Stand: 10.2024
Aktuellere Entwicklungen im Themenkomplex
Lärm und Schallschutz,
ergänzendes Thema:
Passiver Schallschutz
"Aktiver Schallschutz" bedeutet, die Lärmentstehung an der Quelle zu reduzieren oder aber die Lärmquelle weiter vom Einwirkungsort weg zu bringen. Für Fluglärm heißt das, die Flugzeuge leiser zu machen bzw. sie höher oder weiter entfernt von Ortschaften fliegen zu lassen.
Der folgende Text befasst sich mit den Aktivitäten zum aktiven Schallschutz am Flughafen Frankfurt in diesem Jahrhundert und gliedert sich wie folgt:
Die rechtliche Grundlage für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes ist bisher äusserst dünn. Anders als Fragen des passiven Schallschutzes, die im Fluglärmgesetz relativ umfassend, wenn auch qualitativ unzureichend, geregelt sind, gibt es kein Gesetz, dass die Maßnahmen zum aktiven Schallschutz regeln würde.
Allerdings ist es auch nicht korrekt, wenn das "Forum Flughafen und Region"
behauptet:
"Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf aktiven Schallschutz. Die Maßnahmen zum aktiven Schallschutz sind folglich das Ergebnis freiwilliger Vereinbarungen".
Ansprüche gibt es sehr wohl, sie sind allerdings nur unkonkret formuliert und derzeit weder individuell noch kollektiv einklagbar. Dieser Zustand wäre allerdings mit genügendem Druck politisch zu verändern.
Im Luftverkehrsgesetz, das den Betrieb von Luftfahrzeugen aller Art regelt, gibt es einen Paragraphen 29b, der lautet:
(1) Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer sind verpflichtet, beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.Die hier nicht näher definierten Begriffe "erhebliche Nachteile", "erhebliche Belästigungen" und "unzumutbarer Fluglärm" machen es natürlich schwer, hieraus konkrete Forderungen abzuleiten. Eigene Definitionen oder Grenzwertsetzungen gibt es dazu nicht, in § 8 wird lediglich im Fall einer Planfeststellung für Neuanlage oder wesentliche Änderung eines Flughafens gefordert, "die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu beachten".
(2) Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.
Einen weiteren Ansatz liefert die EU-Umgebungslärm-Richtlinie. Diese fordert in Artikel 1 (1c) die
"Annahme von Aktionsplänen durch die Mitgliedstaaten mit dem Ziel, den Umgebungslärm so weit erforderlich und insbesondere in Fällen, in denen das Ausmaß der Belastung gesundheitsschädliche Auswirkungen haben kann, zu verhindern und zu mindern ...".Der durch Flugverkehr verursachte Lärm gehört nach Artikel 3 a) eindeutig zu diesem Umgebungslärm, und nach Artikel 8 müssen auch für Großflughäfen in den Aktionsplänen "Lärmprobleme und Lärmauswirkungen, erforderlichenfalls einschließlich der Lärmminderung, geregelt werden". Daraus lässt sich ein (politischer) Anspruch an die 'zuständige Behörde' ableiten, ihrem gesetzlichen Auftrag Genüge zu tun und Vorschläge zur Lärmminderung zu erarbeiten.
Dass die rechtlichen Grundlagen für die Lärmbekämpfung in Deutschland auch nach den vorgenommenen Anpassungen unzureichend sind, erläutert ein
Vortrag,
der anlässlich einer Fortbildung der 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm' im Frühjahr 2024 gehalten wurde. Dort wird festgestellt:
"Das geltende Recht ist aufgrund seiner Inkonsistenz und der daraus folgenden Anwendungsschwierigkeiten nicht in der Lage, den Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsgefährdendem Lärm sicherzustellen. Dies gilt in besonderem Maße für im Bestand vorhandene Lärmkonflikte."
Gefordert wird daher ein
"Systemwechsel hin zu einer Betrachtung des Gesamtlärms am Immissionsort sowie die Aufgabe von Privilegierungen für bestimmte Lärmemittenten".
"Im Fokus dieser Bemühungen sollten diejenigen Lärmquellen stehen, die maßgeblich zu gesundheitsgefährdendem Lärm beitragen",
und das sind alle Arten von Verkehrslärm, insbesondere auch der Fluglärm.
(Für Link zur Quelle jeweilige Grafik anklicken)
Eine Regelung, die den aktiven Schallschutz eher behindert als fördert, ist der sog.
Balanced Approach,
der von der 'Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation' (ICAO) bereits 2001 als Empfehlung beschlossen und von der EU durch eine entsprechende
Verordnung
in für alle Mitgliedsstaaten geltendes Recht umgesetzt wurde.
Dass dieses Regelwerk primär dazu dient, Betriebsbeschränkungen an Flughäfen soweit als möglich zu verhindern, wurde 2012 sogar im Verkehrsausschuss des Bundestages
ausführlich diskutiert,
beeinflusste aber die weitere Entwicklung kaum. Seither hat sich der Ton eher noch verschärft, wie eine
entsprechende Resolution
der ICAO-Generalversammlung 2022 zeigt.
Eine Betriebsbeschränkung ist gemäß der seit 2014 geltenden Fassung der EU-Verordnung, die deren Zulässigkeit verbindlich regelt,
"eine Lärmminderungsmaßnahme, die den Zugang zu einem Flughafen oder seine Betriebskapazität einschränkt, einschließlich ... partieller Betriebsbeschränkungen, die zum Beispiel für eine bestimmte Tageszeit oder nur für bestimmte Start- und Landebahnen des Flughafens gelten".
Sie dürfen gemäß dieser Verordnung
"nicht als erstes Mittel, sondern nur nach Abwägung der anderen Maßnahmen des ausgewogenen Ansatzes",
der
"Reduzierung des Fluglärms an der Quelle",
"Planung und Verwaltung der Flächennutzung"
sowie
"betriebliche Verfahren zur Lärmminderung"
enthält, angewendet werden.
Diese Verordnung ist damit ein Musterbeispiel für die perversen neoliberalen Prinzipien, die die Luftverkehrslobby in den neunziger und den zweitausender Jahren internatiovnal durchsetzen konnte (mit massiver Schützenhilfe deutscher Wirtschafts- und Verkehrs-Minister natürlich).
Betriebsbeschränkungen sollen nicht nur gegen die "Planung und Verwaltung der Flächennutzung", sprich Siedlungsbeschränkungen und 'Absiedlungen', abgewogen werden, es soll auch noch
"die kosteneffizienteste Maßnahme oder Kombination von Maßnahmen"
gewählt werden.
Zusätzlich muss die Maßnahme auch der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt und eine Beschwerdestelle für alle Beteiligten eingerichtet werden. Wie Gesundheitsschäden und vorzeitige Todesfälle durch Fluglärm kostenmäßig zu bewerten sind, steht allerdings nicht drin.
Die hessische Landesregierung sah sich allerdings durch die EU-Verordnung nicht weiter in ihren Rechten eingeschränkt und kam in einer Bewertung des "balanced approach" 2016 zu dem Schluss:
2022 klang das schon nicht mehr ganz so bestimmt, aber zumindest die bestehenden Nachtflug-Beschränkungen wurden noch verteidigt. Welche Rolle diese Verordnung bei kommenden Auseinandersetzungen spielen wird, muss sich zeigen.
- Inhaltlicher Rahmen und Grundprinzipien sind bereits im deutschen Recht abgebildet.
- Das „ob“ und „wie“ der Lärmschutz-Instrumente bleibt bei den Mitgliedsstaaten
und unterliegt weiterhin deren Rechtsordnung
Luftverkehr ist grundsätzlich eine Bundesangelegenheit, aber der Bund hat durch
§ 31 LuftVG
eine Reihe von Aufgaben an die jeweiligen Bundesländer delegiert. Aufsichtsbehörde für den Flughafen Frankfurt ist daher das
Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum,
das einen (mittlerweile schwer zu findenden) Bereich
Luftverkehr
hat, wo neben viel Grundsätzlichem auch Aktuelles wie z.B. die
Ausnahmegenehmigungen vom Nachtflugverbot
präsentiert wird. Dort ist auch die
Stabsstelle Fluglärmschutz
und die Fluglärmschutzbeauftragte mit Mail-Adresse und Telefonnummer, aber ohne eigene Inhalte, zu finden.
Da einige Aufsichts- und Regulierungs-Funktionen an die Regierungspräsidien ausgelagert sind, findet man einige relevante Unterlagen auch auf den Seiten des
Regierungspräsidium Darmstadt,
insbesondere zum (passiven)
Lärmschutz,
aber auch zur
Lärmaktionsplanung.
Bei der Maßnahme-Planung und Genehmigung haben je nach Sachverhalt ggf. noch andere Institutionen mitzureden. Für Überwachung und Lenkung des Flugbetriebs, Routenplanung etc. ist die 1993 privatisierte
DFS Deutsche Flugsicherung GmbH
zuständig. Sie bietet dazu auf ihren Seiten eine Reihe von technischen Informationen. Es gibt auch eine Seite
Umwelt,
die aber relativ oberflächlich bleibt. Detailliertere Informationen findet man in einigen
Publikationen,
die dort zum Download bereit stehen.
Bei der Privatisierung der Flugsicherung als staatlicher Restbestand übriggeblieben ist das
BAF Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung,
das mit der DFS Tür an Tür in Langen sitzt und dort Aufsicht führt und die Tätigkeiten ausübt, für die hoheitliche Befugnisse notwendig sind.
Alle Arten von Zulassungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsfunktionen in Bezug auf Personal und Gerätschaft im Luftverkehr übt das
Luftfahrt-Bundesamt LBA
aus. Hier findet man viele Informationen, z.B. für die Anforderungen, die Geräte erfüllen müssen, um im Luftverkehr eingesetzt werden zu dürfen. Es gibt auch eine Seite mit Informationen, wo man die jeweils aktuellen und gültigen
Gesetze und Verordnungen
finden kann.
Auf europäischer Ebene laufen viele Aktivitäten, die Fragen des Schallschutz berühren, über die European Union Aviation Safety Agency
EASA
und die European Organisation for the Safety of Air Navigation
Eurocontrol. International kümmert sich eine UN-Organisation, die "International Civil Aviation Organisation"
ICAO
um Lärmfragen. Einen Überblick über viele andere internationale Organisationen, die dabei eine Rolle spielen könnten, gibt es auf unserer
Link-Seite.
Anlässlich einer Konferenz des "Forums Flughafen und Region", der
ICANA 2023,
gab es auch je einen Vortrag zu Themen und Organisation der Lärmschutz-Aktivitäten bei
ICAO
und bei der
EASA.
Beide Vorträge kann man sich auch als Video mit deutschem oder englischem Text in der
Konferenz-Dokumentation
ansehen.
Am Flughafen Frankfurt gibt es im Wesentlichen drei Akteure, die das Themenfeld 'Aktiver Schallschutz' bearbeiten.
Die Geschichte des aktiven Schallschutzes im Zusammenhang mit dem jüngsten Ausbauschritt am Frankfurter Flughafen begann mit dem "Anti-Lärm-Paket", das die Mediatoren in ihrem Bericht im Jahr 2000 als Empfehlung formuliert hatten. Daraus entwickelte der damalige Vorsitzende des "Regionalen Dialogforums", Herr Prof. Dr. Wörner, den Anti-Lärm-Pakt, den er noch im September 2007 in letzter Minute durchsetzte. Obwohl vom RDF nie formal verabschiedet, wurde er per Landtagsbeschluss eine Grundlage der Arbeit der Nachfolgeeinrichtungen, des Forum Flughafen & Region und der Umwelthaus GmbH. Das FFR setzte ein Expertengremium ein, das ein "erstes Maßnahmepaket Aktiver Schallschutz" entwickelte und dazu im Juli 2010 einen Endbericht, im Juni 2012 einen Monitoring-Bericht und im November 2016 eine 5-Jahres-Bilanz vorlegte.
Obwohl der Monitoring-Bericht bei nahezu allen Maßnahmen feststellen musste, dass die erwarteten Ergebnisse nicht erreicht werden konnten, bilanziert das FFR bis heute dieses Maßnahmepaket als Erfolg und behauptet, dass alle sieben Maßnahmen "in den Regelbetrieb" übernommen worden seien, ohne allerdings Aussagen dazu zu machen, welche quantifizierbaren Lärmminderungen damit erreicht wurden.
Tatsächlich können einige der damals vorgesehenen Maßnahmen gar keine Wirkung (mehr) haben, weil z.B. die umgerüstete B737-Flotte der Lufthansa inzwischen längst ausgemustert ist (Maßnahme 5) oder der "Segmented Approach" bis heute nur
in betriebsarmen Zeiten
geflogen werden kann (Maßnahme 3). Weitere Beispiele werden weiter unten noch diskutiert.
Um die bedeutende Rolle, die das FFR nach eigenem Anspruch im Bereich Aktiver Schallschutz spielen wollte, auch nach aussen angemessen zu dokumentieren, veranstaltete das FFR mit Unterstützung gewichtiger Partner eine Reihe von "International Conferences on Active Noise Abatement" (Internationale Konferenzen Aktiver Schallschutz), ICANA. Diese fanden bisher 2010, 2013, 2015, 2016 und 2023 statt, jeweils mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Die Dokumentationen der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten sind online verfügbar und enthalten eine Fülle von teilweise sehr interessanten Materialien technischer Art, aber auch viel Fragwürdiges und inzwischen Überholtes. Auch wurde dort 2013 die Frankfurter Erklärung verabschiedet, die offenbar heute noch als eine Art Grundsatz-Papier des FFR betrachtet wird.
Es dauerte bis Januar 2018, bis das FFR sein
Neues Maßnahmenprogramm Aktiver Schallschutz
vorlegte, zusammen mit einem
Hintergrund-Papier,
das eher pauschal die Absichten beschreibt, einem ausführlichen
Bericht
und einer
Infoblatt-Sammlung,
die zu jeder Maßnahme ein Formblatt mit den wesentlichen Daten enthält.
Das neue Programm sollte
"Fluglärm mindern"
und dafür sorgen,
"dass es in der Region leiser wird".
Zwar war von Anfang an klar, dass es das
nicht leisten konnte, aber da es zunächst einmal durch den Zusammenbruch des Luftverkehrs während der COVID-19-Pandemie drastisch leiser wurde, blieben die praktischen Nachweise dafür zunächst aus. Der
Bericht,
der im Mai 2019 der Fluglärmkommission vorgelegt wurde, machte Aussagen zum Bearbeitungsstand der einzelnen Maßnahmen, aber nicht zu deren Wirkung.
Seit einiger Zeit betreibt das FFR bzw. dessen 'Expertengremium Aktiver Schallschutz'
ExpASS
eine eigene Webseite
Aktiver Schallschutz.
Dort findet man grundlegende Dokumente, Broschüren, Infoblätter etc., aber nur sehr selten Materialien zu aktuellen Entwicklungen. Die
Übersicht
über die
"Entwicklung des aktiven Schallschutzes im Rhein-Main-Gebiet"
reichte bei unserer letzten Durchsicht Anfang 2024 nur bis 2018. Neueres muss man sich aus anderen Quellen zusammensuchen.
Im September 2024 erklärte das FFR das zweite Maßnahmeprogramm (bis auf ein paar Restarbeiten) für abgeschlossen, und obwohl eine der drei Säulen dieses Programms aus "Erforschung und Entwicklung von Maßnahmen, die in einigen Jahren zum Schallschutz beitragen können", bestand, sind neue Ideen offensichtlich Mangelware. Als nächster Schritt soll daher eine "Potential-Analyse" ausgeschrieben werden, damit andere sich Gedanken machen, was man noch so tun könnte, damit es in der Rhein-Main-Region "leiser wird" - oder zumindest der Eindruck aufrechterhalten wird, es würde noch daran gearbeitet.
Parallel zur Gründung des FFR wurde auf der Basis einer
Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 im Februar 2012 die
Allianz für Lärmschutz
von
"Luftverkehrsakteuren, Landesregierung und Region"
gegründet, um damit die im Anti-Lärm-Pakt angekündigte Beteiligung der
"Flugverkehrsgesellschaften ... an der Umsetzung der Aktiven Schallschutzmaßnahmen"
zu demonstrieren. Als Reaktion auf die Inbetriebnahme der Nordwestlandebahn 2011 und die damit wieder ansteigenden Proteste wurde eine neue
Erklärung
verabschiedet und eine eigene
Maßnahmeliste
eingeführt.
Die enthielt einen bunten Strauss von 19 Maßnahmen, bei denen die Luftverkehrswirtschaft eine direkte Kontrolle behalten wollte. Die betrafen auch den passiven Schallschutz, wie den
Regionalfonds
und das Immobilien-Management-Programm Casa.
Unter den Maßnahmen, die dem aktiven Schallschutz dienen sollten, waren auch solche, die nie umgesetzt wurden, wie "Point Merge", oder solche, die nach Befriedung der Region aus Kapazitätsgründen zurückgenommen wurden, eine möchte überwiegend aus anderen Gründen durchgeführte Flottenmodernisierungsmaßnahmen als Schallschutz verkaufen, und eine ist durch "unvorhergesehene" Einschränkungen (Nachtflugverbot) zur Lachnummer verkommen, die so wirkungslos ist, dass nicht einmal die Schäden, die sie theoretisch anrichtet, spürbar werden. Wieder andere bezogen sich auf Forschungsvorhaben mit sehr begrenzter Wirkung (Reduzierung Bodenlärm), ökonomische Instrumente mit unklarer Reichweite (Spreizung Lärmentgelte) oder waren ohnehin nur "zur Prüfung" aufgelistet (neue An- und Abflug-Routen). Zu deren Umsetzung weiter unten mehr.
Am 3. Oktober 1966 wurde die "Kommission zur Abwehr des Fluglärms, Flughafen Frankfurt Main" (kurz
Fluglärmkommission,
FLK) offiziell als beratendes Organ des hessischen Wirtschaftsministers gegründet und damit zum Vorbild aller Fluglärmkommissionen in Deutschland, die ab 1971
auf Basis von § 32b LuftVG
an allen Verkehrsflughäfen gebildet wurden zur
"Beratung der Genehmigungsbehörde sowie des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und der Flugsicherungsorganisation über Maßnahmen zum Schutz gegen Fluglärm und gegen Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge".
2016 konnte sie anlässlich ihres 50 jährigen Bestehens eine
Bilanz
ihrer Tätigkeit ziehen.
Da die FLK ausser einer kleinen, über einen Trägerverein finanzierten Geschäftsstelle nicht über eigene Ressourcen verfügt, ist sie für die Ausarbeitung und Beurteilung von technischen Vorschlägen zum Schallschutz auf externe Expertise angewiesen, die in den letzten Jahren überwiegend vom Forum Flughafen und Region gestellt wird. Eigenständige Beiträge der FLK gibt es im Bereich der politischen Bewertung von Maßnahmen und der Beteiligung von Betroffenen.
Seit Mai 2023 regelt das hessische
Fluglärmkommissionsgesetz
die
Finanzierung
der FLK und verpflichtet andere Landeseinrichtungen wie das FFR oder die Fluglärmschutzbeauftragte des Ministeriums zur Zusammenarbeit.
Bereits im Juli 2014 hatte die FLK mit einer
Pressemitteilung
daran erinnert, dass sie seit 10 Jahren aktiv und mit eigenen Vorschlägen für aktiven Schallschutz eingetreten ist und einen
Bericht
vorgelegt, der den Stand der Umsetzung der Vorschläge bewertete. Von den 81 vorgelegten Vorschlägen waren lt. Bericht "je 1/3 ... realisiert bzw. umgesetzt, nicht umgesetzt oder befinden sich noch in der Prüfung". Besonders interessant darin sind die nicht umgesetzten Vorschläge, weil man daraus viel darüber lernen kann, was einem wirksamen Schallschutz im Weg stand und steht.
Die Arbeit des FFR und der "Allianz" hat die FLK anfangs sehr kritisch begleitet. Das "erste Maßnahmepaket" des FFR hat sie in einem
Grundsatzbeschluss
als "längst überfällig" und "unzureichend"
zur Kenntnis genommen und dabei auf die absolute Notwendigkeit eines (damals von der Landesregierung bekämpften) Nachtflugverbots als
"die wirksamste Maßnahme des Aktiven Schallschutzes zur Erreichung eines hinreichenden Gesundheitsschutzes der Bevölkerung"
hingewiesen. Letzteres hat sie auch nach Inbetriebnahme der Nordwestbahn nochmals in einer umfassenden
Stellungnahme
bestätigt.
Im April 2015 hat die Fluglärmkommission eine
Sammlung von Vorschlägen
für ein zweites Maßnahme-Paket veröffentlicht. Das vom FFR schließlich 2018 vorgelegte Paket wollte sie zunächst nur
zur Kenntnis nehmen,
ließ sich dann aber doch
zur Zustimmung bewegen.
Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit war stets, die gesetzlichen Grundlagen für die Durchsetzung aktiver Schallschutzmaßnahmen zu verbessern. Das war bereits Hauptthema des
10-Punkte-Programms
von 2013 und zieht sich durch zahlreiche Stellungnahmen über das
Positionspapier 2017
bis zum
Wahlkampf 2021.
Dabei hat es die FLK nicht nur bei Stellungnahmen belassen, sondern auch in umfangreichen
Gutachten
Möglichkeiten zur Entwicklung besserer gesetzlicher Rahmenbedingungen analysieren lassen und
Protest-Aktionen
vor dem Berliner Reichstag mitorganisiert, um vom Bundestag solche Verbesserungen einzufordern.
Um die Wirksamkeit von Schallschutz-Maßnahmen zu bewerten, braucht es ein geeignetes Instrument, denn Lärm lässt sich nicht direkt messen, insbesondere nicht Lärm, der eine ganze Region belastet. Messen lässt sich der Schalldruck an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmte Zeit. Da der Schalldruck z.B. unter einer Anfluglinie ständig in unterschiedlichem Ausmaß zu- und abnimmt und von zahlreichen Schallquellen gleichzeitig beeinflusst wird, braucht es erstens Definitionen für das Meßverfahren, die die erhaltenen Zahlenwerte beeinflussen. Dies wurde deutlich bei der Einführung einer neuen Meßnorm 2011, die dazu führte, dass die Fraport-Meßberichte ab 2017 niedrigere Werte lieferten. Zweitens braucht es Mittelungsverfahren, um ein Maß für den Lärm über eine bestimmte Zeit zu bekommen. Dafür ist der sog. "äquivalente Dauerschallpegel" gemäß der Anlage zum Fluglärmschutzgesetz zu benutzen. Drittens braucht es dann noch Berechnungsverfahren, um den Dauerschallpegel an den Stellen zu berechnen, an denen nicht gemessen wird.
Damit bekommt man ein Maß für den Schall, der in der Fläche über eine bestimmte Zeit einwirkt. Schall wird allerdings nur zu
Lärm,
wenn er auf Menschen einwirkt und dabei (bewußte oder unbewußte) negative Reaktionen auslöst. Wie
Fluglärm
bewertet werden kann und welche Reaktionen dafür herangezogen werden, ist gesetzlich nicht eindeutig festgelegt.
Daher sollte für Frankfurt ein eigenes Instrument entwickelt werden, das optimal für das geplante Vorgehen geeignet sein sollte.
Im sog. 'Anti-Lärm-Pakt' hat der RDF-Vorsitzende Wörner deshalb als erste Punkte genannt:
Zumindest der erste Punkt wurde dann auch insofern umgesetzt, als ein Lärmindex entwickelt und Anfang 2010 in
der FLK vorgestellt
wurde. Nach einer Präsentation der ersten Berechnungen 2013, die einige
seltsame Ergebnisse
zeigte, verschwand er allerdings weitgehend wieder von der Bildfläche und wurde bestenfalls für FFR-interne Bewertungsprozesse genutzt.
In der öffentlichen Berichterstattung tauchte er jahrelang nicht mehr auf, und obwohl er ja dafür geschaffen werden sollte, hat er nicht nur zu einer Begrenzung des Lärms nichts beigetragen, er wurde auch für keine andere der Maßnahmen aus dem ersten Paket wirklich benutzt.
Das änderte sich erst wieder 2019, als er nach einer teilweisen Überarbeitung als
FFI 2.0
wieder auferstand und nun
"noch genauer auf die Lärmwirkungen im Umfeld des Flughafens Frankfurt zugeschnitten"
als Kennzahl dafür dienen sollte,
"wie sich die Lärmwirkung in der Region um den Flughafen Frankfurt entwickelt", und zwar sowohl in der Vergangenheit ('Monitoring') als auch für die Zukunft,
"um zu prognostizieren, wie sich mögliche Maßnahmen des aktiven Schallschutzes auswirken würden".
Mit anderen Worten, er sollte nun wirklich ein Universal-Instrument
"für die Bewertung von Lärmwirkung und Schallschutzmaßnahmen"
werden. Da aber bei der Überarbeitung die meisten
strukturellen Probleme
nicht beseitigt wurden, gab es daran von Anfang an große Zweifel.
Das Umwelthaus hat einen
kurzen Überblick
sowie eine ausführliche
Dokumentation
zum FFI 2.0 erstellt und dokumentiert auch eine
wissenschaftliche Studie,
in der Anforderungen an einen derartigen Index genannt sind (die bei Weitem nicht alle erfüllt wurden).
Unsere Kritik an diesem Index ist in zwei Beiträgen zum
Tagindex
und zum
Nachtindex
formuliert. Sie können auch als PDF-Dokument für den
Tagindex
und für den
Nachtindex
herunter geladen werden.
Als wesentliche Motivation für die Reaktivierung und Modernisierung des FFI darf man wohl die Tatsache betrachten, dass das 2018 beschlossene
Zweite Maßnahmenprogramm Aktiver Schallschutz
des FFR im Wesentlichen Maßnahmen enthielt, die durch Lärmverschiebungen die Zahl der vom Lärm Belästigten verringern sollten und zu deren Durchsetzung ein halbwegs solide und modern wirkendes Instrument gebraucht wurde.
Der erste Einsatz bei der geplanten
Veränderung einer Abflugroute
von der Startbahn West war zwar wenig erfolgreich, wird aber weitergeführt. Auch für andere
geplante Maßnahmen
soll er genutzt werden.
Für die öffentliche Berichterstattung spielt er allerdings weiter keine Rolle. Nach einer ersten Rechen-Offensive, die zu einem zusammenfassenden
Indexbericht 2007-2019
führte, blieben die angekündigten jährlichen Berichte wieder aus.
Es gab auch durchaus Ansätze, Alternativen zum FFI zu entwickeln, die die Anforderungen aus dem 'Anti-Lärm-Pakt' besser erfüllen könnten. Für den DFLD hat Horst Weise einen sog. Kritischen Fluglärm-Index erarbeitet, der die gröbsten Mängel (der ersten Version) des 'Frankfurter Fluglärm-Index' beseitigen und eine bessere Grundlage zur Bestimmung einer Lärmobergrenze sein sollte. Die wesentlichen Kriterien sind nach seiner Aussage:
Hintergrund des Ganzen ist die Erkenntnis: Selbst eine ambitionierte Lärmobergrenze wird bei Anwendung des FFI zur Farce.
(der FFI ignoriert 91% der Betroffenen)
sowohl räumlich, d.h. jede Kommune bzw. Ortsteil wird separat ausgewiesen
als auch zeitlich, d.h. die kritischen Nachtrandstunden (5-6 und 22-23), die Tagsrandstunden (6-8 und 20-22), die Nacht (23-5) und der Tag (8-20) werden separat ausgewiesen (der FFI verschleiert alles in einer einzigen Zahl)
Die Stabsstelle Fluglärm des Frankfurter Oberbürgermeisters wollte diesen KFI im September 2016 als
Grundlage für eine Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen einfordern, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.
Auch die
EU-Umgebungslärm-Richtlinie
definiert Methoden, die Lärmbelastung einer bestimmten Region zu bewerten. Die Bestimmungen dazu sind in den Anhängen I bis III festgelegt. Die benutzten Begrifflichkeiten sind allerdings unterschiedlich. Die in Anhang I definierten "Lärmindices" entsprechen
Beurteilungspegeln,
die einmal für den Gesamttag mit drei unterschiedlich bewerteten Zeiträumen (Tag, Abend, Nacht, (Lden)) und einmal für die Nacht ( (Lnight)) definiert werden. Die Berechnungs- und Bewertungs-Methoden dafür werden allgemein in den Anhängen II und III festgelegt, allerdings gibt es hier trotz der 2021 beschlossenen Konkretisierungen noch Spielraum für nationale Festlegungen.
Bisher ist die Nutzung dieser Grössen nur für die Lärmaktionsplanung nach EU-Richtlinie verbindlich. Ob sie sich auch für andere Anwendungen durchsetzen werden, ist unklar.
Die Phasen nach dem Beschluss zum erneuten Ausbau des Flughafens (2000) und nach Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest (2011) waren auch Phasen besonderer Aktivität von Luftverkehrswirtschaft und Landesregierung in technischer und propagandistischer Hinsicht.
Einiges davon blieb Anekdote, anderes wirkt noch bis auf Weiteres nach. Die wichtigsten Aspekte davon sollen im Folgenden dargestellt werden.
Aufgrund der extremen Belastungssituation wurden in Raunheim schon früh Forderungen nach Maßnahmen zur Entlastung formuliert. Im Gründungspapier der BIFR von 1999 sind folgende Forderungen genannt:
Rückenwind-Komponente falschrum. Es wird selten so deutlich gezeigt, kommt aber viel zu oft vor, dass andere Kriterien als der Wind die Betriebsrichtung bestimmen.
Bildquelle:
Umwelthaus.
Im von der Stadt Raunheim beauftragten
Fluglärm-Entlastungskonzept Raunheim 2002
und dessen
Fortschreibung 2006
wurden diese und weitere Maßnahmen technisch ausgearbeitet und bezüglich ihrer zu erwartenden Wirkungen bewertet.
Diese Maßnahmen wurden vom ExpASS überprüft und haben allesamt ein trauriges Schicksal erlitten. Zwei hatten es noch in das
erste Maßnahme-Paket
geschafft: die Erhöhung der Rückenwind-Komponente und die Erhöhung des Anfluggleitwinkels. Letztere wurde, wie weiter unten noch genauer beschrieben wird, zur "Never-ending story": sie wird beim FFR immer noch als
"auf der Landebahn Nordwest ... im Regelbetrieb"
geführt,
"eine Ausdehnung auf das Parallelbahnsystem ist geplant".
Die andere, obwohl
gut begründet
und mit
Zahlen untermauert,
mutierte zunächst zu
"Optimierung beim Betriebsrichtungswechsel je nach Rückenwind"
und taucht dann unter
Erhöhung des Anteils von BR25
als
"im Regelbetrieb"
auf, was man
mit guten Gründen
bezweifeln kann. Zumindest ist die Zahl der Ausnahmen von dieser Regel viel zu hoch.
Nach
Angaben des Umwelthauses
"wird auf ICAO-Ebene ebenfalls die Diskussion geführt, ob eine erhöhte Rückenwindkomponente aus Lärmschutzgründen nach internationalen Vorgaben erlaubt sein soll",
daher wird das FFR
"zunächst die Entscheidung der ICAO abwarten".
Ob und wann es eine solche Entscheidung geben wird, ist anscheinend völlig offen. Immerhin wurde 2018
gerichtlich bestätigt,
dass die derzeitige Regelung rechtlich nicht angreifbar ist.
Die Maßnahme mit dem grössten Lärm-Vermeidungspotential für Raunheim, die Versetzung der Landeschwellen nach Osten bei Betriebsrichtung 07, die niemandem schaden würde, landete sehr schnell auf der Liste der abgelehnten Maßnahmen. Ohnehin nur in eingeschränkter Form, "zwischen 22 und 6 Uhr bei Anflügen auf die Südbahn", zur Prüfung gebracht, unterfiel sie dem Fraport-Diktum, das jeden Maßnahmevorschlag unwiderruflich cancelt: "in der Folge wäre die Kapazität am Flughafen stark eingeschränkt".
Analysen und Ergebnisse des ExpASS sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich - die muss den Experten eben glauben. Nachvollziehen oder fundiert in Frage stellen lassen sich diese Bewertung nicht.
Daher haben wir diese Maßnahme natürlich in allen Anhörungen zur
Lärmaktionsplanung Luftverkehrslärm,
zuletzt im April 2023 für die
vierte Runde,
eingebracht. In den Ablehnungsbegründungen finden sich dann noch weitere Aussagen, so im
Lärmaktionsplan 2014,
es
"müssten Rollwege und Infrastruktur geändert werden ... . Die Beibehaltung der 4.000 m Landebahnen für schlechte Wetterbedingungen kombiniert mit variabel verkürztem Schwellenersatz ist nach bisherigem Kenntnisstand in Frankfurt nicht umsetzbar, da die erforderliche Kombination und Verlagerung von Rollwegen flächenmäßig nicht darstellbar ist",
und im
LAP 2022,
"Vor allem würden sich dabei Anflugflächen verschieben, die aus Sicherheitsgründen frei von Hindernissen bleiben müssen. Wichtige Rollwege am Flughafen könnten dadurch nicht mehr durchgehend genutzt werden".
Das hing mal am Ortseingang
Vermutlich gäbe es noch ein paar Sätze mehr, die sich als Begründung verkaufen lassen, ohne überzeugen zu können. Die Kernaussage ist klar: die für diese Maßnahme notwendigen Investitionen in die Infrastruktur (die für Kapazitätssteigerungen durchaus denkbar waren) wären nur für die Entlastung der Handvoll Betroffenen in Raunheim, Rüsselsheim und weiter westlich natürlich viel zu hoch.
Lediglich die Forderung nach einem Nachtflugverbot, die natürlich nicht nur in Raunheim, sondern praktisch in der ganzen Region und mit besonderem Nachdruck erhoben wurde, hatte einen gewissen Erfolg, aber das ist Thema des nächsten Kapitels.
Beschränkungen oder Verbote des Flugbetriebs zu bestimmten Zeiten und/oder an bestimmten Orten sind naturgemäß die wirksamsten Maßnahmen, um die Bevölkerung zumindest partiell vor Lärm zu schützen. Sie haben aber ebenso naturgemäß den grössten Einfluss auf das Geschäft des Flughafens und der Fluggesellschaften, weswegen die Luftverkehrslobby intensiv bemüht ist, die Einführung solcher Beschränkungen so schwer wie möglich zu machen, und sie haben dabei beachtliche Erfolge erzielt.
Das FFR, das wohl auch aus diesem Grund den Begriff "Betriebsbeschränkung" offensichtlich gerne vermeiden möchte, führt Maßnahmen, die die Nutzung bestimmter Bahnen für bestimmte Zeiten beschränken, zusammen mit anderen unter der Überschrift
Siedlungszentren umfliegen und gezielte Bahnnutzung.
Der englische Fachbegriff für Letztere lautet "Dedicated Runway Operations" oder kurz "DROps". Davon finden sich im FFR-Katalog zwei: das ältere Konzept "DROps Early Morning" und die 2015 eingeführten "DROps BR25", besser bekannt als "Lärmpausen". Viel wichtiger sind allerdings Konzepte zur Nicht-Nutzung der Bahnen zu bestimmten Zeiten, speziell in der Nacht.
Bleibende Aufgabe
Der Kampf um ein Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt hat seine
eigene Geschichte.
In eingeschränkter Form war es Bestandteil der
Mediations-Empfehlungen:
"Der Schutz der Bevölkerung vor übermäßiger Lärmbelastung hat Vorrang. Deshalb hält die Mediationsgruppe ein Nachtflugverbot für unabdingbar. Sie empfiehlt, dieses Verbot auf den Zeitraum von 23 Uhr bis 5 Uhr zu erstrecken. Darüber hinaus befürwortet die Mediationsgruppe, für weitere besonders sensible Zeitbereiche Maßnahmen zur Lärmreduzierung zu ergreifen."
Diese Empfehlungen, die insbesondere natürlich den Ausbau-Beschluss beinhalteten, galten danach zwar öffentlich als der künftig unangreifbare Kompromiss, dem sich alle Beteiligten unterwerfen sollten, aber die Aussagen zum Schutz der Nachtruhe gerieten schon in der unmittelbar folgenden
Landtags-Anhörung
unter Druck, wurden im Landesentwicklungsplan 2006
nicht verankert
und im
Planfeststellungsbeschluss 2007
zunächst nicht umgesetzt.
Erst per Eilantrag und Klage wurde erreicht, dass die Beschränkungen doch mit der Eröffnung der neuen Nordwestbahn im Oktober 2011 eingeführt wurden. Seither gilt ein fast vollständiges Verbot für Flugbewegungen zwischen 0:00 und 5:00 Uhr, für geplante Flugbewegungen von 23:00 bis 0:00 Uhr, sowie eine Beschränkung der Anzahl in den Zeiten von 22:00 bis 23:00 und 5:00 bis 6:00 Uhr. Die schwarz-gelbe Landesregierung versuchte allerdings noch ein weiteres Jahr lang, die Beschränkungen
mit Lügen und Täuschungen
zu verwässern, so dass sie erst 2012 vom Bundesverwaltungsgericht
letztinstanzlich bestätigt
wurden. Seither haben Fluglärmgegner wenigstens einen
Grund zum Feiern.
Solche Erfolge sind allerdings keinesfalls auf Dauer garantiert, sondern müssen ständig verteidigt werden. Nicht nur fordert Fraport immer wieder
neue Ausnahmeregelungen
und planen die Fluggesellschaften ihre Umläufe so knapp, dass
Verspätungen nahezu zwangsläufig
sind, auch die Aufsichtsbehörde
unterstützt eifrig
bei der Umgehung der Beschränkungen.
Allerdings sah sich die hessische Landesregierung 2016 zumindest veranlasst
zu erklären,
dass die bestehenden Nachtflug-Beschränkungen mit dem "balanced approach" und der EU-Betriebsbeschränkungs-Verordnung vereinbar seien.
Für alle eventuell noch kommenden Regeln dieser Art, wie z.B. auch die Ausweitung auf die gesamte gesetzliche Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr, ist diese Verordnung allerdings eine zusätzliche Hürde, die berücksichtigt werden muss, aber nicht unüberwindlich ist, sofern der poltische Wille hinreichend stark ist.
Diese Maßnahme wurde konzipiert, als die Betreiber noch davon ausgingen, dass es noch die ganze Nacht über Flüge geben würde und daher eine Maßnahme, die von 23:00 bis 6:00 Uhr in bestimmten Bereichen Ruhe schaffen könnte, Sinn machen würde. Dazu sollten in jeder zweiten Nacht (warum, ist unklar) die Starts bei Betriebsrichtung 25 auf dem Parallelbahnsystem nach Westen stattfinden, so dass im Süden Ruhe wäre, bei BR07 dagegen sollten alle Starts über die 18 West erfolgen, so dass der Osten Ruhe hätte.
Nachdem klar war, dass es zwischen 23:00 und 5:00 Uhr keine (geplanten) Flüge mehr geben würde, hätte man sie eigentlich aufgeben können. Da aber in der damaligen Situation Schallschutz-Bemühungen vorgezeigt werden mussten, wurde sie trotzdem umgesetzt - für die frühe Morgenstunde zwischen 5:00 und 6:00 Uhr.
Zwar konnte ein allgemeiner Nutzen nie nachgewiesen werden, und es gab sogar Hinweise, dass die Maßnahme (in Raunheim) eher Schaden anrichten könnte, aber auch das war letztendlich kaum nachzuweisen. Nach mehreren Testphasen ging sie im Juli 2013 in den Regelbetrieb und wurde so lange angewendet, bis sie Bestandteil einer umfassenderen Regelung wurde.
Diese umfassendere Regelung wurde unter dem Begriff "Lärmpausen" bekannt. Um den Grünen beim Einstieg in die schwarz-grüne Koalition 2014 wenigstens ein bißchen Gesichtswahrung zu ermöglichen, mußten in den Koalitionsvertrag ein paar Aussagen zum Schallschutz aufgenommen werden. Eines dieser Projekte waren die 'Lärmpausen'. Im Koalitionsvertrag wurde dazu energisch formuliert:
"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitionspartner halten dies durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."Der Hinweis auf mögliche Änderungen von Planfeststellungsbeschluss und Betriebsgenehmigung wurde ganz schnell wieder beerdigt, und es wurde immer mal wieder gewarnt, die Pausen würden "nicht immer und überall" (Ministerpräsident Bouffier) und "nicht dauerhaft und planbar" (Fraport-Chef Schulte) sein, aber kommen sollten sie trotzdem irgendwie.
"Für den Fall, dass dieses Ziel (siebenstündige Nutzungspausen) nicht in angemessener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Planänderung bzw. modifizierte Betriebsgenehmigung vor."
Am 12.09.14 hat Minister Al-Wazir der Fluglärmkommission und dem 'Forum Flughafen und Region' in einer Sondersitzung fünf Modelle vorgestellt, aus denen sie eines für einen einjährigen Testbetrieb aussuchen sollten. Aber schon die erste grobe Berechnung der Veränderung der Lärmbelastung durch das Umwelt- und Nachbarschaftshaus, die ebenfalls in der Sitzung vorgestellt wurde, zeigte, dass drei der fünf Modelle zu einer, zum Teil sehr deutlichen, Mehrbelastung der Region führen, und auch die beiden insgesamt positiven Modelle an einzelnen Orten den Lärm unzumutbar verstärken würden.
Ausführliche
Berechnungen
des Forums Flughafen und Region, die der Fluglärmkommission zur Entscheidungsfindung im Januar 2015 vorgelegt wurden, bestätigten das. Obwohl dort als Definition "rechnerischer Lärmpausen" keineswegs Ruhe vor Fluglärm, sondern nur (relativ) wenige (relativ) leise Überflüge benutzt wurden (genauer:
"Wenn 6 x 58 dB (A) Maximalpegel außen in den Zeiträumen 22-5 Uhr oder 23-6 Uhr nicht erreicht werden, wird rechnerisch eine Lärmpause unterstellt."),
konnte keins der Modelle eine insgesamt positive Bilanz aufweisen, ohne punktuell zu erheblichen Zusatzbelastungen, insbesondere für ohnehin schon Hochbetroffene, zu führen.
Nach den
Kriterien
der Fluglärmkommission für die Prüfung von Lärmpausen hätte das Regierungs-Konzept der "siebenstündigen Lärmpausen" damit abgelehnt werden müssen.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen hatte daher die Fluglärmkommission per
Flugblatt
aufgefordert, "Modell 7" (die siebenstündigen "Lärmpausen") konsequent abzulehnen und sich für "Modell 8" (achtstündiges Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr) auszusprechen.
Die FLK ist dieser Empfehlung leider nicht gefolgt, sondern hat in einer
Stellungnahme
einen Probebetrieb eines der Modelle, beschränkt auf Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) für vertretbar erklärt. Diese Variante wurde ein Jahr lang getestet.
Dieses Modell wurde getestet und genehmigt.
In der Abendstunde ändert sich im Westen in diesem Modell nichts, da werden lediglich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isenburg und Teile Offenbachs zu leiden haben. Morgens sieht das Modell allerdings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raunheimer Süden (und ggf. unter der Nordabflugroute) lauter werden sollte. Weitere Berechnungen hatten allerdings teilweise andere, schwer erklärbare Resultate ergeben. Da aber weder Fraport noch Umwelthaus die Meßwerte der Station Raunheim Süd für die Bewertung der Lärmpausen heranzogen, wurden diese Effekte nie offiziell geklärt.
Im Februar 2015 wurde im Wirtschaftsministerium das Bündnis für Lärmpausen aus der Taufe gehoben, das für diesen speziellen Zweck die ganz ähnlich strukturierte 'Allianz für Lärmschutz' ersetzt. Festgelegt wurde der geringst-mögliche Anspruch: Lärmpausen sind unverbindlich und freiwillig, sie schaffen keinerlei rechtliche Ansprüche über den Planfeststellungsbeschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicherheit, der "Infrastruktur" (sprich: Kapazität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entsprechend hoch waren die Anforderungen: der Test sollte nur dann als nicht bestanden gelten, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwendung gekommen" wäre. Im April startete der einjährige Probebetrieb.
Am 11.02.16 durfte Herr Lanz vom "Umwelt- und Nachbarschaftshaus" in Wiesbaden die Ergebnisse seines "Lärmpausen-Monitorings" präsentieren. Minister Al-Wazir feierte sie (und sich) mit den Worten:
"Die Lärmpausen funktionieren reibungslos, die Lärmbelastung konnte messbar gesenkt werden, und die Menschen wollen, dass wir die Lärmpausen beibehalten."
Hinter den letzten beiden Aussagen steht allerdings ein dickes Fragezeichen. In einer Umfrage im Auftrag des Umwelthauses haben ca. 90% der Befragten "keine Veränderung des Alltagslebens" durch die "Lärmpausen" festgestellt, und nur 0,8% haben dadurch "Hoffnung auf Besserung". Dass trotzdem 71% die Frage bejaht haben, ob die "Lärmpausen-Maßnahme weitergeführt werden" sollten, liegt wohl eher an der Höflichkeit der Antwortenden und der Meinung, es "schadet ja nichts".
Noch fragwürdiger ist die angebliche 'messbare Senkung' der Lärmbelastung, denn da taten sich große Widersprüche auf. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Auswertung, die Herr Lanz vorstellte, nur die Morgen- und Abend-Stunde von 5-6 und von 22-23 Uhr enthielt, und wahrscheinlich auch nur die Zeiten, in denen Betriebsrichtung 25 geflogen wird (obwohl das nirgendwo gesagt wurde), verwunderte es z.B. doch sehr, dass er für die Station Frankfurt-Oberrad eine Lärmreduktion von 10 dB(A) abends und 2 dB(A) morgens angeben konnte, während die Fraport-Schallschutzberichte für den gleichen Zeitraum und die gleiche Station für die Nacht (von 22 - 6 Uhr) eine Veränderung von 1 bzw. 0 dB(A) angegeben hatten. Auch für etliche andere Meßstationen lieferte der Vergleich der unterschiedlichen Auswertungen erklärungsbedürftige Unterschiede.
Obwohl auch eine
erweiterte Präsentation
des Umwelthauses nicht zur Klärung dieser Widersprüche beigetragen hat, konnte Al-Wazir den
ersehnten Erfolg
feiern: die Fluglärmkommission hat am 09.03.16
beschlossen,
die Lärmpausen aus dem (einjährigen) Probebetrieb in den Regelbetrieb zu überführen. Das Pausen-Bündnis hat daraufhin eine Erklärung zur
Fortsetzung
dieser Maßnahme unterzeichnet.
Mit diesem Bündnis-Konstrukt wurde sichergestellt, dass einerseits die Landesregierung die Lärmpausen als ihre Maßnahme verkaufen konnte, andererseits kein formeller Akt notwendig war, der aufgrund der EU-Verordnung hätte gemeldet und genehmigt werden müssen. Aber die Luftverkehrs-Seite hatte ohnehin nichts zu befürchten: es wurde ausdrücklich vereinbart,
" dass betriebliche Rahmenbedingungen jederzeit dazu führen können, dass das Lärmpausenmodell ad hoc und ohne Vorankündigung nicht zur Anwendung kommt".
Es handelt sich also eher um eine Betriebs-Regelung als eine Betriebs-Beschränkung, bei der auf irgend etwas verzichtet würde. Betroffene können sich daher auch nicht darauf verlassen, dass zu bestimmten Zeiten Ruhe herrscht, und sich auch nicht beschweren, wenn es nicht so ist.
Ein weiteres Element des Anti-Lärm-Pakts war die "Deckelung des Lärms". Dazu sollte "der für Jahr 2020 prognostizierte Lärm als Obergrenze festgelegt" werden, die dann "auch nach 2020 nicht überschritten werden" dürfe. Eine genauere Definition, wie das aussehen sollte, gab es allerdings nicht, und das Thema verschwand erst einmal für einige Zeit in der Versenkung.
Wie begrenzt man Lärm ?
Ideen dazu gab es aber durchaus. So schrieb die Fluglärmkommission in ihrem gemeinsam mit der 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen' erstellten
Forderungskatalog an die 'Grosse Koalition' im Bund 2013:
"Das Modell der Lärmobergrenze mit dynamisiertem Faktor sieht vor, dass für die relevant mit Fluglärm belasteten Wohngebiete Immissions-Grenzwerte festgelegt werden." Dazu ist "ein hinreichend bemessener dynamischer Faktor zu ermitteln und durch die Genehmigungsbehörde festzusetzen, der ein kontinuierliches Absenken der Grenzwerte ermöglicht."Das klang zunächst recht positiv, warf aber einige grundsätzliche Fragen auf, wie wir damals schon in einem Kommentar erläutert haben. Die Antwort liess noch eine Weile auf sich warten.
Zunächst wurde im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung, die Anfang 2014 ihr Amt antrat, die Lärmobergrenze als ein weiteres Instrument des aktiven Schallschutz hervorgehoben. Vollmundig hiess es dazu:
"Entsprechend der Empfehlungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt einzuführen. Ziel ist es, eine deutliche Lärmreduzierung gegenüber den im Planfeststellungbeschluss prognostizierten Werten zu erreichen."Wie diese Grenze aussehen sollte, wurde nicht erläutert, als Instrumente wurden lediglich die 19 Maßnahmen der "Allianz für Lärmschutz" herunter gebetet. Immerhin wurde das Ziel ein bißchen ehrlicher: nicht mehr "Es wird leiser", sondern "Es wird nicht ganz so laut wie geplant".
"Eine zentrale Überlegung hierbei ist, die Entwicklung des Fluglärms von der Anzahl der Flugbewegungen zu entkoppeln".Schon die Sprache war hier verräterisch. Die simple physikalische Tatsache, dass jede Flugbewegung Lärm erzeugt, sollte irgendwie weggerechnet werden, damit diese "Wörner-Grenze" nur ja kein Hindernis für das weitere Wachstum des Flughafens werden konnte. Näheres dazu findet man immer noch in der Dokumentation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten der FFR-Konferenz ICANA 2013 (die Folien von Herrn Wörner alleine sind schwer verständlich, man sollte zusätzlich den Video-Mitschnitt des Vortrags von Minute 6 bis 12 anhören). Die Diskussion ging aber auch relativ schnell über diese Vorschläge hinweg.
In einer
Sondersitzung
am 03.09.2014 musste die Fluglärmkommission ein
Gutachten
zur Kenntnis nehmen, das Aussagen darüber macht, ob und ggf. wie eine Lärmobergrenze am Flughafen Frankfurt rechtssicher eingeführt werden kann. Zwar hob die FLK in ihrer
Pressemitteilung
noch positiv hervor, dass die Einführung einer solchen Grenze rechtlich möglich ist, aber es wurde hier schon klar, dass die eigentliche Absicht, den Fluglärm damit deutlich zu limitieren, nicht erreicht werden kann, wenn an den Rahmenbedingungen des Planfeststellungsbeschlusses festgehalten wird. Der aber war damals wie heute sakrosankt.
Herr Wörner hatte dort auch nochmal einen leicht veränderten
Vortrag
gehalten und im Nachgang noch ein (auch nicht mehr online verfügbares) Papier geliefert, das als Konzept dienen sollte für eine "realistische" Lärmobergrenze. Inzwischen wurden aber hinter den Kulissen schon andere Fakten geschaffen.
Am 15.04.2015 beschloss der Wirtschafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessischen Landtags mit schwarz-grüner Mehrheit einen
Antrag,
der die Landesregierung aufforderte,
"bis spätestens Sommer 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung vorzulegen".
Da am 13. Juni 2016 die o.g. EU-Verordnung über Betriebsbeschränkungen in Kraft trat, die es deutlich schwerer macht, aus Lärmschutzgründen echte Beschränkungen einzuführen, wurde schon aus dem Timing klar, dass keinesfalls geplant war, mit der Lärmobergrenze die Zahl der Flugbewegungen zu begrenzen.
Entsprechend hat Minister Al-Wazir auch erst am 27.09.2016 ein erstes Modell der Landesregierung für eine 'Lärmobergrenze' vorgestellt, in dem lediglich die Ausdehnung der Flächen, die von der 55 bzw. der 60 dB(A)-Isophone des Tages-Dauerschallpegels rund um den Flughafen eingeschlossen wird, begrenzt werden sollte. Damit war das Grundkonzept gesetzt, auch wenn es noch bis November 2017 dauerte, bis dieses Modell
in Kraft getreten
ist.
Das Grundkonzept dieser Lärmobergrenze (auch offizielle Abkürzung: LOG) funktioniert wie folgt: Mit den im Planfeststellungsverfahren vorgelegten Methoden und Szenarien lässt sich die "genehmigte" Lärmentwicklung für die Jahre bis 2020 berechnen. Als Ausgangslage für die Definition der LOG wurde ein "Istzustand" 2015 gerechnet, in dem die 55 dB(A)-Isophone (Tagschutzzone 2, "Hochbetroffene") eine Fläche von 18.917 ha umfasst, die 60 dB(A)-Isophone (Tagschutzzone 1, "Höchstbetroffene") eine Fläche von 7.637 ha. Diese Flächen würden nach PFB-Szenario auf 29.994 bzw. 12.758 ha wachsen. Berechnet man nun statt dessen die Flächen, die im Jahre 2020 die jeweils um 1,8 dB(A) höheren Isophonen umfassen würden (22.193 bzw. 8.815 ha), und begrenzt die Schutzzonen-Flächen auf diese Ausdehnung, kann man argumentieren, dass man den Lärm (zumindest an dieser Grenzlinie) um 1,8 dB(A) gegenüber dem rechtlich möglichen reduziert.
Ein solches Konstrukt erfasst natürlich die Lärm-Belastung nur unzureichend, weil die insbesondere im Nahbereich nicht nur von einem Mittelungspegel, sondern auch von der Anzahl der störenden Ereignisse abhängt. Es lässt auch jede Menge Möglichkeiten offen, durch Lärmverschiebungen ein Überschreiten dieser Grenzen zu verhindern. Aber das genügte der Luftverkehrswirtschaft nicht. Es brauchte noch ein Jahr Verhandlungen, bis sie wirklich sichergestellt hatten, dass diese Grenze das geplante Wachstum nicht behindern kann.
In der
Präsentation 2016
sah das Modell vor, dass bei Überschreiten der Grenze im ersten Jahr Maßnahmen ergriffen werden müssen, und wenn sie im zweiten Jahr nicht wirken, die Zahl der Flugbewegungen eingefroren wird.
Davon ist in der
Präsentation 2017
nichts übrig geblieben.
Dazu wurde dieser "Begrenzung" auch noch der letzte Zahn gezogen war. Nicht nur wird in dem
Bündnispapier Lärmobergrenze
mehrfach versichert, dass die Vereinbarung freiwillig und unverbindlich ist und
"keine Einschränkung bestehender Rechtspositionen aller Beteiligten beinhaltet".
Auch die Maßnahmen, die bei einem Überschreiten der LOG folgen sollten, wurden bis zur Lächerlichkeit entschärft. War ursprünglich vorgesehen, dass nach dem ersten Jahr der Überschreitung Maßnahmen vorgenommen werden mussten und bei einer nochmaligen Überschreitung die Zahl der Flugbewegungen "eingefroren" werden sollte, so blieb davon nur noch übrig, dass nach einem Jahr Überschreitung Gespräche stattfinden sollten, und nach dem zweiten Jahr - alle "Bündnispartner" das tun können, was sie nach dem ersten Jahr hätten tun können, wenn es diese Vereinbarung nicht gäbe.
De facto ist diese Vereinbarung also nur eine Verpflichtung der Aufsichtsbehörde, bei Überschreiten der Grenze (mindestens) ein Jahr stillzuhalten, ehe sie Maßnahmen ergreifen darf, die ihr gesetzlich von Anfang an zustünden - und Fraport und Airlines können sich dagegen auch mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen. Ein alberneres "Begrenzungsinstrument" ist kaum denkbar.
Aber Bedenken waren ohnehin nicht nötig, da ein weiteres in die Vereinbarung hineinverhandeltes Instrument durchschlagende Wirkung zeigte. Im Bündnis-Papier gibt es einen "Technischen Anhang zum Monitoring", in dem festgelegt wird, dass die "verwendeten Lärmemissionsdaten" der technischen Entwicklung angepasst werden.
Im
ersten Monitoringbericht
wird erläutert, wie diese Anpassung konkret aussieht. Für fünf Flugzeugtypen, darunter fast alle der häufig eingesetzten A320-Baureihe, gibt es zum Teil deutliche Abschläge, während nur für einen Flugzeugtyp (B747-800) ein moderater Aufschlag berücksichtigt wird. Infolge dessen schrumpften die mit dieser Veränderung berechneten Flächen für 2017 (16.955 bzw. 6.911 ha) deutlich und waren sogar noch kleiner als die für den angeblichen Ist-Zustand 2015. Auch von 2018 nach 2019 gab es eine derartige Schrumpfung, obwohl die Lärmbelastung nach allen sonstigen Kriterien zugenommen hatte.
In der Konsequenz heisst das, dass der Fluglärm durch solche Rechentricks sogar noch wesentlich mehr anwachsen darf, als das Konzept angegeben hat. In Zahlen: gegenüber dem 'Ist-Zustand 2015' hätten die Flächen bis zur 'Obergrenze' noch um 15,4% bzw. 17,3% zunehmen können, gegenüber den als neuen 'Basiswerten' berechneten Werten 2017 können sie noch um 27,6% bzw. 30,9% zunehmen.
Wie verlogen dieses Vorgehen ist, macht insbesondere die Behandlung der sog. "mit Vortex-Generator nachgerüstete A320 Familie" deutlich. Dieses Stückchen Blech, das an die Tanköffnungen unter den Tragflächen der A320-Familie geschraubt wird, um einen Konstruktionsfehler zu beseitigen, der jahrelang zu einem lauten Pfeifton im Landeanflug geführt hatte, senkt den Lärm im Landeanflug laut dem Monitoring-Bericht des UNH in einer Entfernung von 10 - 20 km vom Aufsetzpunkt, je nach Flugzeugtyp und Anflugverfahren. In kleineren Entfernungen ist die Wirkung unbestritten gleich Null. Trotzdem wird der Abschlag auf den Lärm für die Flugzeuge, die damit ausgerüstet sind, für den gesamten Landeanflug angerechnet. Das hat zur Folge, dass ein Einsatz solcher Flugzeuge formal auch die Fläche der Höchstbelastung reduziert, obwohl er dort absolut keine Wirkung hat. Das darf man wohl eindeutig Betrug nennen, und seine Auswirkungen auf die Rechenergebnisse sind erheblich.
Aber Betrug ist die gesamte Maßnahme ohnehin. Es ging lediglich darum, eine Verpflichtung, die eingegangen wurde, um den Ausbau durchzusetzen, so abzuräumen, dass sie das geplante Wachstum nicht gefährdet. Und das ist mit dieser LOG auch vollständig gelungen.
Das FFR führt zu der Maßnahmen-Gruppe
Siedlungszentren umfliegen aus:
"Ziel der Maßnahmen in dieser Kategorie ist es, Fluglärm in Regionen zu verlagern, die weniger besiedelt sind als andere. Dadurch soll die Zahl der von Fluglärm betroffenen Personen sinken."
Es handelt sich also dabei immer um Maßnahmen, die nicht nur Menschen entlasten, sondern auch andere belasten - Lärmverschiebungen eben. Kriterium ist nur, dass in einer irgendwie berechneten Summe die Belastung geringer wird. Diese Maßnahmen sind daher zwangsläufig
umstritten
und führen in der Regel zu Konflikten auch zwischen den Betroffenen.
Elf Varianten hat die DFS anfangs für die Südumfliegung entworfen, darunter auch solche, die direkt über das Zentrum naheliegender Kommunen (Raunheim, Rüsselsheim, Königstädten, Nauheim) geführt hätten.
Das FFR hat sieben Varianten lärmtechnisch bewerten lassen, die rechnerisch günstigste Variante 7 wurde ausgewählt.
Und so wurde anfangs geflogen.
Die (nicht nur für Raunheim) wichtigste Umfliegung ist beim FFR aber nicht unter dieser Kategorie, sondern unter Neue Routen und Verfahren aufgeführt - wohl deshalb, weil es eine bereits etablierte Maßnahme ist, die im Grundsatz bereits im Planfeststellungsbeschluss für den Bau der Nordwestbahn festgelegt und später noch optimiert wurde: die Südumfliegung.
Um die Nordwestbahn zu integrieren, waren natürlich erhebliche Veränderungen an den bestehenden Flugrouten und -verfahren notwendig. Unter anderem konnte der bisherige Nordwestabflug bei Betriebsrichtung 25 (Ostbetrieb) nicht mehr unabhängig von den Landungen auf der neuen Bahn durchgeführt werden, da die sehr nahe an die Abflugroute herangebaut wurde und durchstartende Flugzeuge wenig Platz zum Ausweichen haben. Abhängiger Betrieb kostet aber Kapazität, deswegen sollte der Nordwestabflug praktisch aufgegeben und fast alle Starts nach Westen oder Süden geführt werden.
Tatsächlich wurden auch direkt nach Westen führende Routen betrachtet, obwohl die Raunheimer Wohnbebauung nur 5 Kilometer vom Ende der Parallelbahnen beginnt und damit nicht nur bei Landungen, sondern auch bei Starts in sehr niedriger Höhe überflogen würde - ein absolut unerträglicher Zustand.
Schon im PFB war daher eine Abflugroute enthalten, die unmittelbar nach dem Start nach Süden abdrehen und die Kommunen von Raunheim bis Mainz im Bogen umfliegen sollte, um nach Norden oder Westen zu gelangen. Die FLK sah allerdings hier noch weiteren Optimierungsbedarf, weshalb das FFR nochmals sieben Varianten
lärmtechnisch bewertete
und daraus die best-bewertete, noch weiter südlich führende Route ausgewählt wurde.
Von dieser Variante sollten nun "nur" noch der Raunheimer Südosten und im weiteren Verlauf auch Hassloch, Königstädten, Nauheim, Gross-Gerau, Trebur, Astheim und Teile des Kreises Mainz-Bingen und von Mainz und Wiesbaden stärker betroffen sein. Da die tatsächlich geflogenen Kurse von der geplanten Route aber in allen Bereichen zum Teil erheblich abwichen, war die Betroffenheit noch wesentlich weiter verbreitet.
Die neuen Belastungen führten dazu, dass die Südumfliegung auch juristisch heftig attackiert wurde, insbesondere von
Nauheim
und
rheinland-pfälzischen Gemeinden.
Diese Auseinandersetzungen wurden erst nach 10 Jahren mit einem
Urteil
des Bundesverwaltungsgerichtes zumindest vorläufig beendet.
Nicht beendet sind damit aber die technischen Probleme mit dieser Flugroute. Die 'Gewerkschaft der Fluglotsen' hatte bereits kurz nach der Einführung auf eine
Reihe von Schwierigkeiten
hingewiesen, die trotz mehrerer
navigatorischer Verbesserungen
immer noch nicht endgültig überwunden sind. Auch die unmittelbar nach Eröffnung der Südumfliegung deutlich gewordenen
Sicherheits-Risiken
sind nach wie vor ungelöst und werden durch neue,
kapazitäts-steigernde Konzepte
eher noch verstärkt.
Das FFR hat deshalb doch noch eine Maßnahme dazu in seinem Katalog: die
Erhöhung der Spurtreue
auf der Südumfliegung, die allerdings nur auf dem letzten Teil wirken kann und
"die Belastung unter anderem in Trebur, Nackenheim, Bodenheim und Mainz-Laubenheim"
verringern soll. Im weitaus kritischeren ersten Teil ändert sich dadurch nichts.
Die Konflikte um die Südumfliegung werden also weitergehen, und wir haben unsere Position dazu auch schon vor mehr als 10 Jahren formuliert: "Wir wollen weder ganzjährig massiv verlärmt werden noch mit einem erhöhten Absturzrisiko über unseren Köpfen leben. Unsere Forderung an Fraport, DFS und alle anderen Beteiligten ist ganz klar: seht zu, wie ihr euren Flugbetrieb sicher und lärmarm organisiert! Und wenn sich dabei herausstellen sollte, dass auf diesem völlig verkorksten Bahnsystem nicht 126, sondern nur 70 oder noch weniger Flugbewegungen pro Stunde möglich sind, werden wir nicht jammern."
So unglaublich es klingt, manchmal können "Schallschutzmaßnahmen" auch aus Verfahren entstehen, die eigentlich aus ganz anderen Gründen eingeführt wurden. Beim "Swing over" war das offensichtlich der Fall.
Alles begann wohl tatsächlich damit, dass sich Menschen in Rüsselsheim und besonders in Raunheim darüber beschwerten, dass zunehmend Flugzeuge, die eigentlich im Anflug auf die Südbahn waren, noch schnell auf die (ev. gerade erst frei gegebene) Centerbahn wechselten, um nach der Landung schneller am Terminal zu sein. Wie die Flugspuren zeigen, ist das auch kurz vor dem Aufsetzen noch möglich (s. Grafik links, zum Vergrössern anklicken) und, da dafür in
niedriger Höhe über dem Stadtgebiet manövriert wird, mit zusätzlichem Lärm verbunden.
Zu dem unnötigen Krach kam natürlich noch die Tatsache, dass entgegen der Versprechungen aus dem Planfeststellungsbeschluss der Raunheimer Norden durch die verstärkte Nutzung der Centerbahn eben doch mit extremem Fluglärm belastet wurde - weitaus weniger als früher, aber trotzdem störend, besonders wenn es früh morgens oder spät abends passierte. Da reicht eben schon ein besonders lauter Flieger, um den Schlaf zu beenden oder zu verhindern.
In der FLK-Sitzung im November 2012 berichtete Fraport, dass diese "Swing overs" seit Inbetriebnahme der Nordwestbahn tatsächlich zunehmend genutzt wurden, da sie "betrieblich vorteilhaft (kürzere Rollzeit, kein Bahnkreuzen) und bei BR25 vermutlich sogar lärmmindernd" seien und "weiter untersucht ... und ggf. als aktive Schallschutzmaßnahme gefördert werden" sollten. Es dauerte dann noch ein weiteres Jahr, aber in der Sitzung der Fluglärm-Kommission im November 2013 hat die DFS beantragt, das bis dahin nur "informell" geflogene Manöver nun auch offiziell einzuführen, allerdings nur für die Betriebsrichtung 25, also bei Anflug aus Osten. Eine dazu vorgelegte Betrachtung der Lärmwirkungen durch das Umwelthaus zeigte, dass dadurch Neu-Isenburg und Zeppelinheim rechnerisch entlastet würden, während der Lärm in Sachsenhausen und Niederrad nur unwesentlich zunehmen sollte. Für die Betriebsrichtung 07 kam die Betrachtung zu dem Ergebnis, dass Raunheim dadurch unakzeptabel belastet wurde, ohne dass irgendwo Entlastungen aufgetreten wären. Die BI hatte deshalb die DFS in einer Presseerklärung aufgefordert, dieses Verfahren sofort einzustellen.
Für die Betriebsrichtung 25 wurde dieses Verfahren allerdings wirklich als
Schallschutz-Maßnahme
in den FFR-Katalog aufgenommen und in der Folgezeit auch
häufig genutzt.
Allerdings gab es auch Probleme mit dieser Maßnahme. Offiziell heisst sie
"IFR-
Sichtanflug
mit
Pistenwechsel
",
d.h. es ist eigentlich ein Anflug nach Instrumentenflugregeln, der "auf Sicht" abgeschlossen wird. Der/die Pilot*in muss also die Landebahn erkennen und sie ohne Leitstrahl oder andere Instrumenten-Hilfe ansteuern.
Mindestens zwei Vorfälle wurden bekannt, bei denen das nicht funktioniert hat: sowohl im
Oktober 2018
als auch im
Juli 2023
schwenkte das anfliegende Flugzeug nicht auf die Centerbahn, sondern auf den Rollweg zwischen den Bahnen, und musste durchstarten. Beide Male war das mit einem nicht genau abschätzbaren Kollisions-Risiko verbunden. Wäre es nur eine Schallschutz-Maßnahme, hätte das wohl gereicht, um sie als "zu riskant" abzusetzen. Aber da die Maßnahme auch "betrieblich vorteilhaft" ist, ist sie immer noch in Gebrauch.
Auch diese Maßnahme hat eine ähnliche Geschichte hinter sich. Sie wurde zwar als Schallschutz-Maßnahme konzipiert und sollte insbesondere die Städte Mainz, Hanau und Offenbach entlasten, indem die anfliegenden Flugzeuge zunächst weiter südlich fliegen und erst spät auf den Endanflug eindrehen sollten. Von Anfang an als "Segmented RNAV (GPS) Approach" im "ersten Massnahmepaket Aktiver Schallschutz" enthalten und bereits vor Inbetriebnahme der Nordwestbahn eingeführt, blieb sie aber aus Sicherheitsgründen lange Zeit auf die Anwendung während der "Kernnacht" von 23 - 5 Uhr und auf navigatorisch halbwegs modern ausgestattete Flugzeuge beschränkt und entfaltete praktisch keine Wirkung.
Ein Forschungsprojekt, das das im Rahmen des
Zweiten Maßnahmenprogramm Aktiver Schallschutz
unter dem Titel
Segmented Approach Independent Parallel
ändern sollte, meldete auch längere Zeit keine Fortschritte. In der
ICANA 2016
wurde lediglich die grundsätzliche Machbarkeit anhand von
Echtzeit-Simulationen
dargestellt und offene Fragen formuliert. Deshalb war es zumindest für die Öffentlichkeit überraschend, dass Lufthansa, DFS und Fraport im Februar 2021 in der FLK einen
Probebetrieb
dieses Verfahrens auch für große Teile des Tagbetriebs ankündigten. Möglich wurde das wegen des durch die Corona-Pandemie deutlich reduzierten Flugbetriebs, und motiviert war es nicht durch Schallschutz-Gründe, sondern durch die Möglichkeit, damit
Treibstoff und Zeit einzusparen.
Allerdings hat dieser Probebetrieb bis Ende 2023 noch nicht zu
belastbaren Ergebnissen
geführt. Wie es damit weitergeht, bleibt daher abzuwarten.
Im
"ersten Massnahmepaket Aktiver Schallschutz"
waren zwei Maßnahmen enthalten, die den Anflug betreffen: die
"Optimierung kontinuierlicher Sinkflug"
und die
"Anhebung des Anfluggleitwinkels".
Diese und ähnliche Verfahren betreffen in der Regel nicht die letzte Phase des Anflugs, in der ein Flugzeug in stabiler Lande-Konfiguration auf dem Leitstrahl zum Aufsetzpunkt fliegt, oder haben in dieser Phase nur noch geringe Auswirkungen. Für Raunheim spielen sie also in Bezug auf die Lärmbelastung kaum eine Rolle. Trotzdem lässt sich aus ihrer Geschichte einiges lernen.
Die erste wird vom FFR unter dem Titel Continuous Descent Operations (CDO) als "seit Oktober 2013 im Regelbetrieb" geführt, ist aber eine von den "Geistermaßnahmen", von denen die Öffentlichkeit nicht erfährt, ob und wie sie angewendet werden, denn "Ungünstige Wetterverhältnisse oder ein starker Betrieb am Flughafen können die Durchführung der Maßnahme einschränken. Die Entscheidung über die Anwendung liegt beim Fluglotsen". Die DFS denkt allerdings garnicht daran, darüber zu berichten, und ob sie überhaupt eine interne Statistik dazu führt, ist nicht bekannt.
Hinweise, dass insbesondere die Einschränkung
"starker Betrieb am Flughafen"
die Anwendung dieser Maßnahme weitgehend verhindert, gibt es. Im Dezember 2020, als die Zahl der Flugbewegungen wegen der Corona-Pandemie drastisch gesunken war,
präsentierte
die Deutsche Flugsicherung in der FLK ein
"effizienteres Anflugverfahren",
das sie zusammen mit Lufthansa entwickelt hatte. Der
"Rückgang des Luftverkehrs bildete die Grundlage für die Nutzung"
dieses Verfahrens, und dadurch sollte
"sich primär der Treibstoffverbrauch reduzieren und zusätzliche Emissionen vermeiden"
lassen.
Wie die Grafik zeigt, ist das Verfahren besser als das "durchschnittliche Sinkflugprofil", aber trotzdem noch ein gutes Stück von einem echten "Continous Descent"-Verfahren entfernt. Und wenn schon dieses "verbesserte" Verfahren nur bei einem praktisch zusammengebrochenen Flugbetrieb zum Einsatz kommt, dann muss man wohl davon ausgehen, dass das "optimale" Verfahren im "Normalbetrieb" bestenfalls in Randzeiten angewendet wird, in denen wenig los ist.
Im Juli 2021 legte das Umwelthaus ebenfalls in der FLK eine
Auswertung
der Anflugstrecken über neun Quartale von 2019 bis Anfang 2021 vor. Als CDO wurden dort Anflüge gewertet, die überwiegend (>90%) im Sinkflug (nicht zwangsläufig im Leerlauf) absolviert wurden und keine längeren Phasen eines niedrigen Horizontalflugs enthielten. Daraus ist zu entnehmen, dass im 'Normalbetrieb' 2019 nur auf der Nordwestbahn (BR25) bzw. Nordwest- und Center-Bahn (BR07) relevante Anteile von 30% oder mehr in diesem 'eingeschränkten CDO' geflogen wurden, während der Anteil sonst zwischen 10 und 20% lag. Während der Pandemie sind diese Anteile deutlich gestiegen (bis zu 50%).
Darüber hinaus wurden allerdings bisher keine Monitoring-Ergebnisse vorgestellt. Auf den Webseiten von Umwelthaus und FFR sucht man so etwas vergeblich.
Diese Maßnahme taucht im aktuellen Katalog des FFR gleich zweimal auf. Unter
Erhöhung des Anflugwinkels von 3 auf 3,2 Grad
wird nur ganz allgemein ausgeführt, dass das vorteilhaft ist, denn
"je steiler ein Flugzeug den Flughafen bei der Landung anfliegt, desto höher überfliegt es die Bewohner unterhalb der Anflugroute. Und da sich die Lärmquelle somit weiter über dem Boden befindet, kommt unten weniger Lärm an. Am stärksten profitieren Wohngebiete von dieser Maßnahme, die etwa 10 bis 20 Kilometer entfernt vom Flughafen liegen: Hier reduziert sich der Lärm um bis zu einem Dezibel."
Deshalb sei
"auf der Landebahn Nordwest ... die Maßnahme im Regelbetrieb. Eine Ausdehnung auf das Parallelbahnsystem ist geplant."
Zu dieser Ausdehnung wird unter
Anflugwinkel 3,2 Grad auf alle Landebahnen
erläutert:
"Seit März 2017 können entsprechend ausgerüstete Flugzeuge den steileren Anflug mithilfe von GBAS nutzen, wann immer der Flughafen im abhängigen Betrieb arbeitet. Mittelfristig soll die Maßnahme auch im unabhängigen Betrieb möglich sein".
Allerdings ist auch hier weder bei der Nordwestbahn noch bei den anderen Bahnen klar, ob und wann diese Maßnahme eingesetzt wird. Die Behauptung, es landeten
"schon seit 2014 Flugzeuge auf der Landebahn Nordwest in Frankfurt in einem Anflugwinkel von 3,2 Grad anstelle der üblichen 3 Grad, wann immer das Wetter es erlaubt",
ist mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Ein entsprechendes Monitoring gibt es nicht, und im Einzelfall hat sich öfter gezeigt, dass der 3,2°-Anflug nicht geflogen wurde.
Und ob die Ausstattung mit dem GBAS-Navigationssystem inzwischen wirklich deutlich über den jahrelang vermeldeten einstelligen Prozentbereich hinaus ist, ist auch nicht dokumentiert. Das aber wäre Voraussetzung für eine relevante Nutzung dieses Anflug-Verfahrens.
Auch hier gibt es wenig Grund für Optimismus. Zwar wurde die
"Einführung von variablen satellitengesteuerten Präzisionsanflugverfahren (GBAS)"
in der
Vereinbarung 2012
der "Allianz für Lärmschutz" unter den Maßnahmen aufgeführt, die nach Prüfung durch das FFR
"konsequent umgesetzt"
werden sollten, und im September 2014 nahm Fraport unter viel Lob von allen Seiten
die erste GBAS-Station in Betrieb
und bot
"ab dem 03.September 2014 als erster Hubflughafen in Europa 5 GBAS CAT 1 Anflugverfahren"
an. Eine LH Boeing 747-800 führte die erste GBAS-unterstützte Landung durch, und Lufthansa tönte:
"Damit setzen wir an unserem größten Drehkreuz einen deutlichen Akzent, dass wir auch bei technologischen Neuerungen unsere Führungsrolle aktiv wahrnehmen."
Damals glaubten alle noch:
"Bis 2020 (2025) wird der GBAS-Ausrüstungsgrad in Frankfurt auf mehr als 50% anwachsen".
Aber im Februar 2016
erklärte Lufthansa,
dass sie die dafür notwendige Ausstattung ohne
"finanziellen Anreiz"
nicht erwerben würden. Und obwohl Fraport in der
Entgelt-Ordnung 2017
die gewünschten Anreize (wenn auch mit
Verspätung)
geliefert hat, war auch Mitte 2021 nur eine
Ausstattungsquote von 7%
erreicht. Die Deutsche Flugsicherung, die damit Geld sparen möchte, bemühte sich in der Folge noch, das
System attraktiver zu machen,
aber die
skeptischen Stimmen
sind nicht verstummt. 2022 hat Fraport die GBAS-Förderung auch
wieder zurückgenommen.
Damit wäre dann auch ein weiterer Punkt abgehakt, der im FFR-Katalog nochmal als eigenständige Maßnahme auftaucht: die
Anhebung der Zwischenanflughöhen
bei GBAS-basierten Anflügen. Dabei würde GBAS sozusagen als Verlängerung des ILS-Leitstrahls fungieren und Flugzeuge aus grösserer Höhe sicher herunterführen, ohne dass die selber den Sinkflug exakt festlegen müssten.
Eine zweite "Maßnahme" dieser Art hat sich allerdings inzwischen erledigt.
GBAS unabhängiger Betrieb
ist inzwischen von ICAO akzeptiert, aber nicht mal solche kleinen Erfolge tauchen auf dieser FFR-Webseite auf. Offenbar glauben sie selber nicht, dass irgend jemand ihre Darstellungen hier ernst nimmt.
In grösserer Entfernung vom Flughafen ist es natürlich ohne Weiteres möglich, steiler anzufliegen, lediglich die letzte Phase der Instrumentenlandung ist durch ICAO-Regeln reglementiert. Das 'Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt' (DLR) forscht schon seit vielen Jahren daran, was in einem etwas grösseren Entfernungsbereich möglich sein könnte. Das vom UNH beauftragte
Forschungsprojekt 'Steeper Approach'
war Teil dieser langfristigen Forschungs-Bemühungen.
Grundsätzlich können steilere Anflüge zur Lärmminderung beitragen, zumindest in größerem Abstand vom Aufsetzpunkt, da dann länger in größeren Höhen geflogen wird und weniger Lärm unten ankommt. Der Teufel steckt aber im Detail: bei größeren Flughöhen verteilt sich der Lärm auch über eine größere Fläche, und durch die notwendigen Manöver kann es an einigen Stellen sogar lauter werden. Um also herauszufinden, was tatsächlich passiert, muss man die Lärmverteilung messen.
Im Oktober 2013 rauschten daher Meldungen von einem revolutionären Test durch den lokalen Blätterwald: eine Maschine der Condor flog achtmal hintereinander aus Westen kommend die Nordwestbahn an, davon sechsmal in einem Winkel von 4,5°, also deutlich steiler als üblich. Die zahlreich an Bord vorhandenen Reporter konnten aus erster Hand bestätigen, dass die Anflüge problemlos verliefen, und die frohe Botschaft verkünden, dass es, wenn das Verfahren "serienreif" sei, deutlich leiser werden könne, zumindest in Mainz und Wiesbaden.
Man kann sich den Test mit entsprechenden Erläuterungen sogar
im Video
anschauen.
Auch zu den Ergebnissen, die dabei gewonnen wurden, gibt es in der
Dokumentation zur ICANA 2013
neben den
Folien
auch einen
Video-Mitschnitt
der Präsentation. Die Aussagen dort sind allerdings so allgemein, dass der Wert dieses Versuchs kaum zu beurteilen ist. Eine erste
Auswertung
auf der Basis von DFLD-Daten zeigt, dass wohl auch keine schlüssigen Resultate zu erwarten sind.
Im November 2013 gab es nochmal eine
zusammenfassende Darstellung
der Ergebnisse zu den 3,2°-Anflügen und zum "Steeper Approach" in der Fluglärmkommission, aber auch daraus lässt sich nicht mehr viel lernen.
Mit dem steileren Anflug läßt sich kein Geld sparen, aber nicht nur deswegen wird er so bald nicht kommen. Wie der DLR-Projektleiter lapidar bemerkt, widerspricht das Verfahren geltenden ICAO-Regeln, und "(e)ine Änderung dieser internationalen Vorgaben ist aufwendig und sehr zeitintensiv. Daher kann der 'Steeper Segmented Approach' auch bei erfolgreichem Testverlauf auf absehbare Zeit nicht im Regelbetrieb angewendet werden."
Piloten-Assistenz-Systeme können problematisch sein,
besonders, wenn Airlines unter Kostendruck stehen.
Eine Maßnahme, die thematisch eher hierher gehört, führt das FFR systematisch korrekt in der Kategorie Technologische Lärmminderung: das Low Noise Augmentation System (LNAS), sehr frei übersetzt ein "Unterstützungssystem für lärmarmen Flug" oder ein "Schallschutz-Assistent für die Landung". Der "errechnet für jeden individuellen Landevorgang einen möglichst geräuscharmen Anflug und unterstützt die Piloten dabei, ihn einzuhalten".
Die Idee für ein solches System wurde im DLR-Institut für Flugsystemtechnik entwickelt. Im Herbst 2015 wurde die DLR vom Umwelthaus beauftragt, zwei von ihr entwickelte Systeme, die bei Anflügen u.a. auch zur Lärmreduzierungen führen könnten, am Frankfurter Flughafen zu testen, darunter auch LNAS. Im November 2016 konnte die DLR erste Ergebnisse vorstellen und auf der ICANA 2016 präsentieren.
Daraus geht zunächst einmal hervor, dass Piloten mit dem System zurecht kommen und bis zu 10% Sprit eingespart werden können.
Wo genau es leiser, und ob es irgendwo ggf. auch lauter wurde, war nicht so einfach herauszufinden. Aus einer Folie der Ergebnis-Präsentation läßt sich ablesen, dass die Veränderungen unterschiedlich waren - deutliche Reduktionen an Anfang und Ende des Landeanflugs, dazwischen eine Phase mit minimalen Erhöhungen. Wie immer waren aber die Meßstationen nicht da, wo sie sein müßten, um die Unterschiede wirklich zu erfassen.
Im November 2019 begann mit Unterstützung der Lufthansa ein neuer
Langzeit-Probebetrieb,
der aber bereits im April 2020
Pandemie-bedingt abgebrochen
wurde, so dass
nicht genügend Daten
gesammelt werden konnten. Im Jahr 2019 gab es auch einen
Kurzzeit-Test am Flughafen Zürich, in dem 90 Flüge mit einem DLR-Testflugzeug und Lärm-Simulationen durchgeführt wurden, die beide ein erkennbares Lärmreduktions-Potential über die letzten 25 Kilometer Anflug ergaben.
Die Aktivitäten in Zürich sollten wohl ursprünglich Bestandteil eines operativ dort angesiedelten, vom gleichen DLR-Institut koordinierten EU-Projekts namens
DYNCAT
(zu deutsch etwa: "Dynamische Konfigurations-Anpassung in der Endanflugphase") werden, das allerdings ebenfalls Pandemie-bedingt überwiegend mit Simulationen arbeiten musste. Seine Zielstellung war gegenüber LNAS wesentlich umfangreicher, es sollte
"den Menschen am Steuer Hilfestellungen bei ihrem Konfigurationsmanagement während des Anflugs geben und durch die Analyse der Diskrepanz zwischen Flugzeug- und Luftverkehrskontrollverfahren Verbesserungen für den Bord- und Bodenbetrieb vorschlagen. Dazu gehört auch die Ermittlung möglicher regulatorischer Änderungen für das Flugverkehrsmanagement sowie die Bewertung ihres ökologischen und ökonomischen Potenzials".
Technisch bedeutet das, wie es in einem
zusammenfassenden Bericht
heisst, anstelle eines neuen, zusätzlichen Systems im Cockpit eine
"Ergänzung der
FMS-Funktionen
für erhöhte Energie-Effizienz während des Landeanflugs" (eigene Übersetzung).
Die Ergebnisse des Projekts, das Ende 2022 beendet wurde, kann man sich auf der
Projekt-Webseite
ansehen, sie gehen aber über einen
"Proof-of-concept"-Prototypen
und überwiegend theoretische Erwägungen zu den zu erwartenden
Umweltvorteilen
nicht hinaus.
Das 2023 gestartete Fortsetzungsprojekt DYN-MARS das bis Mitte 2026 laufen soll, geht in der Zielsetzung sogar noch darüber hinaus. Damit "sollen die Auswirkungen auf die Umwelt beim Sinkflug und Anflug minimiert" und "Funktionen wie die dauerhafte Flugbahnfortsetzung, optimiertes Konfigurationsmanagement für Flugzeuge, der dynamische Einsatz von Landebahnstrukturen und gestärkter Datenaustausch zwischen Luft und Boden eingeführt" werden. Es "stellt eine ganzheitliche Lösung für Verbesserungen in der Luft und des Flugverkehrsmanagements durch fortschrittliche Kommunikationsfunktionen dar, ... indem mehrere situative Einschränkungen bei der vollständigen Optimierung im Sinkflug berücksichtigt werden. Gleichzeitig bleibt die Pistenauslastung hoch, ohne dass die Sicherheit beeinträchtigt wird". Das Ganze ist Bestandteil des Pakets Air Traffic Management and the Green Deal, das dazu beitragen soll, die EU "bis 2050 zum ersten klima-neutralen Block der Welt" zu machen.
Ob die Teilziele realistischer sind als das Gesamtziel, wollen wir hier nicht weiter diskutieren. Man kann aber mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass erstens LNAS in der ursprünglich angedachten Form nicht kommen wird und zweitens der Schwerpunkt der weiteren Entwicklung nicht auf dem Lärmschutz, sondern (bestenfalls) auf der Treibstoff-Einsparung liegt. Und dass es bei "hoher Pisten-Auslastung" insgesamt nicht leiser wird, selbst wenn der einzelne Anflug etwas lärm-optimaler ausgeführt wird als bisher, ist ebenfalls trivial.
Das "grüne" Verfahren reduziert den Lärm, das "graue" spart Treibstoff ...
(Für grössere Darstellung in neuem Fenster Bild anklicken.)
Maßnahme Nr. 7 im ersten Maßnahmepaket war die "vertikale Optimierung der Abflugverfahren", und das FFR erläutert zu der gleichlautenden Maßnahme in der Kategorie Abstand zur Lärmquelle erhöhen: "Diese Maßnahme zielt darauf ab, dass Flugzeuge nach dem Start schneller an Höhe gewinnen und sich somit der Abstand zwischen Lärmquelle und Boden schneller erhöht" und behauptet, "Die Maßnahme befindet sich im Regelbetrieb".
Allerdings musste bereits der 2012 veröffentlichte
Monitoring-Bericht
feststellen, dass diese Maßnahme in der eingeführten Form sehr wahrscheinlich nichts bewirkt, weil die Geschwindigkeiten der lauten Maschinen auch vor Einführung des Tempolimits nicht höher gewesen sind als nachher. Genau weiss man es allerdings nicht, weil der Aufwand für das Monitoring sich wie üblich sehr in Grenzen gehalten hat.
Grundsätzlich war da aber noch unbestritten, dass steilere Starts zu geringerer Belastung führen sollten und daher wo immer möglich anzustreben sind.
Dem stand allerdings schon bald ein überzeugendes, weil ökonomisches Argument entgegen: Lufthansa wollte Flachstarts, um damit Treibstoff zu sparen. Bereits im Februar 2013 hatte sie heimlich begonnen, ein neues Startverfahren zu praktizieren. Der
Test
dauerte nur eine Woche, dann kam ein Journalist dahinter und damit trat ein Problem auf, denn das passte gerade nicht zu den offiziellen Schallschutz-Bemühungen. Aber der nächste Versuch startete bereits im Juli. Was Lufthansa genau vorhatte, blieb lange im Dunkeln. Von sich aus zu informieren, was sie den Menschen zuzumuten gedenken, hatten sie nicht nötig, und auf
Fragen
antwortete der "gute Nachbar" auch nicht.
Das FFR beantwortete die Detail-Fragen ebenfalls nicht, machte aber in der Kategorie
Neue Routen und Verfahren
eine eigene Maßnahme mit dem Titel
Cutback Lufthansa
daraus und veröffentlichte ein
Papier
dazu.
Gemäß einer Präsentation der LH in der Sitzung der Fluglärmkommission im April 2013 sollte das bisherige Standard-Verfahren durch ein Verfahren ersetzt werden, das zur ICAO-Klasse NADP2 gehört. Das sagt zunächst einmal nur, dass es sich um ein Verfahren handelt, das ICAO empfiehlt, wenn der Lärm nur in einer weiteren Entfernung vom Startpunkt eine Rolle spielt. Was nah und was weit ist, hängt dabei u.a. vom Flugzeugtyp ab. Da die Flugmanöver an die jeweils erreichte Höhe gebunden sind, endet der Nahbereich für leichte, schnell steigende Maschinen bereits in etwa 5 km Entfernung vom Startpunkt, während er bei den schweren Kisten ("Heavies") bis zu 15 km ausgedehnt sein kann. Da diese auch für Lärmbetrachtungen die relevantesten sind, ist diese Lufthansa-Entscheidung also ein Schlag auf die Ohren aller Menschen, die weniger als 15 km vom Flughafen entfernt leben und eine Abfluglinie in der Nähe haben (das Raunheimer Stadtzentrum ist ca. 6 km vom Startpunkt der Centerbahn entfernt).
Lufthansa verlautbarte im Laufe des Jahres 2013 mehrfach, dass das neue Verfahren "getestet" werden sollte. Genaueres erfuhr man aber nicht, zuletzt wurde der "Test" auf ein Jahr verlängert, aber auf Abflüge von der Startbahn West beschränkt. Aus einem gleichzeitigen Vortrag des Umwelthauses in der Fluglärm-Kommission wurde aber deutlich, dass eine echte Messung der Auswirkungen des neuen Verfahrens nicht vorgesehen war - das geplante
Monitoring
konnte nicht funktionieren.
Dies bestätigte der
Monitoring-Bericht,
den das FFR/UNH in der Sitzung der Fluglärmkommission am 09.07.14 vorgestellt hat. Wenig Daten, viel Statistik - so versuchten die Autoren, doch noch irgendwie die gewünschte Schlussfolgerung zu begründen. Überzeugend ist es nicht. Auch die FLK mochte auf dieser dünnen Grundlage keinen Freibrief für das neue Verfahren ausstellen. Aber auch hier galt wie immer: die FLK berät, entscheiden tun andere. Lufthansa teilte am 10.09.14 mit, dass sie "ab heute" das neue Flachstartverfahren "deutschlandweit" eingeführt hat - und offenbar bis heute daran festhält, ohne sich weiter um die tatsächlichen Auswirkungen zu kümmern.
Das ist auch insofern fragwürdig, als mit ziemlicher Sicherheit auch die Schadstoff-Emissionen mit diesem Verfahren höher sind. Das ICAO-Umweltkomitee hatte schon vor der Einführung in einem Arbeitspapier festgestellt, dass NADP2-Verfahren im Vergleich zu NADP1-Verfahren (zu denen man das früher in Frankfurt geflogene Verfahren rechnen kann) zwar 0,6 bis 2,7 % weniger Kohlendioxid produzieren (da sie entsprechend viel Treibstoff einsparen), dafür aber zwischen 5 und 20 % mehr Stickoxide im Nahbereich emittieren. Auch wenn umstritten ist, wie hoch der Beitrag des Luftverkehrs zur Stickoxid-Belastung insgesamt genau ist: klar ist, dass diese Belastung schon jetzt im Rhein-Main-Gebiet fast ganzjährig zu hoch und damit jede zusätzliche Steigerung unverantwortlich ist. Und für die Belastung mit Ultrafeinstaub gilt das natürlich erst recht.
Da aber 2018 für das zweite Maßnahme-Programm ein paar Aktivitäten her mussten, die sich als Schallschutz-Maßnahmen darstellen liessen, wurde in der Kategorie
Rahmenbedingungen und Anreize
eine neue Maßnahme eingeführt mit dem Titel
Untersuchung Startverfahren,
die
"untersucht, welches Startverfahren sich in Frankfurt am besten eignet",
weil
"je nachdem, wie schnell das Flugzeug steigt und wann der Pilot die Klappen setzt, ... am Boden an unterschiedlichen Orten Lärm"
ankommt.
"Stand 2018" war zu dieser Maßnahme beim FFR zu lesen, es
"laufen die Vorbereitungen für die Untersuchung der Startverfahren durch einen Gutachter", und die Untersuchung sollte "keinen Einschränkungen" unterliegen.
"Stand September 2024" hiess es dann:
"Aufgrund der Komplexität der Untersuchung unterliegt sie diversen methodischen Einschränkungen",
weil andernfalls echtes Geld hätte in die Hand genommen werden müssen, und was das FFR in Form eines Gutachten, eines Endbericht und diverser Infografiken
zum Download bereit stellte,
war in der Tat sowohl bezüglich Qualität als auch Aussagekraft drastisch eingeschränkt. Die Schlussfolgerung war allerdings die von Lufthansa gewünschte:
"Die Berechnungen zeigen keine Indikation, dass das Steilstartverfahren (NADP 1) substanziell und in der Fläche einen entscheidenden Vorteil am Standort Frankfurt bringt."
Damit ist die Maßnahme abgeschlossen, aber
"Das Thema Startverfahren wird in der Arbeit des Forum Flughafen und Region weiterhin eine Rolle spielen. Das Expertengremium Aktiver Schallschutz (ExpASS) wurde beauftragt zu prüfen, wie die vorliegenden Ergebnisse durch Messungen ergänzt werden können"
- also sozusagen alles auf Anfang, es wird wieder "gemonitort".
Unter diesem Punkt führt das FFR neben dem bereits oben diskutierten LNAS-Projekt zwei Maßnahmen auf, die zusammen ziemlich lächerlich wirken: die Umrüstung und anschliessende Ausflottung "der B737 Maschinen der Lufthansa (Typ 300/500)". Aber abgesehen davon, dass zwischen diesen beiden Maßnahmen rund 6 Jahre liegen, in denen die alten Kisten leiser unterwegs waren, können sie stellvertretend für zwei Maßnahme-Gruppen stehen, die durchaus Potential zur Lärmminderung haben.
Das FFR erklärt dazu:
"Wenn ein leiseres Flugzeug entwickelt wird, ist es aus Sicht des Schallschutzes sinnvoll, ältere lautere Modelle durch den Nachfolger abzulösen"
und
zeigt auch,
was das in der Vergangenheit bewirken konnte.
Natürlich kauft niemand nur deshalb ein neues Flugzeug, selbst wenn an einigen Flughäfen die Gebühren für leisere Flugzeuge etwas niedriger sind. Tatsächlich hat ein Lufthansa-Manager in der ICANA 2013 durchaus
realistisch dargestellt,
was die Fluggesellschaften antreibt, in neuere Flugzeuge zu investieren. Es sind die ökonomischen Aspekte, in erster Linie der Treibstoffverbrauch.
Deswegen hält es das FFR auch für eine Schallschutz-Maßnahme, ein eigenes Lobby-Programm für noch mehr Subventionen für die Fluggesellschaften unter dem schönfärberischen Namen
Bundesprogramm Luftverkehr
aufzulegen. Das DLR kommt auf der Basis
nicht näher erläuterter Szenarien
zu dem Schluss:
"Der beste Fluglärmschutz ist die Entwicklung von neuen leiseren Flugzeugen in Verbindung mit verkehrspolitischen Maßnahmen die eine schnellere Einführung fordern".
Das war der Plan, der als umweltpolitische Grosstat verkauft wurde
Quelle: Dokumentation ICANA 2013, Teil 2, S. 39
Auch die Lufthansa hat ihre Neuanschaffungen in der öffentlichen Darstellung eine Zeitlang als Schallschutz-Maßnahme angepriesen. Im September 2013
verkündete
LH
"die größte, private Einzel-Investition in der deutschen Industriegeschichte",
die Bestellung von
"34 Boeing 777-9X und 25 Airbus A350-900"
für
"die Langstreckenflotten der Lufthansa Group". "Der Lärmteppich der neuen Modelle wird mindestens 30 Prozent kleiner sein, als bei heutigen Flugzeugen",
heißt es vollmundig, und um den Charakter solcher Ankündigungen allen deutlich zu machen, setzte der damalige Vorstandsvorsitzende Franz noch einen drauf:
„Jeder einzelne A350 und jede einzelne Boeing 777 entfaltet in Deutschland die Beschäftigungswirkung eines mittelständischen Unternehmens“.
Klingt phantastisch, solange man nicht bedenkt, dass es sich hier um längst überfällige Ersatzbeschaffungen handelte, die, beginnend 2016, über zehn Jahre verteilt werden sollten. Lufthansa rangierte im damaligen Effizienzrating
von Atmosfair auf Platz 72 von 125 getesteten Airlines (und ist bis
2018
nur auf Platz 66 aufgestiegen), eine Modernisierung der Flotte war schon aus ökonomischen Gründen dringend nötig. Dass neuere Flugzeuge leiser sind, ergibt sich zwangsläufig aus der Tatsache, dass vor 50 Jahren (damals wurden die zu ersetzenden Typen entworfen) der Schallschutz überhaupt keine Rolle gespielt hatte. Der beliebte 30%-Vergleich ist eine weitere Irreführung, denn er bezieht sich nur auf die Größe der Fläche, innerhalb derer extrem lauter Startlärm auftritt, und besagt keinesfalls, dass es an irgendeinem gegebenen Ort "30% leiser" würde.
Aber je nach gewünschter Wirkung kann man die Sachverhalte auch anders darstellen.
Quelle: LH Politikbrief 04/2014, S. 3
Zur richtigen Einordnung dieses Beschaffungsprogramms ist es auch hilfreich zu wissen, dass die in Dubai ansässige Emirates allein auf der damaligen dortigen Airshow neue Flugzeuge in einem Wert geordert hatten, der etwa dem Dreifachen des Gesamt-Investitionsprogramms der Lufthansa entsprach - und dabei auch schon die ersten A380 wieder austauschte, weil sie nicht mehr effizient genug waren.
Das wurde aber natürlich nicht als begrüssenswerte umweltpolitische Grosstat gesehen, sondern als verdammungswürdiger Verdrängungswettbewerb eines staatlich subventionierten Prestigeprojekts zulasten der bedauernswerten privatwirtschaftlichen Konkurrenz.
In der Folgezeit hat Lufthansa noch
2015
und
2021
Modernisierungs-Programme als Schallschutz-Maßnahme präsentiert, aber welche Effekte damit erreicht wurden, wurde nie im Detail dargestellt.
Auch 2024 hat Lufthansa per
Pressemitteilung
neben einem Rekordgewinn
"die größte Flottenmodernisierung ihrer Geschichte",
die Auslieferung von
"insgesamt mehr als 30 neue Flugzeuge, davon rund 20 Langstreckenjets"
im laufenden Jahr und
"über 250 Flugzeuge der neuesten Generation auf der Bestellliste"
verkündet.
"Durch die Modernisierung werden mittelfristig ältere Teilflotten ausgemustert, der Kundenkomfort deutlich erhöht und die CO2-Emissionen nachhaltig reduziert. Die wesentlich treibstoffeffizienteren Flugzeuge verbrauchen im Vergleich zu ihren jeweiligen Vorgängermodellen bis zu 30 Prozent weniger Kerosin ..."
- von Schallschutz ist nicht mehr die Rede.
Die ursprünglich hier aufgeführte
Umrüstungs-Maßnahme
bestand aus einer schalldämmenden Innenauskleidung der Triebwerke. Solche "akustischen Auskleidungen" oder "liner", durch die Triebwerke deutlich leiser werden, waren damals bereits Stand der Technik, fehlten aber bei der alten LH-B737-Flotte. Die Auskleidung konnte mit vertretbarem Aufwand nachgeholt werden und wurde offenbar auch relativ schnell durchgeführt.
Es ist uns nicht bekannt, wie hoch der Aufwand genau war und wer ihn getragen hat, aber insgesamt scheint es ein positives Beispiel für eine Schallschutz-Maßnahme gewesen zu sein.
Für eine weitere Maßnahme, die das FFR explizit aufführt, gilt das jedoch nur zum Teil: den
Einbau von Wirbelgeneratoren
an Maschinen der
A320-Familie
der Firma Airbus.
Lufthansa kündigte die Umsetzung dieser Maßnahme mit einer
Pressemitteilung
am 29.10.13 an: Die A320-Flotte erhält
"sogenannte Wirbelgeneratoren",
die
"den Gesamtschallpegel des Flugzeugs im Anflug um bis zu zwei Dezibel reduzieren"
sollen. 157 Flugzeuge werden
"ab Januar 2014"
damit ausgestattet.
Die hochtrabende Ankündigung hatte einen eher peinlichen Hintergrund: es handelte sich um die Beseitigung eines simplen Konstruktionsfehlers, der seit Inbetriebnahme der ersten Maschine dieser Baureihe im Februar 1987 hörbar war und dessen Korrektur schon um die Jahrtausendwende
möglich gewesen
wäre.
Lufthansa hatte diese Maßnahme schon in der
Gemeinsamen Erklärung
aus dem Jahr 2007 angedeutet und im Februar 2012 in der Maßnahmeliste der
Allianz für Lärmschutz
konkret benannt.
Aber es gibt auch heute noch Maschinen dieses Typs, die unnötig laut landen.
(Für Bildquellen entsprechende Grafik anklicken)
Das FFR versucht sich an einer Erklärung für die Verzögerung.
"Auch wenn die Wirbelgeneratoren eine scheinbar kleine Änderung darstellen, war eine große Anzahl an Prüfschritten und Genehmigungen nötig, um sie umzusetzen. Dazu gehörten unter anderem umfangreiche akustische Untersuchungen, Testflüge, eine Zulassung des Herstellers, Änderungen der Flugzeugspezifikation bis hin zu besonderen Schritten zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit beim Einbau der Wirbelgeneratoren".
Tatsächlich kann man einer
Präsentation
des damaligen Forschungsprojekts aus dem Jahr 2005 entnehmen, dass unterschiedliche Formen dieses 'Generators' getestet wurden, allerdings nicht wann. Die DLR-Version war jedenfalls bereits 2001 erfolgreich, und auch einer der damals an der Entwicklung Beteiligten wunderte sich noch in
seinem Vortrag
bei der ICANA 2016 über die 10 Jahre Verzögerung. In der anschliessenden Fragerunde meinte er auch noch zur Aussage des UNH, dass der Einbau eines solchen Wirbelgenerators rund 3.000 US$ koste,
"Das haben wir damals mit dem Schraubenzieher gemacht".
Zu dieser Preisgestaltung
erklärte
der damalige Vorsitzende der FLK:
"Hier bedarf es noch einmal der Verstärkung der Anstrengungen aller Fluggesellschaften und auch der politischen Verantwortungsträger, überhöhten Preisen der Hersteller, die auf zu geringen Stückzahlen oder Monopolstellung beruhen, durch ein europaweit koordiniertes Vorgehen entgegenzuwirken".
Die Verzögerungen gingen allerdings noch weiter. Im Juni 2014 antwortet Lufthansa auf eine entsprechende
Anfrage,
dass schon vier(!) neue A320 mit den Generatoren ausgerüstet sind und weitere sechs noch im selben Jahr dazukommen sollen. Die Umrüstung der Bestandsflotte sollte nun "voraussichtlich" im 3. Quartal 2014 beginnen. Im November 2014
teilte Lufthansa mit, dass nun schon zehn Flugzeuge (neun neue und ein umgerüstetes) mit den "Generatoren" ausgerüstet waren, 257 weitere (100 neue und 157 umzurüstende) sollten folgen.
"Nach derzeitigen Planungen wird die gesamte Maßnahme in etwa einem Jahr abgeschlossen sein".
Im Juni 2015 konnte Lufthansa immerhin
melden,
dass nun die hundertste Maschine mit dem Generator ausgestattet werden sollte. Im Oktober 2015
berichtete LH
in der Fluglärmkommission, dass
"alle 82 aus Frankfurt heraus operierende Flugzeuge der A320-Familie ... mit Vortex Generatoren ausgestattet"
sind und ausserdem seien
"14 Neuauslieferungen der A320-Fam. ... seit Anfang 2014 zugegangen – alle standardmäßig mit Wirbelgeneratoren ausgestattet".
Darüber hinaus
"stattet Airbus sämtliche weltweiten Neuauslieferungen der A320-Fam. mit Wirbelgeneratoren aus".
Man kann also darauf hoffen, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Maschinen, die dieses Lärmproblem verursachen, immer weiter abnimmt, bis es in den 2040er Jahren ganz verschwunden sein wird. Hätten alle Beteiligten angemessen reagiert, gäbe es dieses Problem schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Statt sich nun aber für die jahrelange unnötige Lärmbelastung zu entschuldigen, feierte sich Lufthansa für eine Selbstverständlichkeit, die zudem noch teilweise von Anderen bezahlt wurde. Durch die Umrüstung fielen die Flugzeuge nämlich ab 2015 in eine günstigere Kategorie der Lärmentgelte auf FRA, so dass LH einen grossen Teil der Kosten gleich wieder einsparen konnte. Schon das war durchaus zweifelhaft, denn für die Einstufung in Lärmkategorien spielte dieses spezifische Lärmereignis gar keine Rolle, da es ausserhalb des dafür definierten Bereichs stattfindet. Man kann es aber dadurch rechtfertigen, dass der Anflug tatsächlich für viele Betroffene leiser wurde, auch wenn die Kategorisierungs-Kriterien sowas nicht erfassen.
Nicht rechtfertigen lässt sich allerdings, dass diese veränderte Einstufung auch für andere Bereiche übernommen wurde, in denen sie die Realität nicht wiedergibt. Das gilt insbesondere für die ebenfalls geänderte Einstufung für die Berechnung der Lärmobergrenze, die dort ein eindeutiger Betrug ist, aber dennoch für andere Bereiche wie den Fluglärmindex übernommen wurde.
Das Problem, das die Wirbelgeneratoren lösen sollen, ist ja durchaus relevant. Nicht nur das DLR, auch Bürgerinitiativen haben die Belastungen, die durch diesen Konstruktionsfehler hervorgerufen wurden,
deutlich dokumentiert.
In Kreisen von Fluglärmgegnern war dieser Flugzeugtyp daher auch als
pfeifende Johanna
bekannt und berüchtigt (was nicht frauenfeindlich gemeint war, sondern sich auf einen
Song
der "Comedian Harmonists" von 1934 bezog). Man kann sich den Ton
hier anhören.
Wenn es also nach verschiedenen Quellen in 15-20 bzw. 10-17 km Entfernung vom Flughafen
"bis zu 4 Dezibel"
leiser werden kann, ist das ein echter Fortschritt, auch wenn es uns leider nichts nützt, denn
"für Raunheim ergibt sich keine Veränderung des Lärmpegels, da die Flugzeuge sich hier unmittelbar vor der Landung in einer anderen Konfiguration befinden".
Das könnte anders sein bei einem ähnlichen Problem, das im Jahr 2020 bekannt und auch von der Fluglärmkommission
aufgegriffen
wurde:
"Störgeräusche bei Landungen beim Typ A320neo".
Hier sind die Anflugphasen betroffen, die über Rüsselsheim und Raunheim ablaufen, aber Verursacher ist in diesem Fall
wahrscheinlich ein Triebwerk,
dass insbesondere für den A320neo verwendet wird.
Damit sind die Aussichten in diesem Fall mehr als düster. Wenn es schon mehr als ein Jahrzehnt brauchte, ein Stückchen Blech unter eine Tragfläche zu schrauben, kann man kaum hoffen, dass Probleme an einem Triebwerk, die weder Sicherheit noch Verbrauch betreffen, in absehbarer Zeit gelöst werden könnten. Zwar wird in einer
Präsentation
für die Fluglärmkommission im Juli 2022 die Hoffnung geäussert, dass die
"teils bis zu 15dB lauter als normale Triebwerksgeräusche"
auftretenden Geräusche
"möglicherweise durch Änderung der Anflugverfahren beeinflussbar"
sein könnten, aber konkrete Ergebnisse dazu stehen bisher aus.
Da viele der oben beschriebenen Maßnahmen noch nicht oder nicht vollständig umgesetzt sind und weiter (mehr oder weniger) daran gearbeitet wird, kann man hie und da noch auf kleine Erfolge hoffen. Was an technologischen Fortschritten noch möglich wäre, war Thema der FFR-Konferenz ICANA 2023, wo Experten von Airbus, Boeing, Rolls-Royce, Lufthansa, DLR und anderen, ihre Arbeiten und guten Absichten dazu vorstellen durften. Dass man nicht unbedingt davon ausgehen kann, dass die dort genannten, ohnehin begrenzten Möglichkeiten auch tatsächlich umgesetzt werden, zeigt sich schon daran, dass zum Schluss der Konferenz nahezu alle Beteiligten davor warnten, den Lärmschutz zugunsten des Klimaschutz zu vernachlässigen, und forderten, neu entwickelte Flugzeuge müssten effizienter und leiser werden. Im Konfliktfall hat aber die Effizienz mit ziemlicher Sicherheit Vorrang.
Andererseits scheinen aber auch einige der in der Vergangenheit für Frankfurt "handgestrickten" Flugverfahren durch die Einführung
neuer Navigations-Standards
in Gefahr zu sein, so dass durchaus auch die Gefahr realer Verschlechterungen droht.
Und da man generell feststellen muss, dass die Luftverkehrswirtschaft ihre bei der Durchsetzung der letzten Ausbaustufe des Flughafens gegebenen Versprechen als abgearbeitet ansieht und es
völlig offen ist,
ob es nochmal ein "Maßnahmenprogramm Aktiver Schallschutz" geben wird, weil man dort offensichtlich keine Veranlassung mehr zu neuen Initiativen sieht, wird es von dieser Seite keine relevanten Fortschritte geben.
Konsequente Maßnahmen für wirksamen Schallschutz wären nur zu erwarten, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern würden. Ideen dafür gibt es natürlich.
Eine davon ist die von der 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm' (BVF) im August 2023
vorgeschlagene
Reduzierung der
"Zahl der planbaren Starts und Landungen an den deutschen Verkehrsflughäfen bis 2030 um 20 Prozent".
Dies würde erfordern, die Vergabe der genutzten sog. Slots an allen deutschen Verkehrsflughäfen jedes Jahr gegenüber dem Vorjahr um 3% (bzw. mehr, je länger sich der Beginn verzögert) einzuschränken.
Obwohl eine solche Maßnahme natürlich eine
Betriebsbeschränkung
wäre und auch eindeutig den Charakter einer Aktiven-Schallschutz-Maßnahme hat, argumentiert ein dazu vorgelegtes Rechtsgutachten,
dass die EU-Betriebsbeschränkungsverordnung hier nicht greifen würde, weil die Maßnahme primär auf den Klimaschutz zielt. Diese Argumentation ist sicherlich übertragbar auf alle Arten der Reduktion der Flugbewegungszahlen, die ja immer sowohl den Lärm als auch die klimaschädlichen und sonstigen Emissionen senken würden.
Zugleich hätten solche Reduzierungen natürlich auch zur Folge, dass einige der oben beschriebenen Maßnahmen, die aus "Kapazitätsgründen" nicht oder nicht vollständig umgesetzt werden konnten, dann eventuell doch wieder möglich wären.
Eine Chance, in den Katalog des FFR oder in die Liste der 'Allianz für Lärmschutz' aufgenommen zu werden, haben derartige Maßnahmen natürlich trotzdem nicht.
Die wichtigste Schallschutz-Maßnahme überhaupt für absehbare Zeit könnte aber das Verbot von Geschäftsmodellen sein, die den Fluglärm noch weiter in der Fläche verteilen und insbesondere auch Innenstädte verlärmen wollen.
Ende 2022 hat die EU-Kommission ihre "Drohnen-Strategie 2.0"
verkündet,
die die
"Entwicklung eines europäischen Drohen-Marktes"
und
"umfassende kommerzielle Drohnen-Operationen" (eigene Übersetzungen)
ermöglichen soll. Dass das Probleme mit sich bringen könnte, ist der Kommission bekannt, denn
"Um Bedenken in Bezug auf Lärm, Sicherheit und Privatsphäre zu adressieren, ruft die Strategie nationale, regionale und lokale Verwaltungen dazu auf, sicherzustellen, dass Drohnen-Dienste an den Bedürfnissen der Bürger ausgerichtet sind" (eigene Übersetzung)
- soweit das eben möglich ist.
Zugleich haben die europäischen Institutionen eifrig daran gearbeitet, die Voraussetzungen für diesen Markt zu schaffen, und insbesondere die
EASA
hat 2023 nicht nur äusserst
grosszügige Grenzen für die erlaubten Lärmbelastungen definiert, sondern auch ein umfassendes
Regelwerk
für
"den sicheren Betrieb von senkrecht startenden und landenden Luftfahrzeugen (VTOL), einschliesslich Lufttaxis,"
vorgelegt, das
"diesen innovativen Luftfahrzeugen den Weg in die Himmel der europäischen Städte ebnen" (eigene Übersetzungen)
soll. Diese Vorschläge wurden Anfang 2024 ohne grosse Änderungen
bestätigt.
Fraport
wollte schon lange
"als erster Flughafen Europas das Potential des elektrischen Flugtaxis ... erschließen",
aber erstmal kam die Corona-Pandemie dazwischen. Inzwischen aber kann der geplante Partner Volocopter
Fortschritte bei Zulassungen
vermelden und auf starke
wirtschaftliche und politische Unterstützung
verweisen. Und auch die zentrale deutsche Forschungseinrichtung für alle Fragen der Luftfahrt
glaubt,
"Drohnen und hochautomatisierte Flugtaxis haben das Potenzial, den urbanen Luftverkehr mit neuen Möglichkeiten zu bereichern".
Lufthansa kooperiert derweil mit einem Unternehmen, das schon
über Flugtaxis hinaus
denkt und etwas grössere "regionale Verkehrsflugzeuge" entwickeln will, die aber wohl auch noch unter die VTOL-Regulierungen und Normen fallen. Die Grenzen sind aber offensichtlich fliessend.
Welche Lärmbelastungen genau nun von welchen der aktuell entwickelten Fluggeräte - unbemannte Drohnen, Flugtaxis, Regionalflugzeuge etc. - zu erwarten sind und wo sie auftreten könnten,
ist noch offen.
Aber auch wenn Hersteller wie
Volocopter behaupten,
ihre Geräte seien
"bemerkenswert leise"
und
"in einer 120 m-Entfernung in einer Stadtlandschaft unhörbar" (eigene Übersetzung),
bleibt die Tatsache, dass die vorgesehenen Grenzwerte deutlich stärkere Belastungen zulassen und die grundsätzliche Wirkung dieser spezifischen Lärmbelastung
noch nicht ausreichend erforscht
ist.
Es lassen sich sicher Einsatzmöglichkeiten für Drohnen denken, die bei tolerablen Belastungen gesellschaftlichen Nutzen bringen. Aber wenn die EU-Kommission schreibt, es gehe um einen
"Markt ... für kommerzielle Operationen", dann nennt sie damit auch das wirklich ausschlaggebende Kriterium: entwickelt und eingesetzt wird, was Profit bringt. Dass die betroffenen Bürger*innen glauben, sie hätten etwas davon, und die entstehenden Belastungen hinnehmen, dafür sollen bitte die lokal und regional Zuständigen sorgen. Es liegt an uns, alles zu tun, dass möglichst Wenige darauf hereinfallen.