Archiv 2018, 1. Halbjahr

Hier sind alle Beiträge zu aktuellen Themen aus der ersten Hälfte des Jahres 2018 gesammelt.
Die Beiträge aus der zweiten Jahreshälfte finden sich hier.
An diesen Beiträgen werden keine Veränderungen mehr vorgenommen, auch Links werden nicht mehr aktualisiert.

Beiträge aus anderen Jahren befinden sich im Archiv.

100- und 1500-Tage-Bilanz

Nur die obere Grafik stammt aus einer Präsentation der Hessischen Staatskanzlei von 2014 (die inzwischen nicht mehr auffindbar ist), die Gemeinheiten stammen von uns.

20.06.2018

Kein Beifall für grüne Regierungspolitik

Der Orts­verband Raunheim von Bündnis90/DieGrünen hatte am 16.06. wieder, wie schon vor vier Jahren, Frank Kaufmann, flug­hafen-poli­tischer Sprecher der Landtags­fraktion und Aufsichts­rats­mitglied bei Fraport, zur Diskus­sion einge­laden, und auch die BI durfte mit aufs Podium. Nach der extrem belas­tenden, ewig langen Ostwind-Phase der letzten Wochen hätte man auch mit mehr Betei­ligung rechnen können, aber für einen Samstag Nach­mittag bei schönstem Sommer­wetter und Kick-WM waren ca. 30 Besucher nicht schlecht.

Die Raunheimer Grünen hatten acht Fragen vorbe­reitet, die vom Podium abgear­beitet wurden, das Publikum wurde (meist) auf die abschlies­sende Frage­runde verwiesen. Frank Kaufmann nutzte die erste Frage ("Was hat sich durch Schwarz/Grün geändert?"), um aufzu­zählen, was die Grünen aus seiner Sicht flughafen­politisch erreicht haben. Neben der Lärmober­grenze, die später noch ausführ­licher besprochen wurde, waren das (in seiner Reihenfolge) die Lärment­gelte, die Kosten­rege­lungen für Maß­nahmen des (passiven) Schall­schutz, Gelder für Forschungs­förderung, erhöhte Anflug-Gleit­winkel, die Lärm­pausen , die Erweite­rung der Flug­lärm­kommis­sion, die Bewer­tung der NORAH-Studie, eine Initiative zur Änderung der Gesetze zum Schall­schutz, Maß­nahmen zur besseren Einhal­tung der Flug­routen und die Erweite­rung des Anspruchs­gebiets für Dach­siche­rungen.
Schon hier musste er sich die Kritik gefallen lassen, dass der passive Schall­schutz rund um FRA längst nicht den Anforde­rungen genügt, der höhere Anflug­winkel auf die Südbahn (über Raunheim) praktisch nicht genutzt wird und der Schutz vor Wirbel­schleppen-Schäden völlig unzu­reichend ist.
Die ganz großen Pleiten der grünen Flug­hafen-Politik, von der kläg­lichen Alter­native zum Termi­nal 3 über die blamable Rolle der Allianz für Lärm­schutz bis zum völligen Ver­sagen beim Aktiven Schall­schutz, hat er lieber garnicht erst erwähnt.

Zum Thema Ultra­feinstaub wieder­holte Kaufmann die Einschät­zung seines Ministers, wonach Hessen mit seinem Meß­programm 'Pionier­arbeit' leiste und ansonsten über Emis­sionen, Ausbrei­tung und Wirkung ultra­feiner Teilchen noch viel zu wenig bekannt sei.
Er musste sich dann natür­lich vorhalten lassen, dass er damit noch hinter den Aussagen der HLNUG zurück­bleibt, den inter­nation­alen Forschungs­stand nicht zur Kenntnis nimmt und die Mes­sungen und Auswer­tungen rund um FRA dringend erweitert werden müssen.
Positiv zu werten war seine Aussage, dass die Grünen in ihrem Wahl­programm die Forde­rung nach einem umfas­senden Programm zur Unter­suchung der gesund­heit­lichen Wir­kungen des Ultra­feinstaubs im Rhein-Main-Gebiet unter­stützen - ein Punkt, der auch in der ansonsten sehr kriti­schen Presse­bericht­erstat­tung über die Veran­staltung positiv hervor­gehoben wurde.

Sehr kontrovers wurde auch das Thema 'Lärmober­grenze' diskutiert. Während Kaufmann die dazu gefassten Beschlüsse und Verein­barungen als Instrumente dar­stellte, die bereits unter­halb der im Plan­fest­stellungs­beschluss abge­segneten Lärm­werte zu Diskus­sionen über einschrän­kende Maß­nahmen führen sollen, haben wir ja von Anfang an darauf hinge­wiesen, dass diese Verein­barung nichts begrenzt ausser der Fähig­keit der Aufsichts­behörde, zu handeln, da sie mindes­tens zwei Jahre Still­halten vor­schreibt.

Die restlichen Fragen wurden weniger kontrovers diskutiert, auch weil es angesichts der fort­geschrit­tenen Zeit meist nicht möglich war, tiefer in die Details einzu­steigen. Zu den zuneh­menden Nacht­flügen versuchte Kaufmann zwar noch, die Maß­nahmen des Minis­teriums in ein positives Licht zu rücken, stellte aber auch (korrekt) dar, dass sie aufgrund der Rechts­lage schwer zu bekämpfen sind. Soweit. deswegen den Plan­fest­stellungs­beschluss zur Dispo­sition zu stellen, wollte er aber doch nicht gehen, und die Tatsache, dass die Landes­regierung gerade erst auf Wunsch der Luft­verkehrs­wirtschaft den Schutz der Nachtruhe in der Landes­planung geschwächt hat, wurde nicht thema­tisiert.
Auch die Unter­schiede in der Ein­schätzung der diversen Ansätze zur Novel­lierung des Flug­lärm­gesetzes konnten nicht mehr heraus­gear­beitet werden, und ob es eine Basis für gemein­same Aktivi­täten geben könnte, war auch nicht mehr Thema.

Insgesamt kann man gut verstehen, dass sowohl die Zuhörer als auch die lokale Presse zu einer sehr kritischen Ein­schätzung der grünen Politik kamen. Und auch wir fühlen uns in der Bewer­tung bestätigt, die wir schon nach 100 Tagen schwarz-grüner Landes­politik formu­liert hatten. Diese Regierung hat nichts voran gebracht, sie hat im Gegen­teil mit dafür gesorgt, dass der Luft­verkehrs­wirtschaft Hinder­nisse aus dem Weg geräumt wurden, u.a. indem auch noch letzten Ergeb­nisse der ohnehin schon extrem schwachen Media­tion, wie die Lärmober­grenze, so abgeräumt wurden, dass sie das Wachs­tum des Luft­verkehrs auf FRA nicht beein­trächtigen können.
Man sollte sich also keine Illu­sionen darüber machen, was aktuell bei Wahlen erreicht werden kann. Auch die Grünen wurden als Ausbau­gegner gewählt (Al-Wazir vor der Wahl: "Mit mir wird es kein Terminal 3 geben") und endeten als Gehilfen der CDU-Ausbau­politik. Allen anderen, die sich als Junior-Partner in eine Koalition mit Ausbau-Parteien begeben würden, würde es genauso gehen - der politische Druck der Luft­verkehrs­lobby ist viel zu stark für eine alter­native Politik, solange die nicht durch starke ausser­parlamen­tarische Kräfte einge­fordert wird. Die gilt es aber erstmal zu organi­sieren.




Anflug Raunheim

18.06.2018

Fluglärm: knüpft die Stadt an alte Traditionen an ?

Der Beschluss ist knapp gehalten und für sich wenig auf­regend: die Raun­heimer Stadt­verord­neten haben beschlos­sen, "sich den Einschät­zungen und Forde­rungen der Stellung­nahme der Arbeits­gemein­schaft Deut­scher Flug­lärm­kommis­sionen (ADF) zum Entwurf eines Berichtes der Bundes­regierung zur Evalu­ierung des Flug­lärm­schutz­gesetzes" anzu­schliessen und die ADF "in ihrem Bemühen zu unter­stützen, Vertre­tern von Bundes­regierung und Bundes­tag den dring­enden gesetz­lichen Reform­bedarf im Hinblick auf die Verbes­serung des Schutzes der Bevölke­rung vor Fluglärm zu vermit­teln und auf entspre­chende gesetz­liche Ände­rungen zu drängen".

Interessant ist aber, was daraus folgen soll: laut einem Bericht der Main-Spitze möchte die Stadt "den politisch Verant­wort­lichen in Berlin deutlich ... machen, dass 'poli­tischer Druck im Kessel' ist" und dazu "wieder eine Protest­aktion vor dem Reichs­tag durch­führen", wie schon bei der letzten Novel­lierung des Flug­lärm­gesetzes im Jahr 2007. Das natür­lich nicht allein, sondern mit vom Fluglärm Betrof­fenen aus dem ganzen Bundes­gebiet.

Die ADF-Stellung­nahme könnte in der Tat eine gute Grund­lage für ein gemein­sames Vorgehen aller an einem besseren Schutz vor Fluglärm Interes­sierten sein. Zwar rückt sie die (wenigen) positiven Elemente des Berichts des Umwelt­ministeriums in den Vorder­grund, lässt aber auch die meisten der gravie­renden Mängel nicht unerwähnt und benennt eine ganze Reihe weiter­gehender Forde­rungen. Damit ist im Wesent­lichen das abgesteckt, was an Fort­schritt auf der Grund­lage des beste­henden Rechts­rahmens erreichbar wäre.
Die BIs werden sich natür­lich nicht daran hindern lassen, ihre deutlich weiter­gehenden Forde­rungen sowohl zur recht­lichen Gestal­tung des Lärm­schutzes als auch nach Ände­rungen in der gesamten Luft­verkehrs­politik und einer Abkehr vom gegen­wärtigen blind­wütigen, Gesund­heit und Umwelt ruinie­renden Wachstums­kurs bei allen Aktionen mit vorzu­bringen. Sie sollten aber die ADF-Forde­rungen als gemein­same Basis für Aktionen mit Anderen, speziell den politisch Verant­wortlichen in betrof­fenen Kommunen, mit­tragen können.

Jetzt sollte es also darum gehen, die Vorlage aufzu­greifen und Aktio­nen vorzu­bereiten. Der Bericht des Umwelt­ministeriums kann in der Ressort­abstimmung inner­halb der Regierung, insbe­sondere durch das Verkehrs­ministerium, nur verschlechtert werden. Daher ist das Parlament der richtige Ansprech­partner, der die Mängel beseitigen und die notwen­digen Forde­rungen in der Novel­lierung des Flug­lärm­gesetzes (und des Luft­verkehrs­gesetzes) umsetzen könnte. Im Moment ist eine politische Mehrheit dafür nicht absehbar. Aber es ist einen Versuch wert, möglichst vielen Abgeord­neten klar zu machen, was die Betrof­fenen von ihnen erwarten.
Man kann nur hoffen, dass es gelingt, die Streit­punkte in anderen Fragen, auch zur Luft­verkehrs­politik, zurück­zustellen und zu gemein­samen Aktionen zu kommen. Die BIs im Rhein-Main-Gebiet sollten hier eine führende Rolle spielen und in ihren Kommunen für die Unter­stützung der ADF-Forde­rungen und der geplanten Aktionen werben - für den notwen­digen Streit um alles andere bleibt noch Zeit genug.




Titelblatt HLNUG-Bericht

Nur 16 Seiten Text, aber trotzdem mehr drin als in den meisten bisherigen Materialien.

06.06.2018

HLNUG-Bericht zu Ultrafeinstaub: endlich auf dem richtigen Weg ?

Über­raschend schnell hat das HLNUG für die beiden neuen Ultra­feinstaub-Meß­geräte, die im letzten Jahr im September in Raun­heim und im Oktober in Schwan­heim in Betrieb genommen wurden, in einem Zwischen­bericht Ergeb­nisse der Mes­sungen veröffent­licht. Und während sich die zustän­digen Minister (Frau Hinz für das Umwelt- und Herr Al-Wazir für das Verkehrs-Minis­terium) in ihrer Presse­mittei­lung zunächst wie üblich lang und breit darüber auslassen, wie wenig über das Thema bisher bekannt sei und wie revolu­tionär ihre Aktivi­täten dazu sind, ehe sie ein paar dürre Sätze zu den Ergeb­nissen verlieren, weicht der Bericht vom bisher Gewohnten erfreu­lich ab. Er stellt kurz und präzise die erhal­tenen Ergeb­nisse dar und disku­tiert darauf auf­bauend ausführ­lich den Flughafen als mögliche Quelle für die gemessenen UFP-Konzen­trationen.

Festge­stellt wird zunächst, dass die gemessenen, deutlich über der üblichen Hinter­grund­belastung liegenden UFP-Werte in Schwan­heim sowohl durch den Tages­gang (erhöhte Werte von 5:00 - 23:00 Uhr) als auch durch die Wind­richtung (erhöhte Werte bei Wind vom Flughafen) und die Grössen­verteilung (deutlicher Peak bei sehr kleinen Teilchen) für den Flug­verkehr als Quelle sprechen, während alle diese Einfluss­grössen in Raunheim weniger stark ausge­prägt sind. Die Autoren Rose und Jacobi disku­tieren dann noch weitere Details der Ergeb­nisse und Unter­schiede zwischen den beiden Stationen und formu­lieren als Fazit, die Ergeb­nisse legten "den Schluss nahe, dass der Flug­hafen Frank­furt eine bedeut­same Boden­quelle für ultra­feine Partikel ist".
Das ist einer­seits ein deut­licher Fort­schritt gegen­über bishe­rigen Aussagen, die die Rolle des Flughafens als UFP-Quelle besten­falls als Möglich­keit betrachtet haben, anderer­seits wird dieses Ergebnis aber sofort wieder genutzt, um die Bedeutung der Emis­sionen aus den Überflügen in Frage zu stellen. Minister Al-Wazir kommen­tiert dankbar: "Belege, dass auch Überflüge unter­halb einer bestimmten Höhe als relevante Quelle für UFP am Boden in Betracht kommen, lassen sich aus den bisherigen Auswer­tungen nicht ableiten. Raunheim wird direkt über­flogen, Schwanheim nicht".

Tatsächlich ist das Ergebnis zunächst über­raschend. Aus Messungen an dicht befah­renen Strassen weiss man, dass die UFP-Belas­tung schon nach wenigen hundert Metern deutlich absinkt und auch durch Hinder­nisse wie Schall­schutz­wände oder Begleit­grün reduziert wird. Die Meßstation in Schwan­heim ist 3 km vom Flughafen entfernt, und dazwischen ist über­wiegend Wald, bei der Raun­heimer Station sind es 5 km und eben­falls etliche Hinder­nisse. Wenn der boden­nahe Transport vom Flughafen tatsäch­lich eine deutliche Rolle spielen sollte, dann muß wohl die Thermik auf dem Flug­hafen­gelände dafür sorgen, dass die dort emittierten Teilchen in höhere Luft­schichten befördert und weiter trans­portiert werden können, als das bei Strassen der Fall ist.
Die Rolle der Überflüge ist damit aber längst nicht geklärt. Die Auswer­tungen nehmen immer noch nicht auf die jewei­lige Anflug­richtung Bezug, und im Auswerte­zeitraum bis Ende Februar gab es relativ wenig Ostbetrieb mit Anflügen über Raunheim - im nächsten Bericht wird das wohl anders aussehen.

Immerhin enthält der Ausblick des Zwischen­berichts das Versprechen, eine ganze Reihe der Unter­suchungen anzu­gehen, die wir schon lange fordern. Wann und wie das passieren wird, bleibt abzu­warten.
Die Landes­politik wird sicher nicht von selbst dafür sorgen, dass es hier wirk­lich voran­geht. Zwar deuten die beiden Minister in ihrer PM neben allem Selbst­lob und verharm­losendem Geschwätz auch an, dass künftig mehr passieren soll (es ist schließ­lich Wahl­kampf), und Al-Wazir deutet sogar zaghaft an, dass es tatsäch­lich ein NORAH vergleich­bares Programm zur Unter­suchung der medizi­nischen Wirkungen des Ultra­feinstaubs in Rhein-Main geben könnte. Aber nicht nur, weil nach dem Wahl­kampf auch wirklich Wahlen sind und niemand weiss, wer nachher für diesen Bereich verant­wortlich sein wird, sollte man darauf nicht allzu viel geben. Ohne Druck von unten wird sich wie immer nichts bewegen.




Satellitenfoto Porto Alegre

Der Flughafen von Porto Alegre - mitten in der Stadt gelegen, soll er trotzdem noch wachsen !

11.05.2018

Fraport in Brasilien - der nächste Skandal ?

Zu Jahres­beginn teilte Fraport mit, dass sie den Betrieb zweier brasilia­nischer Flug­häfen, Fortaleza im Norden und Porto Alegre im Süden, für 30 bzw. 25 Jahre über­nommen haben. Zu den Absichten dort heisst es nur diffus, Aufgabe sei es, "die Aufent­halts­qualität für Flug­gäste zu verbes­sern und dabei auch die Bedeu­tung der beiden Flug­häfen als Wirt­schafts- und Stand­ort­faktor für alle betei­ligten Stake­holder sowie die jewei­ligen Regionen zu steigern".
Ein wenig konkreter wird es in der kürz­lich erschie­nenen Broschüre 2017 Kompakt. Darin heisst es über Porto Alegre: "Inves­titions­schwer­punkte werden neben der Moder­nisie­rung der beiden Termi­nals sowie Vorfeld­positionen auch die Verläng­erung der Start- und Lande­bahn sein". Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man aller­dings andere Quellen heran­ziehen.

Als Erstes hilft ein Blick auf die Land­karte bzw. Satel­liten-Aufnahme (s. Grafik). Der Flug­hafen liegt praktisch mitten in der Stadt, wobei die (offi­zielle) Bebauung auf beiden Seiten bis auf etwa einen Kilo­meter an das Ende der einzigen Bahn heran­reicht. Im Westen blockiert aller­dings eine Haupt­verkehrs­strasse die Ausbau­möglich­keiten, daher soll nach Osten erweitert werden. Die aktuelle Bahn ist nur 2.280 Meter lang; um auch für grössere Flug­zeug­typen geeignet zu sein, müsste sie auf mindes­tens 3.200 Meter verlängert werden - und da beginnt auch im Osten bereits die Bebauung.

Schlimmer noch, entlang einer Strasse, die im Osten in etwa 400 Meter Abstand vorbei führt, hat sich schon vor vielen Jahren eine inoffi­zielle Bebauung entwickelt, wo Menschen, die sonst keine Unter­kunft finden, ihre eigene Infra­struktur entwickelt haben. Zwei dieser Favelas sollen dem Ausbau weichen. In einer davon, Vila Dique, wurde schon vor zwei Jahren mit einem Umsied­lungs­programm begonnen. Wie die 'Koope­ration Brasilien' berichtet, wehren sich die verblie­benen 1.500 Bewohner nach wie vor heftig gegen diese Umsied­lung. Nicht nur sind die angebo­tenen neuen Woh­nungen in Porto Novo über­wiegend nicht geeignet, sie liegen auch so weit ausser­halb, dass die Menschen ihre bishe­rigen Arbeits­plätze nur noch mit grossem Aufwand oder garnicht mehr erreichen können. Von den 4.000 Personen, die von dem Programm bisher erfasst wurden, sollen ca. 100 schon wieder zurück­gekehrt sein. Auch in der zweiten Favela, Vila Nazaré, wo 5.000 Menschen betroffen wären, regt sich Wider­stand.

Aber selbst, wenn den Bewohnern dieser Favelas, die auch ohne den Flughafen dringend bessere Wohn­beding­ungen brauchten, menschen­würdige Wohnun­gen mit geeig­neter Infra­struktur ange­boten würden, wäre die geplante Flug­hafen­erweite­rung menschen­verachtend. Schon heute werden die anlie­genden Wohn­gebiete viel zu niedrig über­flogen, machen Lärm und Schad­stoffe ein gesundes Leben unmög­lich. Eine Verläng­erung der Bahn, grössere Flug­zeuge und mehr Flug­bewegungen würden die Beding­ungen noch drastisch verschärfen - und die medizi­nischen Konse­quenzen sind für Menschen in Brasilien nicht anders als hier.

Zwar sind die genauen Beding­ungen wie üblich nicht bekannt, aber man darf davon ausgehen, dass sich Fraport mit der Konzession für den Betrieb des Flughafens auch die Möglich­keit der Erweite­rung vertrag­lich gesichert hat. Selbst wenn der Staat sich also eines Besseren besinnen und das Erweite­rungs­projekt im Interesse der Anwohner aufgeben würde, würde Fraport entspre­chenden Druck ausüben und finan­zielle Konse­quenzen androhen. Wahr­schein­licher aber ist, dass der Staat die Drecks­arbeit erledigt, die Menschen vertreibt und unzumut­baren Lebens­beding­ungen unter­wirft - und Fraport den Profit einstreicht. Ein weiteres Beispiel für die völlige gesell­schaft­liche Verant­wortungs­losig­keit dieses Konzern und seiner Anteils­eigner. Die Haupt­versamm­lung am 29. Mai wäre eine gute Gelegen­heit, ihnen dazu die Meinung zu sagen.




Scheuerle mit Hammer

Dicker Hammer statt spitzer Feder - als knallharter Neoliberaler
taugt Herr Scheurle sicherlich für den Lobbyposten beim BDL.
Die Frage ist eher, was er an der Spitze der DFS zu suchen hat.

09.05.2018

Die Luftverkehrslobby sortiert sich neu

Zum 1. Juni 2018 übernimmt der Vorsit­zende der Geschäfts­führung der Deut­schen Flug­siche­rung, Klaus-Dieter Scheurle, den Präsi­denten-Posten des 'Bundes­verbandes der Deut­schen Luft­verkehrs­wirtschaft' und wird damit Chef der Luft­verkehrs­lobby. Sein Vor­gänger in diesem Job, Fraport-Chef Schulte, wechselt zum 1. Juli in das Präsi­denten­amt der 'Arbeits­gemein­schaft Deutscher Verkehrs­flughäfen', dem Lobby­verband der Groß­flughäfen (und solcher, die es sein möchten).
Grund­sätzlich Neues ergibt sich damit nicht, denn beide gehören den Leitungs­gremien des jewei­ligen Verbandes schon seit Jahren an. Das Gesicht an der Spitze prägt aller­dings das öffent­liche Bild.

Die 'Bürger­initiative Luft­verkehr Offenbach' (BIL) kritisiert die neue Rolle von Herrn Scheurle: "Es kann nicht sein, dass ein führen­der Vertreter der Flug­sicherung, [die] mit der Wahr­nehmung ... hoheit­licher Auf­gaben beliehen ist und sonder­polizei­liche Aufgaben erfüllt, als Lobby­ist der Luft­verkehrs­wirtschaft agieren darf."
Tatsächlich ergeben sich da deutliche Wider­sprüche, nicht nur, weil die DFS als bundes­eigenes Unter­nehmen natür­lich (theo­retisch) in erster Linie das All­gemein­wohl und nicht die Profit­interessen der Luft­verkehrs­wirtschaft im Auge haben sollte, sondern auch, weil das Kosten­senkungs­getrommel des BDL auch der DFS, genauer gesagt den DFS-Mitar­beiter­*innen und den Steuer­zahlern, schon direkt geschadet hat.
Aber Herr Scheurle ist im Nebel­werfen geübt und findet immer einen öffent­lichkeits­wirksamen Sünden­bock, wenn die wahren Schuldigen im Hinter­grund bleiben sollen. In diesem Fall ist das 'Brüssel', wo zwar auch neo­liberale Kosten­senkungs­politik zur Förde­rung des Luft­verkehrs getrieben wird, deren Einfluss er hier aber maßlos über­treibt.

Betrachtet man die Karriere von Herrn Scheurle, dann ist er in dem neuen Job wohl in seinem Element. Er hat sich als Jurist auf einem CSU-Ticket politisch hoch­gear­beitet, in verschie­denen Funk­tionen an der Zerschla­gung der Post mit­gewirkt und das dabei erwor­bene Wissen (und Bezieh­ungen) in einer lukra­tiven Karriere als Berater bei Credit Suisse vermarktet. 2009 wechselte er dann zurück in die Politik und wurde Staats­sekretär im Verkehrs­ministe­rium. Warum dieser Wechsel kam, ist unklar. Zwar war im Zuge des auf­kommenden Banken-Skandals auch die Credit Suisse in etliche Unter­suchungen ver­wickelt, sein Name taucht dabei aller­dings nicht explizit auf.
Aber es genügten ihm auch drei Jahre mit einem Hunger­lohn von rund 150.000 Euro/a, um genügend Kennt­nisse und Erfah­rungen für den nächsten Karriere­schritt zu sammeln. Nachdem er als Aufsichts­ratsvor­sitzender der DFS die alte Geschäfts­führung raus­gedrängt hatte, liess er sich von seinem Minister und CSU-Freund Ramsauer in den Ruhe­stand ver­setzen, nachdem er den Chef­posten bei der DFS für sich selbst gesichert hatte. Der Spiegel schrieb damals über diesen Posten: "Wem es gelingt, zum obersten Flug­lotsen der Republik aufzu­steigen, der darf sich auf ein sorgen­freies Leben freuen. Der Chef der Deutschen Flug­sicherung (DFS) verdient mehr als doppelt so viel wie die Bundes­kanzlerin. ... Und neben unzäh­ligen First-Class-Flügen in alle Welt lässt der Job noch ausrei­chend Zeit für Freizeit und Familie." - Letzteres deshalb, weil es eine politische Funktion ist und die eigent­liche Arbeit von zwei weiteren Geschäfts­führern erledigt wird. Der Spiegel schätzt, dass er seinen kargen Staats­sekretärs-Lohn durch diesen Schritt etwa verdrei­facht hat.

Wenn die BIL ihre Presse­erklärung mit dem Satz schliesst: "Wir fordern Herrn Scheuerle auf, [auf] das Amt im Inter­esse einer Neutra­litäts­pflicht bei der Ausübung hoheit­licher Aufgaben des Staates zu verzich­ten oder die Aufgabe der Leitung des DFS aufzu­geben", dann muss man wohl nach dieser Vorge­schichte sagen, dass die zweite Möglich­keit im Inter­esse der Flug­sicherung, der Steuer­zahler und der politi­schen Hygiene in diesem Land eindeutig die Bessere wäre.




Rückwärts rudern

Die FLK hat den Schallschutz fest im Blick
- aber nicht alle Beschlüsse passen dazu

06.05.2018

Die Fluglärmkommission rudert zurück

Hatte die Fluglärm­kommission noch in ihrer Februar-Sitzung das vom 'Forum Flug­hafen und Region' vorge­legte, völlig unzu­reichende Maß­nahme­programm Aktiver Schall­schutz lediglich zur Kennt­nis genommen, heisst es in der Presse­mittei­lung zur Sitzung vom 02.05.2018:

"Nach intensiven Diskus­sionen und einer Grund­satz­debatte zu den verfüg­baren Stell­schrauben des aktiven Schall­schutzes und den Umgang mit lärm­verlagern­den Maßnahmen beschloss eine deut­liche Mehrheit der Mit­glieder der Flug­lärm­kommission Frank­furt das Maß­nahmen­programm Aktiver Schall­schutz."
Der Beschluss selbst erklärt zunächst den Sinnes­wandel:
"ein eindeu­tiges Votum der Flug­lärm­kommis­sion" sei nötig, "um Maß­nahmen des aktiven Schall­schutzes, hier also das Maß­nahmen­programm, in die Umset­zung zu bringen."
und erläutert, worauf die FLK dabei beson­deren Wert legt. Die eigent­liche Zustim­mung ist scham­haft in Punkt 4 versteckt:
"Im Übrigen wird das Maßnahmen­programm aktiver Schall­schutz von der Kommis­sion begrüßt."

Man kann nun speku­lieren, weshalb dieser Beschluss zustande kam. Geändert hat sich ausser ein wenig Kosmetik an den Konsul­tations­verfah­ren, mit denen die lärm­verschie­benden Maß­nahmen begleitet werden sollen, in der Sache wenig. In der Sitzung selbst hat die Fluglärm­schutz­beauf­tragte, Frau Barth, noch (weit­gehend nachvoll­ziehbar) präsen­tiert, dass viele Schall­schutz­maßnahmen zwangs­läufig (auch) lärm­verschie­benden Charakter haben und zusätz­liche Krite­rien zur Bewer­tung genutzt werden müssen.
Was aber die FLK daran gehin­dert hat, bei ihrer Ableh­nung des völlig unzu­reichen­den Programms zu bleiben und lediglich den Maß­nahmen, die sie für umsetzungs­würdig hält, einzeln zuzu­stimmen, bleibt im Dunkeln. Es gibt keinen formalen Grund dafür, ein 'Programm' unter­stützen zu müssen, damit einzelne, darin enthaltene Maß­nahmen umgesetzt werden können. Seine weitere Ablehnung wäre ein deutliches Signal an Wirt­schafts­minis­terium und FFR gewesen, dass sie mehr für den Schall­schutz tun müssen, um die Anfor­derungen der Region zu erfüllen. Diese Chance wurde hier versäumt.

Ansonsten enthalten die Sitzungs­unter­lagen wie immer eine Menge statis­tischer Berichte, aus denen man alles Mögliche über Lärm­pegel, Anzahl und Vertei­lung von Flug­bewe­gungen usw. ablesen kann, und eine interes­sante Präsen­tation mit einer Zusammen­stellung der Monito­ring-Ergeb­nisse, die für den Lärm am Flughafen Frankfurt im Netz zur Verfügung stehen - sogar der DFLD ist dabei.




Grafik Fluglärmgesetz

"Dieses Gesetz schützt den Fluglärm, nicht die Menschen"
Unter dieser Parole hat die BI schon 2007 in Berlin demonstriert.
Wenn es nach der Bundesregierung geht, wird es auch diesmal nicht besser.

02.05.2018

Fluglärmgesetz: Bundesregierung plant nur Kosmetik

Nach vielen Verzöge­rungen hat nun das Bundes­umwelt­ministerium mit fast einem Jahr Verspä­tung einen Entwurf für einen Bericht zur gesetzlich vorge­schrie­benen Evalu­ierung des Fluglärm­gesetzes vorge­legt. Dieser Entwurf befindet sich derzeit noch bis 18.05. in der Länder- und Verbände-Anhö­rung und muss noch zwischen den betei­ligten Ressorts der Bundes­regierung, d.h. insbesondere noch mit dem Wirt­schafts- und dem Verkehrs-Minis­terium, abgestimmt werden.
Auch wenn der Entwurf schon erschreckend schwach ist, kann er dadurch eigentlich nur noch schlechter werden.

Wie befürchtet, ist vieles von dem, was im vor einem Jahr vorge­legten Bericht des Umwelt­bundes­amtes zu dem Thema an Positivem enthalten war, aus dem BMUB-Entwurf verschwunden. Besonders krass wird das an der Bewertung der Fort­schritte in der Lärm­wirkungs­forschung deutlich. Hier hatte das UBA mit Verweis auf die Forschungs­ergeb­nisse der letzten 10 Jahre u.a. eine Absen­kung der Grenz­werte für die im Gesetz defi­nierten Schutz­bereiche um jeweils 10 dB(A) gefordert und dazu aus­geführt:

"Die aktuellen Forschungs­erkennt­nisse aus dem Bereich der Herz-Kreis­lauf-Erkran­kungen sowie der Fluglärm­belästigung und den mentalen Erkran­kungen belegen, dass die SGW des FluLärmG keinen umfas­senden Schutz hinsicht­lich möglicher gesund­heitlicher Aus­wirkung bieten. ... Entspre­chend sind die Tages­schutz­zonen­grenzwerte auf 50 dB(A) (TSZ1) bzw. 45 dB(A) (TSZ2) LAeq,Tag zu senken ... Auch die SGW für die Nacht sind beruhend auf dem aktuellen Stand der Lärm­wirkungs­forschung anpas­sungs­bedürftig. ... Um die Gefahr der Beein­trächtigung der Gesund­heit durch nächt­liche fluglärm­bedingte Schlaf­störungen zu mini­mieren, ist der SGW für die Nacht daher auf 40 dB(A) LAeq,Nacht zu senken."

Das BMUB ignoriert die Ergeb­nisse seiner Fach­behörde komplett und folgt den Gefäl­ligkeits­studien der Luft­verkehrs­wirtschaft. Die Grenz­werte sollen ledig­lich um 2 dB(A) abgesenkt werden, da ansonsten wegen (über­wiegend theore­tischer) Lärm­reduzie­rungen durch neuere Flugzeug­typen an vielen Flug­häfen die Schutz­bereiche verkleinert werden müssten, was als politisch heikel angesehen wird. Ansonsten sieht es keinen Grund für Verbes­serungen:

"Die Angemes­senheit und Geeignet­heit der im Jahr 2007 im Rahmen einer umfassenden Abwägung vom Gesetz­geber festge­setzten Werte des § 2 Absatz 2 des Fluglärm­gesetzes wird dadurch aller­dings nicht in Frage gestellt. Eine über die vorge­schlagene Verschärfung der Werte des § 2 Absatz 2 des Fluglärm­gesetzes hinaus­gehende, weiter­reichende Grenz­wert­absen­kung wird daher derzeit von der Bundes­regierung nicht empfohlen."

Weiter­gehende Kritik des UBA und die grund­legende Forde­rung, dass die bisher auf Fluglärm­gesetz und Luftverkehrs­gesetz verteilten Rege­lungen zum Lärmschutz auf eine neue und konsis­tente Grund­lage gestellt werden müssten, bleiben natür­lich erst recht aussen vor.

Die Fluglärm­kommission hat den Bericht in ihrer Sitzung am 02.05. analysiert und immerhin 13 Punkte gefunden, in denen der Bericht noch gewisse Verbesse­rungen des aktuellen Zustands vorsieht. Dazu gehören insbe­sondere einige, teil­weise aller­dings bereits von Gerichten gefor­derte Verbesse­rungen beim passiven Schall­schutz wie bessere Lüftungs­systeme und die Ausweitung der Ansprüche für Kitas, Schulen und Kranken­häuser.
Wohl in der Einschätzung, dass selbst diese kleinen Fort­schritte in der Ressort­abstimmung noch gefährdet sind, weist sie in ihren Eckpunkten zwar auf die grund­legenden Mängel hin, stellt aber die Notwen­digkeit der Umsetzung dieser Punkte in den Vorder­grund.

Eigentlich wäre es jetzt notwendig, dass die Betrof­fenen der Bundes­regierung deutlich machen, was sie von deren Einschätzung der Lärm­betroffen­heit halten. Insofern wäre es eigentlich begrüssens­wert, dass der Bürger­meister der Stadt Flörsheim dazu auf­fordert, der Kanzlerin für mehr Fluglärmschutz zu schreiben. Dagegen spricht auch nicht, das diese Initia­tive wohl Teil seiner Bemühungen ist, bei der anstehenden Wahl im Amt bestätigt zu werden - man kann auch dümmeren Wahl­kampf machen. Sehr zu wünschen übrig lässt aller­dings der Inhalt seines Muster­briefes. Darin behauptet er, die "Vorschläge des Bundes­umwelt­minis­teriums decken sich weit­gehend mit den Forde­rungen und leid­vollen Erfah­rungen der rund um den Frank­furter Flughafen lebenden Bürger­innen und Bürger", was man angesichts der gravie­renden Mängel nur als schlechten Scherz betrachten kann.
Man kann darüber streiten, ob es über­haupt Sinn macht, Briefe an die Regierung zu schreiben. Wenn man es aber tut, sollte das Richtige drinstehen - und das findet man eher im oben zitierten UBA-Bericht. Viel besser wäre es allerdings, die richtigen Forde­rungen auch in einer öffent­lich wirk­samen Weise zu vertreten, so dass die Regierung sie zur Kenntnis nehmen muss.




UFP an Schule

Mit dieser (hier leicht angepassten) Grafik illustrieren die australischen Wissenschaftler*innen ihre Untersuchungen

29.04.2018

Schulkinder leiden unter Ultrafeinstaub

Dass hohe Ultra­feinstaub-Belas­tungen schädlich sind, kann man vernünf­tiger­weise nicht mehr bezwei­feln. Nun belegt eine austra­lische Unter­suchung, was sie bei Schul­kindern anrichten können.

Das Projekt UPTECH ('Ultrafine Particles from Traffic Emissions and Children’s Health') hat an 25 Schulen in der austra­lischen Region Brisbane die verkehrs­bedingte Belastung durch Ultra­feinstaub gemessen und model­liert und an über 600 Schülern medizi­nische Unter­suchungen durch­geführt, um die Wirkung auf Atem­wege und Lunge zu unter­suchen.
Das wesent­liche Ergebnis: zwar konnte kein Zusammen­hang mit akuten Symptomen wie Asthma­anfällen, Husten oder Keuchen gefunden werden, aber eine ein­deutige Korre­lation zwischen der UFP-Konzen­tration und dem Auf­treten eines Biomarkers für eine "syste­mische Entzün­dung". Für Kinder mit Über­empfind­lichkeit (sog. Atopie) wurde zudem ein Zusammen­hang zwischen UFP und Entzün­dungen der Atem­wege festge­stellt.

Mit 'syste­mischen Entzün­dungen' reagiert der Körper auf Stress­faktoren, auf die er keine spezifi­schere Antwort findet. Anders als lokale Entzün­dungen, die normaler­weise erfolg­reich einen Erreger bekämpfen, können sie mangels Erfolg leicht chronisch und damit zum Auslöser anderer Belas­tungen und Krank­heiten werden, wie z.B. Asthma, Rheuma o.ä..
Die berichteten Ergeb­nisse sind also Anlass zu Besorgnis: auch wenn es (noch) nicht zu nachweis­baren Symptomen oder Krank­heiten kommt, werden die Kinder geschwächt und möglicher­weise die Grund­lagen für künftige Erkran­kungen gelegt. Und es gibt leider keinen Grund, anzu­nehmen, dass diese Wirkungen nicht auch hierzu­lande auftreten.

In der austra­lischen Studie wurden auch andere Luft­qualitäts-Para­meter gemessen, und sie bewegen sich in den gleichen Grössen­ordnungen wie hier. Die mittlere UFP-Belas­tung der teil­nehmenden Schüler während der Schul­stunden wird in der Studie mit 15.000 Teil­chen pro Kubik­zenti­meter ange­geben. Für die Raun­heimer Meß­station, die direkt neben der Pesta­lozzi­schule, der grössten Grund­schule in Hessen, steht, gibt HLNUG einen Jahres­mittel­wert von 16.000 Partikel/cm3 an.
Im Unter­schied zu den Verhält­nissen in Brisbane, wo die Belastung im Wesent­lichen aus dem Strassen­verkehr resultiert und keinen extremen Schwan­kungen unter­liegt, verbirgt der Mittel­wert in Raunheim aller­dings, dass in Zeiten der Betriebs­richtung 07, in denen Schule und Meß­station im Lande­anflug über­flogen werden, deutlich höhere Konzen­trationen auftreten können. Laut HLNUG liegt der Jahres­mittel­wert für die Wind­richtung, bei der BR 07 geflogen wird, bei knapp 30.000 Partikel/cm3, im Extrem­fall treten Werte von über 100.000 Partikel/cm3 auf.

Was solche Peaks in der Belastung auslösen können, darauf gibt eine andere gerade erschie­nene Studie Auskunft. In der Region um die US-Stadt Salt Lake City, die sich durch eine grund­sätzlich eher niedrige (PM2,5 um 10 µg/m3), unter bestimmten Wetter­beding­ungen aber zeit­weise deut­lich anstei­gende Feinstaub-Konzen­tration aus­zeichnet, wurden über 17 Jahre hinweg alle gemeldeten Diagnosen von Entzün­dungen der unteren Atemwege, insge­samt fast 150.000 Fälle, auf einen Zusammen­hang mit erhöhten Fein­staub­werten untersucht. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass ein bis drei Wochen nach einer Phase erhöhter Fein­staub-Belas­tungen die Fall­zahlen deutlich ansteigen, wobei insbe­sondere Klein­kinder, aber auch Schüler und Erwachsene betroffen sind.
Da auch in den USA UFP-Werte nicht regel­mäßig gemessen werden, musste die Studie auf PM2,5 als Fein­staub-Indikator zurück­greifen, aber es liegt nahe, dass die gemessenen Effekte wie Bronchio­litis, Grippe, Virus­infektionen etc. auf Grund der Eindring­tiefe primär von den darin enthal­tenen ultra­feinen Partikeln gefördert werden.

Es gibt damit gute Gründe für die Annahme, dass auch in Raunheim insbe­sondere die Kinder unter der Ultra­feinstaub-Belastung leiden. Damit ist es auch aller­höchste Zeit, die bishe­rigen Hinhalte­taktiken aufzu­geben und endlich die notwendigen Schritte einzu­leiten, um die tatsäch­lichen Belastungen, ihre Ursachen und Konse­quenzen zu ermitteln.

Wir haben schon nach dem ersten Jahr der Messungen von UFP in Raunheim vorge­schlagen, zur Unter­suchung der gesamten Ultra­feinstaub-Proble­matik ein dem NORAH-Projekt vergleich­bares Programm aufzu­legen (Arbeits­titel APERAH: Aircraft Particle Emission Related Air Pollution and Health). Darin müsste durch erweiterte Messungen an einer Vielzahl von Stellen und zunächst über kürzere Zeit­perioden das genaue Ausmaß der Belastung erfasst werden. Zudem müsste durch ein geeignetes Meß- und Aus­wertungs-Programm, das sowohl die wichtig­sten Emissions­orte also auch die genaue physika­lisch-chemische Zusammen­setzung der Immis­sionen erfasst, der Anteil der verschie­denen Verur­sacher bestimmt werden. Als dritte Komponente wären verglei­chende medizi­nische Unter­suchungen an unter­schied­lich belasteten Personen­gruppen notwendig.
Für all diese Unter­suchungen gibt es inzwischen aus­reichend Vorbilder und Instrumente. Das Rhein-Main-Gebiet mit intensivem Strassen­verkehr und einem Groß­flughafen wäre ein geeig­neter Ort, solche Unter­suchungen in einem gemein­samen Projekt zusammen­zuführen und damit noch offene, grund­legende Fragen zu klären.

Hier sind in erster Linie, aber keines­wegs nur, Landes- und Bundes­regierung gefordert. Wenn das Fraport-Manage­ment auch nur einen Funken gesell­schaft­licher Verant­wortung hat, wird es sich in einem solchen Projekt mit enga­gieren und den Flug­hafen als wichtige Emissions­quelle für Ultra­feinstaub sowohl durch eigene Messungen charakte­risieren als auch in seiner Wirkung auf Beschäf­tigte, Kunden und Anwohner unter­suchen.
Sollte der Fraport-Vorstand, wie zu befürchten, nicht von sich aus dazu bereit sein, ist der Aufsichts­rat gefordert, für die Umset­zung dieser elemen­taren Unter­nehmens­aufgabe zu sorgen. Das gilt nicht nur für die öffent­lichen Mehrheits­eigner Land Hessen und Stadt Frankfurt, sondern auch für den Anteils­eigner Lufthansa, dessen Aktivität für einen Großteil der Belas­tungen verantwort­lich ist, und für die Gewerk­schafts­vertreter, die auch die Inter­essen der Beschäf­tigten nach Schutz ihrer Gesund­heit am Arbeits­platz und, zusammen mit ihren Familien, als Anwohner wahrzu­nehmen haben.




Foto Sitzungssaal

Der Saal war gut gefüllt, aber Neuigkeiten blieben rar

27.04.2018

Nächtliche Flüge rechtlich schwer zu bekämpfen

Auf Einladung der Stadt Mörfel­den-Wall­dorf haben Thomas Norgall vom BUND Hessen und die Flug­lärm­schutz­beauf­tragte des HMWEVL, Regine Barth, ihre Einschät­zungen vorge­tragen zu den Mög­lich­keiten, etwas gegen die Durch­löche­rung der Nacht­flug­beschrän­kungen durch perma­nente Verspä­tungen und Lan­dungen nach 23:00 Uhr zu tun. Das Inter­esse war gross, der Sitzungs­saal im Wall­dorfer Rathaus so gut gefüllt, dass zusätz­liche Stühle heran­geschafft werden mussten.
Die vorge­tragenen Posi­tionen gaben aller­dings kaum Anlass zur Begeis­terung.

Den Auftakt machte Thomas Norgall mit dem Hinweis, dass es der BUND war, der zusammen mit der Stadt Neu-Isen­burg das Thema Ende letzten Jahres in die Öffent­lich­keit brachte. Als Anekdote erwähnte er dabei, dass ihre Presse­mittei­lung zunächst unbe­achtet blieb, bis "Der Spiegel" sie aufgriff. Danach berich­teten auch alle wichtigen hessi­schen Medien prominent darüber.
Der BUND war es auch, der Ryanair dabei in den Mittel­punkt rückte, obwohl auch damals schon andere eben­falls stark beteiligt waren. Für die öffent­liche Wirkung hat es sich aller­dings bewährt, den bösesten Buben gezielt an den Pranger zu stellen.

Thomas Norgall machte aber auch deutlich, dass die recht­lichen Möglich­keiten, gegen diese Verspä­tungen vorzu­gehen, sehr begrenzt sind. Der Plan­feststellungs­beschluss sieht solche Verspä­tungen ausdrück­lich vor, und die Geneh­migungs­behörde hat sich darin auch noch selbst gefesselt, indem sie fest­gelegt hat, erst dann Ände­rungen zu prüfen, wenn eine Zahl von 17 täg­lichen Verspä­tungen im Jahres­durch­schnitt(!) über­schritten wird. Da auch dieser 'Auflagen­vorbehalt' gericht­lich über­prüft und bestätigt worden ist, bedeutet das, dass jede verschär­fende Auflage mit einem hohen juris­tischen Risiko verbunden wäre.
Er zog daraus den Schluss, dass eine entspre­chende Neurege­lung nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie vom 'Begüns­tigten' des PFB, d.h. der Fraport, selbst beantragt wird. Das wiederum könne nur über den Aufsichts­rat erreicht werden, in dem neben den Haupt­anteils­eignern Land Hessen und Stadt Frank­furt auch die Gewerk­schaften über­zeugt werden müssten. Deren Mit­glieder seien schliess­lich auch Anwohner und litten genauso unter dem Lärm.

Die Flug­lärm­schutz­beauf­tragte griff die Problem­beschreibung dankbar auf, um weiter zu erläutern, warum das Minis­terium bisher so gut wie nichts erreicht hat. Sie versäumte natür­lich auch nicht, zu betonen, dass sie schon vor der BUND-PM aktiv geworden war und daher unmit­telbar danach handeln konnte. Dieses Handeln beschränkte sich aller­dings weit­gehend darauf, Ryanair ins Gewissen zu reden und zu Verände­rungen aufzu­fordern. Wie sie selbst einräumte, hatte das zwar kurz­fristig Erfolg, war aber mit Beginn des Sommer­flugplans schon wieder über­holt.
Sie erläuterte auch noch viele Details der Flug­plan-Entwick­lung, der Verant­wortlich­keiten und der Probleme der Über­prüfung, erntete damit aber auch nur verwun­dertes Staunen. Als nächsten Schritt hatte sie auch nur anzu­bieten, was Minister Al-Wazir der Öffent­lichkeit schon präsentiert hat: das RP Darm­stadt soll nun prüfen, ob bei zwei Flügen, die häufig zu spät kommen, eine Ordnungs­widrigkeit vorliegt, weil die Verspä­tung bereits einge­plant ist. Sie vergaß nicht zu betonen, dass diese Prüfung eine Weile dauern wird - wie böse Zungen sofort anmerkten, mindes­tens so lange, bis die Landtags­wahl vorbei ist.

Die anschlies­sende Diskus­sion war bis auf wenige Ausnahmen sach­bezogen, aller­dings hatten die meisten Teil­nehmer Schwierig­keiten, zu verstehen, warum es nicht möglich sein sollte, doch noch juris­tisch gegen diese Belastung vorzu­gehen. Aussichtsreiche neue Vorschläge kamen aber nicht mehr auf den Tisch, und die meisten schienen am Schluss zu akzep­tieren, dass tatsäch­lich kein juris­tisches, sondern nur ein politi­sches Vorgehen möglich ist.
Das aller­dings muss dringend konkre­tisiert werden. Eine Mehr­heit für Lärm­schutz­maßnahmen erzeugt man im Fraport-Auf­sichtsrat nicht, indem man auf die betei­ligten Organi­sationen einwirkt. Politi­sche Mehr­heiten dafür sind weder in der Landes­regierung noch im Frank­furter Magistrat in Sicht, und auch die Gewerk­schaften sind keine Organi­sation, die man in so einer Frage irgendwie 'auf Linie' bringen könnte. Selbst wenn ein Gewerk­schafts­tag eine solche Forde­rung unter­stützen würde, wären weder ihre Betriebs­gruppe am Flughafen noch ihre Mitglieder im Betriebsrat oder Aufsichtsrat daran gebunden - und dann gibt es bei Fraport auch noch mehr als eine Gewerk­schaft.
Helfen könnte da nur, dass der Kern des Problems, das nun wieder rasante Wachstum des Flug­verkehrs, insbesondere des Flug-Tourismus, politisch unter Druck gerät. Dazu reicht es aber nicht, dass sich der relativ kleine Kreis der in ihrer Nacht­ruhe Gestörten über den Lärm beschwert. Dazu muss die Argumen­tation auf allen Ebenen entwickelt werden, von der Klima­schädlich­keit des Luft­verkehrs über seinen Beitrag zur Luft­verschmut­zung bis hin zu den negativen Folgen des Massen­tourismus. Davon war in Walldorf leider nicht die Rede.




Folie LASPORT

Das soll es geben - aber die ersten Ergebnisse sind alles andere als überzeugend.

18.04.2018

Ultrafeinstaub: UBA präsentiert erste Ergebnisse

Am 17.04. hatte das UBA zu einem Workshop nach Bonn einge­laden, in dem das durch­führende Konsor­tium die bisher vor­liegen­den Ergeb­nisse aus dem Projekt "Einfluss eines Groß­flug­hafens auf zeit­liche und räum­liche Vertei­lungen der Außen­luft­konzen­trationen von Ultra­fein­staub ..." vor­stellte.
Das Programm war dicht gepackt mit Vorträgen, trotz­dem blieb auch noch Zeit für einige, in der Regel durch­aus kritische, Diskus­sionen. Ein Team von BBB TV war vor Ort und wird wohl in Kürze einen Video-Mit­schnitt zur Verfü­gung stellen.
Die Vortrags­folien sollen leider nicht verfüg­bar gemacht werden, weil die Ergeb­nisse noch vorläufig sind (und nach zum Teil deut­lichem Verriss in der Diskus­sion wohl auch nochmal über­arbeitet werden). Hier muss man auf den Abschluss­bericht warten, der für Ende des Jahres ange­kündigt ist.

Die Vorträge des Vor­mittags waren der Beschrei­bung der ange­wandten Model­lierungs­methoden gewidmet, was insofern interes­sant war, als bisher nur die Beschreibung des Vorhabens zu Beginn des Projekts bekannt war. Einige Befürch­tungen über mögliche Mängel konnten dabei ausge­räumt werden, in einigen Details wird aller­dings auch weniger gelie­fert als versprochen, aber die wesent­lichen Elemente unserer Kritik zu Beginn des Projekts gelten nach wie vor.

Als neues Problem wurde deutlich, dass es nicht eine Model­lierung gibt, sondern drei, die nur im Ergebnis addiert werden. Das ist inso­fern proble­matisch, als die unter­schied­lichen Substan­zen, deren Emission im Modell betrachtet wird, in der Realität physika­lisch und chemisch mitei­nander reagieren, diese Prozesse aber nur in einem der drei Modelle, noch dazu in dem mit den am wenigsten rele­vanten Emis­sionen (dem 'Hinter­grund' der Emissionen aus statio­nären Quellen im Umfeld wie Kraft­werken, Industrie­anlagen, etc.), berück­sichtigt werden. Gerade bei ultra­feinen Partikeln, die nach dem Ausstoss aus den Trieb­werken noch wesent­liche Verände­rungen durch­machen, ist das ein Problem. Wie groß der dadurch bewirkte Fehler sein könnte, lässt sich schwer abschätzen. Hier muss man abwarten, ob der Abschluss­bericht eine seriöse Fehler­abschätzung bein­halten wird.
Der Aufwand, ein einheit­liches Modell für alle Emissionen rund um den Flug­hafen zu ent­wickeln, das alle relevanten Prozesse inte­griert, war für dieses Projekt wohl zu hoch. Trotzdem wirkte die darge­stellte Methodik im Grund­satz für einen ersten Schritt zur Betrach­tung des Problems der Emis­sionen des Luft­verkehrs noch akzep­tabel, auch wenn viele Möglich­keiten, die Relevanz dieses Beitrags nachzu­weisen, dabei nicht genutzt werden. Entschei­dend ist dann die Frage, ob damit plausible Ergeb­nisse erzielt werden können. Aber gerade hier wurden die Erwar­tungen massiv enttäuscht.

Das begann damit, dass im Vortrag von Herrn Jakobs über die Model­lierung der Hinter­grund­belastung durch die statio­nären Quellen im Umland ausge­rechnet der Industrie­park Höchst bei Frankfurt als allein heraus­ragende und massive Dreck­schleuder identi­fiziert wurde - ein Faktum, dass weder in bishe­rigen Statis­tiken oder Model­lierungen aufge­treten ist noch von den anwe­senden Vertre­tern der Stadt Frankfurt nach­voll­zogen werden konnte. Nach allem, was über die Anlagen dort bekannt ist, gibt es schlicht keinerlei Grund­lage für ein solches Ergebnis.
Richtig absurd wurde es aber bei den Ergeb­nissen, die Herr Janicke für die Emissionen aus dem Flug­hafen­betrieb präsen­tierte. Konnte man die Aussage, dass der Haupt­teil der Trieb­werks­emissionen, die als Immis­sionen im Umland wirksam werden, aus dem Betrieb am Boden kommen soll, noch als Hinweis dafür nehmen, dass der Frank­furter Flug­hafen extrem ineffi­zient organi­siert ist, so war schon die Aussage, dass die Trieb­werks­emissionen im Jahres­mittel an der Meß­station Raunheim nur einen Beitrag von 500 - 1.000 Teilchen pro Kubik­zenti­meter liefern sollen, sehr frag­würdig. Der Gipfel aber war ein in einem Fall­beispiel für einen Tag simu­lierter Peak der Teilchen­anzahl­konzen­tration in Raunheim um ein Uhr nachts, der durch 26 Starts auf der Start­bahn West in der Zeit von 22 bis 23 Uhr bewirkt worden sein soll. Wenn dieses Simu­lations­ergebnis einen realen Hinter­grund haben sollte, dann würde das heissen, dass in Raun­heim die UFP-Konzen­tration immer dann hoch sein müsste, wenn die Start­bahn West in Betrieb ist (und das ist sie unab­hängig von der Betriebs­richtung fast immer) und der Wind aus der richtigen Richtung weht (und sei er noch so schwach). Dafür gibt es in den vorlie­genden Meß­werten keiner­lei Beleg.

Dieses Ergebnis führt aber noch zu weiteren Wider­sprüchen. Wenn 26 Starts auf der Start­bahn West in Raun­heim, d.h. in 6-8 km Entfer­nung, einen solchen Peak produ­zieren können, dann müsste in einem Modell, in dem Teilchen weder produ­ziert noch ver­nichtet werden können, an der Quelle mindes­tens die gleiche, wegen der Verdün­nung beim Trans­port aber eigent­lich eine deutlich höhere, Konzen­tration zu sehen sein. Da die Start­bahn West aber unab­hängig von der Betriebs­richtung praktisch das ganze Jahr in Betrieb ist, müsste auch der Jahres­mittel­wert entlang der Start­bahn deutlich erhöht sein. In der entspre­chenden Grafik, die Herr Janicke vorher präsen­tierte, war die Startbahn West aber nicht zu sehen, die Emissions­werte konzen­trierten sich auf einen Streifen zwischen dem Parallel­bahn­system (entlang der Rollwege, da das Taxiing in dieser Simu­lation den Haupt­beitrag liefert).
Wenn man spekulieren will, was an dieser Simu­lation wohl faul sein könnte, damit solche absurden Ergeb­nisse produ­ziert werden können, liegt eine Annahme nahe. In Beschrei­bungen des verwen­deten LASPORT-Modells ist öfter davon die Rede, dass die emit­tierten Abgase heiss sind und daher in der Umgebungs­luft auf­steigen. Zugleich hat sich Herr Janicke in der Diskussion sehr gegen die Annahme gewehrt, dass die Abgase durch die an den Trag­flächen erzeugten Wirbel­schleppen nach unten bewegt werden könnten. Man kann daher vermuten, dass in diesem Modell die Abgase zunächst nach oben ver­schwinden, in höheren Luft­schichten verdünnt und vom Wind verweht werden und dann irgendwo in der Umgebung wieder als Immis­sion auftauchen - aber nirgendwo einen rele­vanten Beitrag zum Jahres­mittel­wert liefern.
So etwas stünde in schreiendem Wider­spruch sowohl zu physika­lischen Prin­zipien als auch zu den vorhan­denen Mess­ergeb­nissen. Um den Auftrieb zu erzeugen, um ein Flugzeug in die Luft zu bringen, muss eine entspre­chende Masse Luft nach unten gedrückt werden. Dass die Trieb­werks­abgase diesem Druck entgehen und aufsteigen, ist weder theo­retisch begründ­bar noch praktisch nach­weisbar - im Gegenteil zeigen Messungen, dass die Emissionen unterhalb des Flugzeugs nachweisbar sind. Und die wenigen Grafiken, in denen Herr Janicke Simu­lations­ergeb­nisse und passende Mess­werte darge­stellt hat, zeigten auch wenig Über­ein­stimmung.

Ohne genauere Aussagen darüber, wie die verwen­deten Simula­tionen funktio­nieren und wie die Ergeb­nisse im Detail aussehen, lässt sich auch keine Aussage darüber machen, was von diesem Projekt letzt­endlich noch zu erwarten ist. Was in Bonn vorge­stellt wurde, lässt aller­dings das Schlimmste befürchten. Wenn im verblei­benden Projekt­zeitraum nicht noch erheb­lich nachge­bessert und offene Fragen geklärt werden, wird das Ergebnis wenig bis nichts zu der Frage beitragen, welche Belas­tungen der Luft­verkehr in der Umgebung des Flug­hafens tatsäch­lich erzeugt.

Derweil gibt es immer mehr Gründe dafür, besorgt zu sein. So hat z.B. die VERT Association, die sich primär mit Filter­techniken für Motoren befasst, in ihrer jüngsten Tagung eine Reihe von interes­santen Vorträgen präsentiert, die sich mit Parti­kel-Emis­sionen aus Ver­brennungs­prozessen und deren gesund­heit­licher Wirkung befassen.
Auf der anderen Seite scheint es uns wichtig, so präzise wie möglich zu argu­mentieren, gerade wenn die Gegen­seite mit frag­würdigen Argu­menten arbeitet. So trägt es nicht unbedingt zur Glaub­würdig­keit bei, mit hinkenden Vergleichen zu arbeiten, um die Dramatik der aktuellen Situation besonders hervor­zuheben. Die vorlie­genden Mess­werte in Raunheim geben mit Sicher­heit Anlass zur Sorge - aber Aussagen wie die Bewohner Raunheims hätten "praktisch jeden zweiten Tag Silvester – und zwar in drei­facher Höhe und über Stunden hinweg" helfen da nicht weiter, denn die Sylvester-Belastung, die sicht- und riech­bar ist, besteht über­wiegend aus gröberen Stäuben - Sylvester-Raketen verbrennen ihren Brenn­stoff längst nicht so effektiv wie Auto­motoren oder Flug­zeug­trieb­werke. Und auch wenn man häufig eine deut­liche Korre­lation zwischen Über­flügen und erhöhten Mess­werten sieht, ist damit noch lange nicht geklärt, wie sich die Trieb­werks­emissionen genau aus­breiten.
Es geht jetzt eher darum, genau zu beschreiben, was man weiss, sauber zu begründen, was plausibel ist, und genau zu fordern, was geklärt werden muss. Und es muss massiver Druck entwickelt werden, damit die dafür nötigen Mittel bereit­gestellt werden. Denn dass der Flug­verkehr hier eine Belastung erzeugt, die gesund­heit­liche Beein­trächti­gungen hervor­bringt, ist in der Tat mehr als wahr­scheinlich - es ist so gut wie sicher.




Comic: Jubel

Die Luftverkehrswirtschaft protzt mit Gewinnen -
die Beschäftigten sollen leer ausgehen.

13.04.2018

Warnstreik des Bodenpersonals: Luftverkehrswirtschaft ist empört

Am Dienstag dieser Woche hat ein von der Gewerk­schaft ver.di organi­sierter Warn­streik vier Flughäfen in Deutsch­land zeit­weise weit­gehend lahm­gelegt. Bei den Verhand­lungen für die Tarif­beschäf­tigten des öffent­lichen Dienstes bei Bund und Kommunen hat sich die Arbeit­geber-Seite bisher stur gestellt und kein Angebot vorgelegt, weshalb die Beschäf­tigten sich gezwungen sahen, mehr Druck zu ent­wickeln.
Wieso davon auch die Flughäfen betroffen sind, erklärt die Frank­furter Rund­schau so: "An den einst­mals öffent­lich betrie­benen Flughäfen werden noch zahl­reiche Beschäf­tigte nach dem Tarif des Öffent­lichen Dienstes bezahlt."

Lufthansa reagierte auf die Streik­ankündigung mit Flug­streich­ungen und einer Aussage, die in mehreren Medien gleich­lautend erschien: "Luft­hansa-Personal­chefin Bettina Volkens reagierte empört auf die "Warn­streik-Eska­lation" im öffent­lichen Dienst. 'Es ist voll­kommen inakzep­tabel, dass die Gewerk­schaft diesen Konflikt auf dem Rücken unbetei­ligter Flug­gäste austrägt. Lufthansa ist gar nicht Partei in diesem Tarif­konflikt, dennoch sind vor allem unsere Kunden und wir von den Folgen der Aus­einander­setzung betroffen', sagte sie."
Aber auch als eigent­lich garnicht Betrof­fene schiebt sie noch hinterher: "Art und Ausmaß des nahezu flächen­deckenden und ganz­tägigen Warn­streiks seien 'zu diesem Zeitpunkt unange­bracht und unverhält­nismäßig'. Streik­hand­lungen müssen die Ultima Ratio einer Tarif­auseinander­setzung sein.".

Die Streik­aktionen richten sich natür­lich nicht speziell gegen Lufthansa, die nur deshalb zu den Haupt­betrof­fenen zählt, weil sie einen großen Teil des Luft­verkehrs-Marktes in Deutsch­land kontrol­liert. Die Beschäf­tigten wissen aller­dings sehr gut, warum damit kein Unschuldiger getroffen wird. Luft­hansa-Chef Spohr lässt kaum eine Gelegen­heit aus, Druck zu machen, damit die Gebühren am Frank­furter Flughafen sinken; mindestens 20% möchte er erreichen. Würde er sich durch­setzen, müssten gerade die Boden­verkehrs­dienste dafür Verluste hin­nehmen, die natür­lich haupt­säch­lich von den Beschäf­tigten zu tragen wären.
Angesichts der Ergebnisse, die Lufthansa im letzten Jahr erzielt hat, ist das schon eine ziemlich dreiste Position - aber auch typisch für Manager, die auch sonst jede soziale Verant­wortung vermissen lassen. Man kann nur hoffen, dass die Beschäf­tigen ihnen die richtige Antwort geben - nicht nur bei den aktuellen Tarif­verhand­lungen.




Landungen FRA

Wie gehabt - aber für März sind das nur die Hälfte der Verspätungen.

04.04.2018

Sommerflugplan mit mehr Nachtlärm

Es kommt wie vorher­gesagt: kaum ist der Sommer­flug­plan in Kraft, steigt die Zahl der Landungen nach 23 Uhr wieder deut­lich an. Die Presse konzen­triert sich wieder auf Ryanair, wohl aufgrund einer Mit­teilung, die das hessi­sche Verkehrs­minis­terium heraus­gegeben hat, die aber auf dessen Webseite noch nicht verfüg­bar ist. Das hat auch seine Berech­tigung, denn rund die Hälfte der Verspä­tungen gehen auf deren Kosten. Dennoch muss man fest­halten: die andere Hälfte der im März insgesamt 57 Landungen nach 23 Uhr wird von anderen, angeb­lich seriö­seren Airlines verur­sacht. Und den Betrof­fenen ist es letzt­endlich egal, wer sie am Ein­schlafen hindert - jeder Nacht­flug ist einer zuviel.

Das Minis­terium will jetzt aber gegen­über Ryanair durch­greifen: laut Presse­berichten werden sie "noch in dieser Woche umfas­sende Unter­lagen der Flug­gesell­schaft ein­fordern und aus­werten, welche Gründe zu den Verspä­tungen geführt haben". Ob Mr. O'Leary deswegen jetzt schlaf­lose Nächte hat?
Die traurige Wahr­heit ist aller­dings, dass das Minis­terium derzeit garnicht mehr tun kann als hohle Phrasen zu dreschen. Die Geneh­migungs­behörde hat sich selbst ent­mündigt, indem sie in der Plan­fest­stellung fest­gelegt hat, dass sie erst ernst­haft ein­greifen kann, "wenn der Durch­schnitt eines Kalender­jahres den Wert von 7,5 täg­lichen Ver­spätungs­lan­dungen über­steigt". Gegen­wärtig liegt dieser Wert gerade mal um die Zwei.

Wenn es besser werden soll, muss also bei den Nacht­flug­regeln deut­lich nach­gebes­sert werden. Wer den Schutz der Gesund­heit der Bevölke­rung im Umfeld des Flug­hafens ernst nimmt, der muss dafür ein­treten, dass ein Nacht­flug­verbot von 22 bis 6 Uhr einge­führt wird - mit Aus­nahmen nur für medizi­nische oder andere Not­fälle.
Eine Gefährdung der Profit­erwartungen einer Airline oder Unan­nehm­lich­keiten für Touristen gehören nicht in diese Kategorie. Bei den Wahlen im Herbst sollte man die Kandidaten fragen, ob sie das auch so sehen.

Update 05.04.2018:

Man sollte aller­dings genau nach­fragen. Nicht jeder, der jetzt massive Kritik an Ryanair äussert, tritt auch generell für den Schutz der Nacht­ruhe ein. Ein schönes Beispiel dafür ist der Land­tags­abge­ordnete und flug­hafen­poli­tische Sprecher der SPD-Fraktion Marius Weiß. Die Frank­furter Rund­schau zitiert ihn mit starken Worten: Die neueste Entwick­lung zeige, "dass Ryanair dem Minister auf der Nase herum­tanzt und ihn als hand­lungs­unfähig bloß­stellt", und es dürfe "nicht dabei bleiben, dass Minister Al-Wazir gegen­über dem Gebaren der Ryanair weiter­hin als ‚lame duck‘ dasteht". Die SPD werde einen "Dring­lichen Berichts­antrag" stellen "und will vom Minister wissen, was er tun will". Da wüsste man natür­lich gerne, was er nach Meinung der SPD denn tun soll.
Gerade die SPD hat immer wieder betont, dass der Plan­fest­stellungs­beschluss nicht in Frage gestellt werden kann, und der schreibt nunmal die Hand­lungs­unfähig­keit jedes Ministers in dieser Frage fest. Solange die SPD also nicht bereit ist, hier ihre Position zu ändern, sind die starken Worte nur Wahl­kampf­getöse.

Das weiss wohl auch die Kommen­tatorin der FR, die Ryanair in ebenso starken Worten kritisiert. Sie verkneift sich jede Forderung an die Politik und fordert ledig­lich Ryanair zu "bes­serem Manage­ment" auf - wär doch schön, wenn die irgend­wie den viel zu eng gestrickten Flugplan einhalten würden.
Aber solange auch die­jenigen, die einsehen, dass die Nacht­flüge "auf Kosten der Gesund­heit der Bevölke­rung im Rhein-Main-Gebiet" gehen, sich nicht zu konse­quenten Forde­rungen zur Änderung der völlig unzu­reichen­den Nacht­flug­beschrän­kungen durch­ringen können, wird Ryanair so weiter­machen - und Condor, Lufthansa und all die anderen, die auch häufig zu spät kommen, ebenso.




Hammer-Recht

Auch in Österreich schöpft die Rechtsprechung aus völlig überholten Grundsätzen -
und die Erde kommt unter den Hammer.

04.04.2018

In Österreich wie in der EU: Luftverkehr vor Klimaschutz

Vor gut einem Jahr hat das Öster­reich­ische Bundes­verwaltungs­gericht Schlag­zeilen gemacht mit einem Urteil, das im Kern aus­gesagt hatte, dass auch der Luft­verkehr besten­falls in dem Maß wachsen kann, wie die inter­natio­nalen Verpflich­tungen in Bezug auf den Klima­schutz das zulassen. Das Ver­fassungs­gericht hatte aller­dings schon kurz danach mit drastischen Worten fest­gestellt, dass das so nicht gemeint war und der Klima­schutz bei der Abwägung wirt­schaft­licher Inter­essen keine Rolle spielen darf. In der Neu­verhand­lung ist das Ver­waltungs­gericht pflicht­gemäß einge­knickt und hat den Bau der dritten Bahn am Flug­hafen Wien genehmigt.
Zwar versucht das Gericht, durch Auf­lagen doch noch ein paar Fort­schritte beim Klima- und Lärm­schutz zu erreichen, aber ver­glichen mit dem, was die neue Bahn anrichten könnte, wenn die Wachs­tums­träume wahr würden, spielt das keine große Rolle.

Entsprechend haben zumindest einige der Kläger*innen schon ange­kündigt, auch noch vor die letzte Instanz zu ziehen, den Öster­reich­ischen Ver­waltungs­gerichts­hof, und sie prüfen ausserdem auch noch eine Klage vor dem Europä­ischen Gerichts­hof bzw. eine Beschwerde bei der EU-Kom­mission.
Die Ausbau-Befür­worter freuen sich, dass sie mit Hinweis auf den noch nicht beendeten Rechts­streit auch noch nicht gezwungen sind, einen Zeit­plan für den Ausbau vorzu­legen, denn aktuell wachsen die Wachs­tums­träume in Wien nicht in den Himmel, aber dennoch sind sie natür­lich voll des Lobes für dieses Urteil. Die Begrün­dungen klingen aller­dings wie aus der Zeit gefallen: Wirt­schafts­vertreter und der poli­tische Main­stream schwafeln von Wirt­schafts­wachstum und befördern Arbeits­platz-Phanta­sien, Probleme wie Lärm und Emis­sionen kommen nicht vor. Sie sagen aller­dings auch, dass die neue Bahn vor 2030 nicht in Betrieb gehen und noch keiner weiss, was der Bau kosten wird.
Leider spielen auch viele Gewerk­schafter dieses Spiel mit und unter­stützen den Ausbau. Und leider gibt es auch in Wien Bürger­initia­tiven, die nur an den Lärm über dem eigenen Kopf denken und sich in der Hoff­nung auf Erleich­terung einbinden lassen. Die Mehr­heit aller­dings will weiter gegen die Bahn vorgehen.

Chart ETS-Emissionen

Die Emissionen im innereuropäischen Luftverkehr wachsen -
und die Klimawirkungen gehen weit über CO2 hinaus.

Wenn die Ausbau-Befür­worter doch einmal zum Klima­schutz Stellung nehmen müssen, berufen sie sich auch in Öster­reich gerne auf die viel­fältigen Maß­nahmen, die die Luft­verkehrs­wirt­schaft ja angeb­lich ohnehin schon ergreift. Dass das schon generell nicht stimmt, zeigt gerade auch eine Broschüre, die die öster­reich­ische Organi­sation 'Finance & Trade Watch' im letzten Jahr heraus­gegeben hat. Und vor welchen Problemen das Kompen­sations­modell CORSIA aktuell steht, haben wir in einem Beitrag weiter unten erläutert.

Aktuell hat nun die EU auch neue Daten zu ihrem Emis­sions­handels­system EU-ETS vorgelegt, in das auch der inner­europä­ische Flug­verkehr einbe­zogen ist. Und hatten noch vor ein paar Tagen Propa­gandis­ten des Emis­sions­handels freude­strahlend verkündet, ETS würde nach den Reformen durch die EU jetzt seinen Job machen, ergibt eine erste Analyse der neuen Daten, dass die davon erfass­ten Emis­sionen im letzten Jahr erst­mals wieder ange­stiegen sind - von den nötigen Einspa­rungen keine Spur.

Die Analyse klärt auch, wer für den Anstieg der Emis­sionen verant­wort­lich ist. Neben einem Anstieg der Indus­trie-Emis­sionen um 2% und einem erhöhten Anteil der Braun­kohle an der Energie­erzeu­gung wird als einer der Gründe ange­geben: "Die Emis­sionen aus dem Luft­verkehr steigen weiter­hin an" (eigene Über­setzung). Die machen zwar derzeit nur 3,7% der im ETS erfassten Emis­sionen aus, aufgrund des starken Wachs­tums beein­flussen sie den Trend aber trotz­dem deut­lich.
Es hat zwar nicht direkt mit dem Luft­verkehr zu tun, aber inter­essant ist auch, dass die Liste der größten Dreck­schleudern in der Energie­erzeug­ung zwar von einem polnischen Kraft­werk angeführt wird, aber unter den Top 10 sieben deutsche Kraft­werke sind. Nicht umsonst weisen die Wald­besetzer immer wieder darauf hin, dass der Treburer Ober­wald und der Ham­bacher Forst nur zwei Schau­plätze ein und desselben Kampfes sind: um die Erhal­tung der natür­lichen Lebens­grund­lagen gegen das Profit­streben des Kapitals. Dazu passt dann auch die Nach­richt, dass aktuell gerade weitere Rodungen für die Braun­kohle genehmigt wurden - auch in Deutsch­land spielt Klima­schutz eine unter­geordnete Rolle.

Warum das ETS nur unzu­reichend funktio­niert, erklärt eine andere Analyse: der Preis für die Zerti­fikate ist viel zu niedrig. Trotz eines Anstiegs auf fast das Drei­fache des Tief­punktes im letzten Jahr liegt der Preis für eine Tonne CO2-Emission mit 13-14 Euro immer noch bei weniger als der Hälfte dessen, was als notwendig ange­sehen wird, um über­haupt Wirkung zu erzielen. Um die EU-Klima­ziele für 2040 zu erreichen, werden Preise von über 50 €/t genannt.
Derweil weisen immer mehr wissen­schaft­liche Analysen nach, wie wichtig es wäre, die Emis­sionen jetzt schnell zu senken. Die Politik aber will das nicht wahr­haben - nicht in Öster­reich, nicht in Deutsch­land und nicht in der EU. Sollen doch andere die Welt retten - ihnen ist der kurz­fristige Profit ihrer Geldgeber wichtiger.




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30.03.2018

Umwelthaus unter neuer Leitung

Ende März teilt das 'Umwelt- und Nachbar­schafts­haus' in einer Presse­mittei­lung mit, dass dort seit "Mitte Februar" ein neuer Geschäfts­führer amtiert. Ist schon das Timing dieser Mit­teilung seltsam, so erstaunt noch mehr, wie wenig über den Neuen gesagt wird. Über seine bishe­rige Tätig­keit heisst es nur: "Der 46-jährige promo­vierte Jurist war bisher im Hessi­schen Minis­terium für Finanzen in Wies­baden tätig." Über seine Qualifi­kation für den Job erfährt man nur, er sei "im Frank­furter Süden aufge­wachsen und kennt die Diskus­sionen rund um den Flug­hafen Frank­furt und die verschie­denen Interessen­lagen". Und die Auskunft zu seiner künftigen Tätig­keit erschöpft sich in der Absicht, "den Dialog zu fördern". Nichts­sagender geht es nicht.

Auch aus anderen Quellen ist nicht viel zu erfahren. Auf den Webseiten des Wirt­schafts- und des Finanz­minis­teriums, immerhin sein neuer bzw. alter Arbeit­geber, führt die Suche nach seinem Namen zu Null Treffern. Über eine Google-Suche erfährt man immerhin, dass er im Finanz­minis­terium für die Beteili­gungen des Landes Hessen zuständig war, wozu auch die Fraport AG gehört. Weiter hat er mal mit der ECAD GmbH eine Lobby­organi­sation der Luft­verkehrs­wirtschaft liquidiert, aber es darf bezweifelt werden, dass er diese Erfahrung in seinem neuen Job irgendwie anwenden soll.

Aus einem Land­tags-Doku­ment kann man erfahren, dass er als Zeuge dazu beige­tragen hat, einen von vier Steuer­prüfern, die bei der Landes­regierung in Ungnade gefallen waren, aus dem Job zu mobben. Der Haupt­verantwort­liche für diese Schwei­nerei, der damalige Finanz­minister Karl-Heinz Weimar, ist heute Aufsichts­rats-Vorsit­zender bei Fraport. Gut vorstellbar, dass diese persön­liche Beziehung und die Bereit­schaft, bei solchen Formen der 'Konflikt­lösung' mitzuwirken, entschei­dend dafür waren, dass er den Job erhalten hat.

Alles in allem ist das ein Einstieg, wie man es von dieser Insti­tution erwartet: intrans­parent, ohne jede sachliche Begründung, ohne einen Versuch, diejenigen, die diese Einrichtung ansprechen soll, irgendwie mit einzu­beziehen. Selbst wenn es anders gewollt gewesen wäre, hat man es Herrn Chara­lambis damit extrem schwer gemacht, so etwas wie Vertrauen bei den 'Nachbarn', für die das Haus angeblich da sein soll, zu entwickeln. Aber wahrschein­lich soll er ja auch nur da weiter­machen, wo Herr Lanz aufgehört hat: das Wachstum des Luft­verkehrs auf FRA propa­gieren, aber dabei Dialog simulieren. Wir werden weiterhin versuchen, ihm das möglichst schwer zu machen.




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Kritik, Ermunterung, Handlungsempfehlung - alles da.

28.03.2018

Konzert für den Wald und seine Verteidiger

Mit einem Danke-schön-Konzert für die Wald­besetzer­*innen, veran­staltet von der IGF Rhein-Main und vielen anderen Gruppen, endete vor­läufig die Beset­zung des Waldstücks durch unab­hängige Aktivist­*innen, unter­stützt von Robin Wood und lokalen Gruppen und BIs. Aufge­geben wird das Camp aller­dings nicht, da mit weiteren Maß­nahmen der Fraport, wie z.B. dem Bau eines Zaunes, gerechnet wird. Auch weiter­hin werden also Menschen im Wald zu finden sein, die sich über Besuch und Spenden freuen. Die regel­mäßigen Sonntags-Aktio­nen wird es aber zunächst nicht mehr geben.

Baum

Gerodet werden darf vor September eigent­lich nicht, aber für Fraport kann es natür­lich Aus­nahme­geneh­migungen für alles mög­liche geben. Zwar lancieren sie derzeit in der Presse, dass der Wald erst im Frühjahr 2019 fallen soll, aber eine offi­zielle Aussage dazu gibt es nicht. Und in ihrer inter­aktiven Grafik zum Ausbau der Strassen­anbindung von Terminal 3 erscheint die neue Abfahrt nach wie vor irgend­wann Anfang 2018.

Petra Schmidt von der BI Mör­felden-Wall­dorf begrüsste die rund 200 Anwe­senden, bedankte sich bei den Aktivist­*innen und wies darauf hin, wie wichtig solche "direkten Aktionen des zivilen Ungehor­sams" für sozial-ökolo­gische Bewe­gungen wie den Wider­stand gegen den Flug­hafen­ausbau sind.
Eine Aktivistin berichtete kurz über ihre Aktion und die dahinter stehende Motiva­tion und bedankte sich für die Unter­stützung, die sie von diversen Gruppen und aus der Bevöl­kerung bekommen haben.
Für die IGF wies Dirk Treber insbe­sondere auf den breiten Unter­stützer­kreis für das Konzert hin und erläu­terte, in welcher Tradi­tion diese Aktion steht. Er hatte noch viel zur Tradi­tion des Wider­standes gegen den Flug­hafen­ausbau und die Rolle des künftigen Terminal 3 zu sagen, kürzte seinen Beitrag aber angesichts der Ungeduld einiger Anwe­sender. Man kann den vollen Text seiner Rede aber nach­lesen.

Dann begannen Bodo Kolbe, Ralf Bai­tinger und Bernd Pirner zu spielen und brachten zunächst einige Blues-Stücke aus Bodos älteren Pro­grammen (laut Ralf ist Bodo der "Gott­vater des Ried-Blues"). Trotz einer kleinen tech­nischen Panne (wegen eines Defekts am Verstärker musste Bodo tatsäch­lich 'unplugged' singen) begeis­terten die Songs, über­wiegend bekannte Melodien mit lokalen Texten, die Zuhörer. Eine Kost­probe gibt es in diesem Video.
Höhepunkt dürfte aber für viele das 'einzige Kampf­lied' aus Start­bahn-West-Zeiten, das die Drei im Programm hatten, gewesen sein (mit leicht modifi­ziertem Text, denn im Ried gibt es zwar immer noch Büttel­borner, aber mit 'Börner-Bütteln' können heute viele nichts mehr anfangen). Es ist im folgenden Video zu hören:

             Ralf Baitinger, Bodo Kolbe und Bernd Pirner mit einem Song aus Startbahn-Zeiten: "Senkrecht wie die Sparschel".

Im Vergleich zur Bericht­erstat­tung zu Beginn der Beset­zungs­aktion war die Presse-Reso­nanz nach dem Konzert eher gering. Ein guter Beitrag findet sich in Echo Online, während sich der Bericht in der FNP/Rüssels­heimer Echo eher so liest, als sei die Autorin gar­nicht da gewesen.

Für die, die da waren, war das Konzert aber eine nette Ermun­terung und rief in Erin­nerung, dass der Wider­stand gegen den Ausbau in einer langen und guten Tradition steht, die fort­gesetzt werden muss, wenn der Kampf gegen die Zer­störung der Region und gegen den globalen Klima­wandel Erfolg haben soll.
Wie es im Treburer Wald weiter­geht, wenn Fraport ernst macht, ist noch offen. Die Aktivist­*innen haben ange­kündigt, dann wieder vor Ort zu sein, und es wird sich zeigen müssen, ob es gelin­gen kann, dann auch wieder eine aktive und starke Unter­stützung durch lokale Gruppen und BIs zu ent­wickeln.
Vorher sind noch Land­tags­wahlen, aber es ist natür­lich nicht zu erwarten, dass sich die poli­tischen Verhält­nisse so ändern, dass Fraport auch von dieser Seite mit Wider­stand zu rechnen hätte. Wenn die Bürger­innen und Bürger die Sache nicht selbst in die Hand nehmen, wird auch dieser Wald für den Profit von Fraport, Luft­hansa & Co fallen, und die Region wird wieder ein Stückchen weniger lebens­wert und lebens­fähig sein.




Podium

Marianne Flörsheimer, neue Dezernentin für Lärmschutz in Rüsselsheim, eröffnet die Veranstaltung. Moderator Roger Treuting sorgt schon mal gegen allzu trockene Fakten vor.

27.03.2018

Billig fliegen, teuer bezahlen

Unter diesem Titel hatte die BI Rüssels­heim am 20.03. zu Vortrag und Diskussion einge­laden, und es kamen auch ca. 30 Personen im Hass­locher 'Brauhaus' zusammen. Mit Marianne Flörs­heimer, der neuen Dezer­nentin für Mobili­täts- und Verkehrs­entwick­lung, Lärm­abwehr und Klima­schutz, die die Versamm­lung eröffnete, war sogar der Rüssels­heimer Magistrat vertreten. Die Einfüh­rung für die BI und die Mode­ration übernahm Roger Treuting.

In der Präsen­tation ging es zunächst um eine kurze Geschichte der Luftfahrt, die dazu dienen sollte, die aktuellen Entwick­lungen besser einordnen zu können. Die war in Deutsch­land wie in den meisten anderen Ländern auch von den ersten Anfängen vor dem ersten Weltkrieg bis in die jüngste Zeit geprägt von Versuchen privater Unter­nehmen, im Luft­verkehrs­markt Fuss zu fassen, die aber immer von massiven staat­lichen Subven­tionen abhängig waren. Die speziellen Inter­essen des Staates und seines Militärs, der Länder und der Groß­städte führten darüber hinaus auch immer wieder zu verstärkter Regu­lierung und Konzen­tration, die sowohl in der Weimarer Republik wie auch in der Bundes­republik zu einem staat­lich kontrol­lierten Quasi-Monopol der Lufthansa führten (wobei die zweite Lufthansa ausser Namen und Logo mit der ersten nichts zu tun haben, zumindest keine Verant­wortung für deren Verbrechen über­nehmen wollte).
Das änderte sich erst mit der Liberali­sierung des Luft­verkehrs im Rahmen des Sieges­zuges des neolibe­ralen Wirtschafts­modells in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahr­hunderts. Das EU-Luft­verkehrs­recht wurde 'libera­lisiert', die staat­lichen Flug­gesell­schaften machten pleite oder fusio­nierten, und neue Anbieter drängten mit neuen Geschäfts­modellen in den Markt.

Neben den bisherigen sog. 'Netzwerk-Carriern', die unter staat­licher Kontrolle und unter Aufsicht der IATA die (entwicklte) Welt mit einem weit­gehend abge­stimmten Netz von Verbin­dungen über­zogen, und den Charter-Fliegern, die im Auftrag anderer Unter­nehmen flogen und mehrheit­lich als 'Ferien­flieger' unterwegs waren und möglichst 'All inclusive'-Pakete verkaufen wollten, traten nun neu die sog. 'Billig­flieger' auf, deren Geschäfts­modell im Kern darin bestand, reine Luft­transport-Leistung von einem Punkt zum anderen zu möglichst günstigen Preisen anzu­bieten.

Zuhörer

Interesse war offensichtlich da - niemand ist sichtbar eingeschlafen.

Zu diesem Modell gehörte von Anfang an zwangs­läufig dazu, die Betriebs­kosten soweit wie möglich nach unten zu drücken - mit legalen wie mit illegalen Mitteln.
Neben organisa­torischen Vorteilen wie die Beschrän­kung auf einen oder wenige Flugzeug­typen, was Wartung und Ersatz verein­facht, hoher Auslastung pro Flug und pro Tag durch mehrere tägliche Umläufe im nationalen und insb. kontinen­talen Verkehr, Aufbau von Basen an billigen Regional­flug­häfen etc. gehörten dazu die Senkung der Personal­kosten für das fliegende und das Boden-Personal sowie das Herunter­fahren des Service und die Miss­achtung wichtiger Rechte der Kunden. Das wurde von den diversen Billig­fliegern jeweils unter­schied­lich weit getrieben. So wurde Ryanair, in Europa der grösste der Billig­flieger, berüchtigt durch prekärste Arbeits­verhält­nisse, explizite Miss­achtung von Arbeit­nehmer­rechten und extreme Gewerk­schafts­feind­lichkeit, während Easyjet, die Nummer 2 in dieser Gruppe, in diesem Bereich besser dasteht, dafür aber teils noch krasser bei den Kunden spart, z.B. bei Erstat­tungen für Verspä­tungen etc..
Aber auch German­wings/Euro­wings und die Billig-Töchter der anderen grossen europä­ischen Flug­gesell­schaften können nur deshalb billiger fliegen als ihre jeweiligen Mütter, weil sie dieselben Instru­mente, wenn auch in unter­schied­lichem Ausmaß, nutzen. Die aktuelle Boom-Phase der Luft­fahrt und die daraus resul­tierende Perso­nal-Knapp­heit führen zwar dazu, dass die Beschäf­tigten in einer etwas besseren Position und alle Flug­gesell­schaften bis hin zu Ryanair zu Ver­hand­lungen mit den Gewerk­schaften gezwungen sind. Ob das aber dauer­haft zu Ver­besse­rungen führt, bleibt abzu­warten.

Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, Billig­flieger zu kriti­sieren, wobei der Schwer­punkt je nach Gesell­schaft unter­schied­lich ist. Falsch ist es jedoch, die 'Billig­flieger' als die Buhmänner aufzu­bauen, die für jede Schwei­nerei der Luft­verkehrs­wirtschaft verant­wortlich sind.

So ist am Frank­furter Flug­hafen zwar Ryanair für einen Großteil der Verlet­zungen des Nacht­flug­verbots verant­wortlich und trägt auch wesent­lich zum Preisdruck auf die Boden­verkehrs­dienste bei, ist aber für die Lärm­zunahme insgesamt nur zu einem sehr kleinen Teil verant­wortlich. Auch was den Schad­stoff­ausstoss angeht, schneiden die modernen Flotten der Billig­flieger durchweg besser ab als Lufthansa, die teilweise noch sehr altes, dreckiges und lautes Gerät in Betrieb hat. Und für viele Verbin­dungen (nicht für alle!) ist das Punkt-zu-Punkt-Modell auch ökologisch effi­zienter als das Hub-Modell, das leicht unnötig viele Starts und Landungen und entspre­chende Lärm- und Schad­stoff-Belas­tungen erzeugt.
Es kommt also darauf an, bei der Kritik präzise zu sein. Im Kern sind nicht die Billig­flieger das Problem, sondern das 'billig fliegen', das von allen Airlines propagiert und von der EU und den meisten Mitglieds­staaten unter­stützt wird. Dagegen und gegen die Wahn­vor­stellung von den unbe­grenzten Wachs­tums-Möglich­keiten, die die Luft­verkehrs­wirtschaft wider besseres Wissen propagiert, gilt es vorzu­gehen.




Deckblatt Ausführung, korrigiert

Partiell nicht rechtskonform, Anforderungen nicht belegt:
Dieses Papier sollte Fraport dringend überarbeiten.

18.03.2018

Fraport-Dachsicherung: Schöne Worte, wenig Klarheit

Der Auftritt der Fraport am letzten Freitag im Bürger­saal unterschied sich zunächst nicht sehr von der ersten Veran­stal­tung vierzehn Tage vorher in Flörsheim. Die Reak­tionen aus dem Publikum dürften ihnen aber noch weniger gefallen haben. Es gab weniger Fragen von Haus­besitzern, die künftig klammern wollten, dafür aber etliche Beschwerden von solchen, die bereits Anträge gestellt haben oder schon am Programm beteiligt waren. Massiver Pfusch bei der Aus­führung wurde ange­sprochen sowie einige Ableh­nungen von Anträgen, deren Begrün­dung keines­falls über­zeugte.

Das war natür­lich willkom­mener Anlass, einige Punkte aus der unten formu­lierten Kritik vorzu­bringen. Die "klare Aussage zur Kosten­über­nahme" für alle Dächer war dabei natur­gemäss der kritischste Punkt.
Bei der Verwei­gerung der Kosten­über­nahme für bestimmte Dach­konstruk­tionen betonten die Fraport-Ver­treter mehrfach "ihre Rechts­auffas­sung", wonach die Plan­ergänzung sie nicht dazu ver­pflichte, Dächer zu sichern, bei denen das "technisch nicht möglich" sei, was heissen soll, dass die Standard-Siche­rungs­methoden da nicht anwendbar sind. In ihrer Aus­führungs­beschrei­bung heisst es etwas genauer, nach ihrer Auffassung seien "Kosten, die entstehen, um die Voraus­setzungen für die Siche­rung der Dach­eindeckungen zu schaffen, nicht durch Fraport zu tragen, z.B. Instand­setzungs­maßnahmen bei nicht trag­fähiger Unter­konstruk­tion". Damit konfron­tiert, dass darüber nichts in der Plan­ergänzung steht, sondern danach jedes Dach gesichert werden muss, dass nach den geltenden Regeln errichtet wurde und intakt ist (was bei den abge­lehnten Anträgen nicht in Frage gestellt wurde), kam ihnen ihr freund­licher Ton kurz­zeitig abhanden.

Der von Fraport auch ausdrück­lich einge­ladene Bürger­meister Jühe schlug als Kompromiss vor, die betrof­fenen Haus­besitzer sollten doch das Minis­terium anschreiben und um Klärung der Rechts­lage bitten, da die Frage sonst nicht zu entscheiden sei. Wir haben grosse Zweifel, dass das ein gang­barer Weg sein wird. Abge­sehen davon, dass das Minis­terium wohl kaum eine Einzel­fall-Entschei­dung treffen wird, kann es auch keine Lösung sein, dass für Betrof­fene, die sich öffent­lich beschweren, ein Deal gefunden wird, während alle anderen weiter­hin mit Unsicher­heiten leben müssen. Wenn Fraport tatsäch­lich erreichen möchte, dass weitere Haus­besitzer ihr Miss­trauen über­winden und Anträge stellen, dann müssen sie ihre Rechts­inter­preta­tionen nach Pippi Lang­strumpf ('Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt') auf­geben, ihre Bestim­mungen über­arbeiten und deutlich machen: regel­konform errich­tete, intakte Dächer werden gesichert, egal, was es kostet.

Auch auf die Frage nach der Herkunft der speziellen Anfor­derungen für die Siche­rung gab es keine befrie­digende Antwort. In den Aus­führungs­bestim­mungen heisst es: "Aus dem Schutz­ziel, Dachein­deckungen gegen wirbel­schleppen­bedingte Windböen zu sichern, ergibt sich die Anfor­derung, die gesamte Dach­fläche gegen Sog­kräfte von 1.050 N/m² (charak­teristi­scher Wert) zu sichern. Unter Hinzu­rechnung des Sicher­heits­beiwertes von 1,35 ist der Abhebe­wider­stand von 1417,50 N/m² für die gesamte Dach­fläche herzu­stellen." Den 'charak­teris­tischen Wert' findet man in der einschlä­gigen Norm, aber der 'Sicher­heits­beiwert' ist ein Fraport-Kon­strukt, das kein Fachmann erklären kann.
Die Fraport-Ver­treter munkelten etwas von speziellen Studien, hatten aber keine Quellen­angabe parat, und entgegen ihrer Zusiche­rung existiert auch auf der Fraport-Web­seite kein Hinweis darauf (jeden­falls nicht auf den Seiten zur Dach­sicherung bis zum 16.03.). Immerhin haben sie ver­sprochen, den Link nachzu­liefern - wir sind gespannt.
Ignoriert wurde aller­dings die Frage, wie denn sicher­gestellt sei, dass Unter­konstruk­tionen, die für die in der Region übliche Wind­last­zone 1 konstru­iert wurden, diesen höheren Anforde­rungen stand­halten, und warum Dächer, die gemäss diesen Anforde­rungen gesichert sind (z.B. genagelte Schiefer­dächer), nicht für die neuen Anforde­rungen ertüchtigt werden müssen. Einziges Argument dafür: bisher gab es noch keinen Schaden an einem gesicher­ten Dach - und viel­leicht geht es ja auch weiterhin gut?

Bei der Frage nach dem Umgang mit gemeldeten Wirbel­schleppen-Schäden war es auch nicht besser. Zwar wurde noch­mals bestätigt, dass Fraport gemäss Plan­feststellungs­beschluss für alle Schäden haftet, bei denen nicht bewiesen werden kann, dass sie nicht auf Wirbel­schleppen zurückzu­führen sind, und diese Haftung höchstens auf die Airline abwälzen kann, die den Überflug durch­geführt hat. Warum aber Fraport mehr als die Hälfte der bisher ­gemel­deten Schäden als 'nicht durch Wirbel­schleppen verur­sacht' einstufen kann, ohne dafür plausible Kriterien nennen zu können, bleibt weiter offen. Bei dem Versuch, das doch noch irgendwie zu erklären, verhas­pelten sich die Fraport-Ver­treter derart, dass nur eine Schluss­folgerung übrig bleibt: der ganze Vorgang ist so intransparent, dass sie selber nicht mehr durch­blicken. Eine entspre­chende Aussage nahmen sie aller­dings auch sichtbar übel.
Die Haftungs­frage wurde aller­dings von Thomas Jühe nochmal problema­tisiert, der zu bedenken gab, dass ein Gericht durchaus auch die Haus­besitzer in der Pflicht sehen könnte, diese Sicherung auch vornehmen zu lassen. Und er hat nicht Unrecht, denn schon 2013 hat der VGH Hessen in einem Urteil zu einem anderen Fall unge­fragt philoso­phiert, "dass im Fall der Verwei­gerung der Durch­führung dieser Maßnahme und des Eintritts eines daraus folgenden Schadens an Rechts­gütern Dritter der jewei­lige Haus­eigen­tümer oder dinglich Berech­tigte aus der ihm oblie­genden Verkehrs­sicherungs­pflicht ... haften dürfte, wenn von einer zumut­baren Maßnahme zur Gefahren­beseiti­gung oder -verringe­rung kein Gebrauch gemacht wurde".

In all diesen Fällen bleibt es dabei: die schönen Worte der Fraport-Ver­treter nutzen garnichts, wenn die dahinter stehenden Rechts­fragen nicht verbind­lich geklärt werden, und das passiert letzt­endlich nur durch die Gerichte, da die Politik unwillig oder unfähig ist, die Rahmen­beding­ungen klar und eindeutig zu formu­lieren. Das gilt natür­lich auch für all die Fragen, die auf den Veranstal­tungen nicht ange­sprochen werden konnten oder keine Antwort bekamen, wie z.B. die Frage, was mit anderen Dachauf­bauten, Fassaden-An­bauten oder Gegen­ständen am Boden ist, die eben­falls von Wirbel­schleppen erfasst, herum­geschleu­dert oder beschädigt werden können.
Letzt­endlich bleibt es dabei: die Dach­sicherung ist wohl notwendig, bleibt aber Flickwerk. Mehr Sicher­heit kann es nur dann geben, wenn weniger und höher ange­flogen wird. Das aber war erst recht nicht Thema der Fraport, und davon wollen sie auch nichts hören. Wir werden es ihnen trotzdem immer wieder sagen.




FRA-LH-Logos modifiziert

Im Wachstumswahn vereint: FRA & LH

17.03.2018

Fraport und Lufthansa: ungebremstes Wachstum ?

In dieser Woche haben sowohl Fraport als auch Luft­hansa ihr Jahres­ergebnis 2017 vorge­stellt, und die Rekorde purzeln nur so. "Starkes Ergebnis gestützt von deut­lichem Verkehrs­wachstum", in Frank­furt "von 6,1 Prozent auf mehr als 64,5 Mil­lionen Flug­gäste", prahlt Fraport, "das beste Ergebnis in der Geschichte unseres Unter­nehmens" heisst es bei Luft­hansa, wo die Zahl der Flüge um über 10% auf mehr als 1,1 Mil­lionen welt­weit zuge­nommen hat.
Wer sich für die Details interes­siert, findet jede Menge Zahlen und Erklä­rungen im jewei­ligen Geschäfts­bericht, der bei Fraport 239 Seiten und bei Lufthansa 232 Seiten umfasst.

Beiden Konzernen ist gemein­sam, dass sie erstens in Geld schwimmen und zweitens bei Umsatz und Tätig­keiten wachsen, kaum aber beim Personal. Und beide wollen im nächsten Jahr so weiter machen.
Bei Fraport fällt besonders auf, dass die Bedeu­tung des eigent­lichen Kern­geschäfts ('Aviation' und 'Ground Handling' am Flug­hafen Frank­furt) weiter geschrumpft ist und noch 55% des Umsatzes, aber nur noch 30% des Gewinns ausmacht. Neben der weiter florie­renden Airport City ('Retail and Real Estate', 18 bzw. 38%) sind es besonders die inter­natio­nalen Betei­ligungen ('Inter­national Acti­vities', 28 bzw. 38%), die das Geld in die Kasse spülen. Besonders pervers dabei ist der von Fraport stolz betonte hohe Beitrag der 14 griechi­schen Flug­häfen, die sie letztes Jahr über­nommen haben, um den griechi­schen Staat von dieser Last zu befreien.
Lufthansa ist besonders stolz auf die "Senkung der Stück­kosten der Passa­gier-Air­lines", was übersetzt heisst, dass Löhne und Sozial­leistungen weiter redu­ziert werden konnten. Weniger stark wird betont, dass die Preis­treiberei nach der Air Berlin-Pleite eben­falls deutlich zu dem guten Ergebnis beige­tragen hat.

Während die meisten Zeitungen nur die guten Zahlen wieder­geben, geht die FNP auf die Folgen dieses Wachs­tums für das Umland ein. Sie berichtet aus der Presse­konfe­renz, dass Fraport in 2018 "mit einem Anstieg der Flug­bewegungen um satte neun Prozent bzw. 42 798 auf ins­gesamt 518 335 Starts und Lan­dungen" rechnet, während die Zahl der Passa­giere "zwischen 3,9 und 6,2 Prozent" wachsen soll. Dieses über­propor­tionale Wachstum der Flug­bewegungen liege daran, dass die Airlines aktuell wieder kleinere Maschinen ein­setzen, und dazu "trägt auch die zunehmende Zahl der Billig­flieger und der Ferien­flieger" bei.
Für Fraport heisst das aber nur, dass der Bau von Terminal 3 und insbe­sondere der des Billig-Flug­steigs G nur noch dringender wird. Hand­lungs­bedarf beim Lärmschutz sieht Fraport-Chef Schulte nicht, und die sog 'Lärm­ober­grenze' spielt für ihn natür­lich auch keine Rolle, denn er weiss so gut wie wir, dass sie völlig wirkungs­los ist.

Wird das alles wahr werden, und wird sich dieser Trend womög­lich weiter fort­setzen? Die Erfah­rungen der letzten Jahre zeigen, dass Prognosen auf diesem Gebiet sehr unsicher sind. Klar ist, dass Fraport weiter­hin mit allen Mitteln versuchen wird, Flug­verkehr anzu­ziehen. Klar ist auch, dass Lufthansa in allen Bereichen ihren Markt­anteil weiter ausbauen will und weiter­hin Wett­bewerber nieder­konkur­rieren und über­nehmen will. Beides führt tenden­ziell zu mehr Flug­bewegungen in Frankfurt. Die Entwick­lung anderer Airlines spielt dem­gegen­über eine viel kleinere Rolle. Die Luft­hansa-Gruppe ist nach wie vor für rund zwei Drittel der Bewe­gungen auf FRA verant­wortlich, und ihre Zu- oder Abnahme dominiert das Geschehen, selbst wenn andere, wie z.B. Ryanair, höhere Wachs­tums­raten aufweisen.
Auf der anderen Seite wird der Luft­verkehr zunehmend kon­junktur­abhängig, und die War­nungen vor einem Einbruch werden zunehmend lauter. Daher ist offen, was lang­fristig genau passieren wird. Ziemlich sicher ist nur: wenn nicht politisch wirksame Grenzen einge­zogen werden, wird es sobald nicht leiser.




Bild Urteils-Titel

Ausnahmsweise mal ein VGH-Urteil pro Lärmschutz

16.03.2018

Urteil bestätigt 'Rückenwind-Komponente'

Wie aus der Presse­mittei­lung des Gerichts hervor­geht, hat der VGH Kassel eine Klage gegen die Anwen­dung der 'Rücken­wind-Kompo­nente', die eine Beibe­haltung der 'bevor­zugten Betriebs­richtung' 25 (Anflug aus Osten) auch bei schwachem Ostwind erlaubt, abge­wiesen. Geklagt hatten drei Privat­leute aus dem Frank­furter Süden, unter­stützt vom Verein 'Stop Flug­lärm', da sie durch diese Regel zusätz­lich mit Flug­lärm belastet werden.

Die Presse-Bericht­erstat­tung z.B. in der FAZ, aber weit­gehend gleich­lautend auch in FNP und FR, konzen­triert sich auf die Tat­sache, dass die Klage deshalb abge­wiesen wurde, weil es den Klägern "schon an der erforder­lichen Klage­befugnis sowie an einem Rechts­schutz­interesse" fehle. Das ist immer die erste Hürde für eine Klage, und das Scheitern wird damit begründet, dass die Regelung "in erster Linie der Abwehr von Gefahren für die Sicher­heit des Luft­verkehrs und die öffent­liche Sicher­heit oder Ordnung im Rahmen des Flug­platz­verkehrs" diene und daher nicht aufgrund von Einzel­inter­essen ange­griffen werden kann.
Das ist ein interes­santer Gesichts­punkt, denn er weist darauf hin, dass die 'bevor­zugte Betriebs­richtung' nicht (nur) aus Lärm­schutz-Grün­den, sondern auch aus betriebs­tech­nischen Gründen die BR25 ist. Das ist auch plausibel, denn die Start­bahn 18 West liegt nun mal am west­lichen Ende der Parallel­bahnen und der Zubringer wird von den Anflügen bei BR07 gekreuzt, nicht bei BR25.

Das Gericht belässt es aber nicht dabei und führt weiter aus: auch wenn man in der Rege­lung eine "Entschei­dung über die Lärm­verteilung ... sehen wollte", sei die "durch die Abwägung in dem Plan­fest­stellungs­beschluss 2007 ersetzt worden". Diese hätte aber im Rahmen des dama­ligen Ver­fahrens ange­griffen werden müssen.
Daran ist auch wieder interessant, dass für eine Verän­derung der Rücken­wind-Kompo­nente dann auch die Lärm­abwägung im Plan­fest­stellungs­beschluss verändert werden müsste, was bekannt­lich eine hohe Hürde darstellt.

Klar ist aber ohnehin, dass auch eine neue Lärmab­wägung zu keinem anderen Ergebnis führen könnte. Raunheim ist nach allen verfüg­baren Krite­rien immer noch die am meisten mit Fluglärm belastete Stadt, hier werden die höchsten Dauer­schall­pegel und die lautesten Einzel­schall­ereig­nisse gemessen. Nimmt man noch das Wirbel­schleppen­risiko hinzu, das praktisch nur in Raunheim und in Flörsheim existiert und bei schwachen Winden am höchsten ist, ist klar, dass es keine Recht­ferti­gung dafür geben kann, die Rücken­wind­kompo­nente aufzu­geben und mehr Anflüge über Raunheim und Flörsheim zu verlagern.
Auch wenn davon auszu­gehen ist, dass diese Aspekte weder das Gericht noch die beklagte DFS oder gar Fraport sonder­lich interes­siert haben, dürfen wir uns doch über dieses Urteil freuen. Es sichert zwar nur den Status quo, aber es hätte ja auch noch schlimmer kommen können.




CORSIA-Logo modifiziert

Die wahre Bedeutung von 'CORSIA'

07.03.2018

ICAO: Vielsagendes Schweigen zu Klima-Fortschritten

Die Frist für die Einrei­chung von Stellung­nahmen der Mitglieds­staaten zum Klima­paket der ICAO, dem sog. 'CORSIA package', ist gerade abge­laufen, und normaler­weise gibt es zu einer solchen Gelegen­heit mindes­tens eine kurze Mittei­lung über die Anzahl der einge­gangenen Stellung­nahmen und die wesent­lichen Inhalte. Von ICAO gibt es offiziell nichts. Auf ihrer CORSIA-Home­page wird das Paket nicht einmal gesondert erwähnt, sondern taucht nur als ein Punkt auf in einem Zeit­plan, der scheinbar reibungs­los abläuft.

Was es statt­dessen gibt, sind düstere War­nungen von Indus­trie­vertre­tern, dass der Zeit­plan nicht in Gefahr geraten dürfe und das Paket Mitte des Jahres verab­schiedet werden muss, wenn die notwen­digen Vor­berei­tungs­maß­nahmen recht­zeitig getroffen werden sollen. An wen sich diese War­nungen richten und wer den Zeit­plan in Gefahr bringen könnte, bleibt dabei offen.
Aus der Gerüchte­küche verlautet aller­dings, dass es massive Probleme gibt, die eigent­lich abge­schlos­sene Anhörungs­phase ver­längert werden muss und wichtige Entschei­dungen verscho­ben werden müssen. Angesichts der ohnehin vorhan­denen Mängel in diesem Paket wäre das eine nahezu voll­ständige Bankrott­erklärung.

Von seiten der Bundes­regierung und der EU, die an den Verhand­lungen beteiligt sind, gibt es auch keiner­lei offi­zielle Informa­tionen, und im Klima­schutz­portal des BDL ist die Welt natür­lich auch wie immer in schönster Ord­nung. Diese Ignoranz wird nur noch getoppt durch die Frech­heit von Ryanair, die sich als 'grünste Airline Europas' verkaufen möchten, weil sie erst­mals in ihrer Geschichte ein paar magere Seiten Umwelt­programm zusam­men­geschrie­ben haben. Darin 'erlauben' sie z.B. ihren Kunden, den Klima­schaden, den sie durch den Flug mit Ryanair verur­sachen, indivi­duell zu kompen­sieren.

Das alles passiert vor dem Hinter­grund, dass gerade der touris­tische Flug­verkehr weiter boomt und auch die völlig über­flüssigen inner­deutschen Flüge, die durch die Air Berlin-Pleite etwas zurück­gegangen waren, wieder das alte Niveau erreichen. Von Fort­schritten im Klima­schutz im Luft­verkehr kann also nirgendwo die Rede sein. Im Gegen­teil wird immer wieder deutlich, dass es nirgends ernst­hafte Anstreng­ungen gibt, solche Fort­schritte auch nur erreichen zu wollen. Und nach allem, was bisher dazu bekannt wurde, muss man auch erwarten, dass die neue Bundes­regierung, die in Kürze ins Amt kommt, hier ein Total­ausfall wird.
Zugleich stellt der Deutsche Wetter­dienst fest, dass Deutsch­land und Europa auch 2017 im Zeichen des Klima­wandels standen, berichten viele Medien über Extreme in der Arktis und stellen Studien fest, dass der Meeres­spiegel schneller und höher steigt als bisher vorher­gesagt. Für künftige Urlauber heisst es dann mög­licher­weise: 'Sie müssen nicht mehr ans Meer fliegen - das Meer kommt zu Ihnen ...'.

Update 09.03.2018:

Wie sich herausstellt, hat die EU doch reagiert und einen Brief an ICAO geschickt, in dem Einverständnis mit dem vorgelegten Paket ausgedrückt wird. Ausserdem enthält er noch ein paar Ermahnungen bezüglich der noch zu erledigenden Hausaufgaben, damit das Paket angewendet werden kann, und eine Drohung: sollten Teile des Pakets noch einmal offiziell zur Diskussion gestellt werden, wird auch die EU ihre nicht erfüllten Forderungen wieder auf den Tisch legen (und nach einer Schamfrist wieder einknicken, aber das steht nicht in dem Brief, es muss auch nicht extra betont werden). Ob dieser Brief auch die Position aller EU-Mitgliedsstaaten wiedergibt, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Nur von Norwegen ist bekannt, dass es in einigen Punkten noch höhere Anforderungen stellt und ebenfalls vor weiterer Verwässerung warnt.
Aus den 10 Seiten, in denen die EU-Forderungen nochmal aufgelistet sind, die der ICAO-Vorschlag nicht erfüllt, kann man noch einiges über die Mängel dieses Vorschlags lernen, z.B. über die fehlende Verbindlichkeit gewisser Qualitätsanforderungen, Schlupflöcher für die Art der vorzulegenden Offsets und mangelnde Transparenz.

Update 15.03.2018:

Angeblich wollen auch die USA CORSIA weiter unterstützen, aber ob diese Aussage weiter gelten wird, nachdem Präsident Trump gerade seinen für Klimaverhandlungen zuständigen Aussenminister gefeuert hat, ist nicht sicher. Tillerson wusste als langjähriger Mitarbeiter und zuletzt CEO des Ölkonzerns Exxon ja schon seit Jahrzehnten, dass der Klimawandel real ist, sein wahrscheinlicher Nachfolger Pompeo gilt als 'treuester Schoßhund' der Koch Brothers, der reichsten Klimawandel-Leugner in den USA.




Grafik Wirbelschleppen-Schaden

Eindeutiger Fall: nur ein möglicher Verursacher, Wetterdaten passen

06.03.2018

Wirbelschleppen-Schäden in Flörsheim

Vergangene Woche gab es in Flörs­heim gleich zwei Ereig­nisse zum Thema Wirbel­schleppen: am Dienstag, den 27.02., holte gegen 14:30 Uhr eine Wirbel­schleppe in der Lahn­strasse, dicht unter der Anflug­linie, etliche Ziegel vom Dach, die auf den Bürger­steig krachten und zwei geparkte Autos beschä­digten, und am Freitag, den 02.03., warb Fraport in der Stadt­halle für das Klam­merungs­programm.

Montage Schadensfotos

Oben fehlen die Ziegel,
unten liegen die Trümmer

Das reale Ereignis ist schon fast Routine, und es gibt keine Beson­der­heiten, ausser viel­leicht dass die Ziegel beson­ders schwer waren. Der Verur­sacher war ein Boeing 777, das einzige Flug­zeug, das im frag­lichen Zeit­raum landete; die Ziegel flogen auf den Bürger­steig und auf par­kende Autos, aber Menschen waren zum Glück da nicht unter­wegs. Wind­rich­tung und Stärke passten ziem­lich gut zur tat­säch­lichen Aus­brei­tung der Wirbel­schleppe, und auch für Fra­port-Sach­verstän­dige und Dach­decker war der Fall ein­deutig. Alles wie gehabt.

Das zweite Ereignis hatte aller­dings phasen­weise etwas Sur­reales. Zwar entsprach die Präsen­tation der Fraport den Erwar­tungen und schil­derte das Klam­merungs­programm in den rosigsten Farben. Haus­besitzer, die es in Anspruch nehmen, sollen jede Art von Unter­stüt­zung bekommen, Fraport übernimmt auf Wunsch alle Arbei­ten und auch alle Kosten für die Siche­rung und hilft auch mit, wenn noch andere Arbeiten vorge­nommen werden sollen. Kritisch wurde es aller­dings schon in dem Punkt, was denn diese 'ande­ren Arbei­ten' sein könnten.

Cartoon Personenschaden

Offene Frage: Wer haftet wie bei Personenschäden ?

Die Fra­port-Ver­treter waren richtig gut darin, gerade so unkon­kret zu formu­lieren, dass der gewün­schte Eindruck entstand, ohne sich wirklich genau fest­legen zu müssen. Es bedurfte schon sehr kon­kreter Fragen, um heraus­zu­kitzeln, dass natür­lich zwischen 'Dach­sicherung' und 'Dach­sanierung' unter­schieden werden soll und Fraport nur das eine, nicht aber das andere bezahlt. Und wer ent­scheidet, welche Arbeit wozu gehört? Natür­lich die Fra­port-Exper­ten, irgend eine halb­wegs neutrale Stelle ist dafür nicht vorge­sehen. Wem das Ergebnis nicht passt, der kann ja klagen (wenn er genug Geld oder eine gute Rechts­schutz-Ver­siche­rung hat).

Wer also kein finan­zielles Risiko ein­gehen will, muss sehr viel Ver­trauen in Fraport haben oder die Finger von dem Programm lassen, wenn er absehen kann, dass sein Haus zu den Problem­fällen gehören könnte (also z.B. alt ist). Dass es mit dem Ver­trauen in Fraport auch in Flörs­heim nicht weit her ist, wurde in etlichen Reak­tionen aus dem Publikum deutlich.

Interessant war noch die Reaktion der Fra­port-Ver­treter auf die Frage, wer denn haften müsse, wenn Ziegel aus einem nicht geklam­merten Dach gerissen werden und Personen zu Schaden kommen. Hier wäre eigent­lich die mehr oder weniger versteckte Drohung zu erwarten gewesen, dass dann wohl der Haus­besitzer, der das Klammer-An­gebot nicht ange­nommen hat, verant­wort­lich wäre. Tatsäch­lich lautete die (schon eher korrekte) Antwort aber: die Airline bzw. der Pilot, die/der durch den Über­flug den Schaden verur­sacht hat, müsse haften. Auf den Einwand, dass die Piloten ja auf dem vom Flug­hafen vorge­gebenen Leit­strahl fliegen und garnicht abweichen dürfen, fiel ihnen aber auch nichts mehr ein.

Wenn das selbe Spektakel am 16.03. in Raunheim statt­findet, muss man sich darauf ein­richten, die gleichen fragwürdigen Aussagen und wolkigen Ver­sprech­ungen zu hören. Nur falls Menschen da sind, die schon Erfah­rungen mit Problem­fällen gemacht haben und diese schildern können, könnte man viel­leicht damit rechnen, wirk­lich rele­vante Aussagen zu tech­nischen Details zu bekommen. Anson­sten wird es wohl darum gehen müssen, die Fragen zu den Rahmen­beding­ungen aufzu­werfen, die wir unten schon beschrie­ben haben. Mit aussage­kräftigen Antworten ist nach der Flörs­heimer Erfahrung aller­dings kaum zu rechnen.

Update 11.03.2018:

Auch die Main-Spitze hat unsere unten formulierte Kritik ausführlich wiedergegeben. Ob das dazu beitragen kann, von Fraport Antworten zu bekommen, bleibt abzuwarten.




Foto Al-Wazir

Ryanair auf Konfrontationskurs ?

03.03.2018

"Es wird lauter" - nicht nur wegen Ryanair

Minister Al-Wazir ist in der traurigen Lage, selbst kleinste Erfolge öffent­lich feiern zu müssen, da es grosse nicht gibt. So teilt er denn in einer Presse­mittei­lung freudig mit, dass die Zahl der verspä­teten Landungen nach 23:00 Uhr von Ryanair-Maschinen von 35 im Dezem­ber 2017 auf 9 im Februar 2018 zurück­gegangen ist, und führt das auf den "anhaltend hohen Druck" durch sein Minis­terium zurück. Seine Beamten haben auch noch ein paar Prozent­zahlen gefunden, die sich in die richtige Richtung bewegen, auch wenn sie seltsam konstru­iert wirken.
Die Begeisterung hält einer kritischen Prüfung aber wieder einmal nicht stand. Zunächst: Soll man einen Krimi­nellen loben, der durch schwere Raub­über­fälle aufge­fallen ist, sich aber, weil sich keine fette Beute bietet, eine Zeit­lang auf Taschen­dieb­stähle beschränkt? Januar und Februar sind tradi­tionell die Monate mit der nied­rigsten Zahl an Flug­bewe­gungen und dem gering­sten Touris­mus-Auf­kommen, dem Haupt­schuldigen für Nacht­landungen. Auch ist natürlich vor dem Hinter­grund der ohnehin völlig unzu­reichen­den Nacht­flug­beschrän­kungen auf nur 6 Stunden jede Flug­bewegung in dieser Zeit eine zuviel. Und schliess­lich ist der Gesamt­trend nicht so positiv, wie der Minister es darstellt: die Gesamt­zahl der Landungen nach 23:00 Uhr ist zwar von einem Hoch von 66 im Dezember auf 27 im Januar gefallen, aber mit 26 im Februar dann fast gleich geblieben, und man kann darauf wetten, dass sie mit zuneh­mendem Tourismus­verkehr wieder ansteigen wird. Insgesamt macht das Minis­terium bei der Durch­setzung der Nacht­flug­regeln keinen guten Job.

Wie man es besser machen könnte, deutet eine Meldung aus Hamburg an: dort soll Billig­flieger Easyjet insgesamt fast eine halbe Million Euro für 21 verspätete Starts nach 23:00 Uhr im Jahr 2017 zahlen, als Abschöp­fung des Gewinns bzw. der einge­sparten Kosten durch diese Starts. Das klingt immerhin nach angemes­sener Ab­schreckung für Verlet­zungen der Nacht­flug­beschrän­kungen, aber auch hier bleiben Fragen.
Ohne Einver­ständnis und Unter­stützung des Flughafens kann kein Flieger starten. Wenn einer zu spät zur Landung kommt, kann man ihn nicht bis zum Morgen in der Luft hängen lassen, aber wer nicht recht­zeitig wegkommt, kann durchaus bis zum nächsten Morgen am Boden stehen bleiben. Wieso konnten die Easyjet-Maschinen überhaupt starten, wenn der Flughafen seine Beschrän­kungen ernst nimmt? Und könnte das plötzliche radikale Durch­greifen auch damit zu tun haben, dass Easyjet seine Basis in Hamburg im März schliessen wird?
Grund­sätz­lich wären Summen in dieser Grössen­ordnung aber sicher notwendig, um den Flug­gesell­schaften einen Anreiz zur Einhal­tung der Beschrän­kungen zu geben. Auf FRA sind die Gebühren für eine Landung nach 23:00 Uhr nur wenige hundert Euro höher als davor, ausserdem sparen verspätete Flugzeuge auch noch Park­gebühren ein, so dass sich die Mehr­kosten für eine Spät­landung im Vergleich zu den Gesamt­kosten eines Fluges im Promille-Bereich bewegen.

Die FR-Kommen­tatorin macht die zitierte Aussage "Es wird lauter" allerdings primär garnicht an den verspäteten Landungen von Ryanair fest, sondern an der zusätz­lichen Verlage­rung von Ryanair-Maschinen vom Hahn nach FRA. Das allerdings ist eine ganz normale Konsequenz der üblichen Ryanair-Geschäfts­politik, die ihre Flugzeuge da einsetzt, wo es aktuell den höchsten Profit verspricht - und da wirken die Fraport-Rabatte offenbar weiterhin.
Auch ansonsten verteidigt Ryanair sein Geschäfts­modell: nach vorüber­gehenden versöhn­lichen Tönen gegen­über der eigenen Beleg­schaft fahren sie wieder den alten Kon­fron­tations­kurs gegen die Gewerk­schaften und setzen auf prekäre Arbeits­verhält­nisse, was selbst die privi­legier­ten Piloten veran­lasst, einen bösen Brief zu schreiben und Chef O'Leary zum Rücktritt aufzu­fordern - bisher ohne Erfolg.

Aber auch wenn Ryanair die Gesell­schaft mit dem miesesten Geschäfts­modell und der minimal­sten gesell­schaft­lichen Verant­wortung ist, sind die Haupt-Krach­macher und Krach-Treiber andere. Das wurde u.a. auch auf der jüngsten Lobby-Veran­staltung deutlich, dem sog. 'Verkehrs­forum' der 'Vereini­gung hessi­scher Unter­nehmer­verbände' VhU. Während dieser obskure Verein in seiner Presse­mittei­lung sich darauf beschränkt, weitere Forde­rungen an die Politik zu formu­lieren, berichtet die FAZ über Hinter­gründe.
Da kann man dann lesen, dass Lufthansa fast zwei Drittel der Passa­giere von FRA befördert und für weiteres Wachs­tum sorgen will, wozu natür­lich die Politik noch ordent­lich Subven­tionen nach­legen soll. Fraport verspricht, die Entgelte auch im laufenden Jahr nicht zu erhöhen und agitiert weiter für eine 'Flexi­bili­sierung' der Nacht­flug-Beschrän­kungen. Und die anwesenden Vertreter der Ausbau-Parteien CDU, SPD, FDP und Grüne bekräf­tigen, dass sie diese Bemühungen unter­stützen werden, wobei ausge­rechnet CDU-Bodden­berg (es ist Wahl­kampf!) die Nacht­flug­regelungen in Schutz nimmt. Und der Grüne Frank Kaufmann weist darauf hin, dass das Wachstum doch bitte nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ sein soll - weniger Billig­flieger, mehr Bussi­ness-Class; weniger Massen­durch­satz, mehr konsum­kräftige Kund­schaft. Fraport und Lufthansa werden es mit Freuden gehört haben.
Für diejenigen. die unter Lärm und Abgasen leiden, bleibt nur die Schluss­folge­rung: wenn man diesen Figuren freie Hand lässt, wird nichts besser. Wider­stand ist nötig, und auch wer wählen geht, sollte sich gut über­legen, was er/sie mit seiner/ihrer Stimme unterstützt.




Foto-Montage Wirbelschleppen

Fake News ? Ein solches Foto ist unmöglich, aber der Zusammenhang existiert trotzdem.
(Fotos: DLR, Linnmann, Montage: netspett)

24.02.2018

Fraport will weiter klammern

Derzeit werden in Raunheim und Flörsheim Briefe der Fraport verteilt, mit denen die "lieben Nachba­rinnen und Nachbarn" zu Bürger­veranstal­tungen einge­laden werden, am 2. März in Flörsheim und am 16. März in Raunheim. Nicht alle gehören offen­sicht­lich dazu, aber ob das Schlam­perei ist oder gezielt aus­gesucht wurde, ist nicht erkenn­bar. Aber auch wer keine Einladung bekommen hat, kann aus der Presse erfahren, worum es geht.
Tatsäch­lich gibt es in der Zeitung mehr Infos, denn während Fraport nur verkündet, sie möchten uns "persön­lich von den Vorteilen dieses Programms über­zeugen und Ihnen alle Fragen diesbe­züglich beant­worten", sind da noch ein paar Hinter­gründe zu lesen. Interes­sant sind die Aus­sagen zum Stand des Programms:

"Insgesamt geht es um 6000 Häuser. ... Bisher haben erst gut die Hälfte der Haus­eigen­tümer den Antrag gestellt, ihr Dach sichern zu lassen – 1854 in Raunheim, 1355 in Flörsheim. Tatsäch­lich gesichert wurden in Raunheim 1540 und in Flörsheim 1053 Häuser."

In beiden Städten sind also jeweils über 300 Anträge noch nicht abge­arbeitet. Warum das so ist, und warum fast die Hälfte der Anspruchs­berech­tigten noch nicht einmal einen Antrag gestellt haben, kann sich Fraport über­haupt nicht erklären. Schließ­lich ist man ja extrem innovativ und habe "für manche Dächer ... sogar schon eigene Klammern entwickelt". "Ledig­lich in Einzelfällen sei eine Sicherung bei „nicht norm­gerechten Dächern“ unmög­lich gewesen", heisst es weiter.
Zu den Problemen dieses Programms haben wir schon früher einiges gesagt, und daran hat sich nichts geändert. Wer sein Dach 'sichern' lässt, muss künftig damit leben, dass jeder künftige Eingriff am Dach aufwän­diger und teurer wird, und wirkliche Sicher­heit wird damit trotzdem nicht erreicht. Wirbel­schleppen können auch andere Dinge auf dem Dach, an der Fassade oder auf dem Boden beschä­digen oder so herum­wirbeln, dass sie andere Schäden anrichten. Und wer ein "nicht norm­gerechtes" Dach hat, bekommt sowieso jede Menge Ärger oder muss tief in die Tasche greifen, um die 'Norm­gerecht­heit' herzu­stellen.

Wir hätten daher ein paar Tipps, wie Fraport diese Probleme zumindest teilweise redu­zieren könnte.

1. Klare Aussage zu Kosten

Das sollte Fraport eigentlich nicht schwer­fallen, denn die Planer­gänzung ist da (ausnahms­weise mal) recht eindeutig:

"1. Die Eigen­tümer von Grund­stücken, die inner­halb der in der Anlage zu diesem Plan­ergän­zungs­beschluss bezeich­neten Gebiete belegen sind oder von den Gebiets­grenzen ange­schnitten werden, können verlangen, dass die Dach­ein­deckungen von Gebäuden auf diesen Grund­stücken ... gegen wirbel­schleppen­bedingte Wind­böen gesichert sind."
Einzige Ausnahme:
"4. Der Anspruch nach Ziffer 1 besteht nicht, soweit die auf den Grund­stücken errich­teten Gebäude hinsicht­lich der Dach­ein­deckungen den Anforde­rungen des § 12 der hessi­schen Bau­ordnung in der zum Zei­tpunkt ihrer Errich­tung anwend­baren Fassung nicht genügen."

Wie das hessische Baurecht sich im Lauf der Zeit entwickelt hat und welche Bau­ordnung wann gültig war (wenn es über­haupt eine gab), kann man einer Übersicht entnehmen, die das Minis­terium eben­falls zur Verfügung stellt.
Wenn also ein Dach zur Sicherung angemeldet wird, darf der folgende Prozess nur eins von zwei Ergeb­nissen haben: Entweder Fraport weist nach, dass das Dach "zum Zeitpunkt [der] Errich­tung" der HBO nicht genügte, oder es ist anschlies­send gesichert, und Fraport trägt alle Kosten. Punkt.

2. Transparenz

Mehr Trans­parenz könnte helfen, Vertrauen aufzubauen. Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, die Maß­nahmen an einem speziellen Haus öffent­lich zu machen; das wäre Sache der Besitzer, falls es Streit gibt.
Aber Fraport könnte generell besser darüber informieren, wie sie mit Wirbel­schleppen­meldungen umgehen und Schäden bewerten. Die Statistik der gemel­deten Dach­beschä­digungen umfasst inzwi­schen seit Juli 2013 92 Meldungen. In mehr als der Hälfte der Fälle (48, entspricht 52%) behauptet Fraport, die Schäden seien "nicht auf Wirbel­schleppen zurück­zuführen", auch wenn sie nur in einem einzigen Fall sagen, eine "sonstige Schadens­ursache konnte ermittelt werden".
Hier müsste das Märchen vom fach­männ­ischen Blick von der Straße endgültig beerdigt und kl­ar­gelegt werden, nach welchen Kriterien bewertet wird, ob ein Wirbel­schleppen-Schaden vorliegt bzw. ausge­schlossen werden kann. Solange das nicht passiert, werden sich die "lieben Nachbarn" nicht ernst­genommen fühlen und Fraport-Aussagen mit berech­tigtem Miss­trauen begegnen.

3. Offene Fragen

Auch wären da noch eine Reihe von offenen Fragen zu klären. Was sagt Fraport denn dazu, dass Wirbel­schleppen offenbar auch Roll­läden herunter­reissen oder Dach­fenster beschä­digen können?
Ein Eingeständnis, dass mit der Dach­klamme­rung eben nicht alle Gefahren beseitigt sind, würde ebenfalls wesent­lich zu mehr Glaub­würdig­keit beitragen.
Und schließ­lich: ist es richtig, dass auch in Rüssels­heim schon Dach­schäden 'reguliert' wurden, und geht Fraport, wie auch das DLR-Gut­achten davon aus, dass auch dort Wirbel­schleppen-Schäden auftreten können?

Wenn es dort Antworten zu all diesen Fragen gäbe, wäre das eine richtig interes­sante Veran­staltung. Leider können wir nach den bisherigen Erfah­rungen nicht davon ausgehen, dass das so sein wird. Trotzdem werden wir natür­lich da sein und (wenn wir dürfen) diese Fragen stellen, denn wie heisst es so schön: "Die Hoffnung stirbt zuletzt".
Unabhängig von diesen Veranstaltungen und davon, was Fraport sagt oder nicht sagt, gibt es aber eine Reihe von Maßnahmen, deren Umsetzung tatsächlich dazu führen würde, dass das Risiko von Schäden durch Wirbelschleppen, das ja nur in Raunheim und Flörsheim existiert, reduziert würde. Im Einzelnen wären das:

Das wird Fraport aber mit Sicherheit nicht von selbst tun. Dazu müsste die Politik entsprechende Auflagen formulieren, und dazu müsste sie wiederum das Problem Ernst nehmen. Dafür gibt es derzeit aber auch keine Anzeichen.




Foto Al-Wazir

... und das auch noch im Wahljahr.

21.02.2018

Die Fluglärmkommission auf Konfrontationskurs

Die jüngste Sitzung der Flug­lärm­kommis­sion brachte eine Über­raschung. Obwohl sie in der Ver­gangen­heit immer bemüht war, auch den kleinsten Ansatz von Bereit­schaft zur Umset­zung von mehr Schall­schutz von seiten der Luft­verkehrs­wirt­schaft und der Landes­regie­rung positiv zu würdigen, hat sie dem neuen Maß­nahme­programm Aktiver Schall­schutz des 'Forums Flug­hafen und Region' (das eine vom Wirt­schafts­minis­terium einge­richtete und unter­haltene Insti­tution ist), die Zustim­mung verwei­gert. Offen­sicht­lich ist mit diesem Papier eine Grenze über­schritten.
Das FFR hat zwar versucht, mithilfe von mehr als 60 schönen Bild­chen die Kommis­sions­mit­glieder von den Seg­nungen dieses Programms zu über­zeugen, aber gehol­fen hat das nicht. Der Beschluss dazu ist sehr knapp gehalten und erklärt die Ko­opera­tions­bereit­schaft zur Prüfung einzelner Maß­nahmen, aber die Presse­mittei­lung wird deut­licher und lässt das Ausmaß des Unmuts zumin­dest erahnen:

"Die Kommission aner­kennt zwar die Arbeit des Experten­gremiums Aktiver Schall­schutz des FFR, ... sie zeigt sich aber in ihrer Mehr­heit skeptisch im Hinblick auf das aktuell vorge­legte Maß­nahmen­programm. Die vorge­schla­genen Maß­nahmen trafen zumeist auf ein kritisches Echo. Folg­lich zeigte sich die Mehrzahl der anwe­senden Mit­glieder ledig­lich bereit, das vom Forum Flug­hafen und Region vorge­legte Programm zur Kenntnis zu nehmen. Durch diesen mehr­heit­lich gefassten Beschluss bleibt unklar, ob die Maß­nahmen des aktiven Schall­schutzes zur Anwen­dung kommen können."

In der Landes­politik blieb diese Ohrfeige für das FFR und den zuständigen Minister bislang weit­gehend ohne Echo.

Ansonsten gab es in der FLK offen­sicht­lich über­wiegend Infor­mations­beiträge, u.a. ausführ­lich zu den unter­schied­lichen Posi­tionen zur Recht­mäßig­keit des vorge­zogenen Baus eines 'Billig-Fingers' für Terminal 3 und wie immer jede Menge statis­tische Berichte.
Interes­sant auch für Raunheim ist noch ein Antrag der Stadt Rüssels­heim für ein besseres Monito­ring der Lärm­wirkungen der neuen Navi­gations­maß­nahmen für die Südum­fliegung. Hinter­gründe dazu aus Rüssels­heimer Sicht erläutert ein ausführ­licher Artikel im Rüssels­heimer Echo. Auch für Raunheim ist natür­lich wichtig zu sehen, ob die Maß­nahmen die erwar­teten Wirkungen zeigen und auch unnö­tige Annähe­rungen an das Stadt­gebiet dadurch vermie­den werden.

Es wird sicher spannend werden zu sehen, ob die Flug­lärm­kommis­sion auch künftig mehr Distanz zu Luft­fahrt­indus­trie und Landes­regie­rung wahren und verstärkt auf ernst­hafte Maß­nahmen für mehr Schall­schutz (und zur Verringe­rung der Schad­stoff-Belas­tung) drängen wird. Die letzte Sitzung war jedenfalls schon mal ein Anfang.




Al-Wazir mit Plakat

Der Narr weiss es, der Politiker ignoriert es ...

18.02.2018

Viel Neues über Ultrafeinstaub - aber wen interessiert es ?

In den letzten Monaten haben die wissen­schaft­lichen Veröf­fent­lichungen zum Thema 'Ultra­feine Partikel' in einer Weise zuge­nommen, dass es schwierig wird, den Über­blick zu behalten. Auch zum Beitrag des Luft­verkehrs zur Belas­tung mit solchen Teil­chen werden immer mehr Details bekannt. So hat z.B. die ETH Zürich im Juni 2017 eine Kon­ferenz zu 'Nano­partikeln aus Ver­brennungs­prozessen' veran­staltet, in deren abschlies­sendem Bericht es heisst:

"Rechnet man aus Daten der Konferenz­beiträge die Partikel­emission der ca. 25‘000 Verkehrs­flug­zeuge hoch, so ergibt sich ein Total von 1026 Nano­partikeln pro Jahr. Mehrheit­lich werden diese Partikel unter­halb einer Flug­höhe von 3000 ft emittiert! Aber für Flug­zeug­trieb­werke haben wir leider keine Filter."

Die Menge der Parti­kel-Emis­sionen aus Otto­motoren, Erdgas­motoren und Diesel­motoren schätzt der Bericht so:

"Hochge­rechnet emit­tieren die 500 Mil­lionen Fahr­zeuge zusammen etwa 1025 Nano­partikel pro Jahr. Ist das viel oder wenig? Immerhin genügt es, um etwa 4 Mil­lionen vorzei­tiger Todes­fälle jähr­lich auszu­lösen, also etwa 10‘000 täglich; eine Zahl, von der die OECD annimmt, dass sie sich abseh­bar verdop­peln wird. Und Todes­fälle sind nur die Spitze des Eisbergs, denn die Wissen­schaft berichtet über viel­fältige Erkran­kungen und Miss­bildungen, insbe­sondere bei Kindern."

d.h. die Flug­zeug-Flotte emit­tiert zehnmal mehr Teilchen als die Flotte der Strassen­fahrzeuge. Zwar kommt viel davon nicht in mensch­lichen Lungen an, aber der Beitrag dürfte trotzdem erheb­lich sein.

Neben der globalen Dimension geraten aber zunehmend auch die Beding­ungen rund um Flug­häfen in den Blick. Selbst in der begrenzten Zahl der uns zugäng­lichen englisch-spra­chigen Fachzeit­schriften und Daten­banken sind im letzten Jahr mehr als zwei Dutzend Fach­artikel über die Auswer­tung von Messungen zu Ultra­feinstaub rund um Flug­häfen erschienen, die Gesamt­zahl dürfte deutlich höher sein. Aber schon darin finden sich eine ganze Reihe von Ergeb­nissen, die auch für die Situation hier im Rhein-Main-Gebiet relevant sind.
Eins der umfang­reichsten Meß­programme zu Ultra­feinstaub aus dem Flug­verkehr läuft schon seit Jahren am Flug­hafen Los Angeles Inter­national (LAX), dem viert­grössten der Welt (FRA liegt auf Platz 13). Dort wurde u.a. fest­gestellt, dass

Bei Unter­suchungen in Boston wurde zusätz­lich auch fest­gestellt, dass diese erhöhten Konzen­trationen nicht nur im Aussen­bereich, sondern auch in Innen­räumen nach­weisbar sind.
Zwar weisen alle Unter­suchungen darauf hin, dass mit diesen Ergeb­nissen noch keines­wegs alle Fragen geklärt sind und eine Viel­zahl von Details noch unter­sucht und verall­gemeinert werden müssen, aber dennoch zeichnet sich bereits ein Bild des wahr­schein­lichen Beitrags des Luft­verkehrs zur Belastung der Bevölke­rung mit spezi­fischen ultra­feinen Partikeln ab.

Nichts davon spielt aller­dings bisher in der politi­schen Diskussion oder der Praxis der Luft­überwachung in Deutsch­land eine Rolle. Die HLNUG möchte noch monate- oder gar jahre-lang messen, um Zusammen­hänge zu bestä­tigen, an denen zu zweifeln kein vernünf­tiger Grund exis­tiert, ohne dabei irgend etwas Neues zu produ­zieren. Auch die neu beschafften Frank­furter Meß­geräte werden nur im Detail über­prüfen, was im Allge­meinen schon bekannt ist. Solche Messungen sind nicht unwichtig, aber sie sind auch nicht das, was die Diskus­sion jetzt voran bringen könnte. Dazu müssten die Hinweise, die die bishe­rigen Unter­suchungen über die Rolle der spezi­fischen Para­meter der Flug­zeug-Par­tikel (Grössen­vertei­lung, Ober­fläche, chemi­sche Zusammen­setzung) geliefert haben, genauer unter­sucht werden. Davon aber sind die hier einge­setzten Mess­methoden weit entfernt.
Aber selbst dort, wo genauer gemessen wird, werden die Ergeb­nisse häufig politisch ignoriert. So findet in London gerade eine heftige Aus­einander­setzung über den geplanten Bau einer dritten Bahn am Flug­hafen Heathrow statt, mit Experten­gruppen und Anhö­rungen zu vielen wichtigen Fragen. Luft­verschmut­zung ist dabei ein zentraler Punkt - aber die Diskussion konzen­triert sich auf die Stick­oxide, bei denen London jetzt schon die gelten­den europä­ischen Grenz­werte dauerhaft und drastisch über­schreitet. Ultra­feinstäube gibt es in dieser Diskussion nicht - obwohl Messungen nachge­wiesen haben, dass sie in London ebenfalls ein Problem sind und der Flug­hafen erheb­lich dazu beiträgt.
Der absurde Mecha­nismus funktio­niert auch dort: solange ein Umwelt­problem nicht in einen entspre­chenden recht­lichen Rahmen gegossen ist (hier: kein Grenz­wert definiert ist), solange wird es in der politi­schen Aus­einander­setzung ignoriert, und sei es noch so drängend.

Auch die ständig wachsenden Erkennt­nisse über die gesund­heitliche Wirkung von ultra­feinen Partikeln werden von Lobby­isten in Politik und Wissen­schaft klein­geredet und relati­viert. Schon 2011 hat der inzwischen in Verruf geratene Lobby­verein EUGT seinen zweiten Rund­brief dem Thema 'Nano­partikel' gewidmet, dessen Zusammen­fassung mit dem Satz schliesst:

"Nano­partikel stoßen zwar neue Dimen­sionen auf, sind aber toxiko­logisch nichts grund­sätzlich Neues und verur­sachen keine bislang unbe­kannten Gesund­heits­risiken."

Solche Aussagen waren zwar damals schon umstritten und sind heute so nicht mehr haltbar, bestimmen aber nach wie vor die poli­tische Diskus­sion.

Manchmal könnte man glauben, dass diese Ver­tuschungs­front auch durch­brochen werden kann, wenn etwa in einem Focus-Interview "Deutsch­lands oberster Umwelt­mediziner" sagt: "Fein­staub ist ein Killer, das bleibt in den Zellen hängen, schadet der Lunge, verursacht Herz­infarkte". Bei genau­erem Lesen wird aber klar, dass Herr Prof. Drexler, derzeit Präsident der Deutschen Gesell­schaft für Arbeits- und Umwelt­medizin (DGAUM), bei seiner Lobby-Akti­vität für die Auto­industrie nur ein wenig übers Ziel hinaus­schiesst. Tatsäch­lich antwortet er auf die Frage, ob Menschen, die an Strassen wohnen, an denen die Stick­oxid-Grenz­werte dauer­haft über­schritten werden, fürchten müssen, "krank zu werden und früher zu sterben":

"Tote, da entsteht Angst. Man sollte schon seriös bleiben. Zum einen, was heißt vor­zeitige Todes­fälle? Geht es um Jahre, Tage oder um Minuten verlorene Lebens­zeit? Zum anderen halte ich diese Zahlen nicht für wissen­schaft­lich gut begründet. Durch Berech­nungen von NOx auf Tote zu schließen, ist wissen­schaft­lich unseriös. Fein­staub ist ein Killer, das bleibt in den Zellen hängen, schadet der Lunge, verursacht Herz­infarkte. Aber NO2 ist kein Vor­läufer von Fein­staub. Stick­oxide kann man dem Diesel anlasten - Fein­staub nicht."

So funktioniert Lobby­ismus hierzu­lande. Herr Drexler ist kein Experte auf diesem Gebiet, er ist Derma­tologe, und seine 190 Veröffent­lichungen umfas­sende Publi­kations­liste enthält keine einzige zu diesen Themen, aber in seiner Funktion als Präsident der DGAUM darf er solchen Unsinn ver­breiten. Dass seine Zweifel an den gesund­heit­lichen Wir­kungen von Stick­oxiden sachlich unbe­gründet sind, haben seine Fach­kolle­ginnen, die sich damit auskennen, schon früher belegt. Die Aussagen über die Rolle von Stick­oxiden als Vorläufer von Aero­solen und Fein­staub füllen Bände, und dass Diesel­fahr­zeuge heute keinen Fein­staub mehr emit­tieren, nur weil die neuere Filter­technik grund­sätz­lich in der Lage ist, das zu unter­binden, ist zumindest für ältere Fahr­zeuge eben­falls längst wider­legt.
Dass Herr Drexler nicht nur mit solchen Inter­views, sondern auch sonst als Indus­trie-Lobby­ist unter­wegs ist, zeigt z.B. auch die Tatsache, dass er bei der dies­jährigen Jahres­tagung der DGAUM ein Forum der AG Umwelt­medizin leitet, das unter dem unver­fäng­lichen Titel 'Forschungs­ethik und Forschungs­design' ursprüng­lich eben jenem Herrn Spallek ein Podium bieten sollte, der als Geschäfts­führer der EUGT so trau­rigen Ruhm erlangt hat. Erst nach internen und öffent­lichen Protesten wurde Herr Spallek wieder ausge­laden, und Herr Drexler übernimmt nun dessen Rolle selbst - sicher ein würdiger Ersatz.
(Zur Ehren­rettung der DGAUM sei noch gesagt: wenn der eben­falls als Referent ange­kündigte 'A. Friedrich' der ehemalige UBA-Mit­arbeiter und heutige DUH-Aktivist Axel Friedrich sein sollte, dann kommt in diesem Forum zumindest auch die 'andere Seite' zu Wort.)

Auch hier zeigt sich also wieder: solange nicht genügend öffent­licher Druck vorhanden ist, setzt sich die wissen­schaft­liche Erkennt­nis eines Gesund­heits- oder Umwelt­problems nicht in politische Akti­vität um. Indus­trie-Lobby­isten durch­setzen den Wissen­schafts­apparat, blockieren auf allen Ebenen und machen selbst dann ungeniert weiter, wenn sie völlig diskredi­tiert sind - wenn sie nicht durch kritische Öffent­lich­keit gebremst werden.
Durch Messungen nachzu­weisen, dass ein Problem besteht, ist daher nur der aller­erste Schritt. Eine politische Bewe­gung zu initi­ieren, die dieses Problem adäquat angeht, wäre der notwen­dige nächste und weitaus wichti­gere, aber auch schwie­rigere Schritt.

Update 19.02.2018:

Weil es gerade so schön passt, hier noch eine Presse­mittei­lung des Uni­klinikums Jena, die über eine weitere 'wissen­schaft­lich unseriöse', weil epidemio­logische Studie zur akuten Gefähr­lichkeit von Stick­oxiden berichtet, sowie einen ebenso 'unseriösen' Über­sichts­artikel, der die bekannten medizi­nischen Wir­kungen von Stick­oxiden und Fein­staub beschreibt. Aber Ärzte­blätter können viel schreiben, gegen die Wir­kungen der 'Alter­nativen Fakten', die ein Herr Drexler über Focus Online und andere Main­stream-Medien verbreitet, kommen sie so leicht nicht an.




Grafik Klimawirkungen

Der Anteil der Klimawirkungen des Luftverkehrs am bisherigen Temperaturanstieg beträgt rund 5%,
und nach den bisherigen Plänen wird er kräftig wachsen.

11.02.2018

Klimaschutz im Luftverkehr -
die Mängel werden überdeutlich

Die europä­ische NGO Trans­port & Environ­ment hat Ende Januar einen Work­shop durchge­führt, der sich mit der Frage beschäf­tigt hat, ob und wie der Luft­verkehr klima­freund­lich gestaltet werden kann. Die Beiträge der Refe­renten und eine kurze Zusam­men­fas­sung des Ergeb­nisses sind jetzt veröffentlicht.
Einen wichtigen Aspekt, der dort von einem Ver­treter der DLR darge­stellt wurde, haben sie in einem eigenen Artikel aufge­griffen: Die Effekte des von Flug­zeugen emit­tierten CO2 machen nicht einmal die Hälfte der gesamten Klima­wirkung der Luftfahrt aus. Diese Aussage beruht zwar auf For­schungen, die schon über 3 Jahre alt sind, trotzdem ist es wichtig, sie wieder ins Gedächt­nis zu rufen.

Das umso mehr, je deut­licher sich heraus­stellt, dass selbst das, was die Industrie in Bezug auf die CO2-Emis­sionen tun will, bei weitem nicht ausreicht. Ihre Vertreter gestehen inzwi­schen ein, dass das ICAO-System CORSIA jetzt schon in Schwierig­keiten steckt und nicht das liefern wird, was sich ICAO zum Ziel gesetzt hat. Dabei gehen sie aber immer noch davon aus, dass durch das "Off­setting" in CORSIA tatsäch­lich anderswo CO2 gebunden wird, aber diese Annahme wird immer frag­würdiger. Die Zeit für die Umset­zung der CORSIA-Regeln wird immer knapper, und das Niveau der akzep­tierten Offsets immer geringer.

Die Industrie fürchtet also zu recht, dass der Druck, zusätz­liche Maß­nahmen zu ergrei­fen, wachsen wird. Sie will aber unbe­dingt verhin­dern, dass neben CORSIA noch andere Instrumente genutzt werden, um den Klima­schutz zu fördern und Verschmut­zung zu verhin­dern.
Dies umso mehr, als alle Versuche, den Klima­wandel zu verharm­losen, als natür­liche Schwankung zu erklären oder schlicht zu leugnen, dass es ihn über­haupt gibt, immer kläg­licher scheitern (eine aktuelle Übersicht dazu liefert der Klima­forscher Stefan Rahms­torf). Ent­sprechend gewinnen die Forde­rungen, ernst­haft dagegen vorzu­gehen, auch immer mehr an Unter­stützung, wenn auch noch viel zu langsam. Und dass es auf der ganzen Welt aktive Initia­tiven gibt, die gegen das Wachs­tum des Luft­verkehrs vor­gehen, beschreibt ein aktueller Beitrag des 'Global Anti-Aero­tropolis Movement' (GAAM). Noch aber ist deren Einfluss viel zu gering.

Update 19.02.2018:

Ganz unspek­takulär hat die NGO-Koa­lition ICSA mittler­weile sowohl den Entwurf der ICAO für die CORSIA-Regeln und -Standards als auch einen Bericht mit Kritik an diesem Paket online gestellt. Für Eilige gibt es von Letzterem auch eine Kurz­fassung, aber alles natür­lich nur in Englisch.




CSPDU-Flugzeug

GroKonzept: Der Flugverkehr muss wachsen, wachsen, wachsen - auch wenn die Welt an Abgasen erstickt
und im Klimawandel zugrunde geht.

08.02.2018

GroKo-Luftverkehrspolitik - weiterhin völlig beSCHEUERt

Nachdem die Verhandler sich auf einen Entwurf für einen Koali­tions­vertrag geeinigt haben, fehlen nur noch die zustim­menden Voten der Partei­vorstände der CDU und CSU und der Mit­glieder­befra­gung der SPD, damit die GroKo Merkel weiter­machen kann. Dass da noch ein 'Nein' dazwi­schen kommt, ist ziemlich unwahr­schein­lich, es lohnt sich also, die 177 Seiten anzu­sehen.

Die hier interessie­renden Passagen sind über mehrere Kapitel verstreut. Im Kapitel VI, 'Erfolg­reiche Wirt­schaft für den Wohl­stand von morgen', beginnt der Abschnitt 4, 'Verkehr', gleich mit einer massiven Drohung. Unter der Über­schrift "Planungs­beschleu­nigung" heisst es auf S. 75:

"Wir werden ein Planungs- und Bau­beschleu­nigungs­gesetz verab­schieden. ... Mit Änderung der recht­lichen Vor­gaben wollen wir Erleich­terungen für Infra­struktur­projekte erreichen. ... Für ausge­wählte Projekte mit über­ragendem öffent­lichem Inter­esse werden wir die Planungs- und Genehmi­gungs­verfahren ver­kürzen und die Verwal­tungs­gerichts­verfahren auf eine Instanz beschränken."

Mit anderen Worten: die nächste Phase des Flug­hafen­ausbaus soll ohne lange Planung und gericht­liche Kon­trolle möglich werden.
Im gleichen Abschnitt folgt weiter hinten (S.80/81) noch gut eine Seite zum Luft­verkehr. Sie beginnt ebenfalls mit einer Drohung:

"Wir wollen faire Rahmen­beding­ungen im Einklang mit europä­ischen und inter­natio­nalen Rege­lungen für die Luft­verkehrs­wirtschaft. Dazu gehören die Umset­zung des Luft­verkehrs­konzeptes, die Entlas­tung unserer Flug­häfen und Luft­fahrt­unter­nehmen von einsei­tigen nationalen Kosten. Damit haben wir bereits im letzten Jahr begonnen."

Da es kein beschlos­senes Luft­verkehrs­konzept gibt, kann damit nur das Dobrindt-Papier gemeint sein, in dem dieser in seinen letzten Amts­tagen noch die Wunsch­liste der Luft­fahrt-Indus­trie ins Beam­ten-Deutsch über­setzen liess. Da muss die Abschaf­fung der Luft­verkehrs­steuer garnicht mehr, wie ursprüng­lich geplant, explizit erwähnt werden; statt­dessen wird gleich der ganze Katalog über­nommen.
Anschlies­send folgen noch ein paar Verspre­chungen, was alles subven­tioniert werden soll und welche Hinder­nisse noch aus dem Weg geräumt werden, damit die Industrie sich unge­hindert entfalten kann. Kein Wunder also, dass die ihre Begeis­terung kaum verbergen kann und selbst die Dauer-Nörgler von BDL, ADV und BDF in ihrer gemein­samen Presse­mittei­lung freund­liche Worte finden.

Im Kapitel IX, 'Lebens­werte Städte, attrak­tive Regionen und bezahl­bares Wohnen' findet sich noch ein Abschnitt 6, 'Lärm­schutz und Bürger­betei­ligung', der sich auch mit dem Flug­lärm befasst. Die Einlei­tung klingt dort erstmal positiv, indem es heisst:

"Den durch Mobi­lität verur­sachten Lärm wollen wir deutlich redu­zieren. Wir werden die Bürger früh­zeitiger bei Verkehrs­projekten betei­ligen und eine Gesamt­lärm­betrach­tung ein­führen. Wir werden ein verkehrs­träger­über­greifendes Lärm­konzept erstellen."

Allerdings wissen wir ja zur Genüge, was von Sprüchen wie "Es muss leiser werden" zu halten ist, und tatsäch­lich folgen dann weiter unten auch dieselben Floskeln, die wir aus den hiesigen 'Schall­schutz­paketen' kennen. Einziger Licht­blick sind noch die beiden Sätze

"Die Flug­lärm­kommis­sionen werden wir in ihrer Arbeit unter­stützen. Die bestehenden Nacht­flug­verbote bleiben erhalten."

Damit sind zwar nur sehr schwache Grenzen gegen das zu befürch­tende Roll-Back im Flug­lärm­schutz einge­zogen, aber wenn wenigstens das für die nächsten vier Jahre gilt, soll das wohl das Zucker­stückchen für die sein, die vom Kuchen sonst nichts abbe­kommen. Zugleich wird mit der letzten Aussage aber auch schon deutlich, wie wenig ernst die letzte Ansage zu nehmen ist:

"Die Lärm­grenz­werte für den Schutz der Menschen rund um die Flug­häfen werden wir nach den gesetz­lichen Vor­gaben des Flug­lärm­schutz­gesetzes unter Berück­sichti­gung des Standes der Lärm­wirkungs­forschung und der Luft­fahrt­technik über­prüfen und weiter­entwickeln."

Wäre es ernst gemeint, müssten die bestehenden Nacht­flug­verbote natür­lich nicht nur erhalten, sondern deutlich ausge­weitet werden. Tatsäch­lich muss man diesen Satz wohl so lesen, dass die Grenz­werte nur soweit abge­senkt werden sollen, wie es die 'Luft­fahrt­technik' erlaubt, ohne das Wachstum zu gefährden.
Entsprechend deutlich fällt auch das Urteil der Arbeits­gemein­schaft Deut­scher Flug­lärm­kommis­sionen und der Bundes­vereini­gung gegen Flug­lärm aus. In einer gemein­samen Stellung­nahme heisst es:

"Beim Schutz vor Fluglärm geht’s zwei Schritte zurück! ... Wir sind mehr als ent­täuscht darüber, dass man sich hier fast voll­ständig den Wünschen der Luft­verkehrs­wirtschaft hinge­geben hat! ... Die ange­kündigte Umset­zung des Luft­verkehrs­konzeptes, das ein­seitig vom Bundes­verkehrs­ministerium - ohne Berück­sichtigung der Umwelt­belange und ohne Betei­ligung des Bundes­umwelt­ministeriums - erstellt wurde, lehnen wir ebenso ausdrück­lich ab. Es handelt sich um ein reines Förder- und Jubel­programm für die Luft­verkehrs­industrie. Es muss dringend durch ein echtes Luft­verkehrs­konzept der Bundes­regierung unter Berück­sichti­gung der Lärm- und Klima­schutz­anforde­rungen ersetzt werden."

Für die Umsetzung des Ganzen wird nach einem Bericht der Tages­schau auch die perso­nelle Konti­nuität gewahrt werden. Das Verkehrs­ministerium bleibt in der Hand der CSU, nur Dobrindt heisst jetzt Scheuer, sonst ändert sich nix.

Das Thema 'Luftrein­haltung' liefert ein weiteres Armuts­zeugnis dieses Papiers. Im Kapitel XI, 'Verant­wortungs­voller Umgang mit unseren Ressour­cen' findet sich im Abschnitt 1, 'Umwelt und Klima' dazu ein einziger Satz:

"Wir werden die Novelle der Tech­nischen Anlei­tung zur Rein­haltung der Luft (TA Luft) zügig verab­schieden und damit an den Stand der Technik anpassen."

Mit anderen Worten, die Grenz­werte für Industrie und Gewerbe sollen an das angepasst werden, was die Filter­technik heut­zutage ohnehin leistet. Von weiter­gehenden Ambi­tionen, die dem Ausmaß des Problems auch nur annähernd gerecht würden, ist keine Rede.
Zu den Schad­stoff-Emis­sionen aus dem Straßen­verkehr finden sich noch einige Aus­sagen im Abschnitt 'Mobi­lität und Umwelt' ab S.75. Darüber urteilt die Deutsche Umwelt­hilfe, die in den letzten Jahren dazu die öffent­lich­keits-wirk­samsten Aktionen durch­geführt hat:

"Das gesamte Papier basiert auf Prüf­aufträ­gen und Finan­zierungs­vorbe­halten, mit denen die notwen­digen Entschei­dungen zum Klima-, Ressour­cen- und Natur­schutz auf den Sankt-Nimmer­leins-Tag verschoben werden." Im Verkehrs­bereich "sucht man Vorgaben, um die Auto­mobil­indus­trie zum Verkauf von sprit­sparen­den und im realen Leben sauberen Fahr­zeugen mit Verbren­nungs­motoren zu bewegen, vergebens".

Ein ähnlich vernich­tendes Urteil fällt der BUND:

"Die Chance auf eine sozial-öko­logische Wende wird wieder einmal vertan. Einige wenige gute Ansätze können nicht darüber hinweg­täuschen, dass beim Klima, dem Verkehr und der Land­wirt­schaft weiter­hin die Inter­essen einzelner Industrie­zweige wie der Kohle-, Auto- und der Agrar­lobby Vorrang vor Menschen und Umwelt erhalten. Die GroKo setzt sich zwar die Förde­rung einer nachhal­tigen Entwick­lung als Maßstab, flankiert diese aber nicht wirksam. So bleibt Nachhalt­igkeit nur eine Wort­hülse.".

Damit sollte jeder und jedem klar sein, dass diese Regierung, wenn sie denn zustande kommt, keines der dräng­enden Probleme lösen wird, sie ist im Gegen­teil selber eins. Eigenes Engage­ment ist daher dringen­der denn je.




CEO-Aufkleber Lobbying

Schon älter, aber aktuell wie eh und je ...

04.02.2018

Vergiftender Lobbyismus - Fraport mischt mit

Am 25. Januar hat die New York Times eine weitere Runde im Diesel­skandal einge­läutet mit der Veröf­fent­lichung eines Tier­experi­ments, das bereits in einem Prozess gegen VW in den USA eine Rolle gespielt hat. Die Zeitung benennt den Auftrag­geber des Experi­ments, die wissen­schaft­lichen Mängel und die ethische Bedenk­lich­keit.
Drei Tage später machte die Stutt­garter Zeitung bekannt, dass der gleiche Verein, der den Tier­versuch beauf­tragte, auch einen Versuch an Menschen geför­dert hat, der in Aachen durch­geführt wurde. Das wahre Ausmaß der Menschen­versuche hat aller­dings erst eine Satire-Zeit­schrift aufge­deckt.

Nach diesen Veröffent­lichungen haben sich sowohl Konzern­spitzen als auch Politik pflicht­gemäß betrof­fen gezeigt und Unver­ständnis, Betrof­fen­heit, Abscheu etc. geäus­sert. Zumindest bei VW, Daimler und BMW hätten die Vorgänge aller­dings bekannt sein müssen. Sie hatten 2007 zusammen mit der Firma Bosch beschlossen, die 'EUROPÄ­ISCHE FOR­SCHUNGS­VEREINI­GUNG FÜR UMWELT UND GESUND­HEIT IM TRANS­PORT­SEKTOR E. V. (EUGT)' zu gründen, um u.a. "wissen­schaft­liche Publika­tionen auf dem Gebiet des Umwelt- und Gesund­heits­schutzes" zu unter­stützen. Sie hat diese Versuche bezahlt, und die Träger wurden regel­mäßig über die Tätig­keit des Vereins unter­richtet.
Bosch stieg 2013 wieder aus, die anderen beschlossen 2016, den Verein aufzu­lösen. 2017 war er abge­wickelt, seine Web­seite vom Netz genommen, alle Doku­mente gelöscht. Warum, ist nicht ganz klar, aber viel­leicht einfach wegen Inef­fizienz. Um in mehreren Jahren 19 Fach­veröffent­lichungen zu sponsorn, 5 News­letter a 3-6 Seiten und ein paar Berichte zu produ­zieren, braucht man keinen Verein.
Da das Netz aber nichts vergisst (höchstens versteckt oder verschlampt), können die meisten Doku­mente trotzdem noch gefunden werden, u.a. eine Broschüre, die über die Tätig­keit des Vereins 2012-2015 berichtet. Darin werden die betei­ligten Personen vorge­stellt und auch die beiden jetzt kriti­sierten Versuche beschrieben.

Das Klinikum der RWTH Aachen verteidigt in einer Presse­mittei­lung den dort durch­geführten Versuch. Er habe nichts mit Diesel­abgasen zu tun, sondern beschäf­tige sich nur mit der Wirkung von Stick­stoff­dioxid am Arbeits­platz. Tatsäch­lich bezieht sich die zur Studie gehö­rende Ver­öffent­lichung auch nur darauf, die EUGT-Bro­schüre nutzt die Ergeb­nisse aller­dings für ihre Argumen­tation.
Der Affen-Versuch findet kaum Vertei­diger und führte auch zu ersten Konse­quenzen. Der Leiter der Konzern-Außen­bezieh­ungen und des Bereichs Nach­haltig­keit bei VW und Ex-Sprecher der Auto-Kanzler Schröder und Merkel, der für die VW-Betei­ligung bei EUGT verant­wortlich war, wurde beur­laubt und wird wohl prak­tischer­weise die Verant­wortung mit in einen vergol­deten Ruhe­stand nehmen. Auch Daimler hat seinen Vertre­ter im EUGT-Vor­stand zunächst frei­gestellt.
Dass es aber bei der ganzen Angele­genheit um mehr geht als um die mora­lische Bewer­tung von ein oder zwei Versuchen, verdeut­licht ein Kommen­tar von Lobby­control:

"Außer den Affen und 25 Frei­willigen mussten vor allem Mil­lionen Menschen unfrei­willig schäd­liche Diesel­abgase einatmen, weil die Auto­konzerne mit ihren Abschalt­einrich­tungen betrogen hatten. Forscher gehen davon aus, dass allein in Europa rund 5000 Menschen pro Jahr wegen der Abgas­manipula­tionen früh­zeitig sterben."

Zugleich weist der Kommentar auch auf die Rolle des EUGT-Bei­ratsvor­sitzenden Greim als bekanntem Indus­trie-Lobby­isten hin.
Zu Quellen und Wirkungen von Stickoxiden gibt es allerdings noch mehr zu sagen, als der Kommentar hier erwähnt.

Andere Persona­lien spielen demgegen­über bisher in der Bericht­erstat­tung kaum eine Rolle. So wird nur gelegent­lich am Rande darauf hinge­wiesen, dass bis Ende 2014 auch ein Fraport-Manager im EUGT-Vor­stand war: Max Conrady, damals 'Abteilungs­leiter Umwelt­auswir­kungen' der Fraport. Was er da wollte und tat, bleibt aller­dings im Dunkeln.

Anflug-Grafik

Schon die Grafik lügt: eine Höhenzunahme von
rund 6% sieht aus wie eine Verdopplung

Die fünf Newsletter, die zwischen 2011 und 2014 erschienen, behandeln zwar Themen, die auch für Fraport interes­sant sein könnten oder sollten ('Lärm', 'Nano-Partikel', 'Bio-Kraft­stoffe, 'Diesel-Abgase', 'Risiko'), erwähnen aber den Luft­verkehr mit keinem Wort. Auch bei den o.g. 19 Veröffent­lichungen ist kein Zusammen­hang ersicht­lich. Unter den 16 Pro­jekten, die der 'Tätigkeits­bericht' auflistet, erwähnt ledig­lich eines den Fluglärm: "Biblio­graphische Analyse der verfüg­baren Literatur­daten zu Verkehrs­lärm mit dem Schwer­punkt Fluglärm". In der Beschreibung heisst es dazu: "Ziel ist, möglichst in verglei­chenden Unter­suchungen die effizien­testen Lärm­minderungs­schwer­punkte bei den unter­schied­lichen Verkehrs­trägern zu identi­fizieren. ... Als Planungs­grund­lage hat EUGT im Jahr 2014 eine biblio­graphi­sche Analyse der verfüg­baren Literatur­daten zu Verkehrs­lärm mit dem Schwer­punkt Fluglärm an der Univer­sität Frank­furt/Main in Auftrag gegeben.". Zu dem Zeitpunkt muss aber bereits klar gewesen sein, dass Conrady zum Jahres­ende aus­scheiden würde. Es ist nicht bekannt, wer für ihn nach­gerückt ist und ob das Projekt über­haupt durch­geführt wurde.
Die Idee ist aller­dings auch weder kreativ noch über­zeugend. Eine Liste ein­schlägiger Forschungs­projekte gibt es zum Beispiel vom Gesund­heitsamt der Stadt Frank­furt schon in der zweiten Ausgabe, und öffent­lich Stimmung in der einen oder anderen Richtung lässt sich damit kaum machen.
Die Skizze des erhöhten Anflug­winkels auf die Nordwest­bahn lässt viel­leicht noch ahnen, welche Themen sie noch im Auge hatten, aber die sind bekannt­lich durch Öko-Institut und 'Mann beißt Hund' bestens abgedeckt.

Eine weitere Person mit Frank­furter Lokal­bezug in dieser Herren­riege ist ein leuch­tender Stern am Medi­ziner­himmel, Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. David Grone­berg, seit 2010 Direktor des Instituts für Arbeits­medizin, Sozial­medizin und Umwelt­medizin der Johann Wolf­gang Goethe-Uni­versi­tät in Frank­furt am Main. Seine Rolle ist insofern dubios, als er nach eigenen Angaben "in den Jahren 2012-2014 ... für die Durch­führung von klini­schen Auftrags­studien ... Zuwen­dungen auf ein Dritt­mittel­konto von ... der Europä­ischen Forschungs­vereini­gung für Umwelt und Gesund­heit" erhalten hat - eben jener Verein, dessen Arbeit er im Beirat begleiten sollte. Keine gute Voraus­setzung für eine unab­hängige Kon­trolle.
Immerhin hatte er sich wohl schon vorher mit ethischen Fragen der Wissen­schaft beschäf­tigt, denn laut Wiki­pedia erhielt er einen seiner vielen Ehren­doktor­hüte "während der Olympi­schen Spiele in Peking" vom "Fujian College of Medicine", und das Verhält­nis von Hoch­leistungs­sport und Medizin wirft bekannt­lich eine Menge solcher Fragen auf. Ausser­dem hat er sich "als Mitglied des wissen­schaft­lichen Beirats des Aufklä­rung gegen Tabak e.V. für Rauch­präven­tion auf Schul­ebene durch Medizin­studie­rende" enga­giert, auch wenn es Beschwerden darüber gab, dass er die kriti­sche Aus­einander­setzung mit der Rolle der deutschen Arbeits­medizin in der Lobby­arbeit der Tabak­industrie behin­dert hätte. Mit seinen vielen Tätig­keiten war er aller­dings auch so beschäftigt, dass ihm nicht aufge­fallen ist, dass min­destens eine der rund 50 Doktor­arbeiten, die bei ihm zum gleichen Themen­komplex ange­fertigt wurden, so weit­gehend mit einer frühe­ren, eben­falls von ihm akzep­tierten Arbeit identisch war, dass man wohl von einem Plagiat sprechen muss.
Qualifi­ziert für einen Platz in diesem Beirat hatte er sich u.a. wohl insbe­sondere mit einer Polemik gegen Umwelt­zonen, die den Trägern dieses Vereins sicher­lich gefallen hat. Die oben erwähnten 'Auftrags­studien' bestanden zumindest teil­weise aus den beiden folgenden "Studien zur Wirksam­keit von Umwelt­zonen" "auf Feinstaub­konzen­trations­änderungen" bzw. "auf die Stick­oxid­konzen­tration" , die der Tätig­keits­bericht aufführt, wie aus zwei Veröf­fent­lichungen hervor­geht, die Herr Morfeld aus dem EUGT-Beirat (der dafür wahr­schein­lich auch kassiert hat) zusammen mit Herrn Grone­berg und dem EUGT-Geschäfts­führer Spallek ver­öffent­licht hat. Herr Spallek war im Übrigen auch mal Leiter des Gesund­heits­dienstes bei VW und sowohl in Berlin als auch in Frank­furt Mitar­beiter im Institut von Herrn Grone­berg.

EUGT-Projekte

Menschen- und Tierversuche, dubiose Studien - alles im Programm

Die beiden Studien passen genau ins Profil des EUGT. Dabei ist es fast schon unerheb­lich, ob sie, wie anzu­nehmen, metho­disch sauber durch­geführt sind oder nicht. Die Ergeb­nisse, die sie gelie­fert haben, geben schlicht keine Antwort auf die Fragen, die sie zu stellen vor­geben, werden aber trotz­dem dafür miss­braucht.
Die Studie zu Feinstaub erschien 2014 (auf Deutsch) und unter­suchte die Wirksam­keit von Umwelt­zonen der Stufe 1 (rote Plakette). Eine fach­liche Kritik daran findet sich in einer Studie des Umwelt­bundes­amts zur Wirksam­keit von Umwelt­zonen. Der Kern­punkt ist aber ein anderer. Allen Experten war auch damals schon klar, dass die 'grobe' Fein­staub-Meß­größe PM10 nicht taugt, um die Belas­tungen aus dem Straßen­verkehr zu messen. Sie wurde und wird nur deshalb noch ver­wendet, weil die offi­zielle Luft­qualitäts­politik an diesem Wert fest­hält und auch nur dafür hin­reichend viele Meßwerte exis­tieren. Eine Bewer­tung von Maß­nahmen aus medizi­nischer Sicht auf diese Größe zu stützen, ist schlicht unseriös.
Vor dem Hinter­grund der Auftrag­geber der Autoren eine echte Frech­heit ist aber die zweite Studie zu Stick­oxiden, eben­falls 2014 erschie­nen (auf Englisch). Die Methoden sind die­selben wie in der ersten Studie, daher gilt die fach­liche Kritik des UBA auch dafür. Die Frech­heit liegt aller­dings darin, die Studie über­haupt durchzu­führen. Die Funktion einer Umwelt­zone besteht darin, nur Fahr­zeuge mit (vermeint­lich) niedri­geren Emis­sionen hinein zu lassen und die Dreck­schleudern draussen zu halten. Wenn man aber weiss, dass die niedri­geren Emissionen nur auf dem Prüf­stand exis­tieren, nicht im realen Fahr­betrieb, dann weiss man auch, dass man von dieser Auswahl keine positiven Effekte erwarten darf (ausser viel­leicht dadurch, dass einige Altfahr­zeug-Besitzer abge­schreckt werden und auf den ÖPNV umsteigen). Im Wissen, dass es wegen des eigenen Betrugs nicht funktio­nieren kann, die Maß­nahme als solche schlecht zu machen, ist mehr als unseriös, es ist Betrug.

Die Beispiele machen deutlich, wie Konzern-Lobby­ismus Menschen, Tiere und das poli­tische Klima vergiftet. Aber auch wenn es EUGT nicht mehr gibt und (viel­leicht!) die aller­übelsten Exzesse einge­schränkt werden, geht die schmutzige Lobby­arbeit der Auto­industrie unver­mindert weiter. Zwei Beispiele aus den letzten Tagen:
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat eine, natür­lich auch von Lobby­isten der Auto­industrie domi­nierte, Experten­gruppe, die von der Bundes­regierung zur offi­ziellen Bewälti­gung des Diesel­skandals einbe­rufen worden war, einen derart dreisten Abschluss­bericht beschlos­sen, dass sich der eben­falls betei­ligte BUND veran­lasst sah, die Zustimmung zu verwei­gern und einen eigenen Bericht vorzu­legen. Und in Brüssel schiessen die Lobby­verbände der Auto­industrie aus allen Rohren gegen einen Plan der EU-Kom­mission, den Grenz­wert für den CO2-Ausstoss von PKW bis 2030 um 30% zu senken, obwohl das tech­nisch keines­wegs ein ambitio­niertes Ziel ist. Dabei schämen sie sich nicht, zu argumen­tieren, dass dieser Grenz­wert auch des­wegen zu niedrig sei, weil es durch die ab diesem Jahr einge­führten Test­methoden nicht mehr ganz so leicht ist, auf dem Prüf­stand zu betrügen.

Dass der Lobby­ismus der Luft­verkehrs­wirt­schaft ganz ähnlich funktio­niert, haben wir in der Ver­gangen­heit schon öfter beschrieben. Ihr jüngster Erfolg ist die geplante Auf­nahme der Abschaf­fung der Luft­verkehrs-Steuer in die GroKo-Koali­tions­verein­barung, die das BBI in einer Presse­mittei­lung kriti­siert. Damit hätte die CSU schon einen Kern­punkt ihres sog. Luft­verkehrs­konzept durch­gesetzt. Auch auf der For­derungs­liste des ADV, der Lobby­organisa­tion der deutschen Flug­häfen, deren Präsident seit kurzem eben­falls Fraport-Chef Schulte ist, steht dieser Punkt ganz oben.
Wie Lobby­ismus in Europa sonst noch funktio­niert, kann man in der gerade erschie­nenen Ausgabe des Lobby­planet Brüssel von Lobby­control nach­lesen, und auch wer wissen möchte, wieviel Geld (offi­ziell) für solche Tätig­keiten gezahlt wird, kann das in einem aktuellen Report nach­lesen.
Die aktuelle Empö­rungs­welle wird diesen Prozess nicht stoppen. Dafür wäre ein grund­legendes Um­steuern in der Politik hin zu einer umfas­senden Demo­krati­sierung und einer Ein­schrän­kung wirt­schaft­licher Macht not­wendig. Das aber kann nur gelingen, wenn auf allen Ebenen immer mehr Menschen deut­lich machen, dass sie sich diese Zustände nicht länger bieten lassen wollen. Die GroKoa­litio­näre beweisen gerade, dass sie die Letzten sind, von denen eine solche Verän­derung zu erwarten wäre.




3-Säulen-Ruine

Drei Säulen, uraltes Material, nur noch ein schwacher Abklatsch dessen,
was es sein sollte ...
(Ähnlichkeiten mit real existierenden Programmen sind offenkundig.)

30.01.2018

Das 'Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz' -
technische Mogelpackung, politische Bankrotterklärung

Am 26.01. hat das 'Forum Flughafen und Region' sein neues 'Maß­nahmen­programm Aktiver Schall­schutz' vorge­stellt. Mit viel Text und noch mehr bunten Bildchen wird versucht, den Eindruck zu erwecken, dass hier ein weiterer Fort­schritt beim Schall­schutz auf den Weg gebracht würde.
Allerdings sind etliche Akteure erstaun­lich vorsichtig in der Wortwahl, und nur der unsäg­liche Pro­fessor Wörner lügt unge­niert: "Die neuen Maßnahmen sorgen auf unter­schied­liche Weise dafür, dass es in der Region leiser wird". Er weiß natür­lich, dass das nicht stimmt.

Auch die öffent­liche Bericht­erstat­tung hält sich etwas zurück. Die FR zitiert zwar Herrn Wörner, referiert aber ansons­ten nur einige Inhalte und Reak­tionen auf die Presse­konferenz. Die Neue Presse greift den Aspekt zwar in der Über­schrift ihres Berichtes auf, weist aber in ihrem Kommentar recht deutlich auf die Begrenzt­heit der vorge­stellten Maß­nahmen hin.
Selbst Minister Al-Wazir verkneift sich in seiner Presse­mittei­lung allzu lauten Jubel und konzen­triert sich auf den Dank an alle Betei­ligten dafür, dass sie überhaupt etwas tun. Und sogar das FFR selbst, das auf seiner eigenen Web­seite die Lob­hudde­lei für dieses 'Maßnahme­programm' ver­breitet, ignoriert es auf seiner Fach­seite weit­gehend und listet dort alle möglichen Maß­nahmen auf, unab­hängig davon, ob sie nun Bestand­teil des Programms geworden sind oder nicht.

Wer wenigstens halbwegs genau wissen will, worum es in diesem Programm eigent­lich geht, greift besser gleich zu den Doku­menten der sog. 'wissen­schaft­lichen Beglei­tung' dieses Projekts. Die wird vom Öko-Institut geliefert, und dort findet man neben einer kurzen Presse­mittei­lung auch einen 76-seitigen Bericht, der zwar auch zu weit mehr als der Hälfte aus wieder­gekäuten Uralt-In­halten und nichts­sagenden Grafiken besteht, aber immerhin auch einige Zahlen liefert, die erkennen lassen, worum es hier tatsäch­lich geht.

Unter anderem kann man daraus lernen, dass von den 17 im Programm aufge­listeten Maßnahmen nur drei quanti­fizier­bare Wir­kungen auf die Lärm­belastung der Region haben: die Verschie­bung von Flug­routen bei Abflügen Richtung Süden und Osten am Tag und das Umfliegen einiger besonders dicht besie­delter Bereiche in der Nacht. Diese Maß­nahmen führen zwar nicht dazu, dass der Lärm geringer wird, aber immer­hin dazu, dass weniger Menschen davon betroffen sind. Selbst die anderen Lärm­verschie­bungs-Maß­nahmen zeigen keine nach­weis­baren Wirkungen, sollen aber trotz­dem in Angriff genommen werden - Haupt­sache, es passiert was.
Die Maß­nahmen, die "den Abstand zur Lärm­quelle erhöhen" sollen und auf der Einfüh­rung des neuen Naviga­tions­systems GBAS beruhen, sind deshalb nicht quantifi­zierbar, weil ihr Einsatz von der entspre­chenden Ausstat­tung der Flugzeuge und vom Wetter abhängig ist und deshalb kein Mensch weiß, wann sie, wenn über­haupt, wirksam werden können. Die Maßnahmen aus der Rubrik "Spur­treue verbessern" können schon deshalb keine Ergeb­nisse liefern, weil in den Rechen­modellen, mit denen die Lärm­belastung erfasst wird, keine Spur­abwei­chungen vorge­sehen sind, und die Maßnahme zur "techno­logi­schen Lärm­minde­rung" beschränkt sich ohnehin nur auf einen Prüf­auftrag.

Ein besonders schlechter Scherz sind die Maß­nahmen zur "Verbes­serung der Rahmen­beding­ungen". Hier möchte das FFR mal gucken, was andere so machen ("Konti­nuier­liches Monito­ring Flug­lärm­reduktions­forschung") und auch mal drüber reden ("Koordi­nation aktiver Schall­schutz auf Bundes­ebene"), ein bisschen deregu­lieren ("Verein­fachte Rechts­grund­lage für flug­sicherungs­bezogene Maß­nahmen im Probe­betrieb") und den Flug­gesell­schaften noch mehr Steuer­gelder zuschanzen ("Bundes­programm Luft­verkehr bzgl. Förder­program­men, Forschungs­förderung und Incenti­vierungs­möglich­keiten"). Kein Wunder, dass niemand glaubt, dass dabei etwas Meßbares heraus­kommen könnte.
Die Dreistig­keit, sowas als Maßnahmen vorzu­schlagen, wird noch getoppt durch den Vorschlag der Einfüh­rung einer "Lokalen Konsul­tation bei lärm­verlagern­den Maß­nahmen". Hier soll, wenn Lärm verschoben wird, noch eine zusätz­liche Schleife gedreht werden, in der nicht nur die, die sowieso schon beteiligt sind, teil­nehmen, "sondern auch eine begrenzte Anzahl zufällig ausge­wählter Bürger der betrof­fenen Kommunen". Und die "erhalten zudem die Möglich­keit, Fragen zu stellen und alter­native Vor­schläge zur Ausge­staltung der Maß­nahme einzu­bringen". Die Wahr­schein­lich­keit, dabei jemanden einzu­laden, der das Konzept noch durch­einander bringen könnte, dürfte nahe bei Null sein, aber der gewün­schte Effekt ist ja auch, dass "wenig­stens die entlas­tete Kommune die Arbeits­methodik und das Zustande­kommen des Beur­teilungs­ergeb­nisses positiv würdigt". Den Schwarzen Peter abschieben und die Kommunen gegen­einander auf­bringen - eine tolle Schall­schutz-Maß­nahme!

Aber was kommt nun bei den Berech­nungen der Wir­kungen dieses Maß­nahme­programms heraus? Berechnet werden der Ist-Stand 2015 ("Referenz") und wie er wäre, wenn die Maß­nahmen schon einge­führt wären ("Maßnahme­programm"). Derselbe Vergleich wird dann nochmal berechnet unter der Annahme, dass die Flug­bewe­gungen um 13% zunehmen (was in ca. 5 Jahren der Fall sein soll). In beiden Fällen bekommt man seiten­lang in Grafiken und Tabellen vorgeführt, dass der Lärmindex durch die Maß­nahmen um 1 bis 6 % absinkt, im erwei­terten Bereich sogar um bis zu 17 %.
Nicht darge­stellt wird aller­dings das Szenario der Entwick­lung, die durch das Maßnahme­programm ja eigent­lich einge­leitet werden soll. Dafür wäre natür­lich der Ist-Zustand mit dem Zustand zu ver­gleichen, der bei einer Zunahme der Flug­bewe­gungen erreicht wir, wenn die Maßnahmen reali­siert werden. Das muss man sich aus den ange­gebenen Zahlen selber herleiten, und das Ergebnis zeigt die nach­folgende Tabelle:

Vergleich
Ist-Zustand 2015   -   Prognose 13% Verkehrszuwachs,
                                           mit Maßnahmeprogramm

­
Meßgröße Lärm-Zuwachs (%)
Tagindex             9
Tagindex Hochbetroffene           30
Kontrollgebiet             9
Nachtindex           17
Nachtindex Hochbetroffene           39

Zusammen­gefasst: die Indexwerte nehmen auch bei Reali­sierung des Maßnahme­programms um knapp 10 bis knapp 40 Prozent zu, d.h. es wird deutlich lauter. Das wird zwar im Bericht nicht gesagt, aber alle Beteiligten wissen es natür­lich, und deshalb lügt Herr Wörner, wenn er behauptet, "Die neuen Maß­nahmen sorgen ... dafür, dass es in der Region leiser wird".
Stört sich jemand daran? Natürlich nicht. Die Geschichte des Flug­hafen-Ausbaus ist eine Geschichte von Lüge und Betrug, und daran wird sich so schnell nichts ändern. Die verant­wort­lichen Politiker spielen das Spiel mit und hoffen, dass möglichst wenig Menschen merken, dass sie belogen werden. Täten sie es nicht, müssten sie einge­stehen, dass es nur eine Möglich­keit gibt, ihr Mantra "Es muss leiser werden!", umzu­setzen: die Zahl der Flug­bewe­gungen zu redu­zieren. Diese Lösung wird aber von allen tabui­siert, und deshalb werden immer neue Mogel­packungen präsen­tiert. Das aber ist eine poli­tische Bank­rott-Erklä­rung all der­jenigen, die behaupten, das Wachs­tum des Flug­verkehrs liesse sich mit den Inter­essen der Bevölke­rung der Region in Einklang bringen.




Plakat Rechtsstaat

27.01.2018

Der Rechts-Staat straft - für das Inverkehrbringen unbequemer Inhalte

Wer die juris­tische Beglei­tung des Flug­hafen-Aus­baus von der Start­bahn West bis zu Terminal 3 mitver­folgt hat, sollte eigent­lich vor Illus­ionen über die Unab­hängig­keit der Hessi­schen Verwal­tungs­gerichts­barkeit gefeit sein. Hin und wieder gelingt es einer Richterin oder einem Richter aber trotzdem noch, mit beson­ders absur­den Urtei­len aufzu­fallen. So zum Beispiel am vergang­enen Donners­tag im Verwal­tungs­gericht Frank­furt.
Zur Verhand­lung stand eine Wider­spruchs­klage der Initia­tive gegen Flug­lärm Mainz gegen einen Gebühren­bescheid der Stadt Frank­furt. Die Gebühr sollte für eine "Sonder­nutzung" des öffent­lichen Strassen­raums gezahlt werden, weil in Frank­furt-Sachsen­hausen vier Plakate hingen, die die Initia­tive zwar weder herge­stellt noch aufge­hängt hat, für die es aller­dings eine Druck­vorlage auf einer Kam­pagnen-Web­seite gab, für die sie ver­antwort­lich zeich­nete.

Die Urteils­begründung liegt noch nicht vor, aber die Kern­sätze hat die zustän­dige Richterin schon in ihre Presse­mittei­lung zur Verhand­lung geschrie­ben:

"Das Gericht ist der Auf­fassung, dass im vorlie­genden Fall ein ideelles Inter­esse der Flug­lärm­initi­ative Mainz e.V. an der Auf­hängung der Plakate gerade auch im Frank­furter Stadt­raum bestehe. Durch die Herstel­lung des Textes des Plakats und die Zur­ver­fügung­stellung der DIN A1-PDF-Datei auf ihrer Website zum Druck/Down­load habe es die Klägerin auch veran­lasst, dass solche Plakate gedruckt und in Druck­auftrag gege­ben werden, um ihr ideel­les und gesell­schafts­politi­sches Anliegen zu ver­breiten und Mit­bürger auf diese Kampagne aufmerk­sam zu machen."
...
"Die Benut­zung des Straßen­körpers durch das An­bringen der Plakate falle in die Sphäre der Flug­lärm­initia­tive, weil diese die text­liche Gestal­tung des Plakats und das Druck­format in DIN A1 auf ihrer Inter­net­seite an eine unbe­schränkte Anzahl von Per­sonen zum Down­load zur Verfü­gung gestellt habe. Ob es weiterer Zwischen­schritte, wie die Druck­erstel­lung und Ferti­gung der Hohl­kammer­plakate bedürfe, um die Plakate in der Größe aufzu­hängen, sei für die Anfor­derung der Sonder­nutzungs­gebühr unerheb­lich."

Ein ausführ­licher Kommen­tar zu diesem Skan­dal-Urteil findet sich auf der Web­seite des Bünd­nisses der Bürger­initia­tiven. Man kann es aber nicht deutlich genug hervor­heben: nach Auf­fassung dieses Gerichts muss man gar­keine Plakate her­stellen und auf­hängen, um für eine "uner­laubte Sonder­nutzung" des "öffent­lichen Strassen­raums" verant­wort­lich zu sein. Es soll genügen, die Inhalte bereit­zustellen und ein Inter­esse daran zu haben, dass sie ver­breitet werden!

Die Absur­dität dieser Begrün­dung wird auch daran deut­lich, dass es auf den Plakaten keines­wegs um ein spezi­fisches Anliegen der Mainzer Initia­tive ging. Gegen­stand war die Auf­forde­rung, Kurz­strecken­flüge zu vermeiden - ein An­liegen, das nicht nur von den anderen BIs geteilt wird, sondern auch von Organi­satio­nen und Insti­tutionen bis hin zum Umwelt­bundes­amt vertreten wird. Ein solches Plakat mit Wahl­plakaten von Par­teien oder Werbe­plakaten von Unter­nehmen zu ver­gleichen, wie das in der o.a. Presse­mittei­lung eben­falls geschieht, ist keine 'recht­liche Inter­preta­tion', es ist pure Willkür.
Und für IT-tech­nisch weniger Ver­sierte sei noch erwähnt, dass die Tatsache, dass die PDF-Datei auf DIN A1 forma­tiert war, besten­falls für die Dar­stellungs­qualität eine Rolle spielt. Grund­sätz­lich kann jeder Inhalt, der sich herunter­laden lässt, auch auf ein Plakat gebracht und damit miss­braucht werden.

Dass die Presse über dieses Urteil über­wiegend gar­nicht oder wie die FR nur ganz neutral berich­tet, wird der Bedeu­tung solcher Urteile nicht gerecht. Sie sind Bestand­teil der viel­fältigen Ver­suche, von uner­wünsch­tem politi­schem Engage­ment abzu­schrecken. Zwar wird die jetzt verhängte Straf­gebühr von 155 Euro die Mainzer Initia­tive nicht finan­ziell ruinieren, aber die Drohung hängt natür­lich im Raum, dass Miss­brauch von bereit­gestell­ten Inhalten zu finan­ziellen Belas­tungen führen kann, die durchaus existenz­bedrohend werden können.
Wegen dieser grund­sätz­lichen Bedeu­tung wäre zu wünschen, dass die Mainzer Initia­tive weiter gegen diesen Straf­bescheid vorgeht. Die Presse­mittei­lung sagt dazu: "Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulas­sung der Berufung an den Hessi­schen Ver­waltungs­gerichts­hof in Kassel möglich". Das ist zwar erstmal keine ermuti­gende Perspek­tive, denn wie der HessVGH zu Anliegen auf Lärm- und Klima­schutz steht, ist bekannt, und er hat es gerade erst wieder mit Urteilen zu Schall­schutz bewiesen. Ein anderes Urteil wäre wohl. wenn über­haupt, erst vor dem Bundes­verwal­tungs­gericht möglich. Dorthin zu gelangen, braucht aber neben einem langen Atem auch entspre­chend viel Geld - womit die Ab­schreckung auch wieder finan­ziell funktio­niert.




Karte NOx-Belastung

Hot Spots der Stickoxid-Belastung: Rhein-Main noch vor Stuttgart.
(Die Karte ist von 2015, aber es hat sich seither wenig geändert.)

20.01.2018

Mal eine gute Nachricht - aber leider nur die halbe Wahrheit

Das für die Luft­qualitäts-Über­wachung in Hessen zuständige Landes­amt hat Positives zu vermelden: in einer Presse­mittei­lung teilt das HLNUG mit, dass 2017 nur noch an "sechs von elf verkehrs­bezogenen Luft­mess­stationen in Hessen ... der Grenz­wert von 40 µg/m3 für den NO2-Jahres­mittel­wert über­schritten" wurde, 2016 waren es noch neun gewesen. Es gibt also einen Trend zur Besse­rung, aller­dings stellt das Amt gleich selbst fest, dass es im Lauf der weite­ren Auswer­tungen "noch weitere Über­schrei­tungen geben" kann und "sich die NO2-Jahres­mittel­werte in Hessen auch weiter­hin auf einem ver­gleichs­weise hohen Niveau" bewegen.

Einige weitere Einschrän­kungen wären noch zu erwähnen. So liegen die drei Stationen, die sich verbes­sert haben, in Fulda, Kassel und Marburg und messen lokale Ver­kehrs-Brenn­punkte; im Rhein-Main-Gebiet, wo flächen­deckend eine hohe Belas­tung herrscht, gab es eine solche Verbes­serung nicht. Auch wird an vielen Stellen, an denen Grenz­wert-Über­schrei­tungen zu erwarten sind, gar­nicht gemessen, weswegen jetzt auf Initi­ative des Umwelt­verbandes DUH temporär viele unab­hängige Meß­statio­nen einge­richtet werden sollen.
Aber auch nach den offi­ziellen Werten schneidet Deutsch­land im europä­ischen Vergleich insge­samt schlecht ab. Seit Jahren werden die Immis­sions-Grenz­werte und die zuläs­sigen Emissions­mengen über­schritten, weshalb die noch amtie­rende Umwelt­minis­terin Ende Januar in Brüssel erklären soll, was Deutsch­land zu tun gedenkt, um die verein­barten Werte endlich einzu­halten.

Und vor allem: zwischen "Grenz­wert einge­halten" und "Problem gelöst" liegen in diesem Fall Welten. Das Umwelt­bundes­amt (auch ein Amt, das vorsichtig formu­lieren muss, um seine poli­tischen Chefs nicht zu sehr zu ver­ärgern) kommt in einem aktuellen Hinter­grund­papier zu den geltenden NO2-Grenz­werten nicht umhin, WHO-Unter­suchungen zu zitieren, wonach "gesund­heits­rele­vante Wirkungen von NO2 ab einer lang­fristigen durch­schnitt­lichen Exposition von 20 µg/m3 kalkuliert werden müssen", also bei Konzen­tra­tionen, die nur halb so hoch sind wie der geltende Grenz­wert.
Welche gesund­heit­lichen Wirkungen das sind, kann man in einer aktuellen Kurz­expertise für Green­peace nach­lesen: mit unter­schied­lichen Wahr­schein­lich­keiten kommt es zu höherer Sterb­lichkeit, Lungen­krebs, Beein­trächti­gung des Lungen­wachs­tums bei Kindern, Probleme der Atemwege, u.a. Asthma, even­tuell auch zu Herz­infarkte, Hirnschlag, Blut­hochdruck, Herz­rhythmus­störungen und Dia­betes. Auch hier wird aber darauf hinge­wiesen, dass viele Studien nicht exakt zwischen der Wirkung von NO2 und der Wirkung anderer Verkehrs­abgase unter­scheiden können und damit formal keinen Beleg für eine Absen­kung der Grenz­werte liefern.
Grund­sätz­lich gilt aber, was ein anderes Hinter­grund-Papier zur Grenz­wert-Fest­legung zu sagen hat:

"Verrin­gerung der NO2-Belastung" ist als politi­sches Ziel inzwi­schen durchaus akzep­tiert. Aber wie schon früher darge­stellt, trägt im Rhein-Main-Gebiet nicht nur Diesel, sondern auch Kerosin erheb­lich zu dieser Belas­tung bei - mit dem Unter­schied, dass bei Diesel das Problem zumindest öffent­lich disku­tiert wird, während der Beitrag des Luft­verkehrs entweder ver­schwiegen oder herunter­gespielt wird. Der Grund ist einfach: bei Diesel kann man auf die Wirkung tech­nischer Verbes­serungen hoffen, im Notfall auch ganz auf diese Techno­logie verzich­ten; beim Flug­verkehr helfen nur tatsäch­liche Beschrän­kungen. Die aber sollen weiter­hin ein Tabu bleiben.
Bis das HLNUG da mal eine wirklich gute Nach­richt ver­öffent­lichen kann, muss also noch sehr viel passieren.




Wachstum 2017

19.01.2018

2017 war ein Rekordjahr - wird 2018 wieder eins ?

Wie üblich, trudeln zum Beginn des neuen Jahres die Bilanzen des alten ein, und die Rekorde purzeln nur so. So wurden die Deutschen immer reicher (nicht gemerkt? Selber schuld!), der VW-Konzern (war da was?) meldet neue Absatz­rekorde und bleibt der welt­grösste Auto­bauer, und auch der Luft­verkehr boomt wie selten. Die inter­natio­nale Zivil­luft­fahrt-Organi­sation ICAO meldet einen welt­weiten Passa­gier-Re­kord, fast alle deutschen Flug­häfen wachsen stark, und auch Fraport meldet Rekorde.

Es gab aber auch Rekorde anderer Art: 2017 war das wärmste Jahr für den globalen Ozean und das wärmste Nicht-El-Nino-Jahr ins­gesamt, und die durch extreme Wetter­ereig­nisse bedingten Schäden haben ebenfalls neue Höchst­werte erreicht.
Beide Entwick­lungen hängen zusammen, und daher verwun­dert es nicht, dass auch die Prog­nosen für beide Bereiche besagen, dass auch 2018 wiede­rum ein Rekord­jahr werden könnte.

Zwar haben wir die Erfah­rung gemacht, dass den Prog­nosen der Luft­verkehrs­wirt­schaft nicht unbe­dingt zu trauen ist, aber zumin­dest für die nächste Zeit sieht es so aus, als wäre weiteres Wachs­tum zu befürch­ten. Die Prog­nose, dass sie ihre propa­gierten Klima­ziele verfeh­len werden, ist aller­dings ziem­lich zuver­lässig.
Auf der anderen Seite gibt es wenig Anzeichen dafür, dass Maß­nahmen zur Ein­däm­mung des Klima­wandels schnell umge­setzt würden. Insbe­sondere der ehe­malige Vor­reiter Deutsch­land blockiert: die kommende GroKo will die Klima­ziele 2020 auf­geben (immer­hin an denen für 2050 fest­halten, aber dann ist auch Frau Merkel wohl nicht mehr Kanz­lerin), die 'deutsche Indus­trie' warnt vor über­ambitio­niertem Klima­schutz und Daimler-Chef Zetsche erklärt mal so neben­bei, dass Mercedes die EU-Grenz­werte für die CO2-Emis­sionen nicht ein­halten wird (weil sie mög­lichst viele SUVs verkaufen wollen).

Sehr wahrscheinlich werden sich die Trends des letzten Jahres also zunächst weiter fortsetzen. Wie lange das so gehen kann, ist schwer zu sagen. Eins ist jedenfalls klar: viel mehr Rekorde dieser Art kann sich die Menschheit nicht mehr leisten. Die letzte Erfolgsmeldung in diesem Höher-Schneller-Weiter-Rennen könnte nämlich lauten:

Gestern standen wir noch am Abgrund - heute sind wir einen Schritt weiter ...




Karte BI-Stand

Das ist der Wanderweg für Sonntag: man kommt von Norden oder Süden zum Ziel.
(Für Umgebungskarte Grafik anklicken.)

04.01.2018

Ein Zeichen des Widerstands

Für den kommenden Sonntag möchten die BIs aus Mörfel­den-Wall­dorf und Trebur ein solches Zeichen setzen: sie laden ein zu einem Treffen im Treburer Ober­wald, der am Montag darauf an die Fraport über­eignet wird, damit diese recht­zeitig alles für die noch vor März anste­hende Rodung vorbe­reiten kann. Der Wort­laut der Einla­dung findet sich auf der Seite des Bündnis der Bürger­initia­tiven unter Aktuelles (mit Datum 30.12.2017), die Details des Ablaufs unter Termine.

Die Hinter­gründe dieser Aktion hatten wir schon Ende letzten Jahres erläutert. Inzwischen hat Fraport der Frank­furter Rund­schau bestätigt, dass sie die Fläche am Montag für "ökolo­gische Vorab-Be­stands­auf­nahmen" über­nehmen werden (man will ja wissen, was man kaputt machen darf), behält den vorge­sehenen Rodungs­termin aber noch für sich. Wahr­schein­lich ist aber, dass sie spätes­tens im Februar erfolgen soll, da in der Regel ein gewisses Maß an Natur­schutz dadurch vorge­täuscht werden soll, dass die sog. 'Brut- und Setz-Zeit' von März bis September, in der der über­wiegende Teil der Jung­tiere aufwächst, von solchen 'Störungen' freige­halten wird.

Mehr als ein erstes Zeichen wird die Aktion nicht sein: man trifft sich am Rande des vorge­sehenen Rodungs­gebietes, es wird ein paar Erläute­rungen dazu geben, was Fraport vorhat und was das ins­gesamt für die Region bedeutet, und wenn wir Glück haben, werden wir hinterher fest­stellen können, dass es doch noch einige Menschen gibt, denen das nicht egal ist.
An spekta­kuläre Aktionen früherer Zeiten, wie den Bau von Hütten­dörfern, die Beset­zung von Bäumen und Bau­stellen etc. ist derzeit nicht zu denken (auch wenn Robin Wood die Aktion unterstützt). Trotzdem ist es wichtig, gerade hier Flagge zu zeigen. Für die­jenigen, denen der Wider­stand gegen das weitere Wachstum des Flug­verkehrs aus Gründen des Gesund­heits-, Umwelt- und/oder Klima­schutz wichtig ist, ist es eine Gelegen­heit, deut­lich zu machen, worum es tat­säch­lich geht. Ziel des Wider­stands kann nicht sein, die eine oder andere Bahn zu schliessen oder Lärm und Schad­stoff-Belas­tung sonst­wie hin und her zu schieben. Das Wachs­tum des Luft­verkehrs selbst und alle Maß­nahmen, die dieses Wachs­tum beför­dern sollen, stehen im Kern der Aus­ein­ander­setzung - und das wird an den Bau­stellen des Flug­hafen-Aus­baus deut­licher als anderswo.

Ein erstes positives Signal für die Aktion gibt es auch schon: die Wetter­vorher­sage ist für Sonn­tag Mittag nicht ganz so mies wie für den Rest der Woche.


Update 08.01.2018:

Kuchenstand

Der Kuchenstand war gut bestückt,
aber es gab noch viel Wichtigeres ...

Karte Rodung, klein

... unter anderem die Info: auch hier soll Wald fallen, fast 10 ha.
(Für Umgebungskarte Grafik anklicken.)

Die Rahmen­beding­ungen waren tat­säch­lich nicht schlecht: kein Regen, sondern nur kalter Wind und durch­geweich­te Böden. Der Rest lief besser als erwar­tet: 150 Menschen kamen in das ab­ge­le­gene Wald­stück, um zu pro­tes­tie­ren, darunter sogar ein paar, die sich eine Platt­form in einen Baum gebaut haben und dort eine Weile bleiben wollen!

Auch Infor­matio­nen gab es: Petra Schimdt von der BI Mör­fel­den-Wall­dorf hielt eine her­vor­ragen­de Rede, die die Zusam­men­hänge zwischen der ge­plan­ten Ro­dung, den Belas­tungen in der Region und den globa­len Trends the­mati­sierte und dabei präg­nant die wich­tig­sten Punkte benannte.
Darunter war auch eine In­forma­tion über eine drohende weitere Rodung in der Region: zwischen Mönch­hof-Drei­eck und Start­bahn West sollen wei­tere knapp 10 ha, diesmal sogar aktu­eller Bann­wald, für die Gewin­nung von Sand und Kies fallen.

Weitere Details zu Ablauf und Hinter­gründen finden sich auf der BBI-Web­seite sowie im Blog von Robin Wood. Auch die lokale Presse, zumin­dest die Frank­furter Rund­schau, die Frankfurter Neue Presse und Echo Online, berich­ten über die Aktion.

Update 09.01.2018:

Und weils so schön war, und vor allem, weil es noch mehr dazu zu sagen gibt, haben wir auch noch eine Extra-Seite zu der Aktion zusammen gestellt.

Update 14.01.2018:

Zur Unterstützung der Baumbesetzer*innen hatte Robin Wood für Sonntag, den 14.01., zu einem Schnupperklettern eingeladen, und ab 14:00 Uhr gabs den zweiten Kuchenstand bei den besetzten Bäumen. Die Hessenschau zeigt ein kurzes Video dazu.




BIFR-Logo 2018

01.01.2018

Was 2018 bringen wird

Auch ohne Glaskugel lässt sich einiges von dem, was uns im kommenden Jahr erwarten wird, vorher­sagen, und über anderes kann man zumindest begründet speku­lieren.

Den weiteren Ausbau wird Fraport auch in diesem Jahr forcieren, wobei die Rodung des Treburer Ober­waldes wohl der nächste wichtige Schritt sein wird. Die juris­tischen Aus­einander­setzungen um den Bau von Terminal 3 werden uns das Jahr über auch noch beschäf­tigen, aber ernst­hafte Hinder­nisse sind für Fraport nicht zu erwarten. Minister Al-Wazir hat bereits mit­teilen lassen, dass er sich aus der Ange­legen­heit heraus­halten und die Stadt Frank­furt ent­scheiden lassen will. Dort wird der zustän­dige SPD-Dezer­nent Josef, ebenso wie sein grüner Vor­gänger Cunitz, bedau­ernd fest­stellen, dass er den Fraport-Antrag selbst dann nicht ablehnen könnte, wenn er wollte - aber sehr wahr­schein­lich will er garnicht.

Beim Thema Lärm ist relativ klar, dass er weiter­hin nicht abnehmen, sondern im Gegen­teil u.U. deut­lich zunehmen wird. Die im letzten Jahr prognos­tizierten Trends sind weit­gehend Realität geworden und gelten weiter, und auch wenn die letzte Prognose ein eher moderates Wachs­tum der Flug­bewe­gungen in Deutsch­land von 1% voraussagt, kann der Anteil auf FRA durchaus höher ausfallen. Dabei ist insbe­sondere eine weitere Steige­rung der Zahl der Bewe­gungen in den sog. 'Nacht­rand­stunden' zu befürchten, während die Diskus­sionen um den recht­lichen Schutz der Nacht­ruhe sich wohl mehr auf die Vertei­digung der beste­henden Rege­lungen als auf die Einfüh­rung eines tat­säch­lichen Nacht­flug­verbots von 22 - 6 Uhr konzen­trieren werden.
Auch die Plan-Werke des Landes Hessen werden erfahrungs­gemäß nichts dazu beitragen, dass es leiser wird, der Landes­entwick­lungs­plan bringt im Gegenteil eher eine Ver­schlech­terung.
Bei den anstehenden Entschei­dungen zur Südum­fliegung muss man hoffen, dass Lärm­schutz-Aspekte eine hinrei­chende Rolle spielen und der Raun­heimer Südosten vor 'Lösungen' bewahrt bleibt, die dort noch mehr Start­lärm bringen als bisher schon.
Bei alldem ist es nur ein schwacher Trost, dass die Förderung für Schall­schutz-Maß­nahmen nach dem Regional­fonds­gesetz nun noch bis Ende 2021 beantragt werden kann.

Mehr Flug­bewe­gungen bedeuten natür­lich auch mehr Schad­stoffe, und hier wird es erst einmal weiter darum gehen, Klarheit zu schaffen, was genau passiert, insbe­sondere, wieviel Ultra­fein­staub der Flug­verkehr in unsere Atemluft pustet. Von offi­zieller Seite sind dazu für dieses Jahr (wahr­schein­lich eher gegen Ende) zwei Ergeb­nisse ange­kündigt: zum einen soll die Raun­heimer Meß­station erste Aussagen über die Grössen­verteilung der gemessenen Stäube machen, was (viel­leicht, viel­leicht) einen Hinweis darauf geben könnte, welcher Anteil davon aus den Flug­zeug­trieb­werken kommt. Auch die zweite HLNUG-Station in Schwan­heim könnte erste Ergeb­nisse liefern, die etwas über die Vertei­lung in der Region um den Flug­hafen aussagen könnten, und vielleicht gehen auch noch weitere Stationen, z.B. in Frankfurt, in Betrieb. Ob und wann aber die wirklich wichtigen Auswer­tungen dieser Daten gemacht werden, ist nach wie vor offen.
Zum anderen sollten Resultate aus dem erst groß angekün­digten, aber dann in der Versen­kung verschwun­denen UBA-Projekt vorliegen, aber auch da darf man keine großen Erwar­tungen hegen - die Konzep­tion war von Anfang an fehler­haft, und es gibt bisher keine Indizien dafür, dass sie zwischen­durch etwas gelernt hätten.
Wenn wir wollen, dass es nicht in diesem Tempo weitergeht, sondern wirk­lich etwas passiert, werden wir einiges tun müssen. Wichtig ist einer­seits, besser zu infor­mieren über das, was schon bekannt ist, und anderer­seits auch stärker darauf zu drängen, das, was noch nicht bekannt ist, endlich vernünftig zu unter­suchen.

Neben den lokalen Problemen sollte man aber auch die globalen Entwick­lungen im Auge haben, denn die bestimmen die Trends, die letzt­endlich auch entschei­den, was lokal passiert.
So ist der sich beschleu­nigende Klima­wandel wahr­schein­lich der entschei­dende begren­zende Faktor für das weitere Wachstum des Luft­verkehrs. Damit das aber recht­zeitig politisch wirksam wird, müssen die Ver­schleierungs­manöver der staatlichen und privaten Luft­fahrt-Lobby­isten auch immer wieder ange­prangert werden.
Das gilt genauso für die neo­liberale Frei­handels-Poli­tik, die sich sowohl in der Konso­lidie­rung im Luft­verkehrs­markt mit damit verbun­denem Sozial­abbau bei den Beschäf­tigten als auch bei der als Abbau nicht-tari­färer Handels­hemm­nisse getarnten Demontage bestehender Umwelt- und Arbeits­schutz-Bestim­mungen durch neue Frei­handels­abkommen und einen Investi­tions-Schieds­gerichts­hof, der eine Sonder­gerichts­barkeit für Groß­konzerne institu­tionali­sieren soll.

Und zu all diesen vorher­sehbaren Themen kommen noch die, die uns im kommenden Jahr mehr oder weniger über­raschen werden. Grund genug, aktiv zu werden - oder zu ver­zweifeln ? Das muss wohl jede/r für sich entscheiden. Die Aus­einander­setzungen werden schwierig, aber sie sind nicht völlig aus­sichts­los, und wir halten es da mit einem deutschen Klassiker:

Beiträge aus der zweiten Jahreshälfte finden sich hier.
Beiträge aus anderen Jahren befinden sich im Archiv.


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