Stand: 10.2024
Aktuellere Entwicklungen im Themenkomplex
Lärm und Schallschutz,
ergänzendes Thema: Passiver Schallschutz


BIFR-Doku:

Aktiver Schallschutz


"Aktiver Schall­schutz" bedeutet, die Lärment­stehung an der Quelle zu redu­zieren oder aber die Lärm­quelle weiter vom Einwir­kungsort weg zu bringen. Für Flug­lärm heißt das, die Flug­zeuge leiser zu machen bzw. sie höher oder weiter entfernt von Ort­schaften fliegen zu lassen.
Der folgende Text befasst sich mit den Aktivi­täten zum aktiven Schall­schutz am Flug­hafen Frank­furt in diesem Jahr­hundert und gliedert sich wie folgt:

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Der rechtliche Rahmen

Gesetze und Regelwerke

Die recht­liche Grund­lage für Maß­nahmen des aktiven Schall­schutzes ist bisher äusserst dünn. Anders als Fragen des passiven Schall­schutzes, die im Flug­lärm­gesetz relativ umfas­send, wenn auch quali­tativ unzu­reichend, geregelt sind, gibt es kein Gesetz, dass die Maß­nahmen zum aktiven Schall­schutz regeln würde.
Aller­dings ist es auch nicht korrekt, wenn das "Forum Flug­hafen und Region" behauptet: "Es gibt keinen gesetz­lichen Anspruch auf aktiven Schall­schutz. Die Maß­nahmen zum aktiven Schall­schutz sind folg­lich das Ergeb­nis frei­williger Verein­barungen".
Ansprüche gibt es sehr wohl, sie sind aller­dings nur unkonkret formu­liert und derzeit weder indivi­duell noch kollek­tiv einklag­bar. Dieser Zustand wäre aller­dings mit genügen­dem Druck poli­tisch zu verändern.

Luftverkehrsgesetz

Im Luft­verkehrs­gesetz, das den Betrieb von Luft­fahr­zeugen aller Art regelt, gibt es einen Para­graphen 29b, der lautet:

(1) Flugplatz­unternehmer, Luft­fahrzeug­halter und Luft­fahrzeug­führer sind ver­pflichtet, beim Betrieb von Luft­fahr­zeugen in der Luft und am Boden vermeid­bare Geräusche zu verhin­dern und die Ausbrei­tung unver­meid­barer Geräusche auf ein Mindest­maß zu beschränken, wenn dies erforder­lich ist, um die Bevölke­rung vor Gefahren, erheb­lichen Nach­teilen und erheb­lichen Belästi­gungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nacht­ruhe der Bevölke­rung ist in beson­derem Maße Rück­sicht zu nehmen.
(2) Die Luft­fahrt­behörden und die Flug­siche­rungs­organi­sation haben auf den Schutz der Bevölke­rung vor unzumut­barem Fluglärm hinzu­wirken.
Die hier nicht näher defi­nierten Begriffe "erheb­liche Nach­teile", "erheb­liche Belästi­gungen" und "unzumut­barer Flug­lärm" machen es natür­lich schwer, hieraus kon­krete Forde­rungen abzu­leiten. Eigene Defini­tionen oder Grenz­wert­setzungen gibt es dazu nicht, in § 8 wird ledig­lich im Fall einer Plan­fest­stellung für Neu­anlage oder wesent­liche Ände­rung eines Flug­hafens gefor­dert, "die jeweils anwend­baren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Flug­lärm zu beachten".
Das ändert aber nichts daran, dass Fraport, die Flug­gesell­schaften und die Pilo­t*innen damit grund­sätz­lich ver­pflichtet sind, aktiven Schall­schutz zu betreiben. Wie sie ihn betrei­ben und was damit erreicht wird, ist Ergebnis der jewei­ligen politi­schen und juristi­schen Aus­einander­setzungen.

EU-Umge­bungs­lärm-Richt­linie

Einen weiteren Ansatz liefert die EU-Umge­bungs­lärm-Richt­linie. Diese fordert in Artikel 1 (1c) die

"Annahme von Aktions­plänen durch die Mitglied­staaten mit dem Ziel, den Umge­bungs­lärm so weit erforder­lich und insbe­sondere in Fällen, in denen das Ausmaß der Belas­tung gesund­heits­schäd­liche Auswir­kungen haben kann, zu verhin­dern und zu mindern ...".
Der durch Flug­verkehr verur­sachte Lärm gehört nach Artikel 3 a) ein­deutig zu diesem Umgebungs­lärm, und nach Artikel 8 müssen auch für Groß­flug­häfen in den Aktions­plänen "Lärm­probleme und Lärm­auswir­kungen, erfor­der­lichen­falls ein­schließ­lich der Lärm­minderung, geregelt werden". Daraus lässt sich ein (poli­tischer) Anspruch an die 'zustän­dige Behörde' ableiten, ihrem gesetz­lichen Auftrag Genüge zu tun und Vorschläge zur Lärm­minderung zu erar­beiten.
Dieser Auftrag wurde bisher nicht annähernd erfüllt. Obwohl die Richt­linie viel Frei­heiten bei der Gestal­tung der Aktions­pläne liess, musste die EU-Kommis­sion bis Anfang der zwanziger Jahre 15 Vertrags­verletzungs­verfahren gegen Mitglieds­staaten, darunter auch Deutsch­land, wegen unzu­reichender Umsetzung ein­leiten, obwohl die Richt­linie formal im Bundes­immissions­schutz­gesetz umge­setzt wurde. Anfang 2022 traten ver­schärfte Anforde­rungen in Kraft. Für den Flug­hafen Frank­furt begann die neue Aktions­planung im April 2023, aber spätes­tens im August 2024 war klar, dass diese Anfor­derungen komplett igno­riert werden. Ledig­lich gering­fügige Modifi­kationen an der als reine Farce zu bewer­tenden Planung 2022 sollen zulässig sein, rele­vante Ände­rungen werden (falls sie denn über­haupt möglich sein sollen) in die nächste Runde verschoben.

Dass die recht­lichen Grund­lagen für die Lärm­bekämp­fung in Deutsch­land auch nach den vorgenom­menen Anpas­sungen unzu­reichend sind, erläu­tert ein Vortrag, der anläss­lich einer Fort­bildung der 'Bundes­vereini­gung gegen Flug­lärm' im Früh­jahr 2024 gehalten wurde. Dort wird fest­gestellt: "Das geltende Recht ist aufgrund seiner Inkon­sistenz und der daraus folgen­den Anwen­dungs­schwierig­keiten nicht in der Lage, den Schutz der Bevölke­rung vor gesund­heits­gefähr­dendem Lärm sicher­zustellen. Dies gilt in beson­derem Maße für im Bestand vorhan­dene Lärm­konflikte."
Gefordert wird daher ein "System­wechsel hin zu einer Betrach­tung des Gesamt­lärms am Immis­sions­ort sowie die Aufgabe von Privi­legie­rungen für bestimmte Lärm­emit­tenten". "Im Fokus dieser Bemüh­ungen sollten dieje­nigen Lärm­quellen stehen, die maßgeb­lich zu gesund­heits­gefähr­dendem Lärm bei­tragen", und das sind alle Arten von Verkehrs­lärm, insbe­sondere auch der Fluglärm.

Balanced Approach
Balanced Approach

(Für Link zur Quelle jeweilige Grafik anklicken)

Eine Rege­lung, die den aktiven Schall­schutz eher behin­dert als fördert, ist der sog. Balanced Approach, der von der 'Inter­natio­nalen Zivil­luft­fahrt-Organi­sation' (ICAO) bereits 2001 als Empfeh­lung beschlossen und von der EU durch eine entspre­chende Verord­nung in für alle Mitglieds­staaten geltendes Recht umge­setzt wurde.
Dass dieses Regel­werk primär dazu dient, Betriebs­beschrän­kungen an Flug­häfen soweit als mög­lich zu verhin­dern, wurde 2012 sogar im Verkehrs­aus­schuss des Bundes­tages ausführ­lich disku­tiert, beein­flusste aber die weitere Entwick­lung kaum. Seither hat sich der Ton eher noch ver­schärft, wie eine entspre­chende Resolu­tion der ICAO-General­versamm­lung 2022 zeigt.

Eine Betriebs­beschrän­kung ist gemäß der seit 2014 gelten­den Fassung der EU-Verord­nung, die deren Zulässig­keit verbind­lich regelt, "eine Lärm­minderungs­maßnahme, die den Zugang zu einem Flug­hafen oder seine Betriebs­kapa­zität ein­schränkt, einschließ­lich ... par­tieller Betriebs­beschrän­kungen, die zum Bei­spiel für eine bestimmte Tages­zeit oder nur für bestimmte Start- und Lande­bahnen des Flug­hafens gelten".
Sie dürfen gemäß dieser Verord­nung "nicht als erstes Mittel, sondern nur nach Abwä­gung der anderen Maß­nahmen des ausge­wogenen Ansatzes", der "Redu­zierung des Flug­lärms an der Quelle", "Planung und Verwal­tung der Flächen­nutzung" sowie "betrieb­liche Ver­fahren zur Lärm­minderung" enthält, ange­wendet werden.

Diese Verord­nung ist damit ein Muster­beispiel für die per­versen neo­liberalen Prinzi­pien, die die Luft­verkehrs­lobby in den neun­ziger und den zwei­tausender Jahren inter­natio­vnal durch­setzen konnte (mit massiver Schützen­hilfe deutscher Wirt­schafts- und Verkehrs-Minister natür­lich).
Betriebs­beschrän­kungen sollen nicht nur gegen die "Planung und Verwal­tung der Flächen­nutzung", sprich Siedlungs­beschrän­kungen und 'Absied­lungen', abge­wogen werden, es soll auch noch "die kosten­effizien­teste Maß­nahme oder Kombi­nation von Maß­nahmen" gewählt werden.
Zusätz­lich muss die Maß­nahme auch der EU-Kommis­sion zur Prüfung vor­gelegt und eine Beschwerde­stelle für alle Betei­ligten einge­richtet werden. Wie Gesund­heits­schäden und vorzei­tige Todes­fälle durch Flug­lärm kosten­mäßig zu bewerten sind, steht aller­dings nicht drin.

Die hessische Landes­regierung sah sich aller­dings durch die EU-Verord­nung nicht weiter in ihren Rechten einge­schränkt und kam in einer Bewer­tung des "balanced approach" 2016 zu dem Schluss:

2022 klang das schon nicht mehr ganz so bestimmt, aber zumindest die beste­henden Nacht­flug-Beschrän­kungen wurden noch vertei­digt. Welche Rolle diese Verord­nung bei kommenden Aus­einander­setzungen spielen wird, muss sich zeigen.


Die 'zuständigen Behörden'

Luft­verkehr ist grund­sätz­lich eine Bundes­angelegen­heit, aber der Bund hat durch § 31 LuftVG eine Reihe von Auf­gaben an die jewei­ligen Bundes­länder dele­giert. Aufsichts­behörde für den Flug­hafen Frankfurt ist daher das Hessische Minis­terium für Wirt­schaft, Energie, Verkehr, Wohnen und länd­lichen Raum, das einen (mittler­weile schwer zu findenden) Bereich Luft­verkehr hat, wo neben viel Grund­sätz­lichem auch Aktuelles wie z.B. die Ausnahme­genehmi­gungen vom Nacht­flug­verbot präsen­tiert wird. Dort ist auch die Stabs­stelle Flug­lärm­schutz und die Flug­lärm­schutz­beauf­tragte mit Mail-Adresse und Telefon­nummer, aber ohne eigene Inhalte, zu finden.
Da einige Aufsichts- und Regulie­rungs-Funk­tionen an die Regierungs­präsidien ausge­lagert sind, findet man einige rele­vante Unter­lagen auch auf den Seiten des Regierungs­präsidium Darm­stadt, insbe­sondere zum (passiven) Lärm­schutz, aber auch zur Lärm­aktions­planung.

Bei der Maßnahme-Planung und Geneh­migung haben je nach Sach­verhalt ggf. noch andere Institu­tionen mitzu­reden. Für Über­wachung und Lenkung des Flug­betriebs, Routen­planung etc. ist die 1993 privati­sierte DFS Deutsche Flug­sicherung GmbH zuständig. Sie bietet dazu auf ihren Seiten eine Reihe von tech­nischen Informa­tionen. Es gibt auch eine Seite Umwelt, die aber relativ ober­flächlich bleibt. Detail­lier­tere Informa­tionen findet man in einigen Publika­tionen, die dort zum Down­load bereit stehen.
Bei der Privati­sierung der Flug­sicherung als staat­licher Rest­bestand übrig­geblieben ist das BAF Bundes­aufsichts­amt für Flug­sicherung, das mit der DFS Tür an Tür in Langen sitzt und dort Aufsicht führt und die Tätig­keiten ausübt, für die hoheit­liche Befug­nisse not­wendig sind.
Alle Arten von Zulas­sungs-, Genehmi­gungs- und Aufsichts­funktionen in Bezug auf Perso­nal und Gerät­schaft im Luft­verkehr übt das Luft­fahrt-Bundes­amt LBA aus. Hier findet man viele Informa­tionen, z.B. für die Anforde­rungen, die Geräte erfüllen müssen, um im Luft­verkehr einge­setzt werden zu dürfen. Es gibt auch eine Seite mit Informa­tionen, wo man die jeweils aktu­ellen und gül­tigen Gesetze und Verord­nungen finden kann.

Auf europä­ischer Ebene laufen viele Aktivi­täten, die Fragen des Schall­schutz berühren, über die Euro­pean Union Aviation Safety Agency EASA und die European Organi­sation for the Safety of Air Navigation Euro­control. Inter­natio­nal kümmert sich eine UN-Organi­sation, die "Inter­national Civil Aviation Organi­sation" ICAO um Lärm­fragen. Einen Über­blick über viele andere inter­natio­nale Organi­sationen, die dabei eine Rolle spielen könnten, gibt es auf unserer Link-Seite.
Anläss­lich einer Konfe­renz des "Forums Flug­hafen und Region", der ICANA 2023, gab es auch je einen Vortrag zu Themen und Organi­sation der Lärm­schutz-Aktivi­täten bei ICAO und bei der EASA. Beide Vorträge kann man sich auch als Video mit deut­schem oder eng­lischem Text in der Konfe­renz-Doku­menta­tion ansehen.


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Die Akteure

Am Flug­hafen Frank­furt gibt es im Wesent­lichen drei Akteure, die das Themen­feld 'Aktiver Schall­schutz' bear­beiten.


Das 'Forum Flughafen und Region' (FFR)

Struktur FFR

Die Geschichte des aktiven Schall­schutzes im Zusammen­hang mit dem jüngsten Ausbau­schritt am Frank­furter Flughafen begann mit dem "Anti-Lärm-Paket", das die Media­toren in ihrem Bericht im Jahr 2000 als Empfeh­lung formu­liert hatten. Daraus entwick­elte der damalige Vor­sitzende des "Regio­nalen Dialog­forums", Herr Prof. Dr. Wörner, den Anti-Lärm-Pakt, den er noch im Sep­tember 2007 in letzter Minute durch­setzte. Obwohl vom RDF nie formal verab­schiedet, wurde er per Land­tags­beschluss eine Grund­lage der Arbeit der Nachfolge­einrich­tungen, des Forum Flug­hafen & Region und der Umwelt­haus GmbH. Das FFR setzte ein Experten­gremium ein, das ein "erstes Maßnahme­paket Aktiver Schall­schutz" entwick­elte und dazu im Juli 2010 einen End­bericht, im Juni 2012 einen Moni­toring-Bericht und im November 2016 eine 5-Jahres-Bilanz vor­legte.

Obwohl der Moni­toring-Bericht bei nahezu allen Maß­nahmen fest­stellen musste, dass die erwar­teten Ergeb­nisse nicht erreicht werden konnten, bilan­ziert das FFR bis heute dieses Maßnahme­paket als Erfolg und behauptet, dass alle sieben Maß­nahmen "in den Regel­betrieb" über­nommen worden seien, ohne aller­dings Aussagen dazu zu machen, welche quanti­fizier­baren Lärm­minde­rungen damit erreicht wurden.
Tatsäch­lich können einige der damals vorge­sehenen Maß­nahmen gar keine Wirkung (mehr) haben, weil z.B. die umge­rüstete B737-Flotte der Luft­hansa inzwi­schen längst ausge­mustert ist (Maßnahme 5) oder der "Segmented Approach" bis heute nur in betriebs­armen Zeiten geflogen werden kann (Maßnahme 3). Weitere Beispiele werden weiter unten noch disku­tiert.

Um die bedeu­tende Rolle, die das FFR nach eigenem Anspruch im Bereich Aktiver Schall­schutz spielen wollte, auch nach aussen ange­messen zu dokumen­tieren, veran­staltete das FFR mit Unter­stützung gewich­tiger Partner eine Reihe von "Inter­national Confe­rences on Active Noise Abatement" (Inter­nationale Konferenzen Aktiver Schall­schutz), ICANA. Diese fanden bisher 2010, 2013, 2015, 2016 und 2023 statt, jeweils mit unter­schied­lichen Themen­schwer­punkten. Die Dokumen­tationen der Vorträge und Links zu Video-Mit­schnitten sind online verfüg­bar und ent­halten eine Fülle von teil­weise sehr interes­santen Materi­alien tech­nischer Art, aber auch viel Frag­würdiges und inzwi­schen Über­holtes. Auch wurde dort 2013 die Frank­furter Erklä­rung verab­schie­det, die offen­bar heute noch als eine Art Grund­satz-Papier des FFR betrachtet wird.

Es dauerte bis Januar 2018, bis das FFR sein Neues Maß­nahmen­programm Aktiver Schall­schutz vor­legte, zusammen mit einem Hinter­grund-Papier, das eher pauschal die Absichten beschreibt, einem ausführ­lichen Bericht und einer Info­blatt-Samm­lung, die zu jeder Maß­nahme ein Form­blatt mit den wesent­lichen Daten enthält.
Das neue Programm sollte "Flug­lärm mindern" und dafür sorgen, "dass es in der Region leiser wird". Zwar war von Anfang an klar, dass es das nicht leisten konnte, aber da es zunächst einmal durch den Zusammen­bruch des Luft­verkehrs während der COVID-19-Pan­demie dras­tisch leiser wurde, blieben die prak­tischen Nachweise dafür zunächst aus. Der Bericht, der im Mai 2019 der Flug­lärm­kommis­sion vorge­legt wurde, machte Aus­sagen zum Bear­beitungs­stand der einzel­nen Maß­nahmen, aber nicht zu deren Wirkung.
Seit einiger Zeit betreibt das FFR bzw. dessen 'Experten­gremium Aktiver Schall­schutz' ExpASS eine eigene Web­seite Aktiver Schall­schutz. Dort findet man grund­legende Doku­mente, Broschüren, Info­blätter etc., aber nur sehr selten Materi­alien zu aktu­ellen Entwick­lungen. Die Über­sicht über die "Entwick­lung des aktiven Schall­schutzes im Rhein-Main-Gebiet" reichte bei unserer letzten Durchsicht Anfang 2024 nur bis 2018. Neueres muss man sich aus anderen Quellen zusammen­suchen.

Im September 2024 erklärte das FFR das zweite Maßnahme­programm (bis auf ein paar Rest­arbeiten) für abge­schlossen, und obwohl eine der drei Säulen dieses Programms aus "Erfor­schung und Entwick­lung von Maß­nahmen, die in einigen Jahren zum Schall­schutz bei­tragen können", bestand, sind neue Ideen offen­sicht­lich Mangel­ware. Als nächster Schritt soll daher eine "Poten­tial-Analyse" ausge­schrieben werden, damit andere sich Gedan­ken machen, was man noch so tun könnte, damit es in der Rhein-Main-Region "leiser wird" - oder zumin­dest der Eindruck aufrecht­erhalten wird, es würde noch daran gearbeitet.

Die 'Allianz für Lärmschutz'

Allianz-Logos

Parallel zur Grün­dung des FFR wurde auf der Basis einer Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 im Februar 2012 die Allianz für Lärm­schutz von "Luft­verkehrs­akteuren, Landes­regierung und Region" ge­grün­det, um damit die im Anti-Lärm-Pakt ange­kündigte Betei­ligung der "Flug­verkehrs­gesell­schaften ... an der Umset­zung der Aktiven Schall­schutz­maßnahmen" zu demon­strieren. Als Reak­tion auf die Inbetrieb­nahme der Nordwest­landebahn 2011 und die damit wieder anstei­genden Proteste wurde eine neue Erklä­rung verab­schiedet und eine eigene Maß­nahme­liste einge­führt.
Die enthielt einen bunten Strauss von 19 Maß­nahmen, bei denen die Luft­verkehrs­wirtschaft eine direkte Kontrolle behalten wollte. Die betrafen auch den passiven Schall­schutz, wie den Regional­fonds und das Immo­bilien-Manage­ment-Programm Casa.

Unter den Maß­nahmen, die dem aktiven Schall­schutz dienen sollten, waren auch solche, die nie umge­setzt wurden, wie "Point Merge", oder solche, die nach Befrie­dung der Region aus Kapa­zitäts­gründen zurück­genommen wurden, eine möchte über­wiegend aus anderen Gründen durch­geführte Flotten­moderni­sierungs­maßnahmen als Schall­schutz verkaufen, und eine ist durch "unvorher­gesehene" Ein­schränkungen (Nachtflug­verbot) zur Lach­nummer verkommen, die so wirkungs­los ist, dass nicht einmal die Schäden, die sie theo­retisch anrichtet, spürbar werden. Wieder andere bezogen sich auf Forschungs­vorhaben mit sehr begrenzter Wirkung (Redu­zierung Boden­lärm), ökono­mische Instrumente mit unklarer Reich­weite (Spreizung Lärment­gelte) oder waren ohnehin nur "zur Prüfung" aufge­listet (neue An- und Abflug-Routen). Zu deren Umset­zung weiter unten mehr.

Die Fluglärmkommission (FLK)

FLK-Logo

Am 3. Oktober 1966 wurde die "Kommis­sion zur Abwehr des Flug­lärms, Flug­hafen Frankfurt Main" (kurz Flug­lärm­kommission, FLK) offi­ziell als bera­tendes Organ des hessi­schen Wirt­schafts­ministers gegründet und damit zum Vorbild aller Flug­lärm­kommis­sionen in Deutsch­land, die ab 1971 auf Basis von § 32b LuftVG an allen Verkehrs­flug­häfen gebildet wurden zur "Bera­tung der Genehmi­gungs­behörde sowie des Bundes­aufsichts­amtes für Flug­siche­rung und der Flug­siche­rungs­organi­sation über Maß­nahmen zum Schutz gegen Flug­lärm und gegen Luft­verun­reini­gungen durch Luft­fahr­zeuge". 2016 konnte sie anläss­lich ihres 50 jährigen Bestehens eine Bilanz ihrer Tätig­keit ziehen.
Da die FLK ausser einer kleinen, über einen Träger­verein finan­zierten Geschäfts­stelle nicht über eigene Ressourcen verfügt, ist sie für die Ausar­beitung und Beur­teilung von tech­nischen Vor­schlägen zum Schall­schutz auf externe Exper­tise ange­wiesen, die in den letzten Jahren über­wiegend vom Forum Flug­hafen und Region gestellt wird. Eigen­ständige Beiträge der FLK gibt es im Bereich der politi­schen Bewer­tung von Maß­nahmen und der Betei­ligung von Betrof­fenen.
Seit Mai 2023 regelt das hessi­sche Flug­lärm­kommis­sions­gesetz die Finan­zierung der FLK und verpflichtet andere Landes­einrich­tungen wie das FFR oder die Flug­lärm­schutz­beauf­tragte des Minis­teriums zur Zusamme­narbeit.

Bereits im Juli 2014 hatte die FLK mit einer Presse­mitteilung daran erinnert, dass sie seit 10 Jahren aktiv und mit eigenen Vor­schlägen für aktiven Schall­schutz einge­treten ist und einen Bericht vorge­legt, der den Stand der Umset­zung der Vorschläge bewer­tete. Von den 81 vorge­legten Vor­schlägen waren lt. Bericht "je 1/3 ... reali­siert bzw. umge­setzt, nicht umge­setzt oder befinden sich noch in der Prüfung". Beson­ders inte­ressant darin sind die nicht umge­setzten Vorschläge, weil man daraus viel darüber lernen kann, was einem wirk­samen Schall­schutz im Weg stand und steht.
Die Arbeit des FFR und der "Allianz" hat die FLK anfangs sehr kritisch begleitet. Das "erste Maßnahme­paket" des FFR hat sie in einem Grund­satz­beschluss als "längst über­fällig" und "unzu­reichend" zur Kenntnis genom­men und dabei auf die absolute Notwen­digkeit eines (damals von der Landes­regierung bekämpften) Nacht­flug­verbots als "die wirk­samste Maß­nahme des Aktiven Schall­schutzes zur Errei­chung eines hinrei­chenden Gesund­heits­schutzes der Bevölke­rung" hinge­wiesen. Letz­teres hat sie auch nach Inbetrieb­nahme der Nordwest­bahn nochmals in einer umfas­senden Stellung­nahme bestätigt.
Im April 2015 hat die Fluglärm­kommission eine Sammlung von Vor­schlägen für ein zweites Maß­nahme-Paket veröffent­licht. Das vom FFR schließ­lich 2018 vorge­legte Paket wollte sie zunächst nur zur Kenntnis nehmen, ließ sich dann aber doch zur Zustim­mung bewegen.

Ein Schwer­punkt ihrer Arbeit war stets, die gesetz­lichen Grund­lagen für die Durch­setzung aktiver Schall­schutz­maßnahmen zu verbes­sern. Das war bereits Haupt­thema des 10-Punkte-Programms von 2013 und zieht sich durch zahl­reiche Stellung­nahmen über das Posi­tions­papier 2017 bis zum Wahl­kampf 2021.
Dabei hat es die FLK nicht nur bei Stel­lung­nahmen belassen, sondern auch in umfang­reichen Gut­achten Möglich­keiten zur Entwick­lung besserer gesetz­licher Rahmen­beding­ungen analy­sieren lassen und Protest-Aktio­nen vor dem Berliner Reichs­tag mitor­ganisiert, um vom Bundes­tag solche Verbes­serungen einzu­fordern.

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Das Instrument

Um die Wirksam­keit von Schall­schutz-Maß­nahmen zu bewerten, braucht es ein geeig­netes Instru­ment, denn Lärm lässt sich nicht direkt messen, insbe­sondere nicht Lärm, der eine ganze Region belastet. Messen lässt sich der Schall­druck an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmte Zeit. Da der Schall­druck z.B. unter einer Anflug­linie ständig in unter­schied­lichem Ausmaß zu- und abnimmt und von zahl­reichen Schall­quellen gleich­zeitig beein­flusst wird, braucht es erstens Defini­tionen für das Meßver­fahren, die die erhal­tenen Zahlen­werte beein­flussen. Dies wurde deut­lich bei der Einfüh­rung einer neuen Meßnorm 2011, die dazu führte, dass die Fraport-Meß­berichte ab 2017 niedri­gere Werte lieferten. Zweitens braucht es Mitte­lungs­verfah­ren, um ein Maß für den Lärm über eine bestimmte Zeit zu bekommen. Dafür ist der sog. "äquiva­lente Dauer­schall­pegel" gemäß der Anlage zum Flug­lärm­schutz­gesetz zu benutzen. Drittens braucht es dann noch Berech­nungs­ver­fahren, um den Dauer­schall­pegel an den Stellen zu berech­nen, an denen nicht gemessen wird.

Damit bekommt man ein Maß für den Schall, der in der Fläche über eine bestimmte Zeit einwirkt. Schall wird aller­dings nur zu Lärm, wenn er auf Menschen ein­wirkt und dabei (bewußte oder unbe­wußte) nega­tive Reak­tionen auslöst. Wie Flug­lärm bewertet werden kann und welche Reak­tionen dafür heran­gezogen werden, ist gesetz­lich nicht ein­deutig fest­gelegt.
Daher sollte für Frank­furt ein eigenes Instru­ment ent­wickelt werden, das optimal für das geplante Vor­gehen geeignet sein sollte.


Das Universal-Instrument des FFR: Der 'Frankfurter Fluglärmindex' (FFI)

Konzept FFI

So wurde er konzipiert ...

... und das waren die Ergebnisse:

Ergebnisse FFI

Im sog. 'Anti-Lärm-Pakt' hat der RDF-Vorsit­zende Wörner deshalb als erste Punkte genannt:

  1. Einfüh­rung eines Lärm­indexes: Um die Wirkung des Aktiven Schall­schutzes zu prüfen, schlage ich einen Lärm­index vor. Der Index stellt in einer Zahl dar, in welchem Umfang die Bevölke­rung der Flughafen­region vom Lärm entlastet wird. Dabei ge­wichtet er die stärker betrof­fenen Personen stärker. ...

  2. Senkung des Lärm­indexes um 10 Prozent: Ohne die vor­geschla­genen Maßnahmen lässt sich der Wert des Lärm­indexes bei der Genehmi­gung des Fraport-Antrages im Jahr 2020 errech­nen. Ziel muss sein, diesen Wert durch Aktive Schall­schutz­maßnah­men um mindes­tens 10 % senken. ...

Zumindest der erste Punkt wurde dann auch inso­fern umge­setzt, als ein Lärm­index ent­wickelt und Anfang 2010 in der FLK vorge­stellt wurde. Nach einer Präsen­tation der ersten Berech­nungen 2013, die einige selt­same Ergeb­nisse zeigte, verschwand er aller­dings weit­gehend wieder von der Bild­fläche und wurde besten­falls für FFR-interne Bewer­tungs­prozesse genutzt.
In der öffent­lichen Bericht­erstattung tauchte er jahre­lang nicht mehr auf, und obwohl er ja dafür geschaffen werden sollte, hat er nicht nur zu einer Begren­zung des Lärms nichts beige­tragen, er wurde auch für keine andere der Maß­nahmen aus dem ersten Paket wirk­lich benutzt.

Das änderte sich erst wieder 2019, als er nach einer teil­weisen Über­arbei­tung als FFI 2.0 wieder aufer­stand und nun "noch genauer auf die Lärm­wirkungen im Umfeld des Flug­hafens Frank­furt zuge­schnitten" als Kenn­zahl dafür dienen sollte, "wie sich die Lärm­wirkung in der Region um den Flug­hafen Frank­furt ent­wickelt", und zwar sowohl in der Ver­gangen­heit ('Moni­toring') als auch für die Zukunft, "um zu prognos­tizieren, wie sich mögliche Maß­nahmen des aktiven Schall­schutzes aus­wirken würden".
Mit anderen Worten, er sollte nun wirk­lich ein Uni­versal-Instru­ment "für die Bewer­tung von Lärm­wirkung und Schall­schutz­maßnahmen" werden. Da aber bei der Überar­beitung die meisten struktu­rellen Probleme nicht besei­tigt wurden, gab es daran von Anfang an große Zweifel.

Symbol FFI

Das Umwelt­haus hat einen kurzen Überblick sowie eine ausführ­liche Dokumen­tation zum FFI 2.0 erstellt und dokumen­tiert auch eine wissen­schaft­liche Studie, in der Anforde­rungen an einen derar­tigen Index genannt sind (die bei Weitem nicht alle erfüllt wurden).
Unsere Kritik an diesem Index ist in zwei Bei­trägen zum Tag­index und zum Nacht­index formu­liert. Sie können auch als PDF-Doku­ment für den Tag­index und für den Nacht­index herunter geladen werden.

Als wesent­liche Moti­vation für die Reakti­vierung und Moderni­sierung des FFI darf man wohl die Tatsache betrachten, dass das 2018 beschlos­sene Zweite Maßnahmen­programm Aktiver Schall­schutz des FFR im Wesent­lichen Maßnahmen enthielt, die durch Lärm­verschie­bungen die Zahl der vom Lärm Beläs­tigten ver­ringern sollten und zu deren Durch­setzung ein halb­wegs solide und modern wirkendes Instru­ment gebraucht wurde.
Der erste Einsatz bei der geplanten Verän­derung einer Abflug­route von der Start­bahn West war zwar wenig erfolg­reich, wird aber weiter­geführt. Auch für andere geplante Maß­nahmen soll er genutzt werden.
Für die öffent­liche Bericht­erstat­tung spielt er aller­dings weiter keine Rolle. Nach einer ersten Rechen-Offen­sive, die zu einem zusammen­fassenden Index­bericht 2007-2019 führte, blieben die ange­kündigten jähr­lichen Berichte wieder aus.


Die Alternative: Der 'Kritische Fluglärmindex' (KFI)

Es gab auch durchaus Ansätze, Alter­nativen zum FFI zu ent­wickeln, die die Anforde­rungen aus dem 'Anti-Lärm-Pakt' besser erfüllen könnten. Für den DFLD hat Horst Weise einen sog. Kriti­schen Flug­lärm-Index erar­beitet, der die gröbsten Mängel (der ersten Version) des 'Frank­furter Flug­lärm-Index' besei­tigen und eine bessere Grund­lage zur Bestim­mung einer Lärm­ober­grenze sein sollte. Die wesent­lichen Krite­rien sind nach seiner Aussage:

Hinter­grund des Ganzen ist die Erkennt­nis: Selbst eine ambitio­nierte Lärm­ober­grenze wird bei Anwendung des FFI zur Farce.

Die Stabs­stelle Flug­lärm des Frank­furter Ober­bürger­meisters wollte diesen KFI im September 2016 als Grund­lage für eine Lärmober­grenze am Frank­furter Flughafen einfordern, konnte sich damit aber nicht durch­setzen.


Alternative 2: Der 'EU-Index'

Auch die EU-Umge­bungs­lärm-Richt­linie defi­niert Methoden, die Lärm­belas­tung einer bestimm­ten Region zu bewer­ten. Die Bestim­mungen dazu sind in den Anhängen I bis III fest­gelegt. Die benutz­ten Begriff­lich­keiten sind aller­dings unter­schied­lich. Die in Anhang I defi­nierten "Lärm­indices" ent­sprechen Beur­teilungs­pegeln, die einmal für den Gesamt­tag mit drei unter­schied­lich bewer­teten Zeit­räumen (Tag, Abend, Nacht, (Lden)) und einmal für die Nacht ( (Lnight)) defi­niert werden. Die Berech­nungs- und Bewer­tungs-Methoden dafür werden allge­mein in den Anhängen II und III fest­gelegt, aller­dings gibt es hier trotz der 2021 beschlos­senen Konkre­tisie­rungen noch Spiel­raum für natio­nale Fest­legungen.
Bisher ist die Nutzung dieser Grössen nur für die Lärm­aktions­planung nach EU-Richt­linie verbind­lich. Ob sie sich auch für andere Anwen­dungen durch­setzen werden, ist unklar.

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Die Maßnahme-Pakete

Die Phasen nach dem Beschluss zum erneuten Ausbau des Flug­hafens (2000) und nach Inbe­trieb­nahme der Lande­bahn Nord­west (2011) waren auch Phasen beson­derer Aktivi­tät von Luft­verkehrs­wirt­schaft und Landes­regie­rung in tech­nischer und propa­gandis­tischer Hinsicht.
Einiges davon blieb Anek­dote, anderes wirkt noch bis auf Weiteres nach. Die wich­tigsten Aspekte davon sollen im Folgenden darge­stellt werden.


Für Raunheim: fast nichts drin in den Paketen

Aufgrund der extremen Belas­tungs­situa­tion wurden in Raun­heim schon früh Forde­rungen nach Maß­nahmen zur Entlas­tung formu­liert. Im Grün­dungs­papier der BIFR von 1999 sind folgende Forde­rungen genannt:

Sie wurden zusammen mit wei­teren Forde­rungen (Ableh­nung des Flug­hafen­ausbaus, Einfüh­rung einer Belas­tungs-Ober­grenze, besserer passiver Schall­schutz, unab­hängiges Monito­ring) in das Stadt­leit­bild 2000 über­nommen und im Stadt­leit­bild 2.0 2018 bestätigt.

Betriebsrichtungsanzeige

Rücken­wind-Kompo­nente falsch­rum. Es wird selten so deut­lich gezeigt, kommt aber viel zu oft vor, dass andere Krite­rien als der Wind die Betriebs­richtung bestimmen.
   Bildquelle: Umwelt­haus.

Im von der Stadt Raun­heim beauf­tragten Flug­lärm-Entlastungs­konzept Raun­heim 2002 und dessen Fort­schrei­bung 2006 wurden diese und weitere Maß­nahmen tech­nisch ausge­arbeitet und bezüg­lich ihrer zu erwar­tenden Wir­kungen bewer­tet.
Diese Maß­nahmen wurden vom ExpASS über­prüft und haben alle­samt ein trau­riges Schick­sal erlitten. Zwei hatten es noch in das erste Maß­nahme-Paket geschafft: die Erhöh­ung der Rücken­wind-Kompo­nente und die Erhöh­ung des Anflug­gleit­winkels. Letz­tere wurde, wie weiter unten noch genauer beschrie­ben wird, zur "Never-ending story": sie wird beim FFR immer noch als "auf der Lande­bahn Nord­west ... im Regel­betrieb" geführt, "eine Ausdeh­nung auf das Parallel­bahn­system ist geplant".

Die andere, obwohl gut begründet und mit Zahlen unter­mauert, mutierte zunächst zu "Opti­mierung beim Betriebs­richtungs­wechsel je nach Rücken­wind" und taucht dann unter Erhöhung des Anteils von BR25 als "im Regel­betrieb" auf, was man mit guten Gründen bezwei­feln kann. Zumin­dest ist die Zahl der Aus­nahmen von dieser Regel viel zu hoch.
Nach Angaben des Umwelt­hauses "wird auf ICAO-Ebene eben­falls die Diskus­sion geführt, ob eine erhöhte Rücken­wind­kompo­nente aus Lärm­schutz­gründen nach inter­natio­nalen Vor­gaben erlaubt sein soll", daher wird das FFR "zunächst die Entschei­dung der ICAO abwarten". Ob und wann es eine solche Entschei­dung geben wird, ist anschei­nend völlig offen. Immerhin wurde 2018 gericht­lich bestä­tigt, dass die derzei­tige Rege­lung recht­lich nicht angreif­bar ist.

DTOP AirportFrankfurt

Versetzte Landeschwelle beim DTOP-Test.
   Bildquelle: Wikipedia.

Die Maß­nahme mit dem grössten Lärm-Vermei­dungs­poten­tial für Raun­heim, die Verset­zung der Lande­schwellen nach Osten bei Betriebs­rich­tung 07, die niemandem schaden würde, landete sehr schnell auf der Liste der abge­lehnten Maß­nahmen. Ohnehin nur in einge­schränk­ter Form, "zwischen 22 und 6 Uhr bei Anflügen auf die Südbahn", zur Prüfung gebracht, unter­fiel sie dem Fraport-Diktum, das jeden Maß­nahme­vorschlag unwider­ruflich cancelt: "in der Folge wäre die Kapa­zität am Flug­hafen stark einge­schränkt".

Analysen und Ergeb­nisse des ExpASS sind für die Öffent­lich­keit nicht zugäng­lich - die muss den Experten eben glauben. Nach­voll­ziehen oder fundiert in Frage stellen lassen sich diese Bewer­tung nicht.
Daher haben wir diese Maßnahme natür­lich in allen Anhö­rungen zur Lärm­aktions­planung Luft­verkehrs­lärm, zuletzt im April 2023 für die vierte Runde, einge­bracht. In den Ableh­nungs­begrün­dungen finden sich dann noch weitere Aus­sagen, so im Lärm­aktions­plan 2014, es "müssten Roll­wege und Infra­struktur geändert werden ... . Die Beibe­haltung der 4.000 m Lande­bahnen für schlechte Wetter­bedingungen kombi­niert mit variabel verkürztem Schwellen­ersatz ist nach bishe­rigem Kenntnis­stand in Frank­furt nicht umsetz­bar, da die erforder­liche Kombi­nation und Verlage­rung von Roll­wegen flächen­mäßig nicht darstell­bar ist", und im LAP 2022, "Vor allem würden sich dabei Anflug­flächen ver­schieben, die aus Sicher­heits­gründen frei von Hinder­nissen bleiben müssen. Wichtige Roll­wege am Flug­hafen könnten dadurch nicht mehr durch­gehend genutzt werden".

Banner Nachtruhe

Das hing mal am Ortseingang

Vermut­lich gäbe es noch ein paar Sätze mehr, die sich als Begrün­dung verkaufen lassen, ohne über­zeugen zu können. Die Kern­aussage ist klar: die für diese Maß­nahme notwen­digen Investi­tionen in die Infra­struktur (die für Kapa­zitäts­steige­rungen durch­aus denk­bar waren) wären nur für die Entlas­tung der Hand­voll Betrof­fenen in Raun­heim, Rüssels­heim und weiter west­lich natür­lich viel zu hoch.

Ledig­lich die Forde­rung nach einem Nacht­flug­verbot, die natür­lich nicht nur in Raun­heim, sondern prak­tisch in der ganzen Region und mit beson­derem Nach­druck erhoben wurde, hatte einen gewissen Erfolg, aber das ist Thema des nächsten Kapitels.

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Betriebsbeschränkungen

Beschrän­kungen oder Verbote des Flug­betriebs zu bestimm­ten Zeiten und/oder an bestimm­ten Orten sind natur­gemäß die wirk­samsten Maß­nahmen, um die Bevölke­rung zumin­dest par­tiell vor Lärm zu schützen. Sie haben aber ebenso natur­gemäß den grössten Ein­fluss auf das Geschäft des Flug­hafens und der Flug­gesell­schaften, wes­wegen die Luft­verkehrs­lobby intensiv bemüht ist, die Einfüh­rung solcher Beschrän­kungen so schwer wie mög­lich zu machen, und sie haben dabei beacht­liche Erfolge erzielt.

Das FFR, das wohl auch aus diesem Grund den Begriff "Betriebs­beschrän­kung" offen­sicht­lich gerne vermeiden möchte, führt Maß­nahmen, die die Nutzung bestimm­ter Bahnen für be­stimmte Zeiten beschrän­ken, zusammen mit anderen unter der Über­schrift Siedlungs­zentren um­fliegen und gezielte Bahn­nutzung.
Der englische Fach­begriff für Letztere lautet "Dedi­cated Runway Opera­tions" oder kurz "DROps". Davon finden sich im FFR-Katalog zwei: das ältere Konzept "DROps Early Morning" und die 2015 einge­führten "DROps BR25", besser bekannt als "Lärm­pausen". Viel wichtiger sind aller­dings Konzepte zur Nicht-Nutzung der Bahnen zu bestimmten Zeiten, speziell in der Nacht.


Nachtflug-Beschränkungen

Schild Nachtflugverbot

Bleibende Aufgabe

Der Kampf um ein Nacht­flug­verbot am Flug­hafen Frank­furt hat seine eigene Geschichte. In einge­schränkter Form war es Bestand­teil der Media­tions-Empfeh­lungen: "Der Schutz der Bevölke­rung vor über­mäßiger Lärm­belas­tung hat Vorrang. Deshalb hält die Media­tions­gruppe ein Nacht­flug­verbot für unab­dingbar. Sie empfiehlt, dieses Verbot auf den Zeit­raum von 23 Uhr bis 5 Uhr zu erstrecken. Darüber hinaus befür­wortet die Media­tions­gruppe, für weitere beson­ders sensible Zeit­bereiche Maß­nahmen zur Lärm­reduzie­rung zu ergreifen."
Diese Empfeh­lungen, die insbe­sondere natür­lich den Ausbau-Beschluss bein­halteten, galten danach zwar öffent­lich als der künftig unan­greif­bare Kompro­miss, dem sich alle Betei­ligten unter­werfen sollten, aber die Aussagen zum Schutz der Nacht­ruhe gerieten schon in der unmittel­bar folgenden Land­tags-Anhö­rung unter Druck, wurden im Landes­ent­wick­lungs­plan 2006 nicht veran­kert und im Plan­fest­stellungs­beschluss 2007 zunächst nicht umge­setzt.

Erst per Eil­antrag und Klage wurde erreicht, dass die Beschrän­kungen doch mit der Eröff­nung der neuen Nordwest­bahn im Oktober 2011 einge­führt wurden. Seither gilt ein fast voll­ständiges Verbot für Flug­bewe­gungen zwischen 0:00 und 5:00 Uhr, für geplante Flug­bewe­gungen von 23:00 bis 0:00 Uhr, sowie eine Beschrän­kung der Anzahl in den Zeiten von 22:00 bis 23:00 und 5:00 bis 6:00 Uhr. Die schwarz-gelbe Landes­regie­rung versuchte aller­dings noch ein weiteres Jahr lang, die Beschrän­kungen mit Lügen und Täuschungen zu verwäs­sern, so dass sie erst 2012 vom Bundes­verwaltungs­gericht letzt­instanz­lich bestä­tigt wurden. Seither haben Flug­lärm­gegner wenig­stens einen Grund zum Feiern.
Solche Erfolge sind aller­dings keines­falls auf Dauer garan­tiert, sondern müssen ständig vertei­digt werden. Nicht nur fordert Fraport immer wieder neue Ausnahme­regelungen und planen die Flug­gesell­schaften ihre Umläufe so knapp, dass Verspä­tungen nahezu zwangs­läufig sind, auch die Aufsichts­behörde unter­stützt eifrig bei der Umgehung der Beschrän­kungen.

Aller­dings sah sich die hessische Landes­regierung 2016 zumin­dest veran­lasst zu erklären, dass die beste­henden Nacht­flug-Beschrän­kungen mit dem "balanced approach" und der EU-Betriebs­beschrän­kungs-Verord­nung vereinbar seien.
Für alle eventuell noch kommenden Regeln dieser Art, wie z.B. auch die Auswei­tung auf die gesamte gesetz­liche Nacht von 22:00 bis 6:00 Uhr, ist diese Verord­nung aller­dings eine zusätz­liche Hürde, die berück­sichtigt werden muss, aber nicht unüber­windlich ist, sofern der poltische Wille hin­reichend stark ist.


DROps Early Morning

Diese Maßnahme wurde konzi­piert, als die Betreiber noch davon aus­gingen, dass es noch die ganze Nacht über Flüge geben würde und daher eine Maß­nahme, die von 23:00 bis 6:00 Uhr in bestimmten Bereichen Ruhe schaffen könnte, Sinn machen würde. Dazu sollten in jeder zweiten Nacht (warum, ist unklar) die Starts bei Betriebs­richtung 25 auf dem Parallel­bahn­system nach Westen statt­finden, so dass im Süden Ruhe wäre, bei BR07 dagegen sollten alle Starts über die 18 West erfolgen, so dass der Osten Ruhe hätte.
Nachdem klar war, dass es zwischen 23:00 und 5:00 Uhr keine (geplanten) Flüge mehr geben würde, hätte man sie eigent­lich auf­geben können. Da aber in der dama­ligen Situa­tion Schall­schutz-Bemüh­ungen vorge­zeigt werden mussten, wurde sie trotz­dem umgesetzt - für die frühe Morgen­stunde zwischen 5:00 und 6:00 Uhr.

Zwar konnte ein allge­meiner Nutzen nie nach­gewiesen werden, und es gab sogar Hinweise, dass die Maß­nahme (in Raun­heim) eher Schaden anrichten könnte, aber auch das war letzt­endlich kaum nachzu­weisen. Nach mehreren Test­phasen ging sie im Juli 2013 in den Regel­betrieb und wurde so lange ange­wendet, bis sie Bestand­teil einer umfassen­deren Regelung wurde.


Lärmpausen

Diese umfassen­dere Regelung wurde unter dem Begriff "Lärm­pausen" bekannt. Um den Grünen beim Einstieg in die schwarz-grüne Koali­tion 2014 wenig­stens ein bißchen Gesichts­wahrung zu ermög­lichen, mußten in den Koalitions­vertrag ein paar Aussagen zum Schall­schutz aufge­nommen werden. Eines dieser Projekte waren die 'Lärm­pausen'. Im Koali­tions­vertrag wurde dazu ener­gisch formu­liert:

Lärmpausen-Clowns
Mit diesen Clowns kamen einem wirklich die Tränen ...
"Ziel ist es, regel­mäßig zu Lärm­pausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koali­tions­partner halten dies durch den abwechseln­den Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemein­sam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich reali­sieren."
"Für den Fall, dass dieses Ziel (sieben­stündige Nutzungs­pausen) nicht in ange­messener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initia­tiven für eine entspre­chende Plan­änderung bzw. modifi­zierte Betriebs­genehmigung vor."
Der Hinweis auf mögliche Ände­rungen von Plan­fest­stellungs­beschluss und Betriebs­genehmi­gung wurde ganz schnell wieder beerdigt, und es wurde immer mal wieder gewarnt, die Pausen würden "nicht immer und überall" (Minister­präsident Bouffier) und "nicht dauer­haft und planbar" (Fraport-Chef Schulte) sein, aber kommen sollten sie trotz­dem irgend­wie.

Am 12.09.14 hat Minister Al-Wazir der Flug­lärm­kommission und dem 'Forum Flug­hafen und Region' in einer Sonder­sitzung fünf Modelle vorge­stellt, aus denen sie eines für einen einjäh­rigen Test­betrieb aus­suchen sollten. Aber schon die erste grobe Berech­nung der Verände­rung der Lärmbe­lastung durch das Umwelt- und Nachbar­schafts­haus, die eben­falls in der Sitzung vorge­stellt wurde, zeigte, dass drei der fünf Modelle zu einer, zum Teil sehr deut­lichen, Mehrbe­lastung der Region führen, und auch die beiden insgesamt posi­tiven Modelle an einzel­nen Orten den Lärm unzu­mutbar verstärken würden.

Ausführ­liche Berech­nungen des Forums Flughafen und Region, die der Flug­lärm­kommis­sion zur Ent­schei­dungs­findung im Januar 2015 vorgelegt wurden, bestä­tigten das. Obwohl dort als Defini­tion "rechne­rischer Lärm­pausen" keines­wegs Ruhe vor Fluglärm, sondern nur (relativ) wenige (relativ) leise Über­flüge benutzt wurden (genauer: "Wenn 6 x 58 dB (A) Maximal­pegel außen in den Zeit­räumen 22-5 Uhr oder 23-6 Uhr nicht erreicht werden, wird rechne­risch eine Lärm­pause unter­stellt."), konnte keins der Modelle eine insgesamt positive Bilanz aufweisen, ohne punk­tuell zu erheb­lichen Zusatz­belastungen, insbe­sondere für ohne­hin schon Hoch­betrof­fene, zu führen.
Nach den Krite­rien der Flug­lärm­kommis­sion für die Prüfung von Lärm­pausen hätte das Regie­rungs-Konzept der "sieben­stün­digen Lärm­pausen" damit abge­lehnt werden müssen.

Das Bündnis der Bürger­initia­tiven hatte daher die Flug­lärm­kommission per Flug­blatt aufge­fordert, "Modell 7" (die sieben­stündigen "Lärm­pausen") konse­quent abzu­lehnen und sich für "Modell 8" (acht­stündiges Nacht­flug­verbot von 22:00 bis 6:00 Uhr) auszu­sprechen.
Die FLK ist dieser Empfeh­lung leider nicht gefolgt, sondern hat in einer Stellung­nahme einen Probe­betrieb eines der Modelle, beschränkt auf Betriebs­richtung 25 (West­betrieb) für vertret­bar erklärt. Diese Variante wurde ein Jahr lang getestet.

Test-Modell Lärmpause

Dieses Modell wurde getestet und genehmigt.

In der Abend­stunde ändert sich im Westen in diesem Modell nichts, da werden ledig­lich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isen­burg und Teile Offen­bachs zu leiden haben. Morgens sieht das Modell aller­dings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raun­heimer Süden (und ggf. unter der Nord­abflug­route) lauter werden sollte. Weitere Berech­nungen hatten aller­dings teil­weise andere, schwer erklär­bare Resul­tate ergeben. Da aber weder Fraport noch Umwelt­haus die Meß­werte der Station Raunheim Süd für die Bewer­tung der Lärm­pausen heran­zogen, wurden diese Effekte nie offi­ziell geklärt.

Lärmpausen-Clowns

Das Lärmpausen-Bündnis

Im Februar 2015 wurde im Wirt­schafts­ministerium das Bündnis für Lärm­pausen aus der Taufe gehoben, das für diesen speziellen Zweck die ganz ähnlich struktu­rierte 'Allianz für Lärm­schutz' ersetzt. Fest­gelegt wurde der geringst-mög­liche Anspruch: Lärm­pausen sind unverbind­lich und frei­willig, sie schaffen keiner­lei recht­liche Ansprüche über den Plan­feststellungs­beschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicher­heit, der "Infra­struktur" (sprich: Kapa­zität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entspre­chend hoch waren die Anfor­derungen: der Test sollte nur dann als nicht bestanden gelten, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwen­dung gekommen" wäre. Im April startete der ein­jährige Probe­betrieb.

Am 11.02.16 durfte Herr Lanz vom "Umwelt- und Nachbar­schaftshaus" in Wies­baden die Ergeb­nisse seines "Lärm­pausen-Moni­torings" präsen­tieren. Minister Al-Wazir feierte sie (und sich) mit den Worten:

"Die Lärmpausen funktio­nieren reibungslos, die Lärmbe­lastung konnte messbar gesenkt werden, und die Menschen wollen, dass wir die Lärm­pausen beibe­halten."

Ergebnis-Karte Lärmpausen-Monitoring

Das grüne Wunder: durch Lärm-Verschiebung wird es leiser
( zum Vergrößern anklicken )

Hinter den letzten beiden Aussagen steht aller­dings ein dickes Frage­zeichen. In einer Umfrage im Auftrag des Umwelt­hauses haben ca. 90% der Befragten "keine Verän­derung des Alltags­lebens" durch die "Lärm­pausen" festge­stellt, und nur 0,8% haben dadurch "Hoff­nung auf Besse­rung". Dass trotzdem 71% die Frage bejaht haben, ob die "Lärm­pausen-Maß­nahme weiter­geführt werden" sollten, liegt wohl eher an der Höflich­keit der Antwor­tenden und der Meinung, es "schadet ja nichts".

Noch frag­würdiger ist die angeb­liche 'messbare Senkung' der Lärmbe­lastung, denn da taten sich große Wider­sprüche auf. Auch wenn man berück­sichtigt, dass die Auswer­tung, die Herr Lanz vor­stellte, nur die Morgen- und Abend-Stunde von 5-6 und von 22-23 Uhr enthielt, und wahr­schein­lich auch nur die Zeiten, in denen Betriebs­richtung 25 geflogen wird (obwohl das nirgendwo gesagt wurde), verwun­derte es z.B. doch sehr, dass er für die Station Frank­furt-Ober­rad eine Lärmre­duktion von 10 dB(A) abends und 2 dB(A) morgens angeben konnte, während die Fraport-Schall­schutz­berichte für den gleichen Zeit­raum und die gleiche Station für die Nacht (von 22 - 6 Uhr) eine Verände­rung von 1 bzw. 0 dB(A) angegeben hatten. Auch für etliche andere Meß­stationen lieferte der Ver­gleich der unter­schied­lichen Auswer­tungen erklärungs­bedürftige Unter­schiede.

Obwohl auch eine erwei­terte Präsen­tation des Umwelt­hauses nicht zur Klärung dieser Wider­sprüche beige­tragen hat, konnte Al-Wazir den ersehnten Erfolg feiern: die Flug­lärm­kommis­sion hat am 09.03.16 beschlossen, die Lärm­pausen aus dem (einjäh­rigen) Probe­betrieb in den Regel­betrieb zu über­führen. Das Pausen-Bündnis hat darauf­hin eine Erklä­rung zur Fort­setzung dieser Maßnahme unter­zeichnet.
Mit diesem Bündnis-Konstrukt wurde sicher­gestellt, dass einer­seits die Landes­regierung die Lärm­pausen als ihre Maß­nahme ver­kaufen konnte, anderer­seits kein formeller Akt not­wendig war, der aufgrund der EU-Verord­nung hätte gemeldet und geneh­migt werden müssen. Aber die Luft­verkehrs-Seite hatte ohne­hin nichts zu befürch­ten: es wurde ausdrück­lich verein­bart, " dass betrieb­liche Rahmen­beding­ungen jeder­zeit dazu führen können, dass das Lärm­pausen­modell ad hoc und ohne Voran­kündi­gung nicht zur Anwen­dung kommt". Es handelt sich also eher um eine Betriebs-Rege­lung als eine Betriebs-Beschrän­kung, bei der auf irgend etwas verzich­tet würde. Betrof­fene können sich daher auch nicht darauf ver­lassen, dass zu bestimm­ten Zeiten Ruhe herrscht, und sich auch nicht beschweren, wenn es nicht so ist.


Keine Betriebsbeschränkung: die "Frankfurter Lärmobergrenze" (F-LOG)

Ein weiteres Element des Anti-Lärm-Pakts war die "Deckelung des Lärms". Dazu sollte "der für Jahr 2020 prognos­tizierte Lärm als Ober­grenze fest­gelegt" werden, die dann "auch nach 2020 nicht über­schritten werden" dürfe. Eine genauere Defi­nition, wie das aussehen sollte, gab es aller­dings nicht, und das Thema verschwand erst einmal für einige Zeit in der Versen­kung.

Lärmgrenze

      Wie begrenzt man Lärm ?

Ideen dazu gab es aber durchaus. So schrieb die Flug­lärm­kommission in ihrem gemein­sam mit der 'Arbeits­gemein­schaft Deutscher Flug­lärm­kommis­sionen' erstell­ten Forde­rungs­katalog an die 'Grosse Koali­tion' im Bund 2013:

"Das Modell der Lärmober­grenze mit dynami­siertem Faktor sieht vor, dass für die rele­vant mit Flug­lärm belas­teten Wohn­gebiete Immis­sions-Grenz­werte fest­gelegt werden." Dazu ist "ein hin­reichend bemes­sener dyna­mischer Faktor zu ermitteln und durch die Geneh­migungs­behörde festzu­setzen, der ein konti­nuier­liches Absenken der Grenz­werte ermög­licht."
Das klang zunächst recht positiv, warf aber einige grund­sätzliche Fragen auf, wie wir damals schon in einem Kommentar erläu­tert haben. Die Antwort liess noch eine Weile auf sich warten.

Zunächst wurde im Koalitions­vertrag der schwarz-grünen Landes­regierung, die Anfang 2014 ihr Amt antrat, die Lärm­ober­grenze als ein weiteres Instru­ment des aktiven Schall­schutz hervor­gehoben. Voll­mundig hiess es dazu:

"Entspre­chend der Empfeh­lungen der Media­tion wird verein­bart, eine Lärm­ober­grenze für den Flug­hafen Frank­furt einzu­führen. Ziel ist es, eine deut­liche Lärm­reduzierung gegen­über den im Plan­fest­stellung­beschluss prog­nosti­zierten Werten zu erreichen."
Wie diese Grenze aussehen sollte, wurde nicht erläutert, als Instru­mente wurden ledig­lich die 19 Maß­nahmen der "Allianz für Lärm­schutz" herunter gebetet. Immer­hin wurde das Ziel ein bißchen ehr­licher: nicht mehr "Es wird leiser", sondern "Es wird nicht ganz so laut wie geplant".
Kurz danach teilte der "Koordi­nierungs­rat des Forum Flug­hafen und Region" im November 2013 mit, dass er die Entwick­lung eines Konzepts einer Lärm­obergrenze beschlossen habe, das auf den Vor­schlägen vom dama­ligen DLR-Chef Wörner beruhen sollte. In der (nicht mehr online verfüg­baren) Presse­mitteilung dazu hiess es:
"Eine zentrale Über­legung hierbei ist, die Entwick­lung des Flug­lärms von der Anzahl der Flug­bewegungen zu ent­koppeln".
Schon die Sprache war hier verräte­risch. Die simple physika­lische Tatsache, dass jede Flug­bewegung Lärm erzeugt, sollte irgend­wie wegge­rechnet werden, damit diese "Wörner-Grenze" nur ja kein Hinder­nis für das weitere Wachstum des Flug­hafens werden konnte. Näheres dazu findet man immer noch in der Dokumen­tation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten der FFR-Konferenz ICANA 2013 (die Folien von Herrn Wörner alleine sind schwer verständ­lich, man sollte zusätz­lich den Video-Mitschnitt des Vortrags von Minute 6 bis 12 anhören). Die Diskus­sion ging aber auch relativ schnell über diese Vorschläge hinweg.

In einer Sonder­sitzung am 03.09.2014 musste die Flug­lärm­kommission ein Gut­achten zur Kenntnis nehmen, das Aussagen darüber macht, ob und ggf. wie eine Lärm­ober­grenze am Flug­hafen Frank­furt rechts­sicher einge­führt werden kann. Zwar hob die FLK in ihrer Presse­mittei­lung noch positiv hervor, dass die Einfüh­rung einer solchen Grenze recht­lich möglich ist, aber es wurde hier schon klar, dass die eigent­liche Absicht, den Flug­lärm damit deutlich zu limi­tieren, nicht er­reicht werden kann, wenn an den Rahmen­beding­ungen des Plan­fest­stellungs­beschlusses fest­gehalten wird. Der aber war damals wie heute sakrosankt.
Herr Wörner hatte dort auch nochmal einen leicht verän­derten Vortrag gehalten und im Nach­gang noch ein (auch nicht mehr online verfüg­bares) Papier geliefert, das als Konzept dienen sollte für eine "realis­tische" Lärm­ober­grenze. Inzwi­schen wurden aber hinter den Kulissen schon andere Fakten geschaffen.

Plakat Grenzkasper

Am 15.04.2015 beschloss der Wirt­schafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessi­schen Land­tags mit schwarz-grüner Mehrheit einen Antrag, der die Landes­regierung auffor­derte, "bis spätestens Sommer 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung vorzu­legen". Da am 13. Juni 2016 die o.g. EU-Verord­nung über Betriebs­beschrän­kungen in Kraft trat, die es deut­lich schwerer macht, aus Lärm­schutz­gründen echte Beschrän­kungen einzu­führen, wurde schon aus dem Timing klar, dass keines­falls geplant war, mit der Lärmober­grenze die Zahl der Flugbewe­gungen zu begrenzen.
Entsprechend hat Minister Al-Wazir auch erst am 27.09.2016 ein erstes Modell der Landes­regierung für eine 'Lärmober­grenze' vorgestellt, in dem lediglich die Aus­dehnung der Flächen, die von der 55 bzw. der 60 dB(A)-Iso­phone des Tages-Dauer­schall­pegels rund um den Flughafen einge­schlossen wird, begrenzt werden sollte. Damit war das Grund­konzept gesetzt, auch wenn es noch bis Novem­ber 2017 dauerte, bis dieses Modell in Kraft getreten ist.

Das Grund­konzept dieser Lärm­ober­grenze (auch offi­zielle Abkür­zung: LOG) funktio­niert wie folgt: Mit den im Plan­fest­stellungs­verfahren vorge­legten Metho­den und Szena­rien lässt sich die "geneh­migte" Lärm­entwick­lung für die Jahre bis 2020 berech­nen. Als Ausgangs­lage für die Defini­tion der LOG wurde ein "Ist­zustand" 2015 gerechnet, in dem die 55 dB(A)-Iso­phone (Tagschutz­zone 2, "Hoch­betrof­fene") eine Fläche von 18.917 ha umfasst, die 60 dB(A)-Iso­phone (Tagschutz­zone 1, "Höchst­betrof­fene") eine Fläche von 7.637 ha. Diese Flächen würden nach PFB-Szenario auf 29.994 bzw. 12.758 ha wachsen. Berechnet man nun statt dessen die Flächen, die im Jahre 2020 die jeweils um 1,8 dB(A) höheren Iso­phonen umfassen würden (22.193 bzw. 8.815 ha), und begrenzt die Schutz­zonen-Flächen auf diese Aus­dehnung, kann man argumen­tieren, dass man den Lärm (zumindest an dieser Grenz­linie) um 1,8 dB(A) gegen­über dem recht­lich möglichen redu­ziert.
Ein solches Konstrukt erfasst natür­lich die Lärm-Belas­tung nur unzu­reichend, weil die insbe­sondere im Nah­bereich nicht nur von einem Mit­telungs­pegel, sondern auch von der Anzahl der störenden Ereig­nisse abhängt. Es lässt auch jede Menge Mög­lich­keiten offen, durch Lärm­verschie­bungen ein Über­schreiten dieser Grenzen zu verhin­dern. Aber das genügte der Luft­verkehrs­wirt­schaft nicht. Es brauchte noch ein Jahr Verhand­lungen, bis sie wirk­lich sicher­gestellt hatten, dass diese Grenze das geplante Wachs­tum nicht behindern kann.

Vergleich LOG-Maßnahmen

In der Präsen­tation 2016 sah das Modell vor, dass bei Über­schreiten der Grenze im ersten Jahr Maß­nahmen ergriffen werden müssen, und wenn sie im zweiten Jahr nicht wirken, die Zahl der Flug­bewegungen einge­froren wird.
Davon ist in der Präsen­tation 2017 nichts übrig geblieben.

Dazu wurde dieser "Begren­zung" auch noch der letzte Zahn gezogen war. Nicht nur wird in dem Bündnis­papier Lärm­ober­grenze mehr­fach versichert, dass die Verein­barung frei­willig und unver­bindlich ist und "keine Ein­schrän­kung beste­hender Rechts­posi­tionen aller Betei­ligten bein­haltet".
Auch die Maß­nahmen, die bei einem Über­schreiten der LOG folgen sollten, wurden bis zur Lächer­lich­keit ent­schärft. War ursprüng­lich vorge­sehen, dass nach dem ersten Jahr der Über­schrei­tung Maß­nahmen vorge­nommen werden mussten und bei einer noch­maligen Über­schrei­tung die Zahl der Flug­bewe­gungen "einge­froren" werden sollte, so blieb davon nur noch übrig, dass nach einem Jahr Über­schrei­tung Gespräche statt­finden sollten, und nach dem zweiten Jahr - alle "Bündnis­partner" das tun können, was sie nach dem ersten Jahr hätten tun können, wenn es diese Verein­barung nicht gäbe.
De facto ist diese Vereinbarung also nur eine Verpflich­tung der Auf­sichts­behörde, bei Über­schreiten der Grenze (mindes­tens) ein Jahr still­zuhalten, ehe sie Maß­nahmen ergrei­fen darf, die ihr gesetz­lich von Anfang an zu­stünden - und Fraport und Air­lines können sich dagegen auch mit allen juris­tischen Mitteln zur Wehr setzen. Ein alber­neres "Begrenzungs­instrument" ist kaum denkbar.

Aber Beden­ken waren ohnehin nicht nötig, da ein weiteres in die Verein­barung hinein­verhan­deltes Instru­ment durch­schlagende Wirkung zeigte. Im Bündnis-Papier gibt es einen "Tech­nischen Anhang zum Moni­toring", in dem fest­gelegt wird, dass die "verwen­deten Lärm­emis­sions­daten" der tech­nischen Entwick­lung ange­passt werden.
Im ersten Moni­toring­bericht wird erläutert, wie diese Anpas­sung konkret aussieht. Für fünf Flug­zeug­typen, darunter fast alle der häufig einge­setzten A320-Bau­reihe, gibt es zum Teil deut­liche Abschläge, während nur für einen Flug­zeug­typ (B747-800) ein moderater Auf­schlag berück­sichtigt wird. Infolge dessen schrumpften die mit dieser Verän­derung berech­neten Flächen für 2017 (16.955 bzw. 6.911 ha) deut­lich und waren sogar noch kleiner als die für den angeb­lichen Ist-Zustand 2015. Auch von 2018 nach 2019 gab es eine derar­tige Schrumpfung, obwohl die Lärm­belastung nach allen sons­tigen Krite­rien zuge­nommen hatte.
In der Konse­quenz heisst das, dass der Flug­lärm durch solche Rechen­tricks sogar noch wesent­lich mehr anwachsen darf, als das Konzept ange­geben hat. In Zahlen: gegen­über dem 'Ist-Zustand 2015' hätten die Flächen bis zur 'Ober­grenze' noch um 15,4% bzw. 17,3% zunehmen können, gegen­über den als neuen 'Basis­werten' berech­neten Werten 2017 können sie noch um 27,6% bzw. 30,9% zunehmen.

Wie verlogen dieses Vor­gehen ist, macht insbe­sondere die Behand­lung der sog. "mit Vortex-Gene­rator nachge­rüstete A320 Fami­lie" deut­lich. Dieses Stück­chen Blech, das an die Tank­öffnungen unter den Trag­flächen der A320-Familie geschraubt wird, um einen Konstruk­tions­fehler zu besei­tigen, der jahre­lang zu einem lauten Pfeif­ton im Lande­anflug geführt hatte, senkt den Lärm im Lande­anflug laut dem Moni­toring-Bericht des UNH in einer Entfer­nung von 10 - 20 km vom Aufsetz­punkt, je nach Flug­zeug­typ und Anflug­verfahren. In klei­neren Entfer­nungen ist die Wirkung unbe­stritten gleich Null. Trotzdem wird der Abschlag auf den Lärm für die Flug­zeuge, die damit ausge­rüstet sind, für den gesamten Lande­anflug ange­rechnet. Das hat zur Folge, dass ein Einsatz solcher Flug­zeuge formal auch die Fläche der Höchst­belastung reduziert, obwohl er dort absolut keine Wirkung hat. Das darf man wohl ein­deutig Betrug nennen, und seine Auswir­kungen auf die Rechen­ergeb­nisse sind erheb­lich.

Aber Betrug ist die gesamte Maß­nahme ohnehin. Es ging ledig­lich darum, eine Ver­pflich­tung, die einge­gangen wurde, um den Ausbau durch­zusetzen, so abzu­räumen, dass sie das geplante Wachs­tum nicht gefähr­det. Und das ist mit dieser LOG auch voll­ständig gelungen.


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Siedlungszentren umfliegen

Das FFR führt zu der Maß­nahmen-Gruppe Sied­lungs­zentren umflie­gen aus: "Ziel der Maß­nahmen in dieser Kate­gorie ist es, Flug­lärm in Regio­nen zu verla­gern, die weniger besie­delt sind als andere. Dadurch soll die Zahl der von Flug­lärm betrof­fenen Personen sinken."
Es handelt sich also dabei immer um Maß­nahmen, die nicht nur Menschen ent­lasten, sondern auch andere belasten - Lärm­ver­schie­bungen eben. Krite­rium ist nur, dass in einer irgend­wie berech­neten Summe die Belas­tung geringer wird. Diese Maß­nahmen sind daher zwangs­läufig umstrit­ten und führen in der Regel zu Kon­flikten auch zwischen den Betrof­fenen.

Varianten Südumfliegung

Elf Varianten hat die DFS anfangs für die Südum­flie­gung entworfen, darunter auch solche, die direkt über das Zentrum nahe­liegender Kommunen (Raunheim, Rüssels­heim, König­städten, Nauheim) geführt hätten.


Varianten Südumfliegung FFR

Das FFR hat sieben Varianten lärmtechnisch bewerten lassen, die rechnerisch günstigste Variante 7 wurde ausgewählt.


Flugspuren Südumfliegung

Und so wurde anfangs geflogen.


Südumfliegung

Die (nicht nur für Raun­heim) wich­tigste Umflie­gung ist beim FFR aber nicht unter dieser Kate­gorie, sondern unter Neue Routen und Ver­fahren aufge­führt - wohl deshalb, weil es eine bereits eta­blierte Maß­nahme ist, die im Grund­satz bereits im Plan­fest­stel­lungs­beschluss für den Bau der Nordwest­bahn fest­gelegt und später noch opti­miert wurde: die Süd­umflie­gung.

Um die Nordwest­bahn zu inte­grieren, waren natür­lich erheb­liche Verände­rungen an den beste­henden Flug­routen und -verfahren not­wendig. Unter anderem konnte der bishe­rige Nordwest­abflug bei Betriebs­richtung 25 (Ost­betrieb) nicht mehr unab­hängig von den Landungen auf der neuen Bahn durch­geführt werden, da die sehr nahe an die Abflug­route heran­gebaut wurde und durch­startende Flug­zeuge wenig Platz zum Ausweichen haben. Abhäng­iger Betrieb kostet aber Kapa­zität, deswegen sollte der Nordwest­abflug prak­tisch aufge­geben und fast alle Starts nach Westen oder Süden geführt werden.
Tatsäch­lich wurden auch direkt nach Westen führende Routen betrach­tet, obwohl die Raun­heimer Wohnbe­bauung nur 5 Kilo­meter vom Ende der Parallel­bahnen beginnt und damit nicht nur bei Lan­dungen, sondern auch bei Starts in sehr nied­riger Höhe über­flogen würde - ein absolut unerträg­licher Zustand.

Schon im PFB war daher eine Abflug­route ent­halten, die unmit­tel­bar nach dem Start nach Süden ab­drehen und die Kommunen von Raunheim bis Mainz im Bogen um­fliegen sollte, um nach Norden oder Westen zu gelangen. Die FLK sah aller­dings hier noch weiteren Opti­mierungs­bedarf, weshalb das FFR noch­mals sieben Vari­anten lärm­technisch bewer­tete und daraus die best-bewer­tete, noch weiter süd­lich führende Route ausge­wählt wurde.
Von dieser Variante sollten nun "nur" noch der Raun­heimer Süd­osten und im weiteren Verlauf auch Hass­loch, König­städten, Nauheim, Gross-Gerau, Trebur, Astheim und Teile des Kreises Mainz-Bingen und von Mainz und Wies­baden stärker betrof­fen sein. Da die tatsäch­lich geflo­genen Kurse von der geplan­ten Route aber in allen Bereichen zum Teil erheb­lich abwichen, war die Betrof­fen­heit noch wesent­lich weiter verbreitet.

Die neuen Belas­tungen führten dazu, dass die Südum­fliegung auch juris­tisch heftig atta­ckiert wurde, insbe­sondere von Nauheim und rheinland-pfälzischen Gemeinden. Diese Aus­einander­setzungen wurden erst nach 10 Jahren mit einem Urteil des Bundes­verwal­tungs­gerichtes zumindest vor­läufig beendet.
Nicht beendet sind damit aber die tech­nischen Pro­bleme mit dieser Flug­route. Die 'Gewerk­schaft der Flug­lotsen' hatte bereits kurz nach der Einfüh­rung auf eine Reihe von Schwierig­keiten hinge­wiesen, die trotz mehrerer naviga­torischer Verbesser­ungen immer noch nicht end­gültig über­wunden sind. Auch die unmit­telbar nach Eröff­nung der Südum­fliegung deut­lich gewor­denen Sicher­heits-Risiken sind nach wie vor unge­löst und werden durch neue, kapazi­täts-steigernde Konzepte eher noch verstärkt.
Das FFR hat deshalb doch noch eine Maßnahme dazu in seinem Katalog: die Erhöhung der Spur­treue auf der Südum­fliegung, die aller­dings nur auf dem letzten Teil wirken kann und "die Belas­tung unter anderem in Trebur, Nacken­heim, Boden­heim und Mainz-Lauben­heim" ver­ringern soll. Im weitaus kriti­scheren ersten Teil ändert sich dadurch nichts.

Die Konflikte um die Südum­fliegung werden also weiter­gehen, und wir haben unsere Position dazu auch schon vor mehr als 10 Jahren formu­liert: "Wir wollen weder ganz­jährig massiv ver­lärmt werden noch mit einem erhöhten Absturz­risiko über unseren Köpfen leben. Unsere Forde­rung an Fraport, DFS und alle anderen Betei­ligten ist ganz klar: seht zu, wie ihr euren Flug­betrieb sicher und lärm­arm organi­siert! Und wenn sich dabei heraus­stellen sollte, dass auf diesem völlig verkork­sten Bahn­system nicht 126, sondern nur 70 oder noch weniger Flug­bewe­gungen pro Stunde möglich sind, werden wir nicht jammern."


Swing over

So unglaub­lich es klingt, manch­mal können "Schall­schutz­maßnahmen" auch aus Ver­fahren ent­stehen, die eigent­lich aus ganz anderen Gründen einge­führt wurden. Beim "Swing over" war das offen­sicht­lich der Fall.

Flugspuren Swing-over

Alles begann wohl tatsäch­lich damit, dass sich Menschen in Rüssels­heim und beson­ders in Raun­heim darüber beschwerten, dass zuneh­mend Flug­zeuge, die eigent­lich im Anflug auf die Süd­bahn waren, noch schnell auf die (ev. gerade erst frei gege­bene) Center­bahn wechsel­ten, um nach der Landung schneller am Terminal zu sein. Wie die Flug­spuren zeigen, ist das auch kurz vor dem Auf­setzen noch mög­lich (s. Grafik links, zum Vergrös­sern anklicken) und, da dafür in nied­riger Höhe über dem Stadt­gebiet manö­vriert wird, mit zusätz­lichem Lärm verbunden.
Zu dem unnötigen Krach kam natür­lich noch die Tat­sache, dass ent­gegen der Versprech­ungen aus dem Plan­fest­stellungs­beschluss der Raun­heimer Norden durch die ver­stärkte Nutzung der Center­bahn eben doch mit extre­mem Flug­lärm belastet wurde - weitaus weniger als früher, aber trotz­dem störend, besonders wenn es früh morgens oder spät abends passierte. Da reicht eben schon ein beson­ders lauter Flieger, um den Schlaf zu been­den oder zu ver­hindern.

In der FLK-Sitzung im November 2012 berich­tete Fraport, dass diese "Swing overs" seit Inbe­trieb­nahme der Nordwest­bahn tatsäch­lich zuneh­mend genutzt wurden, da sie "betrieb­lich vorteil­haft (kürzere Roll­zeit, kein Bahn­kreuzen) und bei BR25 vermut­lich sogar lärm­mindernd" seien und "weiter unter­sucht ... und ggf. als aktive Schall­schutz­maßnahme geför­dert werden" sollten. Es dauerte dann noch ein weiteres Jahr, aber in der Sitzung der Flug­lärm-Kommis­sion im November 2013 hat die DFS bean­tragt, das bis dahin nur "infor­mell" geflo­gene Manöver nun auch offi­ziell einzu­führen, aller­dings nur für die Betriebs­richtung 25, also bei Anflug aus Osten. Eine dazu vorge­legte Betrach­tung der Lärm­wirkungen durch das Umwelthaus zeigte, dass dadurch Neu-Isen­burg und Zeppelin­heim rech­nerisch ent­lastet würden, während der Lärm in Sachsen­hausen und Nieder­rad nur un­wesent­lich zunehmen sollte. Für die Betriebs­richtung 07 kam die Betrach­tung zu dem Ergeb­nis, dass Raun­heim dadurch unakzep­tabel belastet wurde, ohne dass irgendwo Entlas­tungen aufge­treten wären. Die BI hatte des­halb die DFS in einer Presse­erklä­rung aufge­fordert, dieses Ver­fahren sofort einzu­stellen.

Für die Betriebs­richtung 25 wurde dieses Verfahren aller­dings wirk­lich als Schall­schutz-Maß­nahme in den FFR-Katalog aufge­nommen und in der Folge­zeit auch häufig genutzt.
Aller­dings gab es auch Probleme mit dieser Maßnahme. Offi­ziell heisst sie "IFR- Sicht­anflug mit Pisten­wechsel ", d.h. es ist eigent­lich ein Anflug nach Instru­menten­flug­regeln, der "auf Sicht" abge­schlossen wird. Der/die Pilot*in muss also die Lande­bahn erkennen und sie ohne Leit­strahl oder andere Instru­menten-Hilfe an­steuern.
Mindestens zwei Vorfälle wurden bekannt, bei denen das nicht funktio­niert hat: sowohl im Oktober 2018 als auch im Juli 2023 schwenkte das anflie­gende Flug­zeug nicht auf die Center­bahn, sondern auf den Roll­weg zwischen den Bahnen, und musste durch­starten. Beide Male war das mit einem nicht genau abschätz­baren Kolli­sions-Risiko ver­bunden. Wäre es nur eine Schall­schutz-Maß­nahme, hätte das wohl gereicht, um sie als "zu riskant" abzu­setzen. Aber da die Maß­nahme auch "betrieb­lich vorteil­haft" ist, ist sie immer noch in Gebrauch.

Karte

So war es lange Zeit ...


Segmented Approach

Auch diese Maß­nahme hat eine ähn­liche Geschichte hinter sich. Sie wurde zwar als Schall­schutz-Maß­nahme konzi­piert und sollte insbe­sondere die Städte Mainz, Hanau und Offen­bach entlasten, indem die anflie­genden Flug­zeuge zunächst weiter süd­lich fliegen und erst spät auf den End­anflug ein­drehen sollten. Von Anfang an als "Seg­mented RNAV (GPS) Approach" im "ersten Massnahme­paket Aktiver Schall­schutz" ent­halten und bereits vor Inbetrieb­nahme der Nordwest­bahn einge­führt, blieb sie aber aus Sicher­heits­gründen lange Zeit auf die Anwen­dung während der "Kern­nacht" von 23 - 5 Uhr und auf naviga­torisch halb­wegs modern ausge­stattete Flug­zeuge beschränkt und entfal­tete praktisch keine Wirkung.

Ein Forschungs­projekt, das das im Rahmen des Zweiten Maß­nahmen­programm Aktiver Schall­schutz unter dem Titel Seg­mented Approach Inde­pendent Parallel ändern sollte, meldete auch längere Zeit keine Fort­schritte. In der ICANA 2016 wurde ledig­lich die grund­sätz­liche Machbar­keit anhand von Echt­zeit-Simula­tionen darge­stellt und offene Fragen formu­liert. Deshalb war es zumindest für die Öffent­lich­keit über­raschend, dass Luft­hansa, DFS und Fraport im Februar 2021 in der FLK einen Probe­betrieb dieses Ver­fahrens auch für große Teile des Tag­betriebs ankün­digten. Mög­lich wurde das wegen des durch die Corona-Pan­demie deut­lich redu­zierten Flug­betriebs, und moti­viert war es nicht durch Schall­schutz-Gründe, sondern durch die Möglich­keit, damit Treib­stoff und Zeit einzu­sparen.
Aller­dings hat dieser Probe­betrieb bis Ende 2023 noch nicht zu belast­baren Ergeb­nissen geführt. Wie es damit weiter­geht, bleibt daher abzu­warten.

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Anflug-Verfahren

Im "ersten Massnahme­paket Aktiver Schall­schutz" waren zwei Maß­nahmen enthal­ten, die den Anflug betreffen: die "Opti­mierung konti­nuier­licher Sink­flug" und die "Anhe­bung des Anflug­gleit­winkels".
Diese und ähnliche Ver­fahren betref­fen in der Regel nicht die letzte Phase des Anflugs, in der ein Flug­zeug in stabiler Lande-Konfi­guration auf dem Leit­strahl zum Aufsetz­punkt fliegt, oder haben in dieser Phase nur noch geringe Auswir­kungen. Für Raun­heim spielen sie also in Bezug auf die Lärm­belas­tung kaum eine Rolle. Trotz­dem lässt sich aus ihrer Geschichte einiges lernen.


Continuous Descent Operations (CDO)

Die erste wird vom FFR unter dem Titel Conti­nuous Descent Opera­tions (CDO) als "seit Oktober 2013 im Regel­betrieb" geführt, ist aber eine von den "Geister­maß­nahmen", von denen die Öffent­lich­keit nicht erfährt, ob und wie sie ange­wendet werden, denn "Ungün­stige Wetter­verhält­nisse oder ein starker Betrieb am Flug­hafen können die Durch­führung der Maß­nahme ein­schränken. Die Entschei­dung über die Anwen­dung liegt beim Flug­lotsen". Die DFS denkt aller­dings gar­nicht daran, darüber zu berich­ten, und ob sie über­haupt eine interne Statis­tik dazu führt, ist nicht bekannt.

DFS-Folie

Diese "Verbesserung" führten DFS und Lufthansa 2020 für 'betriebsarme Zeiten' ein.

Hinweise, dass insbe­sondere die Ein­schrän­kung "starker Betrieb am Flug­hafen" die Anwen­dung dieser Maß­nahme weit­gehend verhin­dert, gibt es. Im Dezem­ber 2020, als die Zahl der Flug­bewe­gungen wegen der Corona-Pan­demie dras­tisch gesun­ken war, präsen­tierte die Deut­sche Flug­siche­rung in der FLK ein "effi­zien­teres Anflug­ver­fahren", das sie zusam­men mit Luft­hansa ent­wickelt hatte. Der "Rück­gang des Luft­verkehrs bildete die Grund­lage für die Nutzung" dieses Ver­fahrens, und da­durch sollte "sich primär der Treib­stoff­verbrauch redu­zieren und zusätz­liche Emis­sionen vermei­den" lassen.
Wie die Grafik zeigt, ist das Ver­fahren besser als das "durch­schnitt­liche Sink­flug­profil", aber trotz­dem noch ein gutes Stück von einem echten "Conti­nous Descent"-Ver­fahren entfernt. Und wenn schon dieses "verbes­serte" Ver­fahren nur bei einem prak­tisch zusammen­gebroch­enen Flug­betrieb zum Einsatz kommt, dann muss man wohl davon aus­gehen, dass das "opti­male" Ver­fahren im "Normal­betrieb" besten­falls in Rand­zeiten ange­wendet wird, in denen wenig los ist.

Im Juli 2021 legte das Umwelt­haus eben­falls in der FLK eine Auswer­tung der Anflug­strecken über neun Quar­tale von 2019 bis Anfang 2021 vor. Als CDO wurden dort Anflüge gewertet, die über­wiegend (>90%) im Sink­flug (nicht zwangs­läufig im Leer­lauf) absol­viert wurden und keine längeren Phasen eines nied­rigen Hori­zontal­flugs ent­hielten. Daraus ist zu ent­nehmen, dass im 'Normal­betrieb' 2019 nur auf der Nord­west­bahn (BR25) bzw. Nord­west- und Center-Bahn (BR07) rele­vante Anteile von 30% oder mehr in diesem 'einge­schränkten CDO' geflogen wurden, während der Anteil sonst zwischen 10 und 20% lag. Während der Pandemie sind diese Anteile deutlich gestiegen (bis zu 50%).
Darüber hinaus wurden aller­dings bisher keine Moni­toring-Ergeb­nisse vorge­stellt. Auf den Web­seiten von Umwelt­haus und FFR sucht man so etwas vergeb­lich.


Anhebung des Anfluggleitwinkels
FFr-Grafik

Diese "Verbesserung" wären bei einem 3,2°-Anflug möglich.

Diese Maß­nahme taucht im aktu­ellen Katalog des FFR gleich zweimal auf. Unter Erhöhung des Anflug­winkels von 3 auf 3,2 Grad wird nur ganz allgemein ausge­führt, dass das vortei­lhaft ist, denn "je steiler ein Flug­zeug den Flug­hafen bei der Landung anfliegt, desto höher über­fliegt es die Bewohner unter­halb der Anflug­route. Und da sich die Lärm­quelle somit weiter über dem Boden befindet, kommt unten weniger Lärm an. Am stärksten profi­tieren Wohn­gebiete von dieser Maß­nahme, die etwa 10 bis 20 Kilo­meter entfernt vom Flug­hafen liegen: Hier redu­ziert sich der Lärm um bis zu einem Dezibel." Deshalb sei "auf der Lande­bahn Nordwest ... die Maß­nahme im Regel­betrieb. Eine Ausdeh­nung auf das Parallel­bahn­system ist geplant."
Zu dieser Aus­dehnung wird unter Anflug­winkel 3,2 Grad auf alle Lande­bahnen erläu­tert: "Seit März 2017 können ent­sprechend ausge­rüstete Flug­zeuge den stei­leren Anflug mithilfe von GBAS nutzen, wann immer der Flug­hafen im abhäng­igen Betrieb arbeitet. Mittel­fristig soll die Maßnahme auch im unab­hängigen Betrieb mög­lich sein".

Aller­dings ist auch hier weder bei der Nordwest­bahn noch bei den anderen Bahnen klar, ob und wann diese Maß­nahme einge­setzt wird. Die Behaup­tung, es landeten "schon seit 2014 Flug­zeuge auf der Lande­bahn Nordwest in Frank­furt in einem Anflug­winkel von 3,2 Grad anstelle der üblichen 3 Grad, wann immer das Wetter es erlaubt", ist mit einem dicken Frage­zeichen zu versehen. Ein entspre­chendes Moni­toring gibt es nicht, und im Einzel­fall hat sich öfter gezeigt, dass der 3,2°-Anflug nicht geflogen wurde.
Und ob die Ausstat­tung mit dem GBAS-Navi­gations­system inzwi­schen wirk­lich deut­lich über den jahre­lang vermel­deten einstel­ligen Prozent­bereich hinaus ist, ist auch nicht dokumen­tiert. Das aber wäre Voraus­setzung für eine rele­vante Nutzung dieses Anflug-Ver­fahrens.

Auch hier gibt es wenig Grund für Opti­mismus. Zwar wurde die "Einfüh­rung von vari­ablen satel­liten­gesteuerten Präzis­ions­anflug­verfahren (GBAS)" in der Verein­barung 2012 der "Allianz für Lärm­schutz" unter den Maß­nahmen aufge­führt, die nach Prüfung durch das FFR "konse­quent umge­setzt" werden sollten, und im Septem­ber 2014 nahm Fraport unter viel Lob von allen Seiten die erste GBAS-Station in Betrieb und bot "ab dem 03.September 2014 als erster Hub­flug­hafen in Europa 5 GBAS CAT 1 Anflug­verfahren" an. Eine LH Boeing 747-800 führte die erste GBAS-unter­stützte Landung durch, und Luft­hansa tönte: "Damit setzen wir an unserem größten Dreh­kreuz einen deut­lichen Akzent, dass wir auch bei techno­logischen Neue­rungen unsere Führungs­rolle aktiv wahr­nehmen." Damals glaubten alle noch: "Bis 2020 (2025) wird der GBAS-Aus­rüstungs­grad in Frank­furt auf mehr als 50% anwachsen".
Aber im Februar 2016 erklärte Luft­hansa, dass sie die dafür notwen­dige Ausstat­tung ohne "finan­ziellen Anreiz" nicht erwerben würden. Und obwohl Fraport in der Entgelt-Ordnung 2017 die gewün­schten Anreize (wenn auch mit Verspä­tung) gelie­fert hat, war auch Mitte 2021 nur eine Aus­stattungs­quote von 7% erreicht. Die Deut­sche Flug­siche­rung, die damit Geld sparen möchte, bemühte sich in der Folge noch, das System attrak­tiver zu machen, aber die skep­tischen Stimmen sind nicht verstummt. 2022 hat Fraport die GBAS-Förde­rung auch wieder zurück­genom­men.

Damit wäre dann auch ein weiterer Punkt abgehakt, der im FFR-Kata­log nochmal als eigen­stän­dige Maß­nahme auf­taucht: die Anhe­bung der Zwischen­anflug­höhen bei GBAS-basierten Anflügen. Dabei würde GBAS sozu­sagen als Verläng­erung des ILS-Leit­strahls fun­gieren und Flug­zeuge aus grösserer Höhe sicher herunter­führen, ohne dass die selber den Sink­flug exakt fest­legen müssten.
Eine zweite "Maß­nahme" dieser Art hat sich aller­dings inzwi­schen erle­digt. GBAS unab­hängiger Betrieb ist inzwi­schen von ICAO akzep­tiert, aber nicht mal solche kleinen Erfolge tauchen auf dieser FFR-Web­seite auf. Offenbar glauben sie selber nicht, dass irgend jemand ihre Darstel­lungen hier ernst nimmt.


Steeper Approach

In grösserer Entfer­nung vom Flug­hafen ist es natür­lich ohne Weiteres möglich, steiler anzu­fliegen, ledig­lich die letzte Phase der Instru­menten­landung ist durch ICAO-Regeln regle­mentiert. Das 'Deutsche Zentrum für Luft- und Raum­fahrt' (DLR) forscht schon seit vielen Jahren daran, was in einem etwas grösseren Ent­fernungs­bereich möglich sein könnte. Das vom UNH beauftragte Forschungs­projekt 'Steeper Approach' war Teil dieser lang­fristigen For­schungs-Bemüh­ungen.
Grundsätz­lich können steilere Anflüge zur Lärm­minderung beitragen, zumin­dest in größerem Abstand vom Aufsetz­punkt, da dann länger in größeren Höhen geflogen wird und weniger Lärm unten ankommt. Der Teufel steckt aber im Detail: bei größeren Flug­höhen verteilt sich der Lärm auch über eine größere Fläche, und durch die notwen­digen Manöver kann es an einigen Stellen sogar lauter werden. Um also heraus­zufinden, was tatsäch­lich passiert, muss man die Lärmver­teilung messen.

DLR-Folie

Höhendifferenzen in Abhängigkeit von der Entfernung vom Aufsetzpunkt
für den "steilen Anflug".

Im Oktober 2013 rauschten daher Mel­dungen von einem revo­lutio­nären Test durch den lokalen Blätter­wald: eine Maschine der Condor flog acht­mal hinter­einander aus Westen kommend die Nord­west­bahn an, davon sechs­mal in einem Winkel von 4,5°, also deut­lich steiler als üblich. Die zahl­reich an Bord vorhan­denen Reporter konnten aus erster Hand bestä­tigen, dass die Anflüge problem­los verliefen, und die frohe Botschaft verkünden, dass es, wenn das Verfahren "serienreif" sei, deut­lich leiser werden könne, zumindest in Mainz und Wies­baden.
Man kann sich den Test mit entspre­chenden Erläute­rungen sogar im Video anschauen.

Auch zu den Ergeb­nissen, die dabei gewon­nen wurden, gibt es in der Dokumen­tation zur ICANA 2013 neben den Folien auch einen Video-Mit­schnitt der Präsen­tation. Die Aus­sagen dort sind aller­dings so allge­mein, dass der Wert dieses Versuchs kaum zu beur­teilen ist. Eine erste Auswer­tung auf der Basis von DFLD-Daten zeigt, dass wohl auch keine schlüs­sigen Resul­tate zu erwar­ten sind.
Im November 2013 gab es nochmal eine zusammen­fassende Darstel­lung der Ergeb­nisse zu den 3,2°-Anflü­gen und zum "Steeper Approach" in der Flug­lärm­kommission, aber auch daraus lässt sich nicht mehr viel lernen.

Mit dem steileren Anflug läßt sich kein Geld sparen, aber nicht nur des­wegen wird er so bald nicht kommen. Wie der DLR-Projekt­leiter lapidar bemerkt, wider­spricht das Ver­fahren gelten­den ICAO-Regeln, und "(e)ine Änderung dieser inter­nationalen Vor­gaben ist aufwendig und sehr zeit­intensiv. Daher kann der 'Steeper Segmen­ted Approach' auch bei erfolg­reichem Test­verlauf auf abseh­bare Zeit nicht im Regel­betrieb ange­wendet werden."


c't-Karikatur Shareware

Piloten-Assistenz-Systeme können problematisch sein,
besonders, wenn Airlines unter Kostendruck stehen.

Piloten-Assistenz-Systeme

Eine Maß­nahme, die thema­tisch eher hierher gehört, führt das FFR systema­tisch korrekt in der Kate­gorie Techno­logische Lärm­minde­rung: das Low Noise Augmen­tation System (LNAS), sehr frei über­setzt ein "Unter­stützungs­system für lärm­armen Flug" oder ein "Schall­schutz-Assis­tent für die Landung". Der "errechnet für jeden indivi­duellen Lande­vorgang einen mög­lichst geräusch­armen Anflug und unter­stützt die Piloten dabei, ihn einzuhalten".

Die Idee für ein solches System wurde im DLR-Institut für Flug­system­technik entwickelt. Im Herbst 2015 wurde die DLR vom Umwelt­haus beauf­tragt, zwei von ihr entwick­elte Systeme, die bei Anflügen u.a. auch zur Lärm­reduzie­rungen führen könnten, am Frank­furter Flug­hafen zu testen, darunter auch LNAS. Im November 2016 konnte die DLR erste Ergeb­nisse vor­stellen und auf der ICANA 2016 präsen­tieren.

Daraus geht zunächst einmal hervor, dass Piloten mit dem System zurecht kommen und bis zu 10% Sprit einge­spart werden können. Wo genau es leiser, und ob es irgendwo ggf. auch lauter wurde, war nicht so einfach heraus­zufinden. Aus einer Folie der Ergeb­nis-Präsen­tation läßt sich ablesen, dass die Verän­derungen unter­schied­lich waren - deut­liche Reduk­tionen an Anfang und Ende des Lande­anflugs, dazwischen eine Phase mit minimalen Erhöh­ungen. Wie immer waren aber die Meß­stationen nicht da, wo sie sein müßten, um die Unter­schiede wirk­lich zu erfassen.
Im November 2019 begann mit Unter­stützung der Luft­hansa ein neuer Lang­zeit-Probe­betrieb, der aber bereits im April 2020 Pandemie-bedingt abge­brochen wurde, so dass nicht genü­gend Daten gesam­melt werden konnten. Im Jahr 2019 gab es auch einen Kurz­zeit-Test am Flug­hafen Zürich, in dem 90 Flüge mit einem DLR-Test­flugzeug und Lärm-Simula­tionen durch­geführt wurden, die beide ein erkenn­bares Lärm­reduk­tions-Poten­tial über die letzten 25 Kilo­meter Anflug ergaben.

Die Aktivi­täten in Zürich sollten wohl ursprüng­lich Bestand­teil eines opera­tiv dort ange­siedel­ten, vom gleichen DLR-Institut koordi­nierten EU-Projekts namens DYNCAT (zu deutsch etwa: "Dyna­mische Konfigu­rations-Anpas­sung in der Endanflug­phase") werden, das aller­dings eben­falls Pandemie-bedingt über­wiegend mit Simula­tionen arbeiten musste. Seine Ziel­stellung war gege­nüber LNAS wesent­lich umfang­reicher, es sollte "den Menschen am Steuer Hilfe­stel­lungen bei ihrem Konfi­gura­tions­manage­ment während des Anflugs geben und durch die Analyse der Dis­krepanz zwischen Flug­zeug- und Luft­verkehrs­kontroll­verfahren Verbes­serungen für den Bord- und Boden­betrieb vor­schlagen. Dazu gehört auch die Ermitt­lung mög­licher regula­torischer Ände­rungen für das Flug­verkehrs­manage­ment sowie die Bewer­tung ihres ökolo­gischen und ökono­mischen Poten­zials". Tech­nisch bedeutet das, wie es in einem zusammen­fassenden Bericht heisst, anstelle eines neuen, zusätz­lichen Systems im Cockpit eine "Ergän­zung der FMS-Funk­tionen für erhöhte Energie-Effi­zienz während des Lande­anflugs" (eigene Übersetzung).
Die Ergeb­nisse des Projekts, das Ende 2022 beendet wurde, kann man sich auf der Projekt-Web­seite ansehen, sie gehen aber über einen "Proof-of-concept"-Proto­typen und über­wiegend theo­retische Erwä­gungen zu den zu erwar­tenden Umwelt­vor­teilen nicht hinaus.

Das 2023 gestar­tete Fort­setzungs­projekt DYN-MARS das bis Mitte 2026 laufen soll, geht in der Ziel­setzung sogar noch darüber hinaus. Damit "sollen die Auswirk­ungen auf die Umwelt beim Sink­flug und Anflug mini­miert" und "Funk­tionen wie die dauer­hafte Flug­bahn­fort­setzung, opti­miertes Konfigu­rations­manage­ment für Flug­zeuge, der dyna­mische Einsatz von Lande­bahn­struk­turen und gestärkter Daten­austausch zwischen Luft und Boden einge­führt" werden. Es "stellt eine ganz­heit­liche Lösung für Verbes­serungen in der Luft und des Flug­verkehrs­manage­ments durch fort­schritt­liche Kommuni­kations­funk­tionen dar, ... indem mehrere situa­tive Ein­schrän­kungen bei der voll­stän­digen Optimie­rung im Sink­flug berück­sichtigt werden. Gleich­zeitig bleibt die Pisten­auslas­tung hoch, ohne dass die Sicher­heit beein­trächtigt wird". Das Ganze ist Bestand­teil des Pakets Air Traffic Manage­ment and the Green Deal, das dazu bei­tragen soll, die EU "bis 2050 zum ersten klima-neutra­len Block der Welt" zu machen.

Ob die Teil­ziele realis­tischer sind als das Gesamt­ziel, wollen wir hier nicht weiter disku­tieren. Man kann aber mit einiger Sicher­heit davon aus­gehen, dass erstens LNAS in der ursprüng­lich ange­dachten Form nicht kommen wird und zweitens der Schwer­punkt der weiteren Entwick­lung nicht auf dem Lärm­schutz, sondern (besten­falls) auf der Treib­stoff-Einspa­rung liegt. Und dass es bei "hoher Pisten-Auslas­tung" insge­samt nicht leiser wird, selbst wenn der einzelne Anflug etwas lärm-opti­maler ausge­führt wird als bisher, ist eben­falls trivial.

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Start-Verfahren


Vertikale Optimierung von Abflugverfahren
Steigung Abflüge

Das "grüne" Verfahren reduziert den Lärm, das "graue" spart Treibstoff ...
(Für grössere Darstellung in neuem Fenster Bild anklicken.)

Maßnahme Nr. 7 im ersten Maßnahme­paket war die "verti­kale Opti­mie­rung der Abflug­verfahren", und das FFR erläutert zu der gleich­lauten­den Maß­nahme in der Kate­gorie Abstand zur Lärm­quelle erhöhen: "Diese Maß­nahme zielt darauf ab, dass Flug­zeuge nach dem Start schneller an Höhe gewinnen und sich somit der Abstand zwischen Lärm­quelle und Boden schneller erhöht" und behaup­tet, "Die Maßnahme befindet sich im Regel­betrieb".

Allerdings musste bereits der 2012 veröffent­lichte Moni­toring-Bericht fest­stellen, dass diese Maß­nahme in der einge­führten Form sehr wahr­schein­lich nichts bewirkt, weil die Geschwin­digkeiten der lauten Maschinen auch vor Einfüh­rung des Tempo­limits nicht höher gewesen sind als nachher. Genau weiss man es aller­dings nicht, weil der Aufwand für das Moni­toring sich wie üblich sehr in Grenzen gehalten hat.
Grundsätzlich war da aber noch unbestritten, dass steilere Starts zu geringerer Belastung führen sollten und daher wo immer möglich anzustreben sind.


Cutback Lufthansa

Dem stand allerdings schon bald ein überzeugendes, weil ökono­misches Argument entgegen: Luft­hansa wollte Flach­starts, um damit Treib­stoff zu sparen. Bereits im Februar 2013 hatte sie heim­lich begonnen, ein neues Start­verfahren zu prakti­zieren. Der Test dauerte nur eine Woche, dann kam ein Journa­list dahinter und damit trat ein Problem auf, denn das passte gerade nicht zu den offi­ziellen Schall­schutz-Bemüh­ungen. Aber der nächste Versuch star­tete bereits im Juli. Was Luft­hansa genau vor­hatte, blieb lange im Dunkeln. Von sich aus zu infor­mieren, was sie den Menschen zuzu­muten gedenken, hatten sie nicht nötig, und auf Fragen antwortete der "gute Nachbar" auch nicht.
Das FFR beant­wortete die Detail-Fragen eben­falls nicht, machte aber in der Kate­gorie Neue Routen und Ver­fahren eine eigene Maß­nahme mit dem Titel Cutback Luft­hansa daraus und ver­öffent­lichte ein Papier dazu.

Gemäß einer Präsen­tation der LH in der Sitzung der Fluglärm­kommission im April 2013 sollte das bis­herige Stan­dard-Ver­fahren durch ein Ver­fahren ersetzt werden, das zur ICAO-Klasse NADP2 gehört. Das sagt zunächst einmal nur, dass es sich um ein Verfahren handelt, das ICAO empfiehlt, wenn der Lärm nur in einer weiteren Entfer­nung vom Start­punkt eine Rolle spielt. Was nah und was weit ist, hängt dabei u.a. vom Flugzeug­typ ab. Da die Flug­manöver an die jeweils er­reichte Höhe gebunden sind, endet der Nah­bereich für leichte, schnell steigende Maschinen bereits in etwa 5 km Entfer­nung vom Start­punkt, während er bei den schweren Kisten ("Heavies") bis zu 15 km ausge­dehnt sein kann. Da diese auch für Lärm­betrachtungen die relevan­testen sind, ist diese Luft­hansa-Entschei­dung also ein Schlag auf die Ohren aller Menschen, die weniger als 15 km vom Flug­hafen entfernt leben und eine Abflug­linie in der Nähe haben (das Raun­heimer Stadt­zentrum ist ca. 6 km vom Start­punkt der Center­bahn entfernt).

Lufthansa verlaut­barte im Laufe des Jahres 2013 mehrfach, dass das neue Verfahren "getestet" werden sollte. Genaueres erfuhr man aber nicht, zuletzt wurde der "Test" auf ein Jahr verläng­ert, aber auf Abflüge von der Start­bahn West beschränkt. Aus einem gleich­zeitigen Vortrag des Umwelt­hauses in der Flug­lärm-­Kommis­sion wurde aber deutlich, dass eine echte Messung der Auswir­kungen des neuen Verfahrens nicht vorge­sehen war - das geplante Monitoring konnte nicht funktio­nieren.
Dies bestätigte der Monito­ring-Bericht, den das FFR/UNH in der Sitzung der Flug­lärm­kommis­sion am 09.07.14 vorge­stellt hat. Wenig Daten, viel Statistik - so versuchten die Autoren, doch noch irgendwie die gewünschte Schluss­folgerung zu begründen. Über­zeugend ist es nicht. Auch die FLK mochte auf dieser dünnen Grund­lage keinen Freibrief für das neue Verfahren aus­stellen. Aber auch hier galt wie immer: die FLK berät, ent­scheiden tun andere. Luft­hansa teilte am 10.09.14 mit, dass sie "ab heute" das neue Flach­start­verfahren "deutsch­landweit" einge­führt hat - und offen­bar bis heute daran festhält, ohne sich weiter um die tatsäch­lichen Auswir­kungen zu kümmern.

Das ist auch insofern frag­würdig, als mit ziem­licher Sicher­heit auch die Schad­stoff-Emis­sionen mit diesem Ver­fahren höher sind. Das ICAO-Umwelt­komitee hatte schon vor der Einfüh­rung in einem Arbeits­papier fest­gestellt, dass NADP2-Verfahren im Vergleich zu NADP1-Verfahren (zu denen man das früher in Frankfurt geflo­gene Ver­fahren rechnen kann) zwar 0,6 bis 2,7 % weniger Kohlen­dioxid produzieren (da sie entspre­chend viel Treib­stoff ein­sparen), dafür aber zwischen 5 und 20 % mehr Stick­oxide im Nah­bereich emit­tieren. Auch wenn umstritten ist, wie hoch der Beitrag des Luft­verkehrs zur Stick­oxid-Be­lastung insgesamt genau ist: klar ist, dass diese Belas­tung schon jetzt im Rhein-Main-Gebiet fast ganz­jährig zu hoch und damit jede zusätz­liche Steige­rung unverant­wortlich ist. Und für die Belas­tung mit Ultra­fein­staub gilt das natür­lich erst recht.


Untersuchung Startverfahren

Da aber 2018 für das zweite Maßnahme-Programm ein paar Aktivitäten her mussten, die sich als Schallschutz-Maßnahmen darstellen liessen, wurde in der Kate­gorie Rahmen­beding­ungen und Anreize eine neue Maß­nahme eingeführt mit dem Titel Unter­suchung Start­verfahren, die "unter­sucht, welches Start­verfahren sich in Frank­furt am besten eignet", weil "je nachdem, wie schnell das Flug­zeug steigt und wann der Pilot die Klappen setzt, ... am Boden an unter­schied­lichen Orten Lärm" ankommt.
"Stand 2018" war zu dieser Maß­nahme beim FFR zu lesen, es "laufen die Vorbe­reitungen für die Unter­suchung der Start­verfahren durch einen Gut­achter", und die Untersuchung sollte "keinen Einschränkungen" unterliegen. "Stand September 2024" hiess es dann: "Aufgrund der Komplexität der Untersuchung unterliegt sie diversen methodischen Einschränkungen", weil andernfalls echtes Geld hätte in die Hand genommen werden müssen, und was das FFR in Form eines Gutachten, eines Endbericht und diverser Infografiken zum Download bereit stellte, war in der Tat sowohl bezüglich Qualität als auch Aussagekraft drastisch eingeschränkt. Die Schlussfolgerung war allerdings die von Lufthansa gewünschte: "Die Berechnungen zeigen keine Indikation, dass das Steilstartverfahren (NADP 1) substanziell und in der Fläche einen entscheidenden Vorteil am Standort Frankfurt bringt." Damit ist die Maßnahme abgeschlossen, aber "Das Thema Startverfahren wird in der Arbeit des Forum Flughafen und Region weiterhin eine Rolle spielen. Das Expertengremium Aktiver Schallschutz (ExpASS) wurde beauftragt zu prüfen, wie die vorliegenden Ergebnisse durch Messungen ergänzt werden können" - also sozusagen alles auf Anfang, es wird wieder "gemonitort".

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Technologische Lärmminderung

Unter diesem Punkt führt das FFR neben dem bereits oben disku­tierten LNAS-Projekt zwei Maß­nahmen auf, die zusammen ziem­lich lächer­lich wirken: die Umrüstung und anschlies­sende Ausflot­tung "der B737 Maschinen der Luft­hansa (Typ 300/500)". Aber abge­sehen davon, dass zwischen diesen beiden Maß­nahmen rund 6 Jahre liegen, in denen die alten Kisten leiser unter­wegs waren, können sie stellver­tretend für zwei Maß­nahme-Gruppen stehen, die durchaus Poten­tial zur Lärm­minde­rung haben.


Flotten-Erneuerung

Das FFR erklärt dazu: "Wenn ein leiseres Flugzeug entwick­elt wird, ist es aus Sicht des Schall­schutzes sinn­voll, ältere lautere Modelle durch den Nach­folger abzu­lösen" und zeigt auch, was das in der Ver­gangen­heit bewirken konnte. Natür­lich kauft niemand nur deshalb ein neues Flugzeug, selbst wenn an einigen Flug­häfen die Gebühren für leisere Flugzeuge etwas nied­riger sind. Tatsäch­lich hat ein Luft­hansa-Manager in der ICANA 2013 durchaus realis­tisch darge­stellt, was die Flug­gesell­schaften antreibt, in neuere Flug­zeuge zu inves­tieren. Es sind die ökono­mischen Aspekte, in erster Linie der Treib­stoff­verbrauch.
Deswegen hält es das FFR auch für eine Schall­schutz-Maß­nahme, ein eigenes Lobby-Programm für noch mehr Subven­tionen für die Flug­gesell­schaften unter dem schön­färbe­rischen Namen Bundes­programm Luft­verkehr aufzu­legen. Das DLR kommt auf der Basis nicht näher erläuterter Szenarien zu dem Schluss: "Der beste Fluglärmschutz ist die Entwicklung von neuen leiseren Flugzeugen in Verbindung mit verkehrspolitischen Maßnahmen die eine schnellere Einführung fordern".

DLH Beschaffung

Das war der Plan, der als umweltpolitische Grosstat verkauft wurde
Quelle: Dokumentation ICANA 2013, Teil 2, S. 39

Auch die Luft­hansa hat ihre Neu­anschaf­fungen in der öffent­lichen Darstel­lung eine Zeit­lang als Schall­schutz-Maß­nahme ange­priesen. Im Septem­ber 2013 verkün­dete LH "die größte, private Einzel-Investi­tion in der deutschen Industrie­geschichte", die Bestel­lung von "34 Boeing 777-9X und 25 Airbus A350-900" für "die Lang­strecken­flotten der Lufthansa Group". "Der Lärm­teppich der neuen Modelle wird mindes­tens 30 Prozent kleiner sein, als bei heutigen Flug­zeugen", heißt es voll­mundig, und um den Charakter solcher Ankündi­gungen allen deutlich zu machen, setzte der dama­lige Vor­stands­vorsit­zende Franz noch einen drauf: „Jeder einzelne A350 und jede einzelne Boeing 777 entfaltet in Deutsch­land die Beschäf­tigungs­wirkung eines mittel­ständi­schen Unter­nehmens“.
Klingt phan­tastisch, solange man nicht bedenkt, dass es sich hier um längst über­fällige Ersatz­beschaf­fungen handelte, die, beginnend 2016, über zehn Jahre verteilt werden sollten. Lufthansa rangierte im damaligen Effizienz­rating von Atmosfair auf Platz 72 von 125 getesteten Airlines (und ist bis 2018 nur auf Platz 66 aufgestiegen), eine Moderni­sierung der Flotte war schon aus ökono­mischen Gründen dringend nötig. Dass neuere Flugzeuge leiser sind, ergibt sich zwangs­läufig aus der Tatsache, dass vor 50 Jahren (damals wurden die zu erset­zenden Typen entworfen) der Schall­schutz über­haupt keine Rolle gespielt hatte. Der beliebte 30%-Vergleich ist eine weitere Irre­führung, denn er bezieht sich nur auf die Größe der Fläche, inner­halb derer extrem lauter Start­lärm auftritt, und besagt keines­falls, dass es an irgend­einem gegebenen Ort "30% leiser" würde.

Flottenausbau

Aber je nach gewünschter Wirkung kann man die Sach­verhalte auch anders dar­stellen.
Quelle: LH Politikbrief 04/2014, S. 3

Und die Beschäf­tigungs­wirkungen? "Die neuen Flug­zeuge dienen primär dem Ersatz bestehen­der Flug­zeuge bei Lufthansa", heißt es lapidar an anderer Stelle, mit anderen Worten: Aufrecht­erhaltung des laufenden Betriebs bei (besten­falls!) gleich­bleibender Zahl der Arbeits­plätze. Bei soviel Über­treibung fällt es dann auch kaum noch ins Gewicht, dass Bestel­lungen noch lange kein Kauf sind (Stornie­rungen sind in diesem Geschäft häufig) und die ange­gebenen "Listen­preise" von nieman­dem, der sich ein solches Flug­zeug leisten kann, bezahlt werden.
Und tatsächlich: Groß­sprecher Franz war kaum sechs Wochen von Bord, da mussten seine Nachfolger im Juni 2014 eine Gewinn­warnung veröffent­lichen und u.a. ankündigen, es würden "sämt­liche Flugzeug­bestel­lungen unter die Lupe genommen, ob sie verschoben oder gar abgesagt werden müssten".

Zur richtigen Einor­dnung dieses Beschaf­fungs­programms ist es auch hilf­reich zu wissen, dass die in Dubai ansässige Emirates allein auf der dama­ligen dortigen Airshow neue Flug­zeuge in einem Wert geordert hatten, der etwa dem Drei­fachen des Gesamt-Inves­titions­programms der Luft­hansa entsprach - und dabei auch schon die ersten A380 wieder austauschte, weil sie nicht mehr effizient genug waren.
Das wurde aber natür­lich nicht als begrüssens­werte umwelt­politische Gross­tat gesehen, sondern als verdammungs­würdiger Ver­drängungs­wett­bewerb eines staat­lich subven­tionier­ten Prestige­projekts zulasten der bedauerns­werten privat­wirtschaft­lichen Kon­kurrenz.

In der Folge­zeit hat Luft­hansa noch 2015 und 2021 Moder­nisie­rungs-Pro­gramme als Schall­schutz-Maß­nahme präsen­tiert, aber welche Effekte damit erreicht wurden, wurde nie im Detail darge­stellt.
Auch 2024 hat Luft­hansa per Presse­mittei­lung neben einem Rekord­gewinn "die größte Flotten­moderni­sierung ihrer Geschichte", die Auslie­ferung von "insge­samt mehr als 30 neue Flug­zeuge, davon rund 20 Lang­strecken­jets" im lau­fenden Jahr und "über 250 Flug­zeuge der neuesten Gene­ration auf der Bestell­liste" ver­kündet. "Durch die Moder­nisie­rung werden mittel­fristig ältere Teil­flotten ausge­mustert, der Kunden­komfort deut­lich erhöht und die CO2-Emis­sionen nach­haltig redu­ziert. Die wesent­lich treib­stoff­effizien­teren Flug­zeuge verbrauchen im Ver­gleich zu ihren jewei­ligen Vor­gänger­modellen bis zu 30 Prozent weniger Kerosin ..." - von Schall­schutz ist nicht mehr die Rede.


Nachrüstungen

Die ursprüng­lich hier aufge­führte Umrüs­tungs-Maß­nahme bestand aus einer schall­dämmen­den Innen­ausklei­dung der Trieb­werke. Solche "akus­tischen Aus­klei­dungen" oder "liner", durch die Trieb­werke deut­lich leiser werden, waren damals bereits Stand der Technik, fehlten aber bei der alten LH-B737-Flotte. Die Ausklei­dung konnte mit vertret­barem Aufwand nach­geholt werden und wurde offenbar auch relativ schnell durch­geführt.
Es ist uns nicht bekannt, wie hoch der Aufwand genau war und wer ihn getragen hat, aber ins­gesamt scheint es ein posi­tives Beispiel für eine Schall­schutz-Maß­nahme gewesen zu sein.

DLR-Bericht

Spätestens ab da wusste man also, wie der Lärm zu beseitigen war.

Für eine weitere Maß­nahme, die das FFR explizit auf­führt, gilt das jedoch nur zum Teil: den Einbau von Wirbel­genera­toren an Maschinen der A320-Familie der Firma Airbus.
Lufthansa kündigte die Umset­zung dieser Maß­nahme mit einer Presse­mittei­lung am 29.10.13 an: Die A320-Flotte erhält "soge­nannte Wirbel­genera­toren", die "den Gesamt­schall­pegel des Flug­zeugs im Anflug um bis zu zwei Dezibel redu­zieren" sollen. 157 Flug­zeuge werden "ab Januar 2014" damit ausge­stattet.

Die hoch­trabende Ankündi­gung hatte einen eher pein­lichen Hinter­grund: es handelte sich um die Beseiti­gung eines simplen Kon­struk­tions­fehlers, der seit Inbe­trieb­nahme der ersten Maschine dieser Bau­reihe im Februar 1987 hörbar war und dessen Korrek­tur schon um die Jahr­tausend­wende möglich gewesen wäre.
Lufthansa hatte diese Maß­nahme schon in der Gemein­samen Erklä­rung aus dem Jahr 2007 ange­deutet und im Februar 2012 in der Maß­nahme­liste der Allianz für Lärm­schutz konkret benannt.

Fotos Wirbelgenerator

Aber es gibt auch heute noch Maschinen dieses Typs, die unnötig laut landen.
(Für Bild­quellen entspre­chende Grafik anklicken)

Das FFR versucht sich an einer Erklärung für die Verzöge­rung. "Auch wenn die Wirbel­genera­toren eine schein­bar kleine Ände­rung dar­stellen, war eine große Anzahl an Prüf­schritten und Genehmi­gungen nötig, um sie umzu­setzen. Dazu gehörten unter anderem umfang­reiche akus­tische Unter­suchungen, Test­flüge, eine Zulas­sung des Herstel­lers, Ände­rungen der Flug­zeug­spezifi­kation bis hin zu beson­deren Schritten zur Gewähr­leistung der Arbeits­sicher­heit beim Einbau der Wirbel­genera­toren".
Tatsäch­lich kann man einer Präsen­tation des dama­ligen Forschungs­projekts aus dem Jahr 2005 ent­nehmen, dass unter­schied­liche Formen dieses 'Gene­rators' getestet wurden, aller­dings nicht wann. Die DLR-Version war jeden­falls bereits 2001 erfolg­reich, und auch einer der damals an der Entwick­lung Betei­ligten wunderte sich noch in seinem Vortrag bei der ICANA 2016 über die 10 Jahre Verzö­gerung. In der anschlies­senden Frage­runde meinte er auch noch zur Aussage des UNH, dass der Einbau eines solchen Wirbel­genera­tors rund 3.000 US$ koste, "Das haben wir damals mit dem Schrauben­zieher gemacht".
Zu dieser Preis­gestal­tung erklärte der dama­lige Vorsit­zende der FLK: "Hier bedarf es noch einmal der Verstär­kung der Anstreng­ungen aller Flug­gesell­schaften und auch der poli­tischen Verant­wortungs­träger, über­höhten Preisen der Her­steller, die auf zu geringen Stück­zahlen oder Monopol­stellung beruhen, durch ein europa­weit koordi­niertes Vor­gehen ent­gegen­zu­wirken".

Die Verzöge­rungen gingen aller­dings noch weiter. Im Juni 2014 antwortet Luft­hansa auf eine entspre­chende Anfrage, dass schon vier(!) neue A320 mit den Genera­toren ausgerüstet sind und weitere sechs noch im selben Jahr dazu­kommen sollen. Die Umrüs­tung der Bestands­flotte sollte nun "voraus­sicht­lich" im 3. Quartal 2014 beginnen. Im November 2014 teilte Luft­hansa mit, dass nun schon zehn Flug­zeuge (neun neue und ein umgerüs­tetes) mit den "Genera­toren" ausge­rüstet waren, 257 weitere (100 neue und 157 umzurüs­tende) sollten folgen. "Nach derzei­tigen Planungen wird die gesamte Maßnahme in etwa einem Jahr abge­schlossen sein".
Im Juni 2015 konnte Lufthansa immerhin melden, dass nun die hundert­ste Maschine mit dem Gene­rator ausge­stattet werden sollte. Im Oktober 2015 berich­tete LH in der Flug­lärm­kommis­sion, dass "alle 82 aus Frank­furt heraus operie­rende Flug­zeuge der A320-Familie ... mit Vortex Genera­toren ausge­stattet" sind und ausser­dem seien "14 Neuaus­liefe­rungen der A320-Fam. ... seit Anfang 2014 zuge­gangen – alle standard­mäßig mit Wirbel­genera­toren ausge­stattet". Darüber hinaus "stattet Airbus sämt­liche welt­weiten Neuaus­liefe­rungen der A320-Fam. mit Wirbel­genera­toren aus".
Man kann also darauf hoffen, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Maschinen, die dieses Lärm­problem verur­sachen, immer weiter abnimmt, bis es in den 2040er Jahren ganz ver­schwun­den sein wird. Hätten alle Betei­ligten ange­messen reagiert, gäbe es dieses Problem schon seit Jahr­zehnten nicht mehr.

Statt sich nun aber für die jahre­lange unnö­tige Lärm­belastung zu entschul­digen, feierte sich Luft­hansa für eine Selbst­verständ­lich­keit, die zudem noch teil­weise von Anderen bezahlt wurde. Durch die Umrüs­tung fielen die Flug­zeuge nämlich ab 2015 in eine günsti­gere Kate­gorie der Lärm­entgelte auf FRA, so dass LH einen grossen Teil der Kosten gleich wieder einsparen konnte. Schon das war durch­aus zweifel­haft, denn für die Ein­stufung in Lärm­katego­rien spielte dieses spezi­fische Lärm­ereignis gar keine Rolle, da es ausser­halb des dafür defi­nierten Bereichs statt­findet. Man kann es aber dadurch recht­fertigen, dass der Anflug tatsäch­lich für viele Betrof­fene leiser wurde, auch wenn die Kate­gorisie­rungs-Krite­rien sowas nicht erfassen.
Nicht recht­fertigen lässt sich aller­dings, dass diese verän­derte Einstu­fung auch für andere Bereiche über­nommen wurde, in denen sie die Reali­tät nicht wieder­gibt. Das gilt insbe­sondere für die eben­falls geän­derte Ein­stufung für die Berech­nung der Lärmober­grenze, die dort ein eindeu­tiger Betrug ist, aber dennoch für andere Bereiche wie den Fluglärm­index über­nommen wurde.

Das Problem, das die Wirbel­genera­toren lösen sollen, ist ja durchaus relevant. Nicht nur das DLR, auch Bürger­initia­tiven haben die Belas­tungen, die durch diesen Konstruk­tions­fehler hervor­gerufen wurden, deut­lich dokumen­tiert. In Kreisen von Flug­lärm­gegnern war dieser Flug­zeug­typ daher auch als pfeifende Johanna bekannt und berüchtigt (was nicht frauen­feind­lich gemeint war, sondern sich auf einen Song der "Come­dian Harmo­nists" von 1934 bezog). Man kann sich den Ton hier anhören.
Wenn es also nach verschie­denen Quellen in 15-20 bzw. 10-17 km Entfer­nung vom Flug­hafen "bis zu 4 Dezibel" leiser werden kann, ist das ein echter Fort­schritt, auch wenn es uns leider nichts nützt, denn "für Raun­heim ergibt sich keine Verän­derung des Lärm­pegels, da die Flug­zeuge sich hier unmittel­bar vor der Landung in einer anderen Konfigu­ration befinden".

Das könnte anders sein bei einem ähnlichen Problem, das im Jahr 2020 bekannt und auch von der Flug­lärm­kommis­sion aufge­griffen wurde: "Störgeräusche bei Landungen beim Typ A320neo". Hier sind die Anflug­phasen betroffen, die über Rüssels­heim und Raun­heim ablaufen, aber Verur­sacher ist in diesem Fall wahr­schein­lich ein Trieb­werk, dass insbe­sondere für den A320neo verwen­det wird.
Damit sind die Aus­sichten in diesem Fall mehr als düster. Wenn es schon mehr als ein Jahr­zehnt brauchte, ein Stück­chen Blech unter eine Trag­fläche zu schrauben, kann man kaum hoffen, dass Probleme an einem Trieb­werk, die weder Sicher­heit noch Verbrauch betreffen, in abseh­barer Zeit gelöst werden könnten. Zwar wird in einer Präsen­tation für die Flug­lärm­kommis­sion im Juli 2022 die Hoffnung geäus­sert, dass die "teils bis zu 15dB lauter als normale Triebwerksgeräusche" auftre­tenden Geräusche "mög­licher­weise durch Ände­rung der Anflug­verfahren beein­fluss­bar" sein könnten, aber konkrete Ergeb­nisse dazu stehen bisher aus.

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Ausblick

Da viele der oben beschrie­benen Maß­nahmen noch nicht oder nicht voll­ständig umge­setzt sind und weiter (mehr oder weniger) daran gear­beitet wird, kann man hie und da noch auf kleine Erfolge hoffen. Was an techno­logischen Fort­schritten noch mög­lich wäre, war Thema der FFR-Konfe­renz ICANA 2023, wo Experten von Airbus, Boeing, Rolls-Royce, Luft­hansa, DLR und anderen, ihre Arbei­ten und guten Absich­ten dazu vor­stellen durften. Dass man nicht unbe­dingt davon aus­gehen kann, dass die dort genannten, ohne­hin begrenz­ten Mög­lichkeiten auch tatsäch­lich umge­setzt werden, zeigt sich schon daran, dass zum Schluss der Konfe­renz nahezu alle Betei­ligten davor warnten, den Lärm­schutz zugunsten des Klima­schutz zu vernach­lässigen, und forder­ten, neu entwick­elte Flug­zeuge müssten effi­zienter und leiser werden. Im Konflikt­fall hat aber die Effi­zienz mit ziem­licher Sicher­heit Vorrang.

Anderer­seits scheinen aber auch einige der in der Ver­gangen­heit für Frank­furt "hand­gestrick­ten" Flug­verfahren durch die Einfüh­rung neuer Navi­gations-Stan­dards in Gefahr zu sein, so dass durch­aus auch die Gefahr realer Ver­schlech­terungen droht. Und da man generell fest­stellen muss, dass die Luft­verkehrs­wirt­schaft ihre bei der Durch­setzung der letzten Ausbau­stufe des Flug­hafens gege­benen Ver­sprechen als abge­arbeitet ansieht und es völlig offen ist, ob es nochmal ein "Maß­nahmen­programm Aktiver Schall­schutz" geben wird, weil man dort offen­sicht­lich keine Veran­lassung mehr zu neuen Initia­tiven sieht, wird es von dieser Seite keine rele­vanten Fort­schritte geben.
Konse­quente Maß­nahmen für wirk­samen Schall­schutz wären nur zu erwarten, wenn sich die politi­schen Rahmen­beding­ungen ändern würden. Ideen dafür gibt es natür­lich.

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Reduzierung der Zahl der Flugbewe­gungen

Eine davon ist die von der 'Bundes­vereini­gung gegen Flug­lärm' (BVF) im August 2023 vorge­schlagene Redu­zierung der "Zahl der plan­baren Starts und Lan­dungen an den deutschen Verkehrs­flug­häfen bis 2030 um 20 Prozent". Dies würde erfor­dern, die Ver­gabe der genutz­ten sog. Slots an allen deutschen Verkehrs­flug­häfen jedes Jahr gegen­über dem Vor­jahr um 3% (bzw. mehr, je länger sich der Beginn verzögert) einzu­schränken.
Obwohl eine solche Maß­nahme natür­lich eine Betriebs­beschrän­kung wäre und auch ein­deutig den Charak­ter einer Aktiven-Schall­schutz-Maß­nahme hat, argumen­tiert ein dazu vorge­legtes Rechts­gutachten, dass die EU-Betriebs­beschrän­kungs­verord­nung hier nicht greifen würde, weil die Maß­nahme primär auf den Klima­schutz zielt. Diese Argumen­tation ist sicher­lich über­tragbar auf alle Arten der Reduk­tion der Flug­bewegungs­zahlen, die ja immer sowohl den Lärm als auch die klima­schäd­lichen und sons­tigen Emis­sionen senken würden.
Zugleich hätten solche Redu­zierungen natür­lich auch zur Folge, dass einige der oben beschrie­benen Maß­nahmen, die aus "Kapa­zitäts­gründen" nicht oder nicht voll­ständig umge­setzt werden konnten, dann even­tuell doch wieder möglich wären. Eine Chance, in den Katalog des FFR oder in die Liste der 'Allianz für Lärm­schutz' aufge­nommen zu werden, haben derar­tige Maß­nahmen natür­lich trotz­dem nicht.


Verbot der Lärmverteilung in der Fläche

Die wich­tigste Schall­schutz-Maß­nahme über­haupt für abseh­bare Zeit könnte aber das Verbot von Geschäfts­modellen sein, die den Flug­lärm noch weiter in der Fläche verteilen und insbe­sondere auch Innen­städte ver­lärmen wollen.
Ende 2022 hat die EU-Kommis­sion ihre "Drohnen-Strategie 2.0" ver­kündet, die die "Entwick­lung eines europä­ischen Drohen-Marktes" und "umfas­sende kommer­zielle Drohnen-Opera­tionen" (eigene Über­setzungen) ermög­lichen soll. Dass das Probleme mit sich bringen könnte, ist der Kommis­sion bekannt, denn "Um Bedenken in Bezug auf Lärm, Sicher­heit und Privat­sphäre zu adres­sieren, ruft die Strategie natio­nale, regio­nale und lokale Verwal­tungen dazu auf, sicher­zustellen, dass Drohnen-Dienste an den Bedürf­nissen der Bürger ausge­richtet sind" (eigene Über­setzung) - soweit das eben möglich ist.
Zugleich haben die europä­ischen Institu­tionen eifrig daran gear­beitet, die Voraus­setzungen für diesen Markt zu schaffen, und insbe­sondere die EASA hat 2023 nicht nur äusserst gross­zügige Grenzen für die erlaubten Lärm­belas­tungen defi­niert, sondern auch ein umfas­sendes Regel­werk für "den sicheren Betrieb von senk­recht star­tenden und landen­den Luft­fahr­zeugen (VTOL), ein­schliess­lich Luft­taxis," vor­gelegt, das "diesen innova­tiven Luft­fahr­zeugen den Weg in die Himmel der europä­ischen Städte ebnen" (eigene Über­setzungen) soll. Diese Vor­schläge wurden Anfang 2024 ohne grosse Ände­rungen bestätigt.

Fraport wollte schon lange "als erster Flug­hafen Europas das Poten­tial des elek­trischen Flug­taxis ... erschließen", aber erstmal kam die Corona-Pan­demie dazwi­schen. Inzwi­schen aber kann der geplante Partner Volo­copter Fort­schritte bei Zulas­sungen ver­melden und auf starke wirt­schaft­liche und poli­tische Unter­stüt­zung ver­weisen. Und auch die zentrale deutsche For­schungs­einrich­tung für alle Fragen der Luft­fahrt glaubt, "Drohnen und hoch­automati­sierte Flug­taxis haben das Poten­zial, den urbanen Luft­verkehr mit neuen Möglich­keiten zu berei­chern".
Luft­hansa koope­riert derweil mit einem Unter­nehmen, das schon über Flug­taxis hinaus denkt und etwas grös­sere "regio­nale Verkehrs­flug­zeuge" ent­wickeln will, die aber wohl auch noch unter die VTOL-Regulie­rungen und Normen fallen. Die Grenzen sind aber offen­sicht­lich fliessend.

Welche Lärm­belas­tungen genau nun von welchen der aktuell entwick­elten Flug­geräte - unbe­mannte Drohnen, Flug­taxis, Regional­flug­zeuge etc. - zu erwarten sind und wo sie auf­treten könnten, ist noch offen. Aber auch wenn Her­steller wie Volo­copter behaupten, ihre Geräte seien "bemer­kens­wert leise" und "in einer 120 m-Entfe­rnung in einer Stadt­land­schaft unhör­bar" (eigene Über­setzung), bleibt die Tatsache, dass die vorge­sehenen Grenz­werte deut­lich stärkere Belas­tungen zulassen und die grund­sätz­liche Wirkung dieser spezi­fischen Lärm­belas­tung noch nicht ausrei­chend erforscht ist.
Es lassen sich sicher Einsatz­möglich­keiten für Drohnen denken, die bei tole­rablen Belas­tungen gesell­schaft­lichen Nutzen bringen. Aber wenn die EU-Kommis­sion schreibt, es gehe um einen "Markt ... für kommer­zielle Opera­tionen", dann nennt sie damit auch das wirk­lich aus­schlag­gebende Krite­rium: ent­wickelt und einge­setzt wird, was Profit bringt. Dass die betrof­fenen Bürger­*innen glauben, sie hätten etwas davon, und die entste­henden Belas­tungen hin­nehmen, dafür sollen bitte die lokal und regio­nal Zustän­digen sorgen. Es liegt an uns, alles zu tun, dass mög­lichst Wenige darauf herein­fallen.


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