweite Problem hat der Airline-Dachverband IATA eine Lösung: die Staaten sollen die Entwicklung finanzieren.
Der Vorschlag ist wenig originell und entspricht ganz der Abgreif-Mentalität dieses Industriezweigs, aber er löst natürlich das Problem nicht. Seriöse klimapolitische Analysen kommen alle zu dem gleichen Ergebnis, das allerdings nur wenige deutlich auszusprechen wagen: wenn der Luftverkehr seinen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten soll, kommt man zumidest in den reichen Ländern um eine Nachfrage-Beschränkung nicht herum.
Der Umweltrat der EU hat laut einer Pressemitteilung in seiner Sitzung diese Woche beschlossen, den
Vorschlag der EU-Kommission, den internationalen Luftverkehr weiterhin von den Verpflichtungen des EU-Emissionshandelssystem EU-ETS auszunehmen, 'im Wesentlichen' zu unterstützen. Die Abweichungen liegen in unwesentlichen technischen Details.
Der Umweltausschuss des EU-Parlaments wird "voraussichtlich am 11. Juli" und das Plenum "frühestens im September" die Position dazu festlegen, so dass die Trilog-Verhandlung mit der Kommission im Herbst beginnen kann. Vor Jahresende muss der Prozess abgeschlossen sein, da die Airlines sonst für 2017 doch noch zahlen müssten, denn formal ist die Aufhebung der Einbeziehung gerade aufgehoben.
Die Lobbyarbeit der Luftverkehrswirtschaft feiert weitere Erfolge. Wie zu erwarten war, hat das österreichische Verfassungsgericht das Urteil des dortigen Bundesverwaltungsgerichtshofs, wonach eine weitere Steigerung des Flugverkehrs das Klima unzulässig gefährdet und daher im öffentlichen Interesse abzulehnen ist,
wieder kassiert. Dabei lassen die Verfassungsrichter ihrer Empörung über diese Dreistigkeit freien Lauf und schelten die Verwaltungsrichter mit den drastischsten Worten: "Rechtslage in mehrfacher Hinsicht grob verkannt", "belastet die ... Entscheidung mit Willkür", "verletzt ... Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz".
Die deutliche Sprache erfreut alle Freunde des Luftverkehrs, die das Urteil am liebsten nutzen würden, um den Vorrang wirtschaftlicher Interessen vor dem Umweltschutz europaweit festzuschreiben. Allerdings wird die Freude leicht getrübt, denn das Urteil des Verfassungsgerichts ist nicht das letzte Wort. Der Fall geht zurück an das Bundesverwaltungsgericht, das neu entscheiden muss. Man darf gespannt sein, ob die Richter dort mutig genug sind, ihre Position zu verteidigen.
Auch sonst gibt es überwiegend schlechte Nachrichten zur Klimapolitik. So verwässert die deutsche Präsidentschaft des G20-Treffens kommende Woche den Entwurf einer Klimaerklärung schon vorab drastisch, um US-Präsident Trump entgegenzukommen, obwohl selbst der Allianz-Konzern zu dem Schluss kommt, dass die Staaten ihre Investitionen in den Klimaschutz verdoppeln müssten, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Die Lobbyarbeit der Industrie hat dazu geführt, dass selbst der Umweltausschuss des Europaparlaments nun die weitere Nutzung einiger pflanzenbasierter Biotreibstoffe unterstützt, die Mitgliedsstaaten bei der
Energieeffizienz allgemein und speziell
im Baubereich noch hinter die geringen Ambitionen der Kommission zurückfallen und die Triloge
zum EU-ETS und zur ergänzenden
Festlegung der Emissionsziele der Mitgliedsstaaten in den anderen Sektoren ebenfalls nicht vorankommen.
Und das Klima? Das verändert sich immer schneller. Neue Studien zeigen, dass Extremwetterlagen zunehmen, der Meeresspiegel-Anstieg sich beschleunigt und in den nächsten 3 Jahren drastische Maßnahmen ergriffen werden müssen, wenn die globale Erwärmung nicht vollends aus dem Ruder laufen soll. Keine guten Aussichten.
Die Schweizer EMPA hat nochmal genau untersucht,
woraus UFP aus Abgasen bestehen.
(Für Originalgrafik Bild anklicken,
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24.05.2017
Forscher*innen der Schweizer Forschungsanstalt EMPA haben noch einmal genau untersucht, woraus die ultrafeinen Partikel bestehen, die bei der Verbrennung in Motoren entstehen. Im Fokus standen dabei die Emissionen der jüngsten Generation von Benzinmotoren, die sog. GDI-Motoren. Während Benziner bisher im Vergleich zu Dieselfahrzeugen zwar als CO2-Schleudern, aber ansonsten abgasärmer galten, ändert sich das mit der neuen Technologie. Dieser Effekt ist schon länger bekannt, aber etliche Autohersteller wie z.B. BMW weigern sich nach wie vor, die notwendige und vorhandene Filtertechnik einzusetzen, die die Belastungen drastisch reduzieren könnte.
Die jüngsten Ergebnisse der EMPA machen nun eindeutig klar, dass die Emissionen der GDI-Motoren mindestens so toxisch sind wie die ungefilterter Dieselmotoren, die bereits als krebserregend eingestuft sind. Darüber hinaus liefern die Untersuchungen ein noch deutlicheres Bild der Zusammensetzung dieser Emissionen. Im Zentrum stehen dabei ultrafeine Rußpartikel, an die sich krebserregende Schadstoffe anlagern, die mit den UFPs eingeatmet und bis ins menschliche Blut transportiert werden können.
Der Radiobeitrag des Deutschlandfunks (der auch als Textbeitrag verfügbar ist) vermittelt das recht allgemeinverständlich. Wer will, kann sich das Ganze auch noch etwas ausführlicher in Schwizerdütsch anhören.
Was Kraftfahrzeug-Motoren angeht, tobt der Streit auf EU-Ebene gerade an mehreren Fronten - darum, für welche Fahrzeugarten welche Grenzwerte gelten sollen und wie deren Einhaltung künftig kontrolliert wird. Die zähen Anstrengungen der Umweltverbände zeigen hier durchaus eine gewisse Wirkung, und der Widerstand der Autohersteller und ihrer politischen Statthalter (an vorderster Stelle Verkehrsminister Dobrindt) brökelt an vielen Stellen.
Nicht so beim Luftverkehr. Da hat sich bezüglich der Ignoranz für dieses Thema bei Fraport und dem Umwelthaus des Wirtschaftsministeriums bisher nichts geändert.
Immerhin wird es als Reaktion auf unser Schreiben demnächst ein Gespräch mit der FLK geben. Wir sind gespannt, ob es anschließend wenigstens Fortschritte bezüglich der Auswertungs-Möglichkeiten für die Raunheimer Meßdaten geben wird. Der DFLD jedenfalls bereitet sich schon auf das Thema vor. Wer will, kann sich bei der öffentlichen Mitgliederversammlung am 2. Juni im Naturfreundehaus Rüsselsheim schon mal über das Thema informieren (Anmeldung erwünscht).
Klar ist aber auch: gelöst wäre das Problem auch damit noch lange nicht. Die Emissionen von Flugzeugturbinen unterscheiden sich nicht wesentlich von Dieselabgasen, aber anders als bei Kfz-Motoren lässt sich da kein Filter einbauen. Zwar kann die Partikelkonzentration durch Modifikation der Treibstoff-Zusammensetzung reduziert werden, aber auch da gibt es enge Grenzen.
Letztlich hilft gegen Partikel und andere Schadstoffe nur, was auch gegen Lärm hilft: der Flugverkehr muss reduziert werden. Wenn dem Wachstumswahn keine Grenzen gesetzt werden, gibt es keinen wirksamen Schutz für die menschliche Gesundheit, Klima und Umwelt.
Das muss man können als Manager: freundlich gucken,
während man Schweinereien verkündet.
23.05.2017
Eigentlich hätten wir auch die Überschrift vom letzten Jahr wiederholen können, denn im Kern hat sich an den Aussagen nichts geändert: Fraport möchte Passagierzahlen, Flugbewegungen und Profite steigern und Kosten und Beschäftigtenzahlen senken, die Welt darum herum interessiert nicht.
Einen Überblick über das, was Fraport vermitteln wollte, gibt die
Presseerklärung zur HV, wer es genau wissen will, kann die
Schulte-Rede nachlesen, die
Präsentation dazu ansehen oder sich das Ganze als Video vorspielen lassen (inklusive Werbefilmchen und dem Gestotter abgehalfterter Politiker).
Die Kernbotschaften sind "ein neues Rekordergebnis", "größter Fracht-Hub Europas", "das beste Ergebnis, das Fraport jemals erzielt hat" und "eine Erhöhung der Dividende ... auf ... einen neuen Höchstwert". Die Perspektive ist: "FRA ist und bleibt vor allem der zentrale Hub mit starkem Fokus auf Umsteigeverbindungen und Interkontinentalverkehre", allerdings mit Billigfliegern als "eine wichtige Ergänzung unseres Hub-Geschäfts". Soweit, so langweilig.
Zum konkreten weiteren Vorgehen gibt es nur einige wenige Details. Zum Terminal 3 führt Schulte aus: "Das Terminal 3 ... wird ein Premium-Produkt", allerdings "prüfen wir derzeit die Option, den Flugsteig G ... baulich vorzuziehen". Der würde "mit einer Kapazität von vier bis sechs Millionen Passagieren ... spezifisch auf die Anforderungen von Low-Cost-Verkehren zugeschnitten" und "kein Schnickschnack, kein Luxus und keine ausgefeilten Services, sondern vielmehr eine günstige und simple Abfertigung" für Billigflieger bieten. Auch das war grundsätzlich schon bekannt, und zu den dazu aufgeworfenen Fragen gab es keine neuen Antworten.
Ein paar Worte mehr widmet Schulte seinem 'Hauptkunden Lufthansa'. Dem will er "durch die kontinuierliche Verbesserung der Infrastruktur, der Prozesse und der angebotenen Produkte" entgegenkommen, auch wenn der böse war und "Eurowings nicht in Frankfurt, sondern in Köln/Bonn" positioniert hat, "und zwar auch mit interkontinentalen Flügen". Dazu gibt es "ungeachtet aller auch öffentlich ausgetragenen Diskussionen" intensive Gespräche mit dem Ziel, "den Flughafen Frankfurt gemeinsam als effizientes und attraktives Drehkreuz in Europa dauerhaft zu positionieren". "In den nächsten Wochen" soll dazu "eine erste Vereinbarung" unterzeichnet werden. Ob das über bereits bekannte Erweiterungen des Fraport-Rabattprogramms hinausgeht, bleibt abzuwarten.
Lufthansa bleibt zunächst öffentlich auf Distanz, wohl auch, um "die Hilfe der hessischen Landespolitik", sprich zusätzliche Subventionen, zu mobilisieren. Ob diese Differenzen wirklich ernst zu nehmen sind, darf man bezweifeln. Lufthansa ist schließlich auch Anteilseigner bei Fraport und hält über 8% der Aktien und damit auch der Stimmrechte bei der Hauptversammlung. Ernsthafte Differenzen zum aktuellen Kurs des Fraport-Vorstandes sollte man daher in den Abstimmungsergebnissen der HV wiederfinden. Wie Fraport allerdings in einer zweiten Pressemitteilung stolz verkündet, fand der Kurs des Vorstandes eine Zustimmung von 99,76% - von Differenzen keine Spur.
Die 'Hahnenkämpfe' und 'Zankereien', die die FAZ beklagt, dienen wohl tatsächlich primär dazu, "die Hürden im aufsichtführenden Verkehrsministerium" zu beseitigen, die einer gemeinsamen Profit-Maximierung im Weg stehen könnten - wenn es denn sowas tatsächlich geben sollte. Die strategischen Interessen stimmen aber weitgehend überein - und stehen in krassem Widerspruch zu dem, was die Bevölkerung im Umland des Flughafens erwartet und erhofft. An den altbekannten Frontstellungen ändert sich daher nichts.
Sieht harmlos aus, kann aber drastische Wirkungen haben ...
22.05.2017
Der Vorfall wurde bereits gemeldet, nun liegen die Fakten auf dem Tisch. Spiegel Online
fasst zusammen, was der
Zwischenbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) dokumentiert und was im
Aviation Herald ausführlich fachlich diskutiert wird: ein Business-Jet vom Typ 'Challenger' ist Anfang Januar über dem Arabischen Meer trotz Einhaltung des vorgeschriebenen Höhenabstands von einer Wirbelschleppe eines A380 so beschädigt worden, dass mehrere Insassen verletzt wurden und die Maschine nach der Notlandung Totalschaden hatte.
Welche Konsequenzen aus dem Vorfall gezogen werden sollten, wird erst der Schlussbericht der BfU diskutieren, aber einige Punkte kann man heute schon festhalten.
Zunächst scheint klar, dass die Regeln für die Wirbelschleppen-Staffelung, die vor Jahrzehnten aufgrund von Erfahrungen mit wesentlich kleineren Jets festgelegt wurden, für die heutigen 'Superheavies' nicht mehr ausreichen. Das kommt nicht überraschend, und der BfU-Bericht zitiert einige Quellen, in denen bereits Zweifel an diesen Regeln geäussert wurden. Laufende Reform-Bemühungen gehen allerdings in eine ganz andere Richtung.
So testet EUROCONTROL im Rahmen des Projekts RECAT-EU ein System zur Reduzierung der Sicherheitsabstände zwischen verschiedenen Flugzeugtypen an zwei Pariser Flughäfen, das es erlauben soll, die Maschinen dichter zu staffeln, als es nach den ICAO-Regeln möglich wäre. Die DLR entwickelt ein System, das es Flugzeugen erlauben soll, die Wirbelschleppen des vorherfliegenden Flugzeugs zu berechnen und ihnen ggf. auszuweichen (natürlich ebenfalls, um die notwendigen Abstände zu reduzieren). Beide Ansätze stützen sich wesentlich auf mathematische Modelle der Wirbelschleppen-Ausbreitung.
Wenn diese Modelle gut wären, müssten sie in der Lage sein, den Vorfall über dem Arabischen Meer zu beschreiben und zu berechnen, bei welchem Abstand solche Schäden nicht mehr auftreten können. Trotz der intensiven fachlichen Diskussion und den Bemühungen (einschliesslich von Airbus), den Vorfall möglich schnell zu erklären, war davon bisher nicht die Rede.
Man muss vielmehr befürchten, dass diese Modelle auch nicht besser sind als das famose DLR-Modell, mit dem die Fraport Wirbelschleppen-Schäden am Boden als 'plausibel' oder 'nicht plausibel' einstuft - oder kurz gesagt, sie taugen vermutlich nicht viel.
Wenn es aber so ist, dass die Experten nicht wirklich wissen, was Wirbelschleppen unter unterschiedlichen atmosphärischen Bedingungen tun (können), dann wissen sie auch nicht, was sie tun, wenn sie die Sicherheitsabstände aufgrund einiger weniger Erfahrungen und Versuche verändern, um mehr Starts und Landungen in gleicher Zeit zu ermöglichen. Das ist bedenklich nicht nur für die, die in den Flugzeugen sitzen, sondern auch für die, über deren Köpfen sich das abspielt.
Die handeln es aus: die Beteiligten im sog. "Trilog-Verfahren" der EU zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel
17.05.2017
Die EU hat ihre internationale Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel bereits weitgehend verloren, und auch bei der Einbeziehung des Luftverkehrs sind die Ambitionen gering. Trotzdem gibt es einige Ansätze, wie erreicht werden könnte, dass die Luftverkehrswirtschaft zumindest einen kleinen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten muss.
Das wichtigste Instrument der EU, mit dem sie eine Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen erreichen möchte, ist das Emissionshandels-System EU-ETS. Neben anderen Wirtschaftssektoren ist hier auch der Luftverkehr einbezogen, derzeit allerdings nur, soweit er innerhalb der EU (genauer im Europäischen Wirtschaftsraum EWR) stattfindet. Der Flugverkehr von und nach dem EWR war auf Grund von Protesten insbesondere der USA und Chinas bis Ende 2016 ausgenommen worden; eine Entscheidung über weitere Aussetzung oder Wiedereinbeziehung steht jetzt an. Zugleich steht eine Reform des ETS auf der Tagesordnung, weil es aufgrund viel zu niedriger Preise für Emissionszertifikate bisher weitgehend wirkungslos geblieben ist.
Im Augenblick laufen also zwei Gesetzgebungsprozesse, die beide für die Einbeziehung des Luftverkehrs in die EU-Klimaschutzpolitik relevant sind, und bei beiden stehen jetzt nächste Schritte an. Der Prozess der Reform des EU-ETS ist weiter fortgeschritten, EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ministerrat haben ihre Positionen festgelegt und verhandeln nun in einem sog. Trilog-Prozess eine gemeinsame Position. Von diesem Prozess ist die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen, offiziell bekannt sind nur die Termine der Verhandlungsrunden. Die erste hat am 04. April stattgefunden, die zweite steht am 30. Mai an.
Bezüglich der formellen Entscheidung über die weitere Aussetzung des internationalen Luftverkehrs aus dem ETS liegt bisher nur der Vorschlag der Kommission vor. Die Berichterstatterin des EU-Parlaments zu diesem Prozess hat am 08. Mai ihren Berichtsentwurf vorgelegt. Die Mitglieder des Umweltausschuss können bis zum 07. Juni Änderungen dazu vorschlagen; am 11. Juli wird der Umweltausschuss und am 14. September das Gesamtparlament darüber abstimmen. Anschließend wird auch hier in einem Trilog eine gemeinsame Position ausgehandelt.
Um diese Prozesse noch zu beeinflussen, schlägt die europäische NGO Transport & Environment vor, einen Brief an die jeweils national zuständigen 'Klima-Minister', in Deutschland also Umweltministerin Hendricks, zu schreiben. Die Kernforderungen darin sollen sein:
Ob diese Aktion sinnvoll ist und diese Forderungen einen geeigneten Konsens darstellen, wird derzeit bei den nationalen Akteuren beraten. Auch das BBI wird sich dazu positionieren müssen. Viel Zeit, die Haltung der europäischen Akteure noch zu beeinflussen, bleibt für beide Gesetzgebungsprozesse nicht mehr.
Dass die EU gut beraten wäre, sich nicht auf das ICAO-System CORSIA zu verlassen, belegt die jüngste Entwicklung erneut: nach einer Runde regionaler und einem zweitägigen zentralen Meeting zu CORSIA gibt es offensichtlich keinerlei Fortschritte zu berichten. Die
Ergebnisse enthalten nicht mehr als eine Auflistung der Probleme, die noch zu behandeln sind, und Zeitpläne, was bis wann noch erledigt werden soll. Ob und mit welchem Resultat das geschehen wird, ist keineswegs sicher.
Passender Weise hat die Europäische Umweltagentur EEA gerade einen Bericht veröffentlicht, in dem sie die Anwendung des ETS im Jahr 2015 bewertet. Auch zu den Daten des Luftverkehrs finden sich darin fünf Seiten. Der Bericht ist sehr technisch, und die Beschreibungen sind sehr spezifisch für die ETS-Regelungen. Das Einzige, was man unmittelbar daraus erkennen kann, ist, dass das 'Monitoring, Reporting and Verifikation'-Thema, also die Frage, ob die Emissionen auch korrekt erfasst und berichtet werden, selbst in den EU-Staaten ein Problem ist. Auch für CORSIA wird befürchtet, dass die zu treffenden Regelungen zu lax sein werden.
Andere
berichten positiver über die Klimaaktivitäten der EU. Leider sagt der Artikel nichts darüber, was die angeblich neu geschmiedete Allianz denn bewirken will, und nach einem
Bericht von Reuters ging es im Wesentlichen nur um eine Finanzzusage seitens der EU, wobei völlig unklar bleibt, ob dafür wirklich neue Mittel mobilisiert werden und was genau damit finanziert werden soll.
Der Verdacht besteht, dass hier ähnlich wie bei der offiziellen Entwicklungshilfe-Politik Gelder nur umdeklariert und für EU-eigene Ziele eingesetzt werden.
Der 'Brexit' bringt vieles durcheinander, selbst die Zeitpläne der EU-Triloge. Wie der DNR berichtet, ist der Termin am 30.05. zur Reform des ETS ausgefallen, angeblich, weil der Berichterstatter des EU-Parlaments, ein schottischer Konservativer, keine Zeit hatte - er mußte zuhause Wahlkampf machen. Aus dem gleichen Bericht geht allerdings auch hervor, dass es noch weitere, wahrscheinlich wesentlichere Störmanöver gibt: heftiges Industrie-Lobbying, das verhindern soll, dass das ETS tatsächlich ein wirksames Steuerungsinstrument wird und Emissionen verteuert.
Dazu passt die Meldung, dass der Preis, der heute für CO2-Emissionen gezahlt wird, um rund das 20fache steigen müsste, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens mit Hilfe dieser wirtschaftlichen Instrumente erreicht werden sollen. Aber selbst Optimisten gehen davon aus, dass die geplanten ETS-Reformen die Preise für EU-Zertifikate maximal um das 8fache, wahrscheinlich aber wesentlich weniger, steigen lassen.
Bei BARIG scheint die Welt gerade Kopf zu stehen, aber das gibt sich sicher wieder ...
14.05.2017
Am 12.05. hat das 'Board of Airline Representatives In Germany (BARIG)' eine Pressemitteilung veröffentlicht, die zunächst staunen lässt. Die Vertretung von ca. 100 Airlines, die in Deutschland aktiv sind, "kritisiert scharf die heute ... erfolgte Genehmigung des Fraport-Antrages zur Erhöhung der sogenannten Eckwerte am Frankfurter Flughafen. Eckwerte beschreiben die maximal möglichen Starts und Landungen, die innerhalb einer Stunde durchgeführt werden dürfen. Diese sollen ab dem Winterflugplan 2017/18 von 100 auf 104 pro Stunde erhöht werden". Grund für die Kritik: "Zusätzliche Flüge, insbesondere in Spitzenzeiten, belasten ... in erheblichem Maße". Handelt es sich um ein vorzeitiges Pfingst-Ereignis ("... und der Geist kam über sie, und sie verkündeten die Wahrheit in tausend Zungen ...") ?
Natürlich nicht. Damit solche Missverständnisse garnicht erst aufkommen, geht es gleich weiter: "Grundsätzlich unterstützt der Verband ... eine Kapazitätserweiterung an Deutschlands größtem Flughafen". Wachstum muss sein - nur aktuell passt es gerade nicht, denn sie "befürchten durch diese Erhöhung der Eckwerte weitere, für unsere Fluggesellschaften nicht mehr hinnehmbare Nachteile", konket "eine weitere Verschlechterung der Stabilität und Qualität in der Verkehrsabwicklung". Nun sagen Ausbaugegner, Fluglotsen und andere Betroffene ja schon lange, dass dieses verkorkste Bahnensystem in FRA niemals die geplante Kapazität sicher liefern kann, aber von den Airlines hat man das so noch nicht gehört.
Der Hintergrund ist aber eher trivial. Zwar sind bei BARIG ziemlich viele Fluggesellschaften Mitglied, aber eben nicht alle. Und hier schiessen die dominierenden Gesellschaften (Lufthansa-Group/StarAlliance, Condor) gegen einen Störenfried, der nicht Mitglied ist: Ryanair. Der wird zwar in der PM nicht namentlich genannt, aber weiter heisst es dort: "Neue Punkt-zu-Punkt-Verkehre, die sich derzeit außerhalb der Drehkreuzprozesse entwickeln, dürfen auf keinen Fall die operationelle Stabilität und Pünktlichkeit in den Spitzenstunden am Flughafen gefährden. Mit der heutigen Entscheidung zur Erhöhung der Starts und Landungen steht zu befürchten, dass Fluggesellschaften und Passagiere mit weiteren Einschränkungen rechnen müssen und dass sich dadurch die Zahl der Beschwerden erhöhen wird".
'Punkt-zu-Punkt-Verkehr' ist das Kriterium für das Geschäftsmodell der Billigflieger, und zur Sicherheit legt Condor-Chef Teckendrup in der Presse noch nach: "Mit einer durchschnittlichen Pünktlichkeit von 80 Prozent biete Frankfurt als Umsteigeflughafen ohnehin schon eine miserable Performance", und "die Erhöhung des Eckwerts werde sich faktisch maßgeschneidert vorteilhaft auf den Flugplan einer einzelnen Airline auswirken",
zitiert airliners.
Hier passiert also nichts anderes, als dass der Verband im Konkurrenzkampf der Airlines für die Interessen seiner dominierenden Mitglieder instrumentalisiert wird, und man darf wetten, dass diese Argumentation vergessen sein wird, wenn der Lufthansa-Billigflieger Eurowings nächstes Jahr in FRA an den Start geht, egal in welchem Zustand die 'Infrastruktur' dann gerade ist.
Bis die Airlines und andere Akteure der Luftverkehrswirtschaft die tatsächlich bestehenden Grenzen für das Wachstum des Luftverkehrs wirklich akzeptieren und ihr Handeln danach ausrichten, muss wohl noch einiges mehr passieren.
Der zweite Akt im Schmierentheater:
eine 'Lärmobergrenze' im Landesentwicklungsplan.
10.05.2017
Ende März hat die Landesregierung den Entwurf für eine 3. Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 beschlossen. Seit dem 08. Mai liegt er zusammen mit anderen LEP-Unterlagen zur Einsicht aus; bis 24. Juli hat die interessierte Öffentlichkeit Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Zu dem Verfahren gibt es auch noch eine ausführliche Beschreibung.
Der Plan befasst sich mit vielen Dingen, die für die Raumordnung relevant sind, u.a. auch mit Luftreinhaltung und der Festlegung von sog. 'Siedlungsbeschränkungsgebieten' aufgrund zu hoher Lärmbelastung. Besonders interessant sind aber folgende Passagen:Diese wolkigen Sätze bilden die Rechtsgrundlage für zwei Schallschutzmaßnahmen, die eigentlich das Potential hätten, wesentliche Verbesserungen für die Bevölkerung im Umfeld des Flughafens zu bringen: das Nachtflugverbot und die
Lärmobergrenze. Grundlage in dem Sinn, dass, wenn das Thema hier erwähnt wird, der Gesetzgeber sich bei konkreten Regelungen auf den hier erteilten Auftrag beziehen kann. Was dann tatsächlich geregelt wird, ist damit nicht gesagt.
Beachtenswert sind hier aber die unterschiedlichen Formulierungen und Gewichtungen. Während die 'Grundlage' für das Nachtflugverbot nicht etwa das Ziel ist, die Nachtruhe der Bevölkerung zu schützen, sondern nur postuliert wird, dass die "Rücksichtnahme auf die Nachtruhe" irgendwie "von ... Bedeutung ... für den Betrieb des Flughafens" ist, wird für die 'Lärmobergrenze' ziemlich konkret vorgegeben, dass "die Ausdehnung der erheblich von Fluglärm betroffenen Fläche begrenzt" werden soll. Und während die 'Rücksicht auf die Nachtruhe' zwar als Ziel (Z) formuliert wird, aber nur nachrangig zum Ziel, "den Flughafen ... in seiner Wettbewerbsfähigkeit zu stärken", wird die Flächenbegrenzung nur als Grundsatz (G) eingeführt.
Der Unterschied zwischen Ziel und Grundsatz ist laut den FAQs zum LEP:
"Ziele sind verbindliche Vorgaben für die Regionalplanung und auch andere öffentliche Planungsträger, das heißt diesen Regelungen ist auf jeden Fall zu folgen.
Grundsätzen sollte, muss aber nicht zwingend – dann jedoch gut begründet – gefolgt werden."
Wirklich? Manchmal lohnt ein genauerer Blick in das zugrunde liegende Gesetz. Da heißt es nämlich:
"Bei ... Entscheidungen öffentlicher Stellen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von Personen des Privatrechts, die der Planfeststellung ... bedürfen, ... sind Ziele ... zu beachten sowie Grundsätze ... zu berücksichtigen."
Für 'Personen (oder Unternehmen) des Privatrechts' entfalten diese Regelungen also nur Bindungswirkung, wenn ihre Vorhaben der Planfeststellung bedürfen. Alles, was darunter liegt, ist davon zunächst erstmal nicht erfasst, und selbst 'beachten' heißt ja auch nur, dass Ziele mit Gewicht in die vorzunehmenden Abwägungen einzugehen haben. Unumstösslich sind sie deswegen noch lange nicht, und 'Grundsätze' wiegen dagegen noch leichter. Wohl deshalb betont der Minister in seiner
Presseerklärung auch nochmal, dass weiter "mit der Luftverkehrsseite über eine freiwillige Vereinbarung zur Einführung einer Lärmobergrenze" verhandelt werden soll. Denn auch wenn der LEP so verabschiedet wird: die 'Luftverkehrsseite' muss das nicht weiter interessieren.
Die Bindungswirkung wird vielmehr ganz woanders erreicht: indem Al-Wazir diesen Grundsatz in den LEP schreibt, schreibt er auch für die Landesregierung sein
Modell einer Lärmobergrenze fest und erstickt jede Diskussion über Alternativen dazu im Keim.
Alles in Allem liefert dieser Plan also statt einer soliden Grundlage für den Schutz der Nachtruhe ein unverbindliches Ziel der 'Rücksichtnahme' auf die Ruhebedürfnisse der Bevölkerung als Voraussetzung für den ungestörten Betrieb des Flughafens und statt einer rechtlichen Basis für eine sinnvolle Ausgestaltung einer Lärmobergrenze die Festlegung des Gesetzgebers auf ein völlig untaugliches Modell - wahrhaftig ein
großer Sprung nach vorn für den Schallschutz.
Wer mag, kann dem Minister seine Meinung dazu sagen, aber man darf wohl nicht darauf hoffen, dass das Einfluss haben könnte. Diese Regierung hört nicht auf die, die unter ihrer Politik zu leiden haben, sondern nur auf die, die von ihr profitieren. Daran könnte die 'Lärmobergrenze' allerdings doch noch scheitern.
04.05.2017
Schon in ihrem Koalitionsvertrag hatte die amtierende GroKo festgehalten, sie wolle "im Dialog mit den Ländern
und der interessierten Öffentlichkeit ein Luftverkehrskonzept" erarbeiten. Dazu ist es nicht gekommen, aber damit sein Versagen nicht so auffällt, hat Verkehrsminister Dobrindt (CSU) noch schnell vor Ende seiner Amtszeit
ein eigenes Papierchen unter diesem Titel vorgelegt. Das kann seinen Beamten nicht schwergefallen sein: sie brauchten bloss die entsprechenden Passagen aus dem eigens bestellten Gefälligkeitsgutachten und den
Pamphleten der Luftverkehrswirtschaft zusammenzuschreiben.
In der Pressemitteilung des Ministeriums wird knapp zusammengefasst, worum es geht: "Mit unserem Luftverkehrskonzept wollen wir Airlines entlasten, Flughäfen stärken und eine weitere Liberalisierung unter fairen Wettbewerbsbedingungen durchsetzen".
Zunächst einmal ist das nicht mehr als der Wunsch des Ministers (der ja nichts sehnlicher wünscht, als der Wirtschaft zu Diensten zu sein), und ob der Ende des Jahres noch im Amt sein wird, ist ja nicht sicher. Für eine Abstimmung innerhalb der Regierung hat es jedenfalls nicht gereicht, weil z.B. selbst der CDU-Finanzminister die vorgesehene Streichung der Luftverkehrssteuer keineswegs so ohne weiteres akzeptieren will und man im Umweltministerium ohnehin nicht begeistert sein dürfte. Auch die Presse sieht das Papier bestenfalls als "Grundlage für die nächste Wahlperiode".
Das hindert allerdings die Luftverkehrswirtschaft nicht daran, das, was da alles geschrieben steht, schon als Konzept für die nächste Regierung zu feiern, das es nur noch umzusetzen gilt. Ihre
Lobeshymne geht sogar so weit, zu behaupten, dieses Konzept sei "zugleich ein realistisches Umweltkonzept für den Luftverkehr", obwohl darin ausser ein paar Standard-Floskeln absolut nichts zu Umwelt-, Lärm- oder Klimaschutz zu lesen ist.
Entsprechend verdammt der BUND in seiner
Pressemitteilung das Papier als ein "Dokument des Versagens und Verweigerns".
Zusammenfassend muss man aber feststellen, dass die Lobbyarbeit der Luftverkehrswirtschaft, wie sie auch in den beiden Beiträgen unten beschrieben wird, recht erfolgreich ist. Ebenso wie das EU-Parlament wird wohl auch der nächste Bundestag mehrheitlich ihren Forderungen folgen und vielleicht nicht ganz so primitiv wie Herr Dobrindt, aber im Kern genauso unverblümt den Wachstumswahn fördern und Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz dafür opfern - es sei denn, sie stossen dabei auf erheblichen Widerstand.
Die Reaktionen der Bundestagsfraktionen auf das Vorgehen des Ministers beweisen: die große Koalition der Wachstumsbefürworter steht. Die CDU/CSU-Fraktion lobt das klare Bekenntnis zum Luftverkehrsstandort Deutschland (Lange, CSU), das
den Standort Deutschland stärkt (Ludwig, CSU). Die SPD-Fraktion, obwohl ja eigentlich schon im Wahlkampf-Modus, ist auch
überwiegend zufrieden und kündigt an, "konstruktiv in die Verhandlungen zu gehen" und "ein wohlwollender Gesprächspartner" zu sein. Ihre Kritik umfasst einen Absatz: "Jedoch finden weder die Abschaffung der Luftverkehrssteuer noch das Thema Nachhaltigkeit sowie soziale Rahmenbedingungen – entsprechend unseren Forderungen – einen angemessenen Platz im vorgestellten Konzept. Die Themen gute Arbeit und Schutz von Mensch und Umwelt fehlen völlig." Mit anderen Worten: sie möchte die Luftverkehrssteuer noch schneller abschaffen und dafür ein bißchen soziale und ökologische Tünche auftragen.
Die Grünen sprechen zwar von ökologischem und verkehrspolitischem Blindflug, wollen aber im Wesentlichen nur "die Belastungen durch den Luftverkehr auf das Unvermeidbare ... beschränken". Die Linke spricht von
Luftnummer, kritisiert die Wachstums-Orientierung und spricht zumindest Vermeidung und Verlagerung an. Inwieweit sich dahinter jeweils konsequente Opposition verbirgt, wäre noch zu beweisen.
Die Besetzung wechselt (hier das Team Lärmpausenclowns),
die Aufführung bleibt dieselbe: Die Allianz produziert Papier
statt Lärmschutz.
21.04.2017
Schon im letzten Jahr hatte das Bündnis der Bürgerinitiativen der sog.
Allianz für Lärmschutz
bescheinigt, dass sie vier Jahre lang "nahezu wirkungslos" geblieben ist. Nun hat die Flugsicherung eine der letzten der so hoch gepriesenen Maßnahmen, die zumindest eine gewisse Wirkung gezeigt hatte, sang- und klanglos beerdigt.
Aus in der Sitzung der Fluglärmkommission am 19.04. vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass aufgrund interner Umstellungen, die der Kapazitätserhöhung dienen sollen, die Maßnahme "Verlängerung ILS Stufe 1, Vorgabe „Nicht unter 5000 Fuß auf Endanfluglinien eindrehen“" weitgehend nicht mehr möglich ist. Was das technisch genau bedeutet, erschliesst sich daraus nicht ohne Weiteres. Das BBI beschreibt einige der möglichen Ursachen und Folgen in seiner
aktuellen Pressemitteilung. Raunheim ist von dieser Änderung nicht betroffen, aber auch uns sollte zu denken geben: eine mit viel Tamtam eingeführte Lärmschutzmaßnahme wird schon fünf Jahre nach der Einführung aus Kapazitätsgründen wieder aufgehoben. Die Allianz-Akteure verdeutlichen damit erneut, wo ihre Prioritäten liegen.
Es kommt aber noch schlimmer. Nach einer von etlichen Medien, z.B. hier bei airliners.de, kommentarlos abgedruckten dpa-Meldung fordert die Allianz (in leicht veränderter Zusammensetzung) den Bund auf, den Airlines noch mehr Geld nachzuwerfen, damit dabei auch etwas für den Schallschutz herauskommt. Die "breite Allianz aus Hessens Politik und Kommunen sowie der Luftverkehrsbranche" besteht allerdings aus dem gleichen Klüngel, der auch die ursprüngliche Allianz gegründet hat, auch wenn einige Personen gewechselt haben. Was sie genau fordern, ist nicht klar, weil der Brief nicht veröffentlicht ist, aber die Meldung deutet die Richtung an. "Mindestens 500 Millionen Euro ... sollten die Luftverkehrsgesellschaften beispielsweise in leisere Triebwerke investieren" und "die bestehende Flotten mit technischen Neuerungen zur Navigation" umrüsten können, andernfalls werde "Deutschland wegen fehlender Investitionsmittel vom technisch möglichen Fortschritt abgehängt". Wow!
Das ist natürlich kompletter Unsinn. Triebwerke werden in erster Linie nach der notwendigen Leistung ausgewählt, in zweiter Linie nach dem Verbrauch, der die Betriebskosten im Wesentlichen bestimmt. Dann kommen noch Wartungskosten, Verfügbarkeit, Einheitlichkeit der Flotte, und ganz am Ende vielleicht noch der Lärm. Um diese Reihenfolge zu ändern und sogar noch sonst nicht geplante Umrüstungen zu veranlassen, müssten die Subventionen nicht nur die Triebwerkskosten, sondern auch noch den Aufwand für Ausfallzeiten, Umrüstung der Wartungseinrichtungen und vieles mehr abdecken - eine völlig absurde Vorstellung. Navigations-Einrichtungen werden in erster Linie nach den Notwendigkeiten für sicheren und effizienten Betrieb ausgewählt, und wann Fortschritte in diesem Bereich sich tatsächlich in lärmmindernden Flugverfahren bemerkbar machen, ist völlig offen.
Das Ganze soll offenkundig nach der Pferdeäpfel-Theorie funktionieren: wenn die Pferde genug zu essen haben, ist auch ihr Output so nahrhaft, dass für die Spatzen etwas übrig bleibt. Wenn die Airlines genug investieren, kommt auch für den Lärmschutz (vielleicht) etwas heraus. Da kann man der ebenfalls von dpa gemeldeten "Kritik der Opposition" nur zustimmen: "Die Luftverkehrsindustrie bekomme bis 2019 bereits eine halbe Milliarde an zusätzlicher Förderung, erklärte der Obmann der Linken-Bundestagsfraktion im Verkehrsausschuss, Herbert Behrens. „Jetzt mit scheinheiligem Verweis auf den Lärmschutz noch mal das Gleiche zu fordern, lässt jeglichen Anstand vermissen“".
Die Frankfurter Neue Presse mixt ihre Berichterstattung darüber noch mit einigen seltsamen Bemerkungen der Fluglärmschutz-Beauftragten der Landesregierung. Sie sieht "Anreizsysteme für die Unternehmen als den entscheidenden Schritt an, um mehr gegen Fluglärm und für den Klimaschutz zu erreichen", aber "„Halbungelegte Eier“ werde es von ihr nicht geben" (welches arme Huhn könnte auch mit sowas gequält werden?).
Interessant ist an diesem Artikel eigentlich nur die Aussage zum lange angekündigten "Zweiten Maßnahmepaket Aktiver Schallschutz" am Ende: "Dabei soll es nach Angaben von Günter Lanz, Geschäftsführer des Umwelthauses, um Gebühren für die Fluggesellschaften, Möglichkeiten durch neue Navigationssoftware sowie Förderprogramme und Forschungsprojekte gehen. Lanz rechnet mit einer Präsentation des Paketes noch in der ersten Jahreshälfte". Mit anderen Worten: auch hier ist ausser Subventionen für die Luftverkehrswirtschaft nichts zu erwarten.
Nach und nach gibt es noch ein paar weitere Informationen: der Wortlaut des Briefes ist nicht geheim und über GGUK erhältlich (GGUK: 'Gewöhnlich Gut Unterrichtete Kreise'), und es wird auch klar, warum er nicht veröffentlichungs-fähig ist. Die Autoren haben sich keinerlei Mühe gegeben, aufwändige Begründungen für ihre Forderungen zu liefern. Im Text heißt es platt: "Ohne entsprechende Anreize und Rahmenbedingungen ist es deswegen für die Luftverkehrswirtschaft auch nicht mehr in ausreichendem Maße möglich, vorhandene Potenziale bei lärm-, klima- und umweltschonenden Flugzeugen zu realisieren".
Weswegen genau das nicht mehr möglich sein soll, wissen die Adressaten ja ohnehin, weil sie ständig mit den Lobby-Pamphleten des BDL bombardiert werden.
Lärmschutz ist aber ohnehin nur Begleiterscheinung des "Innovations- und Investitionsprogramm, dessen Volumen 500 Millionen Euro nicht unterschreiten sollte", denn es muss "neben der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Luftverkehrswirtschaft und der Luftverkehrsindustrie" nur deshalb irgendwie "den Umbau hin zu einem lärm-, klima- und umweltschonenden Luftverkehr vorantreiben", damit es "mit dem EU-Beihilferecht konform" ist.
Das Ambitionsniveau ist dabei hoch: "Wichtigstes Ziel einer nachhaltigen Verkehrspolitik ist die Unterstützung der Luftverkehrsgesellschaften bei der Erneuerung der Flotten ...", die zu subventionieren ist, wenn "... mindestens die Standards nach dem neuen Kapitel 14 zum ICAO Annex 16, Volume 1", die ab Ende 2017 sowieso verbindlich sind, eingehalten werden. Also immerhin gesetzeskonform müssen die Maßnahmen sein, die bezahlt werden sollen. Was will man mehr?
Ausstattung mit neuen Navigationssystemen (die den Airlines auch wieder Geld sparen helfen), notwendige Trainings für die Besatzungen sowie Forschung und Entwicklung sollen natürlich auch finanziert werden.
Dreister geht es kaum. Von BDL und Fraport ist nichts anderes zu erwarten, und dass auch der unvermeidliche Herr Wörner zustimmt, der ja eigentlich auf dem Weg zum Mond ist, auf den ihn viele seit den Tagen des 'Regionalen Dialogforums' wünschen, verwundert nicht.
Welcher Teufel aber die beteiligten Politiker reitet, dieser Unverschämtheit zuzustimmen, bleibt ihr Geheimnis.
20.04.2017
Liest man den jüngsten Politikbrief der Lufthansa, können einem die Tränen kommen. Da kämpft sie tapfer um jedes Prozent Emissions-Einsparung (S.1) und stärkt die Sozialpartnerschaft (S.2), modernisiert und innoviert (S. 6, 7), muss aber unter dem Druck der deutschen Abgabenlast trotzdem mitansehen, wie die ausländische Schmutzkonkurrenz ihr Marktanteile entreisst (S. 3, 4, 8 und 10).
Selbst langjährige Partner bevorzugen unfair die Konkurrenz.
Die "Entscheider in Politik, Medien und Wirtschaft", für die das Papierchen geschrieben ist, können eigentlich garnicht anders, als dem notleidenden Unternehmen zu Hilfe zu kommen - es sei denn, sie werfen vorher einen Blick auf die Lufthansa-Webseite für Investoren. Dort erlebt man plötzlich eine ganz andere Realität.
Der Bericht für 2016 spricht von einem "Rekordergebnis" für die Lufthansa, und angesichts eines operativen Gewinns von 2,3 Milliarden Euro wohl zu Recht von "soliden Geschäftsergebnissen und finanzieller Stärke". Und daran ändert sich wohl so schnell nichts: die Finanznachrichten für das 1. Quartal 2017 berichten von weiter anhaltendem Wachstum. Auch die Fachwelt ist sich einig, dass die Lufthansa mit ihren Töchtern den deutschen Markt dominiert. Wie passt das zusammen?
Das ist zunächst einmal eine Frage der geschickten Darstellung. Wenn man von niedrigem Niveau aus startet, ist es relativ einfach, ein zahlenmäßig beeindruckendes prozentuales Wachstum zu erreichen, selbst wenn der Zuwachs in absoluten Zahlen gar nicht so groß ist. Dominiert man dagegen den Markt, wirkt der gleiche absolute Zuwachs in Prozenten geradezu mickrig. Wenn man dann noch die eigenen guten Zahlen mit schlechten Zahlen von bisherigen Konkurrenten zusammenmischt (die 'deutschen Airlines' schrumpfen, weil die bisherige Nummer 2, Air Berlin,
drastisch eingedampft wird), bekommt man das gewünschte dramatische Bild.
Und der Kampf 'Billigflieger gegen Premium-Airlines'? Der findet so auch nicht statt. Tatsächlich sind die existierenden Airlines nur mehr oder weniger erfolgreich dabei, sich ihren Platz in dem stark wachsenden Low-Cost-Segment zu erobern. So hat Lufthansa nicht nur die eigene Billig-Tochter Eurowings, die am Flughafen München genau die gleiche Rolle spielt wie Ryanair neuerdings in Frankfurt und dort ebenso massiv subventioniert wird, und hat mit Brussels Airlines und Teilen von Air Berlin weitere Billigflieger-Modelle übernommen, sie integriert Teile dieses Geschäftsmodells auch in das eigene Angebot. Andere Airline-Verbünde machen das genauso. Auf der anderen Seite will selbst Ryanair demnächst Umsteigeflüge anbieten und sich damit dem Geschäftsmodell der 'Netzwerk-Airlines' annähern. Andere Billigflieger machen das jetzt schon.
Beim Streit um die Subventionen geht es also keineswegs darum, ob es sie geben soll. Das Umweltbundesamt
schätzt für 2012 die 'umweltschädlichen' Subventionen für die Luftverkehrswirtschaft allein durch den Verzicht auf Kerosin- und Mehrwertsteuer auf knapp 12 Milliarden Euro. Dieser Betrag dürfte durch das Wachstum des Luftverkehrs inzwischen noch deutlich höher liegen, und die Subventionen für Flugzeugbau, Flughäfen, Flugsicherheit usw. sind darin garnicht enthalten. Dem stehen die gesetzlich auf 1 Milliarde Euro pro Jahr limitierten Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer gegenüber - ein gutes Geschäft für Airlines & Co..
Der Streit geht vielmehr darum, wer wieviel vom Kuchen bekommt. Er tobt schon seit Jahren
national wie international, bringt sonst Verbündete und Partner gegeneinander auf und ist Teil des 'Konsolidierungsprozesses', der nach der Privatisierungs-Euphorie der 80er und 90er Jahre allmählich wieder zu einer
Re-Monopolisierung des Luftverkehrs führt. Der aktuelle Hickhack um die durch die
neue Entgelt-Ordnung der Fraport ermöglichten Rabatte für Ryanair & Co. ist nur ein kleiner Ausschnitt davon. Dabei steht die Förderung zusätzlichen Wachstums nicht in Frage, und wenn Ministerpräsident Bouffier die Streithähne an einen Tisch holt, geht es sicher nicht darum, die Entgeltordnung zu verändern, sondern darum, welche Kompensation die Lufthansa für die Rabatte erhält, die Ryanair kassiert.
Der Unterschied im Umgang mit Subventionen zwischen Ryanair und Lufthansa liegt im Wesentlichen in der öffentlichen Argumentation. Während Ryanair-Chef O'Leary klar sagt: "wenn wir keine Vergünstigungen bekommen, fliegen wir nicht", bestreitet Lufthansa selbst dann noch den Erhalt von Suventionen, wenn ein Landesrechnungshof die eindeutig feststellt. Wo hört Lobbyismus auf, wo fängt Lüge an?
Über das Gespräch, das Ministerpräsident Bouffier mit Fraport und Lufthansa am 23.04. geführt hat, weiss hr-info Beruhigendes zu melden: "Die Lufthansa soll künftig auch am Standort Frankfurt wachsen" und "Zudem solle versucht werden, bestimmte Abläufe im Flughafenbetrieb kostengünstiger zu gestalten". Im Klartext: Lufthansa wird die gewünschten Kompensationen für die Ryanair-Rabatte bekommen, wie auch immer getarnt.
Spätere Meldungen, z.B. in der FNP oder bei
airliners.de, formulieren zurückhaltender. Da geht es nur um "gemeinsame Projekte und verbesserte Prozesse am Flughafen ... und zwar in einem überschaubaren Zeitraum". Im Ergebnis dürfte dasselbe gemeint sein, aber so klingt es weniger provokativ. Beruhigend zu sehen, dass es offenbar immer professionelle Formulierungshelfer gibt, die dafür sorgen, dass der richtige Eindruck rüberkommt.
Auch die Medien spielen das Spiel mit: während das Luftfahrt-Fachblatt das
Lied vom Leid der Airlines singt und den Konzern-Verlust in den Vordergrund rückt, kommt das Wirtschaftsblatt
zum Kern der Sache. Der operative Gewinn ist in einem Quartal positiv, in dem sonst fast alle Airlines in Europa Verluste machen, die sie mit den Gewinnen in den Hauptreisezeiten ausgleichen müssen.
Lufthansa selbst stellt in den
Finanznachrichten natürlich ebenfalls die positiven Aspekte in den Vordergrund und erläutert die erzielten Erfolge. Auch der ausführlichere
Zwischenbericht Januar-März 2017 verliert nur wenige Worte über das negative Gesamtergebnis, das für keinen Experten eine Überraschung sein kann. Die Begründung ist entsprechend knapp:
"Rückgang der übrigen Finanzposten ... auf gesunkene (im Vorjahr gestiegene) Marktwerte derivativer Finanzinstrumente zurückzuführen" und "Zinsergebnis sinkt um 14,9 Prozent auf – 77 Mio. EUR", mit anderen Worten, es hat mit dem Betriebsergebnis und den aktuell wichtigen Trends nur sehr wenig zu tun. Interessant ist vor allem eine Belastung, die hier erwähnt wird: "Belastungen aus Ertragsteuern (4 Mio. EUR)" (bei einem operativen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro!), mit anderen Worten: aus der Portokasse zu bezahlen.
So sieht die erste Phase der Südumfliegung aktuell aus (11.04., 5:00 - 23:00 Uhr)
(Grafik: DFS Stanly Track, zum Vergrössern anklicken.)
15.04.2017
Es hat etwas länger gedauert, aber bald ist es soweit: nach einem
Bericht der Main-Spitze soll nach Ostern ein erster Termin beim Verwaltungsgerichtshof Kassel stattfinden, in dem über das weitere Schicksal der Südumfliegung verhandelt wird.
Zur Erinnerung: Kommunen und Privatpersonen im Süden hatten geklagt, um eine Verschiebung der Südumfliegung (wohin auch immer) und damit weniger Lärm zu erreichen. Da eine Begründung allein mit 'zuviel Lärm' keine Chance gehabt hätte, hatten sie die Klage u.a. darauf gestützt, dass mit der damaligen Variante der Südumfliegung die geplanten 126 Flugbewegungen nicht erreicht werden konnten und die Festsetzung dieser Route daher dem Planfeststellungsbeschluss (der Heiligen Kuh des gesamten Ausbaus) nicht entsprochen habe. Der VGH in Kassel hatte ihnen in diesem Punkt Recht gegeben, aber das Bundesverwaltungsgericht hatte dieses Urteil wieder kassiert und den Fall mit neuen Vorgaben an den VGH zurückverwiesen (Details dazu in
unserem damaligen Bericht und der
Zusammenfassung des Urteils durch die FLK).
Nun wird also neu verhandelt, aber worüber genau, erschließt sich aus dem Artikel noch nicht. Als die Klage eingereicht wurde, ging man von einer maximalen Kapazität des Flughafens von 98 Flugbewegungen pro Stunden aus, woraus folgt, dass 49 Abflüge pro Stunde (über die Südumfliegung im sog. 'abhängigen Betrieb' mit der Startbahn West) realisierbar sein sollten (da die Nordwest-Abflüge fast auf Null reduziert werden sollten). Inzwischen ist die Kapazität bei 104 Flugbewegungen pro Stunde angekommen, wobei immer noch abhängig zwischen 25R und 18West geflogen wird und der Nordwestabflug wesentlich intensiver genutzt wird als geplant. Nach einer Präsentation der DFS in der Fluglärmkommissions-Sitzung vom 07.12.2016 soll Mitte 2017 ein Navigationsverfahren eingeführt sein, das es erlauben soll, wieder zum 'unabhängigen Betrieb' überzugehen und damit wieder mehr Flüge über die Südumfliegung abzuwickeln. Werden diese Entwicklungen eine Rolle spielen, oder wird aus formalen Gründen nur über das verhandelt, was bei Einreichung der Klage aktuell war, aber inzwischen überholt ist?
Und dann gibt es da noch einen anderen Punkt, der dem Ganzen nochmal eine neue Wendung geben könnte. Die technische Logik würde es eigentlich nahelegen, bei Betriebsrichtung 25 nicht von der Centerbahn, sondern von der Südbahn zu starten. Damit könnte das
Kollisionsrisiko bei einem Fehlanflug auf das Parallelbahn-System deutlich reduziert werden, und die zusätzliche Komplexität beim Abflug nach Nordwesten würde keine große Rolle spielen, da diese Abflüge ohnehin nur selten genutzt werden sollen. Für Raunheim hätte das den zusätzlichen Charme, dass sich die Abflüge sozusagen automatisch weiter vom Stadtgebiet weg abspielen würden. Dazu müsste aber die heisse Kartoffel 'Abweichung von der Planfeststellung' angefasst werden, was sich derzeit wohl immer noch niemand traut.
Vielleicht erzwingen die Realitäten es aber doch irgendwann. Wie die Grafik oben zeigt, ist die Spurtreue beim Abflug trotz aller bisher eingeleiteten Maßnahmen zumindest in der ersten Kurve der Südumfliegung nicht besser geworden, und ob sich daran noch etwas ändert, ist zweifelhaft. Von der Südbahn aus wäre die Kurve nicht ganz so eng und auch für schwere Maschinen leichter zu fliegen. Und immerhin: nach DFS-Angaben wird das neue Verfahren ohnehin für beide Parallelbahnen definiert. Das könnte ein erster Schritt sein.
Unklar ist, wie diese Änderung im Umland aufgenommen würde. Im Osten würde auch Neu-Isenburg profitieren, in Offenbach gäbe es Verschiebungen innerhalb des Stadtgebiets, und im Frankfurter Süden würden neben den Anflügen auf die Nordwestbahn auch die auf die Centerbahn etwas näher heranrücken. Dort ist aber bis heute nicht klar, ob die heute schon praktizierten Swing-over, bei denen westlich von Offenbach zur Landung auf die Centerbahn gewechselt wird, tatsächlich spürbar mehr Belastung bringen.
Denkbar wäre aber dennoch, dass ein solcher Vorschlag Anlass zum Streit bieten könnte. Alle Fluglärmgegner sollten aber einen Grundsatz in der Diskussion der Flugrouten immer in den Vordergrund stellen: als Kriterien für die Routenwahl sollten Sicherheit und Lärmschutz an erster Stelle stehen. Wenn sich dann herausstellt, dass die Kapazitätswünsche der Fraport nicht erfüllt werden können, dann ist das eben so.
Wie man hört, wurde das Thema beim erwähnten Termin zunächst einmal "auf unbestimmte Zeit vertagt" und die Beteiligten bekamen Hausaufgaben, deren Erledigung sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis zum Abschluss dieser Runde wird es also noch dauern.
Eine der KlägerInnen teilt mit, dass der Termin "wegen Erkrankung eines Richters kurzfristig abgesagt worden [ist]. Eine mündliche Verhandlung ist nun zum Ende des Jahres vorgesehen.".
Solche Wirbel erzeugen alle Flugzeuge, nur wann und wo sie unten ankommen und wie stark sie dann noch sind, ist unterschiedlich und hängt hauptsächlich vom Wetter ab.
08.04.2017
Wie die Main-Spitze meldet, hat es diese Woche mal wieder in Flörsheim gekracht. An einem Haus in der Weilbacher Strasse wurden einige Ziegel herunter gerissen. Da die Bewohner nicht zu Hause waren, ist der genaue Zeitpunkt unbekannt; es kann im Prinzip während der gesamten Ostwind-Phase am 04./05.04. passiert sein.
Das Dach war noch nicht geklammert, obwohl auch hier der Antrag schon lange bei Fraport liegt, aber inzwischen sei er genehmigt.
Bemerkenswertes gibt es in diesem Fall nicht, ausser vielleicht dem extrem dummen Spruch eines Fraport-Vertreters, es werde "derzeit geprüft, welches Flugzeug die Wirbelschleppe ausgelöst haben könnte. Wegen des längeren Zeitspektrums sei dies allerdings schwierig zu fassen." Im Nachhinein herausfinden zu wollen, welches Flugzeug in anderthalb Tagen Ostbetrieb das Dach abgedeckt haben könnte, ist völlig absurd - aber es gehört bei Fraport anscheinend dazu, in solchen Situationen irgend einen Unsinn abzulassen, der bei Unbedarften den Eindruck erwecken soll, sie hätten die Sache im Griff.
So könnte es kommen ...
07.04.2017
Eigentlich könnte Fraport sich freuen. Die griechische Regierung hat, wohl nicht ganz unabhängig vom Druck der EU,
endgültig bestätigt, dass alle Hindernisse ausgeräumt sind und die 14 Regionalflughäfen 'bis Ostern' übergeben werden - wären da nicht plötzlich Warnungen, sie könnten eine
harte Landung erleben.
"Profis aus der griechischen Luftfahrtindustrie sind besorgt über ... das Verhalten einer Anzahl von Beschäftigten, denen nachgesagt wird, sich zu weigern, die neue Fraport-Belegschaft mit der Infrastruktur und den technischen und elektronischen EInrichtungen vertraut zu machen." Die Zeitung berichtet von einer Ankündigung der zuständigen Gewerkschaft, in der sie ihre Mitglieder auffordert, "keine Informationen, Vorführungen oder Trainings über die elektrischen Netzwerke oder Geräte an den Flughäfen an eine private Partei" zu liefern.
"Quellen" verweisen darauf, dass es ja auch schon früher "Spannungen zwischen Gewerkschaftern und Fraport-Beschäftigten an den Flughäfen" gegeben habe. Droht umfassende Sabotage?
Wäre der Hintergrund nicht so ernst, könnte man herzhaft lachen. Die Vorstellung, dass am Tag der Übernahme die Fraport-Leute fünf Minuten früher zur Arbeit kommen, sich von der alten Belegschaft kurz in den Betrieb einweisen lassen und dann den Laden übernehmen, ist derart naiv, dass selbst unbedarfteste Leser bei kurzem Nachdenken stutzig werden müssten.
Fraport Greece hatte bereits am 06. März gemeldet, dass alles zur Übernahme bereit sei und ausreichendes und geschultes Personal zur Verfügung stehe. Die Prozesse seien seit Monaten eingeübt. Wäre das nicht der Fall und würden ihnen wichtige Informationen über die Airport-Anlagen fehlen, hätten sie mit Sicherheit schon längst Druck auf die griechischen Behörden ausgeübt, alles Notwendige zur Verfügung zu stellen. Warum also die Horrormeldung?
Die gleiche Zeitung (die Fraport generell freundlich gegenüber steht) hatte bereits vor Wochen darauf hingewiesen, dass die gleichzeitige Übernahme von 14 Airports eine 'Herausforderung' sei und durch den Zeitpunkt mitten im Beginn der Touristik-Saison "die anspruchsvollste Übung in der Flughafen-Geschichte" werden könnte. Probleme sind also absehbar, und wenn sie tatsächlich zu Schwierigkeiten führen sollten, muss ein Sündenbock her. Gewerkschaften sind da dankbare und allseits akzeptierte Opfer.
Glaubwürdigkeit hat für Fraport nie eine Rolle gespielt, und auch eine völlig absurde Story kann dazu beitragen, dass bei einem Teil der Öffentlichkeit die gewünschte Botschaft hängenbleibt. Fraport als der willkommene, dringend benötigte Sanierer, der nur hier und da von verknöcherten, auf überkommenen Privilegien beharrenden Gewerkschaften behindert wird, aber die Flughäfen trotzdem in eine strahlende Zukunft führt - dieses Bild soll in die Köpfe.
Die schmutzige Wahrheit dahinter - dass Griechenland nur aufgrund von massivem politischem Druck ausgerechnet seine profitabelsten Flughäfen privatisieren musste und Fraport dort keinerlei finanzielles Risiko eingeht - soll dagegen möglichst schnell aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden.
In ein paar Tagen wird wohl klar sein, wie der Übernahmeprozess abgelaufen ist und welche Schwierigkeiten aufgetreten sind - aber nicht unbedingt warum. Behauptungen seitens Fraport sollte man jedenfalls (wie immer) nicht trauen.
Wie ekathimerini meldet, ist der 11.04. der Tag der Übergabe. Mal sehen, was passiert.
Offenbar ging zunächst tatsächlich alles glatt, von Störungen war jedenfalls nichts zu lesen, die Schwarzmalerei also ganz unnötig.
Nachzutragen wären höchstens noch ein paar Details zur Finanzierung des ganzen Deals: von den "bis zu 400 Millionen Euro", die Fraport Greece in den nächsten vier Jahren in die 14 Flughäfen investieren will, stellt die Europäische Investitionsbank
280 Millionen zu günstigsten Konditionen bereit - Mittel, die dem griechischen Staat zu diesem Zweck ebenfalls zur Verfügung gestanden hätten. Wie die EU-Kommission fast zeitgleich mitteilt, stellt die EIB über ihren Investitionsfond für rund 2.000 griechische kleine und mittlere Unternehmen gerade mal 420 Millionen Euro zur Verfügung.
Fraport Greece hatte schon früher mitgeteilt, dass ein Banken-Konsortium unter Beteiligung öffentlicher Banken auch ca. die Hälfte der Konzessionssumme von 1,234 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat. Kaum Zinsbelastung, Gewinnerwartung schon fürs erste Jahr - eine weichere Landung ist kaum denkbar.
Die Fraport-Kapazität, die durch den Ausbau einen Sprung machen sollte, wächst nur langsam.
06.04.2017
Nachdem zuletzt die Zahl der Flugbewegungen auf FRA zurückgegangen, aber der Lärm gleich geblieben ist, drohen sich beide Tendenzen nun zu verändern. Für den Sommer sind mehr Bewegungen geplant, Ryanair hat den Flugbetrieb ab FRA aufgenommen und will schon im September weiter aufstocken, und die Zahl der möglichen Flugbewegungen pro Stunde wurde auf 104 erhöht. Wird es also nun wieder zunehmend lauter?
Das hängt zunächst einmal davon ab, ob die Planungen auch Realität werden, denn mehr Angebot an Flügen und mehr mögliche Flugbewegungen pro Stunde bedeuten nicht automatisch mehr Flugbewegungen; es müssen auch die Kunden dafür da sein. Dabei besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Billigheimer Kunden anziehen werden, die Frage ist nur, wieviel davon neue Kunden sind und wie viele von anderen wechseln. Um das beurteilen zu können, sollte man sich ansehen, was über mittel- und langfristige Trends bekannt ist.
Eine Quelle dafür ist der
Ausblick Sommer 2017 der DLR. Darin werden die Veränderungen zwischen den geplanten Abflügen von deutschen Flughäfen für den Monat Juli 2016 und 2017 verglichen und daraus Trends abgeleitet. Lernen kann man daraus, dass der Flugverkehr in Deutschland allgemein wächst, aber unterschiedlich sowohl regional als auch in den einzelnen Segmenten. Insgesamt liegt das Wachstum bei 5%, in Frankfurt aber nur bei knapp 2%.
Knapp zwei Drittel aller Flugreisen sind privater Natur, davon mehr als drei Viertel Urlaubsreisen und der Rest sonstige private Kurzreisen. Nur ein Drittel sind Geschäftsreisen, davon auch noch ein hoher Anteil auf innerdeutschen Flügen, die ohne Weiteres durch Bahnreisen ersetzt werden könnten. Die Privatreisen dominieren nicht nur die Flugreisen insgesamt, sondern auch das Wachstum; da werden teilweise zweistellige Wachstumsraten erreicht. Die Geschäftsreisen stagnieren oder nehmen sogar ab. Fliegen in Deutschland ist also zum größten Teil eine Luxusveranstaltung, die von der gesamten Gesellschaft massiv subventioniert wird.
Dominiert wird der Markt eindeutig von der Lufthansa. Nach einer
nochmal korrigierten Statistik zu Beginn des Sommerflugplans wickelt sie zusammen mit den Töchtern Eurowings/Germanwings knapp 45% aller Flüge ab. Ihre Wachstumsrate liegt bei der Kernmarke nur bei 2%, bei Eurowings allerdings deutlich höher, so dass das in absoluten Zahlen trotzdem ein höheres Plus ist als bei Ryanair, deren Wachstumsrate von über 20% (auf einen Marktanteil von gut 6%) überall so hervorgehoben wird.
Das Ganze ist natürlich eine Momentaufnahme, die sich abhängig von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen auch relativ kurzfristig wieder verändern kann. Über längerfristige Trends gibt es nur wenig verlässliche Aussagen. Ryanair-Chef O'Leary glaubt,
mit noch mehr Schnäppchen auch immer mehr Menschen zum Fliegen animieren zu können. Lufthansa geht dagegen eher davon aus, dass der Wettbewerb reduziert werden muss, um die Profite stablisieren zu können. Seriöse Prognosen gibt es kaum.
Und was bedeutet das für Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet? Fraport hofft natürlich, künftig wieder ein grösseres Stück vom Kuchen abzubekommen, wenn die Billigflieger höhere Wachstumsraten nach Frankfurt bringen. Zumindest für die nächste Zeit wird das wohl auch gelingen. Das Ryanair-Experiment wird mindestens solange dauern, wie Fraport ausreichende Rabatte gewähren kann, und mit Eurowings und einigen anderen von dieser Sorte ist auch für nächstes Jahr eine weitere Zunahme wahrscheinlich. Wie lange dieser Trend Bestand haben wird, ist unklar.
Von den ursprünglichen Wachstums-Phantasien ist Fraport aber immer noch weit entfernt. Auch die Erhöhung der Zahl der möglichen Flugbewegungen von 100 auf 104 pro Stunde ist nur ein kleiner Schritt hin zu dem angestrebten Ziel von 126 Bewegungen/Stunde, die der Ausbau liefern sollte, und wie gut es funktioniert, muss sich auch erst noch zeigen. Aber auch hier kann es bedeuten, dass uns einige schlimmere Stunden bevorstehen, in denen der Verkehr besonders dicht gepackt und damit besonders unerträglich daherkommt.
Es bleibt dabei: von alleine wird nichts besser. Fraport und die Luftverkehrswirtschaft insgesamt müssen politisch zur Umkehr gezwungen werden, damit sich etwas ändert. Die politische Bewegung, die dafür notwendig wäre, ist leider nicht in Sicht.
Die Voraussetzungen dafür müssen dringend geschaffen werden.
05.04.2017
Wie schon in der Presse angekündigt, hat sich die BI mit einem Schreiben an die Fluglärmkommission gewandt und diese aufgefordert, bei Fraport und hessischer Landesregierung darauf hinzuwirken, dass "Erfassung und Bewertung der Belastung durch Ultrafeinstaub im Umfeld des Flughafens" deutlich verbessert werden. Das Schreiben bittet um Unterstützungen für die drei Forderungen, die die BI schon früher formuliert hat:
Da Raunheim wegen der Nähe zum Flughafen besonders betroffen ist, haben wir das Schreiben auch an die Fraktionsvorsitzenden im Stadtparlament verschickt mit der Bitte, dort einen Beschluss zur Unterstützung dieser Forderungen zu fassen. Wir hoffen natürlich, dass sich andere Institutionen (Stadt- und Gemeinde-Parlamente, der Kreistag, ...) ebenfalls anschliessen werden. Die Region hat sicherlich ein Recht darauf, zu erfahren, was der Flughafen den Menschen hier zumutet, und im Vergleich zu anderen Flughafen-Standorten in Europa (aktuell z.B. Amsterdam und Brüssel, s.a. unsere Doku Schadstoffe), hinkt Frankfurt in Punkto Aufklärung deutlich hinterher.
Die DLR monitort auch die Entwicklung der 'Low Cost Carrier'.
Die Grafik zeigt die Routen, auf denen 'Low Cost' geflogen wird.
23.03.2017
Pünktlich zur Aufnahme des Flugbetriebs durch Ryanair auf FRA in der nächsten Woche hat die ARD eine Dokumentation über die Geschäftspraktiken der Billigflieger ausgestrahlt, die unbedingt sehenswert ist. Zwar konzentriert sie sich überwiegend auf Ryanair, die im Erfinden von Maßnahmen hart an oder auch jenseits der Grenzen der Legalität Vorreiter sind, macht aber noch zwei weitere Punkte deutlich: auch die anderen Billigflieger setzen zunehmend solche Geschäftspraktiken ein, und Politik und Justiz unternehmen nicht nur nichts dagegen, sie fördern dieses 'Rennen nach unten' (bzw. in den Abgrund?) auch noch.
Die Reaktion der anderen Medien ist eher dürftig. Die BILD-Zeitung
greift das Thema auf, konzentriert sich dabei allerdings weitgehend auf die böse Ryanair, die Staat und Personal abzocke.
In der Hessenschau erscheint noch ein
Interview mit Hessens SPD-Chef Schäfer-Gümbel, der bei seiner alten Linie bleibt und Fraport dafür kritisiert, mit Ryanair ausgerechnet den Marktführer bei den kriminellen Praktiken angelockt zu haben. Ansonsten gilt für ihn "Ryanair nein danke, Billigflieger ja bitte" oder auch "Sklaventum nein danke, Raubtier-Kapitalismus ja bitte" - eine typische SPD-Position eben.
Immerhin hat er in dem Interview auch noch einen interessanten Satz gesagt: "Der Frankfurter Flughafen ist ein öffentlicher Infrastrukturdienstleister und für den gelten politische Rahmenbedingungen." Wenn die hessische Politik diesen Ansatz verfolgen und das Fraport-Geschäftsmodell im öffentlichen Interesse umgestalten würde, wären wir einen wesentlichen Schritt weiter. Was dann passieren müsste, hat ein Kommentator der Frankfurter Rundschau schon vor einigen Tagen ausgeführt:
Billigflieger nicht fördern.
Solche Lichtblicke sind aber auch in der FR eher selten, und einige Tage später berichtet der gleiche Autor nicht etwa über die ARD-Doku, sondern über
die Expansionspläne von Ryanair, mit deutlich reduzierter Kritik. Die FAZ
lässt die Kritik ganz weg und schiebt noch einen
Kommentar hinterher, der die Kritiker kritisiert und die Entwicklung sozusagen als naturgegeben beschreibt.
Was diese Qualitätsmedien allesamt weglassen, ist die politische Förderung und Rückendeckung, die Ryanair & Co. bei ihrer Expansion geniessen. Sowohl
das deutsche 'Luftverkehrskonzept' als auch die
europäische 'Luftverkehrsstrategie' dienen dazu, den Luftverkehr zu fördern, und werden weitgehend ohne öffentliche Kritik vorangetrieben, und auch aktuelle
begleitende Maßnahmen der EU-Kommission, die Arbeitnehmerrechte weiter einschränken, gehen kommentarlos über die Bühne. Aber was der Rundschau-Kommentator für die hessische Landesregierung zu sagen weiss, gilt auch allgemein:
"Man kann es inkonsistent nennen oder schlicht und einfach schizophren. Denn zugleich sollen die Treibhausgasemissionen erheblich reduziert werden – um 40 Prozent bis 2030. So steht es im kürzlich verabschiedeten Klimaschutzplan der Bundesregierung. Mit einer Ausweitung des Kurz- und Mittelstreckenverkehrs in der Luftfahrt wird das ganz bestimmt nicht gelingen: In einer Studie im Auftrag des Flugzeugbauers Airbus und der Heinrich-Böll-Stiftung ist nachzulesen, dass bei der Beförderung im Jet pro Passagier fast fünfmal so viel klimaschädliche Abgase in die Atmosphäre geblasen werden wie bei der Fahrt mit der Bahn. Das alles zeigt: Wir stehen jetzt an der Schwelle, wo wir entscheiden müssen, ob wir die Eindämmung der Erderwärmung wirklich erreichen wollen oder nicht."
So wie es aussieht, ist die Antwort eindeutig nein.
Die FAZ zieht immerhin nach und berichtet einen Tag später auch über die prekären Arbeitsbedingungen der (Ko-)Piloten von Ryanair und die daraus resultierenden Sicherheitsrisiken. Der Grundton ist allerdings weiterhin "Es geht halt nicht anders" und "Die Kunden sind schuld". Dass der Fehler im System liegen könnte, kommt dem FAZ-Autor natürlich nicht in den Sinn.
Der Spiegel geht einen Schritt weiter und spekuliert, ob Ryanairs Offensive an den illegalen Beschäftigungsmodellen scheitern könnte. Die Piloten-Gewerkschaft Cockpit habe angekündigt, eventuell gegen Ryanair zu klagen.
Nach den geltenden Regeln rechtfertigten die Windverhältnisse diesmal den Anflug über Raunheim in der fraglichen Zeitspanne (für Gesamtbild Grafik anklicken).
15.03.2017
Wie
die Main-Spitze berichtet, hat am 12.03. zwischen 13:00 und 16:00 Uhr mal wieder eine Wirbelschleppe ein Hausdach in Raunheim beschädigt. Der Vorfall selbst war wenig spektakulär: der Schaden am Dach bliebt relativ gering, lediglich ein Ziegel löste sich, niemand wurde verletzt. Da der Schadenszeitpunkt nur auf etwa drei Stunden genau eingegrenzt werden konnte, kommen ca. 56 Verursacher in Frage, darunter etliche große Maschinen, die starke Wirbelschleppen erzeugen.
Auch die Wahl der Betriebsrichtung 07 mit Anflug über Raunheim war nach den geltenden Regeln gerechtfertigt, insbesondere da stärkere Böen zeitweise zu recht hohen Rückenwind-Komponenten bei Betriebsrichtung 25 geführt hätten. Man kann darüber spekulieren, ob der relativ starke Wind dazu beigetragen hat, die Wirbelschleppe, bevor sie am Dach angekommen ist, schon so weit zu schwächen, dass der Schaden relativ gering blieb, aber beweisen läßt sich das nicht.
Interessant ist vielmehr ein anderer Aspekt: der Hausbesitzer hat schon vor über einem Jahr die Klammerung des Dachs bei Fraport beantragt und die notwendigen Unterlagen vollständig eingereicht, aber passiert ist noch nichts. Er führt das darauf zurück, dass das Dach keine gewöhnliche Konstruktion und die Klammerung daher vermutlich etwas aufwändiger ist als üblich. Da Fraport aber verpflichtet ist, alle Dächer unabhängig von ihrer Konstruktion zu sichern, können sie den Antrag nicht ablehnen, bisher aber offensichtlich verzögern. Ob das nun noch weiter möglich sein wird, darf man bezweifeln.
Dazu passt die Meldung, dass auch durchgeführte Dachsicherungen offenbar Mängel aufweisen. Zwar betrifft es natürlich nur 'einige wenige' Dächer, es handele sich um "eine Zahl im unteren zweistelligen Bereich" (also ca. 99), aber immerhin musste Fraport auch schon im Dezember 2015 etliche Dächer nachbessern lassen, weil dort falsche Klammern zum Einsatz kamen. Diesmal sollen die beauftragten Firmen gepfuscht haben. Das so etwas passieren kann, obwohl "es nach jeder Dachklammerung eine Kontrolle durch Fraport-Dachdecker oder vereidigte Gutachter gebe", wie der Fraport-Sprecher behauptet, bleibt rätselhaft. Aber solche Sprüche kennt man ja auch von der Beurteilung von Wirbelschleppen-Schäden, wo sie nachweislich völliger Unsinn sind.
Nicht immer bleibt die Wirkung von Wirbelscheppen so begrenzt. Wie deutsche Medien, wie z.B.
Der Spiegel oder
Die Welt/N24, mit einiger Verspätung berichten, hat es im Januar über der Arabischen See einen schweren Wirbelschleppen-Unfall gegeben. Die technischen Hintergründe, soweit bisher bekannt, erläutert der
Aviation Herald.
Danach ist ein kleineres Flugzeug mit neun Insassen in die Wirbelschleppe eines A380 geraten, der ca. 300 Meter höher flog (1.000 Fuss, der übliche Abstand zwischen zwei 'Flight Level'), und dabei dermassen durchgerüttelt worden, dass es erst nach ca. 3.000 Meter unkontrolliertem Sinkflug wieder stabilisiert werden konnte, notlanden musste und anschließend nicht mehr flugfähig war. Mehrere Personen an Bord wurden verletzt, und wenn die Piloten nicht fit gewesen wären, hätte keiner der Neun überlebt. Die Flugsicherung zieht daraus den Schluss, dass die bisherigen Einschätzungen der Gefährdung durch Wirbelschleppen unzureichend waren und die Sicherheitsvorkehrungen verbessert werden müssen.
Das ist eine Mischung der Titel zweier Fraport-Broschüren, die leider nichts miteinander zu tun haben. Das eine ist der Lufthygienische Jahresbericht, das andere ein Infoblatt über UFP.
10.03.2017
Auch zur Luftqualität am Flughafen berichtet Fraport einmal im Jahr, und im Gegensatz zum Schallschutzbericht können sie hier richtig nette Ergebnisse vorlegen: fast alle Grenzwerte werden eingehalten, selbst wenn sie für Flughäfen garnicht gelten, die Luft ist sauberer als in den umliegenden Städten. Das Problem ist nur: die kritischen Schadstoffe müssen sie nicht messen, und sie tun es daher auch nicht.
Die Schadstoff-Klasse, für die der Flughafen eine sehr relevante Quelle ist, sind die ultrafeinen Partikel. Auch moderne Triebwerke "rußen", aber die Rußteilchen sind im Gegensatz zu früher deutlich kleiner und nicht mehr sichtbar. Dafür sind es wesentlich mehr Teilchen, die leichter eingeatmet werden können, und sie transportieren dabei auch noch andere Verbrennungsprodukte bis ins Blut und sogar ins Gehirn.
Ganz aktuell wurde die Belastung durch solche Partikel auch am Münchner Flughafen nachgewiesen, aber der reagiert genau wie Fraport: sie sind nicht gesetzlich verpflichtet, diese Teilchen zu messen, also tun sie es auch nicht. Dabei wird immer mehr deutlich, wie groß die
Gesundheitsgefahren durch solche Teilchen tatsächlich sind.
Interessanter Weise führt das Europabüro des Regionalverband Frankfurt-Rhein-Main, das den Verband in der 'Airport Regions Conference' repräsentiert, demnächst in Brüssel eine Veranstaltung zu Ultrafeinstaub in Flughafenregionen durch. Ob wir wohl hier auch mal erfahren, was dabei herauskommt?
Dass die am Flughafen tatsächlich gemessenen Schadstoffe allesamt unproblematisch erscheinen, überrascht dagegen nicht. Entweder sind sie aufgrund allgemeiner Reduktionsmaßnahmen im Laufe der Jahre niedriger geworden (wie Schwefeldioxid), oder sie können an den Meßstellen garnicht gehäuft auftreten, weil sie dort nicht ankommen und/oder sich schnell mit der allgemeinen Belastung vermischen. Wie hoch der Anteil des Flughafens an kritischen Schadstoffen wie den Stickoxiden, die weiträumig die gesundheitlich unbedenklichen Werte überschreiten, tatsächlich ist, läßt sich so gut verschleiern.
Eins kann man daraus lernen: das Gerede von "unternehmerischer Verantwortung" und "nachhaltigem Handeln" darf man in Bezug auf Fraport und andere Flughafen-Betreiber getrost vergessen. Wenn sie nicht durch konsequente gesetzliche Regulierung gezwungen werden, tun sie für den Schutz von Gesundheit und Umwelt nichts.
08.03.2017
FLK-Dokumente sind in der Regel deutlich inhaltsreicher als Fraport-Pamphlete (s. unten), weswegen es manchmal etwas länger dauert, sie zu bewerten. In ihrer letzten Sitzung am 22.2.2017 hat die FLK ein solches Dokument beschlossen: ein Positionspapier zu "Aktuelle[n] Anforderungen an einen verbesserten Schutz vor Fluglärm". In ihrer Pressemitteilung schreibt die FLK dazu:
"Die Kommission appelliert darin an die Bundesregierung, das im Jahr 2013 mit Abschluss des Koalitionsvertrages selbst erkannte Schutzdefizit der Fluglärmbetroffenen endlich zu beseitigen und die (vor allem bundes-)gesetzlichen Grundlagen zu verbessern.
Hauptaugenmerk sollte dabei auf verbindlichen Vorgaben für aktiven Schallschutz, also für die Reduzierung des Lärms an der Quelle, liegen.
„Ein Vorrang des aktiven Schallschutzes vor passiven Maßnahmen, ein allgemeines Lärmminimierungsgebot und Lärmgrenzwerte sind seit langem überfällig. Alle mit der Materie befassten Wissenschaftler zeigen seit Jahren auf, dass eklatante Schutzlücken zu Lasten der Fluglärmbetroffenen bestehen. Das bisherige Konzept, schädlichem Fluglärm vor allem mit passivem Schallschutz entgegenzuwirken, kann die Bevölkerung nicht hinreichend vor den nachgewiesenen gesundheitlichen Risiken schützen. Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung für einen vorsorgenden Gesundheitsschutz jetzt endlich gerecht werden und darf sich nicht wieder von den Beteuerungen und Versprechungen der Luftverkehrswirtschaft beruhigen lassen“, begründete der Vorsitzende der Kommission, der Raunheimer Bürgermeister Thomas Jühe, die wichtigsten Forderungen der Kommission."
Anlass für das Papier ist wohl vor allem die anstehende Evaluation des Fluglärmschutzgesetzes, zu der das Umweltbundesamt in der Sitzung auch den aktuellen Sachstand präsentiert hat. Es wurde "mit großer Mehrheit" verabschiedet - man darf vermuten, dass die Vertreter der Luftverkehrswirtschaft die Minderheit bildeten, die nicht einverstanden war. Fraport hatte schon im Vorfeld Kritik geübt, aber sich bereits damit abgefunden, dass die nur zu Protokoll genommen wird. Entsprechend ist sie auch selbst für Fraport-Verhältnisse erschreckend dumm und fachlich nicht haltbar. Auch die 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm', die in der FLK die Interessen der Fluglärm-Gegner vertreten soll, hat einen Änderungsantrag vorgelegt, aber der ist leider so lieblos und offensichtlich extrem kurzfristig zusammen gehauen, dass man selbst bei bestem Willen Mühe hat, herauszufinden, wo die Unterschiede liegen und was damit gemeint sein sollte.
Insgesamt ist das Papier überwiegend positiv zu bewerten. Zwar hat es in vielen Punkten (trotz Ablehnung der Hardliner) immer noch Kompromiss-Charakter, und teilweise sind die Forderungen recht zurückhaltend formuliert (z.B. "Verbesserung des gesetzlichen Schutzniveaus in der gesetzlichen Nacht mit dem Ziel, in sehr dicht besiedelten Gebieten und an besonders lärmsensiblen Standorten die Zahl nächtlicher Flugbewegungen kontinuierlich abzusenken und perspektivisch ganz in den Tagzeitraum zu verlagern" statt "Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr"), aber es greift die wichtigsten Punkte auf und fordert deutliche Verbesserungen. Solange die Fluglärmgegner nicht wesentlich mehr öffentlichen Druck hinter ihren Forderungen mobilisieren können, können sie nichts Besseres erwarten.
Das UBA wird die Anregungen für die Evaluation des Fluglärmschutzgesetzes wohl aufgreifen und in den Bericht aufnehmen, den es Ende Mai vorlegen soll. Ob davon dann im Bericht des Bundesumweltministeriums und der nachfolgenden Ressort-Abstimmung im Kabinett noch etwas übrig bleibt, was dann auch noch durch den Bundestag kommen müsste, bleibt abzuwarten. Allzu viel Hoffnung sollte man bei den derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnissen nicht haben.
Das ist die Fälschung, das Original findet sich
hier.
Wer den Fehler findet, darf ihn behalten.
07.03.2017
Am 07.03. hat Fraport mal wieder den halbjährlich erscheinenden Bericht zum Schallschutz vorgelegt, diesmal für den Sommer 2016. Bemerkenswert daran ist eigentlich nur, dass es Fraport immer schlechter gelingt, zu vertuschen, wie wirkungslos die angeblichen Maßnahmen zur Lärmreduzierung de facto sind.
Das beginnt schon damit, dass das zuständige Fraport-Vorstandsmitglied, Frau Giesen, im Vorwort freundlich lächelnd als Erfolg verkündet, "dass wir die Fluglärmbelastungen in weiten Teilen deutlich geringer als für den Ausbaufall prognostiziert halten konnten". Man glaubt es kaum: die tatsächliche Zahl der Flugbewegungen ist meilenweit von den völlig überhöhten Ausbau-Prognosen entfernt, und die Fluglärmbelastung ist "geringer als ... prognostiziert", aber nicht mal ganz, sondern nur "in weiten Teilen"!
Daraus muss man ja dann wohl schliessen, dass, wären die Prognosen wahr geworden, es jetzt schon lauter wäre "als prognostiziert" - und dass genau das passieren wird, falls die Flugbewegungen doch wieder steigen.
Und so geht es weiter. Die Zahl der Flugbewegungen ist im Vergleich zum Sommer 2015 laut Bericht um 2,5% zurückgegangen (tags um 3%, nachts garnicht), aber laut Fraport-Messungen ist es dadurch nirgendwo leiser geworden. Im Gegenteil weist die Tabelle auf S.9 für einige Meßstationen im Norden und Osten Anstiege der "Fluggeräusche" (Lärm darf man das wohl nicht mehr nennen) um 1 dB(A) aus - angeblich wetterbedingt, aber eine plausible Erklärung dafür wird nicht gegeben. Frau Giesen behauptet zwar im Vorwort, dass "der Bericht Auskunft gibt" über "Sondersituationen" wie
"zum Beispiel am 22. Juli",
aber dazu finden man auf den kümmerlichen acht Seiten natürlich nichts.
Der Trend ist allerdings eindeutig: die Zahl der Flugbewegungen wird kleiner, der Lärm stagniert oder wächst - sollten nicht die Flugzeuge "immer leiser" werden und weniger davon dann auch deutlich weniger Lärm machen?
Auf S.10/11 nochmal das gleiche Spiel: die Konturen der 'Schutzzonen', die für 701.000 Flugbewegungen pro Jahr berechnet wurden, werden mit denen verglichen, die bei derzeit 463.000 Bewegungen (66%) erreicht werden, und siehe da: Letztere sind fast überall kleiner. Aber eben nur fast: im Bereich Eddersheim beult die aktuelle Kontur Tag und Nacht über die 'Schutzzone' hinaus aus, und auch in der Mitte Offenbachs ist es nachts jetzt schon lauter als für den Ausbau prognostiziert. Schuld sind die stärkere Nutzung der Nordwestabflugroute (wegen der verkorksten Südumfliegung) und die 'Lärmpausen' (die ja eigentlich eine Entlastung bringen sollten).
Und zur Verhöhnung der aktuell stärker Belasteten lauten die Zwischenüberschriften dieses Kapitels "Fluglärmbelastung überwiegend deutlich geringer als prognostiziert" und "Lärmpausenkonzept bildet sich in der Nachtkontur ab". Wer den Schaden hat ...
Und so ist es denn auch das einzige Verdienst dieses Berichts, deutlich zu machen, was von dem "immer leiser"-Geschwätz der (un)verantwortlichen Politiker zu halten ist. Schon unter beinahe optimalen Randbedingungen wird es damit nichts, und wenn Fraport mit ihrer neuen Strategie zur künstlichen Generierung von Wachstum Erfolg hat, ist absehbar, dass es noch deutlich lauter werden wird. Wer mehr Ruhe haben will, muss das Geschäftsmodell der Fraport gründlich verändern.
24.02.2017
Nachdem letzte Woche sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch Monitor darauf hingewiesen hatten, dass auch Fraport das Steuerparadies Malta nutzt, um eine Reihe von internationalen Aktivitäten 'kostengünstiger' abwickeln zu können, fand diese Woche auf Antrag der Linksfraktion eine Aktuelle Stunde zum Thema "Auch FRAPORT 'flie(h)gt' ins Steuerparadies Malta" statt. Die Reden liegen noch nicht vor, aber man kann sich die Videos dazu ansehen. Die Frankfurter Rundschau fasst die Debatte zusammen:
"Linke, SPD und Grüne sehen ein Steuersparmodell des Flughafenbetreibers Fraport kritisch. Dieses sei zwar legal,
aber für ein Unternehmen mit mehrheitlich öffentlichen Eigentümern nicht legitim."
Weiter geht der Konsens allerdings nicht, denn während die Linke fordert, diese Praxis zu beenden und diese und ähnliche Tochterfirmen Fraports zu schliessen, verweisen SPD und Grüne auf die 'internationale Wettbewerbssituation', die es erforderlich mache, das Problem mindestens europaweit, besser noch global zu lösen, um die Konkurrenzsituation der Fraport nicht zu gefährden.
Die CDU hat mit der Legitimität der Fraport-Aktivitäten gar kein Problem und verweist noch selbst auf die
Antwort, die die Vorgänger-Regierung auf eine ähnliche Anfrage des Abgeordneten Kaufmann (Grüne, damals noch Opposition, heute Fraport-Aufsichtsrat) gegeben hatte. Die liest sich nicht nur wie eine Rechtfertigung der Fraport selbst: gegen Ende wurde beim Redigieren des Textes an einer Stelle übersehen, den Bezug zu korrigieren, weswegen von "unserem Konsortialpartner" die Rede ist, wo der der Fraport gemeint ist. Offensichtlich waren die Fragen der Fraport vorgelegt und die Antworten 1:1 übernommen worden.
Die FDP hat gleich noch einen radikaleren Vorschlag: Fraport solle doch besser ganz privatisiert werden, dann könne sie wie jeder andere Konzern Steuern legal und legitim hinterziehen.
Und auch bei den 'regulären' Auslandsakitivitäten der Fraport gibt es wieder Ärger. Konnten sie sich Anfang des Monats noch über die Sicherstellung der Finanzierung der Übernahme der griechischen Regionalflughäfen freuen - auch hier vermutlich wieder mit freundlicher Unterstützung der EU-Institutionen - droht in Griechenland selbst schon wieder neuer Ärger. Irgend ein subalterner Mitarbeiter in irgend einem Ministerium hat immer noch nicht begriffen, wie diese Angelegenheit geregelt wird, und ist auf die absurde Idee gekommen, dass ein Flughafenbetreiber für die Bereitstellung eines Erste Hilfe Service an seinem Flughafen bezahlen sollte. Ob solche Versuche eines fast bankrotten Staates, Einnahmen zu generieren, zu deren Verzicht er vertraglich gezwungen wurde, den geplanten Übergabetermin Mitte März aber wirklich noch gefährden können, bleibt abzuwarten.
Bei so viel politischer Unterstützung hat Fraport natürlich auch keine Hemmungen, die neue Billig-Strategie weiter voran zu treiben und dafür auch über einen Zwischen-Ausbauschritt nachzudenken. Wie die Wirtschaftswoche meldet, geht Fraport davon aus, dass neue Terminal-Kapazitäten schneller als gedacht gebraucht werden, da die Anwerbung von Billigfliegern so erfolgreich verläuft. Fraport dementiert allerdings, dass die das schöne neue Luxusterminal 3 verunzieren sollen, vielmehr werde über schnell zu realisierende Billig-Ausbauten nachgedacht. Dagegen gibt es natürlich prompt Protest.
Es war passender Weise Faschingsdienstag, als die oberste Clownsmaske von Ryanair die neuen
Planungen für den Winterflugplan vorstellte. Hinter der infantil-clownesken Darstellung steht allerdings eine knallharte Strategie: Ryanair tritt zum Verdrängungswettbewerb an den großen Flughäfen, insbesondere FRA, an, und möchte sich neue Marktanteile auch im Geschäftskundenverkehr erobern. Mit fünf zusätzlichen Fliegern, 20 neuen Strecken ab Frankfurt und absurden Kampfpreisen soll u.a. Lufthansa unter Druck gesetzt werden.
Dabei bleiben natürlich Wachstumshoffnungen anderswo auf der Strecke, denn dieser Hahnenkampf führt natürlich nicht dazu, dass die Nachfrage nach Flügen nachhaltig steigt. Auch Ryanair hat Grenzen und stagniert an anderen Standorten, was aber chinesische Investoren, die
ganz eigene Pläne haben, nicht davon abhält, z.B. den Regionalflughafen
Frankfurt-Hahn kaufen zu wollen. Ganz reibungslos geht das aber anscheinend wieder nicht über die Bühne.
Auch die europäischen Banken sind nett zu Fraport. Nachdem sie schon die Finanzierung der Übernahme der griechischen Regionalflughäfen sichergestellt haben, wollen sie nun auch ihren Teil zur
Finanzierung von Terminal 3 beitragen. "Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellt der Fraport AG einen Kredit in Höhe von 400 Millionen Euro zur Verfügung. Die Gelder sind vorgesehen, um im Zuge der Erweiterung des Frankfurter Flughafens den ersten Bauabschnitt des neuen Terminals 3 zu finanzieren", teilt die EIB mit. Terminal 3 sei "eines der Kernprojekte zum Ausbau der transeuropäischen Netze im Transportsektor".
Auf ihrer Webseite erklärt die EIB auch, dass die von ihr finanzierten Projekte "strengen technischen, ökologischen und sozialen Anforderungen genügen" müssen und "dass Klimaschutzaspekte bei allen Aktivitäten berücksichtigt werden" sollen. Wie das zusammen passen soll, erklären sie natürlich nicht.
Unmittelbar vor dem nächsten möglichen Termin der Übernahme der 14 griechischen Flughäfen durch Fraport (der 15.03.) gehen die Proteste im Lande weiter. Am Flughafen Chania auf Kreta gab es am 12.03. eine große Demo unter der Forderung, den Flughafen weiter als staatliches Unternehmen zu betreiben. Zugleich werden weitere Details zur Finanzierung bekannt und kursieren Gerüchte über die Absicht der Fraport, Preise zu erhöhen.
Gleichzeitig meldet Reuters, dass Fraport auch zu den Interessenten für den Betrieb von vier brasilianischen Flughäfen gehört, die diese Woche privatisiert werden sollen.
Fraport kann
stolz vermelden, dass sie in Brasilien in der Hälfte der Fälle Erfolg hatten und zwei der vier angebotenen Flughäfen übernehmen dürfen. Ob das allerdings wirklich ein gutes Geschäft wird, bleibt abzuwarten: zum einen hat die brasilianische Regierung bei der Auktion mehr eingenommen als erwartet, zum anderen steigt die Verschuldung des Konzerns dadurch unter Umständen erheblich.
In Griechenland dagegen ist der geplante Übernahmetermin 15.03. definitiv geplatzt. Während deutsche Medien angesichts des
hinhaltenden Widerstands griechischer Behörden mit Prognosen vorsichtig sind, gehen griechische Quellen davon aus, dass die Übernahme 'über Ostern' kommen wird. Sie weisen dabei darauf hin, dass auch da faule Eier dabei sein können. Die Übernahme von 14 Flughäfen 'über Nacht' verspreche "eine der herausfordernsten Übungen in der Geschichte von Flughäfen" zu werden, zumal dies dann auch noch in die beginnende Feriensaison falle. Fraport ist optimistisch, dass alles klappt.
Zuhause hat Fraport weiter Ärger mit seinem Hauptkunden. Lufthansa droht mit Klage, wenn sie nicht vergleichbare Entgelt-Konditionen wie Ryanair bekommt und mindestens 30 Mill. Euro an Gebühren einsparen kann. Auch könnten Flüge nach München oder Düsseldorf verlegt werden. Allerdings stossen die aktuellen Expansionspläne dieser beiden Flughäfen (3. Bahn in München, Aufhebung von Kapazitätsbegrenzungen in Düsseldorf) auf heftigen Widerstand der Anwohner. Aber auch wenn wir gerne weniger Flüge in Frankfurt hätten - wir wünschen den Ausbaugegnern in München und Düsseldorf weiterhin viel Erfolg, denn es geht darum, den Wachstums-Wahnsinn der Luftverkehrswirtschaft generell zu begrenzen.
Die EU möchte weiter im Steigflug bleiben, auch wenn die Atmosphäre nicht mehr trägt.
20.02.2017
In der dritten Entscheidung aus der letzten Sitzungswoche, die mit dem Luftverkehr zu tun hat, stimmte das EU-Parlament dem Vorschlag der Kommission für eine neue
Luftverkehrsstrategie weitgehend zu. Der Grüne Michael Cramer, bis vor Kurzem Vorsitzender des EP-Verkehrsausschuss, fasst das Ergebnis in seiner
Pressemeldung so zusammen:
"Die heutige Entscheidung gibt der EU-Kommission einen Freifahrtschein für die Förderung der Luftverkehrswirtschaft und ignoriert dabei weiterhin die erschütternden Auswirkungen auf die Umwelt."
Die Luftverkehrslobby hatte bereits im Vorfeld gründlich gearbeitet, und die meisten Veränderungsvorschläge, selbst wenn sie im Umwelt- oder Sozialausschuss nahezu einstimmig beschlossen wurden, schafften es nicht einmal in die Vorlage des federführenden Verkehrsausschuss, geschweige denn in den endgültigen Beschluss. Der liest sich in der Tat wie ein Förderungsprogramm zum Ausbau des Luftverkehrs aus der Feder der Lobbyverbände.
Es fällt schwer, in diesem Text irgend etwas Positives zu finden. Das Parlament bleibt hier deutlich hinter seinem sonstigen Anspruch zurück, selbst hinter dem nahezu gleichzeitig gefassten Beschluss zum Emissionshandel (siehe Nachricht unten). Selbst der zunächst positiv klingende Absatz
"32. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die seit Juni 2016 geltenden neuen Verfahren zu überwachen, die darauf ausgerichtet sind, die Belastung durch Lärm und ultrafeine Partikel aus Abgasemissionen von in der Nähe von Städten und Ballungsgebieten startenden Flugzeugen zu senken, und so die Lebens- und vor allem die Luftqualität verbessern sollen;"
ist letztendlich nur ein Beweis dafür, wie wenig Mühe sich die Abgeordneten mit dem Text gegeben haben. Es gibt keine "neuen Verfahren ... , die darauf ausgerichtet sind, die Belastung durch ... ultrafeine Partikel ... zu senken", die beziehen sich ausschliesslich auf den Lärm (wobei ausgerechnet die sog. Betriebsbeschränkungsverordnung gemeint ist, die absolut nichts dazu beiträgt, "... die Belastung durch Lärm ... zu senken"), und das Ganze steht ohnehin schon in der Mitteilung der Kommission.
Da bleiben als positive Aspekte nur noch einige Aussagen im letzten Teil des Beschlusses, der sog. 'Sozialagenda zur Luftfahrtstrategie', wie die Verteidigung des Streikrechts und des Rechts auf Bildung von Gewerkschaften und anderer Arbeitsrechts-Normen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, aber von Ryanair & Co missachtet oder unter Beschuss genommen werden.
Alles in allem also nichts Gutes, was da aktuell aus Europa kommt. Es wird höchste Zeit, dass die EU ihren Kurs korrigiert und an alte Traditionen anknüpft aus der Zeit, als Europa noch Vorreiter im Umwelt- und Klimaschutz war. Da ist es ein erstes positives Zeichen, dass der ultra-neoliberale Kommissionsvorsitzende Juncker nicht nochmal kandidieren will, auch wenn er
nicht sofort zurücktritt. Wirkliche Veränderungen aber erfordern einen gründlichen Wandel in allen EU-Institutionen.
Die europäischen Airlines erhöhen auch sofort wieder den Druck auf die EU-Kommission, um ihre eigene Marktposition zu sichern und Konkurrenten möglichst klein zu halten. Diese Forderung nach Sanktionen gegen angeblich unfair staatlich subventionierte Airlines wird seit Jahren erhoben, aber die Kommission bleibt hier weiter sehr zögerlich. Manchmal übertrumpft das Freihandels-Dogma sogar konkrete Interessen wichtiger wirtschaftlicher Akteure.
Das erledigt jetzt die EU selbst ...
19.02.2017
Das EU-Parlament hat vergangene Woche auch über die Änderungen am EU-Emissionshandelssystem EU-ETS abgestimmt. Dieses System, das eigentlich das Hauptinstrument zur Durchsetzung der Klimaziele der EU sein sollte, ist schon seit Jahren weitgehend funktionsunfähig, da der Markt mit Zertifikaten überschwemmt ist und der Zertifikatspreis keinerlei Anreiz zur Emissionseinsparung liefert. Der Umweltausschuss des Parlaments hatte Ende letzten Jahres Vorschläge gemacht, die die Situation deutlich hätten verbessern können. Das Plenum ist diesen Vorschlägen in entscheidenden Punkten nicht gefolgt.
Dem gefassten
Beschluss fehlen die wesentlichen Elemente, die die Wirksamkeit des ETS hätten verbessern können. Weder wird die Anzahl der Zertifikate im Markt genügend reduziert, noch sinkt die Obergrenze der erlaubten Emissionen auch nur annährend gemäß dem, was das Pariser Abkommen erfordern würde. Entsprechend wird der Beschluss selbst von den meisten Fraktionen, die ihn mitgetragen haben,
als schwach eingeschätzt.
Da hilft es auch nur wenig, dass die Anforderungen an die Emissionen aus dem Luftverkehr
verschärft wurden und sowohl die Obergrenze als auch die Menge der kostenlosen Zertifikate reduziert wurde. Wenn der Emissionshandel generell nicht funktioniert und die Zertifikate billig bleiben, helfen auch schärfere Rahmenbedingungen für einzelne Sektoren nichts.
Dazu kommt, dass die Luftverkehrswirtschaft bereits eine massive Kampagne startet, mit dem Hinweis auf das von der ICAO vorgeschlagene, völlig unzureichende Kompensationssystem CORSIA den Luftverkehr ganz aus dem ETS heraus zu nehmen. Umweltorganisationen weisen in einem
Brief an den IATA-Generalsekretär, der in dieser Hinsicht besonders aktiv ist, darauf hin, dass dadurch die Reduzierungs-Auflagen für den Luftverkehr, die ohnehin schon zu gering sind, nochmals um 75% gesenkt würden.
Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass diese Kampagne Erfolg hat. Der
Vorschlag der EU-Kommission, internationale Flüge auch weiterhin aus dem ETS heraus zu nehmen, findet bei Parlamentariern der rechten Fraktionen bereits Zustimmung. Die Bereitschaft, noch weiter zu gehen und den Luftverkehr ganz aus dem ETS heraus zu nehmen, dürfte dort auch vorhanden sein.
Zudem entscheidet das EU-Parlament auch nicht allein darüber. Die Beschlüsse des Parlaments sind nicht mehr als ein Input für das sog. Trilog-Verfahren, in dem Parlament, Ministerrat und Kommission einen Kompromiss finden müssen. Der Ministerrat wird seine Position vermutlich am 28.02. festlegen. Wann dann ein endgültiges Ergebnis feststehen wird, ist offen. Wie es aussehen wird, erst recht.
Tatsächlich hat sich der Umwelt-Ministerrat am 28.02. auf einen Kompromiss einigen können. Die Verhandlungen waren offenbar schwierig und dauerten lange, aber letztendlich gab es einen Kompromiss zwischen den Mitgliedsstaaten, die etwas höhere Ambitionen durchsetzen wollten, und denen, die primär die Interessen der Wirtschaft im Auge hatten. Die Hardcore-Kohle-Fans wurden überstimmt. Deutschland spielte dabei keine rühmliche Rolle, und das Ergebnis bleibt weit hinter den Anforderungen und auch hinter der Position des Parlaments zurück. Insbesondere zum Luftverkehr hat der Ministerrat die Position der Kommission übernommen und hier garnichts gesagt, weil das in einem getrennten Verfahren entschieden werden soll.
Nach und nach werden weitere Details und Einschätzungen zum Beschluss der Umweltminister bekannt. So sind selbst EU-Insider, darunter der zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, überrascht, dass überhaupt ein Kompromiss zustande kam. Da Mr. Duncan in dieser Rolle auch Verhandlungsführer des Parlaments in den nun anstehenden 'Trialog'-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission sein wird, lässt seine positive Einschätzung des Beschlusses vermuten, dass die Bereitschaft zur Einigung groß ist. Zwar weist er auf noch bestehende Unterschiede in den Positionen hin, erwähnt dabei aber interessanter Weise nicht die deutlich unterschiedliche Behandlung des Luftverkehrs.
Auch einige NGOs kommen zu dem Ergebnis, dass der Beschluss zwar unzureichend, aber immer noch
besser als erwartet ausgefallen ist.
Dafür sind die Hardliner unter den Mitgliedsstaaten so verärgert, dass sie unter Führung Polens sogar versuchen, die Rechtmäßigkeit des Beschlusses
in Zweifel zu ziehen. Ob sie damit weitere Zugeständnisse erzwingen können, bleibt abzuwarten.
Und schließlich stellt sich heraus, dass der Luftverkehr in den Diskussionen des Ministerrates doch eine Rolle gespielt hat, wenn auch nur unter 'Sonstiges'. Im Video-Mitschnitt des öffentlichen Teils der Sitzung kann man sich einen Bericht von Klima-Kommissar Cañete anhören, in dem er von den Fortschritten bei ICAO berichtet und dies dazu nutzt, für die Position der Kommission zu werben, die internationale Flüge auch weiterhin aus dem ETS herausnehmen will. Allerdings hatte er nichts Neues zur Begründung zu sagen. Weder sind bisher Details über die geplante Arbeitsweise des ICAO-Systems CORSIA offengelegt worden, noch ist klarer geworden, welche Staaten sich überhaupt ab 2021 an diesem System beteiligen werden. Lediglich dass die Verhandlungen "herausfordernd" seien, wußte er mitzuteilen, mit anderen Worten: es wird weiter darum gekämpft, die ohnehin schon schwachen Vorgaben der letzten ICAO-Generalversammlung noch weiter zu verwässern.
16.02.2017
Am 15.02. hat das EU-Parlament dem EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA zugestimmt. Damit können wesentliche Teile des Abkommens nach Ratifizierung durch das kanadische Parlament voraussichtlich ab April 2017 in Kraft treten.
Die Mehrheit von fast 60% war Ergebnis der weiter bestehenden 'großen Koalition' im EP, wobei einerseits auf der 'Ja'-Seite auch die Liberalen mitstimmten, während durch die Fraktion der Sozialdemokraten
ein deutlicher Riss ging. Von den SPD-MEPs haben sich allerdings nur fünf gegen CETA ausgesprochen, drei enthielten sich.
Damit hat das Abkommen eine wichtige, aber noch nicht alle Hürden genommen. Damit es vollständig in Kraft treten kann, müssen noch in 27 Mitgliedstaaten nationale und teilweise auch regionale Parlamente zustimmen, in einigen Ländern wären auch noch Referenden möglich. Darin stecken durchaus Gefahren. So weist die EP-Fraktion der Linken darauf hin, dass die von der Wallonie vor der Abstimmung im Ministerrat ausgehandelten Bedingungen nicht erfüllt sind. Der wallonische Ministerpräsident selbst hat bisher allerdings nur (ganz modern, auf Twitter) daran erinnert, dass seine Zustimmung notwendig ist.
In Deutschland werden Bundestag und Bundesrat damit befasst. Je nachdem, wie das Zustimmungsgesetz formuliert wird, wäre im Bundesrat eine Ablehnung möglich, wenn Grüne und Linke bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben und alle Landesregierungen, an denen sie beteiligt sind, CETA daher nicht zustimmen können. Leider gibt es bei den Grünen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und gerade auch in Hessen Zweifel, ob sie wirklich dabei bleiben. Minister Al-Wazir hatte noch beim Bundesparteitag der Grünen in Münster versucht, eine Festlegung auf eine Ablehnung zu verhindern. Zudem stehen vor einer Abstimmung über CETA noch bis zu drei Landtagswahlen an, die die Mehrheitsverhältnisse ändern können.
Die EU-Kommission feiert sich für den Erfolg und das ach so demokratische Verfahren, das die Ablehnung dieser Art von Freihandelsabkommen in vielen Teilen der Zivilbevölkerung weitgehend ausgeblendet und unterdrückt hat. So ignoriert sie nach wie vor die inzwischen über 3,5 Millionen Unterschriften gegen TTIP und CETA, die vor der Parlamentssitzung symbolisch nochmal übergeben wurden. Die zuständige Kommissarin Malmström kündigt gleich noch an, dass es so schnell wie möglich mit ähnlichen Abkommen mit Mexiko und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur weitergehen soll.
Das Ganze wird auch noch verkauft als Alternative zum Protektionismus der neuen US-Regierung unter Trump. Völlig zu Recht weist aber selbst der Kommentator der FR darauf hin, dass "das Gegenteil der Fall" ist und die Weiterführung der bisherigen neoliberalen Politik die Bevölkerungen noch mehr gegen die EU aufbringt. Völlig absurd wird es, wenn
der Chef-Lobbyist des ISDS-Firmen-Netzwerks den Initiativen gegen TTIP und CETA vorwirft, mit Trump unter einer Decke zu stecken und sich dabei auch noch zu bereichern. Sein Beleg: sie haben während der Kampagne an MitarbeiterInnen und Mitgliedern zugenommen! Daraus leitet er die Forderung ab, dass die EU und Ihre Mitgliedsstaaten "die finanzielle und politische Unterstützung dieser Gruppen" sofort stoppen müssten. Namentlich tauchen in seinen Tiraden u.a. Mehr Demokratie, foodwatch, BUND, ATTAC, Campact, Forum Umwelt sowie "verschiedene kirchliche und Umwelt-Gruppen" auf.
Wer sich von Menschen mit einem derartigen Rechts- und Demokratie-Verständnis repräsentieren lässt, sollte eigentlich jeden Anspruch verloren haben, in der Rechtspflege tätig sein zu dürfen. Dennoch nimmt dieser Laden für sich in Anspruch, für "die höchsten Standards für den Schutz aller europäischen Investoren und ihren ausländischen Investitionen" sorgen zu wollen, und hat eine Reihe von prominenten Mitgliedern, die damit ihr Geld verdienen.
Was die Wirtschaft nun erwartet, hat einer ihrer dreisteren Lobbyisten schon vor Jahren verkündet: Mit Hilfe der
regulatorischen Kooperation soll die EU-Gesetzgebung zum Schutz von Gesundheit und Umwelt
aufgerollt werden. Das man dazu die derzeit noch fehlenden Bestimmungen zum 'Investitionsschutz' nicht unbedingt braucht, beweisen gerade die Chemie-Konzerne Bayer, BASF und Syngenta mit
ihrer Klage gegen die EU-Kommission wegen des teilweisen Verbots bestimmter Pestizide. Sie hätten "eine Zulassung für ihre Pestizide erhalten und im Vertrauen darauf in ihre Produktion investiert". Durch das Verbot seien ihnen und den betroffenen Bauern Schäden in Milliarden-Höhe entstanden und die Umwelt schwer geschädigt worden. Die Klage richtet sich allerdings nicht gegen die angeblichen Umweltschäden (zu denen auch Rodungen in den Tropen und Subtropen gerechnet werden, die angeblich durch den Bann notwendig wurden), sondern auf die Verletzung des 'Vertrauensschutzes' für ihre Investitionen. Da soll es dann keine Rolle spielen dürfen, dass diese Pestizide nicht nur ein massives Bienensterben bewirkt haben, sondern auch zu massiven Schäden bei einer Vielzahl anderer Insekten führen und deren Bestand gefährden.
Dies ist ein weiteres Beispiel für die völlige Verantwortungslosigkeit großer Konzerne, denen mit den neuen Freihandelsabkommen noch weitere Mittel in die Hand gegeben werden sollen, ihre Investitionen vor der Gefährdung durch den Gesundheits- und Umweltschutz zu schützen. Wie das funktionieren soll, hat eine
ausführliche juristische Studie in Bezug auf TTIP gezeigt. CETA wird ähnlich wirken.
Die nächste Hürde für CETA könnte eine juristische sein. Über 100 Abgeordnete des französischen Parlaments haben
beim französischen Verfassungsrat beantragt, den Vertrag für verfassungswidrig zu erklären.
Die europäische NGO 'Corporate Europe Observatory' zeigt an einem weiteren Beispiel auf, wie problematisch die Investitionsschutz-Regeln in den Freihandelsabkommen sind. Ein kanadischer Bergbaukonzern, unterstützt von einem US-Hedgefonds, verklagt Rumänien auf entgangene Gewinne, weil Parlament und Gerichte nach heftigsten Protesten der Bevölkerung ein extrem umwelt- und sozial-schädliches Goldminen-Projekt gestoppt haben. Basis für die Klage ist ein bilateraler Handelsvertrag, den Rumänien mit Kanada geschlossen hat und der ähnliche Regeln für den Investitionsschutz enthält wie CETA. Diese Paralleljustiz erlaubt es den Konzernen, das finanzielle Risiko für den Staat so hoch zu treiben, dass er einen Kompromiss suchen muss, um die Gefahr eines Staatsbankrotts zu vermeiden.
13.02.2017
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 09.02. einen lange geplanten Schritt zum Flughafenausbau für
nicht zulässig erklärt, weil die dadurch bewirkten CO2-Emissionen mit den staatlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht vereinbar sind: die neue Bahn darf nicht gebaut werden.
Eine tolle Nachricht, auch wenn es sich um die dritte Bahn am Flughafen Wien handelt und das Urteil vom Verwaltungsgericht der Republik Österreich gesprochen wurde. Die Urteilsbegründung ist lesenswert und in weiten Teilen auf deutsche Verhältnisse übertragbar.
Österreichische Anti-Ausbau-Aktivisten und deutsche Klimaschützer sind begeistert von dem Urteil, während die FAZ das Ereignis kommentarlos meldet und andere Zeitungen garnichts bringen. Dabei ist das Urteil wirklich bemerkenswert, weil damit erstmals ein Gericht feststellt, dass die in internationalen Verträgen und gesamtstaatlichen Planungen zur Reduktion der CO2-Emissionen bei der Abwägung zwischen unterschiedlichen Interessen bei der Zulassung von Großprojekten nicht nur formal berücksichtigt werden müssen, sondern auch überwiegen können, wenn der negative Effekt eindeutig festgestellt und zu groß ist.
Aber die Auseinandersetzung ist natürlich noch nicht zu Ende. Zwar hat das Gericht keine Revision zugelassen, aber in solchen Fällen gibt es immer eine nächste Instanz. Entsprechend hat der Flughafenbetreiber
angekündigt, "jedes mögliche Rechtsmittel" zu ergreifen, und hat dafür auch breite politische Unterstützung der lokalen wirtschaftlichen und politischen Vertreter. Und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass das Urteil Bestand haben sollte, hätten sie noch eine Hintertür: durch die Wiederaufnahme der lange geplanten, aber bisher nicht realisierten Kooperation mit dem Flughafen Bratislava, der bisher wenig ausgelastet ist, könnten die zusätzlichen Kapazitäten auch in nur 50 km Entfernung realisiert werden.
Trotzdem hat das Urteil Rechtsgeschichte geschrieben - und vielleicht auch den Ausbau so lange verzögert, dass zunehmender Klimawandel und das Platzen des Traums von der ewig wachsenden Nachfrage das ganze Projekt auch wirtschaftlich unsinnig machen.
In einem
Artikel in der österreichischen Tageszeitung 'Der Standard' erklärt ein Wiener Politikwissenschaftler, warum der Gerichtsentscheid aus seiner Sicht von besonderer Bedeutung ist:
"Er lässt erahnen, was passieren müsste, wenn die Politik (und wir alle) den Klimaschutz ernst nehmen würden."
Er ist allerdings ebenfalls skeptisch, dass das passieren wird.
09.02.2017
Europäische Kommission und Umweltbundesamt sind sich einig: die Luftqualität in den meisten Regionen Europas ist nicht gut. Die EU-Kommission hat bei einer Überprüfung der Umsetzung der EU-Vorschriften zur Luftqualität festgestellt, dass 23 Staaten gegen die EU-Standards zur Luftqualität verstossen. Wegen dauerhafter Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub hat sie sog. Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsstaaten eingeleitet - Deutschland beide Male mit dabei.
Das UBA stimmt bei den Stickoxiden zu, weist aber in einer Pressemitteilung darauf hin, dass bei Feinstaub eine Besserung eingetreten sei und nur noch wenige Überschreitungen des EU-Grenzwerts vorkommen, gesteht aber zu, dass der deutlich niederigere Richtwert der Weltgesundheitsorganisation WHO, der rein nach gesundheitlichen Aspekten festgelegt wurde, noch häufig überschritten wird.
Das Problem bei der Feinstaub-Diskussion: beide reden nur von der 'groben' Feinstaub-Fraktion PM10. Was die Belastung durch den Verkehr angeht, wird die aber immer weniger relevant. Je effizienter die Verbrennung in den Motoren wird, desto kleiner werden die Teilchen, die aus dem Auspuff kommen oder unmittelbar dahinter gebildet werden. Die Masse des Problemstoffs Feinstaub (und nur die wird gemessen) nimmt dabei immer weiter ab, die Zahl der Teilchen aber immer stärker zu.
Für die feinere Fraktion PM2.5 gibt es zwar seit Kurzem auch einen Grenzwert (der in Deutschland im Allgemeinen eingehalten wird), hier liegt das Problem aber darin, dass es viel zu wenig Meßstationen gibt, um die Belastung wirklich zu erfassen. Im hessischen Luftmeßnetz z.B. gibt es 36 Stationen, von denen 32 PM10 messen, aber nur 9(!) PM2.5.
Grundsätzlich gilt aber für Feinstaub: die Gefährlichkeit für Mensch und Tier hängt davon ab, woraus er besteht (Motorabgase sind etwas ganz anderes als Sahara-Sand) und in welcher Form die Teilchen vorliegen. Manche Teilchen sind in erster Linie durch ihre Form besonders gefährlich (z.B. Asbest-Fasern), aber in der Regel gilt: je kleiner die Teilchen sind, desto tiefer können sie in die Lunge vordringen. Die kleinsten können von da aus auch ins Blut und andere Organe gelangen und dort Schaden anrichten.
Luftreinhalte-Maßnahmen, die sich primär darauf konzentrieren, die Massenkonzentration von Feinstaub zu reduzieren, um die existierenden Grenzwerte einzuhalten, gehen daher in doppelter Hinsicht am Kern des Problems vorbei: sie zielen auf alle Quellen unabhängig von ihrer Schädlichkeit, und auf den falschen Parameter (die Konzentration in Milligramm pro Kubikzentimeter). Notwendig wäre eine Reduzierung der schädlichsten Emissionen (Verbrennungsprozesse, insb. von fossilen Brennstoffen) und der Partikelanzahlkonzentration (Anzahl Teilchen pro Kubikzentimeter).
Der Luftverkehr trägt erheblich zur Belastung sowohl mit
Stickoxiden als auch mit Feinstaub bei. Ein
Gutachten des "Sachverständigenrat für Umweltfragen" geht davon aus, dass der Luftverkehr in Deutschland ca. 7,5% der Gesamtemissionen an Stickoxiden erzeugt, mehr als Industrie (ohne "Energieerzeugung") oder Landwirtschaft. Fraport geht in den Planfeststellungsunterlagen für den Ausbau davon aus, dass der Flugverkehr für ca. 10% der Stickoxid-Emissionen im Flughafenumfeld verantwortlich ist. Die Messungen des HLNUG können diesen Anteil nicht nachweisen, da der Ausstoß im Vergleich zur Hintergrundbelastung nicht hoch ist und die Gase sich in der Atmosphäre recht schnell vermischen, so dass auch bei Überflügen kein Peak in den Meßwerten auftritt.
Beim Feinstaub ist der Masseanteil der Flugzeug-Emissionen an der Gesamtbelastung wegen der effizienten Verbrennung der Triebwerke noch kleiner. Dafür beträgt die Teilchenanzahl in den Emissionen das mehrere Hundert- bis Tausendfache der Hintergrundbelastung, so dass sich bei entsprechend geringer Überflughöhe (und nicht allzu starkem Wind und Regen) ein deutlich höherer Kurzzeitwert zeigt. Wenn das HLNUG in seinen PM-Messungen keinen Einfluß des Luftverkehrs erkennen kann, besagt das also garnichts: sie messen einfach das Falsche.
Der von den Triebwerken ausgestossene Ultrafeinstaub besteht auch noch überwiegend aus Kohlenstoff-Teilchen (Ruß), an die sich alle möglichen sonstigen Schadstoffe aus der Verbrennung anlagern. Diese werden dann beim Einatmen von den ultrafeinen Partikeln sehr effizient in den Körper transportiert. Die Emissionen aus dem Flugverkehr gehören damit zu den gefährlichsten Arten von Feinstaub, und man kann vermuten, dass sie in überflogenen Wohngebieten und auf dem Flughafengelände selbst die dominierende Quelle dieser Belastung sind.
Dass weder für Stickoxide noch für Feinstaub der Flugverkehr für die offizielle Luftreinhaltepolitik ein Thema ist, ist daher in keiner Weise gerechtfertigt. Für Stickoxide dürfte er nach dem Autoverkehr die zweitstärkste Quelle im Rhein-Main-Gebiet sein, und für die besonders gefährliche Rußfraktion im Ultrafeinstaub sehr wahrscheinlich die stärkste. Dass bisher weder Fraport noch Landesregierung hier genau hinsehen, ist ein Skandal.
Am 15.02. hat die EU-Kommission wegen der chronischen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid NO2 eine letzte Mahnung u.a. an Deutschland verschickt. Wenn die Bundesregierung nicht binnen zwei Monaten reagiert, wird die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten und Klage vor dem EuGH erheben.
ICAO möchte, dass die CO2-Emissionen des Luftverkehrs ungehindert wachsen dürfen - und die EU wird daran vermutlich nicht viel ändern.
07.02.2017
Die EU-Kommission hat am 03.02. ihren Vorschlag für die Anpassung des europäischen Emissionshandelssystems an die Beschlüsse der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO vorgelegt. Ihre Pressemitteilung dazu formuliert den Inhalt in geradezu Orwellschem Neusprech:
"Die Kommission schlägt vor, den bisherigen geografischen Anwendungsbereich des Emissionshandelssystems der EU für den Luftverkehr, der Flüge zwischen Flughäfen im Europäischen Wirtschaftsraum erfasst, beizubehalten, um für alle Luftfahrtunternehmen, die Flüge in Europa operieren, ausgewogene Ausgangsbedingungen und Gleichbehandlung zu gewährleisten."
Was sie tatsächlich vorschlägt, ist, die Anwendung des ETS-Mechanismus auf internationale Flüge, die bisher nur ausgesetzt war, endgültig aufzuheben, und das nicht erst ab 2020, wenn das ICAO-CORSIA (sehr eingeschränkt) in Kraft tritt, sondern ab sofort.
Viel Beifall erhält sie für diesen Vorschlag nicht. Die Umweltorganisation 'Transport & Environment'
weist umgehend darauf hin, dass die Kommission damit die Erkenntnis ihres eigenen wissenschaftlichen Dienstes ignoriert, wonach das ICAO-System den Anforderungen des Pariser Abkommens bei weitem nicht genügt. Selbst der CDU-Europaparlamentarier Liese sieht die ICAO-Beschlüsse "Lichtjahre von dem entfernt, was sich die Staatengemeinschaft in Paris als Ziel gesetzt hat" und kündigt an "weiter Druck für ambitionierten Klimaschutz auch bei Interkontinentalflügen" auszuüben. (Seine konkreten Vorschläge taugen dafür allerdings nicht.)
Lediglich der BDL erklärt sich generös einverstanden, obwohl er eigentlich noch mehr Zugeständnisse fordert.
Ob das EU-Parlament wirklich in der Lage ist, diesen Vorschlag noch irgendwie zu verbessern, wird sich erst im Lauf des Jahres zeigen. Obwohl die Kommission in ihrem Vorschlag noch die Hoffnung formuliert hat, bis Ende März einen Beschluss zu haben, geht sie in der Pressemitteilung von "Ende des Jahres" aus. Die Airlines müssen die Kosten für eine komplette Einbeziehung ins ETS also zunächst einmal für dieses Jahr einkalkulieren und können sich dann ggf. über einen Weihnachts-Bonus freuen. Groß verändern wird der ihre Jahresbilanz allerdings so oder so nicht: der Preis für Zertifikate im ETS ist nach wie vor am Boden, und der größte Teil wird sowieso noch kostenlos zugeteilt.
In einer seltsamen Parallelität der Prozesse diskutiert das Parlament die generelle Reform des ETS, inklusive der Regeln, die den Flugverkehr betreffen, aber bereits kommende Woche. Folgt es den Vorschlägen seines Umweltausschuss, könnte es hier bereits die Grundlagen schaffen, dass die Einbeziehung des Luftverkehrs in das ETS tatsächlich Wirkung zeigt. WIe weit er aber tatsächlich einbezogen wird, entscheidet sich im oben beschriebenen Verfahren.
Interessanter Weise enthält das Begleitdokument zum Kommissionsvorschlag, das sog. Impact Assessment auch eine Auswertung der Ergebnisse der Konsultation, an der sich im letzten Jahr auch einige BIs und Einzelpersonen beteiligt hatten. Der kann man immerhin entnehmen, dass die Kommissions-MitarbeiterInnen die Beiträge gelesen haben (und dabei auch festgestellt haben, dass einige davon 'koordiniert' waren), und auch die Argumente scheinen zum großen Teil angekommen zu sein. Leider findet sich im Vorschlag der Kommission davon (wie erwartet) nichts mehr wieder.
Diesmal waren etliche da, die sonst nicht kommen.
31.01.2017
Die 200. Montagsdemo wurde allenthalben also besonderes Ereignis betrachtet, und die Berichterstattung war ausführlich. Als Beispiel sei nur der Bericht der Frankfurter Rundschau genannt. Die meisten heben hervor, dass deutlich mehr Leute da waren als sonst: die Polizei spricht von 1.200 Demonstranten, die Organisatoren schätzen zwischen 1.500 und 1.700. Bemerkenswerter aber ist noch die andere Qualität, die diese Demo hatte.
In allen offiziellen Beiträgen wurden die Forderungen ins Zentrum gestellt, die tatsächlich Konsens in der Region sind. Vom Aufruf zur Demo über das gemeinsame Grußwort der drei Oberbürgermeister (Frankfurt, Offenbach und Mainz) und die Reden von Landrat Will für die ZRM und Uwe Hiksch von den Naturfreunden betonten alle, dass es um die Reduzierung des Lärms in der Region insgesamt gehen muss. Darüber hinaus setzten alle noch eigene Schwerpunkte, aber bis auf ein paar Flugblätter und hin und wieder ein Sprechchor beim Rundgang blieb die Forderung, die sonst die Montagsdemos bestimmt, unerwähnt. "Die Bahn muss weg" ist schlichtweg kein Thema mehr für die, die an einer langfristigen Perspektive für den Kampf gegen den Flughafenausbau und an der Integration aller Fluglärmgegner interessiert sind.
Wenn diese Haltung Bestand hat, dann könnten die Montagsdemos unter Umständen wieder zu einem integrierenden Faktor in der Bewegung und zu einem Punkt gemeinsamen Handelns werden - auch wenn man nicht die Illusion haben darf, dass die, die diesmal da waren, nun auch jeden Montag kommen könnten oder wollten. Diese Form des Engagements bleibt denen vorbehalten, die es leisten können und wollen - aber sie stehen dann für die ganze Bewegung, die an den Höhepunkten zeigt, dass sie lebt.
Die tollste Technik nützt nichts, wenn man nicht weiß, was man eigentlich beobachten will ...
24.01.2017
Mehr als acht Jahre, nachdem das unsägliche 'Regionale Dialogforum' empfohlen hat, die sozialen Auswirkungen des Flughafenausbaus zu untersuchen, verkündet das 'Forum Flughafen und Region', nun das sog. Sozialmonitoring zu starten. Im April 2016 hatte das Umwelthaus ein Projekt dazu ausgeschrieben, und im Oktober 2016 fand eine erste Informations-Veranstaltung in Walldorf statt. Am 01.12.2016 hat das Projekt offiziell begonnen, wurde aber erst nach dem Auftakttreffen von Kommunalvertretern und Monitoring-Team am 18.01. in der Presse publik gemacht (z.B. in der FR).
Das Umwelthaus nimmt in der Beschreibung der Vorgeschichte des Projekts Bezug auf die Pilotstudie des 'Regionalen Dialogforums' zum Sozialmonitoring, vermeidet aber sorgfältig jeden Hinweis auf deren Inhalte oder gar einen direkten Link zu deren Ergebnissen - nicht ohne Grund. Die Pilotphase des Projekts war, wie fast alles in der hektischen Schlussphase des RDF, ein Desaster. Weder Zeit noch Ressourcen standen zur Verfügung, um die hochtrabenden Ankündigungen der RDF-Macher und die Vorschläge der Arbeitsgruppe zum Thema umzusetzen.
Was dann in wenigen Wochen doch noch erarbeitet wurde, ist heute sorgfältig
im Archiv versteckt. (Und diese Archiv-Webseite ist selbst für Umwelthaus-Verhältnisse eine besondere Frechheit. Sie erweckt den Eindruck, als habe es nur ein Gutachten und ein Positionspapier des RDF gegeben. Erst wenn man unter dem angegebenen Titel auf 'Weiterlesen'(!) klickt, öffnet sich die Liste aller vorhandenen Dokumente.)
Wenn man den Endbericht zur Pilotstudie gefunden hat, kann man nachlesen, wie ein Sozialmonitoring aufgebaut sein könnte. Die Erfassung einiger Indikatoren wurde ausprobiert und Befragungsmethoden getestet. Was auch nicht ansatzweise geleistet werden konnte, war eine Bestandsaufnahme des Zustands vor dem Flughafenausbau, auf deren Grundlage sich Ausbau-bedingte Veränderungen ermitteln liessen. Die Autoren gingen explizit davon aus, dass das Monitoring im Anschluss an die Pilotphase fortgeführt werden würde, um Daten für die Ist-Analyse zu sammeln.
Statt dessen passierte - nichts. Die Landesregierung unter Roland Koch schätzte ein, dass der Widerstand gegen den Ausbau längst nicht an Startbahn-West-Zeiten heran reichte und keine übermäßigen Ausgaben zur Befriedung notwendig waren. Die meisten RDF-Projekte zur Beruhigung der Bevölkerung wurden auf Eis gelegt. Auch das Sozialmonitoring-Projekt musste
sieben dunkle Jahre überstehn, bevor es 2015 im Konvent des 'Forum Flughafen und Region' wiederbelebt wurde.
In dieser Zeit, auch schon vier Jahren nach Inbetriebnahme der Nordwestbahn, haben sich die dramatischsten Auswirkungen dieses Ausbauschritts längst vollzogen. In Kelsterbach ist mit der Verlagerung der Ticona eine ganze Branche weggebrochen, in Raunheim ist die Gewerbegebiets-Entwicklung von einer Ausbau-Verhinderungs-Planung zu den
AirportEstates mutiert, und welche Veränderungen sich in Flörsheim, dem Frankfurter Süden und anderen neu betroffenen Gebieten abgespielt haben, wird man kaum noch nachvollziehen können.
Jetzt also ein Neustart, und der beginnt mit dem, was auch die Pilotstudie hatte leisten wollen. In der Vorhabensbeschreibung heißt es: "Von Dezember 2016 bis August 2018 wird ein Konzept für das Sozialmonitoring entwickelt, und alle Arbeitsschritte eines Monitorings werden durchlaufen und geprüft". Die 'Pilotphase' heißt jetzt 'Explorationsphase', es wird ganz modern mit Datenbanken, interaktiven Karten und anderen Gimmicks gearbeitet, und Ende 2018 wird man da sein, wo man Ende 2008 auch zu sein glaubte: es könnte dann losgehen mit dem Monitoring. Ob damit dann ein 'heller Schein' auf die Region geworfen wird, bleibt abzuwarten.
'Vorläufige' Maßnahmen können langdauernde Wirkungen haben ...
23.01.2017
In dieser Woche wird der Handelsausschuss des Europaparlaments voraussichtlich die vorletzte Hürde für die 'vorläufige Anwendung' des Freihandelsabkommens mit Canada, CETA, aus dem Weg räumen. Nach der kleinen Panne mit der ablehnenden Stellungnahme des Ausschuss für Beschäftigung hat die ganz große Koalition der Freihandels-Fans im EP ihre Mitglieder wieder auf Linie gebracht und auch im Umweltausschuss eine Zustimmung durchgesetzt. Dort hatte zwar der Berichterstatter (von den Grünen) eine ablehnende Stellungnahme vorgeschlagen, aber Christdemokraten, Liberale und Sozialdemokraten haben die mit gleichlautenden Änderungsanträgen umgedreht. (Die Sozialdemokraten hatten ihren Antrag noch mit einem einschränkenden Zusatz versehen, der aber so einfältig formuliert war, dass er nicht einmal zur Abstimmung gestellt wurde.)
Die
Zustimmung des Auswärtigen Ausschuss war ohnehin nur Formsache, so dass die
Empfehlung des Berichterstatters im Handelsausschuss wohl angenommen werden wird.
Danach steht nur noch die Abstimmung im Plenum aus, die für Mitte Februar vorgesehen ist. Trotz des aktuellen
Koalitionsgerangels nach den diversen Deals zur Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten ist nicht davon auszugehen, dass dort die Zustimmung in Gefahr geraten könnte.
Nachdem auch das Bundesverfassungsgericht die letzten
Eilanträge abgelehnt hat, gibt es kaum noch etwas, was diesen Schritt verhindern könnte, auch wenn die endgültige Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente keineswegs sicher ist.
So gibt es aktuell z.B. in Österreich einen neuen Versuch, das Parlament zur Ablehnung von CETA zu bewegen. Dort hatte auch der Bundespräsident angekündigt, die CETA-Ratifizierung nicht unterschreiben zu wollen
Was aus den geplanten Abkommen wird, an deren Verhandlung die USA beteiligt waren, bleibt solange offen, bis die neue Mannschaft im Weißen Haus ihren Kurs deutlich gemacht hat. Die erste Ankündigung zur Handelspolitik galt dem inner-amerikanischen NAFTA-Vertrag und läßt offen, was die neuen Inhalte sein sollen. Das asiatisch-pazifische TPP-Abkommen hat er allerdings umgehend aufgekündigt.
Die EU-Kommission möchte die TTIP-Verhandlungen retten und hat zusammen mit Vertretern der Obama-Regierung eine Art
Abschlußbericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, was aus ihrer Sicht erreicht wurde und was nicht. Das Dokument ist oberflächlich und schönfärberisch, enthält aber neben der für die Öffentlichkeit bestimmenten Rhetorik einige Bezüge zu Trumps Kernbotschaften, insbesondere dem Abbau von 'Handelshemmnissen' und 'Überregulierung'.
Inwieweit das hilft, ist offen. Während die
Kritik aus Europa an Trumps Ankündigungen hervorhebt, dass er die bisher erfolgreiche transatlantische Zusammenarbeit gefährdet und Europa mehr als Konkurrenten betrachtet, den es zu schwächen gilt, weisen
Kritiker aus dem Süden darauf hin, dass er nur das auf die Spitze treibt, was die Handelspolitik der Industrieländer seit Jahren tut: die Politik des Stärkeren anstelle der Institutionen zu setzen, in denen auch die kleinen und weniger entwickelten Staaten mitreden dürfen. Und der Stärkste ist aus Trumps Sicht eben die USA.
Die meisten US-Konzerne können sich beruhigt zurücklehen: kurzfristig werden sie von den von der neuen Regierung angekündigten Maßnahmen wie Steuersenkungen, Subventionen und Abbau von Regulierungen profitieren, während sie ihre Handelsinteressen in Europa auf dem Umweg über kanadische Tochterfirmen und CETA durchsetzen können. Umgekehrt funktioniert das nicht, aber da Trump für Deals immer zu haben ist, werden auch die europäisch dominierten Konzerne auf ihre Kosten kommen. Die Rechnung bezahlen die, die auch bisher schon für Profitmaximierung und Deregulierung bezahlen mussten: die abhängig Beschäftigten und die, die für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen auf staatlichen Schutz angewiesen sind.
Womit wir wieder beim Thema wären. Der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse paßt sehr gut in die Trump-Agenda, und inwieweit die EU-Kommission (und die Mitgliedsstaaten) bereit sind, noch größere Zumutungen zu schlucken als bisher, bleibt abzuwarten. Sich darauf zu verlassen, dass die neue US-Administration alle bisher verhandelten Abkommen in die Tonne treten wird, bleibt ein Risiko. Aber selbst wenn, ist die EU-Kommission fest entschlossen, ihre Freihandels-Ideologie weiter durchzusetzen und den Konzernen neue Handlungsspielräume zu eröffnen - auch mit anderen Partnern.
Wie erwartet, hat der Handelsausschuss mit deutlicher Mehrheit (25:15)
beschlossen, dem Parlament zu empfehlen, CETA anzunehmen und vorläufig in Kraft zu setzen - die große Freihandels-Koalition ist also nach wie vor intakt. Die Abstimmung im Plenum ist nun
für den 14.02. terminiert, und alle gehen davon aus, dass es auch dort eine Mehrheit bekommen wird.
Die Kritik an diesem Abkommen ist damit aller
dings nicht beseitigt, und die Aktivi
täten zur Verhin
derung von CETA konzen
trieren sich nun auf den Ratifi
zierungs
prozess in den nationalen Parla
menten.
Wenn man sich einen Überblick verschaffen will, muss man mehrere Quellen anzapfen.
(Zum Vergrössern anklicken)
17.01.2017
Nachdem es Ende letzten Jahres in Raunheim noch mal heftig gekracht hatte, gab es den ersten Wirbelschleppen-Schaden des neuen Jahres nun in Flörsheim. (Genau gesagt: der erste, von dem wir sicher wissen. Es gibt immer wieder Gerüchte über andere Schäden, und hin und wieder tauchen auch welche in der Fraport-Statistik auf, die in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden sind.)
Diesmal berichtet die Main-Spitze schnell und ausführlich, obwohl zum Glück wieder nicht viel passiert ist: ein Ziegel landete auf dem Bürgersteig. Der ist zwar ein "beliebter Fußweg für die Schüler der Paul-Maar-Schule", wurde aber zum fraglichen Zeitpunkt gerade nicht genutzt.
Dass man angesichts der noch lange nicht gebannten Wirbelschleppen-Gefahren auf solches Glück vertrauen muss, haben alle Beteiligten ja inzwischen gelernt.
Auch sonst ist der Vorfall nicht besonders bemerkenswert. Der "mäßige Wind" kam mit immerhin 11 Knoten aus Nordnordost - sicher kein Sturm, der von sich aus Ziegel vom Dach reisst, aber doch so stark, dass die Rückenwind-Komponente bei Betriebsrichtung 25 über 8 Knoten betragen hätte und daher der Anflug über Flörsheim den Regeln entsprach.
Auch die Überflughöhe entsprach dem, was bei einem Anflugwinkel von 3° zu erwarten ist - und die auf der Nordwestbahn möglichen 3,2°, die ein paar Meter Höhe mehr bringen würden, werden ja aus weiß der Teufel welchen Gründen immer noch nicht genutzt.
Alles in allem also der ganz normale Wahnsinn, der Bürgermeister Michael Antenbrink auch nur dazu motiviert, "an der Klage gegen die Überflüge schwerer Maschinen festzuhalten", wohl damit die dann die Schäden über Raunheim verursachen. Den weitergehenden Widerstand "gegen Fluglärm und Flughafenausbau" hat er, wie die meisten seiner Parteikollegen auch, inzwischen aufgegeben, und Plakate dazu will er in seiner Stadt nicht mehr sehen. Also kann er weiter nur hoffen, dass in einigen Jahren alle Dächer geklammert sind - und die Ziegel bis dahin weiter nur da herunter kommen, wo gerade niemand geht oder steht.
Auch die Landesregierung versucht, jede weitergehende Aktion abzublocken. In einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Fraktionsvorsitzenden Wissler beruft sich Minister Al-Wazir auf ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof, das feststellt, "dass "die von Wirbelschleppen ausgehenden Sicherheitsrisiken […] mit den Schutzvorkehrungen", die das Land Hessen "in den Planergänzungsbeschlüssen vom 10. Mai 2013 und vom 26. Mai 2014 angeordnet hat, abwägungsfehlerfrei bewältigt" wurden". Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, kann es keine "unmittelbare Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern durch die Luftwirbel" mehr geben.
Merke: Minister sind verpflichtet, Anfragen von Abgeordneten zu beantworten. Sie sind nicht verpflichtet, dabei Intelligenz zu demonstrieren.
Interessant sind aber die Ausführungen des Ministers zur Überprüfung von Meldungen von Schadensfällen. Auf die Frage: "Wie viele und welche Schäden durch Wirbelschleppen gab es seit Anfang 2013?" antwortet der Minister: "Seit dem 12. April 2013 werden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige mit der Untersuchung gemeldeter Schäden beauftragt. Seit diesem Zeitpunkt sind der Fraport AG 35 Fälle von Dachbeschädigungen gemeldet worden, bei denen eine Wirbelschleppe nach Maßgabe des Schadensbildes als Ursache letztlich nicht ausgeschlossen werden konnte. ... Sämtliche o. g. Schäden wurden durch die Fraport AG vollumfänglich reguliert.". Die entsprechende Fraport-Statistik enthält mit Stand Ende November 2016 aber 70 Meldungen, von denen nur 32 als " Wirbelschleppen als Schadensursache nicht auszuschließen" eingestuft wurden. 38 Fälle sind unter "nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen" geführt, wobei nur in einem einzigen Fall die "sonstige Schadensursache ... ermittelt werden" konnte.
Und weiter behauptet der Minister: "Nach der ständigen Praxis des HMWEVL werden Schäden, die der Fraport AG gemeldet werden, vom HMWEVL dokumentiert und auf der Grundlage von Gutachten von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Dachdeckerhandwerk überprüft. Zudem wird jeder Vorfall, sofern der Schadenszeitpunkt eingrenzbar ist, der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH zur Untersuchung auf einen möglichen Zusammenhang zu Flugbewegungen vorgelegt. Zusätzlich wird der Deutsche Wetterdienst zur Beurteilung der meteorologischen Situation mit der Erstattung meteorologischer Fachgutachten beauftragt. Es findet folglich eine gründliche Aufarbeitung eines jeden Schadensfalles unabhängig von einer Dokumentation oder Bewertung durch die Fraport AG statt. Infolge dieser Aufarbeitung gewinnt das HMWEVL eigenständig ein deutliches Bild von der räumlichen Verteilung der Schadensfälle. Über jede Schadensmeldung und über das Ergebnis einer jeden Überprüfung wird im Hessischen Landtag im Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung eingehend berichtet."
Al-Wazir lässt also den gleichen Unsinn veröffentlichen, den sein Vorgänger von der FDP verbreitet hat. Kein 'Sachverständiger für das Dachdeckerhandwerk' ist in der Lage, einen Wirbelschleppen-Schaden von einem Sturm-Schaden zu unterscheiden, weil es dafür keine Kriterien gibt. DFS und DWD können auch nicht viel dazu beitragen, und zum Versuch der DLR, mittels Wirbelschleppen-Ausbreitungsrechnungen Aussagen zu machen, haben wir in unserer Doku alles gesagt.
Es bleibt also nur die Schlussfolgerung, dass der Minister sich nicht die Mühe macht, genau hinzugucken, und sich von seinen Fachbeamten hinters Licht führen läßt - oder das er lügt.
Wir wollen hier nicht spekulieren, was wahrscheinlicher ist - peinlich wäre beides.
Um die Antwort von Minister Al-Wazir ausgiebig zu würdigen, haben wir eine Pressemitteilung dazu verfasst.
Die Frankfurter Rundschau hat unsere Pressemitteilung aufgegriffen, auch beim Ministerium nachgefragt und zumindest noch eine interessante Information erhalten: "Für alle 70 Fälle lägen dem Ministerium die Dokumentationen vor. Geschädigte Hausbesitzer könnten sie auf Verlangen einsehen".
Das kann spannend werden. Wenn ein/e geschädigte/r Hausbesitzer/in sich die Mühe macht und in Wiesbaden um Einsicht bittet, haben wir vielleicht eine Chance, endlich einmal zu erfahren, was in diesen Dokumentationen steht und von welcher Qualität sie sind. Wir bleiben dran.
15.01.2017
Gute Nachricht für lärmgeplagte Flughafen-Anwohner, die wegen des Krachs ihre Fenster nicht mehr öffnen können: sie bekommen wenigstens neue, hochwertige Lüfter, die automatisch Zu- und Abluft regeln und mit einem Wärmetauscher für bessere Energieeffizienz ausgestattet sind.
Der Haken dabei: das gilt (zunächst?) nur für die Anwohner in der Lärmschutzzone des neuen Berliner Flughafens.
Dort hat die Betreiber-Gesellschaft FBB gerade stolz mitgeteilt, dass sie Wohnungen und Häuser, in denen sie passiven Schallschutz zu realisieren hat, künftig mit den neuen High-Tech-Geräten ausstatten wird. Wo bisher billige Zuluft-Geräte eingebaut wurden, werden diese ausgetauscht.
Ganz freiwillig geschieht das natürlich nicht. Wie in der Pressemitteilung nur ganz verschämt angemerkt wird, wird damit ein
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg umgesetzt, das im letzten Jahr festgestellt hatte, dass die bis dahin eingebauten Lüftungen den rechtlichen Anforderungen nicht genügen. In der
Pressemitteilung des Gerichts heißt es dazu, der Flughafenbetreiber habe "vor dem Einbau von Zuluftgeräten (Lüftern) eine Lüftungsplanung vorzunehmen", um "bereits vor dem Einbau der Zuluftgeräte zu planen, wie die zugeführte Luft in der Nachtzeit nutzerunabhängig wieder aus dem Wohngebäude abgeführt wird". Die neuen Lüfter sollen das überflüssig machen.
Nun sind diese Geräte keineswegs die Lösung aller Probleme. Zum einen ist eine Lüftung bei geschlossenem Fenster bestenfalls eine Hilfslösung, zum anderen sind diese Geräte auf Grund ihrer Größe auch garnicht überall einsetzbar. Trotzdem können sie dort, wo sie eingesetzt werden können, die gröbsten Nachteile der bisherigen Lüftungslösungen beseitigen.
Daher wäre es sicher ein Fortschritt, wenn diese Art von Lüftern auch rund um den Frankfurter Flughafen eingesetzt würde. Da das Berliner Gericht nicht auf irgendwelche BER-spezifischen Auflagen Bezug genommen hat, sondern auf allgemeine technische Erfordernisse und Normen, müsste ein Anspruch darauf auch hier durchsetzbar sein. Von selbst wird Fraport allerdings ein solches Angebot nicht machen, so dass wohl auch hier erst ein Gericht eine entsprechende Auflage formulieren müsste. Dazu muss sich allerdings auch erst jemand finden, der das Risiko eingeht, das in die Wege zu leiten.
Die Fluglärmkommission liefert auch noch eine fachliche Quelle, die vermutlich wesentlich zu dem o.g. Gerichtsurteil beigetragen hat: ein Gutachten des Fraunhofer Instituts für Bauphysik, das umfangreich die Grundlagen für eine sinnvolle Schalldämmung in Gebäuden untersucht. Mit Sicherheit finden sich darin noch weitere Anregungen, die Flughafenbetreibern und Aufsichtsbehörden die Sorgenfalten auf die Stirn treiben müssten, wenn sie den passiven Schallschutz für Flughafenanrainer ernsthaft umsetzen müssten. Zu ihrem Glück enthalten die entsprechenden Gesetze noch so viele Schlupflöcher, dass ihnen das weitgehend erspart bleibt.
Die Darstellung ist künstlerisch verdichtet, aber der Eindruck ist nicht falsch ...
14.01.2017
Am 13.01. meldete Reuters, dass die Zahl der Passagiere am Flughafen Frankfurt im Jahr 2016 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Die Zahl der Flugbewegungen, die für Lärm und Schadstoffbelastung noch relevanter ist, hat ebenfalls wieder und sogar noch stärker abgenommen. Können wir uns also beruhigt zurücklehnen und darauf vertrauen, dass sich unsere Forderungen nach mehr Ruhe und sauberer Luft ganz von selbst erfüllen?
Fraport sieht die Sache naturgemäß anders und gibt einige (ausnahmsweise mal leider auch plausible) Argumente dafür, dass diese Trends keineswegs anhalten müssen. "Ohne witterungs- und streikbedingte Annullierungen wäre das Passagieraufkommen um etwa 0,4 Prozent gewachsen" und bei den Flugbewegungen "hätte der Rückgang lediglich minus 0,3 Prozent betragen". Ob diese Zahlen exakt stimmen, ist nicht so wichtig, denn das allgemeine Bild gibt ihnen recht: der Luftverkehr in Europa zeigt Wachstums-Tendenzen. Und dabei wächst insbesondere das Low-Cost Segment, das Fraport ab diesem Jahr ausbauen will.
Auf der anderen Seite sind die Lobbyisten der Luftfahrt weiterhin eifrig bemüht, erreichte Erfolge im Schallschutz wieder zurück zu drehen. Aktuell
fordert der Airline-Verband BARIG, die Nachtflugbeschränkungen weiter zu durchlöchern. Dabei stört es sie nicht, dass Fraport und Lufthansa mit der Forderung nach 'mehr Spielraum' erst im Sommer letzten Jahres 'auf die Nase gefallen sind und eigene grobe Versäumnisse eingestehen mussten. Sie wollen weiter mit unserer Gesundheit spielen und haben kein Problem, dafür die primitivsten aller Argumente erneut vorzubringen.
Und wer glaubt, dass Gerichte nachhaltig vor so etwas schützen könnten, sollte die Flörsheimer Erfahrungen zur Kenntnis nehmen. Gerade erst hat das Bundesverwaltungsgericht eine weitere Klage gegen den Flughafenausbau endgültig abgelehnt.
'Von selbst' geht es also bestenfalls in die falsche Richtung. Ohne ständigen Widerstand gegen den Wachstumswahn der Luftverkehrswirtschaft wird es nur lauter und schmutziger. Ruhe und saubere Luft kann es nur dann geben, wenn genügend Leute etwas dafür tun.
Ryanair möchte Fraport beim Wachsen weiter helfen. Wie Reuters meldet, sollen ab Oktober weitere Routen ab Frankfurt beflogen werden.
Schlechte Nachrichten gibt es dagegen für Fraport aus Griechenland. Zwar hat die EU-Kommission gerade erst
nochmals betont, dass sie gegen die Übernahme der Regionalflughäfen keine Einwände hat (wie sollte sie auch, nachdem sie den Deal massiv gepuscht hat), aber trotzdem verzögert sich die Übernahme um unbestimmte Zeit.
Auch die Lufthansa-Billigtochter Eurowings möchte von der neuen Fraport-Strategie profitieren. Ab Sommer 2018 möchte sie Flüge von und nach Frankfurt anbieten - ein Markt, der bisher der Muttergesellschaft vorbehalten war. Allerdings wird sie der keine Flüge wegnehmen - das Angebot soll zusätzlich sein.
04.01.2017
Herr Lanz, Geschäftsführer des Umwelthauses und damit Sprachrohr des Wirtschaftsministers, bemüht sich, gleich zu Jahresbeginn den richtigen Ton in der Debatte über Ultrafeinstaub zu setzen. Seine Kernbotschaften lauten, dass über ultrafeine Partikel "kaum etwas bekannt" sei und "die Forschung erst am Anfang stehe", daher werde es "noch Jahre dauern, bis es in Bezug auf die Verbreitung von ultrafeinen Staubpartikeln 'belastbare Ergebnisse' gebe" - nicht dass irgendwer auf die Idee kommt, ihn oder seinen Chef schon dieses Jahr mit Fragen dazu zu belästigen.
Eines weiß er aber doch: "Schweizer Experten gingen davon aus, dass Ultrafeinstaub, der in einer Höhe von über 300 Metern ausgestoßen werde, am Boden keine Rolle mehr spiele, sondern sich weiträumig in der Luft verteilt habe". Wer diese Experten sind und wo sie das geäussert haben, verrät er uns aber nicht.
Nun sind Entstehung und Ausbreitung von ultrafeinen Partikeln in der Tat komplexe Themen, und man kann Herrn Lanz nicht übel nehmen, dass er nichts davon versteht. Was man von einem Geschäftsführer einer öffentlichen Einrichtung, die möglichst objektiv informieren soll, allerdings erwarten könnte, ist, dass er keine bewußten Falschinformationen verbreitet und die Klappe hält, wenn er keine verläßlichen Informationen hat. Aber das hat Herr Lanz schon immer anders gesehen.
Tatsächlich korrelieren sowohl die Kurzzeit-Werte als auch die mittleren Anzahlkonzentrationen ultrafeiner Partikel gut mit den Überflügen am jeweiligen Meßort - nicht nur in Raunheim, das in weniger als 300 Metern Höhe (über Grund) überflogen wird, sondern auch in Mainz und an zahlreichen anderen Orten, die deutlich höher überflogen werden.
Und es ist zwar richtig, dass viele Details der Entstehung, Ausbreitung und Umwandlung ultrafeiner Partikel noch zu erforschen sind, aber das hindert (vermutlich andere) Schweizer Experten nicht daran, Standards für die Partikel-Emissionen von Flugzeug-Triebwerken festzulegen und die Entwicklung von Grenzwerten zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bereits für Anfang 2019 anzukündigen. Im Gegensatz zu den Herren Lanz und Jacobi nehmen die öffentlichen Bediensteten in der Schweiz ihren Job anscheinend noch ernst.
Aber immerhin gibt es in den Aussagen von Herrn Lanz auch noch Positives. So bestätigt er, dass die Meßstation in Raunheim nicht nur weiterbetrieben, sondern auch noch aufgerüstet wird, um auch die Größenverteilung der ultrafeinen Partikel zu messen, und dass UNH und HLNUG (anders gesagt, Wirtschafts- und Umweltministerium) noch eine zweite, gleichartige Meßstation im Rhein-Main-Gebiet aufbauen wollen. Wo genau, weiß Herr Lanz noch nicht, aber wir hätten einen heißen Tip: wenn in Raunheim weiter gemessen wird und Frankfurt wie angekündigt eine eigene Meßstation einrichtet, dann wäre das Ende der Startbahn West zur Erfassung der Belastung bei Starts ein geeigneter Ort, z.B. also in Mörfelden-Walldorf.
Insgesamt machen die Aussagen von Herrn Lanz aber deutlich, dass dringend ein anderer Ton in die Debatte muss, wenn das ewige Vertrösten auf den St.Nimmerleins-Tag ein Ende haben soll. Die geplanten Einrichtungen von Meßstationen sind ein wichtiger Schritt, aber es muss noch viel weiter gehen:
Natürlich werden alle Beteiligten jammern, dass das ja alles viel zu teuer ist, aber nur so können die notwendigen Daten gesammelt werden, um die reale Belastung für Mensch und Umwelt zu bestimmen und notwendige Schutzmaßnahmen festzulegen.
01.01.2017
Natürlich wollen wir hier nicht Kaffeesatz lesen oder Bleiguß interpretieren, sondern auf einige Termine, Themen und Anlässe hinweisen, die 2017 (mehr oder weniger sicher) anstehen. Grundsätzlich Neues ist nicht dabei, so dass wir für die Hintergründe überwiegend auf bereits vorhandene Texte verweisen können.
Wie
schon angekündigt, wird das EU-Parlament im Februar Beschlüsse zur Reform des Emissionshandelssystems ETS fassen, die auch den Luftverkehr betreffen. Wie lange dann die Kompromiss-Suche zwischen Parlament, Rat und Kommission dauern wird, ist kaum vorher zu sagen. Auch wann die Kommission das Gesetzgebungsverfahren zur Entscheidung über die weitere Einbeziehung internationaler Flüge ins ETS auf den Weg bringen wird, ist offen.
ICAO wird weiter an den technischen Details der Einführung seines CORSIA-Systems basteln, aber vor 2018 sind kaum Ergebnisse zu erwarten.
Die EU-Kommission ist weiter im
Freihandels-Rausch und wird versuchen, das Abkommen mit Kanada ebenfalls im Februar durchs Parlament zu bringen. Was TTIP und TiSA angeht, bleibt abzuwarten, was die neue US-Regierung tun wird, die am 20. Januar ihr Amt antritt - wenn die ganze Mannschaft so agiert wie ihr Boss, ist alles möglich.
Für die ebenfalls unter diese Überschrift fallende Luftfahrt-Strategie der EU-Kommission wird es auch einfacher. Die Lufthansa, die mit am lautesten nach protektionistischen Maßnahmen gegen die Golf-Carrier geschrien hat, setzt auf Kooperation. Wer geglaubt hat, die Konkurrenz der Airports und Airlines aus dem Nahen Osten könnte dazu führen, dass der Flugverkehr hier abnimmt, sollte nochmal neu nachdenken. Nicht die Konkurrenz zwischen den Akteuren, sondern nur andere politische Rahmenbedingungen können dazu führen, den Luftverkehr auf das notwendige Maß zu reduzieren.
Im
UFP-Projekt des UBA, in dem die Belastung mit Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen modelliert werden soll, ist in diesem Jahr nur ein erster Zwischenbericht über die Ergebnisse der vorbereitenden Literaturstudie zu erwarten (falls der überhaupt veröffentlicht wird, im April oder Mai).
Das HLNUG misst derweil in Raunheim weiter, aber ob man davon etwas erfahren wird, wird wohl im Wesentlichen vom öffentlichen Druck abhängen. Da würde es natürlich helfen, wenn auch andere Daten liefern könnten. Die Stadt Frankfurt
hat das vor und auch schon Geld bereit gestellt. Bleibt zu hoffen, dass sie das Projekt mit dem nötigen Nachdruck voran treibt. Eine Station in Oberrad oder Sachsenhausen wäre optimal, um die Effekte in beiden Windrichtungen vergleichen zu können.
Die Gemeindevertretung in Nauheim hat einen
Beschluss gefasst, dass auch dort eine UFP-Messstation eingerichtet werden soll, allerdings nur als Forderung an das Land, was ziemlich aussichtslos erscheint. So schön es ist, dass auch Kommunalgremien mehr Informationen zu diesem Thema fordern, dürfte dieses Ansinnen keinerlei Chancen haben. Unsere Empfehlung an interessierte Kommunalpolitiker fürs kommende Jahr: Fordert lieber die Veröffentlichung und unabhängige Auswertung aller bisher dazu gesammelten Daten.
Diese letzte Aufforderung gilt natürlich insbesondere für die Fluglärmkommission, die noch am ehesten die Mittel hat, hier etwas zu erreichen.
Ein erster Bericht zur Umsetzung von Al-Wazirs Lieblingsprojekt einer Lärmobergrenze ist eigentlich schon überfällig, aber die Diskussionen mit Fraport, DFS und Airlines sind vermutlich schwierig. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass man dieses Jahr noch erfahren wird, ob der an sich schon extrem dünne Vorschlag des Ministers noch weiter verwässert werden wird.
Ob diese Bundesregierung den
angekündigten Bericht zu diesem Thema noch vorlegen wird, darf man bezweifeln, aber zumindest der Entwurf des UBA dazu sollte fertig werden (ob er dann wirklich öffentlich wird, bleibt auch abzuwarten).
Und ob die Vorschläge des UBA dann eine Chance haben, politisch umgesetzt zu werden, wird davon abhängen, ob dafür öffentlicher Druck entwickelt werden kann.
Ansonsten bleiben die Themen, die uns schon lange begleiten und weiterhin begleiten werden:
Beiträge aus der zweiten Jahreshälfte finden sich
hier.
Beiträge aus anderen Jahren befinden sich im Archiv.