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29.05.2019
Europa hat gewählt - genauer gesagt, die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedsstaaten der EU haben ein gemeinsames Gremium gewählt, das zwar Parlament heisst, aber längst
nicht alle Kompetenzen hat, die man von einem echten Parlament erwarten würde. Insbesondere wählt es keine Regierung und legt kein Regierungsprogramm fest; es darf nicht einmal eigene Gesetzesinitiativen ergreifen. Bei der Zusammensetzung dessen, was einer EU-Exekutive am Nächsten kommt, der EU-Kommission, darf es lediglich mitbestimmen. Die Personalvorschläge für den Kommissionspräsidenten und die Kommissare werden von den nationalen Regierungen in für die Wähler völlig intransparenten Deals ausgehandelt.
Trotzdem sind die Kräfteverhältnisse in diesem EU-Parlament natürlich politisch von Bedeutung und werden einen erheblichen Einfluss auf die EU-Politik in den nächsten fünf Jahren haben.
Aufgrund von Umfragen wurde diese Wahl schon vorher als
Klimawahl
bezeichnet, und das Ergebnis wird teilweise euphorisch als
Grüne Welle gefeiert, die Europa überrollt habe, auch wenn viele dahinter noch
ein Fragezeichen setzen.
Tatsächlich ist mit Blick auf die
Ergebnisse Ernüchterung angesagt. Zwar ist die bisher dominierende und für die
völlig unzureichende Klima- und Umweltpolitik hauptverantwortliche Grosse Koalition aus 'Europäischer Volkspartei' und Sozialdemokraten deutlich geschrumpft, aber dazugewonnen haben neben den Grünen vor allem die extrem 'wirtschaftsfreundlichen' Liberalen, die den grössten Teil der bisherigen
neoliberalen Exzesse von Kommission und Parlament mitgetragen haben.
Als positiv muss man wohl sehen, dass innerhalb des rechten Blocks zwar die ultrarechten und nationalistisch-autoritären Gruppen, von denen die meisten auch den menschen-gemachten Klimawandel leugnen, gestärkt worden sind, dieser Block aber insgesamt bei Weitem hinter den Prognosen zurück geblieben ist - das hätte schlimmer kommen können.
Auch die deutschen Wähler haben die regierende GroKo für ihre
katastrophale Klimapolitik deutlich abgestraft. Die CDU hat insbesondere bei jüngeren Wählern schlechte Ergebnisse erzielt. Warum das so ist, zeigt beispielhaft die Auseinandersetzung um das mittlerweile berühmt gewordene
Video des sonst eher unpolitisch auftretenden Youtubers Rezo, in dem er kurz vor der Wahl die Politik der GroKo fast eine Stunde lang massiv kritisiert hat. Nach polemischen Attacken gegen ihn haben über 90 weitere Youtuber (mit Millionen Followern) in einem weiteren (deutlich kürzeren) Video ihre
Unterstützung für diese Kritik erklärt. Die folgenden Überlegungen der Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer, wie man künftig solche
Meinungsmache unterbinden könnte, hat das Ganze noch verschlimmert und ein weiteres Indiz dafür geliefert, dass die CDU nach dem Abgang von Frau Merkel noch weiter nach rechts rücken wird.
Die SPD stürzt noch tiefer ab als die CDU und landet hinter den Grünen nur noch auf Platz 3. Das mag einerseits daran liegen, dass sie für die verfehlte Politik der letzten Jahre mitverantwortlich ist, andererseits daran, dass sie ein noch desolateres Bild nach aussen abgibt. Während sich die SPD-Umweltministerin bemüht, wenigstens ein paar Umwelt- und Kimaschutz-Maßnahmen voranzubringen, lässt der SPD-Finanzminister und Vizekanzler sie immer wieder gegen die Wand laufen. Und eine frühere Stärke wird der SPD nun zum Verhängnis: viele politische Vertreter der alten fossilen Industrien Bergbau, Energie und Automobilindustrie tragen noch das SPD-Parteibuch in der Tasche und machen jeden alternativen Ansatz, wie er z.B. von den Jusos hin und wieder entwickelt wird, gnadenlos nieder. Auch dass ihr europäischer Spitzenkandidat ind den letzten fünf Jahren als 'Junckers Mann fürs Grobe' und
oberster Deregulierer aufgetreten ist, trug nicht zur Glaubwürdigkeit bei.
Die AfD hat zwar in ihren Hochburgen im Osten weiter zugelegt, stagniert aber im Westen und muss teilweise sogar Rückschläge einstecken, so dass sogar ihre Jugendorganisation nun darüber grübelt, ob das Leugnen des Klimawandels wirklich die richtige Taktik ist.
Auf der anderen Seite haben die deutschen Grünen ihr Ergebnis gegenüber der letzten Europawahl
fast verdoppelt und sind in vielen Regionen bei den jüngeren Wählern stärkste Partei geworden. Auch in einigen anderen europäischen Ländern konnten sie ihre Ergebnisse
deutlich verbessern. Dazu beigetragen hat sicher der unmittelbar vor der Wahl durchgeführte Aktionstag von 'Fridays for Future', an dem zahlreiche Großaktionen in europäischen Städten durchgeführt wurden und an dem nach
Angaben von Reuters über 1,8 Millionen Menschen weltweit teilgenommen haben. Den Linken, die diese Aktionen ebenso unterstützt haben wie die Grünen, hat das allerdings nicht geholfen. Sie stagnieren überwiegend und haben aufgrund von Sondereffekten wie in Griechenland künftig sogar deutlich weniger Sitze im EU-Parlament als bisher.
Gute Aussagen im Wahlprogramm reichen also offensichtlich nicht, um Wähler zu mobilisieren. Dass die Linke bei einigen Regierungsbeteiligungen, wie etwa in Brandenburg oder Berlin, auch eine klimafeindliche Politik zumindest toleriert hat (Braunkohle-Tagebau hier, Flughafenausbau dort), kann angesichts der mindestens genauso kritischen Bilanz grüner Regierungsbeteiligungen (etwa
in Hessen) auch nicht den Unterschied machen. Vermutlich trifft ein Kommentator in der italienischen Zeitung 'La Stampa' eher den Kern, wenn er über die Grünen sagt: "Sie stellen ... einen idealen, nicht-radikalen Protest dar, sowohl gegen traditionelle Parteien ... als auch gegen Nationalpopulisten". Schon Kurt Tucholsky hatte in der Weimarer Republik so erklärt, warum die Sozialdemokratie gewählt wird: "Man tut etwas für die Revolution und weiss genau: mit dieser Partei kommt sie nicht." Auch die Grünen vermitteln genau diese Botschaft: man tut etwas für den Klimaschutz, aber muss keine radikalen Änderungen befürchten.
Nach den Wahlen haben alle Parteien ihre Rhetorik angepasst und betonen, wie wichtig der Klimaschutz sei und dass er ab sofort eine wesentlich grössere Rolle spielen solle. Aussagen zu konkreten Änderungen in der Politik stehen aber noch aus.
Glücklicherweise haben die Aktivist*innen von 'Fridays for Future' darauf die richtige Antwort. Schon bevor die Wahlergebnisse feststanden, haben sie einen
Aufruf veröffentlicht, am 20. September als Auftakt einer Aktionswoche einen weiteren Aktionstag durchzuführen, bei dem nicht nur Schüler und Studenten, sondern alle streiken sollen. "Es ist Zeit für uns alle, massenhaften Widerstand zu leisten - wir haben gezeigt, dass kollektive Aktionen funktionieren. Wir müssen den Druck erhöhen, um sicherzustellen, dass der Wandel passiert. Und wir müssen ihn gemeinsam beschleunigen. ... Dies wird nicht der letzte Tag sein, an dem wir auf die Straße ziehen müssen, aber es wird ein neuer Anfang sein."
In Großbritannien haben Prominente diese Aufforderung bereits aufgegriffen und einen
eigenen Aufruf veröffentlicht. Auch in Deutschland weisen immer mehr Menschen, selbst
Beraterinnen der Bundesregierung, darauf hin, dass sehr viel mehr passieren muss. Die Wahlen alleine verändern nichts, und ohne radikale Veränderungen wird nichts besser. Die Widerstände dagegen können nur überwunden werden, wenn die Aktionen weitergehen und noch sehr viel breiter und wirksamer werden.
Und auch der Kampf gegen das immer weitere Wuchern des Luftverkehrs und seiner negativen Folgen wie Lärm und Schadstoff-Belastung kann nur erfolgreich sein, wenn er in den Kampf zum Schutz des Klimas integriert wird und dadurch ebenfalls eine breite Unterstützung gewinnt.
09.05.2019
Die Berichterstattung über die Sondersitzung der Fluglärmkommission am 07.05. ist geprägt von einer Zahl: 126. Die FR titelt direkt Fraport peilt 126 Flüge pro Stunde an, die FAZ ist etwas moderater, erwähnt die Zahl aber auch. Fraport selbst weist in ihrer Präsentation darauf hin, dass dieser 'Zielwert' schon lange bekannt sei und aktuell "in 5-10 Jahren" angestrebt wird. Tatsächlich geistert er schon lange durch die Diskussion.
Neuigkeitswert haben da eher die Angaben, dass die Zahl der maximal möglichen Flugbewegungen bis 2020 auf dem heutigen Stand von 104 bleiben und mit den
beiden Ausbaustufen von Terminal 3 auf 107 und 110 wachsen soll.
Nicht neu, aber immer wieder bemerkenswert ist die Frechheit, mit der Fraport ihre Pläne in der Öffentlichkeit präsentiert. Dass die Steigerungen notwendig sind, liegt am gottgebenen Wachstum der Nachfrage, und sie technisch möglich zu machen, ist Sache der Flugsicherung. Wörtlich heisst es:
"Die Organisation des Luftraums, die Sicherstellung der jeweils erforderlichen Luftraumkapazität einschließlich Sicherheit und Qualität und das hierfür notwendigen Flugbetriebsregime obliegt der DFS und nicht der Fraport."
Was den Fluglärm angeht, muss ja sowieso laut Gesetz 2021 überprüft werden, ob Anpassungen notwendig sind. Und Schadstoffbelastung und Klimawandel haben für Fraport noch nie eine Rolle gespielt.
Seltsam hilflos ist die Reaktion der Fluglärmkommission auf das Fraport-Ansinnen. Zwar klingt es zunächst nicht schlecht, wenn der Vorsitzende in der
Pressemitteilung zur Sitzung fordert "Die künftige Beantragung und Genehmigung einer Erhöhung der Eckwerte muss auch davon abhängig gemacht werden, ob die Einhaltung der Lärmschutzvorgaben am Standort Frankfurt sichergestellt sind!"
Es fragt sich allerdings, von welchen 'Lärmschutzvorgaben' die Rede ist. Die lächerliche
Lärmobergrenze kann nicht ernsthaft gemeint sein, es bleibt höchstens noch die Anpassung der sog. 'Lärmschutzbereiche' und der damit verbundene Anspruch auf passiven Schallschutz. Der ist aber sowieso völlig unzureichend und wird auch nach der
jüngsten Bestandsaufnahme höchstens von der Hälfte der Berechtigten überhaupt genutzt. Und auch vom 'Maßnahmeprogramm Aktiver Schallschutz' des Umwelt- und Nachbarschaftshauses ist, wie
zu erwarten war, diesbezüglich
nichts zu erhoffen.
So bleibt es also erst einmal dabei: Fraport profitiert weiterhin vom hierzulande immer noch
anhaltenden Trend zu mehr Flugreisen, und in der Konsequenz nehmen Lärm und Schadstoff-Belastung entsprechend zu. Mit Inbetriebnahme des Terminal 3 kann Fraport auch wieder höhere Wachstumsraten erzielen als heute, aber es gibt noch eine Reihe
weiterer Grenzen, die nicht so leicht zu überwinden sind.
Ob das Bahnensystem von FRA und die Kapazität des Luftraums über Rhein-Main wirklich 126 Flugbewegungen pro Stunde erlauben, ist nach wie vor ungeklärt. Insbesondere die noch immer unklare
Leistungsfähigkeit der Südumfliegung birgt die Gefahr, dass diese Kapazität nur mit drastischen Maßnahmen wie direkten Abflügen über Raunheim, die bisher nur
als Ausnahme auftreten, erreicht werden könnte. Dagegen wären dann entsprechend drastische Gegenmaßnahmen unverzichtbar.
Dass es aber auch heute schon genug Gründe gibt, gegen die Expansionswut von Fraport drastischer vorzugehen als bisher, kann man in dem Beitrag nachlesen, den wir vor drei Tagen veröffentlicht haben. Die Aktivisten in London wären für eine solche Unterstützung sicher dankbar.
Das gehört eigentlich zusammen: das Banner einer Kampagne für eine Ausrufung des Klimanotstands
Cedamia und das Logo einer Kampagne gegen den Bau einer dritten Bahn in Heathrow Stop Heathrow Expansion.
06.05.2019
In Großbritannien gab es in den letzten Tagen interessante und auch für uns wichtige Entwicklungen (unabhängig vom 'Brexit'). Zum ersten hat das Unterhaus eine Kernforderung der Demonstranten erfüllt, die in den letzten Wochen London partiell lahmgelegt hatten, und eine
Resolution angenommen, in der der
Klima-Notstand erklärt wird. Das ist zwar nur eine politische Deklaration und hat keine unmittelbaren Konsequenzen, gibt dem Thema aber eine ganz andere Bedeutung.
Genau genommen spricht die Resolution von einem "Umwelt- und Klima-Notstand" und fordert von der Regierung u.a., den in Großbritannien seit 2008 geltenden Climate Change Act dahingehend zu verschärfen, dass eine Netto-Null-Emission von Treibhausgasen bereits vor 2050 erreicht wird. In der
Parlaments-Debatte wurden etliche weitere kritische Punkte und bisherige Versäumnisse angesprochen, darunter auch die Zustimmung eben dieses Parlaments zum Bau der dritten Bahn am Londoner Flughafen Heathrow vor knapp einem Jahr.
Nahezu zeitgleich hat das offizielle Beratungsgremium der Regierung, das Committee on Climate Chance (CCC), einen
Bericht vorgelegt, in dem drastische Maßnahmen gegen den Klimawandel vorgeschlagen werden. Auch danach soll Großbritannien bis 2050 das Ziel der Netto-Null-Emission von Treibhausgasen erreichen.
Der Bericht enthält auch Aussagen zum Luftverkehr. In einer
Zusammenfassung dazu heisst es:
Aber ebenfalls nahezu zeitgleich hat das Oberste Gericht, der High Court, eine Klage von Kommunen, Umweltverbänden und Einzelpersonen gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn am Londoner Flughafen Heathrow
zurückgewiesen. Die Klage stützte sich im Wesentlichen darauf, dass dieses Projekt im Widerspruch steht zu den Klimazielen der Regierung und des Pariser Abkommens und ebenso mit den Regeln zur Luftreinhaltung, zum Lärmschutz und zur Erhaltung der Biodiversität unvereinbar ist.
Das Urteil ist für Nicht-Juristen und mit dem englischen Rechtssystem nicht Vertraute nahezu unverständlich, aber aus den
Kommentaren der Kläger ist ablesbar, dass die Ablehnung überwiegend aus formalen Gründen erfolgte und keineswegs endgültig ist. Zum einen gibt es Revisionsmöglichkeiten, die zumindest von
einigen Klägern wahrgenommen werden, zum anderen können viele der aufgeworfenen Fragen auch nach Meinung des Gerichts in den folgenden Stufen des Planungsprozesses erneut beklagt werden. Dass dieser Ausbau mit den alten und erst recht mit den neuen Klimazielen
unvereinbar ist, steht für die Kläger
ausser Frage und wird auch vom Gericht nicht bestritten.
Während die juristischen Auseinandersetzungen sehr spezifisch für das jeweilige Rechts- und Planungs-System sind, sind die politischen Schlussfolgerungen, die aus solchen Entwicklungen zu ziehen sind, eher verallgemeinerbar. Die hier beschriebenen, innerhalb von zwei Tagen veröffentlichten Meldungen fassen es wie mit einem Brennglass zusammen: es genügt nicht, kluge und fundierte Analysen der Probleme und Strategien für ihre Lösung zu haben und richtige und wegweisende politische Erklärungen in den Gremien durchzusetzen. Der wirkliche Erfolg stellt sich erst ein, wenn das schädliche praktische Vorgehen tatsächlich gestoppt und eine alternative Entwicklung eingeleitet werden kann. In einer
Pressemitteilung von Plan B und Extinction Rebellion bringt es Tim Crosland auf den Punkt:
Die gesellschaftlichen Kosten für das Fliegen sind hoch, aber sie werden ganz überwiegend nicht von denen getragen, die fliegen.
03.05.2019
Dass der Luftverkehr
mehr für den Klimaschutz tun muss, wird inzwischen auch in konservativen Kreisen gefordert, was aber konkret getan werden sollte, bleibt heftig umstritten. Eine Forderung aus der Umweltbewegung, die Reduzierung der Steuerprivilegien der Luftfahrt, könnte jetzt massive politische Unterstützung bekommen. Die EU-Kommission hat in einer
Pressemitteilung verkündet, dass sie eine 'Europäische Bürger-Initiative' mit dem Titel "Aufhebung der Steuerbefreiung für Flugtreibstoff in Europa" zugelassen hat.
Im Kern handelt es sich dabei um eine Petition an die Kommission, unter die EU-weit Unterschriften gesammelt werden. Sollten mehr als eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Staaten zusammen kommen, wäre die Kommission verpflichtet, das in der Petition formulierte Anliegen zu behandeln. Eine Verpflichtung, die Forderung genau so umzusetzen, gibt es allerdings nicht.
Trotz dieser Unverbindlichkeit würde eine so breite Unterstützung für eine Kerosin-Besteuerung natürlich politischen Druck ausüben, der deutlich über den hinausgeht, den die Umweltverbände in den letzten Jahren dafür entwickeln konnten. Vor fast zehn Jahren ist eine
ähnliche Petition an den Deutschen Bundestag kläglich gescheitert, und auch die
aktuell laufende Sammlung kommt nicht wirklich voran. Angesichts der
drastisch steigenden Emissionen von Treibhausgasen aus dem Flugbetrieb ist aber die
Unterstützung für die Forderung nach Kerosin-Besteuerung in den letzten Monaten in Europa sichtbar gewachsen und hat sogar einzelne
CSU-PolitikerInnen erreicht. Die Ausgangsbedingungen haben sich also verbessert.
Der genaue Wortlaut der Petition wird in Kürze von der EU veröffentlicht, und ab dem 10. Mai kann die Unterschriften-Sammlung beginnen. Die Prozedur für die Unterschrift wird ähnlich sein wie vor fünf Jahren bei der Initiative gegen das Freihandelsabkommen TTIP, die von der EU-Kommission nicht zugelassen wurde, aber trotzdem
über 3 Millionen Unterschriften gesammelt hat.
Natürlich organisiert sich auch der Widerstand gegen eine solche Forderung, und die publizistischen Verteidiger der
grenzenlosen Freiheit des Fliegens sind längst in Stellung. So hat der Lobbyverband BDL in einer
Pressemitteilung in der üblichen dumm-dreisten Art und Weise behauptet, dass es für die Luftfahrt gar keine neuen Instrumente brauche, weil ja alles schon auf dem besten Weg sei, und mit den bisherigen und geplanten
Kompensationsmassnahmen sei
"dem Klima mehr geholfen als mit neuen zusätzlichen Steuern wie etwa einer Kerosinsteuer oder einer CO2-Steuer, die dem Klima nichts nutzen, sondern lediglich Verkehr zu Wettbewerbern verlagern". Und sie finden natürlich auch einen 'Experten', der diesen Unsinn
mit Zahlen zu untermauern versucht - natürlich mit sehr begrenztem Erfolg.
Etwas seriöser kommt eine
andere Analyse daher, und hier muss man etwas mehr Aufwand treiben, um die falschen oder unvollständigen Aussagen, die Brüche in der Logik der Argumentation und die nur ideologisch, aber nicht faktisch begründeten Behauptungen zu entschlüsseln, aber das Ergebnis ist dasselbe: es gibt keine ernsthaften Argumente gegen diese Besteuerung.
Die Initiative ist daher sicherlich unterstützenswert, aber während bei TTIP, CETA & Co. die Ablehnung der Verträge die Kernforderung war, muss man sich schon fragen, welchen Stellenwert die Forderung nach Kerosin-Besteuerung im Kampf gegen den expandierenden Flugverkehr haben kann.
An erster Stelle steht dabei natürlich die Frage, inwieweit steuerliche Instrumente die gewünschten wirtschaftlichen und politischen Effekte haben. Bei beiden gibt es Grund zum Zweifel. Politisch sind natürlich Steuersenkungen viel attraktiver, weshalb sogar CSU-Minister Scheuer so etwas bei der Bahn
als Klimaschutz-Instrument verkaufen möchte. Aber schon innerhalb der Bundesregierung gibt es dagegen
Widerstand, und es gibt
gute Gründe, diesen Vorschlag für unzureichend zu halten. (Trotzdem ist die
entsprechende Petition unterstützenswert.)
Generell aber wachsen überall die Zweifel, ob die 'markt-basierten Maßnahmen' tatsächlich das Allheilmittel sind, und die politische Unterstützung dafür schwindet
sowohl in der Wirtschaft als auch
in der Bevölkerung. Nicht nur die Erfahrungen mit der Bewegung der 'Gelbwesten' in Frankreich, auch die jüngsten
Wahlen in Kanada und die
Ergebnisse des EU-Emissionshandelssystems verstärken diesen Trend. Wenn man das neoliberale Dogma, wonach der Markt alles am Besten regelt, erst einmal überwunden hat, ist es trivial: wenn ein Stoff in der Umwelt Schaden anrichtet, muss man seine Freisetzung regulieren; und je grösser der Schaden ist, desto strenger muss die Regulierung sein.
Daher sollte die Diskussion um die Kerosin-Besteuerung, die jetzt einsetzen wird, dazu genutzt werden, das politische Bewußtsein für das Problem zu wecken. Die wirklichen Lösungen werden nicht in der Besteuerung liegen, sondern in darüber hinaus gehenden Maßnahmen, die das Problem an der Wurzel anpacken, nicht zuletzt eben auch durch reale Einschränkungen beim Flugverkehr. Wenn also die Kampagne, deren erster Schritt, die Zulassung der Initiative, jetzt gegangen ist, Erfolg haben sollte, ist der Weg noch lange nicht beendet. Weitere Schritte müssen folgen, bis der Flugverkehr auf ein nachhaltig vertretbares Maß reduziert ist.
Fossile am Werk - Fraport, Landesregierung und Stadt Frankfurt, vertreten von Aufsichtsratschef Weimar, Vorstandschef Schulte, Finanzminister Schäfer und Bürgermeister Becker, mauern eine 'Zeitkapsel' in eine Säule ein, die einen 'Grundstein' symbolisieren soll. Es wird wohl nicht allzu lange dauern, bis diese Säule als Mahnmal für die Dummheit und Ignoranz der heute Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft gesehen werden wird.
30.04.2019
Wie angekündigt, hat Fraport in einer Zeremonie mit laut FNP rund 700 Gästen aus Wirtschaft und Politik den Grundstein für Terminal 3 gelegt. Die FR schreibt von einem Festakt mit 660 geladenen Gästen und stellt heraus, wer nicht da war: "Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir schickt Vertretung zur Grundsteinlegung", weil er zwar auch als Bauminister unterwegs war, aber lieber ein Wohnhaus eingeweiht hat. Oberbürgermeister Feldmann war auch nicht da, begründete das aber nicht weiter. Und Ministerpräsident Bouffier konnte wegen einer Erkrankung nicht dabei sein.
So blieb es also Finanzminister Schäfer überlassen, zu demonstrieren, dass die Landesregierung in den letzten zwanzig Jahren nichts dazugelernt hat und stolz darauf ist, die alten Planungen stur durchzuziehen, auch wenn sie längst in krassem Gegensatz zu dem stehen, was heute notwendig wäre. Sein Parteifreund, Bürgermeister Becker aus Frankfurt, durfte immerhin daneben stehen, als er zusammen mit Fraport-Chef Schulte den feierlichen Akt vollzogen hat, während Al-Wazirs Stellvertreter, Staatssekretär Deutschendorf, in die zweite oder dritte Reihe verbannt war. Wer will, mag spekulieren, ob das einen tiefergehenden Hintergrund hat.
Der Festakt selbst bestand darin, eine sog. 'Zeitkapsel' in eine vorbereitete Säule einzumauern. Darin enthalten sein sollen neben einer Flasche hessischem Staatswein auch aktuelle Ausgaben der vier Frankfurter Tageszeitungen (ja, vier! Für das städtische Presseamt ist auch BILD eine Zeitung, und sogar die meistverkaufte in Frankfurt, wenn auch mit dem wenigsten Inhalt.).
Ob sich spätere Generationen daraus mal ein Bild von den aktuellen Diskussionen machen können, darf mit Blick auf die Berichterstattung über diese Grundsteinlegung bezweifelt werden. Zwar haben alle (bis auf BILD) mehrere Beiträge dazu im Blatt, sie konzentrieren sich aber fast alle auf die Fraport-Argumentation über die Notwendigkeit weiteren Wachstums. An der Spitze natürlich die FAZ, die bereits vorab gleich in zwei Beiträgen deutlich machte, dass
Erweiterte Kapazitäten dringend nötig seien und beim Ausbau
Eile geboten sei. Da kann sie sich beim Ereignis selbst auf einen
Kurzbericht mit den wichtigsten Stichworten beschränken.
Als einzigen kritischen Punkt findet man dort in einem
Kommentar den Hinweis auf die schlechte Verkehrsanbindung, verbunden mit der Empfehlung an alle Ausbaugegner, sie sollten doch "ihre Energie lieber auf ein anderes Ziel lenken, nämlich auf die Anbindung des Terminals 3 an die S-Bahn". Auch der
FR-Kommentar konzentriert sich im Wesentlichen darauf. Zu diesem Aspekt hat Petra Schmidt von der BI Mörfelden-Walldorf in einem
Redebeitrag in der gleichzeitig stattfindenden Mahnwache in Terminal 1 alles Notwendige gesagt, aber davon erfahren die FAZ- und FR-Leser natürlich nichts. FNP und
Hessenschau bringen gar keine eigene Kritik, sondern verstecken Hinweise auf Kritik anderer in längeren Beiträgen, die ansonsten das Ausbauprojekt in leuchtenden Farben und Bildern darstellen.
Bei der Mahnwache der Ausbaugegner war
Minister Al-Wazir zumindest mit einem Zitat präsent ...
Zwar hat die FNP schon vorab ein
Interview mit BBI-Sprecher Thomas Scheffler gebracht, und die FR widmet der
Mahnwache der Ausbaugegner einen
eigenen Beitrag, aber das reicht natürlich längst nicht aus, um das schiefe Bild, das aufgrund der Berichterstattung in der Öffentlichkeit entsteht, irgendwie zu korrigieren.
Von Qualitätsmedien müsste man eigentlich erwarten, dass sie von sich aus ein solches Projekt einer kritischen Würdigung mit allen relevanten Aspekten unterziehen. Dazu würde natürlich in erster Linie gehören, die Frage zu stellen, wie ein solches Projekt, dass dem weiteren massiven Wachstum des Flugverkehrs dienen soll, mit dem Ziel vereinbar sein soll, den Klimawandel auf ein irgendwie erträgliches Maß zu begrenzen. Dazu würde ebenso gehören, deutlich zu machen, dass die Luftverkehrsindustrie ihre Treibhausgas-Emissionen noch über Jahrzehnte weiter anwachsen lassen will, was mit dem Ziel, den globalen Temperaturanstieg mögichst auf 1,5°C zu beschränken, absolut unvereinbar ist. Und dazu würde auch gehören, die durch dieses geplante Wachstum zwangsläufig bedingte Steigerung von Lärm und Schadstoff-Belastung darzustellen und sie in Relation zu setzen zu den Zielen, die von nationalen und internationalen Gremien zur Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung gesetzt werden.
Stattdessen ignorieren sämtliche Zeitungen diese Aspekte nahezu komplett, und in der Hessenschau darf ein 'Luftfahrtexperte' über Elektroflugzeuge und alternative Treibstoffe schwadronieren, als wäre das aktuell auch nur im Geringsten relevant.
Und leider muss man auch konstatieren, dass es den Bürgerinitiativen und Umweltbewegungen nicht gelingt, ihre Widerstands-Aktionen so zu gestalten, dass die Medien gezwungen wären, diese Aspekte in ihre Berichterstattung aufzunehmen. So berechtigt es ist, das Versagen bestimmter Politiker und Manager anzuprangern, viel wichtiger ist es, plakativ deutlich zu machen, welche Folgen dieses Versagen für Mensch und Umwelt hat. Das richtige Symbol dafür ist nicht der Grabstein, der womöglich noch signalisieren soll, dass nun alles zu spät ist. Richtiger wäre es, deutlich zu machen, dass Fraport und Landesregierung hier zwar einen Grundstein für die weitere Zerstörung der Region und des Weltklimas legen, dass das aber auch der Grundstein für eine neue Phase des Widerstands sein kann, in der alle, die die Klimakatastrophe verhindern wollen, auch die Luftverkehrswirtschaft in ihrem Wachstumswahn bremsen und den Luftverkehr auf ein klimaverträgliches Niveau reduzieren wollen.
Was immer Fraport auch in die Landschaft betoniert - ihre Wachstums-Phantasien können langfristig nicht Bestand haben. Zwar gibt es keinerlei Garantie, dass die Grenzen dieses Wachstums rechtzeitig genug gezogen werden, um die Klimakatastrophe zu verhindern, aber sie werden wirksam werden - je früher, desto besser. Terminal 3 ist, wie der Flughafenausbau insgesamt, eine gigantische, umwelt- und gesundheit-zerstörende Fehlinvestition, und die muss gestoppt werden. Je später das gelingt, desto teurer wird es, aber zu spät ist es nie.
Wenn geflogen wird und der Wind richtig steht, werden mehr ultrafeine Partikel gemessen; wird nicht geflogen oder weht der Wind zu schwach oder aus der falschen Richtung, geht die Anzahl zurück - ein deutlicher Hinweis darauf, wo die Partikel herkommen.
19.04.2019
Wie erhofft, gibt es auch mal wieder neue Ergebnisse zu den Belastungen durch Ultrafeinstaub, aber sie stammen (noch?) nicht aus dem im Herbst letzten Jahres angekündigten HLNUG-Programm, sondern einmal mehr von der Mainzer BI-Arbeitsgruppe um Wolfgang Schwämmlein und Joachim Alt. Möglicherweise ist auch die Stabsstelle Fluglärmschutz Frankfurt beteiligt, denn die ausgewerteten Meßwerte stammen von einer der beiden Frankfurter Meßstationen, die lange umstritten waren und von denen wir immer noch nicht so genau wissen, wer sie eigentlich betreibt und auswertet.
Nun hat aber Joachim Alt in einer Veranstaltung der BI Sachsenhausen Auswertungen präsentiert, die auch die Frankfurter Neue Presse veranlassen
zu fragen: "Sind Flugzeuge die Quelle der extremen Ultrafeinstaubbelastung?" Darin wird wieder einmal sichtbar, was man aus den Messungen in Raunheim schon
vor drei Jahren ablesen konnte, was aber auch damals
offiziell bestritten wurde: wenn Flugzeuge an der Meßstation vorbeifliegen, gehen, abhängig vom Wind, die Partikelzahlen deutlich in die Höhe. Fliegen sie nicht, passiert nichts, egal, wie der Wind weht.
Auch heute findet sich wieder eine offizielle Stimme, die die alten Gebetsmühlen ableiert, diesmal aus dem Frankfurter Umweltdezernat und
zitiert von der FR: "Die Erforschung des Ultrafeinstaubs stecke noch „in den Kinderschuhen“. Es gebe noch keine Grenzwerte, die „Methodik der Messungen“ sei noch nicht ausgereift. „Sehr diffizil“ ... sei die Standortfrage" usw.. Das erinnert an das UFP-Monster im Raunheimer Wald und andere dumme Sprüche, die die Weigerung kaschieren sollten, sich ernsthaft mit der Problematik auseinander zu setzen. Dass derart gebündelte Ignoranz die "Zuständigkeit für die Luftreinhaltung" in Frankfurt für sich reklamieren kann, wirft ein bezeichnendes Licht auf die dortige Umweltpolitik.
Auf Dauer werden sich aber auch die hiesigen Verantwortlichen nicht der
andernorts längst akzeptierten Erkenntnis entziehen können, dass von startenden und insbesondere von landenden Flugzeugen eine besondere UFP-Belastung für die überflogene Region ausgeht. Selbst eine Arbeitsgruppe des UK-Umweltministeriums, das diese Tatsache auch aus der Diskussion um die Erweiterung des Londoner Flughafens Heathrow heraushalten möchte, bestätigt diese Einschätzung in einer sehr ausführlichen und aktuellen
Übersicht über den (internationalen) Kenntnisstand zur UFP-Belastung. Dort kann man auch nach
lesen, dass im UK nach offi
ziellen Schät
zungen bereits heute der Luft
verkehr den größten Anteil an den UFP-Emis
sionen hat und dieser Anteil weiter zunehmen wird.
Auch das HLNUG wird nicht darum herum kommen, seine Messungen wieder
an diese Fakten anzupassen.
Die Frage ist eigentlich nur, wieviel Zeit noch verplempert und wieviel Geld noch vergeudet werden muss, bis sich diese Einsicht endlich durchsetzt und die richtigen Meßgeräte an den richtigen Stellen aufgestellt werden, um wirklich ein brauchbares Bild von der vorhandenen Belastung und ihren Quellen zu erhalten. Beides ist eigentlich viel zu knapp für die Spielchen, die die Landesregierung, die HLNUG und auch die Stadt Frankfurt immer noch treiben.
"Den Blick weiten" ist sicher nützlich,
aber er sollte auch nach oben gehen ...
10.04.2019
Nach einem Tagesschau-Kommentar hat jetzt "in der Debatte um saubere Luft ... die versammelte deutsche Wissenschaft gesprochen". Was sie gesagt hat, stellt sich in den Medien recht unterschiedlich dar. Die einen stellen in den Vordergrund, dass Fahrverbote wenig erfolgversprechend oder kritisch sind, andere finden die Aussage wichtiger, dass Feinstaub das eigentliche Problem sei. Das ist alles nicht falsch, aber es lohnt sich, genauer hinzuschauen, wer da was gesagt hat.
Es geht um eine
Stellungnahme der
Akademie Leopoldina mit dem Titel "Saubere Luft – Stickstoffoxide und Feinstaub in der Atemluft: Grundlagen und Empfehlungen (2019)", die sich nach eigener Aussage im Auftrag der Bundeskanzlerin "mit der wissenschaftlichen Evidenz zur Luftverschmutzung durch Stickstoffoxide (insbesondere NO2) beschäftigt", aber "dieses Thema in Zusammenhang mit der weitaus schädlicheren Belastung der Atemluft durch Feinstäube" betrachtet und auch den "noch wichtigeren Aspekt des Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem Kohlenstoffdioxid (CO2)" hinzunimmt.
Im Ergebnis empfiehlt sie laut eigener
Pressemitteilung eine "bundesweite Strategie zur Luftreinhaltung und eine nachhaltige Verkehrswende". Das geht deutlich über die in der Tagespresse hervorgehobenen Inhalte hinaus, verspricht aber mehr, als es hält.
Zunächst: die Leopoldina ist nicht die 'versammelte deutsche Wissenschaft', sondern eine der traditionsreichen, ursprünglich naturwissenschaftlich-medizinisch ausgerichteten, elitären Gemeinschaften, die sich ihre Mitglieder selber aussuchen und daher den wissenschaftlichen Mainstream repräsentieren. Sie wurde allerdings 2008 mit dem Titel "Nationale Akademie der Wissenschaften" Deutschlands geadelt, und zu ihren Aufgaben gehört explizit auch die Politikberatung.
Zur Bewältigung der von Frau Merkel gestellten Aufgabe, den von einer Handvoll Auto-Lobbyisten und ihren Helfern angefachten
Streit um Grenzwerte zu klären, hat sie eine 20köpfige
interdisziplinäre Arbeitsgruppe einberufen, die nach Anhörung weiterer Expert*innen die Stellungnahme verfasst hat. Die erhält damit durchaus besonderes Gewicht in der politischen Diskussion, repräsentiert aber nicht zwangsläufig in allen Aspekten den wissenschaftlichen Konsens.
Fachlich enthält die Stellungnahme wenig Neues, aber die politischen Bewertungen sind interessant. So wird die Plausibilität und Gültigkeit des Grenzwerts für Stickstoffdioxid bestätigt, aber darüber hinaus werden auch die rechtlichen Grundlagen betrachtet und die jüngsten Tricksereien zur Vermeidung von Fahrverboten sehr kritisch gewürdigt - eine der "versteckten Ohrfeigen" für die Bundesregierung, die der Tagesschau-Kommentator aus der Stellungnahme herausliest.
In Bezug auf Feinstaub wird deutlich festgestellt, dass er wesentlich stärkere gesundheitliche Gefährdungen bewirkt als Stickoxide, allerdings bleibt sowohl die Diskussion der unterschiedlichen Feinstaub-Quellen als auch der verschiedenen Komponenten relativ oberflächlich. Ultrafeinstaub wird als besonders gefährlich erwähnt, aber die daraus zu ziehenden Konsequenzen bleiben weitgehend offen. Dafür wird an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass Stickoxide Vorläufer-Substanzen von Feinstaub sind und auch deswegen reduziert werden müssen.
Als Drittes wird deutlich hervorgehoben, dass die wohl problematischsten Emissionen des Verkehrs die Treibhausgase sind, die dieser ausstösst, und dass jede Minderungsstrategie auch darauf abzielen muss, deren Menge zu reduzieren und damit das Klima zu schützen.
Diese ganzheitliche Perspektive, die die Aufgaben der Luftreinhaltung im Zusammenhang sieht und damit verhindert, dass ein Schadstoff gegen einen anderen ausgespielt werden kann, ist wohl der stärkste Aspekt dieses Papiers. Wenn es trotzdem unvollständig ist, dann liegt das daran, dass es sich fast ausschließlich auf den Strassenverkehr konzentriert. Aber gerade, wenn man die großflächigen Belastungen mit Schadstoffen und die Emission von Treibhausgasen in den Blick nimmt, kann man den Flugverkehr nicht aussen vor lassen. Es ist schon lange bekannt, dass er mehr zur Stickoxid-Belastung beiträgt als beispielsweise die Industrie, und der Beitrag zur Ultrafeinstaub-Belastung wird immer deutlicher, vom Beitrag zum Klimawandel ganz zu schweigen. Eine Strategie zur Luftreinhaltung, die keine Maßnahmen zur Reduktion der Belastungen durch den Flugverkehr beinhaltet, bleibt daher Stückwerk. Und eine nachhaltige Verkehrswende ist ohne eine Reduktion des klimaschädlichsten Verkehrssektor ohnehin nicht vorstellbar.
Wofür der Grundstein wirklich gelegt wird ...
09.04.2019
In rund drei Wochen, am 29. April, will Fraport den Grundstein für das Hauptgebäude von Terminal 3 legen. Eine besondere praktische Bedeutung für den Baufortschritt hat das nicht, aber Fraport nutzt wie immer gerne die Symbolik, die in alten Bräuchen steckt. Zwar wissen wir nicht, wer den Stein legen oder darauf herumhämmern darf, und auch nicht, was die 'Zeitkapsel' enthält, die bei sowas meist mit eingemauert wird, aber ein anderer Zweck ist klar: Fraport lässt die Politiker antanzen, die öffentlich ihre Unterstützung für dieses Projekt bekunden sollen (und grösstenteils wollen).
Ahnlich wie beim
ersten Spatenstich kann man nun auch wieder darüber spekulieren, ob Minister Al-Wazir diesmal teilnehmen wird, oder ob er sein früheres Versprechen ("Mit mir wird es kein Terminal 3 geben.") weiter so 'konkretisiert', dass bei solchen Terminen sein Staatssekretär ran muss. Einen Unterschied macht es nicht.
Für uns ist dieser Termin Anlass, noch einmal zu rekapitulieren, wofür da der Grundstein gelegt wird. Terminal 3 ist der letzte Schritt der aktuellen Ausbau-Phase, mit der die Kapazität des Flughafens auf mindestens 701.000 Flugbewegungen pro Jahr, wenn möglich aber auch mehr, gesteigert werden soll. Das vergangene Jahr hat sehr deutlich bewiesen, dass die Terminalkapazitäten, insbesondere die Sicherheitskontrollen, bereits jetzt
Engpässe sind, die das Wachstum des Flughafens hemmen, wenn auch nicht die entscheidenden. Aber ohne Verbesserungen in diesem Bereich wären die nächsten Wachstumsschritte nicht möglich, da die Terminals 1 und 2, die für zusammen etwa 68 Millionen Passagiere jährlich angelegt wurden, bereits jetzt ausgelastet sind.
Terminal 3 soll daher die Grundlage liefern dafür, dass die Zahl der Flugbewegungen spätestens ab dem übernächsten Jahr, wenn der
Billigflugsteig G in Betrieb gehen und jährlich 4 bis 5 Millionen Billigflieger abfertigen soll, wieder kräftig wachsen kann. Insgesamt soll es die Abfertigung von bis zu 25 Millionen Passagieren pro Jahr erlauben. Und damit ist es auch die Grundlage für all die negativen Folgen, die mit diesem Wachstum verbunden sind: mehr Lärm, mehr Schadstoffe, mehr Treibhausgase, und damit auch mehr Krankheiten, mehr Umweltschäden, und eine weitere Verstärkung des Klimawandels.
Das ist zwar ein Cartoon, aber leider kein Witz:
Wenn Terminal 3 in Betrieb geht, zahlen die Anwohner
mit ihrer Gesundheit. (Original: Harm Bengen, Toonpool)
Der Umgang der Fraport mit diesen Belastungen ist eine Unverschämtheit, die kaum noch in Worte zu fassen ist. Überwiegend werden sie natürlich ignoriert und ihre Konsequenzen geleugnet. Wenn sie sich aber mal dazu äussern, kommt das einer Verhöhnung der Betroffenen gleich, wie etwa mit der Präsentation in der jüngsten Sitzung der Fluglärmkommission, die angeblich "Das Betriebskonzept von T3 im Hinblick auf die Vermeidung von Lärm- und Schadstoffemissionen" darstellen sollte. Präsentiert wurden uralte, längst überholte Ergebnisse von Gutachten aus dem Planfeststellungsverfahren, die auch noch so ausgewählt waren, dass die wichtigen Fragen garnicht thematisiert wurden.
Zum Lärm erfährt man darin nur, dass es durch den 'Roll- und Bodenlärm', d.h. durch alles, was sich auf dem Flughafengelände motorisiert am Boden bewegt, in Walldorf und Zeppelinheim deutlich lauter wird, der Fluglärm aber (dort) nicht zunimmt. Helfen sollen leisere Triebwerke, die die Airlines nutzen oder auch nicht. Möglichkeiten, hier anderweitig Abhilfe zu schaffen, etwa durch Lärmschutzwände oder durch Ausbau und Erhalt der letzten Waldstreifen für mehr Lärmschutz, werden nicht einmal diskutiert. Die gewaltige Zunahme des Fluglärms an anderen Orten und der Lärm durch den Erschliessungsverkehr werden nicht thematisiert.
Fast noch schlimmer ist aber der Umgang mit den Schadstoff-Emissionen. Als hätte es in den letzten Jahren keine neuen Erkenntnisse gegeben, wird die Ultrafeinstaub-Problematik weiter komplett ignoriert, und zu Stickoxiden werden die alten, völlig falschen Prognose-Rechnungen präsentiert, wonach die Stickoxid-Emissionen aus dem Kraftfahrzeugbereich stärker abnehmen sollen als die aus dem Flugbetrieb zunehmen. Im Ergebnis wird dann, angesichts des Diesel-Skandals nachweislich falsch, festgestellt: "Entlastung bei Luftschadstoffen durch günstige Entwicklung der Kfz-Emissionen"
Dass die Fluglärmkommission diese Frechheit offensichtlich kommentarlos zur Kenntnis genommen hat, anstatt Fraport dafür öffentlich an den Pranger zu stellen und sie aufzufordern, das Ganze nochmal mit ordentlich ermittelten, aktuellen Ergebnissen abzuliefern, ist ein schwerwiegender Mangel. Erklärbar ist er wohl nur dadurch, dass die meisten Beteiligten es längst aufgegeben haben, von Fraport irgend etwas Brauchbares zu erwarten.
Fraport unterscheidet sich damit allerdings nur unwesentlich von anderen Flughafen-Betreibern in Deutschland. Anläßlich seiner 'Frühjahrstagung' feuert deren
Dachverband ADV eine wahre Breitseite an Presseerklärungen ab mit unterschiedlichsten Subventionsforderungen, mal für Regionalflughäfen, mal für
Infrastrukturausbau an Flughäfen allgemein. Jedes Bewußtsein für mögliche Grenzen der Expansion fehlt völlig, Klimawandel findet in deren Welt nicht statt. Stattdessen wird der Wettbewerb mit den anderen Megahubs der Welt beschworen, und Fraport-Chef und ADV-Sprecher Schulte
zitiert mit den Worten: "Wenn die deutschen Flughäfen hier nicht nachziehen dürfen, wird der Wirtschafts- und Logistikstandort Deutschland beschädigt". Und auch öffentlich-rechtliche Medien
singen das Lied vom notwendigen Mithalten im internationalen Wettbewerb ohne jeglichen kritischen Ton mit.
Vor Kurzem gab es allerdings auch beim ADV aus Anlass der 'Internationalen Tourismusbörse' ITB in Berlin wenigstens einen kleinen Hinweis darauf, wozu der Aufwand hauptsächlich dient: laut damaliger
Pressemitteilung formulierte ADV-Geschäftsführer Beisel die Forderung so "Die Verkehrspolitik ist gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich Flughäfen sowie deutschen und internationalen Airlines Chancen bieten, an diesem Wachstumsmarkt teilzuhaben. Nur so kann der Luftverkehr die notwendige Katalysatorfunktion für die nationale Tourismus- und Volkswirtschaft erfüllen".
Damit ist zumindest der
Haupttreiber der Expansion mal benannt, auch wenn die wahren Dimensionen verschleiert bleiben und irgendwie die 'Volkswirtschaft' auch noch beteiligt sein soll. Die Zahlen gelten aber nach wie vor: 65% aller Flugreisen sind privat und überwiegend Urlaubsflüge, im Europa-Verkehr sind es 60% und im Interkontinental-Verkehr 70%. Über den Carbon Footprint des Tourismus und die Unmöglichkeit, ihn mit den Klimazielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen, sowie die sonstigen sozialen und ökologischen Probleme, die er mit sich bringt, haben wir auch schon berichtet. Zu ergänzen wäre noch, dass die führenden Tourismus-Manager
überwiegend ebenfalls keine Ahnung haben, wie der Tourismus klimaverträglich gestaltet werden könnte.
Es geht also nicht um den 'Wirtschaftsstandort Deutschland'. Die Schultes dieser Welt gefährden in ihrer Borniertheit und betriebswirtschaftlichen Scheuklappensicht den Standort Erde, der zwar keinem Wettbewerb ausgesetzt ist, aber durch Profitgier unbewohnbar gemacht werden könnte. Es ist höchste Zeit, diesen Katastrophenkurs zu korrigieren. Das geht auch dann noch, wenn ein weiterer Grundstein dafür gelegt ist. Schon Bertolt Brecht wusste: "Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war." Von allein kommt diese Erkenntnis allerdings in der Regel nicht. Man sollte die Grundsteinlegung daher zum Anlass nehmen, Fraport und die sie unterstützenden Politiker mit den
aktuellen Forderungen der 'Fridays for Future'-Initiative zu konfrontieren. Sie könnten daraus lernen, wie weit ihre Aktivitäten von dem entfernt sind, was heute nötig ist.
04.04.2019
Vergleiche sind immer etwas problematisch, aber ein starkes Indiz ist es allemal: unter den
Top Ten der Emittenden von CO2 im EU-Emissionshandelssystem EU-ETS im Jahr 2018 sind neun Kraftwerke und eine Fluggesellschaft: Ryanair.
Die irische Airline belegt Platz 9 in der Hitliste, davor liegen 8 Braunkohle-Kraftwerke (7 davon aus Deutschland), danach ein polnisches Steinkohle-Kraftwerk. (Einige Medien
berichten Ryanair auf Platz 10, und es kann durch Nachmeldungen und Korrekturen zu weiteren Verschiebungen kommen. Für die Kernaussagen spielt das keine Rolle.) Würde man allerdings noch berücksichtigen, dass CO2 höchstens die Hälfte, vielleicht sogar nur ein Viertel der Klimawirkungen des Luftverkehrs ausmacht, würde Ryanair noch etliche Braunkohle-Kraftwerke hinter sich lassen. Ryanair-Chef O'Leary interessiert das allerdings nicht, er hält die Wissenschaft vom Kimawandel für
kompletten und völligen Unsinn.
Dass die ETS-Liste bezüglich der Luftfahrt nur beschränkten Wert hat, zeigt schon die Tatsache, dass die größte europäische Fluggesellschaft, die Lufthansa (hier allerdings ohne ihre Töchter) erst auf Platz 53 auftaucht. Das liegt insbesondere daran, dass das EU-ETS
auf inner-europäische Flüge beschränkt ist. Dort hat Ryanair den größten Marktanteil, während Lufthansa deutlich mehr Emissionen im Interkontinental-Verkehr erzeugt.
Trotzdem zeigt sie einen wichtigen Trend auf. Dass Ryanair in die Spitzengruppe aufrücken konnte, liegt am ungebrochenen Wachstum des Luftverkehrs, wie die Online-Plattform EurActiv
analysiert:
"ETS-Emissionen gingen aktuell um 3,9% zurück, fast ausschliesslich aufgrund des reduzierten Kohle-Verbrauchs. Aber der Luftfahrt-Sektor brach diesen Trend und setzte den jährlichen Anstieg fort. 2016 wuchsen die Kohlenstoff-Emissionen um 8%, 4,5% im Jahr danach, und 4,9% in 2018." (eigene Übersetzung).
Wie ein Blick in diese Liste ebenfalls zeigt, liefert auch dieser Emissionshandel keinen allzu grossen Anreiz für die Fluggesellschaften, ihren CO2-Ausstoss zu minimieren, denn sie erhalten fast die Hälfte der benötigten Zertifikate umsonst. Für den Rest kommen beim derzeitigen Zertifikats-Preis von ca. 22 €/t CO2 zwar noch einige Millionen zusammen, ein wirklich relevanter Kostenfaktor ist das aber nicht. Das System ist daher nur geringfügig besser als das internationale Kompensationssystem CORSIA, in dem die Fluggesellschaften derzeit noch nichts und für die kommenden zehn Jahre
voraussichtlich fast nichts zahlen müssen. Und das, obwohl der globale Luftverkehr, würde man ihn in einer Liste mit den Staaten aufführen, ebenfalls unter den Top Ten der Emittenden rangieren würde.
Es ist also allerhöchste Zeit, dass auch hierzulande die Rufe nach
mehr Klimaschutz im Luftverkehr lauter und drängender werden und die
komplette Ignoranz von Politik und Wirtschaft auf allen Ebenen aufgebrochen wird.
Zur allgemeinen CO2-Emissions-Entwicklung in Deutschland gibt es auch eine scheinbar positive Nachricht. Wie Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt in einer gemeinsamen
Pressemitteilung verkünden, sind diese Emissionen im letzten Jahr nach vorläufigen Ergebnissen um 4,2% zurück gegangen. "Gründe für diese Entwicklung sind der zurückgehende Verbrauch von fossilen Energien und die außergewöhnliche Witterung im Jahr 2018. Im Vergleich zu 1990 hat Deutschland seine Emissionen damit um 30,6 Prozent gesenkt. Bis 2030 müssen die Emissionen nach Beschlusslage der Bundesregierung um mindestens 55 Prozent gesenkt werden."
Die "außergewöhnliche Witterung" meint in erster Linie den sehr milden Winter und den dadurch bedingten geringeren Bedarf an Heizenergie, aber auch die extreme Trockenheit im Sommer, die zu Niedrigwasser, Reduzierung der Binnenschifffahrt und damit auch zu zeitweiser Knappheit und Verteuerung von Öl und Kohle geführt hat. Nett formuliert sind aber auch die Perspektiven. Wenn man in knapp 30 Jahren über 30% Emissionssenkung erreichen konnte, klingen knapp 15% in gut 10 Jahren nicht so dramatisch - man hat ja jetzt Übung. Großzügig übergangen wird dabei, dass der Plan für 2020 eigentlich 40% Einsparung vorsah und dieses Ziel krachend verfehlt wird.
Und so werden auch hier wieder kleine Erfolge gefeiert, um das große Versagen zu verbergen. Aber hier versagt nicht nur die Regierung. Auch die deutsche Industrie demonstriert bei ihrem aktuell stattfinden 'Klimakongress', dass sie unfähig ist, auf die Herausforderungen angemessen zu reagieren. Sowohl in der Pressemitteilung, als auch ausführlicher in der Rede seines Präsidenten, warnt der BDI vor zu hohen Zielen ("Ein Reduktionsziel von 95 Prozent bis 2050 geht komplett an der Wirklichkeit vorbei.") und möchte lieber andere machen lassen, anstatt selbst etwas zu verändern ("Erforderlich sind vergleichbare Klimaschutzanstrengungen im Ausland und die Möglichkeit, Minderungen im Ausland zu finanzieren und im Inland anzurechnen"). Dass damit die Reduktionen, die notwendig sind, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, nicht erreicht werden können, ist ihnen egal. Man kann kaum eine bessere Begründung dafür finden, was es braucht, um eine zukunftsfähige Welt zu sichern: System Change, not Climate Change!
02.04.2019
Am 27. März traf sich die Fluglärmkommission Frankfurt zu ihrer 250. Sitzung. Anläßlich der runden Zahl war Minister Al-Wazir persönlich anwesend, lobte das Engagement der Beteiligten und präsentierte die Vorhaben der schwarz-grünen Koalition für die laufende Legislaturperiode. Ob er dabei das Wahlkampf-Mantra beider Parteien ('Es muss leiser werden, und es wird leiser werden') wiederholte, ist nicht überliefert. Grund dafür hatte er jedenfalls nicht.
Schon im übernächsten Tagesordnungspunkt
erklärte die DFS, dass sie
schon wieder eine der viel gefeierten Maßnahmen der
Allianz für Lärmschutz, mit der die Landesregierung das 'Leiser'-Ziel erreichen möchte, einkassieren wird. Aus 'Sicherheitsgründen' (die nicht näher spezifiziert wurden) muss die Anhebung der nördlichen und südlichen Gegenanflüge um 1.000 ft, die 2014 eingeführt wurde, um die Gemeinden nördlich und südlich des Flughafens etwas zu entlasten, wieder rückgängig gemacht werden.
Daher
berichtet die Frankfurter Rundschau über die Sitzung unter der Überschrift "Experten rechnen mit mehr Fluglärm in Rhein-Main".
Man muss allerdings kein Experte sein, um zu dieser Einschätzung zu kommen. Allein die Tatsache, dass auch in diesem Jahr die Zahl der Flugbewegungen auf FRA weiter wachsen soll (wenn auch nicht ganz so stark wie im letzten Jahr), macht klar, dass es lauter werden wird. Dazu kommt, dass die Ursachen für
das Chaos des vergangenen Sommers nicht beseitigt sind und für den kommenden Sommer
ähnliche Verhältnisse absehbar sind - inklusive zahlreicher Nachtlandungen, die zwar nicht geplant sind, aber in Kauf genommen werden.
In dieser Situation ist die FLK natürlich nicht begeistert, wenn die DFS durch Absenkung der Flughöhen der Gegenanflüge auch noch draufsatteln will, und hat daher laut ihrer
Pressemitteilung beschlossen, "die Erforderlichkeit der seitens der DFS aktuell betriebenen Absenkung durch das Forum Flughafen und Region zu prüfen". Ob dabei etwas herauskommt, bleibt abzuwarten.
Bis dahin kann man nur spekulieren, warum die DFS es gerade jetzt für nötig hält, die 'Allianz', in der sie selbst Mitglied ist, öffentlich erneut zu blamieren. Den 'Erfolg' dieser Maßnahme stellt sie auf der letzten Seite ihrer FLK-Präsentation dar: in einigen sehr begrenzten Gebieten östlich und südlich des Flughafens gibt es einen Gewinn in der (vertikalen) Ausdehnung des 'VFR-Luftraums C'. 'VFR' steht für 'Visual Flight Rules', also Sichtflug-Regeln, im Unterschied zu 'IFR' den 'Instrument Flight Rules', mit denen die DFS mehr Arbeit hat. Nun ist Lotsen-Knappheit eines der Probleme, die zum Chaos des letzten Sommers geführt haben und die nicht kurzfristig zu beheben sind. Wieso aber diese kleinen Stückchen Luftraum da wesentliche Erleichterung bringen sollen, ist zumindest für den Laien nicht erkennbar.
Einen Hinweis könnte eine aktuelle Aussage von Condor-Chef Teckendrup im
FR-Interview geben:
"Im oberen Luftraum bei den Überflügen ist sehr viel Verkehr. Maschinen kommen von den deutschen Flughäfen oft nicht rechtzeitig raus, weil es im oberen Luftraum keinen Platz gibt." Er hat das aber nicht speziell für FRA gesagt, und ob das hier zutreffen könnte, ist fraglich.
Die Maßnahme, die hier helfen soll, wird in den
Zielen des Luftfahrtgipfels so beschrieben:
"Kurzfristig wurden bereits 2018 insbesondere Kurzstreckenflüge mit Unterstützung des Europäischen Netzwerk-Managers (EUROCONTROL) in niedrigere Flughöhen verlagert (im Oktober und November zwischen 350 und 500 Flüge pro Tag), um den oberen Luftraum zu entlasten. Es ist geplant, auch in diesem Jahr während der verkehrsintensiven Zeit (von voraussichtlich 25. April bis 6. November 2019) diese Maßnahme in erweiterter Form fortzuführen." Zwar gibt es auch über FRA Überflüge in grösseren Höhen, aber wohl keine relevanten Mengen an Kurzstrecken-Flügen in Höhen, von denen hier die Rede ist.
Bliebe nur noch eine Erklärung: schaut man sich die Abflugrouten von FRA bei Betriebsrichtung 07 (Starts nach Osten und Süden) an, so fällt auf, dass die meisten durch die neu freigegebenen Lufträume führen. Sollte es tatsächlich so sein, dass die DFS derart in (Personal-)Not ist, dass schon ein etwas früherer Wegfall der Kontrolle der abfliegenden Maschinen, die noch dazu nur bei einer Betriebsrichtung wirksam wird, die weniger benutzt werden soll, ausreicht, um Erleichterung zu schaffen? Oder ist etwa auch noch eingeplant, BR07 dann auch deswegen häufiger zu nutzen als eigentlich vorgesehen?
Dann hätte diese Maßnahme, die Raunheim zunächst garnicht direkt betrifft, doch wieder negative Lärm-Konsequenzen für uns.
Aber selbst wenn das nicht der Fall ist, wäre diese Maßnahme trotzdem auch für uns negativ. Niedrigere Flughöhen bedeuten nicht nur mehr Lärm, sondern auch, dass von den ausgestossenen Schadstoffen mehr in die unteren Luftschichten gelangen und deren Konzentration im ganzen Rhein-Main-Gebiet erhöhen. Das gilt mit Sicherheit für die Stickoxide, deren Konzentration durch den Flugverkehr großflächig beeinflusst wird. Es könnte aber auch für den Ultrafeinstaub gelten, wobei man allerdings über dessen Ausbreitungsverhalten deutlich weniger weiss.
Unabhängig von allen Spekulationen über diese neue DFS-Maßnahme ist daher klar: mehr Flugverkehr führt zu mehr Lärm und mehr Schadstoff-Belastung, und wer daran etwas ändern will, muss nach Mitteln und Wegen suchen, wie der Verkehr weniger werden kann - alles andere sind Placebos.
27.03.2019
In knapp zwei Monaten, am 26. Mai, wird ein neues Europa-Parlament gewählt. Es ist nach wie vor kein normales Parlament und hat (noch) weniger Rechte, als man es von nationalen Parlamenten kennt, und die Parlamentarier sind häufig auch mehr Vertreter*innen des Nationalstaates, in dem sie gewählt wurden, als der politischen Gruppe, der sie sich zuordnen. Und auch diese Gruppen vertreten politisch nicht unbedingt das, was man auf der nationalen oder regionalen Ebene von ihren Mitglieds-Parteien erwartet. Aber trotz dieser Merkwürdigkeiten ist dieses Parlament eine von drei Institutionen, die die Politik der EU bestimmen und damit in vielen Fragen wichtige weltpolitische Weichenstellungen mit beeinflussen. Die beiden anderen Institutionen, die Kommission und der Rat, können von den Bürgern garnicht oder nur sehr indirekt über die nationalen Wahlen bestimmt werden.
Und wie bei jeder Wahl gibt es auch hier eine Vielzahl von Kriterien, nach denen eine Wahlentscheidung getroffen werden kann, weil die EU-Kompetenzen einen breiten Politik-Bereich abdecken, von der Rüstungs- und Verteidigungspolitik über die Regelung der Migration bis hin zur Entwicklungspolitik. Tatsächlich sind die
Erwartungen an die EU und die
Forderungen, die an sie gestellt werden, in den Bereichen Umwelt und Soziales am größten, auch wenn sie in Letzterem praktisch keine Kompetenzen hat.
Für alles, was die Entwicklung des Luftverkehrs angeht, sind die Kompetenzen im Bereich der Umweltpolitik, der Verkehrspolitik und der Handelspolitik besonders wichtig. Wer also seine Wahlentscheidung danach treffen möchte, was gegen Fluglärm, Schadstoff-Belastung und Klimakatastrophe helfen könnte, muss nach Unterschieden zwischen den Parteien in diesen Bereichen suchen.
Das allerdings ist nicht einfach. Natürlich gibt es jede Menge Material zum Lesen. Alle relevanten Parteien haben inzwischen ihr Wahlprogramm vorgelegt, und viele Gruppen und Verbände haben Forderungen formuliert oder Eckpunkte vorgestellt. Eine (sicher auch nicht vollständige) Übersicht mit Schwerpunkten aus dem Umweltbereich findet sich z.B. beim Deutschen Naturschutzring auf einer eigenen
Webseite zur Europawahl. Spezifisches zum Luftverkehr gibt es aber auch dort kaum.
Etwas mehr Aufschluss geben die Antworten, die die fünf grösseren deutschen Parteien auf die
Fragen der NGOs 'Back on Track' und 'Stay Grounded' gegeben haben. Die Fragen gibt es zwar nur auf Englisch, und sechs von sieben beziehen sich auch nicht auf den Flug-, sondern den Zug-Verkehr, aber die Antworten gibt es auf Deutsch, und die auf Frage 7 geben schon viel Aufschluss über die unterschiedlichen Positionen. Das reicht von weitgehender Unterstützung der NGO-Forderungen einschliesslich des Nachweises entsprechender parlamentarischer Aktivitäten (bei den Oppositionsparteien LINKE und Grüne, wenn auch in deutlich unterschiedlichem Ausmaß) über relativierende und ausweichende Antworten (SPD) bis hin zu weitgehender Ablehnung (CDU/CSU und FDP).
Ausserdem geben die Ergebnisse der bisherigen Politik natürlich noch Auskunft über die Ernsthaftigkeit der Bemühungen derjenigen, die für sie verantwortlich waren, und das war in Europa bis zuletzt eine große Koalition von Christdemokraten und Sozialdemokraten, oft unterstützt von den Liberalen. Und da kann man nur immer wieder feststellen: Die EU-Bilanz in diesem Bereich
ist schlecht, besonders
im Klimaschutz, und dazu trägt die Bundesregierung
maßgeblich bei.
Aus all dem sollten sich genug Hinweise dazu ableiten lassen, welche Wahlentscheidung den Kampf gegen den Klimawandel und für eine Beschränkung der negativen Folgen des wuchernden Luftverkehrs am ehesten unterstützen kann.
Unsere Empfehlung für den 26. März:
20.03.2019
Konnte man am Wochenende noch die Hoffnung haben, dass die weltweiten Aktionen der Initiative Fridays for Future mit über einer Million Teilnehmer*innen auch bisher ignorante Kreise zum Nachdenken über den Klimawandel drängen würden, wurde schon am Montag klar: in der Luftverkehrswirtschaft gilt das weder für Politiker noch Manager. Die demonstrierten ihre völlige Borniertheit einmal mehr beim Verkehrsforum zum Luftverkehrsstandort der 'Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände' (VhU).
Allen voran ging dabei diesmal Condor-Chef Teckendrup. Zwar nahm er, offenbar als Einziger, das Wort 'Klimaschutz' in den Mund, aber nur, um damit zu begründen, warum die Steuerzahler ihm neue, effizientere Flugzeuge finanzieren sollten. Ansonsten betonte er, wie wichtig die "Tagesrandstunden" für die Ferienflieger seien, was nach einem
Bericht der FR für ihn heisst, "dass die Landungen nach 23 Uhr kein Verstoß gegen das Nachtflugverbot darstellen: Laut Planfeststellungsbeschluss dürfen in der Stunde vor Mitternacht Flugzeuge landen, sofern sich dies nicht aus dem Flugplan ergibt". Das möchte er offensichtlich auch in diesem Jahr wieder ausgiebig in Anspruch nehmen.
Die Vertreter von Lufthansa und Fraport äussern sich etwas moderater und stellen ihre Forderung nach einer weitgehenden Privatisierung der Luftsicherheitskontrollen in den Vordergrund. Fraport fordert darüber hinaus noch, dass die Flugsicherung irgendwie den vorhandenen Luftraum vergrössern soll, und weigert sich, die Anbindung von Terminal 3 an den öffentlichen Nahverkehr zu finanzieren.
Der luftfahrtpolitische Sprecher der hessischen CDU-Landtagsfraktion, Herr Kasseckert, hat das, was er dort zu sagen hatte, auch als
CDU-Pressemitteilung veröffentlicht. Man hätte es aber auch so schon geahnt: die CDU findet den Flughafen ungeheuer wichtig ("größter lokaler Arbeitsplatz", "Herzmuskel der Hessischen Wirtschaft" etc. pp.) und tut natürlich weiterhin alles, um den davon ausgehenden Lärm zu mindern, inkl. der Subvention leiserer Flugzeuge.
Als einzige "kritische Töne" lobt die Rundschau den Beitrag von Herrn Weiß von der SPD, der ein bißchen auf die Billigflieger schimpfte, während sich Herr Kaufmann von den Grünen mit den Forderungen nach S-Bahn-Anbindung von Terminal 3 und mehr Zeitpuffer zur Vermeidung von Verspätungen jeweils eine Abfuhr holte. Eigene Pressemitteilungen oder Erklärungen ist den beiden der Anlass nicht wert.
Die
Kritik der Linken-Fraktionschefin Janine Wissler, die nicht teilgenommen hatte, war am nächsten Tag in der FR nachzulesen. Sie betonte, dass Fraport ihre
Profite gesteigert habe "auf Kosten der Qualität der Arbeitsplätze am Flughafen, der Qualität der Abfertigung und des Schutzes vor Lärm und Schadstoffen", und das stehe "im diametralen Widerspruch zum Interesse der Menschen in der Region". Ausserdem forderte sie den hessischen Verkehrsminister auf, klarzustellen, "ob wenigstens das sechsstündige Nachtflugverbot gilt – solange es das dringend notwendige achtstündige Verbot nicht gibt". In der
Original-Pressemitteilung, die sich auch auf die Vorlage der Fraport-Geschäftszahlen bezieht, ist immerhin noch von der Notwendigkeit der "Deckelung der Flugbewegungen auf ein erträgliches Maß" die Rede.
Auch die Rundschau-Kommentatorin konzentriert
ihre Kritik an der Branche auf den "Tunnelblick", der "die Interessen der Bevölkerung ..., die unter Lärm und Luftverschmutzung leidet", nicht berücksichtigt. Was aber bei allen Beteiligten komplett fehlt, ist das Bewußtsein dafür bzw. der deutliche Hinweis darauf, dass der aktuelle Flugbetrieb, und erst recht das weiterhin angepeilte Wachstum, mit den Anforderungen an die Bekämpfung des Klimawandels komplett unvereinbar ist.
Von den Forums-Teilnehmern war nichts anderes zu erwarten. Die haben allesamt schon häufig unter Beweis gestellt, dass sie den aktuellen Anforderungen nicht gewachsen sind und deshalb, unabhängig vom Geburtsdatum der Beteiligten, als Altherren-Runde gesehen werden müssen, die dringend abgelöst werden muss. Für alle, die eine andere Luftverkehrspolitik durchsetzen wollen, ist es aber entscheidend, diesen Bezug in den Vordergrund zu rücken und deutlich zu machen, dass der Kampf gegen den Flughafenausbau und gegen das Wachstum des Flugverkehrs auch ein Kampf gegen den Klimawandel ist, der den Kontakt zur aktuell wohl
stärksten Bewegung des zivilen Ungehorsams herstellen muss, wenn er erfolgreich sein will.
Zwei Beispiele für Regelverstösse (Details siehe Text)
13.03.2019
Der vergangene Sonntag war ein unruhiger Tag. Nicht nur zog ein Sturmtief über das Rhein-Main-Gebiet hinweg, auch der Flugverkehr bot einige Merkwürdigkeiten. So flogen zwischen 11:05 Uhr und 11:35 Uhr zehn Maschinen im Geradeaus-Abflug von der Centerbahn direkt übers Ort, darunter auch zwei B747-800 im berüchtigten Lufthansa-Flachstartverfahren, die Spitzen-Lärmpegel von über 80 dB(A) erzeugten.
So etwas ist nicht nur ein Ärgernis für die Bewohner, es stellt auch ein unnötiges Sicherheitsrisiko dar. Und es ist auch keinerlei Grund erkennbar, warum diese Route und nicht, wie vorher und nachher auch, die Südumfliegung genutzt wurde. Am Wind kann es nicht gelegen haben, der war um diese Zeit zwar schon stark, aber nicht extrem.
Und es blieb auch nicht dabei. Im Laufe des Tages gab es noch vier weitere Überflüge dieser Art, darunter auch eine Ryanair-Maschine, die eine ganz speziell Süd-Überfliegung über die Zentren von Raunheim und Rüsselsheim und weiter über Königstädten und Nauheim wählte und damit dem Image der Billigflieger als ganz besonderem Ärgernis vollauf gerecht wurde.
Leider ist das Ganze aber kein neues Phänomen. Schon vor zwei Jahren hatten wir eine Serie von solchen Überflügen
dokumentiert und verschiedene Stellen um Aufklärung darüber gebeten, wieso so etwas geflogen wird. Die einhellige Antwort damals war Schweigen.
Die weiteren Merkwürdigkeiten des Tages waren zwar weitaus weniger störend, sind aber unter dem Aspekt der Sicherheit auch nicht gerade beruhigend.
So fällt beim Betrachten der An- und Abflüge zunächst einmal auf, dass die auf der Center- und Südbahn ziemlich dicht gepackt wurden, obwohl das aufgrund vorhergehender Zwischenfälle eigentlich nicht zulässig sein sollte. Mit Inbetriebnahme der Nordwestbahn war in einer 'Betriebsanordnung für den Tower' festgelegt worden, dass "der Startlauf RWY 25C nicht begonnen werden [darf], solange sich ein anfliegendes LFZ innerhalb der markierten
Tabuzone des Endanfluges 25L befindet", und diese 'Tabuzone' wurde von der DFS im Jahr 2015 nochmal
auf 6 Nautische Meilen oder ca. 11 Kilometer verlängert.
Tatsächlich ist es aber offensichtlich heute Praxis, dass Flugzeuge am Ende der Centerbahn gerade abheben, während am anderen Ende der Südbahn eine Maschine aufsetzt (oder umgekehrt, s. Grafik). Solche Konstellationen haben in der Vergangenheit
schon öfter zu kritischen Situationen geführt, zuletzt
im Oktober 2018. Konsequenzen daraus gibt es aber offensichtlich nicht.
Da wundert es dann auch nicht, wenn auch der abhängige Betrieb zwischen Südumfliegung und Startbahn West sich teilweise ziemlich merkwürdig darstellt und die Flieger nebeneinander her fliegen, obwohl sie auch hier gestaffelt sein sollten. Man kann allerdings häufig den Eindruck gewinnen, dass dabei eine Art 'Seitenstaffelung' dadurch hergestellt wird, dass die Südumfliegungs-Route nach Westen, also näher an Raunheim heran, verlegt wird. Und das bekommen die Bewohner im Südosten dann wieder deutlich zu hören.
Der parallele Start ist durch eine Sonderregel erlaubt, aber wo ist hier die 'Tabuzone' geblieben, die dann erst recht nötig wäre ?
Dazu passt dann auch ein Vorfall vor ein paar Tagen, der zunächst vom Online-Portal 'Aviation Herald'
gemeldet wurde. Hier fiel zunächst auf, dass zwei Maschinen nahezu gleichzeitig auf der Center- und der Süd-Bahn starteten, obwohl das normalerweise wegen des zu geringen Abstands der beiden Bahnen internationalen Regeln widerspricht.
Die DFS konnte allerdings nach ein paar Tagen Untersuchung auf eine
Sonderregelung verweisen, wonach ein solches Manöver zulässig ist, wenn eine Reihe von Auflagen erfüllt sind und ein erheblicher Koordinierungsaufwand zwischen den beiden Maschinen getrieben wird. Warum das notwendig gewesen sein soll, hat sie nicht gesagt.
Auch hier fällt allerdings wieder auf, dass die oben beschriebene 'Tabuzone' ignoriert wird und eine dritte Maschine sich im Landeanflug schon recht nah befindet. Und das ist in diesem Fall noch problematischer: hätte sie durchstarten müssen, hätte sie gleich zwei startende Maschinen vor der Nase gehabt, von denen eine nach Süden, die andere nach Norden abdrehen sollte. Wo wäre in diesem Fall eine sichere Route zum Durchstarten gewesen? Das hätte wohl eher nach einem
Red-Arrow-Manöver als nach einem normalen Verfahren der zivilen Luftfahrt ausgesehen.
Bisher ist zum Glück nichts Ernsthaftes passiert, und keiner der bekannt gewordenen Vorfälle hat zu einer wirklich kritischen Situation geführt. Trotzdem bleibt ein äusserst ungutes Gefühl, zu dem die DFS nach Kräften beiträgt, indem sie bei allen Fragen zunächst einmal abblockt und den Eindruck erweckt, sie hätte etwas zu verbergen. Eine proaktive Kommunikation, die ungewöhnliche Situationen berichtet und erklärt, bevor sie per Zufall über Beobachter in den Medien auftauchen, würde helfen, Vertrauen aufzubauen.
Es bleibt allerdings wirklich die Frage: könnte sie das? Solange sie drängende Fragen wie z.B. 'Warum wird geradeaus über Raunheim abgeflogen?' oder 'Was ist aus der Tabuzone geworden?' schlicht nicht beantwortet, bleibt der Verdacht, dass sie keine Antwort dafür hat bzw. die Gründe so sind, dass sie besser nicht öffentlich bekannt werden. Wenn das aber so ist, sollten wir überlegen, wie wir den Druck erhöhen können, damit es anders wird.
Das ist eigentlich (ohne Flugzeug) die Titelseite eines neuen Buches, das sich mit der Strategie der Klimawandel-Leugner befasst, aber es passt so auch auf das Verhalten der Luftfahrt-Industrie.
07.03.2019
Kritik an der (fehlenden) Klimapolitik der Luftverkehrswirtschaft gibt es nun schon seit Jahren, aber aktuell kommen einige weitere interessante Stimmen dazu. So ist gerade eine Studie der 'Transition Pathway Initiative' an der 'London School of Economics' erschienen, in der die Klimapolitik von 20 weltweit führenden Airlines untersucht wurde. In ihrer Presseerklärung weisen die Autoren darauf hin, dass diese Initiative die Unterstützung von Investorengruppen hat, die ein Kapital von "über 13 Billionen Dollar" repräsentieren. Das verleiht der Kritik, dass die Klimaziele der Airlines zu kurzfristig sind und den Zielen des Pariser Abkommens nicht entsprechen, einen besonderen Nachdruck.
Die (englisch-sprachige) Presse berichtet relativ breit, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die europäische Online-Plattform EURACTIV
hebt hervor, dass hier Investoren das kurzfristige Denken der Airlines kritisieren, ähnlich
argumentiert die Geschäftskunden-orientierte Plattform 'BusinessGreen'. BBC weist zunächst auf die
Unterschiede zwischen Airlines hin und lobt ausgerechnet den Billigflieger EasyJet, relativiert das aber wieder durch Hinweise auf die Beschränkungen der Studie. Lediglich Reuters gibt primär die Kritik an den fehlenden Aussagen zu
echten Emissions-Reduktionen und der Nutzung von Offsets aus anderen Sektoren zur Kompensation wieder.
Darauf konzentrieren sich auch die stärksten Aussagen zu der Studie, wie z.B. die Forderung, "Emissionsreduktionsziele für 2030 und darüber hinaus zu setzen und die Abhängigkeit vom 'Offsetting' zu beenden. ... 'Offsetting' ist kein Ersatz für eine klare Strategie der Emissionsreduktion" (eigene Übersetzung). Aber ein Blick in das
Methoden-Papier zu der Studie macht deutlich, dass die Resultate trotzdem noch extrem freundlich für die Airlines formuliert sind. So ist zwar das Ziel des Pariser Abkommens korrekt zitiert, als 'Benchmark' für die Anstrengungen der Airlines wird allerdings die 'Beschränkung des Temperaturanstiegs auf 2°C' gewählt, nicht die anzustrebende Beschränkung auf 1,5°C. Auch die Tatsache, dass die CO2-Emissionen nur
einen Teil der Klimawirkungen des Luftverkehrs ausmachen, wird korrekt erwähnt, aber bei den Berechnungen nicht berücksichtigt. Und was die Berechnungen im Detail völlig entwertet, ist die Tatsache, dass
Biotreibstoffe komplett als 'klima-neutral' gewertet werden, obwohl auch hier eingeräumt wird, dass das nicht korrekt ist (mehr dazu weiter unten).
Die Liste liesse sich noch fortsetzen, aber auch so wird deutlich: die Kernaussagen der Studie mögen deutlich klingen, sie sind aber noch weit untertrieben.
Ein zweiter kleiner Fortschritt ist die Tatsache, dass das Thema der Besteuerung des Flugverkehrs in der EU wieder auf die Tagesordnung kommt, zuletzt durch eine
Forderung der belgischen Regierung an den EU-Umweltministerrat, die von Frankreich, den Niederlanden und Schweden unterstützt wird.
Schon im letzten Jahr hatte eine
Studie gezeigt, dass eine solche Besteuerung rechtlich durchaus möglich ist, und die europäische NGO Transport & Environment hatte in einem
Briefing dargestellt, was dafür getan werden müsste. Auch eine kürzlich erschienene
Übersicht über bisher angewandte Politik-Instrumente für mehr Klimaschutz im Luftverkehr beschreibt, was in diesem Bereich möglich und nötig wäre. Bisher ist allerdings noch völlig unklar, welche Erfolgsaussichten diese Vorstösse haben können.
Der zuständige
europäische Lobbyverband 'Airlines for Europe' pöbelt natürlich wie üblich mit dem
dümmst-möglichen Argument gegen eine Besteuerung: dann hätten die Airlines ja kein Geld mehr, das sie in den Klimaschutz investieren könnten. Primitiver geht es nicht.
Vielleicht hat dieser Druck ja schon einen ersten kleinen Erfolg erzielt. In Montreal tagte gerade der ICAO-Umweltausschuss CAEP, der u.a. einige weitere Umsetzungsregeln für das
Offset-System CORSIA auszuarbeiten hatte. Unmittelbar darauf trat der ICAO-Rat zusammen, um u.a. diese Regeln zu beschliessen. Wie
immer bei ICAO, sind die Prozesse völlig intransparent. Nach Abschluss der CAEP-Tagung gab es eine offizielle
Pressemitteilung, in der die behandelten Themen beschrieben werden, aber
keine Aussagen über die genauen Inhalte der Beschlüsse enthalten sind. Auch gewöhnlich gut unterrichteten Kommentatoren bleibt da nur, die Themen mit ein paar
Hintergründen zu erläutern.
Aus dem ICAO-Rat, der noch bis zum 15. März tagt, gab es eine kurze
Meldung über die Beschlüsse zu CORSIA, ebenfalls ohne genaue Inhalte. Hier sind aber offensichtlich noch ein paar wenige Informationen über die Beschlüsse durchgesickert, die es dem Kommentator erlauben, zusammen mit einigen bekannten Vorlagen ein paar
Informationen über Inhalte zu liefern.
Und an diesem Punkt beginnen die Spekulationen über einen möglichen kleinen Erfolg. Im Vorfeld der Ratstagung hatten sowohl
Umweltverbände als auch
die EU darauf gedrängt, die Qualitätskriterien für die Zertifikate, die zur Kompensation der Emissionen eingesetzt werden können (Emissions Unit Criteria – EUC) nicht weiter zu verwässern. Und nach den durchgesickerten Informationen sieht es so aus, als seien sie tatsächlich gemäß der Vorlage beschlossen und damit ein mögliches
Schlupfloch geschlossen worden. Angesichts der
schwachen Vorlage muss man allerdings schon sehr bescheiden sein, um das als Erfolg zu feiern.
Die Luftfahrtindustrie ist jedenfalls mit den Beschlüssen sehr zufrieden und
applaudiert dem ICAO-Rat dafür - ein weiterer Grund, daran zu zweifeln, dass die Beschlüsse etwas taugen könnten. Dazu kommt, dass ein wichtiger Punkt anscheinend offen geblieben ist: die Frage, ob alte, aus dem CDM-Mechanismus des Kyoto-Protokolls übrig gebliebene Zertifikate eingesetzt werden dürfen. Darüber soll offenbar erst ein neu einzurichtendes Gremium entscheiden, der sog. Technical Advisory Body (TAB), für dessen Einrichtung und Arbeitsweise ebenfalls Regeln beschlossen wurden. Wie er sich zusammensetzen soll und ob seine Ergebnisse öffentlich werden, ist aber auch nicht bekannt.
Ein weiterer grosser Mangel der Beschlüsse zeichnet sich auch noch ab. Die vom Umweltausschuss CAEP beschlossenen Kriterien für 'nachhaltige' bzw. 'alternative' Treibstoffe sind offenbar tatsächlich
so schwach wie vorher befürchtet. Da einerseits solche Treibstoffe die einzige Option sind, mit der die Luftverkehrswirtschaft echte Emissionsreduktionen durchführen will, andererseits kritische Studien zeigen, dass sowohl
bestehende als auch
konkret geplante Projekte zur Erzeugung solcher Treibstoffe anspruchsvollen Kriterien nicht genügen und keinen positiven, eventuell sogar einen negativen Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasen leisten, ist absehbar, dass die Entwicklung dahin gehen wird, den Fluggesellschaften einen Bonus für Treibstoffe einzuräumen, die in Wirklichkeit mehr Schaden als Nutzen bringen.
Dazu passt, dass die EU in ihrem jüngsten Beschluss zu erneuerbaren Energien einen Bann für Treibstoffe aus Palmöl und Soja festgelegt hat, aber in ihrer Handelspolitik diese Festlegung sofort wieder
konterkariert. Zwar gibt es mit einer
Klage gegen diese Art der Biomasse-Nutzung aktuell einen Versuch, dieses Vorgehen zu stoppen, aber es ist völlig unklar, ob und wann das Erfolg haben kann.
Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten: auch wenn die Forderungen an die Luftfahrtindustrie lauter geworden sind - davon, genug Druck zu entwickeln, um diesen Sektor auf einen Kurs zu bringen, der hilft, den Klimawandel zu begrenzen, sind sie noch weit entfernt. Dafür muss, vor allem im politischen Raum und durch Aktionen der Zivilgesellschaft, noch wesentlich mehr passieren.
Bis heute gibt es noch keine klare Aussage darüber, ob mit diesem seit 2017 erprobten Navigationsverfahren der gewünschte 'unabhängige Betrieb' realisiert werden kann.
18.02.2019
Es ist ein weiterer, aber möglicherweise immer noch nicht der letzte Akt in der juristischen Auseinandersetzung um die Abflugrouten vom Parallelbahnsystem am Frankfurter Flughafen bei Westbetrieb. Wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einer Pressemitteilung verkündet, hat er sich die Kritik des Bundesverwaltungsgerichts an seinem vorhergehenden Skandalurteil zu Herzen nehmen müssen und daher diesmal die Südumfliegung in ihrer derzeit geflogenen Variante für rechtlich zulässig erklärt. Aber auch gegen dieses Urteil ist wieder Revision möglich.
Die juristischen Auseinandersetzungen um diese Abflugroute, aber auch die technischen Probleme damit, gibt es schon seit mehreren Jahren, im Grunde seit ihrer Einführung mit der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest im Jahr 2011. Die jetzige Verhandlung war ursprünglich schon mal vor zwei Jahren terminiert, wurde aber verschoben. So hatte die DFS die Möglichkeit, zwischenzeitlich noch ein neues Navigationsverfahren einzuführen, dass eine höhere Spurtreue beim Abfliegen der Kurven bringen sollte. Damit sollte auch das technische Hauptproblem gelöst werden, das die Südumfliegung angreifbar macht. Solange die Spurtreue, hauptsächlich in der ersten Kurve nach Süden, nicht gewährleistet ist, ist das Risiko gegeben, dass Abflüge auf der Südumfliegung Abflügen auf der Startbahn West zu nahe kommen. Daher müssen die Abflüge von den beiden Bahnen im sog. abhängigen Betrieb zeitlich gestaffelt werden, was zu Kapazitätseinbußen führt.
Für das aktuelle Urteil war das ohne Belang, aber für die Frage, wie es mit der Südumfliegung weitergeht, ist es entscheidend. Thomas Jühe gibt sich als Vorsitzender der Fluglärmkommission alle Mühe, klarzumachen, dass es zur Südumfliegung mit diesem Bahnsystem
keine Alternative geben kann. Angesichts der Tatsache, dass Fraport, ermutigt durch die jüngsten Entwicklungen im Flugverkehr, mehr denn je an ihren wahnwitzigen Wachstumszielen festhält, muss man aber genauer sagen: keine Alternative geben darf. Denn alle anderen Routen, insbesondere die 'betriebstechnisch optimalen' ohne jede Kapazitätseinschränkung, führen zu drastisch mehr Lärm in den direkt angrenzenden Westgemeinden, in erster Linie in Raunheim.
Daher hatten wir bereits 2013
gefordert: wenn der unabhängige Betrieb auf der Südumfliegung nicht gewährleistet werden kann, "so darf die Schlussfolgerung allerdings nicht sein, die Route zu verlegen. Vielmehr muss dann der unter Sicherheitsaspekten mögliche und notwendige abhängige Betrieb zwischen Centerbahn, Südbahn und Startbahn West
akzeptiert und das ohnehin unrealistische Planziel von 126 Flugbewegungen pro Stunde aufgegeben werden". Das aber ist keineswegs garantiert und wird auch durch das aktuelle Urteil in keiner Weise festgeschrieben. Sollte die DFS mit ihren Navigationsverfahren nicht weiterkommen, ist da heftiger Streit vorprogrammiert.
So war es geplant ...
15.02.2019
Für dieses Jahr sind eine ganze Reihe von Veranstaltungen angekündigt, die sich mit dem Thema 'Ultrafeinstaub' auseinandersetzen sollen, u.a. eine Expertenanhörung des Umwelthauses im August und eine Tagung des BUND im September. Den Auftakt machte am 13.02. die Stabsstelle für Fluglärmschutz Frankfurt mit einem
Workshop zum Thema "Medizinische und umweltchemische Auswirkungen von Ultrafeinstaub". Als Experten dazu eingeladen waren Prof. Münzel, Kardiologe aus Mainz, der einen "Einblick in medizinische UFP-Auswirkungen" geben sollte, und Dr. Frenzel, Umweltchemiker von der TU Berlin zum Thema "Flugbetrieb und Ultrafeinstaub - Ein unterschätztes Risiko?".
Um einen 'intensiven Austausch' mit den Referenten zu ermöglichen, war die Zahl der TeilnehmerInnen auf 40 begrenzt. Diese wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, die jeweils eine Stunde mit einem der beiden Referenten verbrachten. Am Ende gab es noch eine Abschlussrunde mit allen Beteiligten.
Der nachfolgende Bericht schildert Eindrücke aus einer der beiden Gruppen, die TeilnehmerInnen der anderen Gruppe mögen andere Erfahrungen gemacht haben.
Dr. Frenzel gab einen fundierten Einblick in die Thematik. Vor die schwierige Aufgabe gestellt, für einen doch recht heterogenen Teilnehmerkreis mit unterschiedlichen Vorkenntnisses das richtige Niveau zu finden, und durch einige Zwischenfragen aufgehalten, konnte er allerdings die knappen Zeitvorgaben nicht einhalten, so dass kein Raum mehr für Diskussionen blieb. Das war sehr bedauerlich, denn einerseits hätte man ihm gern noch länger zugehört, andererseits wäre sicher auch die Diskussion einiger offener Fragen hochinteressant gewesen.
Immerhin lieferte er auch Informationen über die neueste Literatur zum Thema, darunter eine
Studie des ACI Europe und einen Übersichtsartikel über aktuelle Studien in der (englischen) Fachliteratur.
Ganz anders dagegen Prof. Münzel. Er hatte das Thema für sich verändert und berichtete zunächst von Ergebnissen einer neuen, demnächst erscheinenden Studie, die er zusammen mit anderen Mainzer Kollegen ausgearbeitet hat und die zu dem Ergebnis kommt, dass Feinstaub (d.h. PM2,5) noch deutlich gefährlicher ist als bisher angenommen. Dabei betonte er insbesondere den hohen Anteil, den die Landwirtschaft an der Produktion von Feinstaub hat. Und auch, wenn er im weiteren Verlauf des Vortrags mehrfach darauf hinwies, dass "Feinstaub nicht gleich Feinstaub" sei, wurde an keiner Stelle deutlich, was die wesentlichen Unterschiede im Hinblick auf die medizinischen Effekte zwischen Feinstaub aus mechanischen Prozessen (Wüstensand), aus ggf. anthropogen verstärkten natürlichen chemischen Abläufen (Gülle-Zersetzung) und Verbrennungsprozessen (Kraftwerke, Dieselmotoren, Flugzeugtriebwerke etc.) sind.
Zwischendurch ging er auch kurz auf andere Luftschadstoffe ein, u.a. auf Stickstoffdioxid. Dazu liess er ein hübsches 3D-Modell von London auf der Leinwand kreisen, auf dem die Hauptverkehrsstrassen in dicken braunen Wolken zu sehen waren, die sich mit zunehmendem Abstand recht schnell ausdünnten, verbunden mit dem Hinweis, dass das ein sehr lokales Phänomen sei. Was genau da gezeigt wurde, wurde auch auf Nachfrage nicht klar, aber es sah verdächtig so aus wie die Grafiken, mit denen vor einiger Zeit die Propagandisten einer dritten Bahn am Flughafen Heathrow durch London zogen, um zu belegen, dass der Flughafen dort nur wenig zur Luftverschmutzung beiträgt. Denen konnte allerdings recht schnell nachgewiesen werden, dass ihre Darstellung der bodennahen Emissionen von Stickoxiden nicht die ganze Wahrheit über die tatsächlich vorhandenen Konzentrationen und damit auch über die gesundheitlich relevanten Immissionen aussagt. Das lässt sich ja auch sehr schön für das Rhein-Main-Gebiet zeigen, wo sowohl die Modellrechnungen des Umweltbundesamtes als auch die Ergebnisse von Satelliten-Messungen eindeutig eine flächendeckende Belastung mit Stickstoffdioxid zeigen, in deren Mittelpunkt der Flughafen liegt. Und selbst nach offiziellen Angaben trägt der Luftverkehr dazu ca. 10% bei, der wahre Beitrag dürfte noch höher liegen. Für die Greater London Area gilt ganz Ähnliches.
Für Herrn Münzel ist das aber sowieso irrelevant, denn er hält Stickstoffdioxid nicht für einen problematischen Schadstoff. Begründet hat er das mit einem schon etwas älteren Experiment, bei dem gezeigt wurde, dass Dieselabgase zu akuten Veränderungen der Blutgefässe führen, insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen, und dass bei diesen Abgasen die Feinstäube die relevanten Verursacher sind, nicht aber die Stickoxide. Nun hat nie jemand behauptet, dass Stickoxide zu akuten Gefässveränderungen führen würden, und schon garnicht wurde deswegen Stickstoffdioxid als Schadstoff eingestuft. Dabei ging es immer um die Wirkungen auf die Atemwege, die auch
umfassend nachgewiesen sind.
Aus der Tatsache, dass Stickoxide im eigenen Fachgebiet keine akuten Phänomene hervorrufen, zu schliessen, dass sie als Schadstoffe garnicht relevant sind, erscheint doch sehr fragwürdig, und Herr Münzel begibt sich damit in gefährliche Nähe
anderer Aktivisten, deren Motive durchaus in Zweifel gezogen werden können, auch wenn er für die aktuelle Kampagne von Prof. Köhler einige abschätzige Formulierungen parat hatte.
Zum eigentlichen Thema seines Vortrages gab es dann so gut wie nichts mehr. Zu Ultrafeinstäuben aus Verbrennungsprozessen oder gar speziell aus Flugzeugtriebwerken hatte er weder einen Überblick über die aktuelle Literatur noch eigene Einschätzungen zu bieten. Nicht einmal die aktuelle, vom Umweltbundesamt herausgegebene Literaturstudie zu den gesundheitlichen Wirkungen von UFP war ihm eine Erwähnung wert. Er beschränkte sich vielmehr auf die pauschale Behauptung, dass man noch 10 bis 15 Jahre messen müsse, ehe man überhaupt daran denken könne, entsprechende Auswertungen vorzunehmen. Viel wichtiger sei es aktuell, sich auf die gesundheitlichen Wirkungen von Lärm zu konzentrieren, weil hier schon sehr viel mehr Erkenntnisse vorlägen und auch Grenzwerte definiert und politisch akzeptiert seien.
Diese Einschätzung zog in der Abschlussrunde einige mehr oder weniger freundlich formulierte Kritik auf sich, und wir können hier nur noch einmal betonen, dass das gegeneinander Ausspielen unterschiedlicher schädlicher Einwirkungen des Flugverkehrs (Lärm, Stickoxide, Feinstaub) politisch extrem kurzsichtig und kontraproduktiv ist. Natürlich sind die wissenschaftlichen Grundlagen zur Beurteilung der jeweiligen Wirkungen unterschiedlich weit entwickelt, was aber nur bedeutet, dass man jeweils spezifisch argumentieren muss, was aktuell notwendig ist. Beim Fluglärm ist gut belegt, dass die geltenden Grenzwerte nicht ausreichen, um vor gesundheitlichen Schäden zu schützen, und daher die Auflagen verschärft werden müssen. Bei den Stickoxiden kommt es aktuell darauf an, den Beitrag des Luftverkehrs für die Belastung deutlich zu machen und auf Beschränkungen zur Einhaltung der Grenzwerte zu dringen. Bei Ultrafeinstäuben ist weitere Forschung notwendig, um die gesundheitlichen Wirkungen genauer zu bestimmen und daraus Grenzwerte abzuleiten. In allen drei Bereichen gibt es aber keinen Fortschritt, wenn nicht jeweils entsprechender Druck aufgebaut wird.
Die Luftverkehrswirtschaft in ihre Schranken zu verweisen und ihr die notwendigen Beschränkungen aufzuerlegen, ist überhaupt nur dann denkbar, wenn ihre negativen Wirkungen auf allen Ebenen, von der Beschleunigung des Klimawandels über die Zerstörung sozialer Strukturen bis zu den zunehmenden Erkrankungen durch Lärm und Schadstoffe, dargestellt und bekämpft werden. Da ist es besonders fatal, wenn Menschen, die in einem Bereich wertvolle Beiträge leisten, aus welchen Gründen auch immer versuchen, andere Bereiche in ihrer Bedeutung herunter zu spielen oder gar zu diffamieren. Solche Widersprüche unter den Teppich zu kehren, führt aber nicht weiter, sie brechen irgendwann doch wieder auf. Eine offene und ehrlich Auseinandersetzung damit ist das Einzige, was wirklich weiter helfen kann. Man kann nur hoffen, dass das in den noch kommenden Diskussionen besser gelingt.
Prof Münzel ist über die Schilderung oben schwer verärgert und spricht von Unterstellungen, Rufmord und Ähnlichem. Das Angebot, seine Sicht der Dinge hier zu schildern, will er aber nicht annehmen. Statt dessen hat er angekündigt, für die TeilnehmerInnen des Workshops "eine detaillierte Stellungnahme abgeben" und "umgehend alle BIs über meine Entscheidung bzw. über die Gründe informieren" zu wollen.
Sollte so etwas (offiziell) bei uns eingehen, werden wir es natürlich umgehend hier veröffentlichen. Look out for it!
Dr. Frenzel hat den TeilnehmerInnen des Workshops seine Präsentation zu Verfügung gestellt, und sie bestätigt unseren Eindruck von der Qualität seines Beitrags: die Lektüre lohnt sich. Sie ist nicht zur allgemeinen Veröffentlichungen gedacht, aber wir dürfen sie an Interessierte weitergeben. Kurze Mail an kontakt@bi-fluglaerm-raunheim.de mit dem Betreff "Präsentation Dr. Frenzel, UFP" o.ä. genügt.
Nicht nur die Terminalkapazität, sondern insbesondere die Zahl der Flugbewegungen, die auf dem Bahnensystem von FRA und im Luftraum über Rhein-Main möglich sind, setzen Fraport Grenzen.
10.02.2019
Seltsames war kürzlich über die Fraport zu lesen: sie trete "auf die Bremse", genauer: "Die Zahl der sogenannten Slots, also der maximal möglichen Starts und Landungen pro Stunde, wird zunächst nicht weiter erhöht". Wachstum könne es "nur noch über den Einsatz größerer Flugzeuge oder eine höhere Auslastung der Maschinen" geben. Es klang beinahe so, als würde sich da ein Kurswechsel andeuten.
Tatsächlich gibt es bestenfalls eine vorübergehende Korrektur. Das Wachstum soll natürlich weitergehen, nur in diesem Jahr "deutlich niedriger ausfallen als 2018". Zudem ist die "Zahl der Slots", oder genauer der Koordinationseckwert, nur eine Planungsgrösse, die nicht unmittelbar die Zahl der tatsächlich abgewickelten Flugbewegungen bestimmt. Sie wurde auch in den vergangenen Jahren nur sehr moderat erhöht und ist noch weit entfernt von der Zahl, die mit dem Ausbau erreicht werden sollte.
Aber nachdem sich im vergangenen Jahr die gesamte deutsche und europäische Luftverkehrswirtschaft an ihrer Wachstumsgier verschluckt hat und
das Chaos im Flugbetrieb abschreckende Ausmaße angenommen hatte, hat auch Fraport begriffen, dass zunächst die Infrastruktur erweitert werden muss, ehe wieder an solche Wachstumssprünge zu denken ist.
Fraport stellt dabei die fehlenden Terminal-Kapazitäten in den Vordergrund. Das ist sicher nicht ganz falsch, denn die Warteschlangen an den Sicherheitskontrollen haben in den Erfahrungen der Fluggäste und in der Berichterstattung über das Chaos eine grosse Rolle gespielt. Es hat aber insbesondere den Vorteil, dass Fraport hier darauf verweisen kann, dass sie bei der Beseitigung dieses Engpass
gut vorankommen, und sie haben ihre Fortschritte gerade erst in der Fluglärmkommission
mit vielen bunten Bildchen
vorgestellt.
Tatsächlich gibt es aber noch ganz andere Engpässe, die schon seit Längerem verhindern, dass die Kapazität so wie für den Ausbau geplant hochgefahren werden kann. An vorderer Stelle steht dabei die Südumfliegung, deren theoretisches Konzept nicht
in die Praxis umgesetzt
werden konnte. Bis heute ist noch nicht klar, ob die vor eineinhalb Jahren eingeführten
Nachbesserungen den gewünschten Effekt haben werden. Solange das aber nicht der Fall ist, werden die angestrebten Kapazitätszahlen nicht erreicht werden.
Darüber hinaus hat das letzte Jahr aber auch deutlich gezeigt, dass sowohl die
Kapazitäten der Flugsicherungen als auch des europäischen Luftraums insgesamt inzwischen an ihre Grenzen stossen.
Wie labil das gesamte System ist, zeigen auch die Turbulenzen, in denen sich viele Airlines befinden. Es ist nicht nur die kleine deutsche Fluglinie Germania, die gerade Insolvenz beantragt hat, es sind auch die Probleme grosser Player wie Ryanair und die Verkaufsabsichten für Condor, die dazu führen, dass Analysten zunehmende Probleme für Geschäftsmodelle wie Billigflieger und Ferienflieger vorhersagen. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass solche krisenhaften Erscheinungen auch früher schon auftraten und weitere Wachstumsschübe nicht ausgeschlossen sind. Der langfristige Prozess der Konsolidierung des Luftverkehrsmarktes entwickelt sich widersprüchlich, aber mit einer eindeutigen Tendenz zur Konzentration auf wenige grosse Player. Selbst der 'Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft' BDL kommt nicht darum herum, diese Tendenz in seinem Jahresbericht festzustellen.
Da tut es natürlich doppelt weh, wenn eine
aktuelle Studie diesem System auch noch eine katastrophale Ineffizienz bescheinigt. Demnach sind nämlich ca. 2/3 der Flüge in Europa schlicht überflüssig und könnten eingespart werden, wenn der Flugbetrieb nach Effizienzkriterien organisiert würde. Dazu wäre es insbesondere notwendig, auf häufig beflogenen Strecken die vielen Flüge kleiner Maschinen durch deutlich weniger
grössere Maschinen zu ersetzen. Tatsächlich passiert aber genau das Gegenteil: die grösste verfügbare Maschine, der A380, wird immer mehr
zum Ladenhüter, den keiner mehr haben will.
Die Autoren der Studie, weit davon entfernt, revolutionäre Ideen propagieren zu wollen, halten sich zu den Gründen dafür bedeckt, aber die Schlussfolgerungen liegen auf der Hand. Der von den Neoliberalen
vergötterte Wettbewerb optimiert bestenfalls den Profit für einige der erfolgreichen Markt-Akteure, während die anderen ausgepresst werden und irgendwann aufgeben müssen; er optimiert aber keinesfalls das Gesamtsystem und schon garnicht den Ressourcenverbrauch.
Praktisch heisst das: während der Phase heftiger Konkurrenz (die wir
gerade erleben) gehen die Preise in den Keller, da die Konkurrenten sich gegenseitig unterbieten und mit immer neuen Angeboten versuchen, ihren Teil des Passagieraufkommens zu vergrössern und dabei die Kosten zu drücken. Diejenigen, die mehr Leistungen für immer weniger Geld erbringen sollen, sind mit immer mehr Leistungsdruck, schlechteren Arbeitsbedingungen und tendenziell oder real fallenden Löhnen konfrontiert. Der Ressourcenverbrauch schiesst in die Höhe, weil immer spezifischere, real oder scheinbar differenzierte Angebote immer mehr Flüge mit allem, was dazu gehört, erfordern, und die Belastungen für Mensch und Natur nehmen drastisch zu. Wenn einer der Beteiligten aufgeben muss, werden viele der von ihm eingesetzten Ressourcen vernichtet oder entwertet; insbesondere die Humanressourcen, sprich die Belegschaften, haben in der Regel einen Großteil der Folgen zu tragen.
Mit zunehmender "Konsolidierung", sprich Monopolisierung des Marktes wird das System zwar wieder etwas effizienter, aber die nach wie vor gegensätzlichen Interessen der wenigen verbleibenden Akteure verhindern weiter eine wirkliche Optimierung. Die lässt sich nur erreichen, wenn das Transportsystem insgesamt als Teil der Daseinsvorsorge im öffentlichen Interesse geplant und gezielt auf Nachhaltigkeit hin optimiert wird. Um dahin zu kommen, müssen aber die politischen Rahmenbedingungen grundlegend verändert werden.
Ein Richtungswehsel in der EU-Luftverkehrspolitik ist dringend notwendig
03.02.2019
Es ist eine hohe politische Kunst, die Botschaft drohender Katastrophen und des eigenen Versagens bei ihrer Bekämpfung so in eine Hülle guter Nachrichten über kleine Erfolge zu verpacken, dass kaum jemand sich darüber aufregt. Die Präsentation des aktuellen Umweltreport der Europäischen Luftfahrt 2019 ist ein gutes Beispiel dafür. Er wurde federführend von der Europäischen Agentur für Luftsicherheit (European Aviation Safety Agency, EASA) unter Beteiligung der Europäischen Umweltagentur (European Environmental Agency, EEA) und EUROCONTROL erstellt und ist nur in Englisch verfügbar.
Die zuständige EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc feiert laut einer
Pressemitteilung der deutschen Vertretung der Kommission die kleinen Erfolge: "Dieser neue Bericht zeigt, dass unsere gemeinsamen Aktionen funktionieren: Wir haben den Treibstoffverbrauch und den Lärm pro Flug reduziert. Investitionen haben effizientere Technologien entwickelt. Flughäfen werden klimaneutral. Und wir beginnen mit der Umsetzung des ersten globalen Systems zum Ausgleich der CO2-Emissionen". Nur sehr verschleiernd wird weiter hinten zugestanden, dass die CO2-Emissionen absolut um 10% gestiegen sind ("nur halb so stark wie die Zahl der Flüge"), während die Entwicklung beim Lärm ganz tendentiös dargestellt wird. "Die Lärmbelastung konnte leicht verringert werden", wird behauptet, was aber nur für die Schallenergie pro Flug gilt. Die Zahl der (nach EU-Kriterien) von Fluglärm betroffenen Menschen hat dagegen deutlich zugenommen.
Die vollständige,
englische Fassung der Pressemitteilung ist da schon ehrlicher. Auch hier werden die kleinen Erfolge an den Anfang gestellt, aber dann auch die bestehenden Probleme zumindest grob benannt. Deutliche Worte finden insbesondere die Chefs der Europäischen Umweltagentur ("Der Bericht bestätigt, dass die gegenwärtigen Trends und Perspektiven in der Luftfahrt nicht kompatibel sind mit dem Schutz von Umwelt, Klima und Gesundheit.") und von EUROCONTROL ("... das Verkehrswachstum macht die Umwelteinflüsse der Luftfahrt noch herausfordernder. Im letzten Jahr ist der Verkehr in Europa um 3,8% gewachsen, aber das Wachstum der CO2-Emissionen hat ihn mit 5,2% überholt.")
Folgerichtig
berichtet auch die englische Ausgabe der Online-Plattform EURACTIV einigermaßen realistisch über die Inhalte des Berichts. Die deutsche Ausgabe der Plattform erwähnt ihn garnicht. Von den grossen Tageszeitung in Deutschland
berichtet auch nur die TAZ.
Auch der Bericht selbst folgt dem Muster: kleine Erfolge werden gefeiert, die Anstrengungen der Luftverkehrswirtschaft gelobt, aber auch sehr deutlich und mit vielen Fakten gezeigt, dass die Trends negativ sind, die gesetzten oder propagierten Ziele verfehlt werden und Besserung nicht in Aussicht ist. Das beginnt schon in der Zusammenfassung, die eine Tabelle enthält, in der 4 von 6 Umweltindikatoren rot unterlegt sind, also einen negativen Trend zeigen, und im Text u.a. die Aussagen enthält "Fluglärm wird wahrscheinlich weitere Bevölkerungskreise treffen" und "Bis 2040 werden die Emissionen von CO2 und NOx voraussichtlich um 21% bzw. 16% wachsen" (während die EU-Kommission plant, die EU-Wirtschaft bis 2050 'CO2-neutral' zu machen). Im Text finden sich dazu noch viele ebenso deutliche und detailiertere Aussagen, und er liefert damit den Gegnern des Luftverkehrswachstums jede Menge Argumente.
Allerdings hat der Bericht auch deutliche Mängel. In vielen Fällen werden potentielle Gefahren nicht oder nur unzureichend benannt. Besonders krass wird das am Beispiel der drohenden Entwicklung
neuer Überschallflugzeuge, die besonders in den USA, aber auch mit Unterstützung von Airbus, vorangetrieben wird. Dazu heisst es nur verharmlosend, dass "neue Technologien sorgfältig in das Luftfahrt-System integriert werden müssen, um den Prozess der Milderung der Umweltwirkungen nicht zu unterminieren" - eine sehr kryptische Aussage angesichts der Tatsache, dass die Umweltfolgen des Überschallflugs
gravierend sein werden.
Schlimmer ist aber noch, dass die EU offenbar all das, was an Erkenntnissen und Empfehlungen aus dem Bericht für den Umweltschutz nützlich wäre, in ihrer praktischen Politik sofort wieder vergisst. So ist gerade bekannt geworden, dass EU-Vertreter bei den aktuellen Verhandlungen der ICAO über neue Energieeffizienz-Standards für Flugzeuge auf Druck von Airbus für niedrigere Anforderungen eintreten, während ausgerechnet die USA hohe Standards verteidigen. Auch der Anspruch, an sog. alternative Treibstoffe hohe Umweltstandards anzulegen, droht gerade aufgegeben zu werden. Und die Handelspolitik der EU unterminiert diesen Anspruch ohnehin permanent und befindet sich damit im Einklang mit der Welthandelsorganisation WTO, deren Chef einen negativen Einfluss des globalen Handels auf das Klima generell bestreitet.
Die Bundesregierung trägt einen erheblichen Teil an Mitverantwortung für dieses Versagen der EU-Politik. Sie wehrt sich gegen den Versuch, internationalen Konzernen
bindende Verpflichtungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt aufzuerlegen und bleibt mit ihrer eigenen Klimapolitik
weit hinter den Erfordernissen des Pariser Abkommens zurück. Eine Vertreterin der Schüler- und Studenten-Bewegung
Fridays for Future, die aktuell in ganz Europa Aktionen und Streiks für mehr Klimaschutz durchführt, kommt nach einem Treffen mit Wirtschaftsminister Altmaier
zu dem Ergebnis:
"Was er uns erzählt hat, war unglaublich und absurd ... . Er sieht die Wirtschaft Deutschlands durch den Klimaschutz gefährdet. Er stellt kurzfristige wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund und verspielt damit unsere Zukunft." Treffender kann man es nicht formulieren, und es gilt leider nicht nur für Herrn Altmaier, sondern für die Regierenden auf allen Ebenen.
Demgegenüber kommen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft immer mehr Forderungen nach
Reduzierungen der Belastungen durch den wachsenden Transportsektor und insbesondere nach
Beschränkungen im Flugverkehr. Darauf zu hoffen, dass die herrschenden Eliten darauf eine Antwort finden, die mehr beinhaltet als hohle Versprechungen, die durch ihre Aktivitäten umgehend konterkariert werden, ist illusorisch. Veränderungen wird es nur dann geben, wenn die Betroffenen
ausreichend Druck machen.
Die Ergebnisse von Satelliten-Messungen stimmen recht gut mit den Modellrechnungen überein: Rhein-Main ist ein Hotspot der Stickoxid-Belastung.
26.01.2019
Wie zu befürchten war, gehen auch in diesem Jahr die Attacken gegen Grenzwert-Setzungen, die Politik und Wirtschaft Probleme bereiten, munter weiter. Aktuell versucht eine Gruppe von Pneumologen (Fachärzte für Lungenheilkunde) mit einem Positionspapier die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub in Zweifel zu ziehen. Anders als bei der Kampagne im letzten Jahr werden hier aber nicht die Grenzwerte zweier Schadstoffe gegeneinander ausgespielt, sondern die wissenschaftlichen Grundlagen der Grenzwertsetzung aller Luftschadstoffe angegriffen.
Inhaltlich ist das 'Positionspapier' so dünn und widersprüchlich, dass es sich kaum lohnt, sich damit auseinander zu setzen. Man muss kein Arzt sein, um zu sehen, wie populistisch und dumm schon die einführende Aussage ist: "Lungenärzte sehen in ihren Praxen und Kliniken diese Todesfälle an COPD und Lungenkrebs täglich; jedoch Tote durch Feinstaub und NOx ... nie.". Kein Lungenarzt sieht "Tote durch Rauchen", kein HNO-Arzt "Tote durch Lärm" und kein Kardiologe "Tote durch Stress". Klinisch sieht man immer nur die Krankheit, die zum Tod geführt hat, aber nur sehr selten die Faktoren, die diese Krankheit verursacht oder gefördert haben.
In der dann folgenden Philippika gegen die Epidemiologie wird die Argumentation sachlich nicht besser und besonders widersprüchlich dadurch, dass sie für das Rauchen, das mit seinen viel höheren Schadstoff-Konzentrationen als wirklicher Krankmacher anerkannt wird, die epidemiologischen Daten kritiklos übernimmt.
Warum über hundert Ärzte so etwas unterschreiben, ist schwer zu verstehen. Leichter ist es da schon, die Absichten der Initiatoren zu durchschauen. Von den vier Herren, die die Unterschriftensammlung gestartet haben, sind nur zwei überhaupt Ärzte, die Professoren Köhler und Hetzel. Prof. Hetzel hatte bereits Anfang 2017
gegen den Feinstaubalarm in Stuttgart polemisiert. Prof. Köhler hat seine Kampagne (soweit wir das nachvollziehen können) Anfang letzten Jahres
begonnen und mit einem
Artikel im Ärzteblatt fachlich zu untermauern versucht. Darin verweist er aber auch auf eine ältere Arbeit von ihm, in der er bereits die Risikoabschätzungen für Feinstaub kritisiert.
Noch länger im Kampagnen-Geschäft sind die beiden anderen Herren. Prof. Koch, heute Leiter des Instituts für Technologie in Karlsruhe, war nach einer
Meldung von Lobbycontrol über 10 Jahre in der Motorenentwicklung bei Daimler tätig und hat 2017 einen
Aufruf zur Rettung des Verbrennungsmotors mit unterstützt. Veteran der Bewegung scheint aber Prof. Klingner, Leiter des Fraunhofer Institut für Verkehrs- und
Infrastruktursysteme, zu sein, der schon seit 2006 mit
kruden meteorologischen Modellen nachzuweisen versucht, dass die Feinstaubbelastung in den Städten hauptsächlich auf natürliche Prozesse zurückzuführen ist. 2017 beteiligte er sich dann aktiv an den damaligen
Polemiken gegen Schadstoff-Grenzwerte, die im Rahmen des
Diesel-Skandals Hochkonjunktur hatten.
Zumindest bei den beiden Auto-Lobbyisten dürfte ihre Motivation klar sein. Sie sind aber im Vergleich zu dem, was in diesem Bereich sonst noch so
verbrochen wurde, geradezu harmlos. Bei den beiden Medizinern scheint es eher eine wie auch immer begründete, aber offenbar reichlich irrationale Abneigung gegen epidemiologische Methoden zu sein, die sie dazu bringt, Maßnahmen, die gerade ihren Patienten helfen sollen, vehement zu bekämpfen.
Wenig überraschend ist, dass die üblichen Verdächtigen (Stichwort: populistisch und dumm) solche Aktivitäten sofort auszuschlachten versuchen. Schon im letzten Jahr hatte ein einschlägiges Fachblatt ein
schönes Beispiel dafür geliefert, wie man solche Positionen mit anderen, selbst wenn sie ihnen
inhaltlich widersprechen, zu demagogischer Stimmungsmache zusammenrühren kann. Da ist es kein Wunder, dass insbesondere CSU-Minister Scheuer diese Aktion
begeistert begrüsst. Die SPD-Umweltministerin
hält zwar dagegen, aber eine klare Stellungnahme der Bundesregierung gibt es bisher nicht. Die AfD ist natürlich voll
auf der Linie der Auto-Lobby, ebenso die FDP, die nur etwas
zurückhaltender formuliert.
Auch die Reaktion der Ärzte-Verbände lässt teilweise zu wünschen übrig. Die 'Deutsche Gesellschaft der Pneumologen' (deren Vorsitzender Prof. Köhler mal war) hatte zwar noch Ende letzten Jahres ein
Positionspapier herausgegeben, dass die geltenden Positionen voll unterstützt, äussert sich aber in der aktuellen Diskussion (aus Angst vor Konflikten in der eigenen Organisation?)
nur sehr verschwommen. Sehr eindeutig dagegen die
Pressemitteilung
des 'Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP)'. Ihr Resumee lautet: "Für uns Pneumologen, die wir täglich Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, Bronchitis und Lungenkrebs behandeln, ist es selbstverständlich, dass die Luftbelastung so weit als möglich herabgesetzt wird".
Für alle, die sich weiterhin Gedanken über die Schadstoffbelastungen ihrer Region machen, gibt es noch eine eigentlich unschöne, aber für die weitere Arbeit nützliche Nachricht. Wie die Grafik oben zeigt, bestätigen auch Satelliten-Messungen die Modellrechnungen des Umweltbundesamtes, wonach die Stickstoffdioxid-Konzentration in der Rhein-Main-Region flächendeckend erhöht ist. Die dümmliche Forderung nach einem Umstellen der Meßstellen, um die Grenzwerte dadurch einzuhalten, wird durch solche Ergebnisse sehr anschaulich ad absurdum geführt. Dass zu dieser Belastung auch der Luftverkehr wesentlich beiträgt, dürfte inzwischen nur noch von solchen Menschen bezweifelt werden, die auch die oben beschriebenen Kampagnen unterstützen.
Erfreulicher Weise erntet diese Anti-Grenzwert-Kampagne nach einem kurzen, allerdings
Medien-wirksamen Hype fast nur noch Widerspruch. Darunter sind insbesondere eine Reihe von
internationalen Experten, die die Argumente der 'Stellungnahme' Punkt für Punkt zerpflücken, und
Vertreter internationaler Fachverbände, die die geltenden Grenzwerte nachdrücklich verteidigen. Auch hiesige Fachärzte
kritisieren ihre Kollegen, und
seriösere Medien stellen die wissenschaftlichen Hintergründe sachlich dar. Und wenn die Kampagne mal von Ingenieurs-Seite Unterstützung bekommt, wie in einem
Beitrag auf einer vom VDI betriebenen Online-Plattform, dann ist nicht nur die medizinische Argumentation grottenschlecht, der Autor geht nach ein paar dümmlichen Argumenten auch noch bruchlos zu einer Verteidigung des Dieselmotors über und macht damit sehr anschaulich deutlich, worum es ihm eigentlich geht.
Und nur einen Tag später
stellt eine anderere Autorin auf der gleichen Plattform diesen Unsinn wieder richtig.
Bleibt nur noch nachzutragen, dass Ende letzten Jahres auch der Bund-Länder-"Ausschuss für Innenraumrichtwerte" den Richtwert für Stickstoffdioxid in Innenräumen, der für öffentliche Gebäude und Büroarbeitsplätze zur Anwendung kommt, an den für die Aussenluft geltenden Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft
angepasst hat. Auch dieses Gremium war offensichtlich von der Richtigkeit der Grenzwert-Setzung überzeugt.
Und nun gibt es auch noch eine kleine Broschüre, in der eine Gruppe deutscher MedizinerInnen im Namen zweier internationaler Gesellschaften nicht nur die Fehler der 'Stellungnahme' erläutern und richtigstellen, sondern auch noch einen kurzen, aber prägnanten Überblick über den tatsächlichen Stand der Forschung zu den Wirkungen der Luftschadstoffe geben. Auch für Laien lesenswert.
Das Fluglärmgesetz soll auch weiterhin
den Fluglärm schützen, nicht die Bürger
16.01.2019
Es kommt leider
wie vorhergesagt: die Bundesregierung hat den (seit zwei Jahren überfälligen) Bericht über die Wirkung des Fluglärmschutzgesetzes
beschlossen und dabei den Entwurf des Umweltministeriums, der seinerseits schon weit hinter den Forderungen der zuständigen Fachbehörde, des Umweltbundesamtes, zurückgeblieben war, noch weiter verwässert. Wirtschafts- und Verkehrs-Ministerium, beide unions-geführt, haben dafür gesorgt, dass die Interessen der Luftverkehrslobby weitestgehend durchgesetzt wurden.
Die ist aber auch damit noch nicht zufrieden. Zwar ist die
Pressemitteilung noch sehr zurückhaltend, aber ADV-Geschäftsführer Beisel lässt sich in der Fachpresse dahingehend
zitieren, dass selbst die für 2021 ins Auge gefasste Absenkung der Lärmgrenzwerte um 1 bis 3 dB(A) noch zu viel sei. Das UBA hatte, gestützt auf neuere Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung, bis zu 10 dB(A) gefordert.
Was genau nun eigentlich in dem Bericht steht, wird der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt, er wird zunächst nur an Bundestag und Bundesrat weitergeleitet, die zu entscheiden haben, was weiter passieren soll. Es wäre aber ein Wunder, wenn sich diese beiden Institutionen auf eine abweichende Position einigen könnten, da die GroKo ja den Bundestag eindeutig dominiert und im Bundesrat eine konsequente Opposition in dieser Frage auch nicht zu erwarten ist.
Die Presse
berichtet von 13 'Empfehlungen', die geringfügige Korrekturen, aber keine Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes beinhalten. Die 'Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen' und die 'Bundesvereinigung gegen Fluglärm' werden in ihrer gemeinsamen
Pressemitteilung etwas konkreter, geben aber auch keinen vollständigen Überblick über den Inhalt. Hier muss man wohl die einschlägigen Vorlagen in Bundestag und Bundesrat abwarten.
Zunächst aber macht der Bericht noch einmal sehr deutlich, dass die Kräfte, die auf Verbesserungen des Schutzes vor Fluglärm drängen, noch viel zu schwach sind, auch wenn die Fachgremien, vom Umweltbundesamt über Mediziner-Verbände bis zum Sachverständigenrat für Umweltfragen, auf ihrer Seite sind. Auch
gute Aktionen wie die im September vergangenen Jahres vor dem Reichstag in Berlin erzeugen nicht genügend politischen Druck.
Um den dominierenden Einfluss der Luftverkehrs-Lobby auf die Berliner Politik zu brechen, muss die Rolle dieses Industriezweiges von allen Seiten her in Frage gestellt werden. Die
vielfältigen Grenzen, die dem Luftverkehr im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung gesetzt sind, werden erst dann beachtet werden, wenn der Luftverkehr von einer Möglichkeit der Profitmaximierung zu einem Element der öffentlichen Daseinsvorsorge (zurück-)entwickelt wird. Ansonsten werden sie in allen Bereichen überschritten - mit katastrophalen Folgen für Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Umwelt.
2018 war weltweit überwiegend zu warm (Hintergrundgrafik: EU Copernicus), und der Flugverkehr trägt wesentlich dazu bei (Grafik: ftwatch.at, Grünes Fliegen).
12.01.2019
2018 war in Deutschland das wärmste und weltweit das viert-wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Bemühungen der Politik, dagegen etwas zu tun, waren trotzdem sehr dürftig, und im Bereich Luftverkehr gab es Rückschritte.
Es hatte das Jahr werden sollen, in dem die Regeln für die Umsetzung des 2015 abgeschlossenen Pariser Abkommens endgültig festgelegt werden und der Prozess beginnt, mit dem die von den Staaten festgelegten nationalen Ziele angepasst werden an das, was für die Erreichung des in Paris festgelegten globalen Ziels nötig ist. Für beides gab es bestenfalls erste Ansätze.
Der UN-Klimagipfel im Dezember in Polen gilt nur deshalb nicht als Mißerfolg, weil er es geschafft hat, zumindest einen
Teil des Regelwerks, das für den weiteren Prozess dringend gebraucht wird, zu verabschieden. Ein zweiter, nicht unwichtiger Teil jedoch, an dem die Konferenz zeitweilig
zu scheitern drohte, musste auf die nächste Konferenz in diesem Jahr verschoben werden. Der globale Emissionshandel, in der im Kyoto-Protokoll festgelegten Form als
weitgehend unwirksam eingeschätzt, wartet weiter auf verbindliche Qualitätskriterien und Maßnahmen gegen eine Doppelzählung, bei der emissionsmindernde Maßnahmen gewinnbringend verkauft, aber trotzdem auf das eigene Budget angerechnet werden.
Konkrete Beschlüsse, die eine
Trendwende bei den wieder steigenden Emissionen einleiten könnten, gab es nicht.
In Deutschland musste die Bundesregierung Mitte des Jahres eingestehen, dass die
Reduktionsziele 2020 nicht nur nicht erreicht, sondern deutlich verfehlt werden. Wie insbesondere der letzte
Monitoring-Bericht des Wirtschaftsministeriums (mit Daten für 2016) deutlich macht, ist daran besonders der Verkehrssektor schuld, wo die Treibhausgas-Emissionen nicht wie geplant sinken, sondern ansteigen. Den prozentual höchsten Anstieg (7,5%) verzeichnete dabei der Luftverkehr, und 2016 war erst das erste Jahr der aktuellen Wachstumsperiode.
Die Bundesregierung denkt aber garnicht daran, konsequent dagegen vorzugehen. Sie versuchte, teilweise erfolgreich, strengere Grenzwerte für den
CO2-Ausstoß von PKW und Nutzfahrzeugen in der EU zu verhindern und will das Wachstum der Luftfahrt noch stärker fördern. Dafür bekam sie prompt einen
Negativpreis
und wurde gleich mehrfach
vor Gericht gezerrt. Unbeeindruckt davon hat sie gerade einen
Entwurf für einen 'Nationalen Energie- und Klimaplan' vorgelegt, der schon im letzten Jahr hätte fertig sein sollen und sich nach wie vor durch Unvollständigkeit und Unverbindlichkeit auszeichnet. Der Luftverkehr kommt darin nur als statistisches Phänomen vor, von Handlungsansätzen keine Spur.
Das von der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO vor zwei Jahren beschlossene
Kompensationssystem CORSIA, das angeblich ab 2020 für ein "klimaneutrales Wachstum" des Flugverkehrs sorgen soll, hat derweil seine Schwächen weiter offenbart.
Wurden schon zu Beginn des vergangenen Jahres die vorgesehenen Rahmenbedingungen für die dafür geltenden
Standards nur mit Mühe durchgepaukt, wurden die Inhalte bei der Diskussion der Details immer
weiter verwässert. Nichtsdestotrotz versuchte die Luftfahrt-Lobby, mithilfe dieses Systems eine
vollständige Herausnahme des Luftverkehrs aus dem EU-Emissionshandelssystem ETS zu erreichen. Die europäischen Umweltverbände
riefen zum Widerstand gegen diese Frechheit auf und hatten zumindest insoweit Erfolg, als die EU-Kommission beschloss, bei ICAO einen
Einwand gegen dieses System vorzubringen. Die
Wirkung solcher Einwände ist allerdings begrenzt, da sie auf der Basis einer
grundsätzlichen Zustimmung zu diesem System erfolgt. Die
Einbeziehung internationaler Flüge in den EU-Emissionshandel bleibt bis 2023 ausgesetzt.
Mit Beginn dieses Jahres beginnt nun auch die erste Phase von CORSIA, in der die tatsächlichen Emissionen aller Airlines ermittelt werden sollen. Die Industrieverbände
behaupten, dazu bereit zu sein, obwohl die Regeln dafür zwar definiert sind, aber viele Länder die notwendigen nationalen Bestimmungen für die Erfassung der Emissionen noch garnicht beschlossen haben und daher die rechtlichen Grundlagen für ihre Durchsetzung fehlen und unabhängige Kontrollmechanismen nicht vorhanden sind. Ob aber wirklich alle Airlines freiwillig exakte Daten darüber liefern, wieviel sie künftig bezahlen sollen, darf bezweifelt werden.
Ein anderer Mangel ist aber fast noch schlimmer. Obwohl auch einige Luftfahrt-Lobbyverbände an die UN-Konferenz in Kattowitz
appelliert hatten, Regeln für die Anerkennung von Emissions-Zertifikaten festzulegen, wurde gerade dieser Punkt, wie oben beschrieben, auch dort vertagt. Andere, wie die IATA, glauben, diese Frage auch
eigenständig lösen zu können, aber die Gefahr, dass CORSIA durch fehlende Qualitätsstandards für Emissionszertifikate völlig wirkungslos wird, ist groß.
Sollte ICAO tatsächlich die alten Zertifikate der Clean Development Mechanisms anerkennen,
fürchten selbst Befürworter von CORSIA, dass es dadurch auch
weitgehend wirkungslos
wird. Genau das aber war der Punkt, an dem die Verhandlungen in Kattowitz zu scheitern drohten. Brasilien und einige andere Staaten, die noch massenhaft alte CDM-Zertifikate gehortet haben, möchten diese noch zu Geld machen dürfen. Und die neue brasilianische Regierung unter dem ultrarechten Präsidenten Bolsonaro, der seit Jahresbeginn im Amt ist,
fordert das auch ganz offen. Die Diskussionen darüber werden also in diesem Jahr nicht leichter.
Da auch die Fortschritte in der
Energieeffizienz der Airlines weiter hinter dem zurückbleiben, was ICAO erhofft, konzentriert sich die öffentliche Diskussion der Luftverkehrswirtschaft zunehmend mehr auf
alternative Treibstoffe und
elektrisches Fliegen. Selbst
alternative Konzepte zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs, die Einschränkungen des Bedarfs durch marktbasierte Maßnahmen wie z.B.
Steuern einschliessen, propagieren deren Entwicklung und Einsatz.
Die Realität ist aber auch hier eher ernüchternd.
Die aktuell genutzten Biotreibstoffe richten häufig
mehr Schaden als Nutzen an, und bessere Alternativen befinden sich zumeist, ebenso wie Treibstoffe aus
Strom oder
Sonnenenergie, noch im Frühstadium der Entwicklung. Wann und in welchem Umfang sie einsatzbereit sein werden, ist schwer vorherzusagen.
Man kann sich nicht mehr um die Erkenntnis herumdrücken: wenn die Klimabelastung durch den Luftverkehr soweit reduziert werden soll, dass sie mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang kommt, geht das nicht ohne drastische Reduktionen nicht der Nachfrage, sondern des Angebots. Die Prognosen, was passieren könnte, wenn diese Ziele nicht eingehalten werden, werden
immer düsterer.
Hier stand bis vor zwei Monaten noch Wald
08.01.2019
Auch 2018 hat Fraport den Ausbau des Flughafens und der dazu gehörenden Strukturen weiter voran getrieben und einige Erfolge erzielt. Basis dafür war ein weiter anhaltendes Wachstum des Flugbetriebes, und auch wenn die
Prognosen vom Jahresanfang nach den
November-Zahlen bei den Flugbewegungen nicht ganz erreicht wurden ('nur' 7,6 statt 9%), lagen die Zuwächse bei den Passagierzahlen an der oberen Grenze des erwarteten (5,6%, Prognose 3,9-6,2%).
Dass die Grenzen, die an vielen Stellen in diesem Sommer ebenfalls deutlich wurden, nicht nur temporär und mittelfristig überwindbar sind, sondern ein langfristiges Wachstum garnicht mehr zulassen, wollen sie natürlich nicht wahrhaben.
Wichtigstes Projekt des derzeitigen Ausbaus ist natürlich Terminal 3. Fraport hatte ja schon Mitte 2017 in Reaktion auf die neue Billigflieger-Strategie die
Bauplanung umgestellt,
und Mitte 2018 waren alle
juristischen Hindernisse für den vorgezogenen Billig-Flugsteig G beseitigt.
Fraport ging dann umgehend daran, auch physische Widerstände zu beseitigen. Als
Zeichen des Widerstands hatten zu Jahresanfang einige Leute
mit lokaler Unterstützung den Teil des Treburer Waldes besetzt, den Fraport für den Bau einer neuen Autobahnabfahrt benötigt. Entsprechende Rodungen waren bereits im Planfeststellungsbeschluss genehmigt worden, die Stadt Trebur war auch bereit, den Wald zu verkaufen.
Am 6. November hat die Polizei, eifrig unterstützt von Kräften der Fraport, überfallartig das Camp im Treburer Wald geräumt, und unmittelbar danach begann die Rodung der Fläche.
Nahezu zeitgleich begann Fraport auch
mit der Vergabe der Rohbaumaßnahmen für den Hauptteil von Terminal 3, die Arbeiten sollen in Kürze beginnen. Fraport geht davon aus, dass die Zeitpläne für beide Teile des Projekts eingehalten werden und der Billig-Flugsteig 2021, der Hauptteil des Terminals 2023 in Betrieb gehen wird.
Nichts Spektakuläres, aber ein kontinuierliches weiteres Wachstum gab es für Fraport in den Bereichen, die nicht direkt zum Flugbetrieb gehören, aber für den wirtschaftlichen Erfolg fast noch entscheidender sind: die unter dem Namen
Airport City zusammengefassten Immobilien-Aktivitäten. Dazu gehören hauptsächlich das
Mönchhof-Gelände (in der Raunheimer Politik nach wie vor hochtrabend als 'Airparc Logistics' bezeichnet), Gateway Gardens, die Cargo City Süd und, wenn Kelsterbach mit den
notwendigen Vorleistungen soweit ist, auch die Cargo City West, das ehemalige Ticona-Gelände.
All diesen Projekten ist gemeinsam, dass die öffentliche Hand hier große Summen für die Infrastruktur - Straßen, S-Bahn-Anschlüsse usw. - investiert, in der Hoffnung, dass dann irgendwann Arbeitsplätze geschaffen werden und das Geld in Form von Steuereinnahmen zurück fliesst. Teilweise passiert das auch, wie dauerhaft diese Entwicklung allerdings ist, ist offen. Sicher sind dabei nur zwei Dinge - die Profite für Fraport und der Schaden, den das Klima durch die ständig steigende Aufblähung des fossilen Transportsystems nimmt. Das aber ist ein eigenes Thema.
Und da aus den relevanten Wahlen im letzten Jahr durchgehend wieder die alten Regierungs-Koalitionen hervorgingen (wenn auch nicht unbedingt gestärkt), hat sich auch an der politischen Absicherung dieses Wachstumskurses nichts geändert.
Auf Bundesebene rückt die GroKo keinen Millimeter von ihrer
neoliberalen Luftverkehrspolitik ab, und auch wenn es nach längerer Zeit mal wieder eine
politische Aktion zu einem Aspekt dieses Themas, dem Lärmschutz, gab, war diese viel zu klein und thematisch zu sehr begrenzt, um dagegen wirksamen Druck auszuüben. Auch die beginnende
Koordination des Widerstands auf europäischer und globaler Ebene hat bisher in Deutschland viel zu wenig Resonanz gefunden, um Druck zu erzeugen.
Auch in Hessen hat Schwarz-Grün zum Jahresende einen Koalitionsvertrag beschlossen, der im
Kapitel Luftverkehr nichts davon erkennen lässt, dass es zwischen diesen Parteien eine gewisse Kräfteverschiebung gegeben hat. Die Kernaussagen sind die gleichen wie vor fünf Jahren, und wir können aus dem damaligen Kommentar abschreiben: "die "Wettbewerbsfähigkeit" des Flughafens steht weiter an erster Stelle, alle Vorhaben stehen unter dem Vorbehalt von deren Erhaltung - und "Wettbewerb" meint hier nach wie vor den Wettlauf der Megahubs dieser Welt um das größte Stück vom weltweiten Verkehr, unabhängig von allen regionalen Bedürfnissen." und " der Planfeststellungsbeschluss soll nicht angetastet werden". Neu sind lediglich ein paar konkretere Hinweise, wie es mit weiteren Subventionen der Luftverkehrswirtschaft ermöglicht werden soll, die Grenzen ihres Wachstums noch ein bißchen auszudehnen, indem in einem "Kompetenzzentrum „Klima- und Lärmschutz im Flugverkehr“ ... Modellprojekte gefördert werden, mit denen die Rahmenbedingungen für den Einsatz synthetischer, unter Nutzung Erneuerbarer Energien hergestellter Kraftstoffe (Pilotanlage in Hessen) unter Einbindung von Luftverkehrswirtschaft, Chemiebranche, Wissenschaft, Land, NGO sowie Handels/Frachtunternehmen, untersucht werden" und das "Forum Flughafen und Region (FFR) ... als Kompetenzzentrum zur Weiterentwicklung des Flughafens" weiterhin finanziert wird. Natürlich sind zwischendurch noch ein paar Floskeln zum Lärmschutz eingestreut, aber die
Qualität dieser Programme ist hinlänglich bekannt.
Ändern lässt sich dieser Chaos-Kurs wohl nur, wenn alle diejenigen, die heute unter dem Fluglärm leiden, begreifen, dass er nur ein Symptom eines viel grösseren Problems ist, und diejenigen, die heute aktiv für mehr Klimaschutz eintreten und die Energiekonzern und die Auto-Konzerne Stück für Stück auf einen anderen Kurs zwingen, auch die Luftverkehrsindustrie stärker in den Blick nehmen und einen ähnlichen Druck entwickeln.
Nur dann besteht eine Chance, die Schulte, Spohr und Co. abzuservieren und von ihren Nachfolger*innen erfolgreich zu verlangen:
Stay Grounded !
Gleiche Grundfarbe, unterschiedliche Aufschriften, verschiedene Ausstattung - von solchen Meßcontainern soll es demnächst noch ein paar mehr geben.
05.01.2019
Im Jahr 2018 gab es zum Thema 'Ultrafeinstaub' eine Reihe von neuen Entwicklungen, die teilweise durchaus positiv waren - aber der Fortschritt ist sehr, sehr langsam, und Rückschläge gab es auch.
Wie schon
im Jahr vorher, wurden auch 2018 zahlreiche neue Arbeiten zum Thema veröffentlicht und neue Erkenntnisse gewonnen. Leider wurde aber auch die damals kritisierte Lobby-Kampagne zum Aufbau einer
falschen Alternative der Reduzierung von Feinstaub oder Stickoxiden fortgesetzt.
Zu den neuen Erkenntnissen gehört eine Untersuchung aus Australien, die die Wirkung einer Ultrafeinstaub-Belastung auf
Schulkinder untersucht. Die untersuchten Belastungssituationen sind direkt auf Raunheim übertragbar, und die Ergebnisse sind beunruhigend: "auch wenn es nicht zu nachweisbaren Symptomen oder Krankheiten kommt, werden die Kinder geschwächt und möglicherweise die Grundlagen für künftige Erkrankungen gelegt". Eine Reaktion auf diese Erkenntnisse gab es hierzulande bisher nicht.
Ganz neu sind eine Reihe von Studien über die allgemeine Verteilung und den Transport von ultrafeinen Partikeln in der Atmosphäre. Eine davon betont die
Rolle stationärer Anlagen wie z.B. Kraftwerken, die bisher unterschätzt worden sei, andere liefern diverse statistische Auswertungen im
GUAN-Netzwerk und machen damit endlich die seit Jahren gesammelten Daten für allgemeine Zwecke nutzbar.
In der Diskussion um die Rolle des Flughafens für die UFP-Belastung in der Region gab es einen Fortschritt. Im
1. Zwischenbericht des HLNUG zu den UFP-Messungen in Raunheim und Schwanheim, zu dem kurz danach noch eine
korrigierte Version veröffentlicht wurde, war die klare Aussage zu lesen, dass der Flughafen eindeutig eine Quelle für ultrafeine Partikel ist, die die Umgebung belasten. Zwar ist die Auswertung der Daten immer noch unzureichend, und das HLNUG weigert sich nach wie vor, die klar erkennbare Rolle der Überflüge für die Intensität der Belastung entsprechend zu dokumentieren, aber ein erster Schritt ist getan. Wenn die später noch angekündigten
neuen Aktivitäten in diesem Jahr tatsächlich umgesetzt werden, sind weitere interessante Aussagen zu erwarten.
Dazu bedarf es aber insbesondere auch einer schnellen Korrektur einer geradezu unglaublichen Fehlentscheidung. Nachdem im September 2017 der Raunheimer Meßcontainer erneuert und eine Anlage zur Messung der Größenverteilung der ultrafeinen Teilchen eingebaut wurde, wurden eine Zeitlang Gesamtteilchenanzahl und Grössenverteilung parallel gemessen. Seit Mitte Oktober gibt es jedoch auf der HLNUG-Webseite keine Daten zur Gesamtteilchenanzahl mehr, die Messung wurde offensichtlich eingestellt. Da jedoch nur diese Messung in der Lage ist, schnelle Konzentrationsänderungen zu erfassen, fehlt damit das wesentliche Instrument, um die Rolle der Überflüge zu klären. Diese Messung muss daher unbedingt wieder aufgenommen werden.
Was aus den Meßstationen auf dem Flughafen wird, die Fraport
an das HLNUG abgegeben hat, ist bisher noch nicht klar. Möglicherweise wird es hier demnächst noch Daten vom Flughafengelände geben. Was dort aber mit Sicherheit weiter fehlen wird, sind Daten über die Bereiche, die für die Beschäftigten am Flughafen und die Passagiere besonders relevant wären. Hier
mauert Fraport nach wie vor, und scheint damit auch weiterhin durchzukommen.
Ähnlich traurig sieht es mit den neuen
Meßstationen in Frankfurt aus. Zwar wurde über ihre Standorte entschieden, und vermutlich messen sie auch, aber da diese Standorte nicht den formalen Kriterien für Luftmeßstationen genügen, an die das HLNUG gebunden ist, werden die Daten dort nicht ausgewertet. Und offenbar gibt es auch sonst niemand, der willens und in der Lage wäre, sie zu nutzen. Statt dessen werden zwischen den verfeindeten Koalitionären in der Frankfurter Stadtpolitik weiterhin Polemiken ausgetauscht.
Widersprüchliches gibt es auch von der Bundesebene. Zum einen wurden
erste Ergebnisse des Projekts vorgestellt, das das UBA am Flughafen Frankfurt zur Modellierung der Ausbreitung von Ultrafeinstaub an einem Großflughafen durchführen lässt, und wir sehen unsere schlimmsten
Befürchtungen bestätigt. Zwar bleibt abzuwarten, was der Abschlussbericht enthalten wird (das Projekt endete offiziell im letzten Jahr), aber es ist kaum zu hoffen, dass noch etwas Brauchbares herauskommt.
Auf der anderen Seite hat das Bundesumweltministerium (d.h. de facto auch wieder das UBA) einen
Bericht an die Umweltminister-Konferenz der Länder zusammengestellt, der einen recht guten Überblick über die (bis zum Frühjahr letzten Jahres) laufenden Aktivitäten zum Thema gibt. So wird der Stand der Forschung (in Deutschland) zu Emissionen, Auftreten von Belastungen und gesundheitlichen Wirkungen beschrieben und diskutiert, welche Möglichkeiten zur Setzung von Normen und Regeln es gibt. Was allerdings fehlt, sind konkrete Aussagen darüber, was das Ministerium selbst insbesondere zu den Themen Ausweitung der Messungen und Regelsetzung (z.B. die Einführung von Grenzwerten) zu tun gedenkt.
Zu den gesundheitlichen Wirkungen der Ultrafeinstäube hat das UBA zwei Berichte veröffentlicht: einen an die Länderarbeitsgruppe Umweltbezogener Gesundheitsschutz, dessen wesentliche Inhalte in einem
Artikel des Umwelt-Informationsdienstes UMID zusammengefasst sind, und eine ausführliche
Literaturstudie, die allerdings auch wieder zu dem Ergebnis kommt, dass "die Studienlage immer noch keine konsistente Aussage über gesundheitlichen Effekte von UFP erlaubt". Immerhin möchte das BMU "eine
vereinfachte Dosis-Wirkungsbeziehung etablieren", die ein Schritt hin zu einer "Festlegung von Richt- oder Grenzwertwerten" sein soll.
Und auch die alt-neue schwarz-grüne Hessen-Koalition möchte das Thema aufgreifen und sagt im Kapitel Luftverkehr ihres neuen Koalitionsvertrags zum Thema 'Ultrafeinstaub-Belastungen': "Aufbauend auf den Erfahrungen der NORAH-Studie wollen wir ... eine umfassende Untersuchung der Ultrafeinstaub-Belastung in der Rhein-Main-Region vornehmen. Dies soll erneut federführend vom Forum Flughafen und Region organisiert und als neue Schwerpunktaufgabe des FFR aufgenommen werden."
Das ist höchst diffus und allgemein formuliert, und ob das FFR das geeignete Gremium ist, ein solches Projekt aufzulegen, ist gerade nach den Erfahrungen mit der NORAH-Studie sehr zweifelhaft, aber es ist besser als nichts. Was sich daraus entwickeln wird, wird auch davon abhängen, wie nachdrücklich die Betroffenen ihr Interesse an einer soliden und umfassenden Analyse ihrer Belastung zum Ausdruck bringen.
29.12.2018
Auch in diesem Jahr gab es eine Reihe bemerkenswerter Schäden durch Wirbelschleppen anfliegender Flugzeuge, und das Dachsicherungs-Programm der Fraport, das dagegen schützen soll, ist noch weiter ins Zwielicht geraten. Die Landesregierung tut allerdings alles, um Fraport zu helfen, auch wenn sie damit ihre eigene Glaubwürdigkeit massiv aufs Spiel setzt.
Zum Jahresbeginn hatte Fraport eine neue Werbekampagne gestartet, um mehr Hausbesitzer*innen zu motivieren, sich an dem Sicherungsprogramm zu beteiligen. Offensichtlich hatten sie bereits damals Bedenken, dass eine Sicherungsquote von deutlich unter 50% auf Dauer nicht reichen würde, um die Anforderungen der Gerichte, die im Rahmen der Planfeststellung formuliert worden waren, zu erfüllen. Die Kampagne war allerdings wenig erfolgreich. Obwohl ein massiver Schaden in Flörsheim die Gefahren nochmals sehr deutlich machte, stiessen die Angebote der Fraport in Flörsheim und Raunheim auf grosse Skepsis.
Im Mai kam es dann zu einem Schaden, der als
Super-GAU für das Dachsicherungsprogramm eingeschätzt werden muss. An einem von Fraport als "ordnungsgemäß gesichert" abgenommenen Dach trat ein schwerer Schaden auf, bei dem nicht nur Ziegel herausgerissen wurden, sondern auch ein Dachfenster beschädigt wurde. Da zum fraglichen Zeitpunkt keine Maschinen der Wirbelschleppen-Kategorie "Heavy" gelandet sind, muss der Verursacher auch noch ein leichteres Flugzeug, wahrscheinlich ein A320neo, gewesen sein.
Bei einem weiteren Schadensfall im September wurde dann noch eine weitere Standard-Annahme widerlegt. Trotz starker Winde über 10 Knoten richtete eine Wirbelschleppe 500 Meter von der Anfluglinie entfernt noch Schaden an - das galt bis dahin als unmöglich.
Weitere Schadensfälle im
September in Raunheim (Verursacher: ein A320) und im
Oktober in Flörsheim (Windgeschwindigkeit über 10 Knoten) bestätigen, dass Schäden auch unter ungewöhnlichen Bedingungen auftreten können.
Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen,
veröffentlichte die BI Flörsheim-Hochheim im September noch ein Gutachten, das der Fraport-Dachsicherung ein vernichtendes Zeugnis ausstellt. An einem ebenfalls von Fraport als "ordnungsgemäß gesichert" abgenommenen Haus fand ein unabhängiger Gutachter schwerste Mängel, sowohl technischer Art als auch in Bezug auf die Dokumentation und den Hinweis auf Wartungspflichten, die Fraport allen Besitzern gesicherter Dächer auferlegt hat, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
Fraport reagiert auf die neuen Entwicklungen wie gewohnt:
leugnen, vertuschen, verharmlosen. Als neue Maßnahme wird in einer
Pressemitteilung lediglich fürs kommende Jahr ein 'Inspektionsprogramm' angekündigt. Im Dunkeln bleibt aber vorläufig, was wann wie inspiziert wird, ob die Betroffenen einen Einfluss darauf haben, ob dabei auch die notwendigen Wartungen erledigt werden, ...
Ebenfalls wie gewohnt, aber trotzdem enttäuschend, ist die Reaktion der Landesregierung. Auf einen
Berichtsantrag der Landtagsfraktion der Linken, der am 5. September eingereicht wurde und nahezu alle bis dahin aufgeworfenen Fragen und Probleme des Dachsicherungs-Programms anspricht,
antwortet sie in einer Weise, die man nur als weiteren Skandal bezeichnen kann.
Der Bericht fragt in vier Kapiteln mit jeweils mehreren Einzelfragen nach dem (räumlichen und zeitlichen) Umfang der Dachsicherung, nach den technischen Grundlagen für die Ausführung der Sicherungen, nach den aufgetretenen Mängeln und nach der Bewertung der vorgebrachten Schadensmeldungen. Nur die wenigsten Fragen werden zufriedenstellend beantwortet. Die Ministerialbeamten haben sich vermutlich nicht einmal die Mühe gemacht, selber viel zu formulieren. Nach den üblichen Phrasen heisst es im Vorspann: "Für die Beantwortung des Berichtsantrags wurde eine Stellungnahme des Flughafenbetreibers Fraport eingeholt" - und genau so liesst sich das Ganze auch.
Dass das DLR Berechnungen vorgelegt hat, wonach auch ausserhalb des aktuellen Sicherungsgebietes, z.B. in Rüsselsheim, Wirbelschleppen-Schäden auftreten können, wird mit der Bemerkung abgetan, bisher habe es dort noch keine Schäden gegeben, die plausibel auf Wirbelschleppen zurückgeführt werden könnten, und wenn es welche gäbe, hätten die Geschädigten auch dort Anspruch auf Schadenersatz. Bei der Beurteilung von tatsächlich gemeldeten Schäden ausserhalb des Sicherungsgebietes verlässt sich die Landesregierung voll und ganz auf das völlig intransparente Bewertungs-Verfahren der Fraport und geht Schadensberichten aus anderen Quellen nicht nach.
Die Tatsache, dass auch fünfeinhalb Jahre nach Beginn des Sicherungsprogramms nicht einmal die Hälfte aller Dächer gesichert ist und immer mehr Hausbesitzer*innen von den Erfahrungen mit Fraport abgeschreckt werden, die Sicherung vornehmen zu lassen, tut das Ministerium ab mit dem Hinweis, dass die zuständigen Gerichte (vor Jahren!) ja auch keine Einwände gegen den geplanten Ablauf gehabt hätten.
Für die Ableitung der technischen Anforderungen an die Dachsicherung stützt sich Fraport auf eine 24 Jahre alte Studie aus London, die nur einen sehr begrenzten Aussagewert hat, sowie auf eine Reihe mehr oder weniger plausibler Annahmen, denen auf Seiten des Dachdeckerhandwerks niemand widerspricht, weil sich da auch niemand mit diesem sehr spezifischen Problem auskennt. Einige dieser Annahmen wurden im Laufe des Programms in einem völlig intransparenten Verfahren geändert - warum, weiss niemand.
Die Aufsichtsbehörde kümmert sich nicht um technische Details, nimmt fehlenden Widerspruch als Zustimmung und verweist mehrfach auf 'plausible Darstellungen des Flughafenbetreibers', um zu begründen, dass sie alles hinnimmt, was ihr von Fraport vorgesetzt wird. Zur Krönung beruft sie sich auch noch auf ein eigenes, nicht veröffentlichtes Gutachten, das schon obsolet gewesen sein muss, bevor es überhaupt vorgelegt wurde - es kam nämlich im "März 2014 zu dem Ergebnis, dass schon das ursprünglich mit Planergänzung vom 10.05.2013 verfügte Vorsorgegebiet die Ortschaften Flörsheim und Raunheim angemessen schütze," obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach ausserhalb dieses Gebiets zu Schäden gekommen war. Aber mit solchen Widersprüchen können sowohl die Behörden als auch der Minister offensichtlich gut leben.
Daher wird trotz vieler Worte die Kernfrage nicht beantwortet, welche Belastungen Wirbelschleppen an Dächern in Raunheim und Flörsheim auslösen können und wie dagegen gesichert werden müsste. Aus dem sonst gern benutzten DLR-Modell könnten solche möglichen Belastungswerte abgeleitet werden, aber ohne konkreten Auftrag tut das DLR das nicht - und einen solchen Auftrag erteilen wollen offensichtlich weder Fraport noch die Aufsichtsbehörde. Vielleicht wissen sie ja, was wir nur vermuten - dass nämlich das DLR-Modell eben auch nur ein mässig gelungener Versuch ist, die Realität der Wirbelschleppen-Ausbreitung wiederzugeben, und dass noch viel Forschung nötig wäre, um zu sicheren Ergebnissen zu kommen.
Nicht nur technisch ignorant, sondern auch politisch skandalös ist die Antwort zu dem letzten Fragenkomplex in diesem Kapitel. Angesprochen darauf, dass Fraport versucht, sich mit ihren 'Ausführungsbestimmungen' aus der vollen Kostenverantwortung für die aufwändigere Sicherung bestimmter Dachtypen zu stehlen, wiegelt die Behörde ab. Kryptisch heisst es da, "Jede Ausführungsbestimmung des Flughafenbetreibers ist im Lichte der Planergänzungen und ihres Sicherungsziels zu sehen", und in dieser speziellen Beleuchtung sehen sie für das Ministerium offensichtlich gut genug aus. Die betroffenen Hausbesitzer*innen bleiben im Regen stehen.
Zum Zeitpunkt der Einreichung des Berichtsantrages waren viele heute bekannte Mängel an den Dachsicherungen noch nicht bekannt, und der Minister denkt natürlich garnicht daran, Dinge, die in einem direkten sachlichen Zusammenhang stehen, nach denen aber nicht konkret gefragt wurde, mit zu beantworten. Die gegebenen Antworten fallen sehr knapp aus und lassen sich einfach zusammenfassen: Fraport macht das alles prima, es gibt kein Problem.
Angesichts des aktuellen Sachstandes ist das einfach nur lächerlich und wird sicherlich nochmal neu aufgegriffen.
Die Kriterien, nach denen Fraport gemeldete Schäden als „nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen“ bzw. „Wirbelschleppen als Schadensursache nicht auszuschließen“ einstuft, bleiben auch weiterhin im Dunkeln. Der Minister ist überzeugt: "Die Sachverständigen ... bewerten auf Grundlage der eigenen Feststellungen und der allgemein anerkannten Regeln der Technik", auch wenn Letztere dazu in den meisten Fällen nichts sagen können.
Immerhin folgt dann noch eine Liste, aus der man entnehmen kann, mit welchen Begründungen eine Schadensregulierung gegenüber den Betroffenen abgelehnt wurde. Als erstes fällt auf, dass von den 49 abgelehnten Fällen 7 aus Rüsselsheim, Kelsterbach und Nauheim kommen, obwohl angeblich nur 4 Schäden ausserhalb des Sicherungsgebietes aufgetreten sind. Das könnte nur dann stimmen, wenn die drei Kelsterbacher Fälle in dem kleinen Eckchen des Stadtgebietes aufgetreten sind, das im Sicherungsgebiet liegt. Ansonsten enthält die Liste 19mal den Grund "Instandhaltungsmängel bzw. fehlerhafte Ausführung der Dacheindeckung" (springen deswegen Ziegel vom Dach?), 9mal "Schäden, die auf Sturm, nicht auf Wirbelschleppen zurückzuführen sind" (eine interessante Unterscheidung, von der man gerne wissen würde, wie sie getroffen wird; acht Seiten vorher weiss der Minister noch: "Wirbelschleppen stellen eine Soglast dar; Windsog entsteht auch bei Windangriff"), 4mal soll es zum Schadenszeitpunkt in Flörsheim bzw. Raunheim keinen Überflug gegeben haben (ist der Zeitpunkt wirklich sicher?) und immerhin 16mal taucht die allseits beliebte Kategorie "Sonstiges" auf, in die ja nun fast alles hineinpasst. Der Skandal besteht ja hier gerade darin, dass die Aufsichtsbehörde die Entscheidungen der Fraport vollständig deckt - eine unabhängige Instanz, an die sich die Betroffenen wenden könnten, wenn sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, gibt es nicht.
Da ist es dann nur konsequent, wenn der Minister auch bei Schäden an sonstigen Dacheinbauten und anderen Gegenständen nur abwiegelt: absolute Ausnahmefälle, und Schäden werden ja ersetzt. Auch hier aber entscheidet erstmal Fraport: ein zerstörter Sonnenkollektor, ein zersprungenes Dachfenster - sowas geht nach den von ihr 'anerkannten Regeln der Technik' nicht durch Wirbelschleppen zu Bruch, und dann gibt es eben auch keinen Schadensersatz.
Das Timing der Anfrage der Linken war leider nicht wirklich gut. Die Antwort hat noch die alte Landesregierung gegeben, und der alte Landtag hat sie in einer der letzten Ausschuss-Sitzungen im November zur Kenntnis genommen und damit erledigt.
Die kommende Landesregierung, in der ja Herr Al-Wazir weiterhin für diesen Bereich verantwortlich sein wird, müsste daher neu mit diesen Fragen konfrontiert werden. Eine neue Anfrage mit Kritik an den bisherigen Antworten und Fragen zu den inzwischen neu bekannt gewordenen Mängeln wäre ohne weiteres möglich - wenn denn das öffentliche Interesse dafür da ist. Makaberer Weise wird das aber wohl nur der Fall sein, wenn es im kommenden Frühjahr (wo Wirbelschleppen-Schäden meist häufiger vorkommen) wieder zu einem grösseren Schadensfall kommt. Im Interesse der Bewohner*innen von Flörsheim und Raunheim wollen wir hoffen, dass das nicht passiert.
Was es aber wohl geben wird, sind neue Werbemaßnahmen der Fraport - und diese Gelegenheiten sollten wir nutzen, die hier beschriebenen Skandale, Skandälchen und Frechheiten weiter anzuprangern.
Die Zahlen der Flugbewegungen während der ersten Stunde des 'Nachtflugverbots', insbesondere die der Landungen, haben deutlich zugelegt.
(Die Zahlen muss man sich aus den UNH-Grafiken für die jeweiligen Jahre zusammen suchen.)
21.12.2018
Die zweite bedrohliche Entwicklung dieses Jahres, die allerdings nicht nur Raunheim betraf, war die zunehmende Zahl der Nachtflüge, die dazu geführt hat, dass im Großteil des Jahres die Nachtruhe, die ja angeblich in den beiden 'Nachtrandstunden' schon beginnen bzw. langsam auslaufen und in der 6stündigen 'Kernnacht' vollständig sein soll, auf höchstens fünf Stunden beschränkt war.
Wie die nebenstehende Grafik zeigt, gab es seit der Einführung der neuen Nachtflugbeschränkungen noch kein Jahr, in dem eine 6stündige Nachtruhe durchgehend eingehalten worden wäre. Selbst wenn im Jahresmittel in jedem Monat nur jeweils 20+ Starts und Landungen durchgeführt werden, bedeutet das ja, das auf beiden Seiten des Flughafens fast jede Nacht ein Flieger die Ruhe vor Mitternacht stört. Das Jahresmittel verschleiert zudem, dass diese Störungen sich in der Regel auf die Frühjahrs- und Sommer-Monate konzentrieren, wo sie besonders schädlich sind.
Zugleich zeigt die Grafik aber auch, dass es seit 2015 einen eindeutigen, bisher ungebrochenen Trend zum Wachstum der Zahl der Flugbewegungen, insbesondere der Landungen, in dieser Stunde gegeben hat.
Jubelrufe über vorübergehend mal zurückgehende Zahlen sind also völlig unangebracht.
Schon Ende letzten Jahres hatte der BUND auf die steigende Zahl der Landungen zwischen 23 und 24 Uhr
aufmerksam gemacht und dafür insbesondere den gerade erst
nach Frankfurt gelockten Billigflieger Ryanair verantwortlich gemacht. Mit einiger Verspätung reagierte auch das Verkehrsministerium als Aufsichtsbehörde auf diese Entwicklung und versuchte ebenfalls zunächst, Ryanair unter Druck zu setzen, möglichst Verspätungen zu vermeiden.
Schnell wurde allerdings klar, dass
nicht nur Ryanair für die steigende Zahl der Verspätungsflüge verantwortlich war, sondern alle Billig- und Ferien-Flieger versuchten, ihr Angebot zu steigern und dafür auch die
Nachtstunden zu nutzen - Nachtflugbeschränkungen hin oder her. Wie die Fluglärmschutzbeauftragte bei ihren Untersuchungen
feststellen musste, haben nicht nur die Verspätungslandungen nach 23:00 Uhr, sondern auch die Landungen in der 'Randstunde' 22:00-23:00 Uhr überproportional zugenommen.
Das Ministerium musste auch sehr schnell einsehen, dass es
praktisch keine Handlungsmöglichkeiten hatte und auf das (teilweise durchaus vorhandene) Entgegenkommen der Airlines angewiesen war, um wenigsten
ein bisschen Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Fluglärmkommission kam ebenfalls zu dem Schluss, dass die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Verspätungsflüge vorzugehen, völlig unzureichend sind und rang sich zu der radikalen Forderung durch,
den Planfeststellungsbeschluss zu ändern, um Beschränkungen durchsetzen zu können. Geholfen hat es nicht.
In ihrer letzten Sitzung konnte die FLK zur Kenntnis nehmen, was die Politik statt dessen zur Lösung des Problems anzubieten hat: eine Gesetzesänderung, nach der anstelle der Piloten die Airlines bestraft werden können, wenn denn (ausnahmsweise mal!) nachgewiesen werden könnte, dass die Verspätungen geplant waren; ein
7-Punkte-Programm des Verkehrsministeriums, das nur Vorschläge macht, was andere tun könnten; und die Ergebnisse eines Luftfahrtgipfels, die von niemandem ernst genommen werden.
Und die alt-neue schwarz-grüne Hessen-Koalition sagt im Kapitel Luftverkehr ihres neuen Koalitionsvertrags zum Thema 'Nachtruhe', sie werde "alle Möglichkeiten prüfen, um unzulässige verspätete Landungen nach 23:00 Uhr mit empfindlichen Strafen zu belegen" und "prüfen, inwieweit z. B. eine deutliche Erhöhung der lärmabhängigen Landeentgelte einen Beitrag dazu leisten kann, diese Grenze einzuhalten". Der Planfeststellungsbeschluss bleibt unangetastet, die geltenden Regeln, die das Chaos in diesem Jahr nicht verhindern konnten, werden nicht geändert, lediglich an den völlig unzureichenden finanziellen Hebelchen soll (vielleicht!) ein bisschen gefeilt werden. Also alles wie gehabt.
Während das nur die üblichen phrasenhaften Ausflüchte sind, ist der folgende Satz aber schon eine gelungene Übung in Orwell'schem Newspeak: "Neben der Einhaltung des Mediationsnachtflugverbotes von 23:00 bis 5:00 Uhr wollen wir sicherstellen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner von 22:00 bis 23:00 Uhr sowie von 5:00 bis 6:00 Uhr, also in der Zeit, in der der Flugbetrieb laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in eingeschränktem Maß stattfinden darf, auch unter Einbeziehung von verspäteten oder verfrühten Bewegungen verlässlich geschützt bleiben." Es ist absehbar, dass die Zahl der Flugbewegungen in diesen Stunden weiter wachsen wird, es gibt nichts, was die 'Anwohnerinnen und Anwohner' schützen könnte - und die Koalition stellt sicher, dass das Gegenteil "bleibt". Diese Regierung braucht wahrhaftig kein Wahrheitsministerium, sie hat die Orwell'schen Prinzipien schon völlig verinnerlicht.
Auch hier ist also kein Problem gelöst und von offizieller Seite keine Lösung zu erwarten. Die grundlegenden Trends, die zu dem Chaos dieses Jahres geführt haben, wirken weiterhin, und daher ist zu befürchten, dass das kommende Jahr nicht besser wird. Und wenn die Gegenmaßnahmen diesmal über hilflose Beschwichtigungsversuche hinausgehen sollen, muss der Druck eben entsprechend grösser werden.
Auch andere
sind skeptisch, ob es in diesem Jahr tatsächlich besser werden kann, und weisen darauf hin, dass zumindest das Preisdumping im Flugverkehr aufhören müsste, wenn die Airlines wirklich genügend Ressourcen bereit stellen wollen, um einen wachsenden Betrieb sicherstellen zu können.
Inzwischen liegen auch die offiziellen Zahlen für die Starts und Landungen nach 23:00 Uhr in 2018 vor. Das Ministerium gibt die Gesamtzahl mit 1.613 an (1.098 Landungen, 515 Starts), versteckt dies aber in seiner
Pressemitteilung hinter der 'Erfolgsmeldung', dass es im Dezember nur 22 Landungen und 3 Starts in dieser Zeit gab. Die FR
referiert DFLD-Zahlen, wonach die Gesamtzahl bei 1.593 lag, und weist deutlich auf den starken Anstieg gegenüber den Vorjahren hin. Ausserdem zitiert sie noch die Vorsitzende des Lobbyvereins "Bürgeraktion Pro Flughafen", bei der man nicht weiss, ob man die Dummheit oder die Dreistigkeit mehr bewundern soll: genügend Puffer zur Vermeidung von Verspätungen wären "ein Vorziehen des Nachtflugverbots und eine Änderung der Planfeststellung durch die Hintertür". Es ist aber doch auch schön zu sehen, dass die Gegenseite keine vernüftigen Argumente hat.
Die DFLD-Grafik zeigt sehr deutlich:
der Anteil der Betriebsrichtung 07 war 2018 extrem hoch,
und bei Einhaltung der Regeln wäre das nicht nötig gewesen.
19.12.2018
In Bezug auf Fluglärm war 2018 für Raunheim ein Horrorjahr. Nicht nur war die Zahl der Tage, an denen Raunheim bei Betriebsrichtung 07 im Landeanflug überflogen wurde, deutlich höher als im langjährigen Durchschnitt, auch die Zahl der Nachtflüge, die sich insbesondere in den besonders sensiblen Frühjahrs- und Sommer-Monaten regelmäßig bis 24:00 Uhr hinzogen, hat stark zugenommen.
Dass in diesem Jahr besonders häufig über Raunheim gelandet wurde, lag nur zum Teil am Wetter. Zwar war die Zahl der sog. Ostwetterlagen, in denen der Wind aus östlichen Richtungen kommt, tatsächlich höher als in den vorhergehenden Jahren. In der Sitzung der Fluglärmkommission vom 28.11. hat eine Vertreterin des Deutschen Wetterdienstes dazu
Daten präsentiert. Ohne begleitenden Text sind die Folien allerdings nur bedingt aussagekräftig, und einige Fragen bleiben offen. So werden für die Monate März bis Juli Zahlen für die Stunden mit Ostwind gezeigt; warum allerdings der "Ostwind" nur den Winkel zwischen 10 und 170 Grad umfassen soll und ob die Geschwindigkeitsangabe "> 5 KT" die Windgeschwindigkeit aus der jeweiligen Richtung oder die eigentlich relevante Rückenwind-Komponente in Richtung der Bahn meint, ist unklar. Insgesamt vermitteln die Grafiken den Eindruck: ja, es war viel Ostwind, insbesondere im Mai und Juni, aber es war auch schon mal mehr, z.B. 2010 und 2013. Anschließend werden die meteorologischen Grundlagen in Form der "Omega-Wetterlage" und der "Wetterau-Strömung" erläutert. Die Schlussfolgerung lautet: es "handelt sich um eine immer wieder kehrende Konstellation" und es ist kein "meteorologisch[er] Trend erkennbar ..., der zukünftig zu mehr Ostbetrieb führen könnte". Auch eine Vertreterin des HLNUG kommt in der Betrachtung der
Aussagen von Klimamodellen zu dem Schluss, dass noch völlig unklar ist, ob solche Wetterlagen häufiger oder vielleicht sogar seltener werden.
Die FLK sagt dazu in ihrer
Pressemitteilung: "dass aus den noch zu wenigen Datenreihen der Vergangenheit bzw. auf der Grundlage von Klimamodellen Rückschlüsse auf einen möglichen dauerhaften Anstieg von Betriebsrichtung 07 noch nicht gezogen werden können. Der Vorsitzende bat in diesem Zusammenhang das Umwelt- und Nachbarschaftshaus, die Frage möglicher Veränderung der Betriebsrichtungsverteilung durch Klimawandel oder ggf. betriebliche Motive seitens der DFS vertieft aufklären zu lassen". Das trifft den Kern auch nicht ganz. Datenreihen zum Wetter gibt es lange genug, und Klimamodelle werden solche Details auf absehbare Zeit nicht vorhersagen können. Interessant wären die "betrieblichen Motive der DFS" (bzw. der Fraport), aber ob ausgerechnet das Umwelthaus hier etwas Vernünftiges herausbekommen kann oder auch nur will, ist mehr als fraglich.
Diese Gelben Westen gibt es schon länger. Wenn sich 2019 genau so entwickelt wie 2018, sollten wir vielleicht der DFS darin einen Besuch abstatten.
Aussagekräfiger sind, wie so häufig, auch hier wieder die Ergebnisse des Deutschen Fluglärmdienstes DFLD. In seiner
grafischen Darstellung der Wetterstatistik 2018, die wir oben leicht verändert wiedergeben, sieht man recht deutlich, was passiert ist.
Im ersten Torten-Diagramm ("Windrichtung") sieht man, dass tatsächlich in über der Hälfte der Zeit (51,2%) Wind aus östlichen Richtungen (und das meint hier den vollen 180°-Winkel östlich der Parallel-Bahnen) herrschte. Wenn man sich die Grafiken für die vorhergehenden Jahre ansieht, sieht man auch hier, dass das nicht völlig ungewöhnlich ist.
Das zweite Diagramm ("Entscheidungsgrundlage") analysiert dann, was daraus folgen müsste: wenn die für FRA festgelegte Regel, wonach BR07 nur geflogen werden soll, wenn die Rückenwind-Komponente bei BR25 grösser als 5 Knoten wäre, eingehalten worden wäre, hätte nur in gut einem Viertel der Zeit (27,2%) über Raunheim gelandet werden müssen. Auch das gilt für die vorhergehenden Jahre mehr oder weniger genau so.
Wie Diagramm 3 ("Betriebsrichtung") zeigt, wurde aber 2018 fast immer BR07 gewählt, wenn der Wind aus Osten kam (47,3% der Gesamtzeit oder 92,4% der Ostwind-Phasen), auch wenn er nur schwach war und die Rückenwind-Komponente bei BR25 unter 5 Knoten lag. Die DFS, die die Betriebsrichtung festzulegen hat, hat die Regel also nicht eingehalten - warum, darf man spekulieren. Das war in den vergangenen Jahren deutlich anders.
Welche Auswirkungen das auf die Lärmbelastung in Raunheim hatte, kann man, zumindest annähernd, im
Bericht der Fraport AG
nachlesen, der ebenfalls in der letzten FLK-Sitzung präsentiert wurde. In den Tabellen 1 und 2 findet man für jeden Monat, getrennt nach Tag und Nacht, die Betriebsrichtungs-Verteilung und den an den Fraport-Stationen gemessenen "äquivalenten Dauerschallpegel" LAeq. Die extremsten Werte zeigt dabei der Monat Mai: 77,9% und 76,3% BR07, LAeq 63,5 und 56,6 dB(A). Das sind jeweils rund 2 dB(A) mehr als im ebenfalls dadurch hoch belasteten Flörsheim, und 7-8 dB(A) mehr als am Lerchesberg in Frankfurt-Sachsenhausen.
Der 'äquivalente Dauerschallpegel' ist zwar nur ein krudes Maß für die tatsächliche Belastung mit Fluglärm, aber er reicht aus, um festzustellen: Raunheim ist nach wie vor die am meisten mit Fluglärm belastete Kommune im Rhein-Main-Gebiet, und 2018 war diese 'Führungsrolle' besonders ausgeprägt.
Die Raunheimer Stadtverordnetenversammlung hatte also allen Grund, in der Sitzung vom 13.12. einen
Beschluss zu fassen, der fordert, "die aktuelle Anwendungspraxis der bestehenden 5-Knoten-Rückenwindkomponente seitens der Deutschen Flugsicherung sorgfältig zu prüfen und hierüber öffentlich Bericht zu erstatten" und gleichzeitig zu fragen, "wie die im Maßnahmenpaket
2010 angekündigte Anhebung der Rückenwindkomponente auf 7 Knoten ... realisiert werden kann" und "ersatzweise andere Möglichkeiten des aktiven Schallschutzes aufzuzeigen, die zu einer wirksamen Entlastung der bei BR 07 in der Region Hochbetroffenen führen können".
Sie hätte allerdings durchaus noch weiter gehen können und müssen. Der Bericht des Magistrats und die Anhänge zur Beschlussvorlage liefern noch eine Menge Fakten zur Problematik der Rückenwind-Komponente und ihrer Anwendung und verweisen auch auf das alte und das neue Stadtleitbild, das ja auch in dieser Frage den langfristig tragenden Grundkonsens in Raunheim darstellen soll. Und darin findet man neben der Erhöhung der Rückenwind-Komponente mindestens zwei weitere Forderungen, die bei dieser Gelegenheit in den Vordergrund gerückt werden müssen. Zum einen ist das die Forderung nach (Rück-)Verlegung der Landeschwellen für Center- und Süd-Bahn bei Betriebsrichtung 07 nach Osten, was die Überflughöhe über Raunheim und Rüsselsheim vergrössern würde und niemandem wehtut ausser der Fraport, die die Abläufe rund um die Bahnen neu organisieren müsste. Vor allem aber wäre das die Forderung, das weitere Wachstum der Zahl der Flugbewegungen auf FRA umgehend einzustellen und diese Zahl wieder auf ein verträgliches Maß zurück zu fahren.
Aber auch hier gilt, wie in der 'großen' Politik: was die Bevölkerung nicht selber in die Hand nimmt und mit entsprechendem Druck durchsetzt, das passiert auch nicht. Da gibt es fürs neue Jahr noch einiges zu tun.
Die Grafik aus dem Flugbewegungs-Monitoring des UNH macht ebenfalls deutlich,
dass Raunheim mit 24,8% aller Landungen in diesem Jahr eine besonders hohe Belastung zu tragen hatte.
Auch die nebenstehende Grafik aus dem
Monitoring der Flugbewegungen des 'Umwelt- und Nachbarschaftshauses' macht noch einmal deutlich, dass Raunheim in diesem Jahr eine herausragende Belastung zu tragen hatte: in absoluten Zahlen gemessen, ging ein Viertel aller Landungen in diesem Jahr über das Stadtgebiet. Ausser dem Nordosten von Rüsselsheim und Offenbach, die beide ein Stückchen weiter weg liegen und daher etwas höher überflogen werden, ist nur Raunheim vom Endanflug auf beide Parallelbahnen direkt betroffen, so dass man die Werte hier addieren muss.
Flörsheim liegt logischerweise dicht dahinter, da bei Betriebsrichtung 07 knapp die Hälfte aller Landungen über die Nordwestbahn abgewickelt werden. Weil dort aber einige "Heavies" nicht landen dürfen, ist der Lärm über Raunheim trotzdem meist deutlich grösser. Für die Kommunen und Stadtteile im Osten, die ganz nah am Flughafen liegen, führt jeweils nur die Anfluglinie einer Bahn direkt übers Stadtgebiet. Erst Offenbach bekommt dann sogar den Lärm von allen drei Landebahnen ab.
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