Hier veröffentlichen wir Beiträge zu aktuellen Themen, in der Reihenfolge des Erstellung.
Um aber Themen, die über eine gewisse Zeit aktuell sind, nicht immer wieder neu aufgreifen zu müssen,
wenn es eine Veränderung oder Ergänzung gibt, ist der Aktualisierungsstand gekennzeichnet.
Neue Beiträge, die bei Veränderungen noch aktualisiert werden, haben einen Punkt.
Beiträge ohne Punkt sind abgeschlossen und werden nicht mehr verändert
(auch Links werden nicht mehr aktualisiert).
Beiträge aus vorangegangenen Jahren befinden sich im Archiv.
Die neue Deko für das "Umwelt- und Nachbarschafts-Haus" ist noch nicht angebracht, aber die inhaltlichen Vorbereitungen laufen offensichtlich auf Hochtouren.
25.04.2025
Als wir vor drei Wochen erfuhren, dass sich auf die Ausschreibung der (Rest-)Wirkungsstudie von SOURCE FFR niemand beworben hatte, haben wir natürlich erstmal nachgesehen, woran das inhaltlich liegen könnte. Inzwischen konnten wir auch den Rest der Ausschreibungs-Unterlagen durchsehen und müssen feststellen: es gab und gibt noch mehr gute Gründe dafür, von diesem Projekt die Finger zu lassen.
Da passt es gut, dass das nächste Austauschtreffen zwischen "Umwelt- und Nachbarschafts-Haus/Forum Flughafen und Region" und den Bürgerinitiativen inzwischen terminiert ist auf den 16.05., von 18:00 - 19:30 Uhr, in den Räumen des UNH in Kelsterbach. Denn dazu wurde uns versichert:
"Selbstverständlich werden wir Sie im Rahmen der Veranstaltung auch über den aktuellen Stand der Wirkungsstudie von SOURCE FFR informieren. Vorab möchten wir Sie bereits darauf hinweisen, dass die Ausschreibung zur Durchführung der UFP-Wirkungsstudie – Modul I: Sekundärdatenstudie – veröffentlicht wurde. Alle relevanten Informationen sowie die Ausschreibungsunterlagen finden Sie unter folgendem Link:
https://www.dtvp.de/Satellite/public/company/project/CXP4YNA5FNS/de/overview?0.
Die Ausschreibung zur Durchführung einer Wirkungsstudie – Modul II Panelstudie – wird in Kürze folgen. Im Rahmen unseres Treffens werden wir auf die Hintergründe der nun getrennten Ausschreibungen eingehen ..."
Es gibt allerdings noch wesentlich mehr Erklärungsbedarf zu dieser und der vorhergehenden Ausschreibung, denn betrachtet man z.B. als weiteres wesentliches Dokument den
Vertrag,
den der Auftragnehmer hätte unterschreiben sollen, stellt man fest:
dieser Text enthält nicht nur Konstrukte, die kaum als Sätze in deutscher Sprache zu erkennen sind, sondern viel schlimmer noch auch Sätze, deren Inhalt kaum in irgendeinen positiven Bezug zu deutschem Recht zu bringen ist.
Insbesondere die Paragraphen 8ff enthalten Formulierungen, die eindeutig als Bedrohungen für die Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit der Forschung gelesen werden müssen. Das UNH beansprucht nicht nur alle Rechte an den erarbeiteten Ergebnissen ausschliesslich für sich und räumt den Auftragnehmern Veröffentlichungs- und Nutzungsrechte nur unter Bedingungen ein, es beansprucht auch noch das Recht, diese Ergebnisse eigenständig zu verändern und in manipulierter und zensierter Form, oder auch garnicht zu veröffentlichen. Dazu kommen unzumutbare Bedingungen bezüglich Haftung und Versicherung, Vertragsstrafen etc. und Absurditäten wie
"Zu den einzuräumenden Rechten gehören insbesondere ... das Online-Recht".
Ein einräumbares oder übertragbares "Online-Recht" gibt es nicht, das ist vielmehr ein
Sammelbegriff
für alle möglichen Rechte und Rechts-Bereiche, die im Zusammenhang mit Aktivitäten im Internet relevant sind.
In der
Vertragsversion
der aktuellen Ausschreibung sind zwar die gröbsten grammatischen Schnitzer beseitigt (wenn auch längst nicht alle), aber an den inhaltlichen Zumutungen hat sich fast nichts verändert. Nach wie vor möchte das UNH als Auftraggeber die Veröffentlichung der Ergebnisse so eng wie möglich kontrollieren und die Publikationsfreiheit der Auftragnehmer einschränken.
Man kommt nicht umhin, sich an die
aktuelle Kampagne
der Trump-Clique in den USA zu erinneren, die versucht, den US-Universitäten ihr reaktionäres Weltbild aufzuzwingen und sie in Forschung und Lehre zu gängeln. Natürlich sind das ganz andere Dimensionen, aber das Agieren der Mini-Donalds hier zeigt, wie weit autoritäre Tendenzen und die Mißachtung von Freiheitsrechten und demokratischen Prinzipien auch in hiesigen Institutionen schon fortgeschritten sind.
Ermutigend ist, dass sich bisher keine wissenschaftliche Einrichtung von Rang derartige Bedingungen hat aufzwingen lassen. UNH/FFR, Landesregierung und Luftverkehrswirtschaft haben ohnehin schon die Möglichkeit ausgiebig genutzt, durch finanzielle Restriktionen unliebsame Forschung zu behindern und einzuschränken. Sie dürfen nicht auch noch trotzdem erzielte Forschungsergebnisse unter ihre Kontrolle bekommen, um sie zu unterdrücken oder in ihrem Sinne umzuinterpretieren. Es ist aber keine einfache Frage, was passieren müsste, um das sicher zu verhindern.
Es war einmal auch in Hessen eine Zeit, in der so etwas wie politischer Anstand noch weiter verbreitet war und alle versicherten, die allgemein anerkannten Rechte und Spielregeln zu beachten. Wurde eine Institution dabei erwischt, dass sie das nicht tat, musste in aller Regel eine Person aus der oberen Leitungsebene Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Das war zwar häufig auch nur ein Bauernopfer, aber immerhin war nach innen und aussen ein Zeichen gesetzt und eingestanden, dass da was falsch war, und die Hinterbliebenen mussten versichern, dass sie sich künftig an die Regeln halten würden.
Das wird hier und heute natürlich nicht passieren. Im äussersten Fall wird ein Textverarbeitungsprogramm ausgetauscht oder eine automatische Rechtschreibprüfung upgedatet. Und wirklich helfen würde ein Wechsel von Personen wahrscheinlich ohnehin nicht, wie sich in der Vergangenheit an den Spitzen des Verkehrsministeriums, der Fluglärmkommission oder des Umwelthauses gezeigt hat: es kam nie was Besseres nach.
Helfen würde hier in erster Linie, wenn alle diejenigen, die die geplanten Forschungen umsetzen könnten, dem Beispiel der Harvard-University folgen und ihre Rechte gegen autoritäre Zumutungen verteidigen, und niemand dem Beispiel der Columbia-University folgt, die vor den Trumpisten in die Knie gegangen ist und deren Vorgaben folgt.
Widerstand funktioniert aber hier wie dort nur, wenn die, die ihn leisten, dabei nicht alleine gelassen werden, sondern die sichtbare Unterstützung derjenigen erhalten, die letztendlich auch davon profitieren, wenn Forschung sich halbwegs frei von Partikularinteressen entwickeln kann. Hier also von all denen, die unter der Belastung von Ultrafeinstaub aus Flugzeug-Triebwerken bewusst oder unbewusst leiden und für die Wege gefunden werden müssen, diese Belastung genauer zu verstehen und zu bekämpfen.
Nächster zeitlicher Fixpunkt in der Entwicklung ist das Treffen am 16. Mai. Natürlich werden dort keine grundlegenden Fragen geklärt, denn die anderthalb Stunden würden bei ernsthafter Diskussion nicht einmal für eins der beiden anstehenden Themen reichen, aber so war es ja
von Anfang an nicht gemeint.
Im besten Fall gibt es ein paar Informationen zum weiteren Umgang mit den kritischen Punkten in der Belastungsstudie, und zur Wirkungsstudie werden UNH/FFR wohl eine Erklärung dafür präsentieren, warum die beiden übriggebliebenen Module nun auch noch getrennt ausgeschrieben werden. Mehr an Klärung kann bestenfalls anschliessend erreicht werden, wenn eine interessierte Öffentlichkeit und kritische Medien Aufklärung über die autoritären Eskapaden der Möchtegern-Trumpisten im UNH fordern würden. Ob das zu erreichen sein wird, muss sich zeigen.
Die Mitteltemperatur in Deutschland ist seit 150 Jahren mit Ausnahme einer kleinen Delle Anfang der sechziger Jahre kontinuierlich gestiegen, in den letzten Jahrzehnten aber deutlich schneller.
16.04.2025
Dabei soll es hier weniger um seit der Klimabilanz 2024 neu festgestellte Rekorde gehen (siehe dazu z.B. Daten zu Gletscherschmelze und Meereis-Bedeckung und die Übersichten für Europa und die Welt), als vielmehr darum, wie die Entfaltung der Klimakatastrophe wahrgenommen und dargestellt wird und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.
Da gibt es Fortschritte in der Darstellung im
Klimastatusbericht
des Deutschen Wetterdienstes, der bisher einen
deutlich geringeren Zahlenwert
für die Erwärmung in Deutschland angab als die sonstige Klimaforschung. Nunmehr besteht Einigkeit, dass die Erwärmung in Deutschland deutlich über 2 °C liegt, laut DWD bei 2,5 °C.
In der Grafik erkennt man schon rein optisch, dass das die Realität besser wiedergibt.
Dabei wurde an den gemessenen Daten natürlich nichts verändert, es wird lediglich ein
anderes statistisches Verfahren
zur Interpretation des Trends benutzt, das veränderte Entwicklungen in einzelnen Phasen besser berücksichtigt.
Um das an einem stark vereinfachten Beispiel zu verdeutlichen: Wenn ein Mensch an seinem 90. Geburtstag an einem aggressiven Krebs erkrankt und an seinem 91. Geburtstag daran stirbt, wäre er bei linearer Trendextrapolation über das ganze Leben am Tag vorher noch "relativ gesund", während der Tod nach einem Jahr fortschreitender Krankheit natürlich in keiner Weise überraschend kommt. Entsprechend ist ein Temperaturanstieg, der über einige Jahrzehnte (etwa 1920 - 1970) nahezu stagniert, natürlich trotzdem dramatisch, wenn er in den folgenden Jahrzehnten (1980 - heute) stark beschleunigt.
Zweitens gibt es Neues zum Zusammenhang zwischen den Klimaveränderungen und dem, was hierzulande staatlicherseits unter Sicherheit verstanden wird. Anlässlich der Münchner "Sicherheitskonferenz" wurde eine
Nationale interdisziplinäre Klima-Risikoeinschätzung (NIKE)
vorgelegt, die den Anspruch hat,
"die Risiken für die nationale Sicherheit Deutschlands, die durch den Klimawandel bis 2040 entstehen",
zu skizzieren und
"den ersten umfassenden Überblick über die vielen kaskadierenden und sich verstärkenden Klimarisiken"
zu geben.
Die
offizielle Webseite
des Projekts ist grauenhaft, nicht nur wegen der eingestreuten militaristischen Bilder, sondern vor allem wegen der unmöglichen Navigation. Und obwohl sie auf der Seite der
Bundeswehruniversität München
gehostet wird, will man da offenbar nicht viel davon wissen: es gibt keinen direkten Link dahin, man findet sie nur, wenn man weiss,
welcher Professur
und
welchem Institut
sie zugeordnet ist.
Inhaltlich liefert die Studie eine Vielzahl von Beispielen dafür, wie Klimaveränderungen bestehende Konflikte innerhalb von Staaten oder zwischen Staaten und Staaten-Bündnissen verändern, verstärken und auch neue provozieren. Dabei geht es nicht nur um knapper werdende Ressourcen wie bewohnbares Land, sauberes Trinkwasser und Nahrungsmittel, sondern auch um potentiell neue Konflikte, die durch Geoengeneering-Maßnahmen wie Aerosol-Emissionen oder CO₂-Speicherung entstehen können. Dieser Überblick ist wertvoll, selbst wenn die dazu diskutierten Hintergründe und Gegenmaßnahmen teilweise extrem fragwürdig sind.
Wem das alles zu komplex ist, der findet ein einfacheres Argument, warum Klimaschutz in der EU für mehr Sicherheit sorgt, in einem
Policy Brief
des "Institut für Weltwirtschaft" Kiel. Dort wird kurz gesagt argumentiert, dass eine Verminderung des Verbrauchs an fossilen Energien in der EU global die Öl- und Gaspreise reduziert und damit auch die russischen Staatseinnahmen und infolge dessen auch das Militärbudget verkleinert. Damit das Ganze auch nach Wissenschaft aussieht, gibt es ein paar Zahlen dazu: jeder Euro, den die EU bei Öl und Gas einspart, reduziert das russische Militärbudget um 13 Cent und spart der EU zusätzlich noch 37 Cent an "Sicherheitsausgaben".
Wer also künftig noch seine Öl- oder Gasheizung anwirft oder in ein Auto mit Verbrennungsmotor steigt, muss ein doppelt schlechtes Gewissen haben: er schadet nicht nur dem Klima, er füllt auch Putins Kriegskassen und zwingt die EU zu höheren Verteidigungsausgaben. Sollte noch jemand Zweifel daran haben, in welch erbärmlichem Zustand die Wirtschaftswissenschaften hierzulande überwiegend sind - solche Papiere helfen, sie auszuräumen.
Auf der anderen Seite gibt es einen aktuellen Beitrag dazu, wie Kriege auch die Klimakatastrophe weiter verschärfen. Demnach wurden im ersten Jahr des Krieges in der Ukraine durch militärische Aktivitäten ebensoviel Treibhausgase emittiert, wie der gesamte Staat Belgien in Friedenszeiten in einem Jahr freisetzt. Zum Krieg in Gaza wird abgeschätzt, dass "die Emissionen aller Aktivitäten aus Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeiten in Gaza ähnlich hoch wie die aus der Verbrennung von 31 Millionen Tonnen Kohle" liegen werden.
Auch beim Militär gibt es Bemühungen, auf die Klimakrise zu reagieren und die Klimabelastungen durch militärische Aktivitäten zu verringern. Im Mitte letzten Jahres erschienenen
World Climate and Security Report
werden diverse Möglichkeiten aufgeführt, den "Fußabdruck" von militärischem Gerät und militärischer Operationen zu reduzieren.
Eine
umfangreiche Studie
dazu ist bereits 2022 erschienen, und erste Maßnahmen wurden eingeleitet. Die Idee, die zahlreichen kriegerischen Gemetzel, die immer noch an vielen Stellen der Erde stattfinden, klimafreundlicher gestalten zu wollen, klingt natürlich völlig pervers. Aber die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, die mit Produktion und Unterhalt von und Übungen mit militärischem Gerät verbunden sind und einen großen Teil der militärischen Klimabelastung ausmachen, macht durchaus Sinn.
Aktuell dominiert aber eher
die Befürchtung,
dass der aktuelle Rüstungs-Hype alle derartigen Initiativen an den Rand drängen und in großem Umfang "konventionelle", maximal klimaschädliche Militärtechnik einführen und für lange Zeit festschreiben wird.
Der Beitrag des Militärs zu Treibhausgas-Emissionen und anderen Umweltschäden ist selten Thema in der öffentlichen Diskussion. Aktuelle Informationen dazu finden sich aber auf den Webseiten Informationsdienst Umwelt und Militär und Conflict and Environment Observatory.
Studien zu den Folgen des Anstiegs von Treibhausgasen in der Atmosphäre betrachten in der Regel nur relativ "kurze" Zeiträume, etwa bis zum Jahr 2100. Im Hinblick auf die Existenzmöglichkeiten künftiger Generationen sind die in Paris vereinbarten Klimaziele, den globalen Temperaturanstieg "auf deutlich unter 2 °C, wenn möglich auf 1,5 °C" zu beschränken, aber nicht zeitlich begrenzt, sollen also auch für die fernere Zukunft gelten.
In einer
neuen Studie,
die insbesondere auch die zahlreichen Rückkopplungen im globalen Kohlenstoff-Kreislauf berücksichtigt, wird nun gezeigt, dass für eine langfristige Einhaltung der Temperatur-Ziele die THG-Emissionen noch stärker beschränkt werden müssen als bisher angenommen, da diese Rückkopplungen zu einer Beschleunigung der Klimaveränderungen in späteren Zeiträumen führen können.
Als Beispiel für eine solche Rückkopplung wird das Auftauen der Permafrost-Böden im borealen Norden der Erde genannt. Wird dieser Prozess aufgrund der Erderwärmung durch menschliche THG-Emissionen hinreichend stark angestossen, setzen die Böden über längere Zeiträume Kohlendioxid und Methan frei und beschleunigen die Erwärmung weiter, selbst wenn die menschlichen Emissionen heruntergefahren werden.
Auch in diesem Bereich gibt es einige bemerkenswerte Veröffentlichungen. An erster Stelle steht eine
Studie,
die zu dem Ergebnis kommt, dass die wirtschaftlichen Schäden, die durch die Folgen der Klimaveränderungen zu erwarten sind, wesentlich grösser sein werden, als bisher abgeschätzt wurde. Hauptgrund für diese Neueinschätzung ist nach Aussage eines der Autoren, dass die bisherigen Modelle davon ausgehen,
"dass eine Volkswirtschaft nur vom Wetter im eigenen Land betroffen ist. ... Nachdem wir die globalen Auswirkungen extremer Wetterereignisse in unsere Modelle einbezogen hatten, waren die prognostizierten Schäden für das globale BIP weitaus größer als bisher angenommen – und betreffen das Leben von Menschen in allen Ländern der Erde."
Nach den neuen Modellergebnissen könnte durch die Klimaveränderungen bei einem "Weiter-so" in Wirtschaft und Politik (Business-as-usual warming) ein Viertel des aktuellen Wohlstandes (welfare) vernichtet werden, im Extremfall bis zu 40%. Die
sozialen Kosten
für die Emission einer Tonne Kohlendioxid (social cost of carbon) werden auf 1.367 US$ (im Extrem über 3.000 US$) geschätzt. Die Verluste sind weltweit etwas gleichmäßiger verteilt, aber nach wie vor gilt:
"warme Länder mit niedrigeren Einkommen sind stärker betroffen als kühlere Länder mit hohen Einkommen" (eigene Übersetzung).
Politisch überraschender sind aber Aussagen eines Vorstandsmitglieds des Finanzkonzerns Allianz SE. Nachdem er noch im Februar in einem Interview auf der Allianz-Webseite eher allgemeine Aussagen zur Notwendigkeit von Klimaschutz gemacht hatte (boshaft gesagt: Nachhaltigkeits-Geschwafel äusserte), veröffentlichte Günther Thallinger in seinem LinkedIn-Account unter dem (übersetzten) Titel "Klima, Risiko, Versicherung: Die Zukunft des Kapitalismus" einen Artikel, in dem er wesentlich deutlicher wurde. Wichtige Aussagen kann man übersetzt und optisch hervorgehoben hier nachlesen, und dass er damit in der Versicherungsbranche nicht ganz allein steht, wird hier ausgeführt.
Kurz zusammengefasst lautet seine Argumentation: Mit wachsendem Treibhausgas-Ausstoß nimmt die in der Atmosphäre gespeicherte Energie und damit die Häufigkeit und Schwere von Extremwetter-Ereignissen zu. Bereits heute können viele dadurch hervorgerufene Risiken nicht mehr versichert werden, weil die Prämien zu hoch werden, auch die öffentlichen Kassen können die Schäden nicht mehr abdecken. Ohne Versicherung gibt es aber auch keine anderen Finanzdienstleistungen wie Kredite, Hypotheken usw., also auch keine Investitionen. Ohne den finanziellen Sektor kann der Kapitalismus aber nicht überleben
("There is no capitalism without functioning financial services").
Die Lösung dafür ist bekannt: Treibhausgas-Emissionen müssen aus der Atmosphäre herausgehalten werden, die Techniken dafür sind vorhanden.
Bis dahin ist die Argumentation schlüssig und wird weitestgehend geteilt (mit Ausnahme von Trumpisten, Muskianern und der AfD), aber danach versteht auch Herr Thallinger die Welt nicht mehr. Der "green energy transition" fehlt es an Umfang und Geschwindigkeit
("speed and scale"),
aber warum nur? Welcher Unternehmer kann denn zögern, alles zu tun, um das Wirtschaftssystem zu retten, in dem er einzig existieren kann?
Zahlreiche Antwort-Ansätze hat er bereits in den Kommentaren auf LinkedIn bekommen, darunter einige, denen wir zustimmen können. Auch wieder sehr kurz gefasst: Im Kapitalismus bzw. der "Marktwirtschaft" konkurrieren alle Marktteilnehmer gegeneinander, Erfolg hat, wer seine Interessen am effektivsten durchsetzt. Gemeinsame Interessen kommen nur zum Zug, wenn sie keinen Marktteilnehmer besonders benachteiligen, ansonsten können sie nur von externen Akteuren (z.B. dem Staat) durchgesetzt werden.
Aber schon allein bei der Energiewende, die die technische Voraussetzung für eine Emissionsreduktion ist, leiden Kapitalisten auf den verschiedenen Märkten in ganz unterschiedlichem Ausmaß. Für Kohle-, Öl- und Gas-Konzerne wird ein Großteil ihres Kapitals (Anlagen, Patente, Abbau- und Schürf-Rechte usw.) vernichtet, wenn die Verbrennung fossiler Brennstoffe eingestellt wird.
Dabei spielt es auch keine Rolle, ob z.B. Anlagen schon lange Gewinne abgeworfen haben und längst abgeschrieben sind. Solange sie laufen, bringen sie Profit, wenn sie ersetzt werden müssen, verursachen sie Kosten.
Diese Kapitalfraktion wird sich also mit allen Mitteln gegen die Entwertung ihrer Assets wehren.
Sie haben natürlich auch eine Ausrede dafür. Schließlich kann man das bei der Verbrennung in Kraftwerken freigesetzte CO₂ am Schornstein-Ende auffangen und
irgendwo verpressen.
Wenn sie dafür ihre ausgebeuteten Lagerstätten auch noch zu Geld machen können, umso besser. Wenn der Staat dafür sorgt, dass das Ganze profitabel machbar ist, kann also alles weitergehen wie bisher.
Ähnliches gilt auch in etwas geringerem Ausmaß für Industrien, die fossile Treibstoffe verwenden, wie die Automobil-, Schifffahrts- oder Luftverkehrs-Wirtschaft. Hier ist Umbau eine Frage der Dimension. Es ist eine Sache, wenn ein Auto-Konzern ein neues Werk aufbaut oder eins umrüstet, um dort Elektroautos zu bauen, auch auf diesem Markt präsent zu sein und Erfahrungen mit der neuen Technologie zu sammeln. Es ist etwas ganz anderes, wenn ein Konzern binnen einer begrenzten Zeit seine gesamte Produktion auf eine neue Technologie umstellen soll. Letzteres wollte die EU mit einem Verbot von Verbrennungsmotoren erreichen, stösst aber
auf massiven Widerstand.
Die europäische Autoindustrie möchte noch Jahrzehnte lang weiter "effiziente" Verbrennungsmotoren auf den Markt bringen. Sollen andere dafür sorgen, dass genügend preiswerte "klimaneutrale" Treibstoffe zur Verfügung stehen, um die CO₂-Bilanzen im Rahmen zu halten. Dass die
neuen Stickoxid-Grenzwerte
in absehbarer Zeit erreicht werden könnten, glaubt sowieso kein Mensch. Die Luftfahrt-Industrie folgt diesem Beispiel natürlich gerne.
Andere Industriezweige, die "veredelte" Antriebsenergien wie z.B. Strom benutzen, profitieren u.U. sogar, wenn erneuerbare Energien diesen Antrieb günstiger bereitstellen können. Sie machen deswegen massiv Druck dafür, dass diese neuen, auf lange Zeit nur begrenzt zur Verfügung stehenden Energien für ihre Zwecke reserviert werden und nicht mit miserablen Wirkungsgraden für "klimaneutrale" Treibstoffe oder ähnliches mißbraucht werden.
Bei der wesentlich umfassenderen sozial-ökologischen Transformation, die notwendig wäre, um die Klimakatastrophe insgesamt aufzuhalten, sind die Widersprüche zwischen den Kapitalfraktionen noch wesentlich vielfältiger, und es existiert keine davon unabhängige Institution, die eine gemeinsame Interessensgrundlage definieren und durchsetzen könnte.
Wie die USA derzeit in seltener Offenheit demonstrieren, wird auch der Staat von den mächtigsten Kapitalfraktionen beherrscht, und auch da gibt es labile Koalitionen, die sich auch nur in Teil-Interessen einig sind und sich ggf. auch schnell wieder ändern. Andere Interessen, wie etwa die nach einem stabilen Klima, gesunder Umwelt und sozialer Sicherheit können nur dann zur Geltung kommen, wenn sich im Staatsvolk eine breite und stabile Bewegung dafür bildet, die Einfluss auf den Staat gewinnen kann. Der müsste dann dem kapitalistischen Profitstreben enge Grenzen setzen und einen sinnvolleren Einsatz von Ressourcen unter strenger Berücksichtigung der
planetaren Grenzen
organisieren.
Herr Thallinger wird diese Antwort nicht akzeptieren, denn sie läuft darauf hinaus, dass einerseits, wie er sagt, der Kapitalismus nicht überleben kann, wenn die Klimakatastrophe nicht eingedämmt wird, aber andererseits die Klimakatastrophe nicht eingedämmt werden kann, wenn der Kapitalismus weiter herrscht. Auch die Herren Merz, Klingbeil, Stoiber & Co. werden davon
nichts hören wollen.
Der Rest der Menschheit aber kann und muss darauf hoffen, dass eine andere Welt möglich ist und dass es sich noch lohnt, dafür zu kämpfen.
02.04.2025
Wie vor einem Jahr angekündigt, wurde das erste Arbeitspaket des Projekt SOURCE FFR jetzt termingerecht fertiggestellt und im FFR-Konvent präsentiert. Das Ergebnis kann auf der einschlägigen Projekt-Webseite in Form eines 85seitigen Berichts mit dem Titel "Bestimmung der UFP-Emissionen" und einer Stellungnahme der "Wissenschaftlichen Qualitätssicherung" dazu nachgelesen werden.
Der Bericht enthält allerdings nicht, wie es in der PM des FFR heisst,
"die Ergebnisse zweier Messkampagnen auf dem Flughafengelände"
in dem Sinn, dass hier tatsächlich Meßwerte veröffentlicht würden.
Es geht im ganzen Bericht vielmehr darum, darzustellen, wie aus diesen Messungen und zahlreichen anderen Quellen Daten gewonnen werden, die es erlauben,
"für die nun anstehenden Modellierungen der UFP-Immissionen ..., die in den nächsten 12 Monaten durchgeführt werden (für die Jahre 2019 und 2024)"
die Emissionen aller relevanten UFP-Quellen als Input (sog. Emissionsfaktoren) zu erfassen.
Dabei werden relativ ausführlich Unsicherheiten in den Daten und mögliche Fehlerquellen dargestellt, zugrundeliegende Annahmen und Festlegungen begründet, etc.. Für Aussenstehende ist es schwierig zu beurteilen, aber man gewinnt den Eindruck, dass hier seriös gearbeitet wurde und Alternativen möglich, aber nicht unbedingt plausibler wären.
Zwei Punkte bleiben für uns allerdings unklar, und eine gravierende Auslassung fällt auf.
Im Kapitel
"6.8 Emissionen des Flugverkehrs am Flughafen Frankfurt"
fällt auf, dass den Flugphasen unmittelbar am und auf dem Flughafen (landing-roll, taxi, take-off-roll) sehr grosse Aufmerksamkeit gewidmet wird, während die unmittelbar vorausgehenden bzw. folgenden Flugphasen (approach, climb-out) nur sehr summarisch behandelt werden. Bei letztere gibt es keinerlei Differenzierungen nach unterschiedlichen Lande- und Start-Verfahren, es bleibt auch unklar, wie weit sie überhaupt in die Modellierung einbezogen werden.
Auch die im Unterkapitel
"6.8.4 Korrektur der Emissionshöhen durch Einwirkung von Wirbelschleppen"
beschriebene Behandlung der Wirkung von Wirbelschleppen wirkt sehr oberflächlich. Sie läuft darauf hinaus, die Triebwerksemissionen bei Modellierung von An- und Abflügen nicht in den tatsächlichen Flughöhen, sondern in durch vordefinierte Standard-Parameter bestimmten niedrigeren Höhen freizusetzen. Dass Wirbelschleppen als solche aufgrund der konkreten Wetterbedingungen erheblichen, auch seitlichen Transporten unterliegen und sich unterschiedlich schnell auflösen können, soll offensichtlich nicht berücksichtigt werden.
Wirklich schmerzhaft ist allerdings eine Auslassung, die dazu führen muss, dass die Qualität der Modellierung wesentlich schlechter überprüft werden kann und wichtige Aussagen über die Ausbreitung von ultrafeinen Partikeln aus Flugzeug-Triebwerken nicht gewonnen werden können.
Schon vor Beginn des Projekts war bekannt, dass sich UFPs aus Flugzeug-Triebwerken zumindest partiell von UFPs aus anderen Quellen
chemisch unterscheiden,
und es wurde
in Aussicht gestellt,
dass
"die Ergebnisse der aktuellen Studie helfen, flughafenspezifische Partikel zu identifizieren und mögliche Minderungsmaßnahmen abzuleiten".
Eine Ende letzten Jahres veröffentlichte
Arbeit
enthält auch Abschätzungen für Emissionen von aus Öl entstandenen UFPs in Abhängigkeit von diversen Flugparametern bzw. Flugphasen und beschreibt deren zeitliche Entwicklung, die sich anscheinend von der der UFPs aus Kerosin-Verbrennung unterscheidet.
In einer idealen Welt würde man davon ausgehen, dass solche Ergebnisse umgehend genutzt und in die Modellierung einbezogen würden, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Konzeption der Studie noch nicht bekannt waren und zusätzliche Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden müssten. Wenn die Emissionen von UFP aus Triebwerksölen charakteristisch für flugbedingte Immissionen sind, sind sie auch das ideale Mittel zur Unterscheidung von Immissionen aus verschiedenen Quellen und zur Bestimmung des Anteils der Flug-bedingten Immissionen an einem bestimmten Ort und damit für eine erfolgreiche Modellierung unverzichtbar.
Indem die Emissionen dieses UFP-Anteils in diesem Projekt nicht getrennt bestimmt und modelliert werden, wird also auf einen aktuell möglichen, wesentlichen qualitativen Fortschritt verzichtet. Zusammen mit dem Aspekt, dass auf die Untersuchung der spezifischen Toxizität dieser Immissionskomponenten von Anfang an verzichtet wurde, muss man schliessen, dass es dem Auftraggeber nur allzu recht wäre, wenn diese Zusammenhänge noch eine Zeitlang im Dunklen blieben.
Inwieweit es dem Institut Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität, aus dem die oben zitierten Arbeiten kommen, das zum Projekt-Konsortium gehört und dessen Leiter auch der Projektleiter der Belastungsstudie ist, gelingen wird, die Erkenntnisse doch noch für das Projekt nutzbar zu machen, bleibt abzuwarten.
Immerhin ist die
"Chemische Charakterisierung von UFP"
mit dem Ziel der
"Quellidentifizierung durch die Bestimmung von Markersubstanzen"
noch Teil des Arbeitspaketes 2 der Belastungsstudie.
Trotz der Mängel darf man hoffen, dass dieser Teil der SOURCE FFR-Studie brauchbare Ergebnisse liefern wird. Nächster Schritt sind laut Pressemitteilung
"die nun anstehenden Modellierungen der UFP-Immissionen ..., die in den nächsten 12 Monaten durchgeführt werden (für die Jahre 2019 und 2024)".
Ausserdem wird
"mit der Veröffentlichung des Berichts für das zweite Arbeitspaket (UFP-Immissionsmessungen) ... Ende des Jahres 2025 gerechnet".
Spätestens dann wird man wissen, ob die
Kritik an der Landesregierung
wegen der Einstellung der temporären UFP-Messungen durch das HLNUG auch bezüglich einer Schädigung des Projekts SOURCE FFR berechtigt war. Im Zeitplan der Belastungsstudie, der im Konvent gezeigt wurde, tauchen die für Mitte des Jahres vorgesehenen "mobilen Messungen" jedenfalls bisher nur mit Fragezeichen auf.
Wesentlich schlechter sieht es für den zweiten Teil aus, die Wirkungsstudie. In der PM heisst es dazu:
"Die Vergabeentscheidung für SOURCE FFR – exposure & health verzögert sich. Es ist geplant, die beiden aktuell vorgesehenen Module einer UFP-Wirkungsstudie in den nächsten Monaten zu vergeben. Das FFR ist zuversichtlich, dass die ersten Arbeiten an der Wirkungsstudie im September beginnen können."In einer Mail, mit der er eine Einladung zu einem weiteren "Austauschtreffen" zum Projekt mit den BIs "nach den Osterferien" ankündigt, schreibt der Leiter des Umwelthauses (das formal Auftraggeber der Studie ist),
"dass sich die Studienvergabe leider verzögert, da die öffentliche Ausschreibung aus dem Sommer 2024 erfolglos verlaufen ist. Die öffentliche Ausschreibung wird jetzt mit leichten Modifikationen erneut durchgeführt."Das muss wehtun.
Aus dem privaten Bereich kennt man das ja: man hat eine Arbeit zu vergeben, findet aber niemanden, der es macht, weil alle einschlägigen Handwerker zu wenig Leute und Besseres zu tun haben. Hier taugt das allerdings kaum als Erklärung.
Wenn staatliche (oder quasi-staatliche) Auftraggeber Forschungs-Dienstleistungen ausschreiben, gibt es in aller Regel nur einen begrenzten Kreis von meist finanziell wenig üppig ausgestatteten Instituten, die überhaupt in Frage kommen, und die meisten sind für neue Projekte dankbar. Wenn sich unter solchen Bedingungen niemand für ein Projekt interessiert, kann man sicher sein, dass damit etwas faul ist.
Schaut man sich an, was von der "Ausschreibung aus dem Sommer 2024"
öffentlich verfügbar ist,
findet man einige Hinweise, was das sein könnte.
Die Seriosität dieser Ausschreibung wird schon beim ersten Durchlesen in Zweifel gezogen durch die vielen Schlampereien, die ins Auge fallen. So ist rund ein Viertel des länglichen Textes unter "2.1 Verfahren" nur eine Wort für Wort identische Verdoppelung, und am Ende bricht die Beschreibung der 2. Teilstudie mitten im Satz ab genau da, wo es für die Wirkungsstudie interessant wird.
Wesentliche Inhalte werden dann unter "5.1 Los: LOT-0001" beschrieben:
"Titel: Durchführung einer UFP-Wirkungsstudie Beschreibung: Die vorliegende Ausschreibung adressiert nur das 4. Teilvorhaben. Dabei sind folgende Forschungsfragen zu untersuchen: - Welche Auswirkung haben ultrafeine Partikel insbesondere aus dem Luft- und Straßenverkehrssektor auf die Gesundheit der Bevölkerung im Rhein-Main Gebiet? - Gibt es unterschiedliche Auswirkungen je nach UFP-Quelle? Wenn ja, welche? - Wie sind je nach untersuchtem Endpunkt die Wirkmechanismen zwischen UFP-Exposition und gesundheitlichen Folgen? - Gibt es Unterschiede in Abhängigkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen? - Welche Bedeutung haben multiple Wirkfaktoren auf die Gesundheit, z.B. Kombination UFP/ Verkehrslärm oder UFP/ weitere Luftschadstoffe und meteorologische Parameter, wie z.B. UFP/Temperatur?"Keine Rede also davon, dass die Studie schon von Anfang an enger begrenzt war und dann auch noch auf zwei Teilprojekte zusammengestrichen wurde - nach diesem Text wären praktisch alle Fragen zu untersuchen, die einem im Zusammenhang mit diesem Thema überhaupt einfallen können.
Sollte es potentielle Anbieter geben, die bisher mit dem Projekt noch nichts zu tun hatten, würden sie wohl durch solche Anforderungen erfolgreich abgeschreckt.
Faktisch ist es aber wohl eher so, dass alle, die für die Durchführung dieses Studienteils hierzulande überhaupt in Frage kommen, schon an der Ausarbeitung der Designstudie beteiligt waren und genau wissen, worum es wirklich geht. Sie sehen sich dann mit der Situation konfrontiert, dass einerseits die Auftraggeber öffentlich immer noch gigantische Erwartungen produzieren, indem ein gewaltiger Umfang der Untersuchungen vorgetäuscht wird, andererseits aber die tatsächliche Aufgabe und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel extrem eingeschränkt sind.
Die Perspektive, in der Öffentlichkeit nach Abschluss des Projekts die Sündenböcke spielen zu müssen dafür, dass die meisten Fragen, die die Betroffenen umtreiben, immer noch nicht beantwortet werden können, ist offenkundig wenig attraktiv.
Es wird spannend sein zu beobachten, wie UNH, FFR und Landesregierung diese komplett verpfuschte Ausschreibung
"mit leichten Modifikationen"
noch retten wollen.
Sehr wahrscheinlich wird es ihnen aber gelingen, einen faulen Kompromiss zu finden, der es ihnen erlaubt, das Projekt noch irgendwie zu einem Abschluss zu bringen. Es eilt ja nicht: die "geschätzte Dauer" des Teilprojekts wird in Punkt 5.1.3 mit
"48 Monate"
angegeben, und in vier Jahren kann viel passieren.
Die von Ultrafeinstaub Belasteten im Flughafen-Umfeld ahnen ja sowieso, dass diese Partikel ihrer Gesundheit nicht gut tun, und was sie genau anrichten, verstehen ohnehin die wenigsten. Dass es ein paar Jahre länger dauern wird, bis die Grundlagen für die Definition von Grenzwerten für diese Belastung gelegt sind und dann auch durchgesetzt werden, wird zwar für viele vermeidbare zusätzliche Krankheitstage und Todesfälle sorgen, aber andererseits kann der Flugverkehr sich dadurch vielleicht ja noch so lange ungestört entwickeln, bis die Klimakatastrophe dem endgültig ein Ende setzt. Das verspricht noch einige Jahre reichlich Profit, und die, die heute derartige Entscheidungen treffen, werden dann sicher nicht mehr zur Verantwortung gezogen.
Eine Alternative dazu gibt es natürlich auch: ein Konzept für eine sinnvolle Wirkungsstudie liegt in Form des Ergebnisses der Designstudie auf dem Tisch. Ergänzt um Untersuchungen zur spezifischen Toxikologie der ultrafeinen Partikel aus Flugzeugtriebwerken und die gesundheitlichen Auswirkungen bei extrem hoch belasteten Personen auf dem Flughafenvorfeld liessen sich daraus umfassende und qualitativ neue Aussagen über die gesundheitlichen Wirkungen von UFP aus unterschiedlichen Quellen abhängig vom jeweiligen Grad der Belastung gewinnen. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Festlegung von Belastungsgrenzwerten, die die gesundheitlichen Risiken für die Betroffenen im Umfeld von UFP-Quellen wie Flughäfen, Strassenverkehr und Industrieanlagen minimieren können und die Grundlage für die Durchsetzung von Minderungsmaßnahmen liefern können.
Das wäre ein Weg, der gegangen werden könnte in einer Welt, in der "Sicherheit" Leben in einer gesunden Umwelt und einem stabilen Klima meint, nicht ungehemmte Profitmacherei und Rüstungswahn. Eine Welt also, von der wir uns aktuell immer weiter entfernen.
Das Titelblatt dieser DLR-Studie bedurfte einer Ergänzung,
obwohl die "Fake News" nicht primär in diesem Papier zu finden sind.
25.03.2025
Grosse Vorbilder machen es vor, und auch die deutsche Luftverkehrswirtschaft sieht sich genötigt, mit kommunikativen Ausweichmanövern ihre Forderungen vorzutragen, selbst wenn die eigens dafür beauftragten Gutachten andere Fakten präsentieren.
Aktuelles Beispiel ist der Gemeinsame Appell, den "die deutschen Luftfahrt- und Tourismusverbände, Industrie und Gewerkschaften ... an die Verhandlungspartner der neuen Bundesregierung" vor ein paar Tagen gerichtet haben (in einer Lang- und in einer einseitigen Kurzfassung). Die wichtigste Forderung, wie schon seit Monaten: "Standortkosten senken".
Gleichzeitig hat das "Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt" DLR ein vom Bundesverkehrsministerium beauftragtes
Gutachten
vorgelegt, das ebenfalls die "Standortkosten" im Titel trägt und
"Maßnahmen zur Stärkung des Luftverkehrsstandortes Deutschland"
zusammenstellt.
Der zuständige Staatssekretär erklärt dazu:
"Deutschland ist als Exportnation auf eine gute Anbindung an die Welt angewiesen und der Luftverkehr ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. ... Das Gutachten identifiziert wichtige Stellschrauben, um die Branche zu entlasten und den Luftverkehr spürbar anzukurbeln. ... Wir werden die Ergebnisse intensiv mit den Ländern beraten und einer neuen Bundesregierung Vorschläge für wirksame Maßnahmen zur Stärkung des Standorts unterbreiten."
Einer der Appellanten, der Flughafen-Dachverband ADV, bewertet das Gutachten in einer
Pressemitteilung
" als weiteren Beleg, dass die künftige Bundesregierung die hohen regulativen Belastungen durch Luftverkehrsteuer und Gebühren absenken sollte",
denn es
"bestätigt: Zu hohe regulative staatliche Standortkosten belasten den Flughafenstandort Deutschland in seiner Wettbewerbsfähigkeit. In der Folge reduzieren Airlines ihr Flugangebot. ...",
und der Hauptgeschäftsführer legt noch einmal nach:
"Die Analyse des Gutachtens ist eindeutig. Die Wettbewerbssituation der deutschen Flughäfen wird insbesondere durch die ausufernden Steuern und Gebühren belastet."
Die Präsidentin dieses Vereins darf in ihrer Funktion als Chefin des Berliner BER mit Bezug auf das Gutachten
öffentlich jammern:
"Wir können nicht mehr. Es funktioniert nicht mehr".
Das kleine Problem dabei: das Gutachten stützt diese Aussagen nicht.
Ganz im Gegenteil kommt es zu ganz ähnlichen Aussagen wie eine andere
Analyse,
die zu Jahresbeginn vorgelegt wurde. Während dort der Anteil der Standortkosten am "Nachfrageverlust" auf 7% beziffert wurde (1,1% von insgesamt 16%), geht das Gutachten von 9% aus.
Es ist allerdings erhellend, sich die Details der Herleitung dieses Werts anzuschauen. Das Gutachten legt zwei Abschätzungen vor, die auf 3,2% bzw. 10,6% Anteil kommen. Und weiter heisst es ganz unschuldig:
"Die Festlegung auf ein geeignetes Referenzszenario ist jedoch Unsicherheiten unterworfen. Anstatt ... den Mittelwert aus 10,6 % und 3,2 % zu bilden [was ziemlich genau 7% ergäbe], wird deshalb angenommen, dass sich 9 % der schwachen innereuropäischen Luftverkehrsentwicklung ab Deutschland durch die gestiegenen Standortkosten erklären lassen ... . Hierdurch soll vermieden werden, dass der Effekt der Standortkosten unterschätzt wird."
Solche Sätze machen deutlich, was von den Zahlenspielereien in diesem Gutachten zu halten ist.
Aber abgesehen von den Zahlenwerten stimmen die Kernaussagen mit anderen Analysen überein: Hauptgründe für das (nur angeblich zu geringe) Wachstum sind die Marktmacht der Lufthansa und fehlende Flugzeuge und Personal.
Neben einigen zweifelhaften Methoden des Gutachtens (für Insider: "deskriptive" und "ökonometrische" Analysen) fällt insbesondere die extreme Borniertheit auf, mit der die Aufgabenstellung angegangen wird. Es wird alles aufgezählt, was "den Luftverkehrsstandort stärken", d.h. die Zahl der Passagiere und der Flugbewegungen erhöhen könnte, ohne auch nur mit einem Wort auf die möglichen gesundheitlichen und ökologischen Folgen dieser Maßnahmen und die daraus ggf. sich ergebenden kontraproduktiven Konsequenzen einzugehen.
So gehören Dinge wie
"eine flexiblere Flughafennutzung in Nacht- und Randstunden",
"eine Reduzierung weiterer künstlicher Kapazitätsrestriktionen"
und
"schnellere Genehmigungsverfahren"
ganz selbstverständlich auch zu den empfohlenen Maßnahmen, auch wenn
immer neue Gutachten
die unvermeidlichen gesundheitlichen Schäden durch Fluglärm, steigende Schadstoff-Belastungen etc. (und deren ökonomische Konsequenzen) nachweisen. Von den Klimawirkungen des Luftverkehrs und deren Folgen ist erst recht nicht die Rede.
Damit passt dieses Gutachten aber ganz hervorragend als Input für eine anstehende Diskussion im Bundesrat, in der auch die jüngste
Initiative der hessischen Landesregierung
zur Luftverkehrspolitik behandelt werden kann, die viele Forderungen aus dem Appell schon vorweg nimmt.
Dabei stört es auch nicht, dass es Teile und Empfehlungen enthält, die nicht von allen Unterzeichnern des Appells mitgetragen werden können. So wird die Lufthansa sicher nicht für die
"Präsenz neuer Anbieter und Allianzen"
im deutschen Luftverkehr eintreten wollen. Aber da es inzwischen Standard ist, dass jeder ein solches Gutachten zur Unterstützung seiner Forderungen heranziehen kann, selbst wenn das Gegenteil davon drinsteht, gibt es kein Problem. Was die Politik wirklich durchsetzen soll, steht ja in dem gemeinsamen Appell, und damit können alle leben.
Bedauerlicherweise ist ein derartiger Umgang mit Fakten in den Auseinandersetzungen um den Luftverkehr nicht die Ausnahme, sondern schon seit langem die Regel. Äusserungen aus der Luftverkehrswirtschaft zu strittigen Sachverhalten zeigen so gut wie nie das vollständige Bild. Soweit es sich um Beiträge von Lobbyisten zu Fragen wie Lärm, Schadstoff-Belastung, Klimagefährdung o.ä. handelt (und zu Lobbyist*innen zählen neben den Verbandsfunktionär*innen auch die Pressestellen und Chefetagen der Konzerne), stellt sich in der Regel nur die Frage: handelt es sich zumindest in einigen Aussagen noch um Teilwahrheiten, oder ist es vollständig gelogen?
In der Luftverkehrspolitik sieht es natürlich nicht besser aus. Dass das Vertrauen grosser Teile der Bevölkerung in die Politik immer neue Tiefststände annimmt, liegt eben nicht nur an der Hetze in Sozialen Medien oder an Stammtischen, sondern daran, dass Politiker*innen im günstigsten Fall das Lobbyisten-Geschwätz ungeprüft übernehmen, im schlimmsten Fall aber aus ideologischen Gründen noch eigene Lügen draufsetzen (was natürlich auch für vorgebliche Alternativen gelten kann, s. die AfD im Landtag). Die wenigen fachlich-kritischen Stimmen, die es noch gibt, gehen in aller Regel im Lobby-Geschrei unter.
Selbst amtlichen Aussagen ist häufig nicht zu trauen, wie zahlreiche Beispiele aus der Luftaufsicht und der Umweltüberwachung in Hessen, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben, belegen.
Das liegt nicht zuletzt auch an den Medien, die ganz überwiegend weder willens noch in der Lage sind, die ihnen vorgesetzten Informationen selbst kritisch zu hinterfragen oder wenigstens kritische Stimmen angemessen zu Wort kommen zu lassen. Anders als bei den dreisten Lügen der Trump-Riege, die häufig durch blossen Augenschein zu erkennen sind, handelt es sich bei den Streitfragen hier in der Regel um komplexere Sachverhalte, die ohne eine gewisse Einarbeitung nicht zu verstehen, geschweige denn zu bewerten und verständlich darzustellen sind. Für gründliche Recherche zu Themen, die gerade nicht "in" sind und nur eine begrenzte Zahl von Menschen betreffen, fehlen aber offenbar die nötigen Ressourcen.
Schon zu Zeiten der Auseinandersetzungen um den Bau der Startbahn West oder den Ausbau der Kernenergie, in denen auf Befürworter-Seite auch jeweils schon massiv gelogen und betrogen wurde, gelang es nur partiell, ausreichend Gegenöffentlichkeit herzustellen, obwohl dort starke Gegenbewegungen existierten, in denen sehr viele Leute sehr viel Zeit und Energie dafür aufgebracht haben. Heute steht zwar mit den zunehmenden Gesundheitsschäden und der beginnenden Klima-Katastrophe noch mehr auf dem Spiel, und die Gegenargumente sind noch stärker, aber die Bewegungen zu schwach, sie zur Wirkung zu bringen.
Bleibt noch die traurige Tatsache zu kommentieren, dass unter dem eingangs zitierten Lobby-Pamphlet auch die Unterschriften von zwei hochrangigen Gewerkschaftsfunktionären, stellvertretende Vorsitzende von IG Metall und ver.di, stehen.
Natürlich passt das nicht zu dem Diskussionsstand, der in beiden Gewerkschaften über die grundsätzliche Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation hin zu einer sozialeren und klimaschützenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bereits erreicht ist. Es macht aber deutlich, dass die Gewerkschaften hierzulande und heutzutage nicht diejenigen sind, die eine solche Transformation vorantreiben oder einfordern können. Sie sind darin gefangen, die kurzfristigen ökonomischen Interessen ihrer Mitglieder zu verteidigen. Und solange für einen Sektor keine realistischen Wege und Mehrheiten für einen Übergang in eine sozialere Zukunft absehbar sind, werden sie auch einen schlechten Status quo verteidigen, wenn er zumindest Arbeitsplätze und einigermaßen auskömmliche Löhne zu erhalten verspricht.
Wenn die Bewegung für eine sozial-ökologische Wende die Gewerkschaften als Bündnispartner gewinnen will, wird sie erstens sehr viel stärker werden müssen, und zweitens
überzeugende Konzepte
dafür vorlegen müssen, wie ein solcher Wandel sozial gestaltet werden kann. Der Flugverkehr muss schrumpfen - aber die heute dort Beschäftigten brauchen eine Perspektive, die ihren sozialen Status mindestens sichern, womöglich sogar verbessern kann.
Man sieht nichts davon, aber der Minister und seine Staatssekretärin (und der Rest der Landesregierung und das Landesparlament) müssen spezielle Scheuklappen tragen, die es erlauben, die Flugzeuge zu sehen, deren Emissionen aber nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Oder - aber das ist ein sehr ketzerischer Gedanke - die Belastungen, die sie erzeugen, sind ihnen schlicht egal.
20.03.2025
Bereits vor knapp einem Jahr warnte der BUND Hessen anlässlich der Veröffentlichung des Lufthygienischen Jahreskurzbericht 2023 durch das "Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie" HLNUG: "Bedenklich ist, dass der schwarz-rote Koalitionsvertrag das Thema Luftqualität komplett ignoriert".
Damals war die neue Landesregierung erst einige Wochen im Amt. Nach nun über einem Jahr ist klar: sie ignoriert den Bereich Luftreinhaltung nicht, sie betrachtet ihn als Störfaktor, der reduziert werden muss.
Finanziell gekürzt werden kann natürlich am einfachsten da, wo (noch) keine gesetzliche Verpflichtung zum Tätigwerden besteht, und da bietet sich das Thema "Ultrafeinstaub" an.
Bereits im Juli letzten Jahres wurde der noch nicht vergebene Teil der
Studie SOURCE FFR,
die seit April 2023 am Flughafen Frankfurt durchgeführt wird, auf das politisch gerade noch vertretbar erscheinende Maß
zusammengekürzt,
obwohl alle beteiligten Expert*innen eindringlich gewarnt hatten, dass damit der eigentliche Zweck der Studie, Aussagen über die gesundheitlichen Wirkungen der Partikelbelastungen zu machen und damit Grundlagen für die Entwicklung von Grenzwerten zu legen, nicht mehr erreicht werden kann.
Nun ist der nächste Schritt bekannt. Versteckt in einer Pressemitteilung zu "Ultrafeinstaubmessungen in Kelsterbach", die gerade beendet wurden, teilt das HLNUG mit:
"Ultrafeine Partikel gehören zu den kleinsten Bestandteilen in der Luft und können tief in die Lunge eindringen. Da ihre gesundheitlichen Auswirkungen noch nicht abschließend erforscht sind, hat das HLNUG 2017 ein Sondermessprogramm gestartet. Ziel ist es, den Einfluss des Flugbetriebs auf die Belastung der Luft mit ultrafeinen Partikeln an verschiedenen Standorten in der Region zu untersuchen. ... Nun werden die temporären Messungen beendet."Kennt man inzwischen "den Einfluss des Flugbetriebs auf die Belastung der Luft mit ultrafeinen Partikeln" hinreichend? Natürlich nicht. Das Programm wird beendet, ohne das Ziel erreicht zu haben, ohne Aussage darüber, welche Fortsetzungen, Erweiterungen o.ä. es geben soll, was getan werden wird, um das Ziel doch noch zu erreichen.
Natürlich ist der Einfluss des Flugbetriebs auch eine Frage, die der erste Teil des Projekts SOURCE FFR, die Belastungsstudie, beantworten soll. Bis "Frühjahr 2025", also demnächst, sollen
erste Ergebnisse
der Bemühungen präsentiert werden, die Immissionen von ultrafeinen Partikeln in der Rhein-Main-Region zu modellieren. Eine der spannendsten Fragen wird sein, inwieweit die Ergebnisse dieser Modellierung mit den vor Ort gemessenen Partikel-Konzentrationen übereinstimmen
(was beim Vorgänger-Projekt 2019
nicht der Fall war).
Die bisherigen Messungen des HLNUG sollen explizit auch dazu dienen, die SOURCE FFR-Ergebnisse zu verifizieren, aber von solchen "Prüfpunkten" kann man bei derart komplexen Modellierungen nie genug haben. In einer Phase, in der die Modellannahmen überprüft und ggf. noch modifiziert werden können, könnte die Möglichkeit, zusätzliche Messungen an einigen Stellen durchzuführen, extrem hilfreich sein. Ob und inwieweit diese Möglichkeit jetzt noch besteht, ist ungewiss.
Es gab und gibt immer auch genügend Anlass zur Kritik an den UFP-Meßprogrammen des HLNUG, sowohl an den Messungen selbst als auch insbesondere an den Auswertungen und Interpretationen der Meßwerte (s. u.a.
hier
und
hier).
Dennoch haben sie immer wieder wichtige Informationen zum Ausmaß der Belastungen an verschiedenen Stellen im Rhein-Main-Gebiet geliefert und sollten daher ergänzt und verbessert, aber nicht eingestellt werden.
Dies umso mehr, als die bereits
2018 begonnene
und
Ende 2024 in Kraft getretene
Novellierung der
EU-Luftqualitätsrichtlinie
künftig die Überwachung der UFP-Belastung an "Hotspots" wie dem Frankfurter Flughafen vorschreibt. Dass die dort vorgesehenen Maßnahmen auch nur ein völlig unzureichender erster Schritt sind, ändert nichts daran, dass sie umgesetzt werden müssen.
Was im Bereich UFP eigentlich getan werden müsste, haben wir schon vor acht Jahren als Forderungen aufgelistet. Im Rahmen der Diskussionen über die ersten Ergebnisse der UBA/HLNUG-Messungen in Raunheim hatten wir formuliert:
"Wir halten mindestens folgende Schritte für notwendig:Dass diese Liste immer noch aktuell ist und die darin enthaltenen Forderungen nicht umgesetzt sind, zeigt, in welch schlechtem Zustand die Luftreinhalte-Politik in Hessen seit Jahren ist. Und dass das nicht nur für Ultrafeinstaub gilt, zeigt ein Vergleich der Luftbelastung in der Rhein-Main-Region mit den Richtwerten der WHO für die wichtigsten Luftschadstoffe, insbesondere die Stickoxide.
- Der Betreiber des Flughafens Frankfurt, die Fraport AG, sollte veranlasst werden, die Partikel-Anzahlkonzentration, Größenverteilung und chemische Struktur der Ultrafeinstaub-Belastung in den verschiedenen Bereichen des Flughafens, insbesondere auf dem Vorfeld und an Anfang und Ende der Start- und Landebahnen, kontinuierlich zu überwachen.
- Die Hessische Landesregierung sollte die Meßstation in Raunheim dahingehend aufrüsten, dass dort neben der Anzahl-Konzentration und der Größenverteilung auch die chemische Struktur der Ultrafeinstäube gemessen werden kann.
Gleichartige Stationen sind auch an anderen Stellen in der näheren Umgebung des Flughafens notwendig, an denen eine starke Belastung durch überfliegende Flugzeuge, sowohl bei Starts als auch bei Landungen, erwartet werden kann.
- Die bisher bekannt gegebenen bzw. angekündigten Auswertungen der vorhandenen Meßwerte sollten dahingehend ergänzt werden, dass Korrelationen zwischen einzelnen Emissions-Ereignissen (Überflügen) und kurzzeitigen Konzentrationsänderungen dargestellt werden können.
Darüber hinaus sollten die bisher vorliegenden sowie alle künftig erhobenen Meßwerte Dritten zur Auswertung zur Verfügung gestellt werden.."
Inzwischen ist die Liste natürlich noch länger geworden und es sind detailliertere Forderungen zu stellen. Insbesondere seit bekannt ist, dass sich ultrafeine Partikel aus Flugzeug-Turbinen von Partikeln aus anderen Quellen
chemisch unterscheiden
und möglicherweise
noch toxischer sind,
gibt es die dringende Forderung, diese Frage genauer zu untersuchen.
Da inzwischen klar ist, dass auch das laufende SOURCE FFR-Projekt diese und viele andere Antworten
nicht liefern wird,
ist es notwendig, diese Forderungen auch wieder stärker an die
Verursacher und Inverkehrbringer
dieser Belastungen, d.h. an den Flughafen-Betreiber Fraport und die dort tätigen Airlines, zu richten. Das gilt natürlich erst recht für Maßnahmen, die die UFP-Belastungen ein Stück weit reduzieren könnten, wie die Entschwefelung und die Absenkung des Aromatengehalts im Kerosin. Auch hier hätte die Landesregierung als Anteilseigner und Aufsichtsbehörde die Pflicht, tätig zu werden und entsprechende Untersuchungen einzufordern bzw. Umstellungen zu verlangen.
Die amtierende Landesregierung zeigt nicht nur keinerlei Ehrgeiz, tätig zu werden und diese Situation zu verbessern. Die vorgenommenen Kürzungen zeigen im Gegenteil, dass die Probleme dadurch angegangen werden sollen, dass sie aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt werden, u.a. eben auch dadurch, dass die Daten, die die Probleme beschreiben, nicht mehr erfasst werden.
Und so wie kleine Kinder glauben, dass Bedrohungen verschwinden, wenn sie sich die Augen zuhalten, so versuchen diese Politiker, die immer drängender werden Krisen irgendwie zu umgehen, indem sie sie leugnen oder nicht zur Kenntnis nehmen. Sie werden damit genauso erfolgreich sein, und die Bevölkerung wird unter den Folgen dieser Krisen umso mehr zu leiden haben, je länger sie braucht, dieses Versagen zu erkennen und die Versager zum Teufel zu jagen.
Dies wäre ein wichtiger erster Schritt, um die Verschmutzer und Profiteure, die
Paten des Klimachaos
zu entmachten und den Schutz von Gesundheit, Umwelt und Klima wieder in den Mittelpunkt des politischen und wirtschaftlichen Handelns zu rücken.
03.03.2025
Noch ist die CDU/SPD-Koalition auf Bundesebene, die nach der Bundestagswahl als einzige Möglichkeit für eine Regierung ohne AfD-Beteiligung bleibt, nicht gebildet, aber bereits jetzt lässt sich nachlesen, wie schwarz-rote Luftverkehrspolitik künftig aussehen soll. Aufgeschrieben hat es die hessische Landesregierung in Form eines
Antrags,
den sie schon am 30. Januar in den Bundesrat eingebracht hat.
In seiner
Sitzung vom 14.02
hat der Bundesrat den Antrag wunschgemäß an die zuständigen Ausschüsse überwiesen; wann er im Plenum zur Abstimmung stehen wird, ist noch nicht bekannt.
Die Landesregierung kann sich für diese Initiative natürlich auf
den Koalitionsvertrag
sowie
die Landtagsdebatte
vom September letzten Jahres berufen, aber um Demokratie und Transparenz zu simulieren und sich die Gelegenheit für eine weitere Propaganda-Offensive nicht entgehen zu lassen, durfte der Landtag am 27.02. über einen ganz
ähnlichen Antrag
abstimmen, der die Initiative "begrüsst".
Die Debatte dazu kann man sich
bei der Hessenschau ansehen und -hören.
Viel Interessantes gibt es da allerdings nicht. Die Grünen lernen langsam wieder Opposition, sind aber noch ein gutes Stück davon entfernt, die Probleme dieser Politik wirklich zu benennen. Tiefpunkt der Debatte (neben den AfD-Beiträgen, die immer das unterste Niveau markieren) war die Rede der Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, die mit ideologischen Phrasen um sich warf, aber inhaltlich nichts zu sagen hatte.
Inhaltlich setzt die Initiative im Wesentlichen das um, was das Propaganda-Trommelfeuer der Luftverkehrswirtschaft seit Monaten fordert, zuletzt knapp zusammengefasst in einer Pressemitteilung des "Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft" BDL. In einigen Punkten geht sie allerdings noch weiter im Bemühen, Subventionen für den Luftverkehr locker zu machen.
Als Maßnahme zur Kostensenkung soll die Luftverkehrsteuer reduziert und
"in eine ... zweckgebundene Abgabe zur Finanzierung des Strukturwandels im Luftverkehr"
umgewandelt, also vollständig als Subvention zurückgezahlt werden. Darüber hinaus sollen sowohl die Luftsicherheitsgebühren (für Passagier- und Gepäckkontrollen etc.) als auch die Flugsicherungsgebühren mindestens teilweise aus Steuergeldern bezahlt werden.
Die europäischen Regeln für den Emissionshandel und die Nutzung sog. nachhaltiger Treibstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) sollen überprüft und "wettbewerbsneutral umgestaltet", sprich aufgeweicht werden, Produktion und Beschaffung von SAF sollen durch staatliche Garantien und Bürgschaften abgesichert werden.
Über die Forderungen der Luftverkehrswirtschaft hinaus gehen die Vorschläge, wie der
selbst verschuldete
Personalmangel bei Flughäfen und Fluggesellschaften überwunden werden kann. Dies soll einerseits durch eine
"zeitnahe Schaffung und Umsetzung einer Immigrations-, Integrations- und Beschäftigungsstrategie",
andererseits durch Unterstützung der
"Schaffung von Mitarbeiterwohnungen, beispielsweise durch steuerliche Begünstigungen",
erreicht werden.
Letzteres klingt, als solle damit der Fraport-Immobiliensektor, der sich bisher auf
Gewerbe-Immobilien
konzentriert und nur einige im Rahmen des
Casa-Programms
in Flörsheim erworbene Wohnungen verwaltet, hier ein neues Betätigungsfeld erhalten. Für Fraport und Lufthansa Werkswohnungen zu subventionieren statt sozialen Wohnungsbau generell zu fördern wäre aber in der Tat eine neue Stufe der Dreistigkeit.
Vergleicht man die Inhalte dieser Initiative mit den
Forderungen der Umweltverbände
zur Entwicklung des Luftverkehrs, kann man feststellen, dass sie im Wesentlichen das Gegenteil dessen sind, was aus Gründen des Gesundheits-, Umwelt- und Klima-Schutz notwendig wäre.
Klimaschutz soll stattdessen dadurch möglich werden, dass genügend Geld verdient wird, um ihn zu finanzieren. Dass die Luftverkehrswirtschaft ihre eigenen Klimaziele trotz üppiger Profite
bisher klar verfehlt
hat, neue Konzepte wie die noch
im letzten Jahr
für 2035 angekündigten Wasserstoff-Antriebe
in die ferne Zukunft
verschiebt und selbst die Weiterentwicklung der konventionellen Technik
verzögert,
wird nicht zur Kenntnis genommen.
Die Begründungen, die Landesregierung und Koalition für diese Initiative liefern, sind ebenfalls die gleichen, die die Luftverkehrswirtschaft ständig vorträgt, und keine einzige davon ist wahr.
Selbst altgediente Luftfahrt-Lobbyisten kommen
beim Blick auf die Zahlen
zu dem Ergebnis, dass die "Standort-Kosten", also Steuern und Gebühren, auf das geringere Wachstum an deutschen Flughäfen bestenfalls einen
"geringen Einfluß"
haben und die wesentlichen Faktoren die
"Marktabschottung"
durch die aggressive Wettbewerbspolitik der Lufthansa-Gruppe bei gleichzeitigem
"Mangel Personal/Flugzeuge",
durch die die vorhandene Nachfrage nicht bedient werden kann, sind.
Die "fehlende Erholung" von den Pandemie-Einbrüchen betrifft insbesondere den innerdeutschen Luftverkehr, der nur noch rund die Hälfte der 2019er Zahlen umfasst. Da diese Flüge wohl überwiegend durch Bahnfahrten oder Videokonferenzen ersetzt wurden, ist das eine klimapolitisch eindeutig positive Entwicklung, die ausser den Fluggesellschaften und den betroffenen Flughäfen niemandem wirtschaftlich weh tut.
Auch die angeblich "abnehmende Konnektivität" ist ein Mythos. Zum einen
brüstet sich Fraport
damit,
"auch 2024 weltweit führend bei der Hub-Konnektivität"
gewesen zu sein, zum anderen spielt es auch höchstens für die Tourismus-Branche eine Rolle, wenn einige Regionalflughäfen Direktverbindungen zu touristischen Zielen verlieren. Und wenn tatsächlich wichtige Routen wie die nach Asien von Lufthansa aus politischen Gründen nicht mehr rentabel beflogen werden können, gibt es
Auswege
über 'Star Alliance'- und Joint-Venture-Partner.
Die Protagonisten dieser Luftverkehrs-Subventionierungen wissen das natürlich alles sehr genau. Sie wissen auch, dass die deutschen Klimaziele ohne massive Reduktion der Emissionen im Verkehrsbereich
nicht erreicht
werden können. Warum sie trotzdem das Publikum derart dreist belügen und damit die
Glaubwürdigkeit ihrer Politik
parteiübergreifend weiter ruinieren, darüber kann man spekulieren. Klar wird hier nur einmal mehr: von dieser Art von Politik ist keine Lösung der anstehenden Probleme zu erwarten. Weder wird dadurch der weitere Anstieg der ohnehin schon unerträglichen Belastungen durch Lärm und Schadstoffe im Flughafen-Umfeld verhindert, noch ergibt sich auch nur die kleinste Perspektive, die drohende Klimakatastrophe doch noch irgendwie auf ein überlebbares Maß zu beschränken.
Und wenn, wovon man ausgehen muss, diese hessische Initiative in beiden Parteien abgestimmt und damit das ist, was auch von einer schwarz-roten Koalition auf Bundesebene zu erwarten ist, müssen sich alle, die etwas anderes wollen, auf noch schwierigere Zeiten einstellen. Das
Katastrophen-Wachstum
soll auch in diesem Jahr weitergehen,
Militarisierung und Aufrüstung
haben Priorität gegenüber Klimaschutz und -anpassung, die
Klimaziele werden aufgegeben
und die
Spaltung der Gesellschaft
weiter getrieben. Blickt man dann noch auf die Vorgänge in den USA, ist man geneigt, dem italienischen Philosophen und Kommunisten Antonio Gramsci zuzustimmen,
der 1930 schrieb:
"Das Alte stirbt und das Neue kann nicht zur Welt kommen: Es ist die Zeit der Monster."
26.01.2025
Anlässlich der Bundestagswahl am 23. Februar haben fünf NGOs, darunter der Dachverband der deutschen Umweltverbände, der Deutsche Naturschutzring DNR, und die bundesweit tätige Bundesvereinigung gegen Fluglärm BVF mit einer gemeinsamen Presseerklärung eine Agenda Klimaneutraler Luftverkehr vorgestellt.
Kernpunkte der Agenda sind eine Roadmap Klimaneutraler Luftverkehr, eine Strategie zur Reduzierung des Fluglärms und ein Handlungskonzept zur Verringerung der Luftverschmutzung durch den Flugverkehr, das sich insbesondere auf den Ultrafeinstaub konzentriert.
Die Roadmap Klimaneutraler Luftverkehr enthält 8 Punkte, die "in dieser Legislaturperiode dringend auf den Weg gebracht werden" sollten (hier ohne die jeweiligen Begründungen und Ergänzungen aufgelistet):
Die Strategie zur Reduzierung des Fluglärms soll dazu beitragen, Fluglärm in Übereinstimmung mit den Zielen des EU Zero Pollution Action Plan bis 2040 um 30% zu reduzieren. Dazu werden für die kommende Legislaturperiode vier Maßnahmen vorgeschlagen:
Das Handlungskonzept zur Verringerung der Luftverschmutzung ist der schwächste Teil der präsentierten Agenda. Zwar wird zurecht hervorgehoben, dass "ultrafeine Partikel (UFP)" "besonders gesundheitsschädlich sind", und mit Bezug darauf werden drei Maßnahmen gefordert:
Als Fazit kann man festhalten: diese "Agenda" ist sehr "realpolitisch" geprägt und konzentriert sich auf das, was besonders dringlich ist und bei gutem Willen auch ohne drastische Veränderungen durchsetzbar wäre. Das ist wichtig und notwendig besonders vor dem Hintergrund, dass der allgemeine politische Trend in eine andere Richtung geht und die Chancen selbst dafür eher gering sind.
Es darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Politik, die Gesundheit und Umwelt wirklich schützen und die Klimakatastrophe soweit wie möglich eindämmen wollte, sehr viel weitergehendere und drastischere Maßnahmen erfordern würde. Politische Kräfte, die so etwas auf dem Programm haben, sind derzeit allerdings rar und aktuell in Gefahr, im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten zu sein.
05.01.2025
Zum 01.01. ist die neue Fraport Entgeltordnung in Kraft getreten, die Bestandteil eines vierjährigen Entgeltabkommen zwischen Fraport und den auf FRA aktiven Fluggesellschaften ist.
Zum Umfang der Erhöhungen führt Fraport aus:
"Für 2025 werden die Flughafenentgelte durchschnittlich um 5,7 Prozent steigen. ... In den Jahren 2026 bis einschließlich 2028 fallen die Entgeltanpassungen von Jahr zu Jahr geringer aus. Im Durchschnitt wird der Anstieg in den nächsten vier Jahren bei knapp vier Prozent pro Jahr liegen."
Sie legt auch grossen Wert darauf zu betonen, dass das Abkommen bzw. die Entgeltordnung
"gemeinsam mit unseren Airline-Kunden ... erarbeitet"
wurde, d.h. also das Standard-Gejammer über die "ständig steigenden Standortkosten" hier höchstens noch von denjenigen kommen wird, die (wie Chef-Jammerer Ryanair) derzeit nicht auf FRA aktiv sind.
Über die Entstehung dieser Entgeltordnung, und was daran falsch ist, kann man noch einiges aus den beiden Stellungnahmen der Fluglärmkommission vom
August
und vom
Dezember
letzten Jahres lernen.
Wir wollen uns hier auf zwei für die Bevölkerung im Umland des Flughafens besonders interessante Punkte konzentrieren: die lärm- und emissions-abhängigen Teile der Entgelte und das neue Anreiz-Programm für mehr Flugverkehr, genannt "Interkont-Incentive".
Die Lande- und Start-Entgelte enthalten neben den auf die maximale Startmasse (Maximum Take-Off Mass, MTOM) und die Passagieranzahl und Frachtmenge bezogenen Komponenten auch eine lärmabhängige, "mit Festbeträgen pro Lärmkategorie" berechnete, und eine emissions-abhängige Komponente. Für erstere gibt es noch "in Anlehnung an den internationalen Standard „Noise Rating Index“" Rabatte, wenn sie in einem oder mehreren der drei Kriterien der ICAO-Lärmkategorien bessere Werte zeigen.
Für die emissionsabhängige Komponente hat sich im Vergleich zur
Entgeltordnung 2024
nicht viel geändert, pro "Kilogramm Stickoxidäquivalent" sind 3,90€ statt bisher 3,69€ zu zahlen. Die Berechnungsformel ist relativ komplex, aber man darf annehmen, dass die meisten Fluggesellschaften den Unterschied kaum bemerken werden.
Die Erhöhung der lärmabhängigen Komponente bewegt sich in dem in der Fraport-PM angekündigten Rahmen (5,7%), etwa gleich über alle Kategorien hinweg. Das bedeutet natürlich auch, dass in den Kategorien, die die Arbeitspferde der meisten Airlines enthalten, Aufschläge im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Euro-Bereich fällig werden, während Kategorie 16 um schwindelerregende 1.555,82€ (von 27.295,11 auf 28.850,93€) teurer wird. Dummerweise ist die als Einzige in dieser Kategorie enthaltene Antonov 124 in Frankfurt seit Jahren nicht mehr gesehen worden.
Weiterhin gibt es noch die sog. Lärmzuschläge
"zur Finanzierung der Maßnahmenprogramme",
womit die Schallschutzmaßnahmen gemeint sind, zu denen Fraport
verpflichtet wurde,
sowie das Dachsicherungsprogramm zum Schutz vor Wirbelschleppen, das in Flörsheim und Raunheim umgesetzt wurde. Hier gibt es keine Veränderungen: pro Bewegung (Start oder Landung) werden in den relevanten Kategorien Beträge zwischen 1,50 und 18,75€ fällig, zusätzlich beim Start 24 Cent pro Passagier und bei Start und Landung 4 Cent pro 100 kg Fracht.
Eine Erhöhung wäre wohl auch kaum zu rechtfertigen, denn beim Schallschutz ist Fraport bisher
sehr billig weggekommen,
und auch das Dachsicherungsprogramm wurde
derart abstossend ausgestaltet,
dass fast die Hälfte der Anspruchsberechtigten es garnicht angenommen hat bzw. nicht umsetzen konnte. Bei beiden sind kaum noch Folgekosten absehbar.
Würde Fraport gezwungen, in diesen Bereichen das tatsächlich Notwendige zu finanzieren, müssten sie die genannten Beiträge wohl verhundertfachen, aber ein politischer Wille dazu ist nirgendwo in Sicht.
Die Fluglärmkommission hatte in ihrer August-Stellungnahme zu den Entgelten vier schon länger erhobene Kernforderungen formuliert:
In der
Dezember-Stellungnahme
macht die FLK deutlich, dass Fraport offensichtlich bei der Aushandlung des Entgeltabkommens erhebliche Zugeständnisse gemacht und die durchschnittliche Erhöhung von ursprünglich 8,5% auf 5.7% abgesenkt hat. Zusätzlich wurde bei den Passagierentgelten eine zusätzliche Förderung eingebaut, durch die Airlines, die durchschnittlich mindestens zweimal am Tag von FRA starten und ganzjährig eine hohe Auslastung ihrer Flugzeuge (>90%) erreichen, eine Erstattung in Höhe von 15€ für alle Passagiere oberhalb einer "Kappungsgrenze" erhalten.
Das ist einerseits ein Anreiz für bereits auf FRA aktive Airlines, die Frequenz zu erhöhen ("mind. 2mal pro Tag"), andererseits ist eine Auslastung über 90% ein Kriterium, das insbesondere Billigflieger in aller Regel leicht erreichen. Es wäre nicht erstaunlich, wenn z.B. Ryanair nochmal nachrechnen würde, ob sich damit eine Nutzung von Terminal 3 ab nächstem Jahr lohnen könnte.
Anreizprogramme zur Steigerung des Betriebs auf FRA gab es in den letzten Jahren fast immer, und sie waren mehr oder weniger
umstritten.
Insbesondere das Incentive-Programm 2017, das Ryanair für ein paar Jahre nach FRA gelockt hat, sorgte
vielfach für Streit.
Das Programm, das im letzten Jahr galt, war dagegen vergleichsweise zurückhaltend: da sollte ein eventueller Überschuss-Betrag, der über die vorher kalkulierten Entgelt-Einnahmen hinausging, zur Hälfte an die Fluggesellschaften zurückgezahlt werden, die 2024 mehr geflogen sind als im Vorjahr.
Im kommenden Jahr wird das anders. Schon der Programm-Name deutet an, worum es geht:
"Das Interkont-Incentive hat zum Ziel, die Steigerung des Passagiervolumens im Interkontinental-Verkehr gegenüber dem Jahr 2024 ... zu fördern. Insbesondere die Hub-Funktion in Frankfurt soll dadurch weiter gestärkt und ausgebaut werden."
Unabhängig vom Jahres-Gesamtergebnis will Fraport für jeden zusätzlichen Passagier zahlen, den eine Fluggesellschaft über das "normale" Wachstum gegenüber dem Vorjahr hinaus befördert, sofern sie 2025 insgesamt mehr als 7.500 Passagiere befördert hat. Das ist keine hohe Zahl, sie kann z.B. mit nur einem gut besetzten Flug pro Woche während des Sommerflugplans erreicht werden.
Im Detail gibt es dann noch Differenzierungen. Für Originärpassagiere, die den Flug in Frankfurt beginnen, wird ein "normales" Wachstum von 3,8% vorausgesetzt, für jeden zusätzlichen Passagier gibt es 15,00€. Für Transit- und Transfer-Passagiere, die in Frankfurt umsteigen, braucht es nur 1,3% Wachstum, es gibt aber auch nur 7,50€. Für Airlines, die 2025 neu nach Frankfurt kommen, gilt jeder Passagier als "zusätzliches Wachstum".
Es mag zunächst positiv erscheinen, dass mit diesem Programm Kurz- und Mittelstrecken-Verkehrs nicht mehr gefördert werden, aber erstens profitieren diese Bereiche ja von der Anreiz-Regelung bei den Passagier-Entgelten, und zweitens werden durch die deutlich niedrigeren Gebühren für Transfer- und Transit-Passagiere gegenüber denjenigen Passagieren, die ihre Reise in Frankfurt beginnen, Kurzstrecken-Zubringerflüge gegenüber klimafreundlicheren Anreisemöglichkeiten z.B. mit der Bahn in einer Weise bevorzugt, die schon lange als besonderer Skandal angeprangert wird. Dieser Unterschied wird aber durch die neue Entgeltordnung sogar noch verstärkt.
Das Urteil der FLK fällt entsprechend auch kurz und knapp aus:
"Die Kommission lehnt jegliches finanzielle Anreizsystem (Incentive-Programm) für die Schaffung von Mehrverkehr am Standort Frankfurt ab",
weil dadurch
"künstlich Verkehrsbedarfe am Standort Frankfurt finanziell unterstützt und damit teilweise erst generiert"
werden.
Mit der Orientierung auf Interkontinentalflüge befindet sich Fraport allerdings in voller Übereinstimmung mit der Landesregierung, deren zuständiger Minister im September letzten Jahres
stolz verkündete,
dass er es als seinen Auftrag sieht, die Hub-Funktion, die grundsätzlich
"nicht etwa an einen bestimmten Standort gebunden ist",
in Frankfurt zu halten.
Das macht den Skandal aber nur noch grösser. Zum einen ist der Interkontinental-Verkehr
der klimaschädlichste Bereich
des Luftverkehrs, nicht nur, weil er den grössten Teil des Treibstoffs verbraucht, sondern auch, weil die Klimaeffekte durch Kondensstreifen hier in der Regel noch stärker sind als bei kürzeren Strecken. Natürlich gibt es bei Interkontinentalverbindungen oft keine brauchbare Alternative zum Flugverkehr, aber trotzdem ist es angesichts der Klimakatastrophe dringend notwendig, ihn auf das absolut unverzichtbare Maß zu beschränken. Hier noch künstlich Bedarf erzeugen zu wollen, ist absolut unverantwortlich.
Zum anderen ist es ebenso unverantwortlich, eine Region, die ohnehin über die gesundheitlichen Grenzen hinaus mit Lärm und Schadstoffen belastet ist, aus reinen Profitgründen mit einer Aktivität zu belasten, die ebensogut anderswo abgewickelt werden könnte. Die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Richtwerte für Lärm, Stickoxide und andere Belastungen werden in Rhein-Main
drastisch überschritten,
jede Steigerung dieser Belastungen führt zu noch mehr Krankheitsfällen und Verlust an Lebensqualität.
Dass ein Hub, der
zu zwei Dritteln touristische Flüge abwickelt,
damit der Region derart relevante Vorteile bringen würde, dass diese Schäden auch nur wirtschaftlich gerechtfertigt werden könnten, hat noch niemand glaubwürdig begründen können.
Dass Fraport als Aktiengesellschaft nach den Prinzipien dieses Wirtschaftssystems handelt und auf gesellschaftliche Verantwortung zugunsten des Profits pfeift, muss wohl als normal betrachtet werden. Dass die Landesregierung und alle im Landtag vertretenen Parteien diesen Kurs massiv unterstützen, ist zwar auch keine Überraschung, muss aber trotzdem als Skandal angeprangert werden, insbesondere, da sie im laufenden Wahlkampf andere Töne anschlagen und versuchen, ihre Politik als sozial und umweltfreundlich zu verkaufen. Ihre Praxis macht mehr als deutlich, was davon zu halten ist.
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