Hier sind alle Beiträge zu aktuellen Themen aus der zweiten Hälfte des Jahres 2017 gesammelt.
Die Beiträge aus der ersten Jahreshälfte finden sich
hier.
An diesen Beiträgen werden keine Veränderungen mehr vorgenommen, auch Links werden nicht mehr aktualisiert.
Beiträge aus anderen Jahren befinden sich im Archiv.
Auch ohne exakte Analyse der vorgeschlagenen Standards kann man sagen:
das wäre ein realistisches Logo für ICAOs 'Kompensationsmechanismus'.
(Übersetzt: 'CORSIA heuchelnd, fliegen wir Dich in eine nie dagewesene Zukunft')
25.12.2017
ICAO erhöht den Zeitdruck für die Umsetzung ihrer sog. Klimaschutz-Maßnahmen weiter. Die vom ICAO-Rat
wie berichtet im Geheimen ausgehandelten Standards für den geplanten Kompensationsmechanismus CORSIA wurden in Form eines 128seitigen Papiers am 5. Dezember an die Mitgliedsstaaten versandt, alle Anmerkungen, Einwände, Änderungswünsche sollen bis zum 5. März 2018 im ICAO-Büro in Montreal vorliegen. Eine solche 3-Monats-Frist ist schon für interne staatliche Entscheidungsprozesse extrem kurz, eine fundierte Diskussion unter Einbeziehung aller 'beteiligten Kreise' ist so unmöglich.
Dazu kommt, dass ICAO gemäß dem weiteren
Umsetzungs-Plan für CORSIA bereits im April/Mai 2018 mit den regionalen Trainings- und 'Capacity Building'-Maßnahmen beginnen will, die den Beteiligten erklären sollen, wie die Standards in die Praxis umzusetzen sind - Veränderungen sind also nicht mehr vorgesehen.
In Europa kümmert sich die European Civil Aviation Conference
ECAC, eine Organisation aller europäischer Staaten ausser Russland und Weissrussland, um die Koordination der Umsetzung dieser Maßnahmen. Sie gehört weder zur ICAO noch zur EU, arbeitet aber mit beiden sehr eng zusammen und
unterstützt CORSIA in vollem Umfang.
Um dessen Einführung zu fördern, hat sie sich gerade neue Strukturen im Umweltsektor gegeben, darunter ein Umweltforum, in dem auch NGOs als Beobachter an den Diskussionen beteiligt werden. Das hat am 17./18. Dezember zum ersten Mal getagt, unterliegt aber auch den Vertraulichkeits-Regeln des ICAO-Umweltausschuss CAEP, so dass auch von dort keine Detail-Informationen verbreitet werden dürfen.
Zwar haben die dort beteiligten NGOs beantragt, diese Regeln aufzuheben und nach den Prinzipien zu arbeiten, die in der EU gelten, ob es aber eine Chance gibt, das durchzusetzen, ist zweifelhaft. Die wirklich wichtigen Diskussionen laufen aber wohl sowieso in der zweiten ECAC-Arbeitsgruppe, der European Aviation and Environment Group EAEG, in der die europäischen CAEP-Mitglieder, die europäischen Institutionen EASA und EUROCONTROL und europäische 'Experten' (woher wohl?) unter sich sind. Dieser exklusive Klub hat bereits am 6./7. Dezember getagt und sicher alles Notwendige auf den Weg gebracht.
Aber auch die Rolle dieser Gremien ist letztendlich recht beschränkt, denn die wirklich wichtigen Entscheidungen behält sich weiterhin der völlig intransparente
ICAO-Rat vor. Das jetzt zur Diskussion gestellte Dokument enthält zwar eine Vielzahl von Detail-Regelungen über die Abläufe in und um CORSIA, aber gleich im ersten Kapitel auch eine Tabelle von 14 Dokumenten, auf die im Text Bezug genommen wird und die die entscheidenden Kriterien und Regelungen enthalten. Diese Dokumente "sind vom ICAO-Rat gebilligt" und "dürfen nur vom Rat verändert werden". Wann die Öffentlichkeit die mal zu sehen bekommt, ist unklar.
Zwar ist Deutschland in allen wichtigen ICAO-Gremien einschliesslich dem Rat vertreten, aber das zuständige Umweltministerium spielt das Geheimhaltungsspiel mit. Es gibt auf den BMUB-Seiten, versteckt und verstreut unter der Überschrift
Carbon Mechanisms, etliche Beiträge zu CORSIA, darunter auch einen Bericht über einen
Workshop Ende Juni 2017 in Berlin, dem viele interessante Vortragsfolien angefügt sind. Daraus kann man z.B. lernen, dass die DLR aufgrund ihrer Forschungen den Beitrag der Zivilluftfahrt an der menschengemachten globalen Erwärmung
aktuell auf etwa 5% schätzt, und dass dieser Beitrag auch dann weiter wächst, wenn die Luftfahrt tatsächlich "CO2-neutral" wachsen würde. Auch kann man nachlesen, welche Anforderungen die EU an die
Offset-Kriterien von CORSIA stellen möchte. Über die Vorgänge in den ICAO-Gremien, z.B. inwieweit solche Positionen da eine Chance haben und wer ggf. blockiert, erfährt man auf diesen Seiten allerdings kein Wort.
Das ICAO-Papier räumt auch noch mit einem weiteren Missverständnis auf: bisher sah es in der öffentlichen Darstellung immer so aus, als seien das Kompensations-Instrument CORSIA und der
Einsatz sog. Alternativer Treibstoffe zwei getrennte Maßnahmen aus dem
ICAO-Körbchen. Nunmehr ist klar, dass der Einsatz dieser Treibstoffe als 'Kompensation' im Rahmen von CORSIA gewertet werden kann, also alle (tatsächlichen oder behaupteten) CO2-Einsparungen durch den Einsatz dieser Treibstoffe direkt zu einer Reduzierung der zu 'kompensierenden' Menge an Emissionen führen. Schwache Kriterien für die Nachhaltigkeit dieser Treibstoffe führen also unmittelbar auch zu einer weiteren Schwächung des 'Kompensations-Mechanismus'.
Dazu kann man nur einmal mehr feststellen: man kann Menschen mit solchen Tricks betrügen, nicht aber das Klima. Das verändert sich umso mehr, je mehr Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, unabhängig davon, wie sie deklariert werden.
Dass es auch mit den anderen Maßnahmen, die ICAO propagiert, insbesondere mit den Programmen zur Steigerung der Treibstoff-Effizienz, nicht so recht voran geht, zeigen aktuelle Untersuchungen von atmosfair und dem ICCT. Die Presseerklärung von atmosfair fasst die Ergebnisse plakativ zusammen:
Viel zu viel rot: Auf diesen Flächen soll der Wald fallen.
20.12.2017
Allen Sonntagsreden über die Notwendigkeit des Schutzes der letzten Waldgebiete im waldarmen Ballungsgebiet Rhein-Main zum Trotz wird auch hier weiter gefällt. Vor einigen Wochen begann die Firma Sehring am Langener Waldsee mit der Rodung der neuen Kiesabbaufläche, die das Regierungspräsidium Darmstadt großzügig genehmigt hat, obwohl Sehring die Auflagen zur Rekultivierung früherer Rodungsflächen nicht erfüllt, und deren Sofortvollzug vom VGH Kassel genehmigt wurde, obwohl nach wie vor nicht alle Umweltaspekte geprüft sind und weitere Klagen anstehen. Die unsägliche Geschichte dieser Auseinandersetzung kann man in den Presseerklärungen des BUND Hessen nachlesen, der die Gerichtsverfahren angestrengt hat. 7,5 von fast 64 Hektar Bannwald sind bereits gerodet, der Rest soll in der nächsten Zeit verschwinden.
Die nächsten 6 Hektar werden aber wohl ein Stück weiter nordwestlich fallen. Dort hat das gleiche Regierungspräsidium angekündigt, dem Antrag der Fraport auf vorzeitige Besitzeinweisung an dem Waldstück, das für den Autobahnzubringer zu Terminal 3 gebraucht wird, zuzustimmen, wenn die Gemeinde Trebur als derzeitiger Waldbesitzer bis dahin nicht verkauft. Die Konditionen für den Verkauf der Rodungsfläche und einiger anderer Flächen, die für sog. 'Kompensationsmaßnahmen' genutzt werden sollen, sind
in Trebur noch umstritten, obwohl die rechte Mehrheit in der Gemeindeverwaltung einschliesslich des CDU-Bürgermeisters den Verkauf generell befürwortet.
So oder so wird Fraport aber zum 8. Januar den Wald in Besitz nehmen, und auch wenn sie über eine befreundete Zeitung
mitteilen lassen, dass die Rodungen nicht unmittelbar danach beginnen sollen, weil erst noch Vorarbeiten notwendig sind, wird es wohl nicht mehr lange dauern. Auf der anderen Seite der Autobahn sind die
notwendigen Vorbereitungen jedenfalls schon durchgeführt, und der Zeitplan für den
Billigflugsteig G, der ja auch über die neue Abfahrt erschlossen werden soll, ist eng. Der Bau des neuen Anschluss soll ca. zwei Jahre dauern, und er wird eigentlich auch schon für den Bauverkehr gebraucht.
Politisch sind noch zwei weitere Aspekte dieser Vorgänge interessant. Zum einen zeigt die Tatsache, dass Trebur nach allgemeiner Erwartung erhebliche finanzielle Einbußen erleidet, wenn es den Wald nicht vorab an Fraport verkauft, sondern nur den Wertausgleich aus dem Enteignungsverfahren bekommt, dass Fraport sich auch hier politisches Wohlverhalten erkaufen möchte. Das steht in der Tradition anderer Schmiergeld-Zahlungen der Fraport, z.B. in
Usbekistan oder dem
Senegal, und es liegt moralisch auf der gleichen Ebene
wie das zusätzliche Abkassieren bei der Cargo City Süd durch
Fraport oder
deren Mitarbeiter - nur wird in diesem Fall kein Staatsanwalt aktiv.
Und zum Zweiten wird klar, dass es keine Rolle spielt, welcher Partei die jeweils zuständigen Politiker*innen angehören. In diesem Fall ist es eine grüne Regierungspräsidentin, die unter Aufsicht einer grünen Umweltministerin die Rodungen durchsetzt. Es wäre aber auch nicht anders, wenn eine andere Partei diese Positionen besetzen würde. Wer unter den gegebenen Machtverhältnissen in so eine Position kommt, hat sich schon so weit angepasst, dass er/sie exekutiert, was vorgegeben wird. Eine andere Politik erreicht man nicht durch Unterwandern der Institutionen, sondern nur durch Änderung der Machtverhältnisse - zuallererst durch mehr Druck von seiten derjenigen, denen die Umwelt wichtiger ist als der Profit.
18.12.2017
Die Sitzungsunterlagen der FLK-Sitzung von letzter Woche enthalten wieder Einiges, was lesenswert erscheint. In ihrer
Pressemitteilung hebt sie insbesondere die jüngsten Verletzungen der Nachtflugbeschränkungen hervor und fordert: "Wir erwarten, dass das Nachtflugverbot konsequent eingehalten wird und Ausnahmeflüge in jedem Einzelfall auf ihre Zulässigkeit hin geprüft werden!"
Die Fluglärmschutzbeauftragte hat zu diesem Thema eine Untersuchung der Nachtflugbewegungen insgesamt (also in der Gesamtnacht von 22 - 6 Uhr) vorgelegt. Daraus kann man lernen, dass alle Arten von Bewegungen in der Nacht gegenüber dem letzten Jahr zugenommen haben, dass die Abflüge abends fast die Hälfte aller solchen Bewegungen ausmachen und die Anflüge morgens über ein Drittel, und noch einiges mehr an Statistik.
Zum Thema
Lärmobergrenze bleibt die FLK bei der Haltung, Al-Wazirs Konstrukt als "ersten wichtigen Schritt" zu begrüssen, kritisiert aber die Aussage des Ministers, damit seien die Ergebnisse der Mediation abgearbeitet, und fordert "eine verbindliche Lärmobergrenze im Interesse der von Fluglärm betroffenen Menschen zu erreichen" und grundsätzlich "alle Möglichkeiten zu nutzen, den Verkehr so lärmarm wie möglich abzuwickeln".
Dazu gibt es dann auch noch einen Beschluss der FLK, zwei Präsentationen des Ministeriums zur Lärmobergrenze selbst und zur
Rolle der FLK in deren Steuerkreis und eine Stellungnahme der Bundesvereinigung gegen Fluglärm.
Der
Bericht der Fraport zum
geplanten Billig-Ausbau enthält nichts Neues. Auch der Lärm-Bericht der Fraport dokumentiert nur die bekannte Misere: trotz eines im laufenden Jahr erstmals wieder recht geringen Anteil der Betriebsrichtung 07 (mit Landungen über Raunheim) führen wir die Lärm-Hitliste weiter an. Tagsüber liegt Raunheim als einzige Kommune fast jeden Monat mit 60 dB(A) Dauerschallpegel an der Spitze, nachts mit um 55 dB(A) ebenso. Lediglich der Juli mit einem extrem niedrigen Anteil von 19% BR07 macht eine Ausnahme, da ist es nachts in einigen Kommunen lauter gewesen.
Wer über Flugbewegungen, Betriebsrichtung, Bahnnutzungen etc. noch mehr wissen will, kann noch einen Blick in den
Statistik-Bericht der Fluglärmschutzbeauftragten werfen, in dem 5 Abbildungen und 30 Tabellen reichlich Material liefern. Und wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich noch 11 weitere Präsentationen zu Swing-over bei BR25, Überflügen über Darmstadt u.a.m. ansehen.
Die FLK hat viel zu tun, und bei aller Kritik an einzelnen ihrer Positionen zeigt sich schon an der Fülle der bereitgestellten Materialien, dass es gut ist, dass es sie gibt. Es liegt im Wesentlichen an den beteiligten Kommunen, sie so gut wie möglich zu nutzen, damit es wirklich leiser wird.
Zu schön, um wahr zu sein:
so sieht der Infoflyer nicht aus, und es ist auch nicht das Ziel.
09.12.2017
Zwei grosse Planwerke sind zur Zeit in Arbeit, beide betreffen auch den Lärm, und von beiden ist leider nicht zu erwarten, dass sie irgend etwas dazu beitragen, dass es rund um den Flughafen ruhiger wird.
Bereits im Sommer hatte die Landesregierung das Volk zu ihrem Entwurf einer Änderung des Landesentwicklungsplanes angehört, und teilt nun überraschend mit, dass eine zweite Anhörung erfolgen soll, weil "die Seite der Lärmbetroffenen einerseits und die Luftverkehrswirtschaft andererseits die geplanten Änderungen im Landesentwicklungsplan jeweils gegensätzlich interpretiert haben". Man ahnt schon an dieser Stelle, wessen Einwände tatsächlich eine Rolle gespielt haben, und die vorgeschlagenen Änderungen belegen es.
So sehen die Änderungen aus:
Im Wesentlichen wurden die Regelungen zu den Nachtflugbeschränkungen also von halbwegs verbindlichen Zielen der Landesplanung zu unverbindlichen Grundsätzen heruntergestuft, dafür dann aber die Differenzierung zwischen der 'Kernnacht', in der Ruhe wünschenswert ist, und den 'Randstunden', in denen gelärmt werden darf (wenn auch etwas weniger als am Tag), festgeschrieben. Der Unsinn, wonach diese Regelungen "für den Flughafen" anstelle der Bevölkerung von Bedeutung sein sollen, steht weiterhin drin.
Wenn man ganz kritisch sein wollte, könnte man aus den Formulierungen auch noch eine Verstärkung der Beschränkung des alten Grundsatzes, der sich ohnehin nur "auf Verfahren nach dem Luftverkehrsgesetz" bezog, auf die "Kernstunden der Nacht" herauslesen, die ein Verbot der Anwendung auf die Randstunden impliziert. Bei der Unverbindlichkeit der ganzen Angelegenheit spielt das aber auch keine Rolle mehr.
Sinn macht diese Änderung nur insofern, als dass auch der kleinste Anschein vermieden werden soll, dass ein achtstündiges Nachtflugverbot, wie es ja aktuell aus gesundheitlichen Gründen auch vom Umweltbundesamt, von Ärzteorganisationen und anderen gefordert wird, irgendwie in der Landesplanung eine Rolle spielen könnte.
Tiefer kann man vor der Verkehrslobby nicht mehr in die Knie gehen.
Dass die "Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens" nun "gesichert" statt "gestärkt" werden soll und ebenfalls vom Ziel zum Grundsatz wird, dürfte die Luftverkehrswirtschaft demgegenüber herzlich wenig interessieren. Sie halten sich ohnehin für die Grössten und können derzeit vor Kraft kaum laufen. Man kann höchstens gespannt sein, ob sie schon aus Prinzip trotzdem noch rumnörgeln oder sich mit diesem 99%igen Erfolg ihrer Lobbyarbeit zufrieden geben.
Die Auslegung der Unterlagen erfolgt vom 18. Dezember bis zum 19. Januar, die Planunterlagen sind aber
schon verfügbar. Einwendungen sind bis zum 2. Februar möglich. Wir werden unsere alte Stellungnahme nochmal entsprechend überarbeiten und hoffentlich frühzeitig hier veröffentlichen.
Bereits am 16. November hat das RP Darmstadt mitgeteilt, dass die dritte Runde der alle fünf Jahre fälligen Lärmaktionsplanung Hessen ansteht. Die Öffentlichkeitsbeteiligung läuft vom 20. November bis 31. Januar 2018, offiziell geht es um "den Straßenverkehrslärm sowie zusätzlich in den Ballungsräumen Darmstadt, Frankfurt am Main, Kassel, Offenbach und Wiesbaden den Lärm ausgehend von Eisenbahnen, Stadtbahnen und Straßenbahnen sowie von Industrieanlagen".
Der Lärmaktionsplan Flughafen, obwohl inzwischen auch schon fünf Jahre alt, ist nicht aufgerufen. Warum das so ist, war noch nicht herauszufinden. Das RP sagt allerdings ausdrücklich, jede/r könne "durch das Verfassen eines Textes auf Orte hinweisen, an denen Sie gerne schädliche Lärmauswirkungen verhindern oder mindern möchten. Sie können auch das Lärmproblem beschreiben sowie Vorschläge zu geeigneten Maßnahmen zur Lärmminderung unterbreiten". Wir glauben, der Flughafen ist so ein Ort, und werden auch hier unsere alte Stellungnahme aktualisieren, um Vorschläge zu unterbreiten.
Natürlich kann man nicht erwarten, dass diese Stellungnahmen bei den Behörden irgend etwas bewirken, im zweiten Fall wird sie wohl schon aus formalen Gründen garnicht erst behandelt werden. Sinn macht es nur, um deutlich zu machen, dass Fluglärm nach wie vor ein Problem ist, das die Bevölkerung betrifft, und wenn man es geschickt macht, kommen die aufgestellten Analysen und Forderungen auch in die öffentliche Diskussion. Damit wäre dann ja schon etwas erreicht.
25.11.2017
Die Initiative "Zukunft Rhein-Main" hat ein juristisches Gutachten zum Plan der Fraport vorgelegt, am im Bau befindlichen Terminal 3 einen Flugsteig für Billigflieger vorzuziehen. Zum Ergebnis erklären die Sprecher*innen der Initiative in einer Pressemitteilung: "Der von Fraport beantragte Billigflugsteig ist nicht genehmigungsfähig.".
Für diese Einschätzung führt das Gutachten im Wesentlichen zwei Argumente an. Einerseits sei der planfestgestellte Zweck des Ausbaus eine "Stärkung der Hub-Funktion" des Frankfurter Flughafens, wozu die Point-to-Point-Verkehre der Billigflieger nichts beiträgen, und andererseits sei die Erschliessung dieses Flugsteigs für Passagiere und Gepäck, die im PFB als notwendig formuliert wird, zumindest in den ersten drei Jahren des geplanten Betriebs nicht vorhanden. Beide Argumente klingen zunächst überzeugend, haben aber ihre Tücken.
Der wirtschaftliche Zweck einer langfristig geplanten Maßnahme unterliegt naturgemäß immer gewissen Schwankungen, da sich die Rahmenbedingungen über die Jahre hin ändern können. Gewisse Abweichungen vom in der Planung festgelegten Zweck müssen daher zulässig sein (und sind es auch, wie das Gutachten selbst sagt). Es ist also ins Ermessen der genehmigenden Behörde (und später ggf. der Gerichte) gestellt, zu beurteilen, ob die Abweichung hier so weitgehend ist, dass damit eine neue Zweckbestimmung verfolgt wird, die eine Änderung der Planfeststellung erfordert.
Das Gutachten konstruiert ein Beispiel: würde an dem Teilbau gar kein Flugzeug mehr abgefertigt, sondern nur die (darin ebenfalls vorgesehenen) Einzelhandelsgeschäfte betrieben, wäre das eine gravierende Abweichung vom ursprünglichen Zweck. Das soll eigentlich das Argument stärken, tut aber eher das Gegenteil, denn der Zweck "Abfertigung von Passagieren" bleibt beim Fraport-Plan ja gerade erhalten. Und die Billigflieger sind auch nicht völlig neu, sondern waren auch zur Zeit der Plangenehmigung am Flughafen schon aktiv, nur eben in wesentlich geringerer Anzahl. Dass ihr Anteil an den Flugbewegungen nun wesentlich stärker steigen soll als im Plan vorgesehen, ist eine Änderung - ob sie juristisch wesentlich ist, ist eine andere Frage.
Beim Erschliessungs-Erfordernis liegt das Problem ähnlich. Natürlich ist es ein Unterschied, ob die Passagiere, die mit anderen Flugzeugen oder mit der Bahn anreisen, mit einer Hochbahn oder mit Bussen zum Terminal gelangen, und auch, ob das Gepäck durch einen eigenen Tunnel oder mit irgend welchen anderen Transportmitteln auf anderen Wegen dorthin kommt. Fraport steht auf dem Standpunkt, dass hauptsächlich die Funktion gewährleistet sein muss und eine verzögerte Inbetriebnahme der genehmigten Wege keine wesentliche Einschränkung darstellt.
Auch hier ist es also keine klare Verletzung einer juristischen Norm, sondern eine Ermessensfrage - und wie Behörden und Gerichte damit gegenüber der Fraport umgehen, hat die Vergangenheit zur Genüge gezeigt.
Bei einem anderen Aspekt der Erschliessung des neuen Terminals macht Fraport jetzt auch Druck. Um den für den Kfz-Verkehr am Terminal 3 notwendigen
Autobahnanschluss herstellen zu können, fordert sie jetzt die
Enteignung der Gemeinde Trebur. Dabei würde die derzeitige Mehrheit im Treburer Gemeinderat inklusive dem Bürgermeister das benötigte Waldstück ja durchaus verkaufen, sie möchten nur etwas bessere Konditionen herausholen. Aber da lässt Fraport natürlich auch nicht mit sich spaßen, und so gibt es auch da einen juristischen Konflikt, den Trebur aber selbst nach Einschätzung ihres eigenen Anwalts wohl verlieren wird.
Da die Bauzeit für den Anschluss auf zwei Jahre geschätzt wird und er für den Billigflugsteig 2020 fertig sein muss, darf man wohl davon ausgehen, dass noch in diesem Winter gerodet werden soll. Um welche Flächen es da geht, zeigt diese
Grafik.
Der Antrag der Fraport auf "vorzeitige Besitzeinweisung" für den Treburer Oberwald und einige weitere Flächen für sog. 'Ausgleichsmaßnahmen' wird demnächst beim Regierungspräsidium Darmstadt verhandelt, und ZRM hat das Gutachten "mit der Bitte um objektive Wertung dieser Argumente" an den Frankfurter Planungsdezernenten übermittelt, der gerade den Fraport-Bauantrag prüft. In Kürze wird man also erfahren, wie es jeweils weiter geht.
Summa summarum scheinen die Aussichten, den weiteren Ausbau mit juristischen Mitteln zu bremsen, auch hier wieder nicht gut. Auch mit wesentlichen Verzögerungen, die für Fraport echte Schwierigkeiten bringen oder relevante Summen kosten könnten, ist nicht zu rechnen. Wirksam könnte, wie immer, nur der politische Widerstand sein - aber der ist leider derzeit schwach entwickelt.
Eine andere juristische Initiative gegen die Flughafenbetreiber und ihren Ausbauwahn hat gerade (vorläufig?) mit einem Misserfolg geendet. Die Frankfurter Initiative "Stop Fluglärm" hatte von der Landesregierung nach Umweltinformationsgesetz verlangt, Einsicht in die Protokolle des sog. 'Konsortialausschuss' zu bekommen, in dem die Fraport-Anteilseigner Land Hessen und Stadt Frankfurt, die ja zusammen immer noch eine Mehrheit haben, ihre Flughafen-Politik abstimmen und damit (sollte man meinen) die Entwicklung des Flughafens bestimmen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat die Klage laut Initiative abgelehnt, weil "die im Aktiengesetz verankerte Vertraulichkeit und Verschwiegenheit auch für den Konsortialausschuss Gültigkeit besitzt" und "das Aktiengesetz einen höheren Stellenwert besitzt als das Informationsrecht der Öffentlichkeit".
Das Gericht hat sich dazu noch nicht öffentlich geäussert, aber der Skandal ist ohnehin ein politischer. Dass Land und Stadt Vertrag und Protokolle geheimhalten und damit ihre Flughafenpolitik der Kontrolle der Öffentlichkeit entziehen, ist durch nichts zu rechtfertigen. Hier geht es nicht um Geschäftsstrategien, die vor Konkurrenten verborgen werden müssten, oder um Transaktionen, deren wirtschaftlicher Erfolg von Geheimhaltung abhängt. Hier geht es um die Handlungen eines mehrheitlich öffentlichen Unternehmens, die direkte soziale und ökologische Wirkungen in der Region und an den ausländischen Standorten (man denke an Griechenland) haben und damit die Lebensbedingungen von Hunderttausenden beeinflussen.
Einzig denkbarer Grund für die umfassende Geheimhaltung ist, dass die primitive Lüge, die Mehrheitseigner hätten keinen Einfluß auf die Entscheidungen der Geschäftsführung, (die immer dann aufgetischt wird, wenn eine neue Schweinerei öffentlich wird), wohl sofort platzen würde, wenn die Protokolle bekannt würden.
Wenn die Urteilsbegründung vorliegt, wird die Initiative entscheiden, ob sie den juristischen Weg weiter gehen will. Nach Lage der Dinge würde es dann aber auch noch mindestens zwei Instanzen brauchen, ehe auch nur die theoretische Möglichkeit besteht, dass ein anderes Urteil zustande kommt.
Je kleiner, desto weiter -
Ultrafeinstaub kann ins Blut übergehen
und bis in Organe und Hirn vordringen.
24.11.2017
Monatelang ist garnichts passiert, aber jetzt gibt es gleich zwei Veranstaltungen, die über Ultrafeinstaub informieren. Am Montag, den 27.11., laden die Stadt Offenbach und die Bürgerinitiative Luftverkehr Offenbach (BIL) ein zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Gesundheitsgefahr durch Ultrafeinstaub in Flugzeugabgasen?“. Referieren werden Wolfgang Schwämmlein und Joachim Alt von AK Feinstaub des BBI und Herr Jacobi vom HLNUG. Die BIL schreibt dazu in ihrer Pressemitteilung: "Die Veranstaltung in Offenbach bietet, auf Basis realer Messungen durch die dafür zuständige Behörde, erstmals die Möglichkeit einer öffentlichen Diskussion."
Gut eine Woche später, am Mittwoch, den 06.12., lädt die Stadt Raunheim ein zu einer
Bürgerversammlung mit dem Titel "Luftschadstoffmessungen in Raunheim". Es steht nicht in der Einladung, aber nach unseren Informationen wird auch hier Herr Jacobi über die Ergebnisse der Messungen an der Station Raunheim berichten, sowohl über Luftschadstoffe allgemein als auch über die seit zwei Jahren laufenden Messungen von Ultrafeinstaub.
Highlight ist hier aber der Vortrag von Herrn Cyrys vom Helmholtz-Institut in München, der über die gesundheitlichen Wirkungen von Ultrafeinstaub berichten wird. Zwar darf man hier nicht mit abschliessenden Aussagen rechnen, aber er wird sicher die
Vielzahl von Hinweisen aus jüngster Zeit auf die Schädlichkeit dieser Schadstoff-Fraktion fundiert bewerten können.
Wenn danach noch Zeit bleibt, werden wir auch von seiten der BI noch einiges dazu sagen können, was der Luftverkehr zu dieser Belastung beiträgt und was hier zu tun wäre. Unsere Forderungen dazu sind leider nach wie vor aktuell.
Bleibt zu hoffen, dass als Ergebnis dieser Veranstaltungen das öffentliche Interesse an dieser Problematik grösser werden wird und sich der Druck auf die einschlägigen Akteure, insbesondere auf Fraport, erhöht, hier tätig zu werden.
Die Bürgerversammlung in Raunheim war aus unserer Sicht eine Enttäuschung. Schon die Beteiligung liess sehr zu wünschen übrig, was einerseits am Termin (Nikolausabend, 18:00 Uhr), andererseits an der Ankündigung gelegen haben mag: die Einladung, die seitens der Stadt an die Presse und 'interessierte Kreise' verschickt und in den Schaukästen ausgehängt wurde, hatte die Attraktivität einer amtlichen Mitteilung. Weder Referenten noch Inhalte, die Interesse hätten wecken können, waren genannt. Versuche, das noch über andere Wege auszugleichen, hatten offensichtlich nur begrenzten Erfolg.
Der Ablauf der Veranstaltung bestätigte nicht nur unsere Befürchtungen, sondern hatte noch weitere Mängel. Von den externen Referaten war das von Frau Rose vom HLNUG das verständlichste. Es beschäftigte sich mit den Standard-Messungen, konnte vermelden, dass in den 40 Jahren, in denen in Raunheim nun schon gemessen wird, ständige Verbesserungen festzustellen sind (als Beispiele dienten Schwefeldioxid und Staub bzw. PM10) und heute (nahezu) alle Grenzwerte eingehalten werden. Konsequenter Weise konzentrierte sich der Reporter des Rüsselsheimer Echo (der auch noch zwischendurch irgendwann verschwand) auf diesen Aspekt und vermittelt so ein ziemlich einseitiges Bild der Veranstaltung.
Die beiden nachfolgenden Referate dürften für die meisten Zuhörer*innen eine Zumutung gewesen sein. Herr Jacobi vom HLNUG berichtete über die Ultrafeinstaub-Messungen in Raunheim. An Ergebnissen hatte er allerdings nur die allgemeinsten, schon über ein Jahr alten Resultate zu bieten, dafür war er von der Technik des neu angeschafften Messinstrument so begeistert, dass er den Messprozess bis in die physikalischen Einzelheiten beschrieb. Damit verfehlte er das Thema ebenso wie Herr Cyrys, Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie am Helmholtz-Institut in München. Ergebnisse der Forschung zu gesundheitlichen Wirkungen von Ultrafeinstaub erwähnte er nur am Rande, dafür widmete er sich ausgiebig der Frage, warum epidemiologische Untersuchungen erstens generell schwierig und zweitens in Bezug auf UFP bisher wenig erfolgreich waren.
Diese beiden Vorträge liessen das Publikum sprachlos zurück, und es hätte des Zeitdrucks wohl garnicht bedurft, der aufgebaut wurde mit dem Hinweis, dass Herr Cyrys zum Zug müsse, um die an dieser Stelle eingeschobene Diskussion kurz zu halten. Inwieweit der dann folgende Kurzbeitrag der BI zum Beitrag des Luftverkehrs zur Schadstoff-Belastung bei den noch Anwesenden ankam, ist schwer zu beurteilen. Der zweite Diskussionsblock, für den nur noch Herr Jacobi zur Verfügung stand, drehte sich im Wesentlichen um von interessierten Teilnehmern vorbereitete Fragen. Immerhin enthält aber der
Bericht der Main-Spitze einige wichtige Aussagen.
Alles in Allem eine verpasste Chance, und man kann nur hoffen, dass die Initiatoren einer zweiten Veranstaltung, die im nächsten Jahr zu diesem Thema stattfinden soll, daraus lernen, wie man es nicht macht.
Die Veranstaltung in Offenbach war besser konzipiert und besucht, aber auch dort kam der Beitrag von Herrn Jacobi
nicht gut an. Die von den BBI-Vertretern vorgetragenen Thesen fanden mehr Zustimmung, führten allerdings bei den Lokalpolitikern auch nur zu der Forderung, dass künftig auch in Offenbach gemessen werden solle.
Dass es nicht reicht, Messwerte zu produzieren, sondern vor allem auch die Möglichkeit und Bereitschaft vorhanden sein muss, sie angemessen auszuwerten, ist anscheinend auch dort noch nicht verstanden.
Noch ein Grinsemann mit jeder Menge Dreck am Stecken: Lufthansa-Chef Spohr.
21.11.2017
Schon im Frühjahr konnte Lufthansa mit guten finanzielle Ergebnissen auftrumpfen, aber der ganz große Coup lief im Herbst ab. Zwar ist die langfristig eingefädelte Übernahme von großen Teilen der Air Berlin noch nicht vollständig abgeschlossen, aber die Signale aus Brüssel deuten darauf hin, dass es keine ernsthaften Hindernisse mehr geben wird.
Damit ist ein weiterer wesentlicher Schritt der angestrebten Konsolidierung auf dem europäischen Luftverkehrsmarkt vollzogen, und Lufthansa festigt ihre Position als einer der wichtigsten Player auf diesem Markt. Dass es dabei nicht zimperlich zugeht, liegt in der Natur der Sache. Indem Lufthansa die Air Berlin-Teile in den unterschiedlichsten Varianten in ihre Töchter und Enkelinnen integriert, stellt sie sicher, dass sie nur die lukrativsten Teile übernehmen kann, und das zu den billigst-möglichen Konditionen. Rund die Hälfte der Air Berlin-Mitarbeiter*innen werden 'freigesetzt' und sind auf staatliche Unterstützung angewiesen, die anderen müssen zum Teil erhebliche Einbußen hinnehmen - zum Teil so drastisch, dass Arbeitsbedingungen und Entlohnung Ryanair Konkurrenz machen können.
Öffentlich kritisiert werden aber weniger diese sozialpolitischen Skandale, sondern die
Preisaufschläge, die Lufthansa auf den Strecken durchsetzt, die von Air Berlin nicht mehr bedient werden. Dafür kann sie aber garnichts, wie ihr oberster Chef
im BILD-Interview erklärt:
Der klimazerstörerische und gesellschaftlich völlig überflüssige Kurzstrecken-Boom ist dabei keine Spezialität der Lufthansa. Auch der zweite Profiteur der Air Berlin Pleite, dem Lufthansa aus kartellrechtlichen Gründen einen kleinen Teil der Beute überlassen musste, bläst ins gleiche Horn: Easyjet möchte
die führende Kurzstrecken-Airline am Berliner Flughafen Tegel werden.
Beide gehen offensichtlich davon aus, dass die Bahn es schon schaffen wird, die Kunden, die sie aktuell auf Grund der gestiegenen Flugticket-Preise insbesondere auf den Berlin-Strecken gewinnt, auch wieder zu vergraulen.
Lufthansa ist mit diesem Deal aber noch lange nicht am Ende. Aktuell ist Spohr gerade in Italien, um zu klären, ob es gelingen kann, die ebenfalls pleite gegangene, staatlich gestützte Alitalia gegen den Widerstand der dortigen Gewerkschaften
zu zerschlagen und sich ebenfalls die besten Teile einzuverleiben.
Auf der anderen Seite lässt er keine Gelegenheit aus, Subventionen und Kostensenkungen einzufordern, damit der Lufthansa-Profit noch höher wird. Speziell für Frankfurt (wo die Slots eigentlich auch "knapp und damit teuer" sind)
verlangt er:
Zwar sollte man solches Vorgehen nicht personalisieren, und andere würden in dieser Position wohl nicht viel anders handeln, aber derzeit ist Herr Spohr ein herausragender Repräsentant brutaler kapitalistischer Profitgier auf Kosten des Gemeinwohls und der sozialen Sicherheit der Arbeitnehmer*innen. Für diese Bilanz bekommt er auch, was er verdient: das Manager-Magazin hat ihn gerade zum Manager des Jahres gekürt. Soviel zur Moral der deutschen Wirtschaftselite.
Die Konkurrenz schätzt den "netten kleinen Extraprofit", den Lufthansa aufgrund der durch höhere Mächte angehobenen Preise kassiert, auf
über 100 Millionen Euro pro Monat. Zum Vergleich: eine Transfergesellschaft, die nahezu allen Air Berlin-Beschäftigten den Gang in die Arbeitslosigkeit (zunächst) hätte ersparen können, hätte
einmalig 50 Millionen € erfordert. Lufthansa hätte 10 Millionen beisteuern sollen - und hat abgelehnt.
Viele der Beschäftigten, die nicht übernommen werden, wehren sich noch und fordern, dass die Übernahmen durch Lufthansa und Easyjet als Betriebsübergänge gewertet werden, die ihre Rechte sichern. Es ist allerdings zu befürchten, dass weder die Justiz noch die herrschende Politik ihnen helfen werden.
So sehen die Träume der Flugzeugbauer aus. Die Aufschruft "Boom" ist dabei
nicht ironisch gemeint - sie haben wirklich einen Knall
18.11.2017
Bereits heute gilt der Luftverkehr als der Sektor, dessen Klima-schädigende Emissionen am Schnellsten wachsen und der am Wenigsten dagegen tut. Und er bemüht sich mächtig, sicherzustellen, dass ihm in den nächsten Jahrzehnten niemand diesen Rang nehmen kann.
Ein deutliches Indiz dafür ist das Wiederaufleben eines Bereiches, der mit dem Absturz der letzten
Concorde auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet schien: die Entwicklung von
Überschall-Flugzeugen für den Passagier-Transport.
Auch wenn der lauteste Propagandist dieser Entwicklung nicht unbedingt seriös daherkommt, weil er schon Verkaufs- und Ticket-Preise kennt, obwohl er noch nicht einmal ein Vormodell in der Luft hat und gerade erst
nach geeigneten Triebwerken sucht, ist der Trend doch eindeutig: nicht nur sind auch NASA, Airbus und andere auf diesem Gebiet engagiert, auch ICAO bereitet bereits
Lärm-Standards für diese Art von Flugzeugen vor.
Aber während die Diskussion über die finanziellen Seiten dieser Projekte zweifelhaft sein mag, gibt es über die Umweltfolgen, trotz teilweise gegenteiliger Behauptungen, weniger Zweifel. Umweltorganisationen
warnen, dass Überschall-Flugzeuge deutlich mehr CO2 und Schadstoffe ausstossen und aufgrund ihrer Flughöhe noch gravierendere Klimaschäden verursachen werden. Zwar hat ICAO für CO2 und einige andere Schadstoffe ebenfalls Standards eingeführt, aber die gelten nicht für neue, wesentlich unterschiedliche Flugzeug-Typen. Und es gibt
genügend Hinweise, dass sich dafür neu zu entwickelnde Standards, wie bisherige auch, daran orientieren werden, was "technisch möglich ist", also das zulassen, was die entwickelte Technologie vorgibt.
Weitere Hindernisse werden gerade aus dem Weg geräumt: die EU ist gerade dabei, sich die Möglichkeit, für Europa strengere Standards einzuführen,
aus der Hand nehmen zu lassen. Und im US-Kongress gibt es Bemühungen, den seit Jahrzehnten geltenden Bann für Überschallflüge über Land
aufzuheben.
Inwieweit es einen Bedarf für solche Flugzeuge gibt, ist unklar, aber die Entwickler setzen auf "die wachsende Zahl der Milliardäre in der Welt" bzw. auf "das 1% des 1% der Superreichen", die sich solche Flugzeuge für ihre Geschäftsreisen leisten können. Da diese sog. Elite gegen alle Einwände aus sozialer oder ökologischer Sicht prinzipiell immun ist, könnte diese Kalkulation auch aufgehen.
Die Luftfahrt hat zur Verteidigung ihrer Rolle als effizientester Klimakiller aber noch mehr zu bieten. In den beiden Bereichen, in denen sie in ihrem Standard-Sektor Klimaschutz simulieren möchte, gibt es neue Fortschritte.
Die Kriterien für ihre sog. nachhaltigen Treibstoffe will sie offenbar
nachhaltig verwässern, indem von den 12 Kriterien, die der ICAO-Umweltausschuss entwickelt hat, 10 schlicht gecancelt werden sollen. Was übrig bleibt, lässt fast alle Arten von Biotreibstoffen zu, selbst wenn sie nicht besser sind als Kerosin. Das passiert aber derzeit noch hinter den verschlossenen Türen des ICAO-Umweltausschusses CAEP, über dessen Verhandlungen selbst die Teilnehmer nicht berichten dürfen.
Zugleich berät aktuell der ICAO-Rat, ebenfalls im Geheimen, über die Regeln, nach denen ihr sog.
marktbasierter Mechanismus CORSIA funktionieren soll. Dabei geht es neben anderen kritischen Regeln auch um die Qualität der Offsets, mit denen Airlines das Wachstum ihrer Emissionen ab 2020 kompensieren sollen. Umweltgruppen fordern
hohe Standards, während professionelle Offset-Händler
darauf drängen, dass der Rat schnellstmöglich möglichst schwache Kriterien beschliesst, damit sie schnell noch ihre billigen Ladenhüter an "vorsorgende" Airlines verhökern können.
Unter Insidern wird deshalb schon länger befürchtet, dass die Anforderungen an die Offsets
sehr niedrig sein werden. Diese Annahme wird bestätigt durch eine
exemplarische Untersuchung von Projekten, die bisher schon von Airlines genutzt werden, um auf freiwilliger Basis Klimafreundlichkeit zu demonstrieren. Die Kompensationswirkung der genutzten Projekte ist zweifelhaft bis definitv nicht vorhanden. Das Gleiche
gilt für Offsets, die von europäischen Flughäfen ebenfalls freiwillig verwendet werden. Sie sind nach EU-Regeln für verpflichtende Offsets offiziell nicht nutzbar und daher billig.
Zwar müssen alle Beschlüsse der ICAO im Anschluss noch von den Mitgliedsstaaten abgesegnet werden, aber es ist natürlich schwierig, einen einmal gefassten Beschluss nachträglich wieder zu verändern. Eine
wissenschaftliche Studie weist zudem darauf hin, dass zumindest die EU bzw. ihre Mitgliedsstaaten mit ihrer Beteiligung an dieser Geheimhaltungspraxis gegen ihre Verpflichtungen aus der
Aarhus-Konvention verstossen, die das Recht auf Information und Beteiligung in allen umweltrelevanten Fragen garantiert.
Druck auf die Verhandler wäre also dringend nötig, um zu verhindern, dass die ICAO-Klimaschutzaktivitäten von 'weitgehend wirkungslos' zu 'völlig wirkungslos bis schädlich' degenerieren. 'Superdreckig' wäre dann noch untertrieben, und 'Superteuer' wird das Fliegen dann zwar nicht für die Passagiere, wohl aber für den Rest der Welt, der den Luxus der (immer noch) Wenigen dann unter Umständen mit Totalschaden für Alle bezahlt.
Hat gut grinsen: finanziell ist die Fraport-Bilanz in Ordnung.
14.11.2017
Fraport darf sich freuen. Endlich können sie auch mal wieder bei den Verkehrszahlen Wachstum melden, nachdem ein paar Tage vorher auch über die Wirtschaftszahlen nur Positives zu vermelden war. Die Umkehr des Negativ-Trends beim Verkehrsaufkommen, die sich schon im Frühjahr abzeichnete, setzt sich damit fort.
Das Wachstum in Frankfurt ist zu einem guten Teil auf den Erfolg von Schultes
Billigflieger-Strategie zurückzuführen und wird sich wohl in naher Zukunft fortsetzen. Nicht nur wird Ryanair
trotz Pannen und Problemen in Frankfurt
weiter expandieren, es kommen auch die beiden anderen Grossen,
Easyjet und
Eurowings, dazu.
Was das für die Arbeitsbedingungen am Flughafen, für die Region und für das Weltklima bedeutet, haben wir
schon im Frühjahr diskutiert.
Dass bei den Arbeitsbedingungen nichts besser wird, zeigt nicht nur der sich entwickelnde
Skandal bei Eurowings Europe, sondern auch Untersuchungen zu
Fluggast-Kontrollen und Berichte über die
Bodenabfertigung.
Ein Indiz dafür, was die Billigflieger für die Region bedeuten, ist die aktuelle Entwicklung beim Bruch der Nachtflugbeschränkungen. Nachdem das zuständige Verkehrsministerium nach öffentlichem Druck endlich angefangen hat, die häufigen Landungen nach 23:00 Uhr zu untersuchen, haben sie zwar festgestellt, dass Ryanair der Hauptsünder ist, aber auch Ferienflieger wie "TUIfly, Condor und SunExpress" haben "ebenfalls die 23-Uhr-Grenze auffällig oft überschritten". Aber während Minister Al-Wazir noch tönt, "Wer in Frankfurt starten und landen will, hat sich an das Nachtflugverbot zu halten", sieht Fraport-Chef Schulte das ganz anders. Nach seiner Interpretation des Planfeststellungsbeschlusses sind im Schnitt 7,5 Landungen täglich zwischen 23 und 24 Uhr erlaubt.
Zu den guten Wirtschaftszahlen der Fraport tragen aber auch die externen Beteiligungen bei. Insbesondere die im Frühjahr übernommenen griechischen Regionalflughäfen erweisen sich bereits jetzt als hoch profitabel und " warfen 106 Millionen Euro Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) ab - etwa ein Achtel des Konzern-Ebitda von 808 Millionen Euro". Das gilt hierzulande als Erfolg, und nur ewig nörgelnde Linke weisen darauf hin, was das für Griechenland bedeutet: "Dieses Geld fehlt nun in Griechenland für Investitionen und Sozialausgaben". Die Mittel, die Fraport noch zusätzlich vom griechischen Staat erpresst, sind da vermutlich noch nicht mal eingerechnet.
Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Fraport natürlich auch bei der letzten Enthüllungsrunde über legale und illegale Steuerhinterziehung, den sog. Paradise Papers,
als Beteiligte auftaucht und damit das wirtschaftliche Ergebnis noch ein bisschen verbessert.
Sie lassen eben keine Schweinerei aus, um auf Kosten anderer Profit zu machen.
Die Fluglärmschutzbeauftragte hat Ryanair wahrhaft zur Räson gebracht: ab kommenden Montag will die Skandal-Airline laut
Berichten 4 Flüge, deren Landung derzeit kurz vor 23:00 Uhr geplant ist, um ganze 10 Minuten vorziehen (de facto also um 23:30 statt um 23:40 Uhr landen). Und demnächst sollen gar noch ein oder zwei Reserve-Flugzeuge in Frankfurt stationiert werden, die eingesetzt werden können, wenn die Zeiten bei einem der fünf Umläufe, die die regulär eingesetzten Flieger täglich machen müssen, mal völlig aus dem Ruder laufen.
Für die anderen Häufig-Zuspätkommer gibt es aktuell keinen Handlungsbedarf, da die Hauptferiensaison vorbei ist und der Winterflugplan immer mehr Luft für Verspätungen lässt. Wir dürfen uns also auf den nächsten Sommer (-Flugplan) freuen. Für den bestätigt Schulte nochmal in einem Interview, dass dem lang ersehnten Wachstum auch der Flugbewegungen nun nichts mehr im Weg steht. Auch die Zahl der Nörgler nimmt aus seiner Sicht immer mehr ab, denn "Das aktuelle Beschwerdeniveau gegen Fluglärm liegt unter dem vor der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest im Oktober 2011". Dabei erwähnt er lieber nicht, dass das noch 2015
ganz anders war und nur eine
drastische Korrektur bei der Erfassung der Beschwerden diesen Trend geändert hat. Aber das ist eben typisch Schulte - nicht einmal bei Kleinigkeiten kann er bei der Wahrheit bleiben.
07.11.2017
Nach langen und schwierigen Verhandlungen mit der Luftverkehrswirtschaft hat Minister Al-Wazir nun endlich ein Papier präsentiert, das beschreiben soll, wie die Lärmobergrenze für den Frankfurter Flughafen funktionieren soll. Es enthält einige Unterschiede im Vergleich zu dem Modell, das er vor mehr als einem Jahr vorgestellt hat, aber besser ist es nicht geworden. Im Gegenteil: soweit die Berichterstattung sich nicht auf Kurzmeldungen beschränkt, rückt sie die Tatsache in den Mittelpunkt, dass die Vereinbarung völlig unverbindlich ist und kommentiert das kritisch.
Es bleibt also dabei, dass die Lärmobergrenze daraus bestehen soll, dass die Fläche innerhalb zweier Isophonen, in denen die 'Hochbetroffenen' und die 'Höchstbetroffenen' wohnen, begrenzt werden soll, d.h. ein Grenzwert für ihre Gesamtausdehnung, unabhängig von ihrer genauen Form, festgelegt wird. Diese Flächen werden jährlich überprüft, und wenn sie einmal überschritten sein sollten, beginnt man, gemeinsam nachzudenken, was man dagegen tun könnte. Werden sie aber im darauffolgenden Jahr wieder überschritten, dann - macht jeder, was er will, und was er auch tun würde, wenn es diese Vereinbarung nicht gäbe. Alberner geht es eigentlich nicht.
Die Pressemitteilung, mit der das Ministerium das Ergebnis verkündet, und die Präsentation, die das Ganze erklären soll, unterscheiden sich nur unwesentlich von dem, was ein Jahr vorher veröffentlicht wurde. Die Grafiken sind die gleichen, nur der Text und die Gestaltung sind noch pompöser geworden, um die Inhaltslosigkeit zu überdecken."Die Lärmobergrenze wird durch zwei Flächenkriterien in Hektar definiert. Das Maß der Lärmobergrenze sind die Flächeninhalte der Flächen, die von den beschriebenen Isophonen eingeschlossen werden. Ziel ist, dass beide Kriterien eingehalten bleiben.
Der erste Flächeninhalt ergibt sich aus der in der LAeq 6-22 Uhr 56,8 dB(A) Isophone eingeschlossenen Fläche. Dies entspricht der um 1,8 dB verkleinerten Tag-Schutzzone 2 (LAeq 6-22 Uhr 55 dB(A)) des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Frankfurt Main. Der umschlossene Flächeninhalt beträgt 22.193 ha.
Der zweite Flächeninhalt ergibt sich aus der in der LAeq 6-22 Uhr 61,8 dB(A) Isophone eingeschlossenen Fläche. Dies entspricht der um 1,8 dB verkleinerten Tag-Schutzzone 1 (LAeq 6-22 Uhr 60 dB(A)) des Lärmschutzbereichs für den Flughafen Frankfurt Main. Der umschlossene Flächeninhalt beträgt 8.815 ha."
Von den hier genannten Isophonen-Werten 56,8 dB(A) und 61,8 dB(A) ist sonst nirgendwo die Rede, selbst im unmittelbar folgenden Absatz über das Monitoring werden wieder nur die auch vorher genannten Werten 55 und 60 dB(A) erwähnt. Einfache Tippfehler können es allerdings nicht sein, da ja explizit erläutert ist, wie sie zustande kommen ("um 1,8 dB(A) verkleinert ..."). Was würde es bedeuten, wenn das ernst gemeint wäre?
Da die angegebenen Flächeninhalte die sind, die die unverkleinerten Schutzzonen beschreiben, würde es heissen, dass sich die inneren, lauteren Zonen bis zur Grenze der jetzigen Schutzzonen ausdehnen dürfen - es dürfte also noch lauter werden, als selbst der Planfeststellungsbeschluss, nach dem die jetzigen Schutzzonen berechnet sind, vorsieht!
Das widerspricht natürlich allen sonstigen Darstellungen dieser Vereinbarung und wäre eine handfeste Irreführung der Öffentlichkeit. Glaubt das Ministerium wirklich, mit einem derartigen Betrug durchzukommen und öffentlich etwas ganz anderes behaupten zu können als tatsächlich beschlossen wurde? Oder sind hier einfach ein paar Sätze in das Papier geraten, die in einem anderen Zusammenhang formuliert wurden, und keiner hat es gemerkt, weil es eh keinen interessiert, was da genau drin steht? Man kann kaum sagen, was peinlicher wäre.
Vor diesem Hintergrund ist es ein schlechter Scherz, wenn einer der Beteiligten, die Fluglärmkommission, in einer eigenen Pressemitteilung zu dem Ergebnis kommt, die Vereinbarung sei zwar unbefriedigend, aber man habe damit wenigstens "einen Fuß in der Tür". Selbst wenn Letzteres richtig sein sollte: es ist die falsche Tür, sie führt nicht zu mehr Lärmschutz.
Ist Al-Wazirs Lärmobergrenze nun eine Lachnummer oder ein Betrugsversuch? Egal wie der oben zitierte Absatz zu verstehen ist, es ist beides. Eine Lachnummer deshalb, weil die getroffenen Regelungen unabhängig davon, welche Flächen da nun angeblich begrenzt werden sollen, aufgrund ihrer technischen Sinnlosigkeit und völligen Unverbindlichkeit nicht ernst genommen werden können, und ein Betrugsversuch, weil hier der Öffentlichkeit vorgegaukelt werden soll, es würden Maßnahmen umgesetzt, die irgendwie zur Begrenzung des Fluglärms beitragen könnten, obwohl sie absolut wirkungslos sind.
Wenn die Fluglärmkommission ihre Hoffnungen darauf setzt, dass diese Vereinbarung doch irgenwie wirken könnte, weil "die Nichteinhaltung von vereinbarten Regeln am Flughafenstandort einen erheblichen Vertrauensverlust für die Luftverkehrswirtschaft aber auch die hessische Landesregierung bedeuten würde", dann macht sie sich Illusionen. Es gibt kein Vertrauen mehr, das diese Akteure noch verspielen könnten.
Ursprünglich sah das Modell vor, dass bei Überschreiten der Grenze im ersten Jahr Maßnahmen ergriffen werden müssen, und wenn sie im zweiten Jahr nicht wirken, die Zahl der Flugbewegungen eingefroren wird.
Davon ist nichts übrig geblieben.
Mit etwas Nachhilfe sind wir nun in der Lage, die Zahlenangaben in diesem Papier zu verstehen und machen mal einen Versuch, das am Beispiel der inneren Zone (der Höchstbetroffenen, schließlich sind wir in Raunheim) darzustellen:
Die Zone, in der der äquivalente Dauerschallpegel heute 60 dB(A) oder höher ist, umfasst 7.637 ha (Stand 2015). Nach dem im Planfeststellungsverfahren vorgelegten und genehmigten Szenario würde diese Fläche auf 12.758 ha anwachsen (das ist die Fläche der sog. 'Tagschutzzone 1'). Im gleichen Szenario beträgt die Fläche innerhalb der 61,8dB(A)-Isophone 8.815 ha. Wenn man nun festlegt, dass die 60dB(A)-Zone sich nur soweit ausdehnt, wie es die 61,8dB(A)-Zone tun würde, kann man argumentieren, dass man den Lärm (zumindest an dieser Grenzlinie) um 1,8 dB(A) gegenüber dem rechtlich möglichen reduziert.
Die oben zitierten Sätze dienen also dazu, zu begründen, wie der Flächeninhalt bestimmt wird, auf den dann der Inhalt der 60dB(A)-Isophone begrenzt wird. Eigentlich ganz einfach.
Es ändert aber weder etwas an der grundsätzlichen Einschätzung dieses Konstrukts noch daran, dass die Zahlenangaben insgesamt verwirrend und manipulativ sind. Wenn es in der Präsentation (auf Seite 8) heisst:
" WÜRDE MAN DIESE ZUNAHME AN FLUGBEWEGUNGEN MIT DEM AKTUELLEN FLOTTENMIX UND DER DERZEITIGEN ROUTENBELEGUNG HOCHRECHNEN, WÜRDE DER LÄRM (DAUERSCHALLPEGEL) UM 1,8 DB(A) STEIGEN."
und auf Seite 9:
" UNSER ZIEL IST ES, DEN LÄRM UM 1,8 DB(A) GEGENÜBER DEM IM PLANFESTSTELLUNGSBESCHLUSS PROGNOSTIZIERTEN DAUERSCHALLPEGEL ZU REDUZIEREN."
dann würde man doch annehmen, dass der Lärm auf dem heutigen Niveau eingefroren wird. Tatsächlich dürfen aber die Flächen, in denen es lauter wird, noch deutlich wachsen. Hier wird mit unterschiedlichen Bezugsgrössen versucht, zu verschleiern, dass der Lärm noch erheblich zunehmen kann - eben genau so, wie die Wachstumsträume der Fraport das erfordern. Grundvoraussetzung für die Zustimmung der Luftverkehrswirtschaft ist ja:
" DAS VORGESCHLAGENE MODELL ERMÖGLICHT ES DEM FRANKFURTER FLUGHAFEN, SICH WEITER ZU ENTWICKELN."
und zwar ohne jede Einschränkung durch den Lärmschutz.
Dass diesem Modell in einem Jahr Verhandlungen auch noch der letzte Zahn gezogen wurde, zeigt der Vergleich der Darstellung der Maßnahmen im Fall einer Überschreitung der Grenze in den ministeriellen Präsentationen von diesem und vom letzten Jahr (s. Grafik rechts). Sollten ursprünglich bei Überschreitungen reduzierende Maßnahmen umgehend Pflicht werden und bei andauernden Überschreitungen auch die Zahl der Flugbewegungen eingefroren werden, so soll jetzt nach einem Jahr lediglich geprüft werden, und nach zwei Jahren passiert 'innerhalb des Bündnisses' garnichts, und ausserhalb - wahrscheinlich auch nichts, denn alle Hinweise auf das, was eventuell rechtlich möglich wäre, sind aus der Darstellung verschwunden.
Damit hat Minister Al-Wazir nun auch noch die letzte Auflage aus der unsäglichen Mediation abgeräumt und der Luftverkehrswirtschaft die erwünschte Planungssicherheit verschafft. Sie muss nicht mehr damit rechnen, mit irgendwelchen Forderungen konfrontiert zu werden, die sich auf die Versprechen beziehen, mit denen der Ausbau politisch durchgesetzt wurde, sondern kann darauf verweisen, dass es zu allem eine Umsetzung gibt. Dass nichts davon wirkt, ist ja nicht ihr Problem.
Eine im Ton moderatere, aber inhaltlich nicht weniger deutliche Kritik an dieser Vereinbarung formulieren Landrat und Beigeordneter des Kreises Gross-Gerau in einer Pressemitteilung.
Wer ist es diesmal?
Nicht nur Ryanair nimmt die Nachtflugbeschränkungen nicht sonderlich ernst.
30.10.2017
Nachdem der BUND Hessen eine Untersuchung der Stadt Neu-Isenburg
publik gemacht hat, haben die Verspätungen von Ryanair am Frankfurter Flughafen vielfaches Echo gefunden, sowohl lokal als auch regional und bundesweit. Nach dem Debakel mit den Flugausfällen ist das nun schon das zweite PR-Desaster für Ryanair innerhalb kurzer Zeit.
Auch hier gibt die Airline sich fast schon reumütig, erklärt das Problem
mit Streiks bei anderen und gelobt Besserung. Im Vergleich zum sonstigen Auftreten eine erstaunliche Zurückhaltung. Grund dürfte sein, dass Ryanair vermeiden möchte, dass sich zuviel Öffentlichkeit mit ihren Gegner im dritten Bereich solidarisiert, in dem die Airline in der Kritik steht: dem Kampf um die Arbeitsbedingungen.
Auch hier hat Ryanair überwiegend schlechte Presse, und das zu Recht. Hier tun sich die meisten Berichterstatter aber schwer mit der Tatsache, dass die ermittelnden Staatsanwaltschaften das, was sie als moralisch verwerflich anprangern, nur schwer strafrechtlich relevant machen können. Offensichtlich ist auch hierzulande an prekären Beschäftigungsverhältnissen, Umgehung von Tarif- und Arbeitsrecht und Steuerhinterziehung mehr legal möglich, als die Verherrlicher der 'sozialen Marktwirtschaft' wahrhaben wollen.
Ryanair dagegen hat das Problem, dass ausgerechnet die Berufsgruppe, auf die sie aktuell am meisten angewiesen sind, sich derzeit in einer relativ starken Position befindet. Für den derzeitigen Boom im Luftverkehr gibt es aktuell nicht genügend qualifizierte Piloten, daher verlangen die, die weiterhin die Bedingungen bei Ryanair aushalten sollen, ein
deutlich erhöhtes Schmerzensgeld. Man kann hier sicherlich darüber streiten, ob Jahresgehälter über 150.000 € (das sind 12.500 € pro Monat) für einen Pilotenjob tatsächlich angemessen sind, muss dabei aber auch die Verschuldung, die die meisten für Ausbildung und Zulassung in Kauf nehmen müssen, gegenrechnen. Es ist eben das im Neoliberalismus beliebte Modell, bei dem diejenigen, die es nach oben schaffen, in Saus und Braus leben, und die anderen sich irgendwo zwischen Mittelstand und Prekariat wiederfinden. Beim sonstigen Bordpersonal, für das Ryanair eine Obergrenze von 40.000 € pro Jahr (3.333 € pro Monat) angibt, sieht das schon wieder anders aus - damit kommt keine/r 'nach oben'. Aber auch hier regt sich Widerstand.
Das alles ist weder neu noch überraschend. Schon als Fraport ankündigte, dass sie Ryanair den roten Teppich ausrollen wollen, gab es Warnungen, dass damit auch die Nachtflug-Beschränkungen unter Druck geraten werden. Und wer einen Flugplan genehmigt, nach dem ein Flugzeug nach mehreren Umläufen am Tag die letzte Landung um 23:00 Uhr durchführen soll, der nimmt auch den Bruch dieser Beschränkungen in Kauf. Da ist es dann höchstens ärgerlich, wenn noch andere Gründe für Verspätungen hinzukommen und das Ganze Ausmaße annimmt, die auffallen müssen. Dann braucht es einen Sündenbock, den man an den Pranger stellen kann - und Ryanair, die alle Schweinereien auf die Spitze treibt, eignet sich dafür besonders gut. Allein schuldig an der Misere sind sie allerdings auf keinem Gebiet.
Dass Ryanair im September 2017 ein Drittel aller Landungen nach 23:00 Uhr zu verantworten hat, heisst eben auch, dass für zwei Drittel andere Airlines verantwortlich sind, und auch darunter gibt es chronische Zu-spät-Kommer. Und was den Sozialabbau im Luftverkehrs-Arbeitsmarkt angeht, gibt es einige Bereiche, die den Vergleich mit den Arbeitsbedingungen bei Ryanair nicht zu scheuen brauchen.
Ein Beispiel dafür sind die Bodenverkehrsdienste, deren Arbeitsbedingungen grundsätzlich an der Grenze zum Prekären liegen und durch
Anbieter-Wechsel und Lohndrückerei weiter gefährdet sind. Und Forderungen wie die von Lufthansa-Chef Spohr, die Kosten für die Airlines am Frankfurter Flughafen weiter zu senken, erhöhen den Druck auf diesen Sektor noch weiter.
Ein aktuelles Beispiel sind aber auch die Vorgänge um die Air-Berlin-Pleite. Neben der traurigen Rolle des Staates, der zwar kurzfristig einen 150-Millionen-Euro-Kredit zur Aufrechterhaltung des Flugbetriebs zur Verfügung stellen kann, damit die Air-Berlin-Teile auch inklusive der wertvollen Slots an die Käufer übergeben werden können, aber (zumindest in Gestalt des Bundes und der Länder Bayern und NRW)
kein Geld für eine Auffanggesellschaft zur sozialen Absicherung der MitarbeiterInnen geben will, gibt es auch hier krasse Versuche der Lohndrückerei, ausgerechnet durch Lufthansa und ihre Töchter. Allerdings sind dem aufgrund der aktuellen Arbeitsmarkt-Lage offenbar
Grenzen gesetzt.
Auch das ist alles in keiner Weise neu. So hat das ZDF-Magazin frontal 21, das aktuell die Geschäftspraktiken von Ryanair
deutlich kritisiert, vor gut anderthalb Jahren schonmal einen
Beitrag über Lohndrückerei, Sozialdumping und Tarifflucht bei Fluggesellschaften gesendet. Damals war allerdings nicht Ryanair der Bösewicht, sondern die Lufthansa-Tochter Eurowings Europe. Die hätte, wenn die aktuellen Arbeitskämpfe bei Ryanair Erfolg hätten, dann so ziemlich die schlechtesten Entlohnungs-Verhältnisse aller grossen europäischen Billigflieger. Auch dort gibt es allerdings erste Schritte, die Situation zu verbessern.
Das deutet schon mal darauf hin, wo wirkliche Lösungen der beschriebenen Probleme liegen könnten. Für die soziale Situation der Beschäftigten ist nicht das wirklich Entscheidende, welcher Arbeitgeber sich die grössten Marktanteile sichert, denn sie wollen alle ihre Profite maximieren, indem sie die (Personal-) Kosten soweit wie möglich drücken. Verbessern können sie ihre Lage nur, wenn sie gemeinsam und entschlossen für ihre Interessen eintreten und dabei auch ein solidarisches Umfeld finden, das den öffentlichen Druck auf die Arbeitgeber verstärkt.
Letzteres kann sich aber nur entwickeln, wenn die Bedingungen und Auswirkungen der Tätigkeiten, für die diese Beschäftigten bezahlt werden, nicht im Konflikt mit den Interessen der sonstigen Bevölkerung stehen, und da gibt es Probleme. Nicht nur fällt es vielen schwer, sich mit Piloten zu solidarisieren, die für exorbitante Gehälter kämpfen, auch ein wesentlicher Teil der sonstigen Arbeitsplätze, um deren Erhalt gerade gekämpft wird, dient Aktivitäten, die eigentlich abgeschafft gehören. Viele der zu übernehmenden Air-Berlin-Strecken sind nämlich Kurzstrecken-Verkehre, die verkehrspolitisch überflüssig und extrem umweltschädlich sind. Und bei denen ist es erst recht egal, ob sie von Ryanair, Easyjet oder Eurowings durchgeführt werden: sie sollten so schnell wie möglich abgewickelt werden - sozialverträglich natürlich.
Ein erstes Indiz dafür, was die Veränderungen im Markt für die Anwohner des Frankfurter Flughafens bedeuten, gibt die Pressemitteilung von Fraport zum neuen Winterflugplan 2017/2018. Da heisst es:
"Damit steigt das Angebot in dieser Winterflugplan-Periode mit 4.060 startenden Passagierflügen pro Woche um 8,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon entfallen 605 Flüge auf innerdeutsche, 885 auf interkontinentale und 2.570 auf europäische Strecken. Auch das Sitzplatzangebot verzeichnet eine positive Entwicklung von plus 7,9 Prozent auf 730.000 Plätze pro Woche."
Bemerkenswert daran ist, dass die Zahl der Flugbewegungen stärker steigen soll als die Zahl der angebotenen Sitzplätze. Bisher wurden steigende Passagierzahlen eher mit weniger Flugbewegungen abgewickelt. Ob sich hier schon ein neuer Trend abzeichnet, ist allerdings völlig offen, denn erstens sind Flugpläne noch lange keine tatsächlich realisierten Flugbewegungen und transportierte Passagiere, und zweitens wäre erst noch zu analysieren, ob hier sinkende Auslastungen oder veränderte Linienstrukturen maßgeblich sind.
Auch wird hier sozusagen nebenbei nochmal deutlich, dass der Anteil der innerdeutschen Verbindungen mit rund 15% relativ hoch ist, während die unverzichtbare Kernaufgabe des Luftverkehrs, die Interkontinental-Verbindungen, auch nur knapp 22% ausmachen. Zu den innerdeutschen wären dabei auch noch die Verbindungen ins nahe europäische Ausland zu rechnen, zu denen es konkurrenzfähige Bahnverbindungen gibt (Brüssel, Paris, Bern, aber z.B. auch Wien, Zürich, Kopenhagen und London). Die alle müssten aus Gründen des Gesundheits- und des Klima-Schutz dringend reduziert bzw. ganz abgeschafft werden.
ICAOs Biotreibstoff-Pläne können zu massiven Rodungen tropischer Wälder führen
(Für einen Bericht darüber Grafik anklicken) © Biowatch UK
22.10.2017
Der deutsche Naturschutzring nennt Freitag, den 13. Oktober, einen Unglückstag für den Klimaschutz, weil der Umwelt-Ministerrat da mal wieder einen Vorschlag der EU-Kommission zum Klimaschutz, genauer zur sog. 'Lastenteilungsverordnung' zur Einbeziehung der Wirtschaftssektoren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, noch weiter verwässert hat. Das ist allerdings kein Grund, abergläubisch zu werden: die Klimabeschlüsse, die an den Tagen davor und danach getroffen wurden, sind auch nicht besser.
Um zunächst bei der EU zu bleiben, in der derzeit mehrere Gesetzgebungsverfahren mit Bezug zum Klimaschutz parallel laufen: Nachdem bereits vor einem Monat deutlich wurde, dass die EU-Beschlüsse zur Energieeffizienz und zu Emissionen aus der Land- und Forstwirtschaft weit hinter den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens zurückbleiben werden, zeichnet sich das Gleiche auch für das Flaggschiff des EU-Klimaschutzes, das Emissionshandelssystem EU-ETS, ab.
Zwar ist am Freitag, den 20.10., die Trilog-Runde zur Beschlussfassung dazu noch am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert, die ihren Kohlesektor noch weiter ausbauen wollen, aber deutlich wurde auch, dass bis zum Beginn der nächsten UN-Klimakonferenz am 7.11. in Bonn ein, dann wohl noch weiter verwässerter, Kompromiss gefunden werden soll.
Eine andere Trilog-Runde war allerdings erfolgreich: am 18.10. haben sich die Verhandler geeinigt, die Einbeziehung internationaler Flüge in das EU-ETS nicht unbefristet, wie die Kommission vorgeschlagen hat, aber auch nicht nur bis 2020, wie das Parlament forderte, sondern bis 2023 auszusetzen. Zwar braucht es noch einige formelle Schritte, bis dieser Beschluss endgültig ist, aber Änderungen sind nicht mehr zu erwarten.
Die Luftfahrt-Industrie hat damit die Sicherheit, dass der größte Teil ihrer Aktivitäten für die nächsten Jahre keinerlei Klimaschutz-Beschränkungen unterliegt. Das ICAO-System CORSIA bringt nicht nur in der unverbindlichen Pilot-Phase bis 2023, sondern insgesamt zumindest bis 2030
keinerlei relevante Belastung für die Fluggesellschaften, und generell werden bereits Befürchtungen laut, dass die Anforderungen an die Offsets, mit denen die Auflagen des Systems erfüllt werden können,
sehr niedrig sein werden.
Während die intelligenteren Industrie-Lobbyisten deshalb den EU-Beschluss begrüssen, pöbelt die dumm-dreiste Fraktion, wie meist repräsentiert durch Fraport-Chef Schulte, hier in seiner Funktion als BDL-Sprecher,
gegen den Beschluss und faselt von 'Kompetenzüberschreitung der EU' und anderem Unsinn.
Möglicherweise noch gravierender für Klima und Umwelt sind aber andere Entwicklungen in der Luftfahrt, die ebenfalls aktuell deutlich wurden. ICAO weiss natürlich, dass CORSIA ebensowenig wie die zu erwartende Steigerung der Energieeffizienz neuer Flugzeuge auch nur annähernd ausreichen kann, die erhofften Wachstumsraten des Flugverkehrs im Rahmen des Pariser Klimaschutz-Abkommens zu erreichen. Dazu kommt, dass die Unterstützung durch die Mitgliedsstaaten für CORSIA
immer noch unzureichend ist. Deshalb soll das letzte Instrument, das in ihrem Maßnahme-Körbchen noch verbleibt, nun massiv gefördert werden: die sog. 'nachhaltigen Treibstoffe' (sustainable aviation fuels, SAF, oder auch
aviation alternative fuels, AAF).
Vom 11.-13-10. hat ICAO die zweite Konferenz zu diesem Thema (Second ICAO Conference on Aviation and Alternative Fuels (CAAF2)) durchgeführt, und die
Dokumentation dazu liefert eine Fülle von Material zur Einschätzung der Entwicklung.
Zwar wurde die vom ICAO-Sekretariat entwickelte Vision, die genaue Zielvorgaben für die bis 2050 zu produzierenden Mengen an AAF enthalten sollte, nicht beschlossen, und die beteiligten Umweltverbände feiern das als Erfolg, aber das ist eine sehr optimistische Einschätzung. Den von (anderen) Umweltverbänden vorgetragenen Einwänden gegen Biotreibstoffe wurde kaum Rechnung getragen, die Abschlusserklärung folgt vielmehr weitgehend den
Forderungen der Luftfahrt-Industrie, die sich zwar nicht auf feste Ziele für 2030 und 2050 festlegen lassen möchte, aber sehr wohl einen 2%-Anteil von SAF für 2025 anstrebt und dafür massive staatliche Subventionen einfordert. Wie die einschlägigen ICAO-Dokumente
selbst verdeutlichen, liesse sich das nur unter massivem Einsatz von Palmöl erreichen - mit entsprechenden ökologischen Konsequenzen.
Das kümmert die Industrie allerdings nicht, und die entsprechende Lobbyarbeit geht natürlich gleich
verstärkt weiter. Und obwohl Studien zeigen, dass Biotreibstoffe
keinen relevanten Beitrag zur Versorgung des Luftverkehrs mit Treibstoff leisten können und generell nicht gefördert werden sollten, konnte die Biotreibstoff-Lobby Erfolge erzielen. So wird auch die UN-Umweltorganisation in der Bonner Klimakonferenz die Forderung nach Ausdehnung der Biotreibstoff-Produktion
unterstützen.
Die Unglückstage für den Klimaschutz werden wohl so schnell nicht abreissen.
Völlig normal: eine A320 fliegt in Gegenrichtung zum sonstigen Flugbetrieb über den Flughafen. Der Höhenabstand ist groß genug - aber was, wenn einer der aus Westen anfliegenden Flieger hätte durchstarten müssen? (Zum Vergrössern Grafik anklicken)
12.10.2017
Fraport und DFS haben viele schöne Bildchen dazu veröffentlicht, wie der Flugbetrieb auf FRA abzulaufen hat. In der Realität passiert aber manchmal ganz anderes.
So zum Beispiel am Sonntag, den 27. August dieses Jahres. Es wird Betriebsrichtung 07 geflogen, also Anflug über Raunheim (auch wenn die Winddaten eigentlich dagegen sprechen). Um viertel nach Neun abends fliegt aber plötzlich ein Flieger von Ost nach West übers Dorf, während andere gleichzeitig weiter von Westen her landen. Wie kann das sein?
Ein Blick auf die Flugspur-Aufzeichnungen zeigt: es war keine Einbildung. Tatsächlich flog ein A320 gegen die Betriebsrichtung über den Flughafen, drehte südlich von Mainz und landete dann ganz normal von Westen aus. Er war auch hoch genug, um den anderen nicht in die Quere zu kommen, aber offiziell ist sowas unseres Wissens nicht vorgesehen.
Eine Anfrage an die DFS wird "urlaubsbedingt verzögert" wie folgt beantwortet: "Beide Flugzeuge befanden sich in mehr als ausreichendem Abstand zueinander. Der Flugweg der Landung war der aktuellen Verkehrssituation geschuldet, ist jedoch als völlig normal anzusehen. Gerade bei Landungen muss ob der Verkehrsmenge im Nahbereich oft ein individueller Flugweg zugewiesen werden."
Da kann man als Anwohner schon mal ins Grübeln kommen. Natürlich waren die beiden Flugzeuge, die auf der Grafik scheinbar zusammen stossen, in der Höhe rund 1.500 Meter getrennt, so dass aktuell keine Gefahr bestand. Was aber, wenn der A320, der auf der Nordwestbahn gelandet ist, hätte durchstarten müssen, und die startende B777, statt auf der kurzen Abflugroute nach Norden abzudrehen, auf der langen Geradeaus-Route stärker gestiegen wäre? Was, wenn der auf der Südbahn landende A320 frühzeitig den Anflug abgebrochen hätte und dem in Gegenrichtung fliegenden A320, der dessen Flugbahn gekreuzt hat, in die Quere gekommen wäre? Hätte dann auch jederzeit ein ausreichender Sicherheitsabstand gewährleistet werden können?
Die viel beschworene 'inhärente Sicherheit', die die Flugverfahren offiziell gewährleisten sollen, war hier nicht gegeben; wie die DFS sagt, wegen "der Verkehrsmenge im Nahbereich". Die ist aber heute noch weit von dem entfernt, was Fraport anstrebt. Wir glauben, dass dieser Vorfall einmal mehr unsere Thesen bestätigt:
... und nun wollen sie auch noch öffentliche Gelder abgreifen:
Fraport in Griechenland
(Originalcartoon: harmbengen.de, 24.07.2015
29.09.2017
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Skandal um das Fraport-Engagement in Griechenland öffentlich werden würde. Nachdem sich Fraport zusammen mit einem griechischen Oligarchen mit massiver politischer Unterstützung aus Berlin, Brüssel und auch Wiesbaden schon vor zwei Jahren als 'bevorzugter Bieter' für den Betrieb von 14 griechischen Regionalflughäfen durchgesetzt hatte und einen skandalös einseitigen Vertrag abschliessen konnte, kam es nach einer Reihe von Problemen und vielen vollmundigen Ankündigungen und dem Abschluss weiterer Bündnisse mit ebenso seriösen Partnern im April dieses Jahres zur Übernahme. Zunächst schien alles reibungslos zu laufen.
Mitte des Monats wies jedoch eine dpa-Meldung, die von mehreren Medien aufgegriffen wurde, auf neuen Ärger hin: der zuständige griechische Minister hatte kritisiert, dass sich die Zustände an den Flughäfen seit der Übernahme durch Fraport eher noch verschlechtert hätten und Fraport seine Versprechen nicht umsetzen würde. Die griechische Fraport-Tochter antwortete darauf mit einer für Aussenstehende schwer verständlichen Presseerklärung, die überwiegend von anderen Dingen spricht, aber die Retourkutsche war schon im Laufen: wie Spiegel Online berichtet, fordert Fraport vom griechischen Staat Schadenersatz in Höhe von 70 Millionen Euro dafür, dass an den übernommenen Flughäfen nicht alles in bester Ordnung war: es mussten nicht nur Lampen und Feuerlöscher, sondern sogar ganze Türen ausgetauscht werden! Öffentlich wollte Fraport dazu aber weder in Deutschland noch in Griechenland etwas sagen.
Eine griechische Wirtschaftszeitung
präzisiert noch, dass die Schäden nach Fraport-Angaben 'während der Übergabe' entstanden seien - ein wichtiges Detail, weil Fraport in dem ansonsten extrem einseitigen Konzessionsvertrag zumindest zugestehen musste, dass die Konzessionäre den Zustand der Flughäfen und die sonstigen Rahmenbedingungen zur Kenntnis genommen haben. Schon Anfang des Monats wurde allerdings in einem Beitrag des Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass Fraport-Greece-CEO Zinell vorhandene Schäden trotzdem dem Staat aufbürden möchte, denn für ihn ist völlig normal: "Für Sanierungsarbeiten, die aufgrund von mangelnder Wartung entstanden sind, kommt allerdings nicht Fraport auf, sondern Griechenland."
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: die Flughäfen sollten nach offizieller Lesart privatisiert werden, weil sie in einem schlechten Zustand waren und der Staat die notwendigen Investitionen nicht leisten konnte. Dafür wurden sie weit unter Wert verscherbelt - und nun verlangt der Investor, dass der Staat die unterlassenen Investitionen nachholt. Man könnte sagen, typisch Fraport - dreister geht es nicht.
Das wäre alleine schon schlimm genug, aber was im Hintergrund abläuft, ist mindestens ebenso schlimm. Während Fraport
von den Flughäfen profitiert und Statistiker sich über einen
Tourismus-Boom freuen, zu dem die Fraport-betriebenen Regionalflughäfen
überproportional beitragen, werden große Teile der lokalen Wirtschaft
weiter abgehängt und die gesamte Infrastruktur, insbesondere auf den vom Tourismus überrannten Inseln,
leidet massiv. Der Boom ist übrigens auch ein Grund für die vom Minister kritisierte Verschlechterung an den Flughäfen. So wird berichtet, dass es während der Stoßzeiten in Terminals einfach nicht mehr möglich ist zu reinigen - sie sind zu voll.
Dass es trotz der desolaten wirtschaftlichen Lage der meisten Beschäftigten im Tourismussektor zu
Arbeitskämpfen kommt, zeigt, wie groß Not und Wut sind.
Fraport und andere Investoren, die gigantische Hotelprojekte entwickeln und immer mehr Touristen herankarren wollen, ficht das natürlich nicht an. Wie einer der Kommentatoren anmerkt, gilt wohl auch für sie, dass "sie unerschütterlich glauben, es gehe nicht an, dass ein dermaßen privilegiertes Urlaubsziel … 'Undankbaren und Faulpelzen'" (d.h. der einheimischen Bevölkerung) überlassen bleibt. Die Investitionen, die Fraport plant, dienen dazu, neue kaufkräftigere Touristen anzulocken. Die lokale Bevölkerung hat die notwendigen Arbeitskräfte für die in ausländischem Besitz befindlichen Megaanlagen zu liefern, und das zu 'konkurrenzfähigen Preisen' - um den Rest soll sich der Staat kümmern. Dass der gleichzeitig ebenfalls ausgeblutet wird, ist ja nicht ihr Problem.
Ohne massive Unterstützung durch die hiesige Politik wäre dieses Vorgehen allerdings nicht möglich.
Ob der hessische Finanzminister wirklich dazu auffordern wollte, die Flughäfen in Griechenland genauso abgehoben von den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung zu betreiben wie Fraports Heimatflughafen, als er anlässlich des Vertragsabschlusses so
unvergleichlich formulierte: "Fraport beweist weltweit, dass hessisches Know-how Flughäfen zum Fliegen bringt", ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich ist es aber ohnehin sinnlos, in solchen Politikersprüchen nach Sinn zu suchen. Ihre Taten sprechen ja für sich.
Sowohl die griechische Regierung als auch die griechischen Mainstream-Medien haben wohl inzwischen gelernt, dass es wenig Erfolg verspricht, sich gegen die Unverschämtheiten der Investoren/Invasoren zur Wehr zu setzen. Ein
Bericht der Online-Zeitung ekathimerini.com zitiert einen stellvertretenden Minister mit der Aussage, dass die Fraport-Forderungen geprüft und bei Übereinstimmung mit dem Konzessionsvertrag auch bezahlt werden.
Der Mann wird wissen, wie die Prüfung ausgehen wird, denn er hat als damaliger Chef des griechischen Treuhand-Abklatschs HRADEF den Vertrag unterschrieben - von 'ausgehandelt' kann dabei ja keine Rede sein. Die Zeitung kritisiert ihn dafür, dass er die ganze Sache herunterspielt und keine Zahlen nennt, verliert aber zu der Unverschämtheit der Fraport kein Wort.
Es gibt aber auch noch kritische Medien in Griechenland, und die haben dazu anderes zu berichten. Nach einem
Beitrag der Griechenland-Solidarität veröffentlichte The Press Projekt, das auch schon den Konzessionsvertrag publik gemacht hatte, nun zwei Briefe von Fraport Greece an die griechische Regierung vom April dieses Jahres, in denen die Fraport-Forderungen bereits formuliert sind. Die ganze Angelegenheit ist also schon über 5 Monate alt und wurde jetzt in den vorgesehenen 'Streitschlichtungs-Mechanismus' eingebracht. Der besteht aus einem Schiedsgericht, wie es in vielen Fällen von Konzernen genutzt wird, um ausserhalb der normalen Gerichtsbarkeit ihre Interessen durchzusetzen. Mit dem EU-Mitglied Griechenland kann es zwar kein Freihandelsabkommen geben, aber der Mechanismus wurde ganz entsprechend im Konzessionsvertrag geregelt.
Da klingt es nur noch wie blanker Hohn, wenn Fraport in einer
Presseerklärung betont, dass die 'technische Prozedur zur Beilegung von Streitigkeiten', die jetzt eingeleitet wurde, die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Fraport und dem griechischen Staat in keiner Weise gefährden werde.
CETA in unserer Stadt ! Nach Informationen der EU-Kommission gibt es im Prime Park drei Betriebe, die nach Kanada exportieren und von CETA profitieren.
Werden die Gewerbesteuereinnahmen jetzt explodieren ?
22.09.2017
Es hat zwar länger gedauert als geplant, aber nun
ist der Käse gegessen: Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das im vergangenen Herbst
mühsam durchgepaukt wurde, ist gestern
vorläufig in Kraft getreten.
Die Europäische Kommission jubelt und preist die Vorzüge des Abkommens, die unmittelbar wirken sollen: so "werden die Unternehmen in der EU jährlich 590 Mio. EUR einsparen", weil Zölle wegfallen. Ganz besonders werden "die kleineren Unternehmen profitieren, die ... Zeit und Geld sparen, wenn beispielsweise doppelte Prüfanforderungen für Waren, langwierige Zollverfahren und hohe Rechtskosten wegfallen". Aber auch ohne doppelte Prüfanforderungen werden keine "Abstriche bei den geltenden europäischen Standards gemacht werden: Waren und Dienstleistungen können nämlich nur dann auf dem EU-Markt angeboten werden, wenn sie mit den EU-Vorschriften voll und ganz konform sind" - dieses Abkommen vollbringt wahre Wunder.
Fast versteht man nicht mehr, warum immer noch viele protestieren. Belgien hat, wie im letzten Herbst von der Wallonie gefordert,
den Europäischen Gerichtshof angerufen und lässt prüfen, ob die Investment-Regeln in CETA mit europäischem Recht vereinbar sind. Die neue französische Regierung hat CETA von einer Expertenkommission prüfen lassen mit dem Ergebnis, dass der Vertrag wesentliche Ergänzungen bräuchte, um in Umwelt- und Gesundheitsfragen akzeptabel zu sein. Selbst im Wahlkampf-fixierten und auf innere Probleme konzentrierten Deutschland gab es zahlreiche Protestaktionen.
Wann der Vertrag also die letzte Hürde nehmen und von allen zuständigen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden wird, ist noch offen. Die 'vorläufige' Anwendung, die ab gestern wirkt, ist allerdings nicht befristet und kann Jahre dauern. Und möglicherweise werden die noch nicht in Kraft getretenen, besonders umstrittenen Investment-Kapitel auch garnicht mehr gebraucht, denn die EU verfolgt inzwischen ohnehin eine andere Strategie.
Das neue Zauberwort heisst MICS und steht für 'Multilateral Investment Court System', im Deutschen meist als 'Multilateraler Investitionsgerichtshof' bezeichnet. Von den Freihandels-kritischen NGOs bereits frühzeitig als gefährliche Weichenstellung zur permanenten Institutionalisierung der berüchtigten ISDS-Vereinbarungen (investor-state dispute settlements) gebrandmarkt, hat die EU-Kommission nach längerer Vorbereitung dem Rat gerade einen
Vorschlag vorgelegt, der ihr ein Verhandlungsmandat dafür erteilen soll.
Die Etablierung eines solchen Gerichtshofs hätte nicht nur den praktischen Effekt, dass diese Sondergerichtsbarkeit für Konzerne damit ein für allemal durchgesetzt wäre, sie hätte auch noch den Vorteil, dass alle künftigen Freihandelsabkommen damit keine Investitionsregelungen mehr brauchten und in die alleinige Zuständigkeit der Kommission fielen - also kein Ärger mehr mit irgendwelchen nationalen oder regionalen Parlamenten, die dem neoliberalen Feldzug der Kommission nicht folgen wollen.
Zwar könnte diese Strategie erst bei den jetzt angekündigten neuen Verhandlungen mit Australien und Neuseeland von Anfang an gegangen werden, und viele der noch
fertig zu verhandelnden Abkommen müssten dafür nachverhandelt werden, aber das wäre in den meisten Fällen wohl kein grosses Problem.
Neben den unberechenbaren Parlamenten möchte die EU-Elite natürlich auch noch die ständig nörgelnden NGOs in die Schranken weisen. Nachdem der erste Ansatz, unbequeme Initiativen einfach nicht zuzulassen, gescheitert ist, läuft nun eine andere Diffamierungs- und Behinderungstaktik, deren Grundzüge ein neuer
Bericht ausführlich beschreibt. Bestandteil dessen ist der Versuch, den NGOs finanzielle Mittel zu entziehen, im EU-Parlament massiv vorgetragen von der konservativen Fraktion. An der Spitze der Kampagne stehen
Politiker der CDU/CSU , die sich ihre Materialen allerdings von Think Tanks der Chemieindustrie und israelischen Lobbyisten liefern lassen. Zwar ist auch hier der erste Versuch schon gescheitert, aber die Kampagne läuft ungebrochen weiter.
Das jüngste Beispiel ist ein
Meinungsbeitrag in einer ansonsten halbwegs seriösen europäischen Online-Zeitung. Geschrieben wurde er von einem Lobbyisten des 'Consumer Choice Center', einer angeblichen Verbraucher-Organisation, die
ausschließlich von Firmen finanziert wird und zum Netzwerk der Koch-Brüder gehört, zwei der reaktionärsten US-Milliardäre. CCC gibt in seiner
Registrierung im EU-Transparenz-Register als Ziel an, gegen Regulierungen auf lokaler, nationaler und supranationaler Ebene zu kämpfen und nennt dafür als Beispiel an erster Stelle den
"Protektionismus in der Luftfahrtindustrie". Ein weiteres Indiz, dass dieser Sektor in dieser Auseinandersetzung eine Rolle spielt, auch wenn er selten offen benannt wird.
Aber auch diese Taktiken werden den Widerstand nicht brechen. Er geht schon jetzt weiter, und wenn die ersten Resultate der 'regulatorischen Kooperation', die in Kraft ist, vorliegen und nicht-tarifäre Handelshemmnisse beseitigt werden sollen, wird er auch wieder sichtbarer werden.
Geht es tatsächlich schon bergab ?
20.09.2017
Sah es vor Kurzem noch so aus, als würde nicht nur Lufthansa, sondern auch die klassischen Billigflieger, allen voran Ryanair, von den Krisen der anderen Fluggesellschaften profitieren, so hört man jetzt auch da andere Töne.
Unmittelbar nach Ankündigung des
nächsten Expansionsschritts mussten die Iren
zahlreiche Flugausfälle melden und brauchten Tage, bis sie auch nur halbwegs
einen Überblick über das 'selbstverschuldete Chaos' hatten. Seither
spekulieren Medien und Fachwelt, was wohl dahinter stecken könnte.
Die ersten offiziellen Begründungen klangen angesichts des Ausmaßes und der offensichtlich überstürzten Einführung der Maßnahmen schon etwas seltsam. Erst hieß es, man wolle die Pünktlichkeit verbessern und für den Winterflugplan Reserven schaffen, dann wurde argumentiert, man habe sich nicht ausreichend auf eine (seit Jahren bekannte) Änderung der vorgeschriebenen Urlaubsregelungen für irische Piloten vorbereitet.
Beide Begründungen sind zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen. Tatsächlich möchte Ryanair im Winter verstärkt Umsteigeverbindungen bedienen und muss dafür die Pünktlichkeit zumindest in diesem Bereich deutlich verbessern. Dass sie arbeitsrechtliche Ansprüche des Personals wie z.B. Urlaub künftig ernster nehmen müssen, liegt allerdings nicht an irgendwelchen irischen Regeln, sondern eher an einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshof, wonach Ryanair-Beschäftigte künftig auch die Gerichte der jeweiligen Basen anrufen können, an denen sie stationiert sind, und nicht auf irisches Recht beschränkt sind, wie Ryanair in den Arbeitsverträgen vorschreiben möchte. Damit könnten die
schon lange laufenden Ermittlungen gegen Ryanair wegen Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben ganz neue Dimensionen annehmen.
Die meisten Kommentatoren sehen allerdings primär andere Gründe, in erster Linie einen wahrscheinlichen Pilotenmangel aufgrund der miserablen Arbeitsbedingungen, die Ryanair bietet. Ein Ex-Ryanair-Pilot meint, dass die Airline "ihre Piloten gar nicht so schnell ersetzen kann, wie sie kündigen" (eigene Übersetzung). Die Konkurrenz-Airline Norwegian wird überall zitiert mit der Angabe, sie habe in diesem Jahr schon über 140 Ryanair-Piloten abgeworben. Für einen Pilotenmangel spricht auch, dass Ryanair ihren Piloten derzeit großzügige Sonderzahlungen anbietet, wenn sie durch Urlaubsverzicht helfen, die aktuelle Krise zu bewältigen - und noch mindestens ein Jahr weiter für Ryanair fliegen.
Aber auch die teilweise unvorhersehbaren Entwicklungen rund um die Air Berlin-Insolvenz, wie die Probleme von Tuifly und der Insolvenzantrag gegen die Niki Luftfahrt GmbH (eine Air Berlin-Tochter, die eigentlich als profitabel galt), könnten ein Grund sein. Sollte Air Berlin den Flugbetrieb vor dem Verkauf einstellen müssen, würden plötzlich Slots auf dem heiss umkämpften deutschen Markt frei, die nur Airlines übernehmen könnten, die freie Kapazitäten nachweisen können. Auch dafür könnte Ryanair Reserven vorhalten wollen.
Alles in allem ist es nicht einfach, die Bedeutung der aktuellen Turbulenzen bei Ryanair einzuschätzen. Zwar ist einigermaßen sicher, dass deren Geschäftsmodell langfristig nicht tragfähig sein kann und darf, weil sie nur erfolgreich sind, indem sie die
atypische Beschäftigung in der Luftfahrt zu immer neuen, immer perverseren Höhepunkten treiben und keinerlei gesellschaftliche Verantwortung anerkennen.
Daraus folgt aber keineswegs, dass sie schon aktuell an Grenzen stossen. Auch wenn das derzeitige Vorgehen chaotisch ist und das Image von Ryanair nicht nur in der allgemeinen Öffentlichkeit, sondern auch bei den Kunden weiter leidet, kann es durchaus sein, dass schon in einigen Wochen niemand mehr darüber reden wird und Ryanair den Expansionskurs fortsetzen kann.
Denkbar ist aber auch, dass sich hier schon gravierendere Probleme andeuten, die die etablierten Carrier
ausnutzen können und werden, um sich die Schmutzkonkurrenz vom Hals zu schaffen. Dabei wäre ihnen sogar Erfolg zu wünschen, auch wenn befürchtet werden muss, dass es nicht der Kotzbrocken O'Leary und sein Gefolge sein werden, die die Zeche zahlen, sondern wie immer die Beschäftigten. Wenn damit allerdings verhindert werden könnte, dass das Niveau, auf das sich die Beschäftigung in der Luftfahrtindustrie hin nivellieren wird, das von Ryanair ist, hätten alle Beschäftigten in diesem Sektor einen Vorteil.
Wer den Schaden hat, ...
Offenbar hat Ryanair tatsächlich ein ernsthaftes Problem. Nicht nur macht sich die Konkurrenz über die Schwierigkeiten lustig und zahlt mit gleicher Münze zurück, was Ryanair jahrelang vorgegeben hat (siehe Grafik), viel schlimmer ist wohl, dass die Ryanair-Piloten offenbar überwiegend nicht mit einer Einmalzahlung abzuspeisen sind. Nach einem Bericht der Tagesschau proben sie vielmehr den Aufstand und verlangen eine grundlegende Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Andere nennen das einen Stresstest, aber es scheint deutlich zu sein, dass hier tatsächlich eine grundlegende Konfrontation stattfindet.
Derweil scheint es für die Konkurrenz besser zu laufen. Die Zerlegung der Air Berlin, die mit einem Mischmodell aus Netzwerk-Carrier und Billigflieger gescheitert ist, verläuft anscheinend so wie erwartet und wohl auch frühzeitig
ausgedealt. Auch wenn theoretisch noch etliche Bieter
im Rennen sind, stehen die
Favoriten wohl fest: es sind die Lufthansa Group, die mit der Beute insbesondere ihre Billigtochter Eurowings stärkt, die Nr. 2 auf dem europäischen Billigflieger-Markt, Easyjet, und der Ferienflieger Condor.
Damit machen genau die Airlines einen Wachstums-Sprung, die Ryanair besonders hart attackiert hat, um neue Marktanteile zu erobern. Das trägt sicher auch nicht dazu bei, die Situation für Ryanair zu stabilisieren.
Natürlich ist trotzdem noch nicht klar, wie das Spiel ausgeht und wer die Konsolidierung des europäischen Luftverkehrs überleben wird. Es macht aber deutlich, dass auch zeitweise unbesiegbar scheinende Akteure sehr schnell in Schwierigkeiten geraten können. Die Turbulenzen auf diesem Markt werden wohl noch eine Weile weitergehen.
Das Ausmaß des Ryanair-Problems wird deutlicher. Im Netz kursiert eine Kopie eines
Briefes, den die von Ryanair selbst eingesetzten Pilotenvertretungen verschiedener Basen (die ERCs) an Ryanair geschrieben haben. Darin fordern sie deutliche Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen.
Ausserdem war Ryanair gezwungen, weitere Streichungen im
Winterflugplan bekannt zu geben, darunter auch die bisher einzige
innerdeutsche Verbindung Köln-Berlin (der sog. Beamten-Shuttle). Auch in
Frankfurt wird gestrichen, indem einzelne Verbindungen zwar nicht ganz wegfallen, aber ausgedünnt werden. Dafür will Lufthansa von dem Wegfall der Berlin-Verbindung profitieren und setzt von Frankfurt nach Berlin künftig ausgerechnet einen besonders lauten
Jumbo Jet ein.
Ryanair hat auch für den kommenden Sommer generell ein 'langsameres Wachstum' angekündigt, aber wie das aussehen wird, bleibt abzuwarten.
19.09.2017
Am kommenden Sonntag sind Bundestags-Wahlen. Wer seine Wahlentscheidung von der Haltung der Parteien zu Themen abhängig machen will, die mit den Belastungen durch Flugverkehr zu tun haben, kann sich noch einige Ergebnisse von Befragungen dazu ansehen.
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen (ADF), die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) haben den sechs voraussichtlich im nächsten Bundestag vertretenen Parteien 7 Wahlprüfsteine vorgelegt. Vier Parteien haben geantwortet.
Die (eigentlich völlig irrelevante) 'Bürgeraktion Pro FRA' hat fünf Parteien zum 'Flughafenkonzept' des Verkehrsministeriums befragt, dort haben alle Parteien geantwortet, auch die CDU/CSU.
In Frankfurt gab es eine Podiumsdiskussion mit den dortigen Kandidaten (bzw. einem Vertreter), die als Video aufgezeichnet wurde.
Zur Podiumsdiskussion der Initiative 'Zukunft Rhein-Main' am 31.08.2017 zum Thema 'Wer schützt uns vor Fluglärm?' gibt es eine Audio-Aufzeichnung.
Natürlich wollen wir hier keine Bewertung der dort dokumentierten Aussagen versuchen. Jede/r muss für sich selbst entscheiden, inwieweit das, was da gesagt bzw. geschrieben wurde, für ihre/seine Wahlentscheidung relevant sein kann.
Festhalten kann man aber: insgesamt spielt dieses Thema keine große Rolle mehr. Kaum eine der Parteien gibt sich Mühe, wirklich in die Details zu gehen und Konzepte zu entwickeln, wie Fluglärm und Schadstoff-Belastung wirksam reduziert werden könnten. Dass ein Thema sachlich wichtig ist und Maßnahmen notwendig wären, genügt eben nicht. Wenn nicht genügend WählerInnen deutlich machen, dass sie ihre Wahlentscheidung daran festmachen, ist es für die Parteien nicht mehr relevant.
Ohnehin muss man grundsätzlich feststellen: Wahlen allein ändern nichts. Wenn nicht in der Gesellschaft eine Bewegung vorhanden ist, die Änderungen fordert und dafür Druck entwickelt, handelt die Politik nicht. Gewählte PolitikerInnen, so gutwillig sie auch sein mögen, können nur umsetzen, was öffentlich nachdrücklich verlangt wird; andernfalls setzen sich die Lobby-Interessen der wirtschaftlich Mächtigen reibungslos durch.
Wer will, dass sich etwas ändert, kann sich nicht darauf beschränken, am Sonntag ein Kreuzchen zu machen. Viel wichtiger ist, am Montag danach, und an allen folgenden Tagen, Druck zu machen dafür, dass das Notwendige auch passiert. Die Wahlen können darüber entscheiden, wie ansprechbar die Personen an den politischen Schaltstellen sein werden - was sie tun, hängt davon ab, wer genügend Druck für seine Forderungen entwickeln kann.
Die CDU/CSU hat die Antworten zu den Wahlprüfsteinen von ADF/BVF/VCD nachgeliefert, so dass in der Tabelle nur noch die AFD-Spalte leer ist. Wir wollen nicht behaupten, dass diese Antworten fehlen, denn wir gehen fest davon aus, dass die LeserInnen dieser Webseite keine weiteren Argumente brauchen, um zu wissen, dass man dieses Pack nicht wählen kann.
Nun wirklich ganz knapp vor der Wahl hat noch eine Luftfahrt-Zeitschrift die Programme der wichtigsten Parteien in Bezug auf ihre
Aussagen zur Luftverkehrs-Politik analysiert.
Ebenfalls sehr kurzfristig hat das BBI noch eine Presseerklärung zu der Fragebogen-Aktion bei PolitikerInnen der Region veröffentlicht (Achtung: Das PDF öffnet sich in den meisten Readern auf Seite 2, der Text der PM steht weiter vorne!).
Und wer jetzt immer noch nicht weiss, was er/sie wählen soll, sollte eine Person seines/ihres Vertrauens befragen. Mehr Informationen gibt es (zumindest hier) vor dem Wahltag nicht mehr.
Konfliktlösung a la Fraport - der Flughafen wuchert weiter,
die Besiedlung der Region hat sich dem anzupassen.
17.09.2017
Die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt (KAG), ein in jüngerer Zeit eher wenig aktives Gremium der vom Flughafen betroffenen Anrainer-Gemeinden, hat am 12.09. eine Fachveranstaltung zum Thema "Siedlungsbeschränkung versus Siedlungsdruck" durchgeführt. Zutritt hatten nur geladene Gäste, aber die Vortragsfolien und eine Zusammenfassung sind unter dem obigen Link verfügbar.
Als Grundproblem benennt die KAG "die ständig wachsende Nachfrage nach Wohnraum bei gleichzeitig bestehenden Bauverboten und Siedlungsbeschränkungen". In der Praxis führe das dazu, dass die Verbote, "die dem vorbeugenden Lärmschutz dienen ... und höchste Betroffenheit durch Fluglärm verhindern sollen", "flächendeckend mittels Ausnahmegenehmigungen umgangen [werden], was zu erheblichen Verwerfungen und Belastungen durch maximale Nachverdichtung im Innenbereich der Kommunen führt."
Mit anderen Worten: Menschen drängen ins Rhein-Main-Gebiet, auch dahin, wo es laut ist, und diesem Druck wird (teilweise) nachgegeben, auch wenn alle wissen, dass das eigentlich unverantwortlich ist.
Diese Problematik wurde in einem
Grundsatzreferat eines Experten der TU Kaiserslautern erläutert, der darüber hinaus (nach den Vortragsfolien zu schliessen) noch aufzeigte, dass der Frankfurter Flughafen eindeutig nicht zu den "lärmfreundlichen" Standorten gehört, dass Siedlungsbeschränkungen ein Instrument des mittlerweile Gesetz gewordenen 'Balanced Approach' der ICAO sind, das angewendet werden muss, ehe Betriebsbeschränkungen eingeführt werden dürfen, und dass die Verbote nach Fluglärmschutzgesetz äusserst lückenhaft und widersprüchlich sind.
Die Fluglärmschutzbeauftragte
erläuterte die Änderungen, die an den Siedlungsbeschränkungensbereichen durch den neuen Landesentwicklungsplan vorgesehen sind, und eine Vertreterin des Öko-Instituts
präsentierte Ergebnisse einer Online-Befragung ausgewählter 'Beteiligter' über die geltenden Regelungen, die als Material für den UBA-Bericht zur Bewertung des Fluglärmschutzgesetzes einbezogen wurde.
Als kommunale Vertreter werden Bürgermeister Jühe zitiert, der für Raunheim einen Wachstumsstopp erklärt, sowie Paul-Gerhard Weiß, Flughafendezernent der Stadt Offenbach, der die Nutzung der Ausnahmeregelungen für Offenbach für unverzichtbar hält.
Highlight der Veranstaltung ist aber natürlich wieder
ein Vortrag der Fraport. Trotz der üblichen schwülstig-verqueren Formulierungen und schönfärberischen Darstellung der Schallschutz-Maßnahmen ist die Kernaussage sehr klar: der "bedarfsgerechte Ausbau" des Flughafens ist rechtlich abgesichert, und wenn die vorhandenen Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutz nicht ausreichend sein sollten, dann muss eben die 'Siedlungssteuerung' dafür sorgen, dass sich die Konflikte in Grenzen halten.
Oder wieder anders formuliert: wenn die Besiedlungsdichte im Rhein-Main-Gebiet mit dem Flughafen-Wachstum nicht vereinbar ist, dann muss sich eben die Besiedlung anpassen.
Aber auch, wenn man das als Fraport-übliche Unverschämtheit abtut, bleibt die Frage, ob es nicht tatsächlich sinnvoll ist, auch die Menschen vor gesundheitsschädlichem Fluglärm zu schützen, die glauben, das ertragen zu können, oder die aus schierer wirtschaftlicher Not dazu getrieben werden, ihn zu ignorieren. Wenn man das aber aus humanitären Gründen bejaht, dann stellt sich natürlich sofort die Frage, warum dann diejenigen, die (teils schon seit Generationen) in den siedlungsbeschränkten Gemeinden wohnen, dem ausgesetzt werden dürfen. Der Hinweis des TU-Experten, wonach "„Ungleichbehandlung“ von Bestand und Planung ... gängiges Mittel der Umweltvorsorge" sei, geht am Kern der Sache vorbei, denn dabei geht es in der Regel um Risiken, die einerseits kleiner sind, denen man andererseits aber auch garnicht ausweichen kann - anders als bei einem Flugbetrieb, der natürlich jederzeit auch anders organisiert werden könnte.
Betrachtet man das Problem mit hinreichender Distanz, erkennt man, dass hier mehrere Fehlentwicklungen zusammen wirken. Dass ein Flughafen in einer dicht besiedelten Region zu einem Mega-Hub ausgebaut wurde und wird, ist eine davon. Die allgemeinere ist, dass in einer sog. "Marktwirtschaft" die Tendenz zur Monopolisierung nicht nur zwischen den Unternehmen, sondern auch zwischen den Regionen wirkt und dazu führt, dass (relativer) Wohlstand und Arbeitsplätze sich auf immer weniger und immer dichter besiedelte Regionen konzentrieren, während andere veröden und verelenden.
Natürlich wäre es Aufgabe der Politik, dem entgegen zu steuern. Da aber hierzulande PolitikerInnen, die das "Primat des Marktes" nicht verinnerlicht haben, nicht einmal in die Nähe der Macht kommen, passiert das natürlich nicht. Stattdessen wird mit Flickwerk versucht, die übelsten Folgen zu reparieren - dass dabei nichts Gescheites herauskommen kann, ist selbstverständlich.
Insofern sind auch die Siedlungsbeschränkungen, die zunächst plausibel erscheinen können, nur eine unzureichende Krücke, die kein Problem wirklich löst. Richtig ist, dass weder die unkontrollierte Wucherung des Flughafens zur Sicherung des Profits der Fraport und einiger Fluggesellschaften, noch die immer dichtere Besiedelung der Rhein-Main-Region aus sozialer und ökologischer Sicht vertretbar sind. Nachhaltige Entwicklung erfordert sowohl eine andere Verkehrs- als auch eine andere Wirtschafts- und Regional-Politik. Ob auf dem Weg dorthin Siedlungsbeschränkungen eine positive Rolle spielen könnten, liesse sich nur beantworten, wenn das Ziel klar und erreichbar wäre - beides ist derzeit nicht der Fall.
15.09.2017
Die starken Worte kamen am Anfang und waren (fast) geeignet, Erwartungen zu wecken. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat eine Resolution für die Klimakonferenz COP23 im November in Bonn beschlossen, die nahezu alles enthält, was klima-politisch notwendig ist: "vollständige Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts", "Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 Grad Celsius, besser noch auf 1,5 Grad Celsius", "Finanzierung des Klimaschutzes forcieren", "Investitionen in Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens bringen", "globale Emissionshandelssysteme etablieren", und noch einiges mehr. Der Nachteil des Papiers: es ist nur eine Aufforderung an die EU-Kommission, für all das eine Strategie zu entwickeln, und es ist unverbindlich.
In der gleichen Woche hat der Umweltausschuss auf Antrag der sozialdemokratischen Berichterstatterin auch eine Stellungnahme für ein ambitioniertes Energie-Einsparziel abgegeben. Der Pferdefuß hier: federführend für die Parlamentsstellungnahme ist der Industrieausschuss, und dessen ebenfalls sozialdemokratischer Berichterstatter lehnt dieses Ziel im Bündnis mit Konservativen und Liberalen als "unrealistisch" ab.
Eine Woche später, als es um konkretere Beschlüsse ging, haben die Parlamentarier mehrheitlich ihre guten Vorsätze schon wieder vergessen. Nach einer Einschätzung der europäischen Waldschutz-NGO Fern haben sie mit einem Beschluss zur Bilanzierung der Klimawirkungen der Landnutzung und der Nutzung von Bioenergie "kläglich versagt". Eine Koalition von Konservativen und Liberalen hat mit einem Änderungsantrag einen relativ brauchbaren Beschluss des Umweltausschuss soweit verwässert, dass er sogar noch hinter den ohnehin geringen Ambitionen des Rates zurückbleibt. Laut Fern sind sie damit "eingeknickt unter dem Druck der Staaten, die ihre Holzernte drastisch erhöhen wollen, ohne das ehrlich zu bilanzieren" (alle Zitate eigene Übersetzung). Die Details sind komplex und in einem Hintergrundpapier des DNR nachzulesen.
Gleichzeitig musste sich das Parlament selbst von Industrievertretern ermahnen lassen, dass seine Position in den gerade begonnenen Trialog-Verhandlungen mit Rat und Kommission zur Reform des europäischen Emissionshandelssystems EU-ETS zu schwach ist und höhere Ambitionen notwendig wären, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Und last but not least hat das Parlament auch für die Trialog-Verhandlungen zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-ETS
zugestimmt, internationale Flüge weiterhin auszunehmen und darauf zu warten, ob das ICAO-System CORSIA irgendwelche Wirkungen zeigt.
Von den Forderungen der NGOs sind die wenigsten erfüllt, trotzdem sieht die europäische NGO Transport & Environment
auch Positives in dem Beschluss. Dazu muss man aber schon sehr positiv denken, denn die Unzulänglichkeiten von und die Ungewissheiten über CORSIA sind nach wie vor gross. Vielleicht fördern ja die Entwicklungen in den USA solches Denken. Denn obwohl die Hardliner in der Trump-Regierung auch durch die jüngsten Hurricane-Schäden nicht zum Nachdenken gebracht wurden, behindern die US-Vertreter in den internationalen Organisationen deren Arbeit bisher kaum, und selbst die Vorbereitungen für die oft und gern geschmähten IPCC-Berichte gehen ungehindert voran. Allerdings kann auch da niemand sagen, ob und wie lange das so weiter geht.
Die weitaus meisten Wirbelschleppen-Schäden gab es in Raunheim - und das Risiko existiert auch hier weiter.
13.09.2017
Wie erwartet, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof auch den Teil der Klage Flörsheimer Privatkläger, der sich auf den Schutz vor Wirbelschleppen bezog, in vollem Umfang abgelehnt. Da auch die Kläger die VGH-Entscheidung nur als notwendigen Zwischenschritt für eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht sehen, könnte man eigentlich kommentarlos darüber hinweggehen - wenn nicht sowohl die Klage als auch das Urteil Anlass zu einigen kritischen Fragen gäbe.
Zwar kennen wir weder die Klageschrift, noch ist das Urteil schon veröffentlicht, aber einige Punkte scheinen trotzdem klar. Sowohl die Pressemitteilung des VGH als auch die Berichte in FNP und FR beschreiben hinreichend deutlich, was beantragt und beurteilt wurde - und beides ist nicht das, was eigentlich einer Klärung bedarf.
Nach der VGH-Zusammenfassung "verfolgen die Kläger das Ziel, den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt Main durch weitere Regelungen zu ergänzen, um die - ihrer Ansicht nach - unzumutbaren Gefahren zu beseitigen, die von Wirbelschleppen landender Flugzeuge ausgehen. Sie haben deshalb beantragt, das Land Hessen zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss durch weitere Betriebseinschränkungen dahingehend zu ergänzen, dass die Landebahn Nordwest des Flughafens für Flugzeuge der Kategorie „Heavy“ (Abflugmassen über 136.000 kg) sowie für Flugzeuge des Typs Boeing B 757 bei Anflügen aus westlicher Richtung gesperrt wird."
Der VGH lehnt das ab mit der Begründung, mit den beiden Planergänzungen zu Wirbelschleppen "habe das Verkehrsministerium des Landes Hessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausreichende Schutzvorkehrungen gegen die von Wirbelschleppen landender Flugzeuge verursachten Gefahren angeordnet".
Er führt weiter aus, das Ministerium habe die Wirbelschleppenrisiken "auf der Grundlage der dazu eingeholten und von der Vorhabenträgerin, der Fraport AG, vorgelegten Schadensanalysen und gutachtlichen Stellungnahmen beanstandungsfrei ermittelt und bewertet" und stellt fest, "Die Kläger hätten keine Einwände vorgebracht, die geeignet seien, diese Ermittlungsergebnisse in Zweifel zu ziehen. Auch sonstige Anhaltspunkte für methodische Unrichtigkeiten der vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen von Gutachtern sind nach Überzeugung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht festzustellen".
Abschliessend heißt es dann noch, "Eine ordnungsgemäß vorgenommene Klammerung von Dacheindeckungen sei als Mittel zur Vorsorge grundsätzlich auch geeignet, Schäden durch Wirbelschleppen ... zu vermeiden und damit das Gefährdungsrisiko auf ein zumutbares Maß zu reduzieren. Für die realistische Annahme, dass darüber hinaus Personen am Boden durch eine unmittelbare Einwirkung von Wirbelschleppen an Körper und Gesundheit geschädigt werden könnten, seien weder hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen worden, noch seien solche sonst wie erkennbar.".
Leider gibt es keine Hinweise, dass die VGH-Zusammenfassung wesentliche Argumente der Kläger ignorieren würde, und auch der FNP-Reporter, der offensichtlich bei der Verhandlung dabei war, berichtet nichts davon. Daraus muss man wohl schliessen, dass wichtige Themen auch in diesem Prozess von keiner Seite angesprochen wurden.
Um das Vorgehen von Fraport und Landesregierung erfolgreich anzugreifen, müssten mindestens die folgenden Punkte geklärt werden:
Raunheim hat allerdings keinen Grund, nun über die unfähigen Flörsheimer zu lästern. Obwohl hier die Wirbelschleppen-Problematik schon viel länger und deutlicher existiert, haben wir es nicht geschafft, überhaupt eine Klage auf den Weg und durch die Instanzen zu bringen, die mehr erreicht hätte. Auch die Stadt Raunheim ist mit ihren Bemühungen bei dem faulen Kompromiss einer Klammerung der städtischen Gebäude stecken geblieben, und ohne die Flörsheimer Aktivitäten gäbe es wahrscheinlich nicht mal das jetzige Dachsicherungsprogramm. Die vertanen Chancen haben sich beide Gemeinden zuzuschreiben.
Für die betroffenen HausbesitzerInnen bleiben weiter wesentliche Fragen offen. So berichtet die FNP aus dem Verfahren: "Die Ministeriumsmitarbeiter führten an, die Dachklammerungen seien zumutbar und müssten von einem Immobilien-Eigentümer zur Gefahrenabwehr durchgeführt werden." - eine Behauptung, die man mit guten Gründen bestreiten kann. Etwas später berichtet die FNP über das Urteil: "Der Senat legte zudem dar, dass die Hauseigentümer ja nicht verpflichtet seien, die Klammerungen vornehmen zu lassen. ... Wenn die Eigentümer ... keine Baumaßnahme zur Sicherung vornehmen ließen, dann sei dies deren freie Entscheidung. Wer dann für eine eventuelle Entschädigungszahlung im Schadensfall ... im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht eintreten muss, wurde vom Gericht nicht erläutert." Alles klar?
Die FNP berichtet noch weitere Details aus der Verhandlung sowie über die Haltung der Musterkläger.
Interessantestes Detail ist die Aussage eines Rechtsverdrehers des Ministeriums zu einem Schadensfall in Flörsheim am 26.05.2015, wonach es "keineswegs erwiesen [sei], ob es sich damals um eine Wirbelschleppe gehandelt habe, ... . Der Wetterdienst habe zu diesem Zeitpunkt keine Konstellation feststellen können, die an dieser Stelle zu einer Wirbelschleppe hätte führen können." Für einen fähigen Anwalt hätte das eine Steilvorlage sein müssen, das Vorgehen des Ministeriums bei der Bewertung solcher Schäden auseinander zu nehmen und die Fragwürdigkeit der Beurteilung des Schadensrisikos durch solche Überflüge zu demonstrieren.
Weiteres trauriges Detail ist die Aussage von Bürgermeister Antenbrink, wonach es in der Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht nicht, wie wir ursprünglich angenommen hatten, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit und damit möglicherweise um eine umfassende Würdigung des Risikos gehen soll, dem Anwohner durch Wirbelschleppen ausgesetzt werden, sondern "geklärt werden soll, ob das von der Fraport initiierte Dachklammerungsprogramm nicht in die Eigentumsrechte der Hauseigentümer eingreift" - eine hochspannende Frage, mit der sich ein Fachanwalt für Öffentliches Recht sicherlich qualifiziert auseinandersetzen kann.
Die wirkliche rechtliche Beurteilung des Risikos durch Wirbelschleppen wird wohl auf absehbare Zeit nicht am Frankfurter Flughafen stattfinden.
Der Vorsitzende des Vereins "Für Flörsheim e.V.", der die KlägerInnen unterstützt, Herr Jakob Gall, war mit dem ersten Teil dieses Beitrags garnicht einverstanden (mit dem zweiten wahrscheinlich auch nicht). Er hat seine Kritik in einem Brief formuliert, der zusammen mit unseren Antworten hier heruntergeladen werden kann.
Eine toxische Mischung: sowohl Auto- als auch Luftverkehr
tragen wesentlich zur Abgasbelastung im Rhein-Main-Gebiet bei.
31.08.2017
Anlässlich der Debatte um den Diesel-Gipfel hat die Frankfurter Stabsstelle Fluglärm zurecht darauf hingewiesen, dass der Luftverkehr einen wesentlichen Anteil an der Stickoxid-Belastung im Rhein-Main-Gebiet hat. Die erste Version der Pressemitteilung hatte allerdings zu einigen Diskussionen in den BIs geführt, da sie falsche Zahlen enthielt und zurückgezogen werden musste.
Inzwischen scheint geklärt, welche Zahlen vorliegen, und in Kürze wird wohl eine neue PM online sein. Die wesentlichen Aussagen sind: Für den Anteil des Luftverkehrs an den für die Luftbelastung im Ballungsraum Rhein-Main relevanten NOx-Emissionen lässt sich für 2009 / 2010 ein Anteil von 12,7 % berechnen, für den Kfz-Verkehr von 49,8 %. Das heisst auch, dass der Luftverkehr immerhin ein Viertel der Menge beigetragen hat, die der als Hauptverursacher bekannte Autoverkehr geliefert hat.
Die Emissionen des Luftverkehrs sind seither um knapp 10 % gewachsen. Die des Autoverkehrs hätten theoretisch wegen der strengeren Grenzwerte sinken müssen, sind aber real wegen des Betrugs der Autoindustrie ebenfalls gewachsen, wenn auch nicht ganz klar ist, um welchen Prozentsatz. Sollte aber diesen Verbrechern irgendwann das Handwerk gelegt und die Grenzwerte eingehalten werden, könnte der Flugverkehr künftig die Rolle des Autoverkehrs als Hauptemittent einnehmen.
Passend zur aktuellen Diskussion gibt es eine neue Übersicht über die jüngsten Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Wirkungen der Hauptschadstoffe aus dem Verkehr. Es lohnt sich, einige Überschriften daraus zu zitieren.
Mit Bezug auf (u.a.) Stickoxide heisst es da:
Für Feinstaub bzw. Ultrafeinstaub gibt es folgende Aussagen:
Was folgt aus all dem? Es wird immer deutlicher, dass die Abgase aus Verbrennungsmotoren und Turbinen gefährlicher sind, als bisher angenommen, und dass die aktuell geltenden Grenzwerte, selbst wenn sie eingehalten würden, die Gesundheit der Bevölkerung nicht wirklich schützen können. Für das Rhein-Main-Gebiet ist der Flugverkehr heute schon eine relevante Quelle dieser Abgase, und wenn die Wachstumsträume der Luftverkehrsindustrie wahr würden, könnte er in absehbarer Zeit zum Hauptvergifter avancieren.
Mit Blick auf die oben zitierten Wirkungen der Schadstoffe in Bezug auf Hirnleistung und neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz könnte Herr Schulte auf makabere Weise Recht behalten: Fluglärm ist Kopfsache - unter dem Einfluss der Schadstoffe kann man ihn vergessen - aber leider alles andere auch.
Der blaue Teil des Billig-Fingers soll in zwei Jahren stehen. Später soll er verlängert und an das Terminal angedockt werden (lila), und ganz zum Schluss werden auch noch Brücken gebaut, um direkt ins Flugzeug zu gelangen (rot) - wenn alles so läuft, wie sich Fraport das jetzt vorstellt.
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18.08.2017
Die Meldungen aus dem Luftverkehrsmarkt scheinen derzeit widersprüchlich. Zum einen deuten der Insolvenzantrag der ehemals zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin und der Notverkauf der ehemaligen italienischen Staatsfluglinie Alitalia sowie Sparprogramme und Stellenabbau bei Fluggesellschaften wie Condor und Iberia auf krisenhafte Entwicklungen hin. Zum anderen nehmen Passagierzahlen und Fracht wieder zu, können Airlines wie die Lufthansa vor Kraft kaum laufen, und auch Fraport treibt den Ausbau schneller voran: für den Billigfinger von Terminal 3 wurde jetzt der Bauantrag eingereicht.
Mit Letzterem klären sich einige der aufgeworfenen technischen Fragen: bis 2020 soll ein kleines Stückchen Terminal gebaut werden, in dem die per Bus herangekarrten Passagiere und ihr Gepäck gesammelt werden können, sowie ein Stück Flugsteig, von dem die Passagiere zu ihren Flugzeugen laufen können. 2023 wird der Flugsteig verlängert und mit dem dann fertigen Hauptterminal verbunden, und irgendwann noch später soll es auch Brücken geben, über die man direkt vom Flugsteig ins Flugzeug gehen kann. Laut Fraport-Chef Schulte wird das damit ein "vollfunktionsfähiges Abfertigungsgebäude speziell für den Bedarf des Low-Cost-Segments ... und auch optimal in das Hub-System des Frankfurter Flughafens eingebunden", was nötig ist, damit das Ganze planfeststellungskonform über die Bühne gehen kann.
Geprüft wird das in Al-Wazirs Wirtschaftsministerium, und wer immer noch darauf hofft, dass es da Probleme geben könnte, hat aus den vergangenen Jahren nichts gelernt. Auch dass nun in Frankfurt ein SPD-Dezernent für den Bauantrag zuständig ist, wird nichts ändern, denn vom Frankfurter Dreamteam für den Schallschutz ist der eine sowieso für weiteres Wachstum, und die andere lernt gerade, wie machtlos sie an ihrer Stelle ist.
Aber kann Fraports Kalkulation wirklich aufgehen? Zeigen nicht die krisenhaften Entwicklungen, dass die Träume der Luftverkehrswirtschaft nicht in den Himmel wachsen? Ja und nein.
Die krisenhaften Entwicklungen sind natürlich teilweise auch auf schlechtes Management zurückzuführen, aber der Kern der Entwicklung ist ein anderer. Schon seit Jahren wird die Notwendigkeit der Konsolidierung der europäischen Luftverkehrswirtschaft beschworen, und die aktuellen Ereignisse sind ein Teil dieses vorhergesagten Prozesses. Schwächere Akteure werden von den stärkeren vom Markt verdrängt, verschluckt oder zerlegt. Das geht zum Teil unspektakulär, wie bei den meisten Übernahmen der Vergangenheit, teilweise aber eben auch mit großer Show wie jetzt bei Air Berlin. Nicht nur Ryanair-Chef O'Leary vermutet hier ein abgekartetes Spiel: Lufthansa vertieft das Bündnis mit einem früher so heftig bekämpften Golf-Carrier und bekommt dafür die Filetstücke von Air Berlin auf dem silbernen Teller serviert. Die Regierung fördert dieses Spiel nicht nur aus Angst um die Arbeitsplätze, auch wenn Wettbewerbshüter motzen.
Trotzdem wachsen auch die Bäume der derzeitigen Champions nicht in den Himmel. Grenzen des Wachstums werden an etlichen Stellen sichtbar, und sie werden auch spürbar werden. Nicht nur der Klimawandel setzt dem weiteren Wachstum Grenzen, auch sehr viel näher liegende Probleme tauchen auf. Der als
Haupt-Wachstumstreiber identifizierte Tourismus
stößt an Grenzen, realistische Prognosen, wieviel reales Wachstum unter diesen Bedingungen noch möglich ist, gibt es nicht.
Kämpfe toben also an verschiedensten Fronten, aber wie sie ausgehen werden, läßt sich nicht vorhersagen. Als Gegner des weiteren Wachstums des Luftverkehrs kann man allerdings festhalten: die Gegenseite hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen, und jeder Beitrag, der diese Schwierigkeiten verstärkt, kann sich lohnen.
Das UNH versucht, zu beweisen, dass die von ZRM vorgeschlagene Berechnungsmethode überflüssig ist, aber das gelingt nicht so recht. Gerade im Raunheimer Südosten zeigt sich, dass es real deutlich lauter ist, weil die Südumfliegung nicht exakt geflogen wird.
17.08.2017
Es hat lange gedauert, aber jetzt hat es die Fluglärmkommission geschafft, sich in einer Sondersitzung mit dem Projekt der Zukunft Rhein-Main und des DFLD zum Fluglärm-Monitoring, über das wir schon vor beinahe zwei Jahren
berichtet haben, auseinander zu setzen. Im Kern ging es darum, ob die Berechnung des Fluglärms statt wie bisher auf Basis eines 'Datenerfassungssystems' (DES) mit idealisierten Flugrouten oder auf Basis der realen Flugbewegungen erfolgen sollte.
Die Präsentation von Herrn Ebert aus Rüsselsheim informiert über Hintergründe, Entwicklung und Ergebnisse des
Kommunalen Fluglärm-Monitorings. Sie begründet auch, warum das bisherige Monitoring unzureichend ist und erweitert werden muss, enthält allerdings gegenüber dem Stand von vor zwei Jahren keine neuen Daten.
Herr Lanz vom Umwelthaus versucht mit
seiner Präsentation gegenzuhalten und zu begründen, warum das, was das UNH macht,eigentlich völlig ausreichend ist. Das gelingt ihm natürlich nicht, da ihm in den vergangenen zwei Jahren offensichtlich kein Argument gegen die Gründe für das ZRM-Projekt eingefallen ist und er sicherheitshalber darauf garnicht eingeht.
Die eingeladenen DLR-Experten erklären in den restlichen Dokumenten streng wissenschaftlich, was die Unterschiede zwischen beiden Verfahren und die jeweils offenen Fragen sind. Insbesondere der beigefügte
Fachartikel zeigt sehr schön, dass der ZRM-Vorschlag keine exotische Idee kommunaler Nörgler ist, sondern praktische Vorteile hat.
Alles in allem sieht das nach einem glatten Sieg für ZRM und DFLD aus, aber da ja in der Fluglärmkommission alle nett zueinander sind, ist die
ZRM-Meldung sehr zurückhaltend und zitiert weitestgehend nur die
Pressemitteilung der FLK, die ein 'ausgewogenes' Fazit zieht: Die Methode ist in Ordnung, stellt einen Fortschritt dar und sollte genutzt werden, fehlende Daten sollten erhoben werden, um die Unsicherheiten in der Berechnung zu reduzieren. Den Verfechtern der alten Methode gelang es nur noch, den vielsagenden Hinweis aufzunehmen, dass eine Berechnung auf der Basis realer Flugspuren nicht möglich ist, wenn garnicht geflogen wurde, z.B. bei Prognosen - nun ja.
Hauptgewinner dieser Entwicklung sind die Kommunen im weiteren Umland, für die bisher garkeine offiziellen Fluglärm-Berechnungen vorlagen, die aber mit der 'neuen' Methode möglich sind und vom DFLD auch durchgeführt wurden. Für den Nahbereich, also z.B. Raunheim, beschränkt sich der Vorteil darauf, Unterschiede aufgrund von dauerhaften Abweichungen von den vorgegebenen Routen zu identifizieren. Sonstige Vorteile des kommunalen Monitorings, wie z.B. die bessere Repräsentanz der betroffenen Gebiete, hängen weniger von der gewählten Methode als von den Interessen derjenigen ab, die rechnen lassen.
05.08.2017
Die Frist für die Abgabe von Kommentaren zum Entwurf des neuen Landesentwicklungsplans (der als Änderungsentwurf daherkommt, aber faktisch den alten Plan fast vollständig ersetzt) ist nun abgelaufen. Wieviel und welche Kommentare abgegeben wurden, erfährt das gemeine Volk nicht. Auf der
Webseite der Landesregierung kann man nur lesen, dass "die Landesregierung über die Ergebnisse der Beteiligung entscheiden" wird und dass geplant ist, diesen hochherrschaftlichen Akt "noch in 2017 herbeizuführen". Anschließend darf auch noch der Landtag zustimmen (oder theoretisch auch ablehnen, aber wofür gibt es die Regierungsmehrheit?).
'Demokratische Beteiligung' ist offensichtlich nicht wirklich erwünscht. Selbst bei der für ihre Demokratie-Defizite so häufig zu Recht gescholtenen EU gibt es in der Regel die Möglichkeit, die Beiträge zu Konsultationen einzusehen und damit die öffentliche Diskussion über politische Fragen weiterzuführen. Direkte Wirkungen hat das allerdings auch nur äusserst selten.
Wer also wissen möchte, was sonst noch so zu dem Entwurf gesagt wurde, muss selber suchen, und zumindest bei den üblichen Verdächtigen wird man auch fündig.
Wir hatten schon unmittelbar nach Offenlegung der Unterlagen auf die mögliche Beteiligung
hingewiesen und unsere eigene Stellungnahme zusammen mit einer
Pressemitteilung noch so rechtzeitig verschickt, dass immerhin zwei Anfragen von anderen Initiativen kamen, die Teile davon übernehmen wollten (was wir immer gerne sehen). Ansonsten war das Presseecho gering, aber die Hessenschau hat unsere Bewertung der Aussagen zur Nachtruhe recht prominent in einen Beitrag über Fluglärm eingebaut.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen hatte bereits frühzeitig eine eigene
Stellungnahme veröffentlicht, und die BI Sachsenhausen hatte von Rechtsanwältin Philipp-Gerlach einen Musterbrief für einen Einwand entwerfen lassen, der sich ebenfalls schwerpunktmäßig auf den Fluglärm bezieht.
Auch die Fluglärmkommission hat in ihrer Juni-Sitzung eine Stellungnahme zur LEP-Änderung beschlossen und diese in einer
Pressemitteilung erläutert.
Von kommunaler Seite gibt es eine ausführliche Stellungnahme des Kreises Groß-Gerau, die Landrat Will noch in einer eigenen Pressemeldung kommentiert. Auch die Stadt Rüsselsheim hat eine längere Stellungnahme abgegeben, die ein Bericht des Rüsselsheimer Echo zusammenfaßt. Aus Offenbach haben wir noch eine Pressemeldung gefunden und über die Flörsheimer Stellungnahme einen Zeitungsbericht. Interessant ist auch noch die Begründung eines Antrags der SPD-Fraktion im Kreistag Main-Taunus, die sehr juristisch erklärt, warum die Formulierung zum Schutz der Nachtruhe im Änderungsentwurf noch schwächer ist als die Formulierung im alten LEP (die auch noch gültig bleibt, aber als Grundsatz rechtlich weniger wiegt als das neue Ziel).
In diesen Stellungnahmen findet man viel Gemeinsames in der Kritik an den schwachen Aussagen zum Lärmschutz, allerdings auch viele Unterschiede im Detail. Von einem Konsens über das, was zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm notwendig und machbar wäre, sind nicht nur die Region insgesamt, sondern auch die Ausbaugegner und die Kritiker des Flughafens noch weit entfernt. Die Punkte Schadstoff-Ausstoss / Luftreinhaltung und Bezug zum Klimawandel werden so gut wie garnicht erwähnt.
Eine Intensivierung der Diskussion darüber wäre dringend erforderlich. Die Neufassung des Landesentwicklungsplanes wäre ein guter Anlass dafür, das laufende Verfahren ist dafür aber komplett ungeeignet. Alternative Strukturen, die diese Diskussion voran treiben könnten, sind allerdings auch nicht in Sicht.
Die Verteidiger von Fort NOx (alias Diesel-Kartell) und ihre Ergebnisse.
03.08.2017
Dass die Luftreinhaltepolitik in Deutschland nicht nur in Bezug auf Flugzeug-Emissionen unzureichend ist, haben wir schon öfter dokumentiert und zuletzt auch in unserer Stellungnahme zum Landesentwicklungsplan kritisiert. Gestern gab es ein weiteres Beispiel für das Versagen der Politik auf diesem Gebiet.
Mit einem Treffen in Berlin versuchte die Bundesregierung, in einem der größten Industrieskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte ein wenig Druck abzubauen. Nachdem das Verwaltungsgericht Stuttgart die dauerhafte Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte in Stuttgart für unzulässig erklärt hat und Fahrverbote für Diesel-PKW nicht nur als rechtlich zulässig, sondern als "die effektivste und derzeit einzige Luftreinhalteplanmaßnahme zur Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte" betrachtet, war eine Reaktion dringend notwendig.
Zuvor waren Politik und Industrie recht erfolgreich bemüht, den vor knapp zwei Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gewordenen Abgas-Skandal einfach auszusitzen. Daran änderten zunächst auch die
Klagedrohung der EU-Kommission und die
Vorwürfe einer wettbewerbswidrigen Kartellbildung nichts. Die Politik verteidigt die Industrie in Brüssel hartnäckig und versucht aktuell u.a., rückwirkend eine Ausnahmegenehmigung für höhere Emissionen zu bekommen.
Mit der konkreten Androhung von Fahrverboten bekam das ursprünglich als beschauliche Alibiveranstaltung im Sommerloch geplante
Nationale Forum Diesel eine besondere politische Brisanz. Kurz vor der Bundestagswahl will sich natürlich keine der beteiligten Parteien Untätigkeit vorwerfen lassen. Allerdings ist es für sie nicht einfach, einerseits die Heilige Kuh Automobilindustrie weiter zu hätscheln und andererseits so zu tun, als wäre ihnen der Gesundheits- und Umweltschutz irgendwie wichtig. Entsprechend sind die Ergebnisse.
Der Verband der Automobilindustrie hatte seine Erfolgsmeldung schon vor Ende der Konferenz verbreitet, die Politik zog etwas später nach. Einziges konkretes Ergebnis war genau das, was das Stuttgarter Gericht für unzureichend erklärt hatte: ein Software-Update für einen begrenzten Kreis von Fahrzeugen mit der Betrugs-Software. Die DUH, die das Stuttgarter Urteil erwirkt hatte,
quantifiziert die Wirkung dieser Maßnahme auf "etwa 2 bis 3 Prozent NOx-Reduktion".
Versuche von Umweltministerin Hendricks, in der anschliessenden Pressekonferenz den Eindruck zu erwecken, das sei nur ein erster Schritt und weitere technische Maßnahmen würden noch besprochen, wurden von VW-Müller sogleich zurückgewiesen: er wolle 'seine' Ingenieure nicht an dem alten Schrott arbeiten lassen, den er den Kunden bereits angedreht hat, sie sollen sich lieber um die neuen Produkte kümmern. Das ist wohl auch nötig, denn auch die halten die Grenzwerte nicht ein. Das Skandal-Dossier wird noch weiter wachsen.
Schon vor dem Gipfel hatte ein Darmstädter Wissenschaftler, der bereits ein Gutachten für den mit dem Skandal befassten Bundestags-Ausschuss geschrieben hatte, dazu eine ergänzende Stellungnahme verfasst, in der es heißt, die Festlegung auf ein reines Software-Update sei "eine Verabredung der Beteiligten zu einem illegalen Tun". Muss man das dann organisierte Kriminalität nennen?
Klar ist jedenfalls: vor einer mächtigen Wirtschaftslobby wie der Automobilindustrie geht auch eine ganz große Koalition von Regierungspolitikern widerstandslos in die Knie (auf dem Gipfel waren Minister*innen und Ministerpräsident*innen von CDU, CSU, SPD und Grünen vertreten, alle tragen das Ergebnis mit). Dabei spielt es auch keine Rolle, dass diese Wirtschaftsvertreter lügen, betrügen, reihenweise Gesetze brechen, Menschen vorzeitig zu Tode bringen und wirtschaftlich und ökologisch kurzsichtig handeln - sie haben die Macht dazu. Da kommt selbst eine kreuzbrave Organisation wie der Deutsche Naturschutzring, der Dachverband der deutschen Umweltverbände, nicht um die Einsicht herum:
Das gilt für den Kampf gegen die Belastung mit Ultrafeinstaub durch den Flugverkehr und auch für den Kampf gegen den Fluglärm ganz genauso.
An zwei Stellen kommt das neue Verfahren zum Einsatz.
Wenn die erste Kurve genauer geflogen wird, kann das auch Raunheim nutzen.
24.07.2017
Wie schon während der juristischen Auseinandersetzungen um die Südumfliegung
angekündigt, soll nun ein
neues Navigationsverfahren dafür sorgen, dass die Flieger künftig auch auf dieser Route möglichst genau da fliegen, wo sie sollen. Durch die stärkere Bündelung auf der Ideallinie sollen diejenigen weniger Lärm abbekommen, die nicht unter dieser Route liegen, aber wegen der bisher breiten Streuung trotzdem häufig überflogen wurden. Für die direkt unter der Route wird es dadurch natürlich noch lauter.
Daran wird zwar schon seit mehreren Jahren gebastelt, aber jetzt soll neue Navigationstechnik den Durchbruch bringen. Sechs Monate lang wird nun getestet und gemonitort, wobei die neue Technik nur von entsprechend ausgestattetem Fluggerät genutzt werden kann und die anderen weiter fliegen wie bisher. Immerhin soll 'nahezu' die gesamte Lufthansa-Flotte die notwendigen Geräte haben.
Für die erste Kurve nach dem Abheben spielt der Aspekt der reinen Lärmverschiebung keine negative Rolle. Hier kann eine genauere Spurtreue nur dazu führen, dass Raunheim weniger nah überflogen wird, denn bisher war es fast eher die Regel als die Ausnahme, dass die Maschinen die Kurve zu weit genommen haben und dadurch zu nah an Raunheim herangekommen sind. Wenn das nun aufhören würde, wäre es ein echter Fortschritt, unter dem niemand anderes (ausser ein paar Waldspaziergängern) zu leiden hätte.
Ob das aber wirklich passiert, bleibt abzuwarten. Hintergrund der ganzen Aktion ist schließlich nicht der Schallschutz. Im Kern geht es darum, den 'unabhängigen Betrieb' zwischen Starts von der Center- bzw. Süd-Bahn einerseits und der Startbahn West andererseits sicherzustellen und damit die für den Ausbau geplante Kapazität realisieren zu können. Die DFS hatte in ihrer Präsentation für die FLK sogar ausdrücklich betont, dass der jetzige Probebetrieb nur dann in den Regelbetrieb überführt werden soll, wenn diese Unabhängigkeit tatsächlich realisiert werden kann. Und das hängt wiederum auch davon ab, ob die eingeplanten Abweichungen von ICAO-Normen auch tatsächlich beibehalten werden dürfen.
Es steckt also eine Menge Heuchelei darin, wenn die DFS als Zweck des Verfahrens "Weniger Fluglärm für Städte und Gemeinden in Flughafennähe" angibt und Minister Al-Wazir in einer Pressemitteilung von einem "weiteren Beispiel für Frankfurts Vorreiterrolle beim Fluglärmschutz" schwärmt. Gäbe es die Kapazitätsprobleme der jetzigen Südumfliegung und den allgemeinen Druck zur Einführung neuer Navigationsverfahren nicht, könnten die Betroffenen in Raunheim, Trebur und den Gemeinden links des Rheins wahrscheinlich lange auf Besserung warten.
Die DFS weist immerhin noch darauf hin, dass die EU das Projekt gefördert hat, weil es "Bestandteil der Implementierung von SESAR (Single European Sky ATM Research)" ist. Was dahinter steckt, erklärt ein Beitrag in der Fluglotsen-Zeitschrift
Der Flugleiter, verteilt über die Ausgaben
05/2016 (S.36) und 01/2017 (S. 32), der die neuen Verfahren (relativ) anschaulich erklärt:
Und das gilt auch für SESAR generell, und genau in dieser Reihenfolge: Kapazitätserhöhung und Treibstoffersparnis kommen vor Schallschutz. Nur wenn die Belastungen sonst ganz extrem gesteigert würden, kann das auch mal variieren: bei der Südumfliegung rangiert der Schallschutz noch vor der Treibstoff-Einsparung. Hoffen wir, dass das so bleibt. Sollte aber auch diese technische Neuerung nicht dazu führen, dass die gewünschte Kapazität dargestellt werden kann, geht die Diskussion von Neuem los - mit unsicherem Ausgang.
Aus Kondensstreifen können Cirrus-Wolken werden
- und die können zur Erwärmung beitragen.
23.07.2017
Eine neue Studie hat so schlechte Nachrichten für die Luftfahrt, dass sie es sogar in Kurzmeldungen in der Tagespresse schaffte. Steigende Temperaturen könnten dazu führen, dass an besonders heißen Tagen an manchen Flughäfen Flugzeuge garnicht mehr oder nur mit reduzierter Ladung starten können. Vereinzelt kommt das heute schon vor, es könnte aber Ausmaße annehmen, die zu ernsthaften Belastungen der betroffenen Airlines werden können. Darüber hinaus gibt es auch schon Beispiele, dass auch Landungen nicht möglich sein können, weil Flugzeuge für die am Boden herrschenden Temperaturen nicht mehr zugelassen sind. Dagegen sind andere Probleme wie zunehmende Turbulenzen und längere Flugzeiten fast schon trivial.
Man könnte fast glauben, hier wirke das Verursacherprinzip. Die Luftfahrt trägt nicht nur heute schon wesentlich zum Klimawandel bei, sie gehört auch zu den Wirtschaftszweigen, die am wenigsten bereit sind, ihren schädlichen Einfluss zu reduzieren. Die aktuellen Bemühungen, nur den Zuwachs an CO2-Emissionen ab 2021 zu kompensieren und den gesamten Basis-Ausstoss sowie alle anderen klima-wirksamen Emissionen zu ignorieren, sind so peinlich unzureichend, dass selbst Luftfahrt-freundliche Einrichtungen wie die DLR immer wieder versuchen, Nachbesserungs-Möglichkeiten aufzuzeigen.
Sie hatte schon 2011 darauf aufmerksam gemacht, dass Kondensstreifen und die daraus resultierende Wolkenbildung einen erheblichen Erwärmungseffekt haben können, und in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit Lufthansa und DFS gezeigt, was dagegen getan werden könnte. Der Versuch, diese Erkenntnisse in die Verhandlungen der Klimaschutz-Maßnahmen der ICAO einzubringen, ist allerdings kläglich gescheitert, und auch die neueren Forschungen bleiben auf akademische Zirkel beschränkt und erscheinen höchstens mal in euphorischen Artikeln, die den Eindruck erwecken sollen, es gäbe wirksame Möglichkeiten, die Klimaschäden durch den wachsenden Luftverkehr irgendwie einzuschränken. Die Lufthansa denkt natürlich auch nicht daran, die gewonnenen Erkenntnisse anzuwenden, solange niemand sie dafür bezahlt.
Derweil gibt es auch noch weitere Versuche, die Dringlichkeit von Emissionsreduktionen deutlich zu machen. So hat die Initiative 'Mission 2020' einen
neuen Aufruf veröffentlicht, der sechs Bereiche benennt, in denen dringend gehandelt werden müsste. Die dahinter stehenden wissenschaftlichen Grundlagen hat Stefan Rahmstorf bereits im April
in seinem Blog ausführlich beschrieben. Ein weiterer
dringender Appell kommt von einer Wissenschaftler-Gruppe um den ehemaligen NASA-Chefwissenschaftler James Hansen.
Wer will, kann sich die globale Temperaturerhöhung auch
anhören. Es klingt nicht angenehm oder spannend, aber das soll es ja auch nicht. Ob Bedrohliches herauszuhören ist, bleibt jedem selbst überlassen.
Und wer meint, das die 'Roten Linien', von denen während der Pariser Klimakonferenz gesprochen wurde, nun tatsächlich gezogen werden sollten, der kann sich
einen Film dazu ansehen und die Planungen der anstehenden Aktionen nachlesen.
Reuters hat ein Schreiben von US-Aussenminister Tillerson an die leidgeprüften US-Diplomaten in aller Welt veröffentlicht, in dem er ihnen erläutert, wie sie das Chaos in der US-Klimapolitik erklären sollen. Es enthält auch eine Antwort auf die Frage, ob die USA sich weiterhin am CORSIA-System der ICAO beteiligen werden. Sie lautet:
"Die Regierung hat keine Position zu CORSIA entwickelt. Technische Experten der USA beteiligen sich weiterhin konstruktiv an der laufenden Entwicklung von Standards und empfohlenen Praktiken, die für die Einführung von CORSIA notwendig sind, um sicherzustellen, dass dabei US-Interessen geschützt und alle künftigen Politik-Optionen für die Regierung offen gehalten werden. ..." (eigene Übersetzung)
Mit anderen Worten: wie auch beim Prozess der Umsetzung des Pariser Abkommens bleiben die USA als Bremser und Verhinderer mit am Tisch, ohne einen eigenen Beitrag zu leisten.
Terminal 3 und die Daten der Eröffnung nach Schulte.
Noch passt das nicht wirklich zusammen.
19.07.2017
Nachdem schon monatelang Gerüchte durch die Medien geisterten, hat sich Fraport-Chef Schulte nach der vorläufigen Beilegung des Streits mit der Lufthansa in einem längeren Interview zur neuen Billigstrategie und den nächsten konkreten Maßnahmen geäussert. Darin gibt es auch einige Aussagen zu Terminal 3:
Da bleiben natürlich einige technische Fragen offen: wenn die Empfangshalle und die große Einkaufshalle, an die die Flugsteige angeschlossen werden sollen, erst 2023, also drei Jahre später, fertig werden, wie wird dann Billigflugsteig G erschlossen? Und wie soll eine für den Umsteigebetrieb geeignete Einbindung in die Passagier- und Gepäckbeförderung in dieser Zeit aussehen, die der Planfeststellungsbeschluss vorschreibt? Aber das sind sicher nur Details, die sich ganz leicht klären lassen.
Interessanter ist da die Frage, ob denn die hinter dieser Strategie stehende Kalkulation wirklich aufgehen kann. Mit Ryanair hat Fraport zwar schon einen der großen Billigflieger nach Frankfurt gelockt, und der will hier auch weiter wachsen. Er hat aber in der Vergangenheit auch schon mehrfach bewiesen, dass er schnell wieder weg sein kann, wenn die Bedingungen nicht mehr stimmen, sprich die gewährten Rabatte schrumpfen.
Wie volatil dieses Geschäft ist, macht auch eine Aussage von Eurowings-Geschäftsführer Oliver Wagner deutlich. Er
erklärte in einer Telefon-Pressekonferenz: "Im Moment ist es für uns kein Thema, nach Frankfurt zu gehen" - und das, obwohl es nach der gerade getroffenen Vereinbarung zwischen Fraport und Lufthansa so aussah, als seien die Rabatte für Eurowings der eigentliche Kern des ganzen Streits gewesen. Sollte diese Aussage ernst gemeint sein, muss Fraport sich ernsthaft Gedanken machen, denn in Deutschland ist Eurowings mit über 50% Marktanteil eindeutig der größte Billigflieger.
Bestätigt fühlen könnte sich Schulte durch die letzte
Verbraucherumfrage des BdL, die u.a. zu dem Ergebnis kommt, dass die "direkte Verbindung" das wichtigste Kriterium für die Auswahl eines Fluges ist - und 'Point-to-Point' gehört zum Kern des Billigflieger-Geschäftsmodells. Der Ticketpreis steht dicht dahinter an zweiter Stelle, 'Serviceangebot' ist weit abgeschlagen. Das ist schön für seine öffentliche Argumentation, aber Herr Schulte wird wohl wissen, dass die Aussagekraft dieser Umfrage angesichts der Art der Durchführung und der lächerlich geringen Beteiligung gegen Null geht.
Entgegen steht dem die Tatsache, dass sich die Geschäftsmodelle der Airlines einerseits mehr und mehr angleichen, sich aber auch
ständig verändern und z.B. auch die jüngste Tochter von AirFrance/KLM "ausdrücklich nicht als Billigairline antreten, aber günstiger arbeiten" soll - ein Zwitter also, von dem ebenso wie bei den 'Ferienfliegern' nicht klar ist, ob für deren Geschäftsmodell Terminal 3 G passen könnte.
Die Chancen stehen möglicherweise gut, dass Terminal 3 ein genauso verkorkstes Projekt wird wie dieser Flughafen mit seinem absurden Bahnensystem insgesamt. Der betroffenen Bevölkerung würde das allerdings auch nicht helfen, denn auch bisher schon wurde jede falsche Planung letztendlich dann doch irgendwie in mehr Verkehr und mehr Krach umgesetzt.
Für uns bleibt es dabei: Terminal 3 darf nicht gebaut werden.
Nach einem
Bericht der Frankfurter Rundschau wird die Anbindung von Terminal 3 an den öffentlichen Nahverkehr wieder Thema. Obwohl schon im Vorfeld der Planfeststellung für den Ausbau von vielen Seiten darauf hingewiesen wurde, dass eine Einbindung in den ÖPNV nötig wäre, aber die dort vorbei fahrende S7 völlig überlastet ist und ein Busverkehr zu den Bahnhöfen der Umgebung ein Alptraum für die betroffenen Orte wäre, blieb diese Frage bisher offen. Stillschweigend gingen die meisten wohl davon aus, dass für ein Luxusterminal ohnehin der Individualverkehr dominieren würde. Mit dem Schwenk zum Billigflieger-Flugsteig stellt sich die Frage aber nun wieder neu.
Fraport geht natürlich weiterhin davon aus, dass sie damit eigentlich nichts zu tun haben und schon äusserst großzügig sind, wenn sie in der Bauplanung die Möglichkeit eines Bahnhofs, den der Steuerzahler bauen soll, berücksichtigen. Schließlich hat das bei Gateway Gardens, das Bestandteil ihrer Airport City ist, auch schon geklappt. Allerdings muss ihnen auch klar sein, dass sie mit ihrem lächerlichen Hochbähnchen, das auch an den bestehenden Regionalbahnhof nur miserabel angebunden ist, den Transport zu T3 nie und nimmer bewältigen können. Wenn die Rundschau also berichtet, dass es neue, 'konstruktive' Gespräche gäbe und in einem
Kommentar sogar fordern darf, dass sich Fraport an der Erschließung des Terminal 3 finanziell beteiligen muss, dann wird deutlich, dass hier auch ein wesentliches Problem für die Fraport-Planungen liegt. Man darf gespannt sein, wieviel Zugeständnisse Land und Bund auch hier wieder machen werden, damit Fraport diesen Irrsinnskurs fortsetzen kann.
17.07.2017
Vor ziemlich genau einem Jahr hat das Rhein-Main-Institut die regionale Öffentlichkeit auf den beginnenden Prozess einer Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes hingewiesen und zusammengetragen, was an Informationen dazu verfügbar war und welche Forderungen an diese Novellierung aus medizinischer und juristischer Sicht zu stellen wären. Besonders hervorzuheben waren darunter aus unserer Sicht ein Übersichtsartikel zum "Stand der aktuellen Lärmwirkungsforschung und gesetzgeberische Konsequenzen", die daraus zu ziehen wären. Die sonstigen juristischen Aspekte behandelt insbesondere der Vortrag der Rechtsanwältin Franziska Heß.
Nun hat das Umweltbundesamt den angekündigten
Bericht vorgelegt. Auf über 80 Seiten analysiert das UBA, wie die bestehende Gesetzgebung bisher angewendet wurde, welche Ergebnisse erreicht wurden, welche Mängel bestehen und was aus seiner Sicht getan werden müsste. Dazu wäre im Detail sicher noch eine Menge zu sagen, doch ein Blick in die Empfehlungen zeigt schon, wo das Hauptproblem liegt. Auch das UBA kommt um die Erkenntnis nicht herum, dass das 'Fluglärmschutzgesetz' konzeptionell nicht für den Lärmschutz taugt. Nicht umsonst hatte die BIFR schon bei den
Demos zur ersten Novellierung immer ein Transparent dabei mit der Aufschrift "Dieses Gesetz schützt den Fluglärm, aber nicht den Menschen".
So schlägt das UBA zwar als 'ersten Schritt' einige bescheidene Verbesserungen im 'FluLärmG' vor, hält aber für wirkliche Fortschritte "ein übergeordnetes Konzept" für erforderlich, das den gesamten Rechtsrahmen für den Fluglärmschutz reformiert. Dazu macht es auch ein paar konkrete Vorschläge wie eine "Lärmkontingentierung" und ein Verbot des regulären Flugbetriebs "während der Nachtzeit von 22:00 bis 06:00 Uhr ... auf stadtnahen Flughäfen".
Soweit, so gut. Wir hatten aber schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass ein guter UBA-Bericht nur der allererste Schritt ist. Nun hängt es davon ab, was das Umweltministerium daraus macht, was in der Ressortabstimmung davon übrigbleibt, und was dann letztendlich auch noch durch Bundestag und Bundesrat kommt. Gerade die oben genannten Forderungen werden sicherlich Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Und ob es relevante Kräfte geben wird, die in diesen Auseinandersetzungen die guten Forderungen des UBA gegen die Luftfahrt-Lobby verteidigen können, bleibt abzuwarten. Viel Grund für Optimismus gibt es da nicht.
Was das Recht tatsächlich leisten kann, demonstriert einmal mehr der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Die Stadt Mainz hatte gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens geklagt, mehr Lärmschutz in der Nacht gefordert und zur Begründung auf neuere medizinische Studien, u.a. von Prof. Münzel von der Uni Mainz, verwiesen. Aber egal, was die Mainzer Mediziner, die UBA-Experten (s.o.) und die beim ICBEN-Kongress versammelten Fachleute zu sagen haben: der VGH kann
die Klage ablehnen mit der Begründung, die "neueren Aussagen und Studien über die Wirkungen von Fluglärm gingen nicht über die vom Fluglärmschutzgesetz berücksichtigten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus".
Man muss wohl davon ausgehen, dass sich die Kompetenz dieser Juristen für solche Entscheidungen nicht aus ihren medizinischen Kenntnissen, sondern aus ihrer Rolle im Machtgefüge dieses Staates ableitet. Wirtschaftliche Interessen rechtlich absichern ist ihre Aufgabe - da darf man auch schon mal wissenschaftliche Fragen gegen die überwältigende Mehrheit der damit befassten Fachleute entscheiden. Die überwältigende Mehrheit - auch wenn es Mediziner gibt, die ihre Erkenntnisse so verklausuliert und relativierend wiedergeben, dass Propagandisten (die dafür bezahlt haben) diese Aussagen nutzen können, um daraus die ihnen wichtigen Behauptungen abzuleiten. Das Studienhonorar besteht dann zum größten Teil aus Schweigegeld, wie offensichtlich bei der Studie der Berliner Charité, die der BDL so euphorisch zitiert. Und dieses Zitat ist es wohl, aus dem die hessischen Richter ihre Weisheit bezogen haben.
Wie der SWR berichtet, wird die Stadt Mainz die Klage nicht weiter verfolgen, da ihr Rechtsanwalt das für "aussichtslos" hält. Stattdessen suche man den "Schulterschluss mit dem hessischen Flörsheim. Die Stadt Mainz will die privaten Kläger dort unterstützen". Umweltdezernentin Eder von den Grünen verbreitet Optimismus: "Das ist jetzt nicht das Ende", sagt Eder, "das ist nur ein anderer Weg". Bleibt die Frage, wohin dieser Weg wohl führen wird.
Die Mainzer Unterstützung hätte es vermutlich garnicht gebraucht, denn der Verein "Für Flörsheim" hatte es
schon länger angekündigt: die von ihm unterstützten Flörsheimer Privatkläger
beschweren sich nun beim Bundesverfassungsgericht. Worum es dabei inhaltlich geht, erläutert eine Pressemitteilung des Vereins.
Es ist einer von drei Prozess-Strängen, die noch abgearbeitet werden, und nach unserer Einschätzung der am wenigsten aussichtsreiche, denn hier geht es 'nur' um das Grundrecht auf rechtliches Gehör. Die spannenderen Fragen drehen sich um die Ausweitung der Nachtflugbeschränkungen und die Angemessenheit des Schutzes vor Wirbelschleppen, da hier das Recht auf körperliche Unversehrtheit zur Debatte steht. Bei der ersten dieser beiden Fragen steht eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht an, da der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Anträge der Kläger abgelehnt und Revision nicht zugelassen hat, die zweite will der HessVGH am 12. September verhandeln (und niemand wäre überrascht, wenn das Urteil genauso ausfiele). Bis diese Fragen dann beim Verfassungsgericht landen, werden noch etliche Monate vergehen.
12.07.2017
Auch wenn sich viele Medien und populistische Politiker mehr für die Randale am Rande als für die Inhalte des G20-Gipfels und die Alternativen dazu interessieren, lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, was dort gesagt und beschlossen wurde. Soweit überhaupt inhaltlich berichtet wurde, standen die Themen Handel und Klimaschutz im Mittelpunkt. Die Kernaussagen zum Handel haben wir bereits unten kommentiert, hier soll es darum gehen, was im Bereich Klimaschutz passiert bzw. nicht passiert ist.
Offiziell haben die versammelten Regierungschefs zwei Aussagen zum Klimaschutz verbreitet: die Abschlusserklärung enthält eine Passage, in der die 19 anderen und die USA ihren Dissens beschreiben, und der Aktionsplan Klima und Energie enthält das, worüber sich die 19 einig sind. Optimisten sprechen daher von einem 19:1 für den Klimaschutz. Nachdem der türkische Präsident Erdogan nach dem Gipfel die Ratifizierung des Pariser Abkommens durch das türkische Parlament in Zweifel gezogen hat, war dann hin und wieder von 18:2 die Rede. Beides klingt immer noch nach einem deutlichen Sieg. War es das? Es gibt Gründe, daran zu zweifeln.
Auch wenn Herr Erdogan tatsächlich nur um Geld schachert, gibt es genügend Hinweise, dass viele der 19 ihre Zusagen von Paris und Hamburg nicht ernst meinen. Schon vor dem Gipfel haben NGOs in einem Bericht darauf hingewiesen, dass alle G20-Staaten nach wie vor fossile Brennstoffe massiv subventionieren (und da sind die Subventionen für Kerosin noch nicht mal eingerechnet). Und von irgendwelchen konkreten Anstrengungen, ihre nationalen Pläne mit den im Pariser Abkommen formulierten Zielen in Einklang zu bringen, ist auch bei den 19 nicht die Rede.
Andere interpretieren die Tatsache, dass die USA in der Abschlusserklärung das Ziel einer Reduktion von Treibhausgas-Emissionen generell mit unterschrieben haben, so, dass die US-Regierung zwar freie Hand bei Förderung und Export fossiler Brennstoffe haben will, aber aus anderen Vereinbarungen zur Treibhausgas-Reduktion, wie insbesondere dem ICAO-Abkommen CORSIA, nicht unbedingt aussteigen will. Abgesehen davon, dass es dafür keinen Beleg gibt: nahezu die Hälfte des Luftverkehrs der USA findet innerstaatlich statt, und erste Untersuchungen zeigen, dass diese Emissionen, die nicht CORSIA, sondern den nationalen Verpflichtungen unterliegen, durch den Ausstieg aus Paris erheblich ansteigen könnten.
Passend dazu hat auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments gerade beschlossen, den Vorschlag zu unterstützen, den internationalen Luftverkehr
weiterhin aus dem EU-ETS auszunehmen. Zwar hat der Ausschuss gegenüber den Positionen der Kommission und des Rates auch ein paar Verbesserungen beschlossen, aber ob die die Abstimmung im Parlament im September und den anschliessenden Trialog überleben, ist zweifelhaft. Wie schlecht die Chancen für wirksamen Klimaschutz im Flugverkehr insgesamt sind, hat der Deutschlandfunk in einem ausführlichen Beitrag zusammengestellt.
Und als wolle die Natur diese Entwicklung kommentieren, sendet sie eisige Signale: in der Arktis ist das
Meereis so dünn wie nie, in der Antarktis
bricht ein großes Eisschild zusammen, und auch
der dritte Pol schmilzt weg. Den gesamten Stand der Klimaentwicklung hatten deutsch Klimaforschungsinstitute schon vor dem Gipfel für die Teilnehmer*innen leicht verständlich zusammengefasst. Geholfen hat es offensichtlich nicht.
Ein Grund zum Aufgeben sollte das trotzdem nicht sein. Im Gegenteil geht es jetzt darum,
im Bündnis weiterzumachen.
Auch vom US-Präsidenten gibt es nach dem Gipfel eine relativierende Aussage, allerdings in einer anderen Richtung. Reuters
zitiert ihn nach Gesprächen mit dem französischen Präsidenten, bezüglich des Pariser Klimaabkommens könnte "etwas passieren", das "wundervoll" sein könnte, aber wenn nicht, dann nicht. Herr Macron merkt dazu nur an, es habe in den Gesprächen keine substantielle Änderung gegeben, aber man bleibe in der Diskussion.
Wer gerne das Positive aus den Gipfelbeschlüssen zu Klima und Energie mehr in den Vordergrund gerückt sähe, findet es in einer
Analyse von Germanwatch.
Auch eine von der EU-Kommission berufene 'High Level Group' kommt in ihrem gerade veröffentlichten Zwischenbericht zu dem Ergebnis, dass die EU die finanzielle Förderung fossiler Brennstoffe umgehend einstellen sollte. Die NGO CEE Bankwatch hatte schon im Mai darauf hingewiesen, dass die Europäische Investment Bank eher das Gegenteil tut (und z.B. den Bau von Terminal 3 fördert).
Und vom Klima selbst gibt es auch keine gute Nachrichten. Anders als ihre europäischen Kollegen haben US-Klimaforscher einen wichtigen jährlichen Bericht erst nach dem Gipfel veröffentlicht, aber die Aussagen sind ähnlich trübe: der 'jährliche Treibhausgas-Index', der die Klimawirkung der wichtigsten Treibhausgase im Vergleich zu 1990 angibt, erreicht einen Anstieg um 40%. Das wichtigste Treibhausgas, CO2, knackt eine neue Grenze und erreicht erstmals einen Wert über 410 ppm.
In den USA hat die Erklärung von Präsident Trump, aus dem Pariser Abkommen austreten und die fossilen Energien fördern zu wollen, eine Gegenbewegung ausgelöst, mit der etliche Bundesstaaten, grosse Städte und Unternehmen in einem Bündnis mit dem vielsagenden Namen
Amerikas Versprechen erreichen wollen, dass die USA ihre in Paris gemachten Zusagen einhalten, auch wenn die Bundesregierung dagegen arbeitet.
In Deutschland ist die Stimmung offenbar anders. Nicht nur mobilisieren klassische Demos zum Klimaschutz
wesentlich weniger Menschen als mehr aktionsorientierte Formen des Protests gegen globale Mißstände, das Thema spielt auch in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl in der Regel keine große Rolle, geschweige denn in deren Praxis. Progressive Autoren ergehen sich angesichts dessen in Selbstanklagen und entschuldigen sich für persönliches Versagen. Interessanter Weise findet man in einem vergleichbaren englischen Blatt nahezu zeitgleich einen Artikel, der diese Individualisierung der Verantwortung zurückweist und das herrschende Wirtschaftssystem als Schuldigen benennt.
Auch wenn Letzteres richtig ist, heißt das aber nicht, dass nicht auch das individuelle (Konsum-)Verhalten sich ändern muss. Die Tipps dafür sind aber teilweise schon etwas abwegig, und die wichtigsten Hinweise fehlen
auch in den Schulbüchern, z.B.: weniger fliegen.
08.07.2017
Mit einer Bürgerversammlung zur Präsentation des geplanten Vorgehens am 21.06. hat die Stadt Raunheim den Prozess zur Entwicklung eines neuen Stadtleitbildes begonnen.
Seit der Beschlussfassung im Stadtparlament Anfang letzten Jahres war es um das Thema still geworden, aber nun hat die Verwaltung den Auftrag umgesetzt und eine Struktur ausgearbeitet, in der der Prozess ablaufen soll. Einiges, was im damaligen
Beschluss noch an Vorschlägen vorhanden war, wie z.B. die 'Zukunftswerkstätten' zur Situationsanalyse, ist verschwunden, jetzt geht es direkt in die Arbeitskreise, die "themenspezifischen Ziele in den Entwurf für ein Gesamtleitbild einbringen" sollen. Damit bleiben die Möglichkeiten zur direkten Beteiligung auf die Mitgliedschaft in einem der sieben Arbeitskreise beschränkt. Ob es darüber hinaus, wie auf der Bürgerversammlung vorgeschlagen, möglich sein wird, Beiträge online einzubringen, bleibt abzuwarten.
Damit bestätigt sich die Befürchtung, dass es schwierig werden kann, die Flughafen-spezifischen Aspekte überall da einzubringen, wo sie hingehören.
Als Vorbereitungsmaterial stehen damit auch nur die beiden Broschüren der Stadt zur Verfügung: die
Ergebnisbroschüre des ersten Stadtleitbildes aus dem Jahr 2001 als PDF und der Sachstandsbericht aus dem Jahr 2015 als Bildergalerie.
Die Aussage des letzteren hatten wir schon unmittelbar nach Erscheinen kritisiert, und die damalige Kritik erscheint uns immer noch relevant für das, was auch im neuen Stadtleitbild zu leisten wäre: der langjährige politische Konsens in Raunheim, wonach es heute schon zu laut ist und jede Zunahme der Belastung, und damit auch jeder weitere Ausbau des Flughafens, strikt abzulehnen ist, muss auch im neuen Stadtleitbild verankert werden.
Deshalb ist es wichtig, dass sich möglichst viele Raunheimer*innen, die das auch so sehen, am Arbeitskreis 'Umwelt- und Klimaschutz', der sich damit befassen wird, beteiligen. Die
Anmeldung dazu ist noch bis zum 1. August möglich, am 15. August soll die erste Sitzung stattfinden.
Die BI gehört immerhin zu den 'beteiligten Kreisen', deren Teilnahme schon feststeht; Einzelpersonen müssen auf eine Bestätigung der Stadtverwaltung warten, die sicherstellen möchte, dass die Arbeitskreise ein praktikable Grösse behalten. Wer sich früher anmeldet, hat vermutlich grössere Chancen. Also: gleich Formular ausfüllen und abschicken!
05.07.2017
Üblicherweise arbeitet die Fluglärmkommission sehr konsens-orientiert, und Personalentscheidungen werden weitgehend einvernehmlich getroffen. Die spezielle Situation in Rüsselsheim (CDU-Oberbürgermeister, rot-?-grün-rote Mehrheit im Magistrat) führt nun dazu, dass das nicht mehr funktioniert.
Nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister 2012 übernahm Herr Burghardt auch das Amt des Umweltdezernenten in Rüsselsheim, und in diesen beiden Funktionen wurde er als Vertreter der Stadt Rüsselsheim in die Fluglärmkommission berufen. (Die FLK ist ein beratendes Gremium des Wirtschaftsministeriums, und das Ministerium beruft dessen Mitglieder.) Nach der Kommunalwahl 2016 gab es eine andere Mehrheit in Stadtparlament und Magistrat, und diese Mehrheit wollte auch eine eigene Vertreterin für die FLK benennen. Das Ministerium hat dieses Ansinnen abgelehnt und Herrn Burghardt in der FLK belassen.
Details dazu beschreiben die Artikel in der Main-Spitze und im Rüsselsheimer Echo.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen hat sich mit einer Presseerklärung hinter die Rüsselsheimer Magistratsmehrheit gestellt und fordert das Ministerium auf, die Entscheidung des Rüsselsheimer Magistrats zu respektieren. Vorsitzender und Geschäftsführerin der FLK unterstützen dagegen in einer Pressemitteilung Herrn Burghardt, der seinen Posten nicht aufgeben will.
Es ist nachvollziehbar, dass sich die FLK nicht in parteipolitisch geprägte Auseinandersetzungen in den Kommunen hineinziehen lassen will, aber dennoch ist die FLK-PM nicht ganz ehrlich. Jede/r, die/der Herrn Burghardt schon einmal zum Thema gehört hat, weiss, dass ihm als bekennendem Ausbau-Befürworter nicht der Schallschutz, sondern das Wohlergehen des Flughafens am Herzen liegt, und sein originärer Beitrag zu den Aufgaben der Kommission dürfte in den fünf Jahren seiner Mitgliedschaft nahe bei Null gelegen haben. Wichtig ist er wohl nur für die parteipolitische Ausgewogenheit der FLK selbst, denn es gibt keinen anderen CDU-Oberbürgermeister in der Region, der seine Rolle im Vorstand übernehmen könnte.
Wie könnte es weitergehen? Wahrscheinlich ist wohl, dass der hinhaltende Widerstand von Ministerium und FLK-Vorstand Erfolg haben wird, zumal das Vierer-Bündnis in Rüsselsheim offenbar auch nicht wirklich konsequent das Ziel verfolgt, Burghardt abzuberufen. Die dazu angekündigte Klage jedenfalls läßt auf sich warten. Und da in Rüsselsheim bald Oberbürgermeister-Wahlen anstehen, kann man davon ausgehen, dass bis dahin nichts wirklich Entscheidendes passieren wird. Sollte Herr Burghardt im Amt bestätigt werden, wird er sich wohl auch nicht aus der FLK verdrängen lassen. Und sollte jemand anderes OB werden, werden die Karten ohnehin neu gemischt.
05.07.2017
Nachdem das kanadische Parlament am 17. Mai den Freihandelsvertrag mit der EU, CETA, ratifiziert hatte, hätte er
spätestens am 1. Juli in weiten Teilen vorläufig in Kraft treten sollen. Daraus ist nichts geworden, und die kanadischen CBC News wussten schon vorher, warum:
der Käse ist schuld. Die Art und Weise, wie die vereinbarten Quoten für den zollfreien Import von EU-Käse in Kanada festgelegt werden sollen, verhinderte eine termingerechte Einigung.
Ganz aktuell verhandelt die EU auch ein Freihandelsabkommen mit Japan, genannt JEFTA. Sie möchte unbedingt noch während des G20-Gipfels diese Woche in Hamburg die Rahmenverhandlungen abschliessen, aber auch dieses Ziel ist in Gefahr: Japan weigert sich noch, "die Zölle auf alle Arten von Käse, sowohl behandelt als auch naturbelassen", aufzuheben.
Wer bisher nicht glauben wollte, welch dominierende Rolle Käse in der EU-Handelspolitik spielt, sollte spätestens jetzt eines Besseren belehrt sein.
Bei genauerem Hinsehen ist das natürlich - nein, nicht Käse, sondern grober Unfug. Zwar stehen sicherlich starke Lobbykräfte hinter den jeweiligen Positionen im Agrarbereich, aber indem ein vergleichsweise triviales Detail wie Käse-Importe in den Vordergrund der Berichterstattung gerückt wird, soll von den eigentlichen Problemen abgelenkt werden.
Für CETA beweist diese Episode bestenfalls, dass dieses angeblich so musterhaft ausverhandelte Abkommen schon bei relativ einfachen Regelungen zu unterschiedlichen Interpretationen beider Seiten führt. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn es an die wirklich komplizierten Themen geht. Aber dann ist ja dafür gesorgt, dass die Gremien weitgehend ohne Einfluss der Öffentlichkeit Streitfälle klären und die Lobbyinteressen im Geheimen abwägen können.
Was JEFTA diesbezüglich bringen wird, ist völlig ungewiss. Die Verhandlungen werden wie eh und je geheim geführt, und die Öffentlichkeit kennt nur, was von Greenpeace geleakt werden konnte. Was sich schon daraus an Problemen ergibt,
fasst tagesschau.de zusammen. Demnach ist z.B. auch hier das Vorsorgeprinzip nicht verankert, und auch die Beseitigung nicht-tarifärer Handelshemmnisse spielt eine prominente Rolle.
Dass Japan an einer Steigerung des Flugverkehrs generell grosses Interesse hat, macht eine
aktuelle Meldung deutlich: die japanische Regierung hat gerade ein dreijähriges Subventionsprogramm für regionale Flughäfen beschlossen, um die Zahl der Touristen dort zu verdreifachen.
Die EU-Kommission ficht das alles natürlich nicht an, sie hofft immer noch, diesen und andere Deals noch in diesem Jahr abschliessen zu können. Wie Alternativen zu diesem Kurs aussehen könnten, damit beschäftigt sich der Alternativ-Gipfel der G20-Gegner diese Woche in Hamburg, und sogar die Frankfurter Rundschau träumt ein bißchen mit. Beim Träumen darf es allerdings nicht bleiben.
Tatsächlich haben es die EU und Japan geschafft, rechtzeitig zum G20-Gipfel eine gemeinsame Erklärung zusammen zu zimmern, die einige Fortschritte in den Verhandlungen (auch über den Käse!) festhält und bekräftigt, dass beide Seite schnell zu einem Abkommen kommen wollen. Während sich Neoliberale vor Begeisterung überschlagen und die Erklärung als "einen Coup Europas gegen Trump" feiern, schätzen Gegner des Abkommens sie als PR für das Freihandelsparadigma ein und kritisieren die grundlegende Absicht der Kommission, mit dem mit TTIP und CETA begonnenen Kurs unverändert weiter machen zu wollen.
Die LINKE im Europaparlament erklärt in einer längeren Presseerklärung, wie wenig das EP bisher über die Verhandlungen informiert wurde und welche Gefahren sie sieht. Die EU-Kommission hat sich allerdings beeilt, eine Webseite online zu bringen, die zumindest einige Informationen über die Verhandlungen liefert (auch wenn aktuell noch nicht alle Links funktionieren).
Auch in einem anderen Punkt muss die Kommission Entgegenkommen zeigen. Nachdem der EuGH im Mai bestätigt hat, dass die Ablehnung der Europäischen Bürgerinitiative "Stopp TTIP" durch die Kommission rechtswidrig war, will sie die Initiative nun zum 10.07.2017 registrieren. Ab dann haben die Initiatoren wieder ein Jahr Zeit, die benötigte eine Million Unterschriften zu sammeln, denn die schon 2016 gesammelten 3,3 Millionen Unterschriften zählen natürlich nicht. Wie sie damit umgehen, dass auch der eingereichte Unterschriftentext natürlich nicht mehr aktuell ist, beraten sie zur Zeit.
Auch mit Kanada hat die EU während des G20-Gipfels noch eine Gemeinsame Erklärung abgegeben, wonach die Käse-Frage bis September gelöst sein soll, so dass CETA am 21.09. dieses Jahres 'vorläufig' in Kraft treten kann. Die Gegner dieses Abkommens haben derweil für den 9. September einen CETA-Aktionstag zur Bundestagswahl angekündigt. Der nächste Bundestag muss, wie fast alle anderen Parlamente der EU-Staaten auch, dem Abkommen noch zustimmen, bevor es endgültig in Kraft treten kann.
Auch der G20-Gipfel selbst hat in seiner Abschlusserklärung einiges zur Handelspolitik zu sagen. Während deutsche Medien eher in den Vordergrund rücken, dass die USA isoliert seien, insbesondere in der Klimapolitik, ist interessant, worin der gefundene Konsens im Handel besteht. Die USA haben kein Problem damit, sich gegen "Protektionismus einschließlich aller unfairen Handelspraktiken" auszusprechen. Tatsächlich könnte nicht einmal ein Donald Trump so blöde sein, die starke Position der US-Wirtschaft auf den internationalen Märkten durch Abschottung zu gefährden. Neben der innenpolitischen Demagogie geht es ihm ausschliesslich darum, die Machtposition der USA dadurch weiter zu stärken, multilaterale Abkommen, in denen viele Interessen austariert werden müssen und viele Kräfte Einfluss haben, verstärkt durch bilaterale Abkommen zu ersetzen, die die USA eindeutiger dominieren. Die anderen 19 mögen das nicht, weil ihr Einfluss entsprechend abnehmen würde, aber im Verhältnis zum Rest der Welt sind sich alle wieder einig, dass es genau so laufen muss. Die 'führenden Industrienationen' sagen, wo es lang geht, der Rest hat zu folgen - da können sie in UNO, WTO etc. lange weiter diskutieren.
So gesehen ist es kein Wunder, dass immer wieder Meldungen auftauchen, wonach auch
TTIP wieder aufleben könnte. Dann würden die damit verbundenen Gefahren noch aktueller, als sie durch CETA und JEFTA ohnehin schon sind.
04.07.2017
Der Name ist passend, auch wenn sich seine Herleitung nicht ganz erschließt: Das Projekt SiRENE, mit offiziellem Titel "Short and Long Term Effects of Transportation Noise Exposure" (zu deutsch "Kurz- und Langzeit-Effekte der Belastung durch Verkehrslärm") könnte in der Tat zu einem weiteren deutlichen Warnsignal werden für all diejenigen, die glauben, die Risiken des Verkehrslärms herunterspielen oder ignorieren zu können.
Schon die erste
Pressemitteilung anläßlich der Vorstellung erster Zwischenergebnisse findet deutliche Worte: "Das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, steigt um 4 Prozent pro 10 Dezibel Zunahme der Strassenlärmbelastung am Wohnort. Aber auch das Risiko für Bluthochdruck und Herzinsuffizienz steigt durch den Verkehrslärm." "Besonders kritisch sind wahrscheinlich Lärmereignisse in der Nacht, die regelmässig den Schlaf stören".
Solche Ergebnisse sind nicht neu, aber sie werden durch den Umfang der Studie noch einmal in besonderer Weise untermauert. Auf einem Poster zur Vorstellung des Projekts beschreibt die EMPA die besondere Dimension:
Darüber hinaus stehen umfassende Gesundheitsdaten über mehrjährige Zeiträume zur Verfügung. Damit stellt die Studie, was den Umfang der auswertbaren Daten angeht, die NORAH-Studie bei Weitem in den Schatten. Inwieweit auch noch qualitativ andere Ergebnisse herauskommen, bleibt abzuwarten, denn die Studie wird noch eine Weile weitergeführt.
Auch gibt es neue Ansätze: Aus der aktuellen
Veröffentlichung wird z.B. klar, dass alle Studien neben dem äquivalenten Dauerschallpegel auch noch ein zweites Lärmmaß berücksichtigen: die sog. 'Intermittency Ratio', eine Art erweitertes NAT-Kriterium, in die die Anzahl besonders lauter Einzelschallereignisse eingeht. Das könnte ein wichtiger Fortschritt sein.
Andere Resultate deuten darauf hin, dass die Rolle der Störungen des Nachtschlafs besonders für die langfristigen Folgen der Lärmbelastungen noch grösser ist als bisher angenommen, und dass die Belästigung durch Lärm (die für Fluglärm auch in der Schweiz deutlich höher ist als für andere Lärmarten) ebenfalls eine wichtige Rolle für die Ausprägung von lärmbedingten Krankheiten spielt.
Vorgestellt wurden die Zwischenergebnisse auf einem internationalen Lärmkongress in Zürich. Die veranstaltende Organisation ICBEN, die "International Commission on Biological Effects of Noise", ist eine der wichtigsten Organisationen weltweit, die sich mit den biologischen Effekten des Lärms befasst, und die Kongress-Papiere sind eine weitere Fundgrube interessanter Beiträge zur Lärmforschung (wenn auch nicht alle von hohem Niveau: so ist auch der aus der NORAH-Studie bekannte Herr Guski mit einem Beitrag vertreten, der mit "spekulativ" noch freundlich beschrieben ist).
Insgesamt ist der Trend eindeutig: Verkehrslärm wird immer deutlicher als gesundheitliches Risiko erkannt, und das auch schon bei niedrigeren Dauerschallpegeln als bisher angenommen. Es wird Zeit, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Zieht der Kranich in den Süden ?
01.07.2017
Nach einem
Bericht der 'Allgemeinen Zeitung' Mainz könnte es im Streit zwischen Fraport und Lufthansa um die Gebührenrabatte am Frankfurter Flughafen nun tatsächlich den schon länger angekündigten Kompromiss geben. Es bleibt allerdings noch unklar, worüber denn nun Einigkeit erzielt wurde und was das ggf. für die Entwicklung am Flughafen bedeuten könnte.
Auch die FAZ hat dazu keine Inhalte, sondern nur einen dümmlichen Kommentar zu bieten.
Begonnen hatte der Streit offiziell mit der neuen Entgelt-Ordnung am Flughafen Frankfurt, die u.a. großzügige Rabatte für Airlines vorsieht, die am Flughafen Wachstum generieren (was Lufthansa seit Längerem nicht mehr tut). Damit hat Fraport einen Strategiewechsel eingeleitet weg von der reinen Hub-Funktion und hin zu einer Öffnung für Point-to-Point-Verkehre (zu deutsch Direktflüge), die überwiegend von Billigfliegern bedient werden. Damit könnte zunächst tatsächlich mehr Verkehr generiert werden.
Lufthansa, die dann und nur dann etwas gegen Subventionen hat, wenn andere mehr davon bekommen, hat daraufhin einen öffentlichen Streit mit Fraport losgetreten, dessen Sinn und Zweck noch immer nicht genau erkennbar ist. Die neben dem medialen Getöse durchgeführten Maßnahmen wie die angekündigte Verlegung von fünf A380-Maschinen nach München im Austausch gegen kleinere (aber entgegen weitverbreiteten Behauptungen nicht lautere) A340-Maschinen oder die Einführung neuer Interkontinentalverbindungen der Lufthansa-Tochter Eurowings ab München sind sicher keine reinen Strafmaßnahmen gegen Fraport.
Lufthansa möchte ihre Marktanteile in einem sich schnell verändernden Umfeld verteidigen, und Fraport-Chef Schulte hat in seiner Funktion als BDL-Vorsitzender auch
volles Verständnis dafür. Andererseits betont Lufthansa in ihrem Politikbrief, wie wichtig eine "Systempartnerschaft" zwischen Airline und Airport für das künftige Wachstum ist, und hat auch als Anteilseigner der Fraport die Pläne des Fraport-Vorstandes widerspruchslos hingenommen.
Bei soviel gegenseitigem Verständnis und Konsensbereitschaft erscheint es immer wahrscheinlicher, dass die ganze Show eher nach aussen wirken sollte.
Die Landespolitik kann als Adressat allerdings kaum gemeint gewesen sein. Fast alle Parteien im Landtag überschlagen sich bei dem Versuch, sich als bester Interessenvertreter des Flughafens zu profilieren.
Die SPD hat die Verlagerung der A380-Maschinen nach München zum Anlass genommen, einen Antrag einzubringen, der die wirtschaftliche Rolle des Flughafens in absurder Weise überspitzt und der Landesregierung vorwirft, nicht genug für weiteres Wachstum dort getan zu haben. CDU und Grüne antworten mit einem
Gegen-Antrag, der einige falsche Behauptungen der SPD richtigstellt, ein paar Floskeln zur Notwendigkeit des Lärmschutz einstreut und die Maßnahmen der Landesregierung lobpreist.
Wer will, kann sich die gesamte Debatte zu diesem Thema im Video ansehen. Da versucht dann noch die FDP, die anderen drei Flughafen-Parteien zu übertreffen, indem sie auch noch die geltenden Nachtflug-Beschränkungen sowie Steuern und Gebühren abschaffen möchte. Einzige Ausnahme ist wie meist Janine Wissler von der LINKEN, die zwar offenbar auch keine Idee hat, was der ganze Zirkus soll, aber immerhin die Gelegenheit nutzt, darauf hinzuweisen, dass der Flugverkehr schon aus Gründen des Klimaschutzes nicht mehr weiter wachsen darf. Sowas kommt keinem der anderen Diskutanten über die Lippen.
Man darf wohl davon ausgehen, dass sich in den nächsten Wochen klären wird, was die neuen Absprachen zwischen Fraport und Lufthansa beinhalten werden und welche Konsequenzen das für die Region haben wird. Zu befürchten ist, dass auch hier wieder zu Lasten von Steuerzahlern, Beschäftigten und Umwelt Kosten gesenkt und Wachstum generiert werden soll, und dass die Politik dem nicht nur zusieht, sondern auch noch massiv Unterstützung gewährt.
Wenn die große Dissens-Show zwischen Fraport und Lufthansa die Öffentlichkeit davon hinreichend abgelenkt hat, hat sie wohl ihr Ziel erreicht.
Zumindest ein erstes gemeinsames Papier haben LH und Fraport nun wohl zustande gebracht. Aus der
gemeinsamen Pressemitteilung dazu geht allerdings nur wenig über die Inhalte hervor, vieles kann man bestenfalls zwischen den Zeilen herauslesen.
Das beginnt schon damit, dass die Vereinbarung "eine erste vergleichsweise Einigung über kurzfristige Kostenentlastungen" sein soll. Meint das einen Bezug auf einen Vergleich im juristischen Sinn und sind Klagedrohungen der Lufthansa damit vom Tisch, oder ist das einfach nur die verschwurbelte Sprache, die deren 'Communication Manager' so sehr verinnerlicht haben, dass sie keinen klaren Satz mehr formulieren können? Man darf spekulieren.
Ansonsten bleibt der Text bewußt wolkig und häuft Phrase an Phrase ("Effizienzsteigerung", "Kostensenkung", "Potentialerschließung", "Wettbewerbsfähigkeit" und, und, und ...). Nur zwei Punkte werden etwas konkreter: durch "Angebote im Non-Aviation-Bereich" sollen die Kunden gemeinsam stärker abgezockt werden, und die Entgeltordnung soll 2018 nicht verändert werden. Letzteres hiesse, dass die Lufthansa-Billigtochter Eurowings, die nächstes Jahr neu nach Frankfurt kommen soll, die gleichen Rabatte erhält, die Ryanair dieses Jahr bekommen hat - und das ist vermutlich der Kern des ganzen Theaters.
Die Frankfurter Rundschau hat noch ein paar zusätzliche Reaktionen zu dem Deal abgefragt.
Die Nachrichten aus dem ersten Halbjahr 2017 sind hier verfügbar.