Hier sind alle Beiträge zu aktuellen Themen aus der ersten Hälfte des Jahres 2018 gesammelt.
Die Beiträge aus der zweiten Jahreshälfte finden sich
hier.
An diesen Beiträgen werden keine Veränderungen mehr vorgenommen, auch Links werden nicht mehr aktualisiert.
Beiträge aus anderen Jahren befinden sich im Archiv.
Nur die obere Grafik stammt aus einer Präsentation der Hessischen Staatskanzlei von 2014 (die inzwischen nicht mehr auffindbar ist), die Gemeinheiten stammen von uns.
20.06.2018
Der Ortsverband Raunheim von Bündnis90/DieGrünen hatte am 16.06. wieder, wie schon vor vier Jahren, Frank Kaufmann, flughafen-politischer Sprecher der Landtagsfraktion und Aufsichtsratsmitglied bei Fraport, zur Diskussion eingeladen, und auch die BI durfte mit aufs Podium. Nach der extrem belastenden, ewig langen Ostwind-Phase der letzten Wochen hätte man auch mit mehr Beteiligung rechnen können, aber für einen Samstag Nachmittag bei schönstem Sommerwetter und Kick-WM waren ca. 30 Besucher nicht schlecht.
Die Raunheimer Grünen hatten
acht Fragen vorbereitet, die vom Podium abgearbeitet wurden, das Publikum wurde (meist) auf die abschliessende Fragerunde verwiesen. Frank Kaufmann nutzte die erste Frage ("Was hat sich durch Schwarz/Grün geändert?"), um aufzuzählen, was die Grünen aus seiner Sicht flughafenpolitisch erreicht haben. Neben der
Lärmobergrenze, die später noch ausführlicher besprochen wurde, waren das (in seiner Reihenfolge) die
Lärmentgelte, die
Kostenregelungen für Maßnahmen des (passiven) Schallschutz, Gelder für
Forschungsförderung, erhöhte
Anflug-Gleitwinkel, die
Lärmpausen
, die
Erweiterung der Fluglärmkommission, die
Bewertung der NORAH-Studie, eine
Initiative zur Änderung der Gesetze zum Schallschutz, Maßnahmen zur
besseren Einhaltung der Flugrouten und die
Erweiterung des Anspruchsgebiets für Dachsicherungen.
Schon hier musste er sich die Kritik gefallen lassen, dass der passive Schallschutz rund um FRA
längst nicht den Anforderungen genügt, der höhere Anflugwinkel auf die Südbahn (über Raunheim)
praktisch nicht genutzt wird und der Schutz vor Wirbelschleppen-Schäden
völlig unzureichend ist.
Die ganz großen Pleiten der grünen Flughafen-Politik, von der
kläglichen Alternative zum Terminal 3 über die blamable Rolle der
Allianz für Lärmschutz bis zum
völligen Versagen beim Aktiven Schallschutz, hat er lieber garnicht erst erwähnt.
Zum Thema Ultrafeinstaub wiederholte Kaufmann die
Einschätzung seines Ministers, wonach Hessen mit seinem Meßprogramm 'Pionierarbeit' leiste und ansonsten über Emissionen, Ausbreitung und Wirkung ultrafeiner Teilchen noch viel zu wenig bekannt sei.
Er musste sich dann natürlich vorhalten lassen, dass er damit noch
hinter den Aussagen der HLNUG zurückbleibt, den internationalen Forschungsstand
nicht zur Kenntnis nimmt und die Messungen und Auswertungen rund um FRA
dringend erweitert werden müssen.
Positiv zu werten war seine Aussage, dass die Grünen in ihrem Wahlprogramm die Forderung nach einem umfassenden Programm zur Untersuchung der gesundheitlichen Wirkungen des Ultrafeinstaubs im Rhein-Main-Gebiet unterstützen - ein Punkt, der auch in der ansonsten sehr kritischen Presseberichterstattung über die Veranstaltung
positiv hervorgehoben wurde.
Sehr kontrovers wurde auch das Thema 'Lärmobergrenze' diskutiert. Während Kaufmann die dazu gefassten Beschlüsse und Vereinbarungen als Instrumente darstellte, die bereits unterhalb der im Planfeststellungsbeschluss abgesegneten Lärmwerte zu Diskussionen über einschränkende Maßnahmen führen sollen, haben wir ja von Anfang an darauf hingewiesen, dass diese Vereinbarung nichts begrenzt ausser der Fähigkeit der Aufsichtsbehörde, zu handeln, da sie mindestens zwei Jahre Stillhalten vorschreibt.
Die restlichen Fragen wurden weniger kontrovers diskutiert, auch weil es angesichts der fortgeschrittenen Zeit meist nicht möglich war, tiefer in die Details einzusteigen. Zu den zunehmenden Nachtflügen versuchte Kaufmann zwar noch, die Maßnahmen des Ministeriums in ein positives Licht zu rücken, stellte aber auch (korrekt) dar, dass sie
aufgrund der Rechtslage schwer zu bekämpfen sind. Soweit. deswegen den Planfeststellungsbeschluss zur Disposition zu stellen, wollte er aber doch nicht gehen, und die Tatsache, dass die Landesregierung gerade erst auf Wunsch der Luftverkehrswirtschaft den Schutz der Nachtruhe
in der Landesplanung geschwächt hat, wurde nicht thematisiert.
Auch die Unterschiede in der Einschätzung der diversen Ansätze zur
Novellierung des Fluglärmgesetzes konnten nicht mehr herausgearbeitet werden, und ob es eine Basis für
gemeinsame Aktivitäten geben könnte, war auch nicht mehr Thema.
Insgesamt kann man gut verstehen, dass sowohl die Zuhörer als auch
die lokale Presse zu einer sehr kritischen Einschätzung der grünen Politik kamen. Und auch wir fühlen uns in der Bewertung bestätigt, die wir schon
nach 100 Tagen schwarz-grüner Landespolitik formuliert hatten. Diese Regierung hat nichts voran gebracht, sie hat im Gegenteil mit dafür gesorgt, dass der Luftverkehrswirtschaft Hindernisse aus dem Weg geräumt wurden, u.a. indem auch noch letzten Ergebnisse der ohnehin schon extrem schwachen Mediation, wie die Lärmobergrenze, so abgeräumt wurden, dass sie das Wachstum des Luftverkehrs auf FRA nicht beeinträchtigen können.
Man sollte sich also keine Illusionen darüber machen, was aktuell bei Wahlen erreicht werden kann. Auch die Grünen wurden als Ausbaugegner gewählt (Al-Wazir vor der Wahl: "Mit mir wird es kein Terminal 3 geben") und endeten als Gehilfen der CDU-Ausbaupolitik. Allen anderen, die sich als Junior-Partner in eine Koalition mit Ausbau-Parteien begeben würden, würde es genauso gehen - der politische Druck der Luftverkehrslobby ist viel zu stark für eine alternative Politik, solange die nicht durch starke ausserparlamentarische Kräfte eingefordert wird. Die gilt es aber erstmal zu organisieren.
18.06.2018
Der Beschluss ist knapp gehalten und für sich wenig aufregend: die Raunheimer Stadtverordneten haben beschlossen, "sich den Einschätzungen und Forderungen der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen (ADF) zum Entwurf eines Berichtes der Bundesregierung zur Evaluierung des Fluglärmschutzgesetzes" anzuschliessen und die ADF "in ihrem Bemühen zu unterstützen, Vertretern von Bundesregierung und Bundestag den dringenden gesetzlichen Reformbedarf im Hinblick auf die Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm zu vermitteln und auf entsprechende gesetzliche Änderungen zu drängen".
Interessant ist aber, was daraus folgen soll: laut einem Bericht der Main-Spitze möchte die Stadt "den politisch Verantwortlichen in Berlin deutlich ... machen, dass 'politischer Druck im Kessel' ist" und dazu "wieder eine Protestaktion vor dem Reichstag durchführen", wie schon bei der letzten Novellierung des Fluglärmgesetzes im Jahr 2007. Das natürlich nicht allein, sondern mit vom Fluglärm Betroffenen aus dem ganzen Bundesgebiet.
Die ADF-Stellungnahme könnte in der Tat eine gute Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen aller an einem besseren Schutz vor Fluglärm Interessierten sein. Zwar rückt sie die (wenigen) positiven Elemente des Berichts des Umweltministeriums in den Vordergrund, lässt aber auch die meisten der
gravierenden Mängel nicht unerwähnt und benennt eine ganze Reihe weitergehender Forderungen. Damit ist im Wesentlichen das abgesteckt, was an Fortschritt auf der Grundlage des bestehenden Rechtsrahmens erreichbar wäre.
Die BIs werden sich natürlich nicht daran hindern lassen, ihre deutlich weitergehenden Forderungen sowohl zur
rechtlichen Gestaltung des Lärmschutzes als auch nach Änderungen in der gesamten Luftverkehrspolitik und einer Abkehr vom gegenwärtigen blindwütigen, Gesundheit und Umwelt ruinierenden Wachstumskurs bei allen Aktionen mit vorzubringen. Sie sollten aber die ADF-Forderungen als gemeinsame Basis für Aktionen mit Anderen, speziell den politisch Verantwortlichen in betroffenen Kommunen, mittragen können.
Jetzt sollte es also darum gehen, die Vorlage aufzugreifen und Aktionen vorzubereiten. Der Bericht des Umweltministeriums kann in der Ressortabstimmung innerhalb der Regierung, insbesondere durch das Verkehrsministerium, nur verschlechtert werden. Daher ist das Parlament der richtige Ansprechpartner, der die Mängel beseitigen und die notwendigen Forderungen in der Novellierung des Fluglärmgesetzes (und des Luftverkehrsgesetzes) umsetzen könnte. Im Moment ist eine politische Mehrheit dafür nicht absehbar. Aber es ist einen Versuch wert, möglichst vielen Abgeordneten klar zu machen, was die Betroffenen von ihnen erwarten.
Man kann nur hoffen, dass es gelingt, die Streitpunkte in anderen Fragen, auch zur Luftverkehrspolitik, zurückzustellen und zu gemeinsamen Aktionen zu kommen. Die BIs im Rhein-Main-Gebiet sollten hier eine führende Rolle spielen und in ihren Kommunen für die Unterstützung der ADF-Forderungen und der geplanten Aktionen werben - für den notwendigen Streit um alles andere bleibt noch Zeit genug.
06.06.2018
Überraschend schnell hat das HLNUG für die beiden neuen Ultrafeinstaub-Meßgeräte, die im letzten Jahr im September in Raunheim und im Oktober in Schwanheim in Betrieb genommen wurden, in einem Zwischenbericht Ergebnisse der Messungen veröffentlicht. Und während sich die zuständigen Minister (Frau Hinz für das Umwelt- und Herr Al-Wazir für das Verkehrs-Ministerium) in ihrer Pressemitteilung zunächst wie üblich lang und breit darüber auslassen, wie wenig über das Thema bisher bekannt sei und wie revolutionär ihre Aktivitäten dazu sind, ehe sie ein paar dürre Sätze zu den Ergebnissen verlieren, weicht der Bericht vom bisher Gewohnten erfreulich ab. Er stellt kurz und präzise die erhaltenen Ergebnisse dar und diskutiert darauf aufbauend ausführlich den Flughafen als mögliche Quelle für die gemessenen UFP-Konzentrationen.
Festgestellt wird zunächst, dass die gemessenen, deutlich über der üblichen Hintergrundbelastung liegenden UFP-Werte in Schwanheim sowohl durch den Tagesgang (erhöhte Werte von 5:00 - 23:00 Uhr) als auch durch die Windrichtung (erhöhte Werte bei Wind vom Flughafen) und die Grössenverteilung (deutlicher Peak bei sehr kleinen Teilchen) für den Flugverkehr als Quelle sprechen, während alle diese Einflussgrössen in Raunheim weniger stark ausgeprägt sind. Die Autoren Rose und Jacobi diskutieren dann noch weitere Details der Ergebnisse und Unterschiede zwischen den beiden Stationen und formulieren als Fazit, die Ergebnisse legten "den Schluss nahe, dass der Flughafen Frankfurt eine bedeutsame Bodenquelle für ultrafeine Partikel ist".
Das ist einerseits ein deutlicher Fortschritt gegenüber bisherigen Aussagen, die die Rolle des Flughafens als UFP-Quelle bestenfalls als Möglichkeit betrachtet haben, andererseits wird dieses Ergebnis aber sofort wieder genutzt, um die Bedeutung der Emissionen aus den Überflügen in Frage zu stellen. Minister Al-Wazir kommentiert dankbar: "Belege, dass auch Überflüge unterhalb einer bestimmten Höhe als relevante Quelle für UFP am Boden in Betracht kommen, lassen sich aus den bisherigen Auswertungen nicht ableiten. Raunheim wird direkt überflogen, Schwanheim nicht".
Tatsächlich ist das Ergebnis zunächst überraschend. Aus Messungen an dicht befahrenen Strassen weiss man, dass die UFP-Belastung schon nach wenigen hundert Metern deutlich absinkt und auch durch Hindernisse wie Schallschutzwände oder Begleitgrün reduziert wird. Die Meßstation in Schwanheim ist 3 km vom Flughafen entfernt, und dazwischen ist überwiegend Wald, bei der Raunheimer Station sind es 5 km und ebenfalls etliche Hindernisse. Wenn der bodennahe Transport vom Flughafen tatsächlich eine deutliche Rolle spielen sollte, dann muß wohl die Thermik auf dem Flughafengelände dafür sorgen, dass die dort emittierten Teilchen in höhere Luftschichten befördert und weiter transportiert werden können, als das bei Strassen der Fall ist.
Die Rolle der Überflüge ist damit aber längst nicht geklärt. Die Auswertungen nehmen immer noch nicht auf die jeweilige Anflugrichtung Bezug, und im Auswertezeitraum bis Ende Februar gab es relativ wenig Ostbetrieb mit Anflügen über Raunheim - im nächsten Bericht wird das wohl anders aussehen.
Immerhin enthält der Ausblick des Zwischenberichts das Versprechen, eine ganze Reihe der Untersuchungen anzugehen, die wir
schon lange fordern. Wann und wie das passieren wird, bleibt abzuwarten.
Die Landespolitik wird sicher nicht von selbst dafür sorgen, dass es hier wirklich vorangeht. Zwar deuten die beiden Minister in ihrer PM neben allem Selbstlob und verharmlosendem Geschwätz auch an, dass künftig mehr passieren soll (es ist schließlich Wahlkampf), und Al-Wazir deutet sogar zaghaft an, dass es tatsächlich ein
NORAH vergleichbares Programm zur Untersuchung der medizinischen Wirkungen des Ultrafeinstaubs in Rhein-Main geben könnte. Aber nicht nur, weil nach dem Wahlkampf auch wirklich Wahlen sind und niemand weiss, wer nachher für diesen Bereich verantwortlich sein wird, sollte man darauf nicht allzu viel geben. Ohne Druck von unten wird sich wie immer nichts bewegen.
Der Flughafen von Porto Alegre - mitten in der Stadt gelegen, soll er trotzdem noch wachsen !
11.05.2018
Zu Jahresbeginn
teilte Fraport mit, dass sie den Betrieb zweier brasilianischer Flughäfen, Fortaleza im Norden und Porto Alegre im Süden, für 30 bzw. 25 Jahre übernommen haben. Zu den Absichten dort heisst es nur diffus, Aufgabe sei es, "die Aufenthaltsqualität für Fluggäste zu verbessern und dabei auch die Bedeutung der beiden Flughäfen als Wirtschafts- und Standortfaktor für alle beteiligten Stakeholder sowie die jeweiligen Regionen zu steigern".
Ein wenig konkreter wird es in der kürzlich erschienenen Broschüre 2017 Kompakt. Darin heisst es über Porto Alegre:
"Investitionsschwerpunkte werden neben der Modernisierung der beiden Terminals sowie Vorfeldpositionen auch die Verlängerung der Start- und Landebahn sein". Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man allerdings andere Quellen heranziehen.
Als Erstes hilft ein Blick auf die Landkarte bzw. Satelliten-Aufnahme (s. Grafik). Der Flughafen liegt praktisch mitten in der Stadt, wobei die (offizielle) Bebauung auf beiden Seiten bis auf etwa einen Kilometer an das Ende der einzigen Bahn heranreicht. Im Westen blockiert allerdings eine Hauptverkehrsstrasse die Ausbaumöglichkeiten, daher soll nach Osten erweitert werden. Die aktuelle Bahn ist nur 2.280 Meter lang; um auch für grössere Flugzeugtypen geeignet zu sein, müsste sie auf mindestens 3.200 Meter verlängert werden - und da beginnt auch im Osten bereits die Bebauung.
Schlimmer noch, entlang einer Strasse, die im Osten in etwa 400 Meter Abstand vorbei führt, hat sich schon vor vielen Jahren eine inoffizielle Bebauung entwickelt, wo Menschen, die sonst keine Unterkunft finden, ihre eigene Infrastruktur entwickelt haben. Zwei dieser Favelas sollen dem Ausbau weichen. In einer davon, Vila Dique, wurde schon vor zwei Jahren mit einem Umsiedlungsprogramm begonnen. Wie die 'Kooperation Brasilien' berichtet, wehren sich die verbliebenen 1.500 Bewohner nach wie vor heftig gegen diese Umsiedlung. Nicht nur sind die angebotenen neuen Wohnungen in Porto Novo überwiegend nicht geeignet, sie liegen auch so weit ausserhalb, dass die Menschen ihre bisherigen Arbeitsplätze nur noch mit grossem Aufwand oder garnicht mehr erreichen können. Von den 4.000 Personen, die von dem Programm bisher erfasst wurden, sollen ca. 100 schon wieder zurückgekehrt sein. Auch in der zweiten Favela, Vila Nazaré, wo 5.000 Menschen betroffen wären, regt sich Widerstand.
Aber selbst, wenn den Bewohnern dieser Favelas, die auch ohne den Flughafen dringend bessere Wohnbedingungen brauchten, menschenwürdige Wohnungen mit geeigneter Infrastruktur angeboten würden, wäre die geplante Flughafenerweiterung menschenverachtend. Schon heute werden die anliegenden Wohngebiete viel zu niedrig überflogen, machen Lärm und Schadstoffe ein gesundes Leben unmöglich. Eine Verlängerung der Bahn, grössere Flugzeuge und mehr Flugbewegungen würden die Bedingungen noch drastisch verschärfen - und die medizinischen Konsequenzen sind für Menschen in Brasilien nicht anders als hier.
Zwar sind die genauen Bedingungen wie üblich nicht bekannt, aber man darf davon ausgehen, dass sich Fraport mit der Konzession für den Betrieb des Flughafens auch die Möglichkeit der Erweiterung vertraglich gesichert hat. Selbst wenn der Staat sich also eines Besseren besinnen und das Erweiterungsprojekt im Interesse der Anwohner aufgeben würde, würde Fraport entsprechenden Druck ausüben und finanzielle Konsequenzen androhen. Wahrscheinlicher aber ist, dass der Staat die Drecksarbeit erledigt, die Menschen vertreibt und unzumutbaren Lebensbedingungen unterwirft - und Fraport den Profit einstreicht. Ein weiteres Beispiel für die völlige gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit dieses Konzern und seiner Anteilseigner. Die Hauptversammlung am 29. Mai wäre eine gute Gelegenheit, ihnen dazu die Meinung zu sagen.
Dicker Hammer statt spitzer Feder - als knallharter Neoliberaler
taugt Herr Scheurle sicherlich für den Lobbyposten beim BDL.
Die Frage ist eher, was er an der Spitze der DFS zu suchen hat.
09.05.2018
Zum 1. Juni 2018 übernimmt der
Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung, Klaus-Dieter Scheurle, den
Präsidenten-Posten des 'Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft' und wird damit
Chef der Luftverkehrslobby. Sein Vorgänger in diesem Job, Fraport-Chef Schulte, wechselt zum 1. Juli
in das Präsidentenamt der 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen', dem Lobbyverband der Großflughäfen (und solcher, die es sein möchten).
Grundsätzlich Neues ergibt sich damit nicht, denn beide gehören den Leitungsgremien des jeweiligen Verbandes schon seit Jahren an. Das Gesicht an der Spitze prägt allerdings das öffentliche Bild.
Die 'Bürgerinitiative Luftverkehr Offenbach' (BIL) kritisiert die neue Rolle von Herrn Scheurle: "Es kann nicht sein, dass ein führender Vertreter der Flugsicherung, [die] mit der Wahrnehmung ... hoheitlicher Aufgaben beliehen ist und sonderpolizeiliche Aufgaben erfüllt, als Lobbyist der Luftverkehrswirtschaft agieren darf."
Tatsächlich ergeben sich da deutliche Widersprüche, nicht nur, weil die DFS als bundeseigenes Unternehmen natürlich (theoretisch) in erster Linie das Allgemeinwohl und nicht die Profitinteressen der Luftverkehrswirtschaft im Auge haben sollte, sondern auch, weil das Kostensenkungsgetrommel des BDL auch der DFS, genauer gesagt den DFS-Mitarbeiter*innen und den Steuerzahlern, schon direkt geschadet hat.
Aber Herr Scheurle ist im Nebelwerfen geübt und findet immer einen öffentlichkeitswirksamen Sündenbock, wenn die wahren Schuldigen im Hintergrund bleiben sollen. In diesem Fall
ist das 'Brüssel', wo zwar auch
neoliberale Kostensenkungspolitik zur Förderung des Luftverkehrs getrieben wird, deren Einfluss er hier aber maßlos übertreibt.
Betrachtet man die Karriere von Herrn Scheurle, dann ist er in dem neuen Job wohl in seinem Element. Er hat sich als Jurist auf einem CSU-Ticket politisch hochgearbeitet, in verschiedenen Funktionen an
der Zerschlagung der Post mitgewirkt und das dabei erworbene Wissen (und Beziehungen) in einer lukrativen Karriere als Berater bei Credit Suisse vermarktet. 2009 wechselte er dann zurück in die Politik und wurde Staatssekretär im Verkehrsministerium. Warum dieser Wechsel kam, ist unklar. Zwar war im Zuge des aufkommenden Banken-Skandals auch die Credit Suisse in etliche Untersuchungen verwickelt, sein Name taucht dabei allerdings nicht explizit auf.
Aber es genügten ihm auch drei Jahre mit einem Hungerlohn von rund 150.000 Euro/a, um genügend Kenntnisse und Erfahrungen für den nächsten Karriereschritt zu sammeln. Nachdem er als Aufsichtsratsvorsitzender der DFS die alte Geschäftsführung rausgedrängt hatte, liess er sich von seinem Minister und CSU-Freund Ramsauer in den Ruhestand versetzen, nachdem er den Chefposten bei der DFS für sich selbst gesichert hatte. Der Spiegel schrieb damals über diesen Posten: "Wem es gelingt, zum obersten Fluglotsen der Republik aufzusteigen, der darf sich auf ein sorgenfreies Leben freuen. Der Chef der Deutschen Flugsicherung (DFS) verdient mehr als doppelt so viel wie die Bundeskanzlerin. ... Und neben unzähligen First-Class-Flügen in alle Welt lässt der Job noch ausreichend Zeit für Freizeit und Familie." - Letzteres deshalb, weil es eine politische Funktion ist und die eigentliche Arbeit von zwei weiteren Geschäftsführern erledigt wird. Der Spiegel schätzt, dass er seinen kargen Staatssekretärs-Lohn durch diesen Schritt etwa verdreifacht hat.
Wenn die BIL ihre Presseerklärung mit dem Satz schliesst: "Wir fordern Herrn Scheuerle auf, [auf] das Amt im Interesse einer Neutralitätspflicht bei der Ausübung hoheitlicher Aufgaben des Staates zu verzichten oder die Aufgabe der Leitung des DFS aufzugeben", dann muss man wohl nach dieser Vorgeschichte sagen, dass die zweite Möglichkeit im Interesse der Flugsicherung, der Steuerzahler und der politischen Hygiene in diesem Land eindeutig die Bessere wäre.
Die FLK hat den Schallschutz fest im Blick
- aber nicht alle Beschlüsse passen dazu
06.05.2018
Hatte die Fluglärmkommission noch in ihrer Februar-Sitzung das vom 'Forum Flughafen und Region' vorgelegte, völlig unzureichende
Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz lediglich
zur Kenntnis genommen, heisst es in der
Pressemitteilung zur Sitzung vom 02.05.2018:
Man kann nun spekulieren, weshalb dieser Beschluss zustande kam. Geändert hat sich ausser ein wenig
Kosmetik an den Konsultationsverfahren, mit denen die lärmverschiebenden Maßnahmen begleitet werden sollen, in der Sache wenig. In der Sitzung selbst hat die Fluglärmschutzbeauftragte, Frau Barth, noch (weitgehend nachvollziehbar)
präsentiert, dass viele Schallschutzmaßnahmen zwangsläufig (auch) lärmverschiebenden Charakter haben und zusätzliche Kriterien zur Bewertung genutzt werden müssen.
Was aber die FLK daran gehindert hat, bei ihrer Ablehnung des völlig unzureichenden Programms zu bleiben und lediglich den Maßnahmen, die sie für umsetzungswürdig hält, einzeln zuzustimmen, bleibt im Dunkeln. Es gibt keinen formalen Grund dafür, ein 'Programm' unterstützen zu müssen, damit einzelne, darin enthaltene Maßnahmen umgesetzt werden können. Seine weitere Ablehnung wäre ein deutliches Signal an Wirtschaftsministerium und FFR gewesen, dass sie mehr für den Schallschutz tun müssen, um die Anforderungen der Region zu erfüllen. Diese Chance wurde hier versäumt.
Ansonsten enthalten die Sitzungsunterlagen wie immer eine Menge statistischer Berichte, aus denen man alles Mögliche über Lärmpegel, Anzahl und Verteilung von Flugbewegungen usw. ablesen kann, und eine interessante Präsentation mit einer Zusammenstellung der Monitoring-Ergebnisse, die für den Lärm am Flughafen Frankfurt im Netz zur Verfügung stehen - sogar der DFLD ist dabei.
"Dieses Gesetz schützt den Fluglärm, nicht die Menschen"
Unter dieser Parole hat die BI schon 2007 in Berlin demonstriert.
Wenn es nach der Bundesregierung geht, wird es auch diesmal nicht besser.
02.05.2018
Nach vielen Verzögerungen hat nun das Bundesumweltministerium mit fast einem Jahr Verspätung einen
Entwurf für einen Bericht zur gesetzlich vorgeschriebenen Evaluierung des Fluglärmgesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf befindet sich derzeit noch bis 18.05. in der Länder- und Verbände-Anhörung und muss noch zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung, d.h. insbesondere noch mit dem Wirtschafts- und dem Verkehrs-Ministerium, abgestimmt werden.
Auch wenn der Entwurf schon erschreckend schwach ist, kann er dadurch eigentlich nur noch schlechter werden.
Wie befürchtet, ist vieles von dem, was im vor einem Jahr vorgelegten
Bericht des Umweltbundesamtes zu dem Thema an Positivem enthalten war, aus dem BMUB-Entwurf verschwunden. Besonders krass wird das an der Bewertung der Fortschritte in der Lärmwirkungsforschung deutlich. Hier hatte das UBA mit Verweis auf die Forschungsergebnisse der letzten 10 Jahre u.a. eine Absenkung der Grenzwerte für die im Gesetz definierten Schutzbereiche um jeweils 10 dB(A) gefordert und dazu ausgeführt:
Die Fluglärmkommission hat den Bericht in ihrer Sitzung am 02.05.
analysiert und immerhin 13 Punkte gefunden, in denen der Bericht noch gewisse Verbesserungen des aktuellen Zustands vorsieht. Dazu gehören insbesondere einige, teilweise allerdings bereits von Gerichten geforderte Verbesserungen beim passiven Schallschutz wie bessere Lüftungssysteme und die Ausweitung der Ansprüche für Kitas, Schulen und Krankenhäuser.
Wohl in der Einschätzung, dass selbst diese kleinen Fortschritte in der Ressortabstimmung noch gefährdet sind, weist sie in ihren
Eckpunkten zwar auf die grundlegenden Mängel hin, stellt aber die Notwendigkeit der Umsetzung dieser Punkte in den Vordergrund.
Eigentlich wäre es jetzt notwendig, dass die Betroffenen der Bundesregierung deutlich machen, was sie von deren Einschätzung der Lärmbetroffenheit halten. Insofern wäre es eigentlich begrüssenswert, dass der Bürgermeister der Stadt Flörsheim dazu auffordert, der Kanzlerin
für mehr Fluglärmschutz zu schreiben. Dagegen spricht auch nicht, das diese Initiative wohl Teil seiner Bemühungen ist, bei der anstehenden Wahl im Amt bestätigt zu werden - man kann auch dümmeren Wahlkampf machen. Sehr zu wünschen übrig lässt allerdings der Inhalt seines
Musterbriefes. Darin behauptet er, die "Vorschläge des Bundesumweltministeriums decken sich weitgehend mit den Forderungen und leidvollen Erfahrungen der rund um den Frankfurter Flughafen lebenden Bürgerinnen und Bürger", was man angesichts der gravierenden Mängel nur als schlechten Scherz betrachten kann.
Man kann darüber streiten, ob es überhaupt Sinn macht, Briefe an die Regierung zu schreiben. Wenn man es aber tut, sollte das Richtige drinstehen - und das findet man eher im oben zitierten UBA-Bericht. Viel besser wäre es allerdings, die richtigen Forderungen auch in einer öffentlich wirksamen Weise zu vertreten, so dass die Regierung sie zur Kenntnis nehmen muss.
Mit dieser (hier leicht angepassten) Grafik illustrieren die australischen Wissenschaftler*innen ihre Untersuchungen
29.04.2018
Dass hohe Ultrafeinstaub-Belastungen schädlich sind, kann man vernünftigerweise nicht mehr bezweifeln. Nun belegt eine australische Untersuchung, was sie bei Schulkindern anrichten können.
Das
Projekt UPTECH ('Ultrafine Particles from Traffic Emissions and Children’s Health') hat an 25 Schulen in der australischen Region Brisbane die verkehrsbedingte Belastung durch Ultrafeinstaub gemessen und modelliert und an über 600 Schülern medizinische Untersuchungen durchgeführt, um die Wirkung auf Atemwege und Lunge zu untersuchen.
Das wesentliche Ergebnis: zwar konnte kein Zusammenhang mit akuten Symptomen wie Asthmaanfällen, Husten oder Keuchen gefunden werden, aber eine eindeutige Korrelation zwischen der UFP-Konzentration und dem Auftreten eines
Biomarkers für eine "systemische Entzündung". Für Kinder mit Überempfindlichkeit (sog.
Atopie) wurde zudem ein Zusammenhang zwischen UFP und Entzündungen der Atemwege festgestellt.
Mit 'systemischen Entzündungen' reagiert der Körper auf Stressfaktoren, auf die er keine spezifischere Antwort findet. Anders als lokale Entzündungen, die normalerweise erfolgreich einen Erreger bekämpfen, können sie mangels Erfolg leicht chronisch und damit zum Auslöser anderer Belastungen und Krankheiten werden, wie z.B. Asthma, Rheuma o.ä..
Die berichteten Ergebnisse sind also Anlass zu Besorgnis: auch wenn es (noch) nicht zu nachweisbaren Symptomen oder Krankheiten kommt, werden die Kinder geschwächt und möglicherweise die Grundlagen für künftige Erkrankungen gelegt. Und es gibt leider keinen Grund, anzunehmen, dass diese Wirkungen nicht auch hierzulande auftreten.
In der australischen Studie wurden auch andere Luftqualitäts-Parameter gemessen, und sie bewegen sich in den gleichen Grössenordnungen wie hier. Die mittlere UFP-Belastung der teilnehmenden Schüler während der Schulstunden wird in der Studie mit 15.000 Teilchen pro Kubikzentimeter angegeben. Für die Raunheimer Meßstation, die direkt neben der Pestalozzischule, der grössten Grundschule in Hessen, steht, gibt HLNUG einen Jahresmittelwert von 16.000 Partikel/cm3 an.
Im Unterschied zu den Verhältnissen in Brisbane, wo die Belastung im Wesentlichen aus dem Strassenverkehr resultiert und keinen extremen Schwankungen unterliegt, verbirgt der Mittelwert in Raunheim allerdings, dass in Zeiten der Betriebsrichtung 07, in denen Schule und Meßstation im Landeanflug überflogen werden, deutlich höhere Konzentrationen auftreten können. Laut HLNUG liegt der Jahresmittelwert für die Windrichtung, bei der BR 07 geflogen wird, bei knapp 30.000 Partikel/cm3, im Extremfall treten Werte von über 100.000 Partikel/cm3 auf.
Was solche Peaks in der Belastung auslösen können, darauf gibt eine andere
gerade erschienene Studie Auskunft. In der Region um die US-Stadt Salt Lake City, die sich durch eine grundsätzlich eher niedrige (PM2,5 um 10 µg/m3), unter bestimmten Wetterbedingungen aber zeitweise deutlich ansteigende Feinstaub-Konzentration auszeichnet, wurden über 17 Jahre hinweg alle gemeldeten Diagnosen von Entzündungen der unteren Atemwege, insgesamt fast 150.000 Fälle, auf einen Zusammenhang mit erhöhten Feinstaubwerten untersucht. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass ein bis drei Wochen nach einer Phase erhöhter Feinstaub-Belastungen die Fallzahlen deutlich ansteigen, wobei insbesondere Kleinkinder, aber auch Schüler und Erwachsene betroffen sind.
Da auch in den USA UFP-Werte nicht regelmäßig gemessen werden, musste die Studie auf PM2,5 als Feinstaub-Indikator zurückgreifen, aber es liegt nahe, dass die gemessenen Effekte wie Bronchiolitis, Grippe, Virusinfektionen etc. auf Grund der Eindringtiefe primär von den darin enthaltenen ultrafeinen Partikeln gefördert werden.
Es gibt damit gute Gründe für die Annahme, dass auch in Raunheim insbesondere die Kinder unter der Ultrafeinstaub-Belastung leiden. Damit ist es auch allerhöchste Zeit, die bisherigen Hinhaltetaktiken aufzugeben und endlich die notwendigen Schritte einzuleiten, um die tatsächlichen Belastungen, ihre Ursachen und Konsequenzen zu ermitteln.
Wir haben schon nach dem ersten Jahr der Messungen von UFP in Raunheim
vorgeschlagen, zur Untersuchung der gesamten Ultrafeinstaub-Problematik ein dem NORAH-Projekt vergleichbares Programm aufzulegen (Arbeitstitel APERAH: Aircraft Particle Emission Related Air Pollution and Health). Darin müsste durch erweiterte Messungen an einer Vielzahl von Stellen und zunächst über kürzere Zeitperioden das genaue Ausmaß der Belastung erfasst werden. Zudem müsste durch ein geeignetes Meß- und Auswertungs-Programm, das sowohl die wichtigsten Emissionsorte also auch die genaue physikalisch-chemische Zusammensetzung der Immissionen erfasst, der Anteil der verschiedenen Verursacher bestimmt werden. Als dritte Komponente wären vergleichende medizinische Untersuchungen an unterschiedlich belasteten Personengruppen notwendig.
Für all diese Untersuchungen gibt es inzwischen ausreichend Vorbilder und Instrumente. Das Rhein-Main-Gebiet mit intensivem Strassenverkehr und einem Großflughafen wäre ein geeigneter Ort, solche Untersuchungen in einem gemeinsamen Projekt zusammenzuführen und damit noch offene, grundlegende Fragen zu klären.
Hier sind in erster Linie, aber keineswegs nur, Landes- und Bundesregierung gefordert. Wenn das Fraport-Management auch nur einen Funken gesellschaftlicher Verantwortung hat, wird es sich in einem solchen Projekt mit engagieren und den Flughafen als wichtige Emissionsquelle für Ultrafeinstaub sowohl durch eigene Messungen charakterisieren als auch in seiner Wirkung auf Beschäftigte, Kunden und Anwohner untersuchen.
Sollte der Fraport-Vorstand, wie zu befürchten, nicht von sich aus dazu bereit sein, ist der Aufsichtsrat gefordert, für die Umsetzung dieser elementaren Unternehmensaufgabe zu sorgen. Das gilt nicht nur für die öffentlichen Mehrheitseigner Land Hessen und Stadt Frankfurt, sondern auch für den Anteilseigner Lufthansa, dessen Aktivität für einen Großteil der Belastungen verantwortlich ist, und für die Gewerkschaftsvertreter, die auch die Interessen der Beschäftigten nach Schutz ihrer Gesundheit am Arbeitsplatz und, zusammen mit ihren Familien, als Anwohner wahrzunehmen haben.
Der Saal war gut gefüllt, aber Neuigkeiten blieben rar
27.04.2018
Auf Einladung der Stadt Mörfelden-Walldorf haben Thomas Norgall vom BUND Hessen und die Fluglärmschutzbeauftragte des HMWEVL, Regine Barth, ihre Einschätzungen vorgetragen zu den Möglichkeiten, etwas gegen die Durchlöcherung der Nachtflugbeschränkungen durch permanente Verspätungen und Landungen nach 23:00 Uhr zu tun. Das Interesse war gross, der Sitzungssaal im Walldorfer Rathaus so gut gefüllt, dass zusätzliche Stühle herangeschafft werden mussten.
Die vorgetragenen Positionen gaben allerdings kaum Anlass zur Begeisterung.
Den Auftakt machte Thomas Norgall mit dem Hinweis, dass es der BUND war, der zusammen mit der Stadt Neu-Isenburg das Thema Ende letzten Jahres in die Öffentlichkeit brachte. Als Anekdote erwähnte er dabei, dass ihre Pressemitteilung zunächst unbeachtet blieb, bis "Der Spiegel" sie aufgriff. Danach berichteten auch alle wichtigen hessischen Medien prominent darüber.
Der BUND war es auch, der Ryanair dabei in den Mittelpunkt rückte, obwohl auch damals schon andere ebenfalls stark beteiligt waren. Für die öffentliche Wirkung hat es sich allerdings bewährt, den bösesten Buben gezielt an den Pranger zu stellen.
Thomas Norgall machte aber auch deutlich, dass die rechtlichen Möglichkeiten, gegen diese Verspätungen vorzugehen, sehr begrenzt sind. Der Planfeststellungsbeschluss sieht solche Verspätungen ausdrücklich vor, und die Genehmigungsbehörde hat sich darin auch noch selbst gefesselt, indem sie festgelegt hat, erst dann Änderungen zu prüfen, wenn eine Zahl von 17 täglichen Verspätungen im Jahresdurchschnitt(!) überschritten wird. Da auch dieser 'Auflagenvorbehalt' gerichtlich überprüft und bestätigt worden ist, bedeutet das, dass jede verschärfende Auflage mit einem hohen juristischen Risiko verbunden wäre.
Er zog daraus den Schluss, dass eine entsprechende Neuregelung nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie vom 'Begünstigten' des PFB, d.h. der Fraport, selbst beantragt wird. Das wiederum könne nur über den Aufsichtsrat erreicht werden, in dem neben den Hauptanteilseignern Land Hessen und Stadt Frankfurt auch die Gewerkschaften überzeugt werden müssten. Deren Mitglieder seien schliesslich auch Anwohner und litten genauso unter dem Lärm.
Die Fluglärmschutzbeauftragte griff die Problembeschreibung dankbar auf, um weiter zu erläutern, warum das Ministerium bisher so gut wie nichts erreicht hat. Sie versäumte natürlich auch nicht, zu betonen, dass sie schon vor der BUND-PM aktiv geworden war und daher unmittelbar danach handeln konnte. Dieses Handeln beschränkte sich allerdings weitgehend darauf, Ryanair ins Gewissen zu reden und zu Veränderungen aufzufordern. Wie sie selbst einräumte, hatte das zwar kurzfristig Erfolg, war aber mit Beginn des Sommerflugplans schon wieder überholt.
Sie erläuterte auch noch viele Details der Flugplan-Entwicklung, der Verantwortlichkeiten und der Probleme der Überprüfung, erntete damit aber auch nur verwundertes Staunen. Als nächsten Schritt hatte sie auch nur anzubieten, was Minister Al-Wazir der Öffentlichkeit schon präsentiert hat: das RP Darmstadt soll nun prüfen, ob bei zwei Flügen, die häufig zu spät kommen, eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, weil die Verspätung bereits eingeplant ist. Sie vergaß nicht zu betonen, dass diese Prüfung eine Weile dauern wird - wie böse Zungen sofort anmerkten, mindestens so lange, bis die Landtagswahl vorbei ist.
Die anschliessende Diskussion war bis auf wenige Ausnahmen sachbezogen, allerdings hatten die meisten Teilnehmer Schwierigkeiten, zu verstehen, warum es nicht möglich sein sollte, doch noch juristisch gegen diese Belastung vorzugehen. Aussichtsreiche neue Vorschläge kamen aber nicht mehr auf den Tisch, und die meisten schienen am Schluss zu akzeptieren, dass tatsächlich kein juristisches, sondern nur ein politisches Vorgehen möglich ist.
Das allerdings muss dringend konkretisiert werden. Eine Mehrheit für Lärmschutzmaßnahmen erzeugt man im Fraport-Aufsichtsrat nicht, indem man auf die beteiligten Organisationen einwirkt. Politische Mehrheiten dafür sind weder in der Landesregierung noch im Frankfurter Magistrat in Sicht, und auch die Gewerkschaften sind keine Organisation, die man in so einer Frage irgendwie 'auf Linie' bringen könnte. Selbst wenn ein Gewerkschaftstag eine solche Forderung unterstützen würde, wären weder ihre Betriebsgruppe am Flughafen noch ihre Mitglieder im Betriebsrat oder Aufsichtsrat daran gebunden - und dann gibt es bei Fraport auch noch mehr als eine Gewerkschaft.
Helfen könnte da nur, dass der Kern des Problems, das nun wieder rasante Wachstum des Flugverkehrs, insbesondere des Flug-Tourismus, politisch unter Druck gerät. Dazu reicht es aber nicht, dass sich der relativ kleine Kreis der in ihrer Nachtruhe Gestörten über den Lärm beschwert. Dazu muss die Argumentation auf allen Ebenen entwickelt werden, von der Klimaschädlichkeit des Luftverkehrs über seinen Beitrag zur Luftverschmutzung bis hin zu den negativen Folgen des Massentourismus. Davon war in Walldorf leider nicht die Rede.
Das soll es geben - aber die ersten Ergebnisse sind alles andere als überzeugend.
18.04.2018
Am 17.04. hatte das UBA zu einem Workshop nach Bonn eingeladen, in dem das durchführende Konsortium die bisher vorliegenden Ergebnisse aus dem Projekt "Einfluss eines Großflughafens auf zeitliche und räumliche Verteilungen der Außenluftkonzentrationen von Ultrafeinstaub ..." vorstellte.
Das Programm war dicht gepackt mit Vorträgen, trotzdem blieb auch noch Zeit für einige, in der Regel durchaus kritische, Diskussionen. Ein Team von BBB TV war vor Ort und wird wohl in Kürze einen Video-Mitschnitt zur Verfügung stellen.
Die Vortragsfolien sollen leider nicht verfügbar gemacht werden, weil die Ergebnisse noch vorläufig sind (und nach zum Teil deutlichem Verriss in der Diskussion wohl auch nochmal überarbeitet werden). Hier muss man auf den Abschlussbericht warten, der für Ende des Jahres angekündigt ist.
Die Vorträge des Vormittags waren der Beschreibung der angewandten Modellierungsmethoden gewidmet, was insofern interessant war, als bisher nur die Beschreibung des Vorhabens zu Beginn des Projekts bekannt war. Einige Befürchtungen über mögliche Mängel konnten dabei ausgeräumt werden, in einigen Details wird allerdings auch weniger geliefert als versprochen, aber die wesentlichen Elemente unserer Kritik zu Beginn des Projekts gelten nach wie vor.
Als neues Problem wurde deutlich, dass es nicht eine Modellierung gibt, sondern drei, die nur im Ergebnis addiert werden. Das ist insofern problematisch, als die unterschiedlichen Substanzen, deren Emission im Modell betrachtet wird, in der Realität physikalisch und chemisch miteinander reagieren, diese Prozesse aber nur in einem der drei Modelle, noch dazu in dem mit den am wenigsten relevanten Emissionen (dem 'Hintergrund' der Emissionen aus stationären Quellen im Umfeld wie Kraftwerken, Industrieanlagen, etc.), berücksichtigt werden. Gerade bei ultrafeinen Partikeln, die nach dem Ausstoss aus den Triebwerken noch wesentliche Veränderungen durchmachen, ist das ein Problem. Wie groß der dadurch bewirkte Fehler sein könnte, lässt sich schwer abschätzen. Hier muss man abwarten, ob der Abschlussbericht eine seriöse Fehlerabschätzung beinhalten wird.
Der Aufwand, ein einheitliches Modell für alle Emissionen rund um den Flughafen zu entwickeln, das alle relevanten Prozesse integriert, war für dieses Projekt wohl zu hoch. Trotzdem wirkte die dargestellte Methodik im Grundsatz für einen ersten Schritt zur Betrachtung des Problems der Emissionen des Luftverkehrs noch akzeptabel, auch wenn viele Möglichkeiten, die Relevanz dieses Beitrags nachzuweisen, dabei nicht genutzt werden. Entscheidend ist dann die Frage, ob damit plausible Ergebnisse erzielt werden können. Aber gerade hier wurden die Erwartungen massiv enttäuscht.
Das begann damit, dass im Vortrag von Herrn Jakobs über die Modellierung der Hintergrundbelastung durch die stationären Quellen im Umland ausgerechnet der Industriepark Höchst bei Frankfurt als allein herausragende und massive Dreckschleuder identifiziert wurde - ein Faktum, dass weder in bisherigen Statistiken oder Modellierungen aufgetreten ist noch von den anwesenden Vertretern der Stadt Frankfurt nachvollzogen werden konnte. Nach allem, was über die Anlagen dort bekannt ist, gibt es schlicht keinerlei Grundlage für ein solches Ergebnis.
Richtig absurd wurde es aber bei den Ergebnissen, die Herr Janicke für die Emissionen aus dem Flughafenbetrieb präsentierte. Konnte man die Aussage, dass der Hauptteil der Triebwerksemissionen, die als Immissionen im Umland wirksam werden, aus dem Betrieb am Boden kommen soll, noch als Hinweis dafür nehmen, dass der Frankfurter Flughafen extrem ineffizient organisiert ist, so war schon die Aussage, dass die Triebwerksemissionen im Jahresmittel an der Meßstation Raunheim nur einen Beitrag von 500 - 1.000 Teilchen pro Kubikzentimeter liefern sollen, sehr fragwürdig. Der Gipfel aber war ein in einem Fallbeispiel für einen Tag simulierter Peak der Teilchenanzahlkonzentration in Raunheim um ein Uhr nachts, der durch 26 Starts auf der Startbahn West in der Zeit von 22 bis 23 Uhr bewirkt worden sein soll. Wenn dieses Simulationsergebnis einen realen Hintergrund haben sollte, dann würde das heissen, dass in Raunheim die UFP-Konzentration immer dann hoch sein müsste, wenn die Startbahn West in Betrieb ist (und das ist sie unabhängig von der Betriebsrichtung fast immer) und der Wind aus der richtigen Richtung weht (und sei er noch so schwach). Dafür gibt es in den vorliegenden Meßwerten keinerlei Beleg.
Dieses Ergebnis führt aber noch zu weiteren Widersprüchen. Wenn 26 Starts auf der Startbahn West in Raunheim, d.h. in 6-8 km Entfernung, einen solchen Peak produzieren können, dann müsste in einem Modell, in dem Teilchen weder produziert noch vernichtet werden können, an der Quelle mindestens die gleiche, wegen der Verdünnung beim Transport aber eigentlich eine deutlich höhere, Konzentration zu sehen sein. Da die Startbahn West aber unabhängig von der Betriebsrichtung praktisch das ganze Jahr in Betrieb ist, müsste auch der Jahresmittelwert entlang der Startbahn deutlich erhöht sein. In der entsprechenden Grafik, die Herr Janicke vorher präsentierte, war die Startbahn West aber nicht zu sehen, die Emissionswerte konzentrierten sich auf einen Streifen zwischen dem Parallelbahnsystem (entlang der Rollwege, da das Taxiing in dieser Simulation den Hauptbeitrag liefert).
Wenn man spekulieren will, was an dieser Simulation wohl faul sein könnte, damit solche absurden Ergebnisse produziert werden können, liegt eine Annahme nahe. In Beschreibungen des verwendeten LASPORT-Modells ist öfter davon die Rede, dass die emittierten Abgase heiss sind und daher in der Umgebungsluft aufsteigen. Zugleich hat sich Herr Janicke in der Diskussion sehr gegen die Annahme gewehrt, dass die Abgase durch die an den Tragflächen erzeugten Wirbelschleppen nach unten bewegt werden könnten. Man kann daher vermuten, dass in diesem Modell die Abgase zunächst nach oben verschwinden, in höheren Luftschichten verdünnt und vom Wind verweht werden und dann irgendwo in der Umgebung wieder als Immission auftauchen - aber nirgendwo einen relevanten Beitrag zum Jahresmittelwert liefern.
So etwas stünde in schreiendem Widerspruch sowohl zu physikalischen Prinzipien als auch zu den vorhandenen Messergebnissen. Um den Auftrieb zu erzeugen, um ein Flugzeug in die Luft zu bringen, muss eine entsprechende Masse Luft nach unten gedrückt werden. Dass die Triebwerksabgase diesem Druck entgehen und aufsteigen, ist weder theoretisch begründbar noch praktisch nachweisbar - im Gegenteil zeigen Messungen, dass die Emissionen unterhalb des Flugzeugs nachweisbar sind. Und die wenigen Grafiken, in denen Herr Janicke Simulationsergebnisse und passende Messwerte dargestellt hat, zeigten auch wenig Übereinstimmung.
Ohne genauere Aussagen darüber, wie die verwendeten Simulationen funktionieren und wie die Ergebnisse im Detail aussehen, lässt sich auch keine Aussage darüber machen, was von diesem Projekt letztendlich noch zu erwarten ist. Was in Bonn vorgestellt wurde, lässt allerdings das Schlimmste befürchten. Wenn im verbleibenden Projektzeitraum nicht noch erheblich nachgebessert und offene Fragen geklärt werden, wird das Ergebnis wenig bis nichts zu der Frage beitragen, welche Belastungen der Luftverkehr in der Umgebung des Flughafens tatsächlich erzeugt.
Derweil gibt es immer mehr Gründe dafür, besorgt zu sein. So hat z.B. die VERT Association, die sich primär mit Filtertechniken für Motoren befasst, in ihrer
jüngsten Tagung eine Reihe von interessanten Vorträgen präsentiert, die sich mit Partikel-Emissionen aus Verbrennungsprozessen und deren gesundheitlicher Wirkung befassen.
Auf der anderen Seite scheint es uns wichtig, so präzise wie möglich zu argumentieren, gerade wenn die Gegenseite mit fragwürdigen Argumenten arbeitet. So trägt es nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit bei, mit hinkenden Vergleichen zu arbeiten, um die Dramatik der aktuellen Situation besonders hervorzuheben. Die vorliegenden Messwerte in Raunheim geben mit Sicherheit Anlass zur Sorge - aber
Aussagen wie die Bewohner Raunheims hätten "praktisch jeden zweiten Tag Silvester – und zwar in dreifacher Höhe und über Stunden hinweg" helfen da nicht weiter, denn die Sylvester-Belastung, die sicht- und riechbar ist, besteht überwiegend aus gröberen Stäuben - Sylvester-Raketen verbrennen ihren Brennstoff längst nicht so effektiv wie Automotoren oder Flugzeugtriebwerke. Und auch wenn man häufig eine deutliche Korrelation zwischen Überflügen und erhöhten Messwerten sieht, ist damit noch lange nicht geklärt, wie sich die Triebwerksemissionen genau ausbreiten.
Es geht jetzt eher darum, genau zu beschreiben, was man weiss, sauber zu begründen, was plausibel ist, und genau zu fordern, was geklärt werden muss. Und es muss massiver Druck entwickelt werden, damit die dafür nötigen Mittel bereitgestellt werden. Denn dass der Flugverkehr hier eine Belastung erzeugt, die gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorbringt, ist in der Tat mehr als wahrscheinlich - es ist so gut wie sicher.
Die Luftverkehrswirtschaft protzt mit Gewinnen -
die Beschäftigten sollen leer ausgehen.
13.04.2018
Am Dienstag dieser Woche hat ein von der Gewerkschaft ver.di organisierter Warnstreik vier Flughäfen in Deutschland zeitweise
weitgehend lahmgelegt. Bei den Verhandlungen für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen hat sich die Arbeitgeber-Seite bisher stur gestellt und kein Angebot vorgelegt, weshalb die Beschäftigten sich gezwungen sahen, mehr Druck zu entwickeln.
Wieso davon auch die Flughäfen betroffen sind,
erklärt die Frankfurter Rundschau so: "An den einstmals öffentlich betriebenen Flughäfen werden noch zahlreiche Beschäftigte nach dem Tarif des Öffentlichen Dienstes bezahlt."
Lufthansa reagierte auf die Streikankündigung mit
Flugstreichungen und einer Aussage, die in mehreren Medien gleichlautend erschien: "Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens reagierte empört auf die "Warnstreik-Eskalation" im öffentlichen Dienst. 'Es ist vollkommen inakzeptabel, dass die Gewerkschaft diesen Konflikt auf dem Rücken unbeteiligter Fluggäste austrägt. Lufthansa ist gar nicht Partei in diesem Tarifkonflikt, dennoch sind vor allem unsere Kunden und wir von den Folgen der Auseinandersetzung betroffen', sagte sie."
Aber auch als eigentlich garnicht Betroffene schiebt sie noch hinterher: "Art und Ausmaß des nahezu flächendeckenden und ganztägigen Warnstreiks seien 'zu diesem Zeitpunkt unangebracht und unverhältnismäßig'. Streikhandlungen müssen die Ultima Ratio einer Tarifauseinandersetzung sein.".
Die Streikaktionen richten sich natürlich nicht speziell gegen Lufthansa, die nur deshalb zu den Hauptbetroffenen zählt, weil sie einen großen Teil des Luftverkehrs-Marktes in Deutschland kontrolliert. Die Beschäftigten wissen allerdings sehr gut, warum damit kein Unschuldiger getroffen wird. Lufthansa-Chef Spohr lässt kaum eine Gelegenheit aus, Druck zu machen, damit die Gebühren am Frankfurter Flughafen sinken; mindestens 20% möchte er erreichen. Würde er sich durchsetzen, müssten gerade die Bodenverkehrsdienste dafür Verluste hinnehmen, die natürlich hauptsächlich von den Beschäftigten zu tragen wären.
Angesichts der Ergebnisse, die Lufthansa
im letzten Jahr erzielt hat, ist das schon eine ziemlich dreiste Position - aber auch typisch für Manager, die auch sonst jede soziale Verantwortung vermissen lassen. Man kann nur hoffen, dass die Beschäftigen ihnen die richtige Antwort geben - nicht nur bei den aktuellen Tarifverhandlungen.
Wie gehabt - aber für März sind das nur die Hälfte der Verspätungen.
04.04.2018
Es kommt wie vorhergesagt: kaum ist der Sommerflugplan in Kraft, steigt die Zahl der Landungen nach 23 Uhr wieder deutlich an. Die Presse konzentriert sich wieder auf Ryanair, wohl aufgrund einer Mitteilung, die das hessische Verkehrsministerium herausgegeben hat, die aber auf dessen Webseite noch nicht verfügbar ist. Das hat auch seine Berechtigung, denn rund die Hälfte der Verspätungen gehen auf deren Kosten. Dennoch muss man festhalten: die andere Hälfte der im März insgesamt 57 Landungen nach 23 Uhr wird von anderen, angeblich seriöseren Airlines verursacht. Und den Betroffenen ist es letztendlich egal, wer sie am Einschlafen hindert - jeder Nachtflug ist einer zuviel.
Das Ministerium will jetzt aber gegenüber Ryanair durchgreifen: laut Presseberichten werden sie "noch in dieser Woche umfassende Unterlagen der Fluggesellschaft einfordern und auswerten, welche Gründe zu den Verspätungen geführt haben". Ob Mr. O'Leary deswegen jetzt schlaflose Nächte hat?
Die traurige Wahrheit ist allerdings, dass das Ministerium derzeit garnicht mehr tun kann als hohle Phrasen zu dreschen. Die Genehmigungsbehörde hat sich selbst entmündigt, indem sie in der Planfeststellung festgelegt hat, dass sie erst ernsthaft eingreifen kann, "wenn der Durchschnitt eines Kalenderjahres den Wert von 7,5 täglichen Verspätungslandungen übersteigt". Gegenwärtig liegt dieser Wert gerade mal um die Zwei.
Wenn es besser werden soll, muss also bei den Nachtflugregeln deutlich nachgebessert werden. Wer den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung im Umfeld des Flughafens ernst nimmt, der muss dafür eintreten, dass ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr eingeführt wird - mit Ausnahmen nur für medizinische oder andere Notfälle.
Eine Gefährdung der Profiterwartungen einer Airline oder Unannehmlichkeiten für Touristen gehören nicht in diese Kategorie. Bei den Wahlen im Herbst sollte man die Kandidaten fragen, ob sie das auch so sehen.
Man sollte allerdings genau nachfragen. Nicht jeder, der jetzt massive Kritik an Ryanair äussert, tritt auch generell für den Schutz der Nachtruhe ein. Ein schönes Beispiel dafür ist der Landtagsabgeordnete und flughafenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Marius Weiß. Die Frankfurter Rundschau
zitiert ihn mit starken Worten: Die neueste Entwicklung zeige, "dass Ryanair dem Minister auf der Nase herumtanzt und ihn als handlungsunfähig bloßstellt", und es dürfe "nicht dabei bleiben, dass Minister Al-Wazir gegenüber dem Gebaren der Ryanair weiterhin als ‚lame duck‘ dasteht". Die SPD werde einen "Dringlichen Berichtsantrag" stellen "und will vom Minister wissen, was er tun will". Da wüsste man natürlich gerne, was er nach Meinung der SPD denn tun soll.
Gerade die SPD hat immer wieder betont, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht in Frage gestellt werden kann, und der schreibt nunmal die Handlungsunfähigkeit jedes Ministers in dieser Frage fest. Solange die SPD also nicht bereit ist, hier ihre Position zu ändern, sind die starken Worte nur Wahlkampfgetöse.
Das weiss wohl auch die Kommentatorin der FR, die Ryanair
in ebenso starken Worten kritisiert. Sie verkneift sich jede Forderung an die Politik und fordert lediglich Ryanair zu "besserem Management" auf - wär doch schön, wenn die irgendwie den viel zu eng gestrickten Flugplan einhalten würden.
Aber solange auch diejenigen, die einsehen, dass die Nachtflüge "auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet" gehen, sich nicht zu konsequenten Forderungen zur Änderung der völlig unzureichenden Nachtflugbeschränkungen durchringen können, wird Ryanair so weitermachen - und Condor, Lufthansa und all die anderen, die auch häufig zu spät kommen, ebenso.
Auch in Österreich schöpft die Rechtsprechung aus völlig überholten Grundsätzen -
und die Erde kommt unter den Hammer.
04.04.2018
Vor gut einem Jahr hat das Österreichische Bundesverwaltungsgericht Schlagzeilen gemacht
mit einem Urteil, das im Kern ausgesagt hatte, dass auch der Luftverkehr bestenfalls in dem Maß wachsen kann, wie die internationalen Verpflichtungen in Bezug auf den Klimaschutz das zulassen. Das Verfassungsgericht hatte allerdings schon kurz danach mit drastischen Worten festgestellt, dass das
so nicht gemeint war und der Klimaschutz bei der Abwägung wirtschaftlicher Interessen keine Rolle spielen darf. In der Neuverhandlung ist das Verwaltungsgericht pflichtgemäß eingeknickt und hat den Bau der dritten Bahn am Flughafen Wien
genehmigt.
Zwar versucht das Gericht, durch Auflagen doch noch ein paar Fortschritte beim Klima- und Lärmschutz zu erreichen, aber verglichen mit dem, was die neue Bahn anrichten könnte, wenn die Wachstumsträume wahr würden, spielt das keine große Rolle.
Entsprechend haben zumindest einige der Kläger*innen schon angekündigt, auch noch vor
die letzte Instanz zu ziehen, den Österreichischen Verwaltungsgerichtshof, und sie prüfen ausserdem auch noch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof bzw. eine Beschwerde bei der EU-Kommission.
Die Ausbau-Befürworter freuen sich, dass sie mit Hinweis auf den noch nicht beendeten Rechtsstreit auch noch nicht gezwungen sind, einen Zeitplan für den Ausbau vorzulegen, denn aktuell wachsen die Wachstumsträume in Wien nicht in den Himmel, aber dennoch sind sie natürlich
voll des Lobes für dieses Urteil. Die Begründungen klingen allerdings wie aus der Zeit gefallen: Wirtschaftsvertreter und der politische Mainstream schwafeln von Wirtschaftswachstum und befördern Arbeitsplatz-Phantasien, Probleme wie Lärm und Emissionen kommen nicht vor. Sie sagen allerdings auch, dass die neue Bahn vor 2030 nicht in Betrieb gehen und noch keiner weiss, was der Bau kosten wird.
Leider spielen auch viele Gewerkschafter dieses Spiel mit und unterstützen den Ausbau. Und leider gibt es auch in Wien Bürgerinitiativen, die nur an den Lärm über dem eigenen Kopf denken und sich in der Hoffnung auf Erleichterung einbinden lassen. Die Mehrheit allerdings will
weiter gegen die Bahn vorgehen.
Die Emissionen im innereuropäischen Luftverkehr wachsen -
und die Klimawirkungen gehen weit über CO2 hinaus.
Wenn die Ausbau-Befürworter doch einmal zum Klimaschutz Stellung nehmen müssen, berufen sie sich auch in Österreich gerne auf die vielfältigen Maßnahmen, die die Luftverkehrswirtschaft ja angeblich ohnehin schon ergreift. Dass das schon generell nicht stimmt, zeigt gerade auch eine Broschüre, die die österreichische Organisation 'Finance & Trade Watch' im letzten Jahr herausgegeben hat. Und vor welchen Problemen das Kompensationsmodell CORSIA aktuell steht, haben wir in einem Beitrag weiter unten erläutert.
Aktuell hat nun die EU auch neue Daten zu ihrem Emissionshandelssystem EU-ETS vorgelegt, in das auch der innereuropäische Flugverkehr einbezogen ist. Und hatten noch vor ein paar Tagen Propagandisten des Emissionshandels freudestrahlend verkündet, ETS würde nach den Reformen durch die EU jetzt seinen Job machen, ergibt eine erste Analyse der neuen Daten, dass die davon erfassten Emissionen im letzten Jahr erstmals wieder angestiegen sind - von den nötigen Einsparungen keine Spur.
Die Analyse klärt auch, wer für den Anstieg der Emissionen verantwortlich ist. Neben einem Anstieg der Industrie-Emissionen um 2% und einem erhöhten Anteil der Braunkohle an der Energieerzeugung wird als einer der Gründe angegeben: "Die Emissionen aus dem Luftverkehr steigen weiterhin an" (eigene Übersetzung). Die machen zwar derzeit nur 3,7% der im ETS erfassten Emissionen aus, aufgrund des starken Wachstums beeinflussen sie den Trend aber trotzdem deutlich.
Es hat zwar nicht direkt mit dem Luftverkehr zu tun, aber interessant ist auch, dass die Liste der größten Dreckschleudern in der Energieerzeugung zwar von einem polnischen Kraftwerk angeführt wird, aber unter den Top 10 sieben deutsche Kraftwerke sind. Nicht umsonst weisen die Waldbesetzer immer wieder darauf hin, dass der Treburer Oberwald und der Hambacher Forst nur zwei Schauplätze ein und desselben Kampfes sind: um die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen gegen das Profitstreben des Kapitals. Dazu passt dann auch die Nachricht, dass aktuell gerade
weitere Rodungen für die Braunkohle genehmigt wurden - auch in Deutschland spielt Klimaschutz eine untergeordnete Rolle.
Warum das ETS nur unzureichend funktioniert, erklärt eine andere Analyse: der Preis für die Zertifikate ist
viel zu niedrig. Trotz eines Anstiegs auf fast das Dreifache des Tiefpunktes im letzten Jahr liegt der Preis für eine Tonne CO2-Emission mit 13-14 Euro immer noch bei weniger als der Hälfte dessen, was als notwendig angesehen wird, um überhaupt Wirkung zu erzielen. Um die EU-Klimaziele für 2040 zu erreichen, werden Preise von über 50 €/t genannt.
Derweil weisen immer mehr
wissenschaftliche Analysen nach, wie wichtig es wäre, die Emissionen jetzt schnell zu senken. Die Politik aber will das nicht wahrhaben - nicht in Österreich, nicht in Deutschland und nicht in der EU. Sollen doch andere die Welt retten - ihnen ist der kurzfristige Profit ihrer Geldgeber wichtiger.
Logo und Liegenschaft des UNH
30.03.2018
Ende März teilt das 'Umwelt- und Nachbarschaftshaus' in einer Pressemitteilung mit, dass dort seit "Mitte Februar" ein neuer Geschäftsführer amtiert. Ist schon das Timing dieser Mitteilung seltsam, so erstaunt noch mehr, wie wenig über den Neuen gesagt wird. Über seine bisherige Tätigkeit heisst es nur: "Der 46-jährige promovierte Jurist war bisher im Hessischen Ministerium für Finanzen in Wiesbaden tätig." Über seine Qualifikation für den Job erfährt man nur, er sei "im Frankfurter Süden aufgewachsen und kennt die Diskussionen rund um den Flughafen Frankfurt und die verschiedenen Interessenlagen". Und die Auskunft zu seiner künftigen Tätigkeit erschöpft sich in der Absicht, "den Dialog zu fördern". Nichtssagender geht es nicht.
Auch aus anderen Quellen ist nicht viel zu erfahren. Auf den Webseiten des Wirtschafts- und des Finanzministeriums, immerhin sein neuer bzw. alter Arbeitgeber, führt die Suche nach seinem Namen zu Null Treffern. Über eine Google-Suche erfährt man immerhin, dass er im Finanzministerium für die Beteiligungen des Landes Hessen zuständig war, wozu auch die Fraport AG gehört. Weiter hat er mal mit der ECAD GmbH eine Lobbyorganisation der Luftverkehrswirtschaft liquidiert, aber es darf bezweifelt werden, dass er diese Erfahrung in seinem neuen Job irgendwie anwenden soll.
Aus einem Landtags-Dokument kann man erfahren, dass er als Zeuge dazu beigetragen hat, einen von vier Steuerprüfern, die bei der Landesregierung in Ungnade gefallen waren, aus dem Job zu mobben. Der Hauptverantwortliche für diese Schweinerei, der damalige Finanzminister Karl-Heinz Weimar, ist heute Aufsichtsrats-Vorsitzender bei Fraport. Gut vorstellbar, dass diese persönliche Beziehung und die Bereitschaft, bei solchen Formen der 'Konfliktlösung' mitzuwirken, entscheidend dafür waren, dass er den Job erhalten hat.
Alles in allem ist das ein Einstieg, wie man es von dieser Institution erwartet: intransparent, ohne jede sachliche Begründung, ohne einen Versuch, diejenigen, die diese Einrichtung ansprechen soll, irgendwie mit einzubeziehen. Selbst wenn es anders gewollt gewesen wäre, hat man es Herrn Charalambis damit extrem schwer gemacht, so etwas wie Vertrauen bei den 'Nachbarn', für die das Haus angeblich da sein soll, zu entwickeln. Aber wahrscheinlich soll er ja auch nur da weitermachen, wo Herr Lanz aufgehört hat: das Wachstum des Luftverkehrs auf FRA propagieren, aber dabei Dialog simulieren. Wir werden weiterhin versuchen, ihm das möglichst schwer zu machen.
Kritik, Ermunterung, Handlungsempfehlung - alles da.
28.03.2018
Mit einem Danke-schön-Konzert für die Waldbesetzer*innen, veranstaltet von der IGF Rhein-Main und vielen anderen Gruppen, endete vorläufig die Besetzung des Waldstücks durch unabhängige Aktivist*innen, unterstützt von Robin Wood und lokalen Gruppen und BIs. Aufgegeben wird das Camp allerdings nicht, da mit weiteren Maßnahmen der Fraport, wie z.B. dem Bau eines Zaunes, gerechnet wird. Auch weiterhin werden also Menschen im Wald zu finden sein, die sich über Besuch und Spenden freuen. Die regelmäßigen Sonntags-Aktionen wird es aber zunächst nicht mehr geben.
Gerodet werden darf vor September eigentlich nicht, aber für Fraport kann es natürlich Ausnahmegenehmigungen für alles mögliche geben. Zwar lancieren sie derzeit in der Presse, dass der Wald erst im Frühjahr 2019 fallen soll, aber eine offizielle Aussage dazu gibt es nicht. Und in ihrer interaktiven Grafik zum Ausbau der Strassenanbindung von Terminal 3 erscheint die neue Abfahrt nach wie vor irgendwann Anfang 2018.
Petra Schmidt von der BI Mörfelden-Walldorf begrüsste die rund 200 Anwesenden, bedankte sich bei den Aktivist*innen und wies darauf hin, wie wichtig solche "direkten Aktionen des zivilen Ungehorsams" für sozial-ökologische Bewegungen wie den Widerstand gegen den Flughafenausbau sind.
Eine Aktivistin berichtete kurz über ihre Aktion und die dahinter stehende Motivation und bedankte sich für die Unterstützung, die sie von diversen Gruppen und aus der Bevölkerung bekommen haben.
Für die IGF wies Dirk Treber insbesondere auf den breiten Unterstützerkreis für das Konzert hin und erläuterte, in welcher Tradition diese Aktion steht. Er hatte noch viel zur Tradition des Widerstandes gegen den Flughafenausbau und die Rolle des künftigen Terminal 3 zu sagen, kürzte seinen Beitrag aber angesichts der Ungeduld einiger Anwesender. Man kann den
vollen Text seiner Rede aber nachlesen.
Dann begannen Bodo Kolbe, Ralf Baitinger und Bernd Pirner zu spielen und brachten zunächst einige Blues-Stücke aus Bodos älteren Programmen (laut Ralf ist Bodo der "Gottvater des Ried-Blues"). Trotz einer kleinen technischen Panne (wegen eines Defekts am Verstärker musste Bodo tatsächlich 'unplugged' singen) begeisterten die Songs, überwiegend bekannte Melodien mit lokalen Texten, die Zuhörer. Eine Kostprobe gibt es in diesem Video.
Höhepunkt dürfte aber für viele das 'einzige Kampflied' aus Startbahn-West-Zeiten, das die Drei im Programm hatten, gewesen sein (mit leicht modifiziertem Text, denn im Ried gibt es zwar immer noch Büttelborner, aber mit 'Börner-Bütteln' können heute viele nichts mehr anfangen). Es ist im folgenden Video zu hören:
Ralf Baitinger, Bodo Kolbe und Bernd Pirner mit einem Song aus Startbahn-Zeiten: "Senkrecht wie die Sparschel".
Im Vergleich zur Berichterstattung zu Beginn der Besetzungsaktion war die Presse-Resonanz nach dem Konzert eher gering. Ein guter Beitrag findet sich in Echo Online, während sich der Bericht in der FNP/Rüsselsheimer Echo eher so liest, als sei die Autorin garnicht da gewesen.
Für die, die da waren, war das Konzert aber eine nette Ermunterung und rief in Erinnerung, dass der Widerstand gegen den Ausbau in einer langen und guten Tradition steht, die fortgesetzt werden muss, wenn der Kampf gegen die Zerstörung der Region und gegen den globalen Klimawandel Erfolg haben soll.
Wie es im Treburer Wald weitergeht, wenn Fraport ernst macht, ist noch offen. Die Aktivist*innen haben angekündigt, dann wieder vor Ort zu sein, und es wird sich zeigen müssen, ob es gelingen kann, dann auch wieder eine aktive und starke Unterstützung durch lokale Gruppen und BIs zu entwickeln.
Vorher sind noch Landtagswahlen, aber es ist natürlich nicht zu erwarten, dass sich die politischen Verhältnisse so ändern, dass Fraport auch von dieser Seite mit Widerstand zu rechnen hätte. Wenn die Bürgerinnen und Bürger die Sache nicht selbst in die Hand nehmen, wird auch dieser Wald für den Profit von Fraport, Lufthansa & Co fallen, und die Region wird wieder ein Stückchen weniger lebenswert und lebensfähig sein.
Marianne Flörsheimer, neue Dezernentin für Lärmschutz in Rüsselsheim, eröffnet die Veranstaltung. Moderator Roger Treuting sorgt schon mal gegen allzu trockene Fakten vor.
27.03.2018
Unter diesem Titel hatte die BI Rüsselsheim am 20.03. zu Vortrag und Diskussion eingeladen, und es kamen auch ca. 30 Personen im Hasslocher 'Brauhaus' zusammen. Mit Marianne Flörsheimer, der neuen Dezernentin für Mobilitäts- und Verkehrsentwicklung, Lärmabwehr und Klimaschutz, die die Versammlung eröffnete, war sogar der Rüsselsheimer Magistrat vertreten. Die Einführung für die BI und die Moderation übernahm Roger Treuting.
In der Präsentation ging es zunächst um eine kurze Geschichte der Luftfahrt, die dazu dienen sollte, die aktuellen Entwicklungen besser einordnen zu können. Die war in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern auch von den ersten Anfängen vor dem ersten Weltkrieg bis in die jüngste Zeit geprägt von Versuchen privater Unternehmen, im Luftverkehrsmarkt Fuss zu fassen, die aber immer von massiven staatlichen Subventionen abhängig waren. Die speziellen Interessen des Staates und seines Militärs, der Länder und der Großstädte führten darüber hinaus auch immer wieder zu verstärkter Regulierung und Konzentration, die sowohl in der Weimarer Republik wie auch in der Bundesrepublik zu einem staatlich kontrollierten Quasi-Monopol der Lufthansa führten (wobei die zweite Lufthansa ausser Namen und Logo mit der ersten nichts zu tun haben, zumindest keine Verantwortung für deren Verbrechen übernehmen wollte).
Das änderte sich erst mit der Liberalisierung des Luftverkehrs im Rahmen des Siegeszuges des neoliberalen Wirtschaftsmodells in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Das EU-Luftverkehrsrecht wurde 'liberalisiert', die staatlichen Fluggesellschaften machten pleite oder fusionierten, und neue Anbieter drängten mit neuen Geschäftsmodellen in den Markt.
Neben den bisherigen sog. 'Netzwerk-Carriern', die unter staatlicher Kontrolle und unter Aufsicht der IATA die (entwicklte) Welt mit einem weitgehend abgestimmten Netz von Verbindungen überzogen, und den Charter-Fliegern, die im Auftrag anderer Unternehmen flogen und mehrheitlich als 'Ferienflieger' unterwegs waren und möglichst 'All inclusive'-Pakete verkaufen wollten, traten nun neu die sog. 'Billigflieger' auf, deren Geschäftsmodell im Kern darin bestand, reine Lufttransport-Leistung von einem Punkt zum anderen zu möglichst günstigen Preisen anzubieten.
Interesse war offensichtlich da - niemand ist sichtbar eingeschlafen.
Zu diesem Modell gehörte von Anfang an zwangsläufig dazu, die Betriebskosten soweit wie möglich
nach unten zu drücken - mit legalen wie mit illegalen Mitteln.
Neben organisatorischen Vorteilen wie die Beschränkung auf einen oder wenige Flugzeugtypen, was Wartung und Ersatz vereinfacht, hoher Auslastung pro Flug und pro Tag durch mehrere tägliche Umläufe im nationalen und insb. kontinentalen Verkehr, Aufbau von Basen an billigen Regionalflughäfen etc. gehörten dazu die Senkung der Personalkosten für das fliegende und das Boden-Personal sowie das Herunterfahren des Service und die Missachtung wichtiger Rechte der Kunden. Das wurde von den diversen Billigfliegern jeweils unterschiedlich weit getrieben. So wurde Ryanair, in Europa der grösste der Billigflieger, berüchtigt durch prekärste Arbeitsverhältnisse, explizite Missachtung von Arbeitnehmerrechten und extreme Gewerkschaftsfeindlichkeit, während Easyjet, die Nummer 2 in dieser Gruppe, in diesem Bereich besser dasteht, dafür aber teils noch krasser bei den Kunden spart, z.B. bei Erstattungen für Verspätungen etc..
Aber auch Germanwings/Eurowings und die Billig-Töchter der anderen grossen europäischen Fluggesellschaften können nur deshalb billiger fliegen als ihre jeweiligen Mütter, weil sie dieselben Instrumente, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, nutzen. Die aktuelle Boom-Phase der Luftfahrt und die daraus resultierende Personal-Knappheit führen zwar dazu, dass die Beschäftigten in einer etwas besseren Position und alle Fluggesellschaften bis hin zu Ryanair zu Verhandlungen mit den Gewerkschaften gezwungen sind. Ob das aber dauerhaft zu Verbesserungen führt, bleibt abzuwarten.
Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, Billigflieger zu kritisieren, wobei der Schwerpunkt je nach Gesellschaft unterschiedlich ist. Falsch ist es jedoch, die 'Billigflieger' als die Buhmänner aufzubauen, die für jede Schweinerei der Luftverkehrswirtschaft verantwortlich sind.
So ist am Frankfurter Flughafen zwar Ryanair für einen Großteil der
Verletzungen des Nachtflugverbots verantwortlich und trägt auch wesentlich zum Preisdruck auf die Bodenverkehrsdienste bei, ist aber für die Lärmzunahme insgesamt nur zu einem sehr kleinen Teil verantwortlich. Auch was den Schadstoffausstoss angeht, schneiden die modernen Flotten der Billigflieger durchweg besser ab als Lufthansa, die teilweise noch sehr altes, dreckiges und lautes Gerät in Betrieb hat. Und für viele Verbindungen (nicht für alle!) ist das Punkt-zu-Punkt-Modell auch ökologisch effizienter als das Hub-Modell, das leicht unnötig viele Starts und Landungen und entsprechende Lärm- und Schadstoff-Belastungen erzeugt.
Es kommt also darauf an, bei der Kritik präzise zu sein. Im Kern sind nicht die Billigflieger das Problem, sondern das 'billig fliegen', das von allen Airlines propagiert und von der EU und den meisten Mitgliedsstaaten unterstützt wird. Dagegen und gegen die Wahnvorstellung von den unbegrenzten Wachstums-Möglichkeiten, die die Luftverkehrswirtschaft wider besseres Wissen propagiert, gilt es vorzugehen.
Partiell nicht rechtskonform, Anforderungen nicht belegt:
Dieses Papier sollte Fraport dringend überarbeiten.
18.03.2018
Der Auftritt der Fraport am letzten Freitag im Bürgersaal unterschied sich zunächst nicht sehr von der ersten Veranstaltung vierzehn Tage vorher in Flörsheim. Die Reaktionen aus dem Publikum dürften ihnen aber noch weniger gefallen haben. Es gab weniger Fragen von Hausbesitzern, die künftig klammern wollten, dafür aber etliche Beschwerden von solchen, die bereits Anträge gestellt haben oder schon am Programm beteiligt waren. Massiver Pfusch bei der Ausführung wurde angesprochen sowie einige Ablehnungen von Anträgen, deren Begründung keinesfalls überzeugte.
Das war natürlich willkommener Anlass, einige Punkte aus der
unten formulierten Kritik vorzubringen. Die "klare Aussage zur Kostenübernahme" für alle Dächer war dabei naturgemäss der kritischste Punkt.
Bei der Verweigerung der Kostenübernahme für bestimmte Dachkonstruktionen betonten die Fraport-Vertreter mehrfach "ihre Rechtsauffassung", wonach die Planergänzung sie nicht dazu verpflichte, Dächer zu sichern, bei denen das "technisch nicht möglich" sei, was heissen soll, dass die Standard-Sicherungsmethoden da nicht anwendbar sind. In ihrer
Ausführungsbeschreibung heisst es etwas genauer, nach ihrer Auffassung seien "Kosten, die entstehen, um die Voraussetzungen für die Sicherung der Dacheindeckungen zu schaffen, nicht durch Fraport zu tragen, z.B. Instandsetzungsmaßnahmen bei nicht tragfähiger Unterkonstruktion". Damit konfrontiert, dass darüber nichts in der Planergänzung steht, sondern danach jedes Dach gesichert werden muss, dass nach den geltenden Regeln errichtet wurde und intakt ist (was bei den abgelehnten Anträgen nicht in Frage gestellt wurde), kam ihnen ihr freundlicher Ton kurzzeitig abhanden.
Der von Fraport auch ausdrücklich eingeladene Bürgermeister Jühe schlug als Kompromiss vor, die betroffenen Hausbesitzer sollten doch das Ministerium anschreiben und um Klärung der Rechtslage bitten, da die Frage sonst nicht zu entscheiden sei. Wir haben grosse Zweifel, dass das ein gangbarer Weg sein wird. Abgesehen davon, dass das Ministerium wohl kaum eine Einzelfall-Entscheidung treffen wird, kann es auch keine Lösung sein, dass für Betroffene, die sich öffentlich beschweren, ein Deal gefunden wird, während alle anderen weiterhin mit Unsicherheiten leben müssen. Wenn Fraport tatsächlich erreichen möchte, dass weitere Hausbesitzer ihr Misstrauen überwinden und Anträge stellen, dann müssen sie ihre Rechtsinterpretationen nach Pippi Langstrumpf ('Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt') aufgeben, ihre Bestimmungen überarbeiten und deutlich machen: regelkonform errichtete, intakte Dächer werden gesichert, egal, was es kostet.
Auch auf die Frage nach der Herkunft der speziellen Anforderungen für die Sicherung gab es keine befriedigende Antwort. In den Ausführungsbestimmungen heisst es:
"Aus dem Schutzziel, Dacheindeckungen gegen wirbelschleppenbedingte Windböen zu sichern, ergibt sich die Anforderung, die gesamte Dachfläche gegen Sogkräfte von 1.050 N/m² (charakteristischer Wert) zu sichern. Unter Hinzurechnung des Sicherheitsbeiwertes von 1,35 ist der Abhebewiderstand von 1417,50 N/m² für die gesamte Dachfläche herzustellen." Den 'charakteristischen Wert' findet man in der einschlägigen Norm, aber der 'Sicherheitsbeiwert' ist ein Fraport-Konstrukt, das kein Fachmann erklären kann.
Die Fraport-Vertreter munkelten etwas von speziellen Studien, hatten aber keine Quellenangabe parat, und entgegen ihrer Zusicherung existiert auch auf der Fraport-Webseite kein Hinweis darauf (jedenfalls nicht auf den Seiten zur Dachsicherung bis zum 16.03.). Immerhin haben sie versprochen, den Link nachzuliefern - wir sind gespannt.
Ignoriert wurde allerdings die Frage, wie denn sichergestellt sei, dass Unterkonstruktionen, die für die in der Region übliche Windlastzone 1 konstruiert wurden, diesen höheren Anforderungen standhalten, und warum Dächer, die gemäss diesen Anforderungen gesichert sind (z.B. genagelte Schieferdächer), nicht für die neuen Anforderungen ertüchtigt werden müssen. Einziges Argument dafür: bisher gab es noch keinen Schaden an einem gesicherten Dach - und vielleicht geht es ja auch weiterhin gut?
Bei der Frage nach dem Umgang mit gemeldeten Wirbelschleppen-Schäden war es auch nicht besser. Zwar wurde nochmals bestätigt, dass Fraport gemäss Planfeststellungsbeschluss für alle Schäden haftet, bei denen nicht bewiesen werden kann, dass sie nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen sind, und diese Haftung höchstens auf die Airline abwälzen kann, die den Überflug durchgeführt hat. Warum aber Fraport mehr als die Hälfte der bisher gemeldeten Schäden als 'nicht durch Wirbelschleppen verursacht' einstufen kann, ohne dafür plausible Kriterien nennen zu können, bleibt weiter offen. Bei dem Versuch, das doch noch irgendwie zu erklären, verhaspelten sich die Fraport-Vertreter derart, dass nur eine Schlussfolgerung übrig bleibt: der ganze Vorgang ist so intransparent, dass sie selber nicht mehr durchblicken. Eine entsprechende Aussage nahmen sie allerdings auch sichtbar übel.
Die Haftungsfrage wurde allerdings von Thomas Jühe nochmal problematisiert, der zu bedenken gab, dass ein Gericht durchaus auch die Hausbesitzer in der Pflicht sehen könnte, diese Sicherung auch vornehmen zu lassen. Und er hat nicht Unrecht, denn schon 2013 hat der VGH Hessen in einem Urteil zu einem anderen Fall ungefragt philosophiert, "dass im Fall der Verweigerung der Durchführung dieser Maßnahme und des Eintritts eines daraus folgenden Schadens an Rechtsgütern Dritter der jeweilige Hauseigentümer oder dinglich Berechtigte aus der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht ... haften dürfte, wenn von einer zumutbaren Maßnahme zur Gefahrenbeseitigung oder -verringerung kein Gebrauch gemacht wurde".
In all diesen Fällen bleibt es dabei: die schönen Worte der Fraport-Vertreter nutzen garnichts, wenn die dahinter stehenden Rechtsfragen nicht verbindlich geklärt werden, und das passiert letztendlich nur durch die Gerichte, da die Politik unwillig oder unfähig ist, die Rahmenbedingungen klar und eindeutig zu formulieren. Das gilt natürlich auch für all die Fragen, die auf den Veranstaltungen nicht angesprochen werden konnten oder keine Antwort bekamen, wie z.B. die Frage, was mit anderen Dachaufbauten, Fassaden-Anbauten oder Gegenständen am Boden ist, die ebenfalls von Wirbelschleppen erfasst, herumgeschleudert oder beschädigt werden können.
Letztendlich bleibt es dabei: die Dachsicherung ist wohl notwendig, bleibt aber Flickwerk. Mehr Sicherheit kann es nur dann geben, wenn weniger und höher angeflogen wird. Das aber war erst recht nicht Thema der Fraport, und davon wollen sie auch nichts hören. Wir werden es ihnen trotzdem immer wieder sagen.
Im Wachstumswahn vereint: FRA & LH
17.03.2018
In dieser Woche haben sowohl
Fraport
als auch
Lufthansa ihr Jahresergebnis 2017 vorgestellt, und die Rekorde purzeln nur so. "Starkes Ergebnis gestützt von deutlichem Verkehrswachstum", in Frankfurt "von 6,1 Prozent auf mehr als 64,5 Millionen Fluggäste", prahlt Fraport, "das beste Ergebnis in der Geschichte unseres Unternehmens" heisst es bei Lufthansa, wo die Zahl der Flüge um über 10% auf mehr als 1,1 Millionen weltweit zugenommen hat.
Wer sich für die Details interessiert, findet jede Menge Zahlen und Erklärungen im jeweiligen Geschäftsbericht, der bei
Fraport 239 Seiten und bei
Lufthansa 232 Seiten umfasst.
Beiden Konzernen ist gemeinsam, dass sie erstens in Geld schwimmen und zweitens bei Umsatz und Tätigkeiten wachsen, kaum aber beim Personal. Und beide wollen im nächsten Jahr so weiter machen.
Bei Fraport fällt besonders auf, dass die Bedeutung des eigentlichen Kerngeschäfts ('Aviation' und 'Ground Handling' am Flughafen Frankfurt) weiter geschrumpft ist und noch 55% des Umsatzes, aber nur noch 30% des Gewinns ausmacht. Neben der weiter florierenden Airport City ('Retail and Real Estate', 18 bzw. 38%) sind es besonders die internationalen Beteiligungen ('International Activities', 28 bzw. 38%), die das Geld in die Kasse spülen. Besonders pervers dabei ist der von Fraport stolz betonte hohe Beitrag der 14 griechischen Flughäfen, die sie
letztes Jahr übernommen haben, um den griechischen Staat von dieser Last zu befreien.
Lufthansa ist besonders stolz auf die "Senkung der Stückkosten der Passagier-Airlines", was übersetzt heisst, dass Löhne und Sozialleistungen weiter reduziert werden konnten. Weniger stark wird betont, dass die
Preistreiberei nach der Air Berlin-Pleite ebenfalls deutlich zu dem guten Ergebnis beigetragen hat.
Während die meisten Zeitungen nur die guten Zahlen wiedergeben,
geht die FNP auf die Folgen dieses Wachstums für das Umland ein. Sie berichtet aus der Pressekonferenz, dass Fraport in 2018 "mit einem Anstieg der Flugbewegungen um satte neun Prozent bzw. 42 798 auf insgesamt 518 335 Starts und Landungen" rechnet, während die Zahl der Passagiere "zwischen 3,9 und 6,2 Prozent" wachsen soll. Dieses überproportionale Wachstum der Flugbewegungen liege daran, dass die Airlines aktuell wieder kleinere Maschinen einsetzen, und dazu "trägt auch die zunehmende Zahl der Billigflieger und der Ferienflieger" bei.
Für Fraport heisst das aber nur, dass der Bau von Terminal 3 und insbesondere der des Billig-Flugsteigs G nur noch dringender wird. Handlungsbedarf beim Lärmschutz sieht Fraport-Chef Schulte nicht, und die sog 'Lärmobergrenze' spielt für ihn natürlich auch keine Rolle, denn er weiss so gut wie wir, dass sie
völlig wirkungslos ist.
Wird das alles wahr werden, und wird sich dieser Trend womöglich weiter fortsetzen? Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Prognosen auf diesem Gebiet sehr unsicher sind. Klar ist, dass Fraport weiterhin mit allen Mitteln versuchen wird, Flugverkehr anzuziehen. Klar ist auch, dass Lufthansa in allen Bereichen ihren Marktanteil weiter ausbauen will und weiterhin Wettbewerber niederkonkurrieren und übernehmen will. Beides führt tendenziell zu mehr Flugbewegungen in Frankfurt. Die Entwicklung anderer Airlines spielt demgegenüber eine viel kleinere Rolle. Die Lufthansa-Gruppe ist nach wie vor
für rund zwei Drittel der Bewegungen auf FRA verantwortlich, und ihre Zu- oder Abnahme dominiert das Geschehen, selbst wenn andere, wie z.B. Ryanair, höhere Wachstumsraten aufweisen.
Auf der anderen Seite wird der Luftverkehr
zunehmend konjunkturabhängig, und die Warnungen vor einem Einbruch werden zunehmend lauter. Daher ist offen, was langfristig genau passieren wird. Ziemlich sicher ist nur: wenn nicht politisch wirksame Grenzen eingezogen werden, wird es sobald nicht leiser.
Ausnahmsweise mal ein VGH-Urteil pro Lärmschutz
16.03.2018
Wie aus der Pressemitteilung des Gerichts hervorgeht, hat der VGH Kassel eine Klage gegen die Anwendung der 'Rückenwind-Komponente', die eine Beibehaltung der 'bevorzugten Betriebsrichtung' 25 (Anflug aus Osten) auch bei schwachem Ostwind erlaubt, abgewiesen. Geklagt hatten drei Privatleute aus dem Frankfurter Süden, unterstützt vom Verein 'Stop Fluglärm', da sie durch diese Regel zusätzlich mit Fluglärm belastet werden.
Die Presse-Berichterstattung z.B.
in der FAZ, aber weitgehend gleichlautend auch in FNP und FR, konzentriert sich auf die Tatsache, dass die Klage deshalb abgewiesen wurde, weil es den Klägern "schon an der erforderlichen Klagebefugnis sowie an einem Rechtsschutzinteresse" fehle. Das ist immer die erste Hürde für eine Klage, und das Scheitern wird damit begründet, dass die Regelung "in erster Linie der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs und die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Rahmen des Flugplatzverkehrs" diene und daher nicht aufgrund von Einzelinteressen angegriffen werden kann.
Das ist ein interessanter Gesichtspunkt, denn er weist darauf hin, dass die 'bevorzugte Betriebsrichtung' nicht (nur) aus Lärmschutz-Gründen, sondern auch aus betriebstechnischen Gründen die BR25 ist. Das ist auch plausibel, denn die Startbahn 18 West liegt nun mal am westlichen Ende der Parallelbahnen und der Zubringer wird von den Anflügen bei BR07 gekreuzt, nicht bei BR25.
Das Gericht belässt es aber nicht dabei und führt weiter aus: auch wenn man in der Regelung eine "Entscheidung über die Lärmverteilung ... sehen wollte", sei die "durch die Abwägung in dem Planfeststellungsbeschluss 2007 ersetzt worden". Diese hätte aber im Rahmen des damaligen Verfahrens angegriffen werden müssen.
Daran ist auch wieder interessant, dass für eine Veränderung der Rückenwind-Komponente dann auch die Lärmabwägung im Planfeststellungsbeschluss verändert werden müsste, was bekanntlich eine hohe Hürde darstellt.
Klar ist aber ohnehin, dass auch eine neue Lärmabwägung zu keinem anderen Ergebnis führen könnte. Raunheim ist nach allen verfügbaren Kriterien immer noch die am meisten mit Fluglärm belastete Stadt, hier werden die höchsten Dauerschallpegel und die lautesten Einzelschallereignisse gemessen. Nimmt man noch das Wirbelschleppenrisiko hinzu, das praktisch nur in Raunheim und in Flörsheim existiert und bei schwachen Winden am höchsten ist, ist klar, dass es keine Rechtfertigung dafür geben kann, die Rückenwindkomponente aufzugeben und mehr Anflüge über Raunheim und Flörsheim zu verlagern.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass diese Aspekte weder das Gericht noch die beklagte DFS oder gar Fraport sonderlich interessiert haben, dürfen wir uns doch über dieses Urteil freuen. Es sichert zwar nur den Status quo, aber es hätte ja auch noch schlimmer kommen können.
Die wahre Bedeutung von 'CORSIA'
07.03.2018
Die Frist für die Einreichung von Stellungnahmen der Mitgliedsstaaten zum Klimapaket der ICAO, dem sog. 'CORSIA package', ist gerade abgelaufen, und normalerweise gibt es zu einer solchen Gelegenheit mindestens eine kurze Mitteilung über die Anzahl der eingegangenen Stellungnahmen und die wesentlichen Inhalte. Von ICAO gibt es offiziell nichts. Auf ihrer CORSIA-Homepage wird das Paket nicht einmal gesondert erwähnt, sondern taucht nur als ein Punkt auf in einem Zeitplan, der scheinbar reibungslos abläuft.
Was es stattdessen gibt, sind
düstere Warnungen von Industrievertretern, dass der Zeitplan nicht in Gefahr geraten dürfe und das Paket Mitte des Jahres verabschiedet werden muss, wenn die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen rechtzeitig getroffen werden sollen. An wen sich diese Warnungen richten und wer den Zeitplan in Gefahr bringen könnte, bleibt dabei offen.
Aus der Gerüchteküche verlautet allerdings, dass es massive Probleme gibt, die eigentlich abgeschlossene Anhörungsphase
verlängert werden muss und wichtige Entscheidungen verschoben werden müssen. Angesichts der ohnehin
vorhandenen Mängel in diesem Paket wäre das eine nahezu vollständige Bankrotterklärung.
Von seiten der Bundesregierung und der EU, die an den Verhandlungen beteiligt sind, gibt es auch keinerlei offizielle Informationen, und im Klimaschutzportal des BDL ist die Welt natürlich auch wie immer in schönster Ordnung. Diese Ignoranz wird nur noch getoppt durch die Frechheit von Ryanair, die sich als 'grünste Airline Europas' verkaufen möchten, weil sie erstmals in ihrer Geschichte ein paar magere Seiten Umweltprogramm zusammengeschrieben haben. Darin 'erlauben' sie z.B. ihren Kunden, den Klimaschaden, den sie durch den Flug mit Ryanair verursachen, individuell zu kompensieren.
Das alles passiert vor dem Hintergrund, dass gerade der touristische Flugverkehr weiter boomt und auch die völlig überflüssigen innerdeutschen Flüge, die durch die Air Berlin-Pleite etwas zurückgegangen waren, wieder das alte Niveau erreichen. Von Fortschritten im Klimaschutz im Luftverkehr kann also nirgendwo die Rede sein. Im Gegenteil wird immer wieder deutlich, dass es nirgends ernsthafte Anstrengungen gibt, solche Fortschritte auch nur erreichen zu wollen. Und nach allem, was bisher dazu bekannt wurde, muss man auch erwarten, dass die neue Bundesregierung, die in Kürze ins Amt kommt, hier ein Totalausfall wird.
Zugleich stellt der Deutsche Wetterdienst fest, dass Deutschland und Europa auch 2017
im Zeichen des Klimawandels standen, berichten viele Medien über
Extreme in der Arktis und stellen Studien fest, dass der Meeresspiegel schneller und höher steigt als bisher vorhergesagt. Für künftige Urlauber heisst es dann möglicherweise: 'Sie müssen nicht mehr ans Meer fliegen - das Meer kommt zu Ihnen ...'.
Wie sich herausstellt, hat die EU doch reagiert und einen
Brief
an ICAO geschickt, in dem Einverständnis mit dem vorgelegten Paket ausgedrückt wird. Ausserdem enthält er noch ein paar Ermahnungen bezüglich der noch zu erledigenden Hausaufgaben, damit das Paket angewendet werden kann, und eine Drohung: sollten Teile des Pakets noch einmal offiziell zur Diskussion gestellt werden, wird auch die EU ihre nicht erfüllten Forderungen wieder auf den Tisch legen (und nach einer Schamfrist wieder einknicken, aber das steht nicht in dem Brief, es muss auch nicht extra betont werden). Ob dieser Brief auch die Position aller EU-Mitgliedsstaaten wiedergibt, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Nur von Norwegen ist bekannt, dass es in einigen Punkten noch
höhere Anforderungen
stellt und ebenfalls vor weiterer Verwässerung warnt.
Aus den 10 Seiten, in denen die EU-Forderungen nochmal aufgelistet sind, die der ICAO-Vorschlag nicht erfüllt, kann man noch einiges über die Mängel dieses Vorschlags lernen, z.B. über die fehlende Verbindlichkeit gewisser Qualitätsanforderungen, Schlupflöcher für die Art der vorzulegenden Offsets und mangelnde Transparenz.
Angeblich wollen auch die USA CORSIA weiter unterstützen, aber ob diese Aussage weiter gelten wird, nachdem Präsident Trump gerade seinen für Klimaverhandlungen zuständigen Aussenminister gefeuert hat, ist nicht sicher. Tillerson wusste als langjähriger Mitarbeiter und zuletzt CEO des Ölkonzerns Exxon ja schon seit Jahrzehnten, dass der Klimawandel real ist, sein wahrscheinlicher Nachfolger Pompeo gilt als 'treuester Schoßhund' der Koch Brothers, der reichsten Klimawandel-Leugner in den USA.
Eindeutiger Fall: nur ein möglicher Verursacher, Wetterdaten passen
06.03.2018
Vergangene Woche gab es in Flörsheim gleich zwei Ereignisse zum Thema Wirbelschleppen: am Dienstag, den 27.02., holte gegen 14:30 Uhr eine Wirbelschleppe in der Lahnstrasse, dicht unter der Anfluglinie, etliche Ziegel vom Dach, die auf den Bürgersteig krachten und zwei geparkte Autos beschädigten, und am Freitag, den 02.03., warb Fraport in der Stadthalle für das Klammerungsprogramm.
Oben fehlen die Ziegel,
unten liegen die Trümmer
Das reale Ereignis ist schon fast Routine, und es gibt keine Besonderheiten, ausser vielleicht dass die Ziegel besonders schwer waren. Der Verursacher war ein Boeing 777, das einzige Flugzeug, das im fraglichen Zeitraum landete; die Ziegel flogen auf den Bürgersteig und auf parkende Autos, aber Menschen waren zum Glück da nicht unterwegs. Windrichtung und Stärke passten ziemlich gut zur tatsächlichen Ausbreitung der Wirbelschleppe, und auch für Fraport-Sachverständige und Dachdecker war der Fall eindeutig. Alles wie gehabt.
Das zweite Ereignis hatte allerdings phasenweise etwas Surreales. Zwar entsprach die Präsentation der Fraport den Erwartungen und schilderte das Klammerungsprogramm in den rosigsten Farben. Hausbesitzer, die es in Anspruch nehmen, sollen jede Art von Unterstützung bekommen, Fraport übernimmt auf Wunsch alle Arbeiten und auch alle Kosten für die Sicherung und hilft auch mit, wenn noch andere Arbeiten vorgenommen werden sollen. Kritisch wurde es allerdings schon in dem Punkt, was denn diese 'anderen Arbeiten' sein könnten.
Offene Frage: Wer haftet wie bei Personenschäden ?
Die Fraport-Vertreter waren richtig gut darin, gerade so unkonkret zu formulieren, dass der gewünschte Eindruck entstand, ohne sich wirklich genau festlegen zu müssen. Es bedurfte schon sehr konkreter Fragen, um herauszukitzeln, dass natürlich zwischen 'Dachsicherung' und 'Dachsanierung' unterschieden werden soll und Fraport nur das eine, nicht aber das andere bezahlt. Und wer entscheidet, welche Arbeit wozu gehört? Natürlich die Fraport-Experten, irgend eine halbwegs neutrale Stelle ist dafür nicht vorgesehen. Wem das Ergebnis nicht passt, der kann ja klagen (wenn er genug Geld oder eine gute Rechtsschutz-Versicherung hat).
Wer also kein finanzielles Risiko eingehen will, muss sehr viel Vertrauen in Fraport haben oder die Finger von dem Programm lassen, wenn er absehen kann, dass sein Haus zu den Problemfällen gehören könnte (also z.B. alt ist). Dass es mit dem Vertrauen in Fraport auch in Flörsheim nicht weit her ist, wurde in etlichen Reaktionen aus dem Publikum deutlich.
Interessant war noch die Reaktion der Fraport-Vertreter auf die Frage, wer denn haften müsse, wenn Ziegel aus einem nicht geklammerten Dach gerissen werden und Personen zu Schaden kommen. Hier wäre eigentlich die mehr oder weniger versteckte Drohung zu erwarten gewesen, dass dann wohl der Hausbesitzer, der das Klammer-Angebot nicht angenommen hat, verantwortlich wäre. Tatsächlich lautete die (schon eher korrekte) Antwort aber: die Airline bzw. der Pilot, die/der durch den Überflug den Schaden verursacht hat, müsse haften. Auf den Einwand, dass die Piloten ja auf dem vom Flughafen vorgegebenen Leitstrahl fliegen und garnicht abweichen dürfen, fiel ihnen aber auch nichts mehr ein.
Wenn das selbe Spektakel am 16.03. in Raunheim stattfindet, muss man sich darauf einrichten, die gleichen fragwürdigen Aussagen und wolkigen Versprechungen zu hören. Nur falls Menschen da sind, die schon Erfahrungen mit Problemfällen gemacht haben und diese schildern können, könnte man vielleicht damit rechnen, wirklich relevante Aussagen zu technischen Details zu bekommen. Ansonsten wird es wohl darum gehen müssen, die Fragen zu den Rahmenbedingungen aufzuwerfen, die wir unten schon beschrieben haben. Mit aussagekräftigen Antworten ist nach der Flörsheimer Erfahrung allerdings kaum zu rechnen.
Auch die Main-Spitze hat unsere unten formulierte Kritik ausführlich wiedergegeben. Ob das dazu beitragen kann, von Fraport Antworten zu bekommen, bleibt abzuwarten.
Ryanair auf Konfrontationskurs ?
03.03.2018
Minister Al-Wazir ist in der traurigen Lage, selbst kleinste Erfolge öffentlich feiern zu müssen, da es grosse nicht gibt. So teilt er denn in einer
Pressemitteilung freudig mit, dass die Zahl der verspäteten Landungen nach 23:00 Uhr von Ryanair-Maschinen von 35 im Dezember 2017 auf 9 im Februar 2018 zurückgegangen ist, und führt das auf den "anhaltend hohen Druck" durch sein Ministerium zurück. Seine Beamten haben auch noch ein paar Prozentzahlen gefunden, die sich in die richtige Richtung bewegen, auch wenn sie seltsam konstruiert wirken.
Die Begeisterung hält einer kritischen Prüfung aber wieder einmal nicht stand. Zunächst: Soll man einen Kriminellen loben, der durch schwere Raubüberfälle aufgefallen ist, sich aber, weil sich keine fette Beute bietet, eine Zeitlang auf Taschendiebstähle beschränkt? Januar und Februar sind traditionell die Monate mit der niedrigsten Zahl an Flugbewegungen und dem geringsten Tourismus-Aufkommen, dem Hauptschuldigen für Nachtlandungen. Auch ist natürlich vor dem Hintergrund der ohnehin völlig unzureichenden Nachtflugbeschränkungen auf nur 6 Stunden jede Flugbewegung in dieser Zeit eine zuviel. Und schliesslich ist der Gesamttrend nicht so positiv, wie der Minister es darstellt: die Gesamtzahl der Landungen nach 23:00 Uhr ist zwar von einem Hoch von 66 im Dezember auf 27 im Januar gefallen, aber mit 26 im Februar dann fast gleich geblieben, und man kann darauf wetten, dass sie mit zunehmendem Tourismusverkehr wieder ansteigen wird. Insgesamt macht das Ministerium bei der Durchsetzung der Nachtflugregeln keinen guten Job.
Wie man es besser machen könnte, deutet eine
Meldung aus Hamburg an: dort soll Billigflieger Easyjet insgesamt fast eine halbe Million Euro für 21 verspätete Starts nach 23:00 Uhr im Jahr 2017 zahlen, als Abschöpfung des Gewinns bzw. der eingesparten Kosten durch diese Starts. Das klingt immerhin nach angemessener Abschreckung für Verletzungen der Nachtflugbeschränkungen, aber auch hier bleiben Fragen.
Ohne Einverständnis und Unterstützung des Flughafens kann kein Flieger starten. Wenn einer zu spät zur Landung kommt, kann man ihn nicht bis zum Morgen in der Luft hängen lassen, aber wer nicht rechtzeitig wegkommt, kann durchaus bis zum nächsten Morgen am Boden stehen bleiben. Wieso konnten die Easyjet-Maschinen überhaupt starten, wenn der Flughafen seine Beschränkungen ernst nimmt? Und könnte das plötzliche radikale Durchgreifen auch damit zu tun haben, dass Easyjet seine Basis in Hamburg
im März schliessen wird?
Grundsätzlich wären Summen in dieser Grössenordnung aber sicher notwendig, um den Fluggesellschaften einen Anreiz zur Einhaltung der Beschränkungen zu geben. Auf FRA sind die Gebühren für eine Landung nach 23:00 Uhr nur wenige hundert Euro höher als davor, ausserdem sparen verspätete Flugzeuge auch noch Parkgebühren ein, so dass sich die Mehrkosten für eine Spätlandung im Vergleich zu den Gesamtkosten eines Fluges im Promille-Bereich bewegen.
Die FR-Kommentatorin macht die zitierte Aussage
"Es wird lauter" allerdings primär garnicht an den verspäteten Landungen von Ryanair fest, sondern an der
zusätzlichen Verlagerung von Ryanair-Maschinen vom Hahn nach FRA. Das allerdings ist eine ganz normale Konsequenz der üblichen Ryanair-Geschäftspolitik, die ihre Flugzeuge da einsetzt, wo es aktuell den höchsten Profit verspricht - und da wirken die Fraport-Rabatte offenbar weiterhin.
Auch ansonsten
verteidigt Ryanair sein Geschäftsmodell: nach vorübergehenden versöhnlichen Tönen gegenüber der eigenen Belegschaft fahren sie wieder den alten Konfrontationskurs gegen die Gewerkschaften und setzen auf prekäre Arbeitsverhältnisse, was selbst die privilegierten Piloten veranlasst, einen
bösen Brief zu schreiben und Chef O'Leary
zum Rücktritt aufzufordern - bisher ohne Erfolg.
Aber auch wenn Ryanair die Gesellschaft mit dem miesesten Geschäftsmodell und der minimalsten gesellschaftlichen Verantwortung ist, sind die Haupt-Krachmacher und Krach-Treiber andere. Das wurde u.a. auch auf der jüngsten Lobby-Veranstaltung deutlich, dem sog. 'Verkehrsforum' der 'Vereinigung hessischer Unternehmerverbände' VhU. Während dieser obskure Verein in seiner
Pressemitteilung sich darauf beschränkt, weitere Forderungen an die Politik zu formulieren, berichtet die FAZ über
Hintergründe.
Da kann man dann lesen, dass Lufthansa fast zwei Drittel der Passagiere von FRA befördert und für weiteres Wachstum sorgen will, wozu natürlich die Politik noch ordentlich Subventionen nachlegen soll. Fraport verspricht, die Entgelte auch im laufenden Jahr nicht zu erhöhen und agitiert weiter für eine 'Flexibilisierung' der Nachtflug-Beschränkungen. Und die anwesenden Vertreter der Ausbau-Parteien CDU, SPD, FDP und Grüne bekräftigen, dass sie diese Bemühungen unterstützen werden, wobei ausgerechnet CDU-Boddenberg (es ist Wahlkampf!) die Nachtflugregelungen in Schutz nimmt. Und der Grüne Frank Kaufmann weist darauf hin, dass das Wachstum doch bitte nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ sein soll - weniger Billigflieger, mehr Bussiness-Class; weniger Massendurchsatz, mehr konsumkräftige Kundschaft. Fraport und Lufthansa werden es mit Freuden gehört haben.
Für diejenigen. die unter Lärm und Abgasen leiden, bleibt nur die Schlussfolgerung: wenn man diesen Figuren freie Hand lässt, wird nichts besser. Widerstand ist nötig, und auch wer wählen geht, sollte sich gut überlegen, was er/sie mit seiner/ihrer Stimme unterstützt.
Fake News ? Ein solches Foto ist unmöglich, aber der Zusammenhang existiert trotzdem.
(Fotos: DLR, Linnmann, Montage: netspett)
24.02.2018
Derzeit werden in Raunheim und Flörsheim Briefe der Fraport verteilt, mit denen die "lieben Nachbarinnen und Nachbarn" zu Bürgerveranstaltungen eingeladen werden, am 2. März in Flörsheim und am 16. März in Raunheim. Nicht alle gehören offensichtlich dazu, aber ob das Schlamperei ist oder gezielt ausgesucht wurde, ist nicht erkennbar. Aber auch wer keine Einladung bekommen hat, kann
aus der Presse erfahren, worum es geht.
Tatsächlich gibt es in der Zeitung mehr Infos, denn während Fraport nur verkündet, sie möchten uns "persönlich von den Vorteilen dieses Programms überzeugen und Ihnen alle Fragen diesbezüglich beantworten", sind da noch ein paar Hintergründe zu lesen. Interessant sind die Aussagen zum Stand des Programms:
Wir hätten daher ein paar Tipps, wie Fraport diese Probleme zumindest teilweise reduzieren könnte.
Das sollte Fraport eigentlich nicht schwerfallen, denn die Planergänzung ist da (ausnahmsweise mal) recht eindeutig:
"1. Die Eigentümer von Grundstücken, die innerhalb der in der Anlage zu diesem Planergänzungsbeschluss bezeichneten Gebiete belegen sind oder von den Gebietsgrenzen angeschnitten werden, können verlangen, dass die Dacheindeckungen von Gebäuden auf diesen Grundstücken ... gegen wirbelschleppenbedingte Windböen gesichert sind."
Einzige Ausnahme:
"4. Der Anspruch nach Ziffer 1 besteht nicht, soweit die auf den Grundstücken errichteten Gebäude hinsichtlich der Dacheindeckungen den Anforderungen des § 12 der hessischen Bauordnung in der zum Zeitpunkt ihrer Errichtung anwendbaren Fassung nicht genügen."
Wie das hessische Baurecht sich im Lauf der Zeit entwickelt hat und welche Bauordnung wann gültig war (wenn es überhaupt eine gab), kann man einer
Übersicht entnehmen, die das Ministerium ebenfalls zur Verfügung stellt.
Wenn also ein Dach zur Sicherung angemeldet wird, darf der folgende Prozess nur eins von zwei Ergebnissen haben: Entweder Fraport weist nach, dass das Dach "zum Zeitpunkt [der] Errichtung" der HBO nicht genügte, oder es ist anschliessend gesichert, und Fraport trägt alle Kosten. Punkt.
Mehr Transparenz könnte helfen, Vertrauen aufzubauen. Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, die Maßnahmen an einem speziellen Haus öffentlich zu machen; das wäre Sache der Besitzer, falls es Streit gibt.
Aber Fraport könnte generell besser darüber informieren, wie sie mit Wirbelschleppenmeldungen umgehen und Schäden bewerten. Die
Statistik der gemeldeten Dachbeschädigungen umfasst inzwischen seit Juli 2013 92 Meldungen. In mehr als der Hälfte der Fälle (48, entspricht 52%) behauptet Fraport, die Schäden seien "nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen", auch wenn sie nur in einem einzigen Fall sagen, eine "sonstige Schadensursache konnte ermittelt werden".
Hier müsste das Märchen vom fachmännischen Blick von der Straße endgültig beerdigt und klargelegt werden, nach welchen Kriterien bewertet wird, ob ein Wirbelschleppen-Schaden vorliegt bzw. ausgeschlossen werden kann. Solange das nicht passiert, werden sich die "lieben Nachbarn" nicht ernstgenommen fühlen und Fraport-Aussagen mit berechtigtem Misstrauen begegnen.
Auch wären da noch eine Reihe von offenen Fragen zu klären. Was sagt Fraport denn dazu, dass Wirbelschleppen offenbar auch Rollläden herunterreissen oder Dachfenster beschädigen können?
Ein Eingeständnis, dass mit der Dachklammerung eben nicht alle Gefahren beseitigt sind, würde ebenfalls wesentlich zu mehr Glaubwürdigkeit beitragen.
Und schließlich: ist es richtig, dass auch in Rüsselsheim schon Dachschäden 'reguliert' wurden, und geht Fraport, wie auch
das DLR-Gutachten davon aus, dass auch dort Wirbelschleppen-Schäden auftreten können?
Wenn es dort Antworten zu all diesen Fragen gäbe, wäre das eine richtig interessante Veranstaltung. Leider können wir nach den bisherigen Erfahrungen nicht davon ausgehen, dass das so sein wird. Trotzdem werden wir natürlich da sein und (wenn wir dürfen) diese Fragen stellen, denn wie heisst es so schön: "Die Hoffnung stirbt zuletzt".
Unabhängig von diesen Veranstaltungen und davon, was Fraport sagt oder nicht sagt, gibt es aber eine Reihe von Maßnahmen, deren Umsetzung tatsächlich dazu führen würde, dass das Risiko von Schäden durch Wirbelschleppen, das ja nur in Raunheim und Flörsheim existiert, reduziert würde. Im Einzelnen wären das:
... und das auch noch im Wahljahr.
21.02.2018
Die jüngste
Sitzung der Fluglärmkommission brachte eine Überraschung. Obwohl sie in der Vergangenheit immer bemüht war, auch den kleinsten Ansatz von Bereitschaft zur Umsetzung von mehr Schallschutz von seiten der Luftverkehrswirtschaft und der Landesregierung positiv zu würdigen, hat sie dem neuen Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz des 'Forums Flughafen und Region' (das eine vom Wirtschaftsministerium eingerichtete und unterhaltene Institution ist), die Zustimmung verweigert. Offensichtlich ist mit diesem Papier eine Grenze überschritten.
Das FFR hat zwar versucht, mithilfe von
mehr als 60 schönen Bildchen die Kommissionsmitglieder von den Segnungen dieses Programms zu überzeugen, aber geholfen hat das nicht. Der
Beschluss dazu ist sehr knapp gehalten und erklärt die Kooperationsbereitschaft zur Prüfung einzelner Maßnahmen, aber die
Pressemitteilung wird deutlicher und lässt das Ausmaß des Unmuts zumindest erahnen:
Ansonsten gab es in der FLK offensichtlich überwiegend Informationsbeiträge, u.a. ausführlich zu den unterschiedlichen Positionen zur Rechtmäßigkeit des vorgezogenen Baus eines 'Billig-Fingers' für Terminal 3 und wie immer jede Menge statistische Berichte.
Interessant auch für Raunheim ist noch ein
Antrag der Stadt Rüsselsheim für ein besseres Monitoring der Lärmwirkungen der neuen Navigationsmaßnahmen für die Südumfliegung. Hintergründe dazu aus Rüsselsheimer Sicht erläutert ein ausführlicher
Artikel im Rüsselsheimer Echo. Auch für Raunheim ist natürlich wichtig zu sehen, ob die Maßnahmen die erwarteten Wirkungen zeigen und auch unnötige Annäherungen an das Stadtgebiet dadurch vermieden werden.
Es wird sicher spannend werden zu sehen, ob die Fluglärmkommission auch künftig mehr Distanz zu Luftfahrtindustrie und Landesregierung wahren und verstärkt auf ernsthafte Maßnahmen für mehr Schallschutz (und zur Verringerung der Schadstoff-Belastung) drängen wird. Die letzte Sitzung war jedenfalls schon mal ein Anfang.
Der Narr weiss es, der Politiker ignoriert es ...
18.02.2018
In den letzten Monaten haben die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema 'Ultrafeine Partikel' in einer Weise zugenommen, dass es schwierig wird, den Überblick zu behalten. Auch zum Beitrag des Luftverkehrs zur Belastung mit solchen Teilchen werden immer mehr Details bekannt. So hat z.B. die ETH Zürich im Juni 2017 eine Konferenz zu 'Nanopartikeln aus Verbrennungsprozessen' veranstaltet, in deren abschliessendem Bericht es heisst:
Neben der globalen Dimension geraten aber zunehmend auch die Bedingungen rund um Flughäfen in den Blick. Selbst in der begrenzten Zahl der uns zugänglichen englisch-sprachigen Fachzeitschriften und Datenbanken sind im letzten Jahr mehr als zwei Dutzend Fachartikel über die Auswertung von Messungen zu Ultrafeinstaub rund um Flughäfen erschienen, die Gesamtzahl dürfte deutlich höher sein. Aber schon darin finden sich eine ganze Reihe von Ergebnissen, die auch für die Situation hier im Rhein-Main-Gebiet relevant sind.
Eins der umfangreichsten Meßprogramme zu Ultrafeinstaub aus dem Flugverkehr läuft schon seit Jahren am Flughafen Los Angeles International (LAX), dem
viertgrössten der Welt (FRA liegt auf Platz 13). Dort wurde u.a. festgestellt, dass
Nichts davon spielt allerdings bisher in der politischen Diskussion oder der Praxis der Luftüberwachung in Deutschland eine Rolle. Die HLNUG möchte noch monate- oder gar jahre-lang messen, um Zusammenhänge zu bestätigen, an denen zu zweifeln kein vernünftiger Grund existiert, ohne dabei irgend etwas Neues zu produzieren. Auch die neu beschafften Frankfurter Meßgeräte werden nur im Detail überprüfen, was im Allgemeinen schon bekannt ist. Solche Messungen sind nicht unwichtig, aber sie sind auch nicht das, was die Diskussion jetzt voran bringen könnte. Dazu müssten die Hinweise, die die bisherigen Untersuchungen über die Rolle der spezifischen Parameter der Flugzeug-Partikel (Grössenverteilung, Oberfläche, chemische Zusammensetzung) geliefert haben, genauer untersucht werden. Davon aber sind die hier eingesetzten Messmethoden weit entfernt.
Aber selbst dort, wo genauer gemessen wird, werden die Ergebnisse häufig politisch ignoriert. So findet in London gerade eine heftige Auseinandersetzung über den geplanten Bau einer dritten Bahn am Flughafen Heathrow statt, mit Expertengruppen und Anhörungen zu vielen wichtigen Fragen. Luftverschmutzung ist dabei ein zentraler Punkt - aber die Diskussion konzentriert sich auf die Stickoxide, bei denen London jetzt schon die geltenden europäischen Grenzwerte dauerhaft und drastisch überschreitet. Ultrafeinstäube gibt es in dieser Diskussion nicht - obwohl Messungen nachgewiesen haben, dass sie in London ebenfalls ein Problem sind und der Flughafen
erheblich dazu beiträgt.
Der absurde Mechanismus funktioniert auch dort: solange ein Umweltproblem nicht in einen entsprechenden rechtlichen Rahmen gegossen ist (hier: kein Grenzwert definiert ist), solange wird es in der politischen Auseinandersetzung ignoriert, und sei es noch so drängend.
Auch die ständig wachsenden Erkenntnisse über die gesundheitliche Wirkung von ultrafeinen Partikeln werden von Lobbyisten in Politik und Wissenschaft kleingeredet und relativiert. Schon 2011 hat der inzwischen in Verruf geratene Lobbyverein EUGT seinen zweiten Rundbrief dem Thema 'Nanopartikel' gewidmet, dessen Zusammenfassung mit dem Satz schliesst:
Manchmal könnte man glauben, dass diese Vertuschungsfront auch durchbrochen werden kann, wenn etwa in einem Focus-Interview "Deutschlands oberster Umweltmediziner" sagt: "Feinstaub ist ein Killer, das bleibt in den Zellen hängen, schadet der Lunge, verursacht Herzinfarkte". Bei genauerem Lesen wird aber klar, dass Herr Prof. Drexler, derzeit Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM), bei seiner Lobby-Aktivität für die Autoindustrie nur ein wenig übers Ziel hinausschiesst. Tatsächlich antwortet er auf die Frage, ob Menschen, die an Strassen wohnen, an denen die Stickoxid-Grenzwerte dauerhaft überschritten werden, fürchten müssen, "krank zu werden und früher zu sterben":
Auch hier zeigt sich also wieder: solange nicht genügend öffentlicher Druck vorhanden ist, setzt sich die wissenschaftliche Erkenntnis eines Gesundheits- oder Umweltproblems nicht in politische Aktivität um. Industrie-Lobbyisten durchsetzen den Wissenschaftsapparat, blockieren auf allen Ebenen und machen selbst dann ungeniert weiter, wenn sie völlig diskreditiert sind - wenn sie nicht durch kritische Öffentlichkeit gebremst werden.
Durch Messungen nachzuweisen, dass ein Problem besteht, ist daher nur der allererste Schritt. Eine politische Bewegung zu initiieren, die dieses Problem adäquat angeht, wäre der notwendige nächste und weitaus wichtigere, aber auch schwierigere Schritt.
Weil es gerade so schön passt, hier noch eine Pressemitteilung des Uniklinikums Jena, die über eine weitere 'wissenschaftlich unseriöse', weil epidemiologische Studie zur akuten Gefährlichkeit von Stickoxiden berichtet, sowie einen ebenso 'unseriösen' Übersichtsartikel, der die bekannten medizinischen Wirkungen von Stickoxiden und Feinstaub beschreibt. Aber Ärzteblätter können viel schreiben, gegen die Wirkungen der 'Alternativen Fakten', die ein Herr Drexler über Focus Online und andere Mainstream-Medien verbreitet, kommen sie so leicht nicht an.
Der Anteil der Klimawirkungen des Luftverkehrs am bisherigen Temperaturanstieg beträgt rund 5%,
und nach den bisherigen Plänen wird er kräftig wachsen.
11.02.2018
Die europäische NGO Transport & Environment hat Ende Januar einen Workshop durchgeführt, der sich mit der Frage beschäftigt hat, ob und wie der Luftverkehr klimafreundlich gestaltet werden kann. Die Beiträge der Referenten und eine kurze Zusammenfassung des Ergebnisses sind jetzt
veröffentlicht.
Einen wichtigen Aspekt, der dort von einem Vertreter der DLR dargestellt wurde, haben sie in einem
eigenen Artikel aufgegriffen: Die Effekte des von Flugzeugen emittierten CO2 machen nicht einmal die Hälfte der gesamten Klimawirkung der Luftfahrt aus. Diese Aussage beruht zwar
auf Forschungen, die schon über 3 Jahre alt sind, trotzdem ist es wichtig, sie wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Das umso mehr, je deutlicher sich herausstellt, dass selbst das, was die Industrie in Bezug auf die CO2-Emissionen tun will, bei weitem nicht ausreicht. Ihre Vertreter gestehen inzwischen ein, dass das ICAO-System CORSIA jetzt schon in Schwierigkeiten steckt und nicht das liefern wird, was sich ICAO zum Ziel gesetzt hat. Dabei gehen sie aber immer noch davon aus, dass durch das "Offsetting" in CORSIA tatsächlich anderswo CO2 gebunden wird, aber diese Annahme wird immer fragwürdiger. Die Zeit für die Umsetzung der CORSIA-Regeln wird immer knapper, und das Niveau der akzeptierten Offsets immer geringer.
Die Industrie fürchtet also zu recht, dass der Druck, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, wachsen wird. Sie will aber unbedingt verhindern, dass neben CORSIA noch andere Instrumente genutzt werden, um den Klimaschutz zu fördern und Verschmutzung zu verhindern.
Dies umso mehr, als alle Versuche, den Klimawandel zu verharmlosen, als natürliche Schwankung zu erklären oder schlicht zu leugnen, dass es ihn überhaupt gibt, immer kläglicher scheitern (eine aktuelle Übersicht dazu
liefert der Klimaforscher Stefan Rahmstorf). Entsprechend gewinnen die Forderungen, ernsthaft dagegen vorzugehen, auch immer mehr an Unterstützung, wenn auch noch viel zu langsam. Und dass es auf der ganzen Welt aktive Initiativen gibt, die gegen das Wachstum des Luftverkehrs vorgehen, beschreibt ein
aktueller Beitrag des 'Global Anti-Aerotropolis Movement' (GAAM). Noch aber ist deren Einfluss viel zu gering.
Ganz unspektakulär hat die NGO-Koalition ICSA mittlerweile sowohl den Entwurf der ICAO für die CORSIA-Regeln und -Standards als auch einen Bericht mit Kritik an diesem Paket online gestellt. Für Eilige gibt es von Letzterem auch eine Kurzfassung, aber alles natürlich nur in Englisch.
GroKonzept: Der Flugverkehr muss wachsen, wachsen, wachsen -
auch wenn die Welt an Abgasen erstickt
und im Klimawandel zugrunde geht.
08.02.2018
Nachdem die Verhandler sich auf einen Entwurf für einen Koalitionsvertrag geeinigt haben, fehlen nur noch die zustimmenden Voten der Parteivorstände der CDU und CSU und der Mitgliederbefragung der SPD, damit die GroKo Merkel weitermachen kann. Dass da noch ein 'Nein' dazwischen kommt, ist ziemlich unwahrscheinlich, es lohnt sich also, die 177 Seiten anzusehen.
Die hier interessierenden Passagen sind über mehrere Kapitel verstreut. Im Kapitel VI, 'Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen', beginnt der Abschnitt 4, 'Verkehr', gleich mit einer massiven Drohung. Unter der Überschrift "Planungsbeschleunigung" heisst es auf S. 75:
Im Kapitel IX, 'Lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen' findet sich noch ein Abschnitt 6, 'Lärmschutz und Bürgerbeteiligung', der sich auch mit dem Fluglärm befasst. Die Einleitung klingt dort erstmal positiv, indem es heisst:
Für die Umsetzung des Ganzen wird nach einem Bericht der Tagesschau auch die personelle Kontinuität gewahrt werden. Das Verkehrsministerium bleibt in der Hand der CSU, nur Dobrindt heisst jetzt Scheuer, sonst ändert sich nix.
Das Thema 'Luftreinhaltung' liefert ein weiteres Armutszeugnis dieses Papiers. Im Kapitel XI, 'Verantwortungsvoller Umgang mit unseren Ressourcen' findet sich im Abschnitt 1, 'Umwelt und Klima' dazu ein einziger Satz:
Damit sollte jeder und jedem klar sein, dass diese Regierung, wenn sie denn zustande kommt, keines der drängenden Probleme lösen wird, sie ist im Gegenteil selber eins. Eigenes Engagement ist daher dringender denn je.
04.02.2018
Am 25. Januar hat die New York Times eine weitere Runde im Dieselskandal eingeläutet mit der
Veröffentlichung eines Tierexperiments, das bereits in einem Prozess gegen VW in den USA eine Rolle gespielt hat. Die Zeitung benennt den Auftraggeber des Experiments, die wissenschaftlichen Mängel und die ethische Bedenklichkeit.
Drei Tage später machte die Stuttgarter Zeitung bekannt, dass der gleiche Verein, der den Tierversuch beauftragte, auch einen
Versuch an Menschen gefördert hat, der in Aachen durchgeführt wurde. Das
wahre Ausmaß der Menschenversuche hat allerdings erst eine Satire-Zeitschrift aufgedeckt.
Nach diesen Veröffentlichungen haben sich sowohl Konzernspitzen als auch Politik pflichtgemäß betroffen gezeigt und Unverständnis, Betroffenheit, Abscheu etc. geäussert. Zumindest bei VW, Daimler und BMW hätten die Vorgänge allerdings
bekannt sein müssen. Sie hatten 2007 zusammen mit der Firma Bosch beschlossen, die 'EUROPÄISCHE
FORSCHUNGSVEREINIGUNG FÜR UMWELT UND GESUNDHEIT IM TRANSPORTSEKTOR E. V. (EUGT)' zu gründen, um u.a. "wissenschaftliche Publikationen auf dem Gebiet des Umwelt- und Gesundheitsschutzes" zu unterstützen. Sie hat diese Versuche bezahlt, und die Träger wurden regelmäßig über die Tätigkeit des Vereins unterrichtet.
Bosch stieg 2013 wieder aus, die anderen beschlossen 2016, den Verein aufzulösen. 2017 war er abgewickelt, seine Webseite vom Netz genommen, alle Dokumente gelöscht. Warum, ist nicht ganz klar, aber vielleicht einfach wegen Ineffizienz. Um in mehreren Jahren
19 Fachveröffentlichungen zu sponsorn, 5 Newsletter a 3-6 Seiten und ein paar Berichte zu produzieren, braucht man keinen Verein.
Da das Netz aber nichts vergisst (höchstens versteckt oder verschlampt), können die meisten Dokumente trotzdem noch gefunden werden, u.a. eine
Broschüre, die über die Tätigkeit des Vereins 2012-2015 berichtet. Darin werden die beteiligten Personen vorgestellt und auch die beiden jetzt kritisierten Versuche beschrieben.
Das Klinikum der RWTH Aachen verteidigt in einer
Pressemitteilung den dort durchgeführten Versuch. Er habe nichts mit Dieselabgasen zu tun, sondern beschäftige sich nur mit der Wirkung von Stickstoffdioxid am Arbeitsplatz. Tatsächlich bezieht sich die zur Studie gehörende
Veröffentlichung auch nur darauf, die EUGT-Broschüre nutzt die Ergebnisse allerdings für ihre Argumentation.
Der Affen-Versuch findet kaum Verteidiger und führte auch zu ersten Konsequenzen. Der Leiter der Konzern-Außenbeziehungen und des Bereichs Nachhaltigkeit bei VW und Ex-Sprecher der Auto-Kanzler Schröder und Merkel, der für die VW-Beteiligung bei EUGT verantwortlich war,
wurde beurlaubt und wird wohl praktischerweise die Verantwortung mit in einen vergoldeten Ruhestand nehmen. Auch Daimler hat seinen Vertreter im EUGT-Vorstand zunächst freigestellt.
Dass es aber bei der ganzen Angelegenheit um mehr geht als um die moralische Bewertung von ein oder zwei Versuchen, verdeutlicht ein
Kommentar von Lobbycontrol:
Andere Personalien spielen demgegenüber bisher in der Berichterstattung kaum eine Rolle. So wird nur gelegentlich am Rande darauf hingewiesen, dass bis Ende 2014 auch ein Fraport-Manager im EUGT-Vorstand war: Max Conrady, damals 'Abteilungsleiter Umweltauswirkungen' der Fraport. Was er da wollte und tat, bleibt allerdings im Dunkeln.
Schon die Grafik lügt: eine Höhenzunahme von
rund 6% sieht aus wie eine Verdopplung
Eine weitere Person mit Frankfurter Lokalbezug in dieser Herrenriege ist ein leuchtender Stern am Medizinerhimmel, Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. David Groneberg, seit 2010 Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Seine Rolle ist insofern dubios, als er
nach eigenen Angaben "in den Jahren 2012-2014 ... für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien ... Zuwendungen auf ein Drittmittelkonto von ... der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit" erhalten hat - eben jener Verein, dessen Arbeit er im Beirat begleiten sollte. Keine gute Voraussetzung für eine unabhängige Kontrolle.
Immerhin hatte er sich wohl schon vorher mit ethischen Fragen der Wissenschaft beschäftigt, denn
laut Wikipedia erhielt er einen seiner vielen Ehrendoktorhüte "während der Olympischen Spiele in Peking" vom "Fujian College of Medicine", und das Verhältnis von Hochleistungssport und Medizin wirft bekanntlich eine Menge solcher Fragen auf. Ausserdem hat er sich "als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Aufklärung gegen Tabak e.V. für Rauchprävention auf Schulebene durch Medizinstudierende" engagiert, auch wenn es Beschwerden darüber gab, dass er die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der deutschen Arbeitsmedizin in der Lobbyarbeit der Tabakindustrie behindert hätte. Mit seinen vielen Tätigkeiten war er allerdings auch so beschäftigt, dass ihm nicht aufgefallen ist, dass mindestens eine der rund 50 Doktorarbeiten, die bei ihm zum gleichen Themenkomplex angefertigt wurden, so weitgehend mit einer früheren, ebenfalls von ihm akzeptierten Arbeit identisch war, dass man wohl von einem Plagiat sprechen muss.
Qualifiziert für einen Platz in diesem Beirat hatte er sich u.a. wohl insbesondere mit einer
Polemik gegen Umweltzonen, die den Trägern dieses Vereins sicherlich gefallen hat. Die oben erwähnten 'Auftragsstudien' bestanden zumindest teilweise aus den beiden folgenden "Studien zur Wirksamkeit von Umweltzonen" "auf Feinstaubkonzentrationsänderungen" bzw. "auf die Stickoxidkonzentration" , die der Tätigkeitsbericht aufführt, wie aus zwei Veröffentlichungen hervorgeht, die Herr Morfeld aus dem EUGT-Beirat (der dafür wahrscheinlich auch kassiert hat) zusammen mit Herrn Groneberg und dem EUGT-Geschäftsführer Spallek veröffentlicht hat. Herr Spallek war im Übrigen auch mal Leiter des Gesundheitsdienstes bei VW und sowohl in Berlin als auch in Frankfurt Mitarbeiter im Institut von Herrn Groneberg.
Menschen- und Tierversuche, dubiose Studien - alles im Programm
Die beiden Studien passen genau ins Profil des EUGT. Dabei ist es fast schon unerheblich, ob sie, wie anzunehmen, methodisch sauber durchgeführt sind oder nicht. Die Ergebnisse, die sie geliefert haben, geben schlicht keine Antwort auf die Fragen, die sie zu stellen vorgeben, werden aber trotzdem dafür missbraucht.
Die Studie zu Feinstaub erschien 2014 (auf Deutsch) und untersuchte die Wirksamkeit von Umweltzonen der Stufe 1 (rote Plakette). Eine fachliche Kritik daran findet sich in einer
Studie des Umweltbundesamts zur Wirksamkeit von Umweltzonen. Der Kernpunkt ist aber ein anderer. Allen Experten war auch damals schon klar, dass die 'grobe' Feinstaub-Meßgröße PM10 nicht taugt, um die Belastungen aus dem Straßenverkehr zu messen. Sie wurde und wird nur deshalb noch verwendet, weil die offizielle Luftqualitätspolitik an diesem Wert festhält und auch nur dafür hinreichend viele Meßwerte existieren. Eine Bewertung von Maßnahmen aus medizinischer Sicht auf diese Größe zu stützen, ist schlicht unseriös.
Vor dem Hintergrund der Auftraggeber der Autoren eine echte Frechheit ist aber die zweite
Studie zu Stickoxiden, ebenfalls 2014 erschienen (auf Englisch). Die Methoden sind dieselben wie in der ersten Studie, daher gilt die fachliche Kritik des UBA auch dafür. Die Frechheit liegt allerdings darin, die Studie überhaupt durchzuführen. Die Funktion einer Umweltzone besteht darin, nur Fahrzeuge mit (vermeintlich) niedrigeren Emissionen hinein zu lassen und die Dreckschleudern draussen zu halten. Wenn man aber weiss, dass die niedrigeren Emissionen nur auf dem Prüfstand existieren, nicht im realen Fahrbetrieb, dann weiss man auch, dass man von dieser Auswahl keine positiven Effekte erwarten darf (ausser vielleicht dadurch, dass einige Altfahrzeug-Besitzer abgeschreckt werden und auf den ÖPNV umsteigen). Im Wissen, dass es wegen des eigenen Betrugs nicht funktionieren kann, die Maßnahme als solche schlecht zu machen, ist mehr als unseriös, es ist Betrug.
Die Beispiele machen deutlich, wie Konzern-Lobbyismus Menschen, Tiere und das politische Klima vergiftet. Aber auch wenn es EUGT nicht mehr gibt und (vielleicht!) die allerübelsten Exzesse eingeschränkt werden, geht die schmutzige Lobbyarbeit der Autoindustrie unvermindert weiter. Zwei Beispiele aus den letzten Tagen:
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat eine, natürlich auch von Lobbyisten der Autoindustrie dominierte,
Expertengruppe, die von der Bundesregierung zur offiziellen Bewältigung des Dieselskandals einberufen worden war, einen derart dreisten Abschlussbericht beschlossen, dass sich der ebenfalls beteiligte BUND veranlasst sah, die Zustimmung zu verweigern und einen eigenen Bericht vorzulegen. Und in Brüssel schiessen die Lobbyverbände der Autoindustrie aus allen Rohren gegen einen Plan der EU-Kommission, den
Grenzwert für den CO2-Ausstoss von PKW bis 2030 um 30% zu senken, obwohl das technisch keineswegs ein ambitioniertes Ziel ist. Dabei schämen sie sich nicht, zu argumentieren, dass dieser Grenzwert auch deswegen zu niedrig sei, weil es durch die ab diesem Jahr eingeführten Testmethoden nicht mehr ganz so leicht ist, auf dem Prüfstand zu betrügen.
Dass der
Lobbyismus der Luftverkehrswirtschaft ganz ähnlich funktioniert, haben wir in der Vergangenheit schon öfter beschrieben. Ihr jüngster Erfolg ist die geplante Aufnahme der Abschaffung der Luftverkehrs-Steuer in die GroKo-Koalitionsvereinbarung, die das BBI in einer
Pressemitteilung kritisiert. Damit hätte die CSU schon einen Kernpunkt ihres sog.
Luftverkehrskonzept durchgesetzt. Auch auf der Forderungsliste des ADV, der Lobbyorganisation der deutschen Flughäfen, deren Präsident seit kurzem ebenfalls Fraport-Chef Schulte ist, steht dieser Punkt ganz oben.
Wie Lobbyismus in Europa sonst noch funktioniert, kann man in der gerade erschienenen Ausgabe des
Lobbyplanet Brüssel von Lobbycontrol nachlesen, und auch wer wissen möchte, wieviel Geld (offiziell) für solche Tätigkeiten gezahlt wird, kann das in einem
aktuellen Report nachlesen.
Die aktuelle Empörungswelle wird diesen Prozess nicht stoppen. Dafür wäre ein grundlegendes Umsteuern in der Politik hin zu einer umfassenden Demokratisierung und einer Einschränkung wirtschaftlicher Macht notwendig. Das aber kann nur gelingen, wenn auf allen Ebenen immer mehr Menschen deutlich machen, dass sie sich diese Zustände nicht länger bieten lassen wollen. Die GroKoalitionäre beweisen gerade, dass sie die Letzten sind, von denen eine solche Veränderung zu erwarten wäre.
Drei Säulen, uraltes Material, nur noch ein schwacher Abklatsch dessen,
was es sein sollte ...
(Ähnlichkeiten mit real existierenden Programmen sind offenkundig.)
30.01.2018
Am 26.01. hat das 'Forum Flughafen und Region' sein neues 'Maßnahmenprogramm Aktiver Schallschutz'
vorgestellt.
Mit viel Text und noch mehr bunten Bildchen wird versucht, den Eindruck zu erwecken, dass hier ein weiterer Fortschritt beim Schallschutz auf den Weg gebracht würde.
Allerdings sind etliche Akteure erstaunlich vorsichtig in der Wortwahl, und nur der unsägliche Professor Wörner lügt ungeniert: "Die neuen Maßnahmen sorgen auf unterschiedliche Weise dafür, dass es in der Region leiser wird". Er weiß natürlich, dass das nicht stimmt.
Auch die öffentliche Berichterstattung hält sich etwas zurück. Die
FR zitiert zwar Herrn Wörner, referiert aber ansonsten nur einige Inhalte und Reaktionen auf die Pressekonferenz. Die Neue Presse greift den Aspekt zwar in der Überschrift
ihres Berichtes auf, weist aber in ihrem
Kommentar recht deutlich auf die Begrenztheit der vorgestellten Maßnahmen hin.
Selbst Minister Al-Wazir verkneift sich in seiner
Pressemitteilung
allzu lauten Jubel und konzentriert sich auf den Dank an alle Beteiligten dafür, dass sie überhaupt etwas tun. Und sogar das FFR selbst, das auf seiner eigenen Webseite die Lobhuddelei für dieses 'Maßnahmeprogramm' verbreitet, ignoriert es auf seiner
Fachseite weitgehend und listet dort alle möglichen Maßnahmen auf, unabhängig davon, ob sie nun Bestandteil des Programms geworden sind oder nicht.
Wer wenigstens halbwegs genau wissen will, worum es in diesem Programm eigentlich geht, greift besser gleich zu den Dokumenten der sog. 'wissenschaftlichen Begleitung' dieses Projekts. Die wird vom Öko-Institut geliefert, und dort findet man neben einer kurzen Pressemitteilung auch einen 76-seitigen Bericht, der zwar auch zu weit mehr als der Hälfte aus wiedergekäuten Uralt-Inhalten und nichtssagenden Grafiken besteht, aber immerhin auch einige Zahlen liefert, die erkennen lassen, worum es hier tatsächlich geht.
Unter anderem kann man daraus lernen, dass von den 17 im Programm aufgelisteten Maßnahmen nur drei quantifizierbare Wirkungen auf die Lärmbelastung der Region haben: die Verschiebung von Flugrouten bei Abflügen Richtung Süden und Osten am Tag und das Umfliegen einiger besonders dicht besiedelter Bereiche in der Nacht. Diese Maßnahmen führen zwar nicht dazu, dass der Lärm geringer wird, aber immerhin dazu, dass weniger Menschen davon betroffen sind. Selbst die anderen Lärmverschiebungs-Maßnahmen zeigen keine nachweisbaren Wirkungen, sollen aber trotzdem in Angriff genommen werden - Hauptsache, es passiert was.
Die Maßnahmen, die "den Abstand zur Lärmquelle erhöhen" sollen und auf der Einführung des neuen Navigationssystems GBAS beruhen, sind deshalb nicht quantifizierbar, weil ihr Einsatz von der entsprechenden Ausstattung der Flugzeuge und vom Wetter abhängig ist und deshalb kein Mensch weiß, wann sie, wenn überhaupt, wirksam werden können. Die Maßnahmen aus der Rubrik "Spurtreue verbessern" können schon deshalb keine Ergebnisse liefern, weil in den Rechenmodellen, mit denen die Lärmbelastung erfasst wird, keine Spurabweichungen vorgesehen sind, und die Maßnahme zur "technologischen Lärmminderung" beschränkt sich ohnehin nur auf einen Prüfauftrag.
Ein besonders schlechter Scherz sind die Maßnahmen zur "Verbesserung der Rahmenbedingungen". Hier möchte das FFR mal gucken, was andere so machen ("Kontinuierliches Monitoring Fluglärmreduktionsforschung") und auch mal drüber reden ("Koordination aktiver Schallschutz auf Bundesebene"), ein bisschen deregulieren ("Vereinfachte Rechtsgrundlage für flugsicherungsbezogene Maßnahmen im Probebetrieb") und den Fluggesellschaften noch mehr Steuergelder zuschanzen ("Bundesprogramm Luftverkehr bzgl. Förderprogrammen, Forschungsförderung und Incentivierungsmöglichkeiten"). Kein Wunder, dass niemand glaubt, dass dabei etwas Meßbares herauskommen könnte.
Die Dreistigkeit, sowas als Maßnahmen vorzuschlagen, wird noch getoppt durch den Vorschlag der Einführung einer "Lokalen Konsultation bei lärmverlagernden Maßnahmen". Hier soll, wenn Lärm verschoben wird, noch eine zusätzliche Schleife gedreht werden, in der nicht nur die, die sowieso schon beteiligt sind, teilnehmen, "sondern auch eine begrenzte Anzahl zufällig ausgewählter Bürger der betroffenen Kommunen". Und die "erhalten zudem die Möglichkeit, Fragen zu stellen und alternative Vorschläge zur Ausgestaltung der Maßnahme einzubringen". Die Wahrscheinlichkeit, dabei jemanden einzuladen, der das Konzept noch durcheinander bringen könnte, dürfte nahe bei Null sein, aber der gewünschte Effekt ist ja auch, dass "wenigstens die entlastete Kommune die Arbeitsmethodik und das Zustandekommen des Beurteilungsergebnisses positiv würdigt". Den Schwarzen Peter abschieben und die Kommunen gegeneinander aufbringen - eine tolle Schallschutz-Maßnahme!
Aber was kommt nun bei den Berechnungen der Wirkungen dieses Maßnahmeprogramms heraus? Berechnet werden der Ist-Stand 2015 ("Referenz") und wie er wäre, wenn die Maßnahmen schon eingeführt wären ("Maßnahmeprogramm"). Derselbe Vergleich wird dann nochmal berechnet unter der Annahme, dass die Flugbewegungen um 13% zunehmen (was in ca. 5 Jahren der Fall sein soll). In beiden Fällen bekommt man seitenlang in Grafiken und Tabellen vorgeführt, dass der Lärmindex durch die Maßnahmen um 1 bis 6 % absinkt, im erweiterten Bereich sogar um bis zu 17 %.
Nicht dargestellt wird allerdings das Szenario der Entwicklung, die durch das Maßnahmeprogramm ja eigentlich eingeleitet werden soll. Dafür wäre natürlich der Ist-Zustand mit dem Zustand zu vergleichen, der bei einer Zunahme der Flugbewegungen erreicht wir, wenn die Maßnahmen realisiert werden. Das muss man sich aus den angegebenen Zahlen selber herleiten, und das Ergebnis zeigt die nachfolgende Tabelle:
Meßgröße | Lärm-Zuwachs (%) | |
---|---|---|
Tagindex | 9 | |
Tagindex Hochbetroffene | 30 | |
Kontrollgebiet | 9 | |
Nachtindex | 17 | |
Nachtindex Hochbetroffene | 39 |
Zusammengefasst: die Indexwerte nehmen auch bei Realisierung des Maßnahmeprogramms um knapp 10 bis knapp 40 Prozent zu, d.h. es wird deutlich lauter. Das wird zwar im Bericht nicht gesagt, aber alle Beteiligten wissen es natürlich, und deshalb lügt Herr Wörner, wenn er behauptet, "Die neuen Maßnahmen sorgen ... dafür, dass es in der Region leiser wird".
Stört sich jemand daran? Natürlich nicht. Die Geschichte des Flughafen-Ausbaus ist eine Geschichte von Lüge und Betrug, und daran wird sich so schnell nichts ändern. Die verantwortlichen Politiker spielen das Spiel mit und hoffen, dass möglichst wenig Menschen merken, dass sie belogen werden. Täten sie es nicht, müssten sie eingestehen, dass es nur eine Möglichkeit gibt, ihr Mantra "Es muss leiser werden!", umzusetzen: die Zahl der Flugbewegungen zu reduzieren. Diese Lösung wird aber von allen tabuisiert, und deshalb werden immer neue Mogelpackungen präsentiert. Das aber ist eine politische Bankrott-Erklärung all derjenigen, die behaupten, das Wachstum des Flugverkehrs liesse sich mit den Interessen der Bevölkerung der Region in Einklang bringen.
27.01.2018
Wer die juristische Begleitung des Flughafen-Ausbaus von der Startbahn West bis zu Terminal 3 mitverfolgt hat, sollte eigentlich vor Illusionen über die Unabhängigkeit der Hessischen Verwaltungsgerichtsbarkeit gefeit sein. Hin und wieder gelingt es einer Richterin oder einem Richter aber trotzdem noch, mit besonders absurden Urteilen aufzufallen. So zum Beispiel am vergangenen Donnerstag im Verwaltungsgericht Frankfurt.
Zur Verhandlung stand eine Widerspruchsklage der Initiative gegen Fluglärm Mainz gegen einen Gebührenbescheid der Stadt Frankfurt. Die Gebühr sollte für eine "Sondernutzung" des öffentlichen Strassenraums gezahlt werden, weil in Frankfurt-Sachsenhausen vier Plakate hingen, die die Initiative zwar weder hergestellt noch aufgehängt hat, für die es allerdings eine Druckvorlage auf einer
Kampagnen-Webseite gab, für die sie verantwortlich zeichnete.
Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, aber die Kernsätze hat die zuständige Richterin schon in ihre
Pressemitteilung zur Verhandlung geschrieben:
Ein ausführlicher Kommentar zu diesem Skandal-Urteil findet sich auf der Webseite des Bündnisses der Bürgerinitiativen. Man kann es aber nicht deutlich genug hervorheben: nach Auffassung dieses Gerichts muss man garkeine Plakate herstellen und aufhängen, um für eine "unerlaubte Sondernutzung" des "öffentlichen Strassenraums" verantwortlich zu sein. Es soll genügen, die Inhalte bereitzustellen und ein Interesse daran zu haben, dass sie verbreitet werden!
Die Absurdität dieser Begründung wird auch daran deutlich, dass es auf den Plakaten keineswegs um ein spezifisches Anliegen der Mainzer Initiative ging. Gegenstand war die Aufforderung, Kurzstreckenflüge zu vermeiden - ein Anliegen, das nicht nur von den anderen BIs geteilt wird, sondern auch von Organisationen und Institutionen bis hin zum Umweltbundesamt vertreten wird. Ein solches Plakat mit Wahlplakaten von Parteien oder Werbeplakaten von Unternehmen zu vergleichen, wie das in der o.a. Pressemitteilung ebenfalls geschieht, ist keine 'rechtliche Interpretation', es ist pure Willkür.
Und für IT-technisch weniger Versierte sei noch erwähnt, dass die Tatsache, dass die PDF-Datei auf DIN A1 formatiert war, bestenfalls für die Darstellungsqualität eine Rolle spielt. Grundsätzlich kann jeder Inhalt, der sich herunterladen lässt, auch auf ein Plakat gebracht und damit missbraucht werden.
Dass die Presse über dieses Urteil überwiegend garnicht oder
wie die FR nur ganz neutral berichtet, wird der Bedeutung solcher Urteile nicht gerecht. Sie sind Bestandteil der vielfältigen Versuche, von unerwünschtem politischem Engagement abzuschrecken. Zwar wird die jetzt verhängte Strafgebühr von 155 Euro die Mainzer Initiative nicht finanziell ruinieren, aber die Drohung hängt natürlich im Raum, dass Missbrauch von bereitgestellten Inhalten zu finanziellen Belastungen führen kann, die durchaus existenzbedrohend werden können.
Wegen dieser grundsätzlichen Bedeutung wäre zu wünschen, dass die Mainzer Initiative weiter gegen diesen Strafbescheid vorgeht. Die Pressemitteilung sagt dazu: "Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel möglich". Das ist zwar erstmal keine ermutigende Perspektive, denn wie der HessVGH zu Anliegen auf Lärm- und Klimaschutz steht, ist bekannt, und er hat es gerade erst wieder mit
Urteilen zu Schallschutz bewiesen. Ein anderes Urteil wäre wohl. wenn überhaupt, erst vor dem Bundesverwaltungsgericht möglich. Dorthin zu gelangen, braucht aber neben einem langen Atem auch entsprechend viel Geld - womit die Abschreckung auch wieder finanziell funktioniert.
Hot Spots der Stickoxid-Belastung: Rhein-Main noch vor Stuttgart.
(Die Karte ist von 2015, aber es hat sich seither wenig geändert.)
20.01.2018
Das für die Luftqualitäts-Überwachung in Hessen zuständige Landesamt hat Positives zu vermelden: in einer Pressemitteilung teilt das HLNUG mit, dass 2017 nur noch an "sechs von elf verkehrsbezogenen Luftmessstationen in Hessen ... der Grenzwert von 40 µg/m3 für den NO2-Jahresmittelwert überschritten" wurde, 2016 waren es noch neun gewesen. Es gibt also einen Trend zur Besserung, allerdings stellt das Amt gleich selbst fest, dass es im Lauf der weiteren Auswertungen "noch weitere Überschreitungen geben" kann und "sich die NO2-Jahresmittelwerte in Hessen auch weiterhin auf einem vergleichsweise hohen Niveau" bewegen.
Einige weitere Einschränkungen wären noch zu erwähnen. So liegen die drei Stationen, die sich verbessert haben, in Fulda, Kassel und Marburg und messen lokale Verkehrs-Brennpunkte; im Rhein-Main-Gebiet, wo flächendeckend eine hohe Belastung herrscht, gab es eine solche Verbesserung nicht. Auch wird an vielen Stellen, an denen Grenzwert-Überschreitungen zu erwarten sind, garnicht gemessen, weswegen jetzt auf Initiative des Umweltverbandes DUH temporär viele
unabhängige Meßstationen eingerichtet werden sollen.
Aber auch nach den offiziellen Werten schneidet Deutschland im europäischen Vergleich insgesamt schlecht ab. Seit Jahren werden
die Immissions-Grenzwerte und
die zulässigen Emissionsmengen überschritten, weshalb die noch amtierende Umweltministerin Ende Januar
in Brüssel erklären soll, was Deutschland zu tun gedenkt, um die vereinbarten Werte endlich einzuhalten.
Und vor allem: zwischen "Grenzwert eingehalten" und "Problem gelöst" liegen in diesem Fall Welten. Das Umweltbundesamt (auch ein Amt, das vorsichtig formulieren muss, um seine politischen Chefs nicht zu sehr zu verärgern) kommt in einem aktuellen
Hintergrundpapier zu den geltenden NO2-Grenzwerten nicht umhin, WHO-Untersuchungen zu zitieren, wonach "gesundheitsrelevante Wirkungen von NO2 ab einer langfristigen durchschnittlichen Exposition von 20 µg/m3 kalkuliert werden müssen", also bei Konzentrationen, die nur halb so hoch sind wie der geltende Grenzwert.
Welche gesundheitlichen Wirkungen das sind, kann man in einer aktuellen
Kurzexpertise für Greenpeace nachlesen: mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten kommt es zu höherer Sterblichkeit, Lungenkrebs, Beeinträchtigung des Lungenwachstums bei Kindern, Probleme der Atemwege, u.a. Asthma, eventuell auch zu Herzinfarkte, Hirnschlag, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Diabetes. Auch hier wird aber darauf hingewiesen, dass viele Studien nicht exakt zwischen der Wirkung von NO2 und der Wirkung anderer Verkehrsabgase unterscheiden können und damit formal keinen Beleg für eine Absenkung der Grenzwerte liefern.
Grundsätzlich gilt aber, was ein anderes
Hintergrund-Papier zur Grenzwert-Festlegung zu sagen hat:
"Verringerung der NO2-Belastung" ist als politisches Ziel inzwischen durchaus akzeptiert. Aber wie schon
früher dargestellt, trägt im Rhein-Main-Gebiet nicht nur Diesel, sondern auch Kerosin erheblich zu dieser Belastung bei - mit dem Unterschied, dass bei Diesel das Problem zumindest öffentlich diskutiert wird, während der Beitrag des Luftverkehrs entweder verschwiegen oder heruntergespielt wird. Der Grund ist einfach: bei Diesel kann man auf die Wirkung technischer Verbesserungen hoffen, im Notfall auch ganz auf diese Technologie verzichten; beim Flugverkehr helfen nur tatsächliche Beschränkungen. Die aber sollen weiterhin ein Tabu bleiben.
Bis das HLNUG da mal eine wirklich gute Nachricht veröffentlichen kann, muss also noch sehr viel passieren.
19.01.2018
Wie üblich, trudeln zum Beginn des neuen Jahres die Bilanzen des alten ein, und die Rekorde purzeln nur so. So wurden die Deutschen immer reicher (nicht gemerkt? Selber schuld!), der VW-Konzern (war da was?) meldet neue Absatzrekorde und bleibt der weltgrösste Autobauer, und auch der Luftverkehr boomt wie selten. Die internationale Zivilluftfahrt-Organisation ICAO meldet einen weltweiten Passagier-Rekord, fast alle deutschen Flughäfen wachsen stark, und auch Fraport meldet Rekorde.
Es gab aber auch Rekorde anderer Art: 2017 war das
wärmste Jahr für den globalen Ozean und das
wärmste Nicht-El-Nino-Jahr insgesamt, und die durch extreme Wetterereignisse bedingten Schäden
haben ebenfalls
neue Höchstwerte erreicht.
Beide Entwicklungen hängen zusammen, und daher verwundert es nicht, dass auch die Prognosen für beide Bereiche besagen, dass auch 2018 wiederum ein Rekordjahr werden könnte.
Zwar haben wir die Erfahrung gemacht, dass den
Prognosen der Luftverkehrswirtschaft nicht unbedingt zu trauen ist, aber zumindest für die nächste Zeit sieht es so aus, als wäre weiteres Wachstum zu befürchten. Die Prognose, dass sie ihre propagierten
Klimaziele verfehlen werden, ist allerdings ziemlich zuverlässig.
Auf der anderen Seite gibt es wenig Anzeichen dafür, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels schnell umgesetzt würden. Insbesondere der ehemalige Vorreiter Deutschland blockiert: die kommende GroKo will die
Klimaziele 2020 aufgeben (immerhin an denen für 2050 festhalten, aber dann ist auch Frau Merkel wohl nicht mehr Kanzlerin), die 'deutsche Industrie' warnt vor
überambitioniertem Klimaschutz und Daimler-Chef Zetsche erklärt mal so nebenbei, dass Mercedes die EU-Grenzwerte für die CO2-Emissionen
nicht einhalten wird (weil sie möglichst viele SUVs verkaufen wollen).
Sehr wahrscheinlich werden sich die Trends des letzten Jahres also zunächst weiter fortsetzen. Wie lange das so gehen kann, ist schwer zu sagen. Eins ist jedenfalls klar: viel mehr Rekorde dieser Art kann sich die Menschheit nicht mehr leisten. Die letzte Erfolgsmeldung in diesem Höher-Schneller-Weiter-Rennen könnte nämlich lauten:
Das ist der Wanderweg für Sonntag: man kommt von Norden oder Süden zum Ziel.
(Für Umgebungskarte Grafik anklicken.)
04.01.2018
Für den kommenden Sonntag möchten die BIs aus Mörfelden-Walldorf und Trebur ein solches Zeichen setzen: sie laden ein zu einem Treffen im Treburer Oberwald, der am Montag darauf an die Fraport übereignet wird, damit diese rechtzeitig alles für die noch vor März anstehende Rodung vorbereiten kann. Der Wortlaut der Einladung findet sich auf der Seite des Bündnis der Bürgerinitiativen unter Aktuelles (mit Datum 30.12.2017), die Details des Ablaufs unter Termine.
Die Hintergründe dieser Aktion hatten wir schon Ende letzten Jahres erläutert. Inzwischen hat Fraport der Frankfurter Rundschau bestätigt, dass sie die Fläche am Montag für "ökologische Vorab-Bestandsaufnahmen" übernehmen werden (man will ja wissen, was man kaputt machen darf), behält den vorgesehenen Rodungstermin aber noch für sich. Wahrscheinlich ist aber, dass sie spätestens im Februar erfolgen soll, da in der Regel ein gewisses Maß an Naturschutz dadurch vorgetäuscht werden soll, dass die sog. 'Brut- und Setz-Zeit' von März bis September, in der der überwiegende Teil der Jungtiere aufwächst, von solchen 'Störungen' freigehalten wird.
Mehr als ein erstes Zeichen wird die Aktion nicht sein: man trifft sich am Rande des vorgesehenen Rodungsgebietes, es wird ein paar Erläuterungen dazu geben, was Fraport vorhat und was das insgesamt für die Region bedeutet, und wenn wir Glück haben, werden wir hinterher feststellen können, dass es doch noch einige Menschen gibt, denen das nicht egal ist.
An spektakuläre Aktionen früherer Zeiten, wie den Bau von Hüttendörfern, die Besetzung von Bäumen und Baustellen etc. ist derzeit nicht zu denken (auch wenn Robin Wood die Aktion unterstützt). Trotzdem ist es wichtig, gerade hier Flagge zu zeigen. Für diejenigen, denen der Widerstand gegen das weitere Wachstum des Flugverkehrs aus Gründen des Gesundheits-, Umwelt- und/oder Klimaschutz wichtig ist, ist es eine Gelegenheit, deutlich zu machen, worum es tatsächlich geht. Ziel des Widerstands kann nicht sein, die eine oder andere Bahn zu schliessen oder Lärm und Schadstoff-Belastung sonstwie hin und her zu schieben. Das Wachstum des Luftverkehrs selbst und alle Maßnahmen, die dieses Wachstum befördern sollen, stehen im Kern der Auseinandersetzung - und das wird an den Baustellen des Flughafen-Ausbaus deutlicher als anderswo.
Ein erstes positives Signal für die Aktion gibt es auch schon: die Wettervorhersage ist für Sonntag Mittag nicht ganz so mies wie für den Rest der Woche.
Der Kuchenstand war gut bestückt,
aber es gab noch viel Wichtigeres ...
... unter anderem die Info: auch hier soll Wald fallen, fast 10 ha.
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Die Rahmenbedingungen waren tatsächlich nicht schlecht: kein Regen, sondern nur kalter Wind und durchgeweichte Böden. Der Rest lief besser als erwartet: 150 Menschen kamen in das abgelegene Waldstück, um zu protestieren, darunter sogar ein paar, die sich eine Plattform in einen Baum gebaut haben und dort eine Weile bleiben wollen!
Auch Informationen gab es: Petra Schimdt von der BI Mörfelden-Walldorf hielt eine
hervorragende Rede, die die Zusammenhänge zwischen der geplanten Rodung, den Belastungen in der Region und den globalen Trends thematisierte und dabei prägnant die wichtigsten Punkte benannte.
Darunter war auch eine Information über eine drohende weitere Rodung in der Region: zwischen Mönchhof-Dreieck und Startbahn West sollen weitere knapp 10 ha, diesmal sogar aktueller Bannwald, für die Gewinnung von Sand und Kies fallen.
Weitere Details zu Ablauf und Hintergründen finden sich auf der BBI-Webseite sowie im Blog von Robin Wood. Auch die lokale Presse, zumindest die Frankfurter Rundschau, die Frankfurter Neue Presse und Echo Online, berichten über die Aktion.
Und weils so schön war, und vor allem, weil es noch mehr dazu zu sagen gibt, haben wir auch noch eine Extra-Seite zu der Aktion zusammen gestellt.
Zur Unterstützung der Baumbesetzer*innen hatte Robin Wood für Sonntag, den 14.01., zu einem Schnupperklettern eingeladen, und ab 14:00 Uhr gabs den zweiten Kuchenstand bei den besetzten Bäumen. Die Hessenschau zeigt ein kurzes Video dazu.
01.01.2018
Auch ohne Glaskugel lässt sich einiges von dem, was uns im kommenden Jahr erwarten wird, vorhersagen, und über anderes kann man zumindest begründet spekulieren.
Den weiteren Ausbau wird Fraport auch in diesem Jahr forcieren, wobei die Rodung des Treburer Oberwaldes wohl der nächste wichtige Schritt sein wird. Die juristischen Auseinandersetzungen um den Bau von Terminal 3 werden uns das Jahr über auch noch beschäftigen, aber ernsthafte Hindernisse sind für Fraport nicht zu erwarten. Minister Al-Wazir hat bereits mitteilen lassen, dass er sich aus der Angelegenheit heraushalten und die Stadt Frankfurt entscheiden lassen will. Dort wird der zuständige SPD-Dezernent Josef, ebenso wie sein grüner Vorgänger Cunitz, bedauernd feststellen, dass er den Fraport-Antrag selbst dann nicht ablehnen könnte, wenn er wollte - aber sehr wahrscheinlich will er garnicht.
Beim Thema Lärm ist relativ klar, dass er weiterhin nicht abnehmen, sondern im Gegenteil u.U. deutlich zunehmen wird. Die im letzten Jahr
prognostizierten Trends sind weitgehend Realität geworden und gelten weiter, und auch wenn die letzte
Prognose ein eher moderates Wachstum der Flugbewegungen in Deutschland von 1% voraussagt, kann der Anteil auf FRA durchaus höher ausfallen. Dabei ist insbesondere eine weitere Steigerung der Zahl der Bewegungen in den sog. 'Nachtrandstunden' zu befürchten, während die Diskussionen um den rechtlichen Schutz der Nachtruhe sich wohl mehr auf die Verteidigung der bestehenden Regelungen als auf die Einführung eines tatsächlichen Nachtflugverbots von 22 - 6 Uhr konzentrieren werden.
Auch die
Plan-Werke des Landes Hessen werden erfahrungsgemäß nichts dazu beitragen, dass es leiser wird, der Landesentwicklungsplan bringt im Gegenteil eher eine Verschlechterung.
Bei den anstehenden Entscheidungen zur
Südumfliegung muss man hoffen, dass Lärmschutz-Aspekte eine hinreichende Rolle spielen und der Raunheimer Südosten vor 'Lösungen' bewahrt bleibt, die dort noch mehr Startlärm bringen als bisher schon.
Bei alldem ist es nur ein schwacher Trost, dass die Förderung für
Schallschutz-Maßnahmen nach dem Regionalfondsgesetz nun noch bis Ende 2021 beantragt werden kann.
Mehr Flugbewegungen bedeuten natürlich auch mehr Schadstoffe, und hier wird es erst einmal weiter darum gehen, Klarheit zu schaffen, was genau passiert, insbesondere, wieviel
Ultrafeinstaub der Flugverkehr in unsere Atemluft pustet. Von offizieller Seite sind dazu für dieses Jahr (wahrscheinlich eher gegen Ende) zwei Ergebnisse angekündigt: zum einen soll die Raunheimer Meßstation erste Aussagen über die Grössenverteilung der gemessenen Stäube machen, was (vielleicht, vielleicht) einen Hinweis darauf geben könnte, welcher Anteil davon aus den Flugzeugtriebwerken kommt. Auch die zweite HLNUG-Station in Schwanheim könnte erste Ergebnisse liefern, die etwas über die Verteilung in der Region um den Flughafen aussagen könnten, und vielleicht gehen auch noch weitere Stationen, z.B. in Frankfurt, in Betrieb. Ob und wann aber die wirklich wichtigen Auswertungen dieser Daten gemacht werden, ist nach wie vor offen.
Zum anderen sollten Resultate aus dem erst groß angekündigten, aber dann in der Versenkung verschwundenen
UBA-Projekt vorliegen, aber auch da darf man keine großen Erwartungen hegen - die Konzeption war von Anfang an fehlerhaft, und es gibt bisher keine Indizien dafür, dass sie zwischendurch etwas gelernt hätten.
Wenn wir wollen, dass es nicht in diesem Tempo weitergeht, sondern wirklich etwas passiert, werden wir einiges tun müssen. Wichtig ist einerseits,
besser zu informieren über das, was schon bekannt ist, und andererseits auch stärker darauf zu drängen, das, was noch nicht bekannt ist, endlich vernünftig zu untersuchen.
Neben den lokalen Problemen sollte man aber auch die globalen Entwicklungen im Auge haben, denn die bestimmen die Trends, die letztendlich auch entscheiden, was lokal passiert.
So ist der sich beschleunigende Klimawandel wahrscheinlich der entscheidende begrenzende Faktor für das weitere Wachstum des Luftverkehrs. Damit das aber rechtzeitig politisch wirksam wird, müssen die
Verschleierungsmanöver der staatlichen und privaten Luftfahrt-Lobbyisten auch immer wieder angeprangert werden.
Das gilt genauso für die neoliberale Freihandels-Politik, die sich sowohl in der
Konsolidierung im Luftverkehrsmarkt mit damit verbundenem Sozialabbau bei den Beschäftigten als auch bei der als
Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse getarnten Demontage bestehender Umwelt- und Arbeitsschutz-Bestimmungen durch neue Freihandelsabkommen und einen Investitions-Schiedsgerichtshof, der eine Sondergerichtsbarkeit für Großkonzerne institutionalisieren soll.
Und zu all diesen vorhersehbaren Themen kommen noch die, die uns im kommenden Jahr mehr oder weniger überraschen werden. Grund genug, aktiv zu werden - oder zu verzweifeln ? Das muss wohl jede/r für sich entscheiden. Die Auseinandersetzungen werden schwierig, aber sie sind nicht völlig aussichtslos, und wir halten es da mit einem
deutschen Klassiker:
Wer kämpft, kann verlieren -
wer nicht kämpft, hat schon verloren !
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