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Die neue Deko für das "Umwelt- und Nachbar­schafts-Haus" ist noch nicht ange­bracht, aber die inhalt­lichen Vor­berei­tungen laufen offen­sicht­lich auf Hoch­touren.

25.04.2025

UFP-Projekt SOURCE FFR:

Das Umwelthaus im "Trump-Fieber" ?

Als wir vor drei Wochen erfuhren, dass sich auf die Aus­schrei­bung der (Rest-)Wirkungs­studie von SOURCE FFR niemand beworben hatte, haben wir natür­lich erstmal nach­gesehen, woran das inhalt­lich liegen könnte. Inzwi­schen konnten wir auch den Rest der Aus­schrei­bungs-Unter­lagen durch­sehen und müssen fest­stellen: es gab und gibt noch mehr gute Gründe dafür, von diesem Projekt die Finger zu lassen.

Da passt es gut, dass das nächste Aus­tausch­treffen zwischen "Umwelt- und Nachbar­schafts-Haus/Forum Flug­hafen und Region" und den Bürger­initia­tiven inzwischen termi­niert ist auf den 16.05., von 18:00 - 19:30 Uhr, in den Räumen des UNH in Kelster­bach. Denn dazu wurde uns versichert: "Selbst­verständ­lich werden wir Sie im Rahmen der Veran­staltung auch über den aktu­ellen Stand der Wirkungs­studie von SOURCE FFR infor­mieren. Vorab möchten wir Sie bereits darauf hin­weisen, dass die Ausschrei­bung zur Durch­führung der UFP-Wirkungs­studie – Modul I: Sekundär­daten­studie – veröffent­licht wurde. Alle rele­vanten Informa­tionen sowie die Aus­schrei­bungs­unter­lagen finden Sie unter folgendem Link:
       https://www.dtvp.de/Satellite/public/company/project/CXP4YNA5FNS/de/overview?0.
Die Aus­schrei­bung zur Durch­führung einer Wirkungs­studie – Modul II Panel­studie – wird in Kürze folgen. Im Rahmen unseres Treffens werden wir auf die Hinter­gründe der nun getrennten Aus­schrei­bungen eingehen ..."

Es gibt aller­dings noch wesent­lich mehr Erklärungs­bedarf zu dieser und der vorher­gehen­den Ausschrei­bung, denn betrachtet man z.B. als weiteres wesent­liches Dokument den Vertrag, den der Auftrag­nehmer hätte unter­schreiben sollen, stellt man fest: dieser Text enthält nicht nur Kon­strukte, die kaum als Sätze in deutscher Sprache zu erkennen sind, sondern viel schlimmer noch auch Sätze, deren Inhalt kaum in irgend­einen posi­tiven Bezug zu deut­schem Recht zu bringen ist.
Insbe­sondere die Para­graphen 8ff enthalten Formu­lierungen, die ein­deutig als Bedroh­ungen für die Wissen­schafts­frei­heit und die Frei­heit der Forschung gelesen werden müssen. Das UNH bean­sprucht nicht nur alle Rechte an den erarbei­teten Ergeb­nissen aus­schliess­lich für sich und räumt den Auftrag­nehmern Veröf­fent­lichungs- und Nutzungs­rechte nur unter Beding­ungen ein, es bean­sprucht auch noch das Recht, diese Ergeb­nisse eigen­ständig zu verändern und in manipu­lierter und zen­sierter Form, oder auch gar­nicht zu ver­öffent­lichen. Dazu kommen unzumut­bare Beding­ungen bezüg­lich Haftung und Versiche­rung, Vertrags­strafen etc. und Absurdi­täten wie "Zu den einzu­räumenden Rechten gehören insbe­sondere ... das Online-Recht". Ein einräum­bares oder über­tragbares "Online-Recht" gibt es nicht, das ist viel­mehr ein Sammel­begriff für alle mög­lichen Rechte und Rechts-Bereiche, die im Zusam­men­hang mit Aktivi­täten im Internet rele­vant sind.
In der Vertrags­version der aktu­ellen Ausschrei­bung sind zwar die gröb­sten gramma­tischen Schnitzer besei­tigt (wenn auch längst nicht alle), aber an den inhalt­lichen Zumu­tungen hat sich fast nichts ver­ändert. Nach wie vor möchte das UNH als Auftrag­geber die Ver­öffent­lichung der Ergeb­­nisse so eng wie möglich kontrol­lieren und die Publi­kations­freiheit der Auftrag­nehmer ein­schränken.

Man kommt nicht umhin, sich an die aktuelle Kampagne der Trump-Clique in den USA zu erinneren, die versucht, den US-Universi­täten ihr reaktio­näres Welt­bild aufzu­zwingen und sie in Forschung und Lehre zu gängeln. Natür­lich sind das ganz andere Dimen­sionen, aber das Agieren der Mini-Donalds hier zeigt, wie weit autori­täre Tenden­zen und die Miß­achtung von Freiheits­rechten und demokra­tischen Prinzi­pien auch in hiesigen Institu­tionen schon fortge­schritten sind.
Ermuti­gend ist, dass sich bisher keine wissen­schaft­liche Einrich­tung von Rang derartige Beding­ungen hat auf­zwingen lassen. UNH/FFR, Landes­regie­rung und Luft­verkehrs­wirtschaft haben ohnehin schon die Möglich­keit ausgiebig genutzt, durch finan­zielle Restrik­tionen unlieb­same Forschung zu behin­dern und einzu­schränken. Sie dürfen nicht auch noch trotzdem erzielte Forschungs­ergeb­nisse unter ihre Kontrolle bekommen, um sie zu unter­drücken oder in ihrem Sinne umzu­inter­pretieren. Es ist aber keine einfache Frage, was passieren müsste, um das sicher zu verhindern.

Es war einmal auch in Hessen eine Zeit, in der so etwas wie poli­tischer Anstand noch weiter ver­breitet war und alle versi­cherten, die allge­mein aner­kannten Rechte und Spiel­regeln zu beachten. Wurde eine Insti­tution dabei erwischt, dass sie das nicht tat, musste in aller Regel eine Person aus der oberen Leitungs­ebene Verant­wortung über­nehmen und zurück­treten. Das war zwar häufig auch nur ein Bauern­opfer, aber immer­hin war nach innen und aussen ein Zeichen gesetzt und einge­standen, dass da was falsch war, und die Hinter­bliebenen mussten ver­sichern, dass sie sich künftig an die Regeln halten würden.
Das wird hier und heute natür­lich nicht passieren. Im äussersten Fall wird ein Text­verar­beitungs­programm ausge­tauscht oder eine automa­tische Recht­schreib­prüfung upgedatet. Und wirklich helfen würde ein Wechsel von Personen wahr­schein­lich ohnehin nicht, wie sich in der Vergangen­heit an den Spitzen des Verkehrs­ministeriums, der Flug­lärm­kommission oder des Umwelt­hauses gezeigt hat: es kam nie was Besseres nach.

Helfen würde hier in erster Linie, wenn alle die­jenigen, die die geplanten For­schungen umsetzen könnten, dem Beispiel der Harvard-Univer­sity folgen und ihre Rechte gegen autori­täre Zumu­tungen vertei­digen, und niemand dem Beispiel der Columbia-Univer­sity folgt, die vor den Trumpisten in die Knie gegangen ist und deren Vorgaben folgt.
Wider­stand funktio­niert aber hier wie dort nur, wenn die, die ihn leisten, dabei nicht alleine gelassen werden, sondern die sicht­bare Unter­stützung der­jenigen erhalten, die letzt­endlich auch davon profi­tieren, wenn Forschung sich halbwegs frei von Parti­kular­inter­essen ent­wickeln kann. Hier also von all denen, die unter der Belastung von Ultra­fein­staub aus Flug­zeug-Trieb­werken bewusst oder unbe­wusst leiden und für die Wege gefunden werden müssen, diese Belastung genauer zu verstehen und zu bekämpfen.

Nächster zeit­licher Fixpunkt in der Entwick­lung ist das Treffen am 16. Mai. Natür­lich werden dort keine grund­legenden Fragen geklärt, denn die andert­halb Stunden würden bei ernst­hafter Diskus­sion nicht einmal für eins der beiden anste­henden Themen reichen, aber so war es ja von Anfang an nicht gemeint.
Im besten Fall gibt es ein paar Informa­tionen zum weiteren Umgang mit den kriti­schen Punkten in der Belastungs­studie, und zur Wirkungs­studie werden UNH/FFR wohl eine Erklä­rung dafür präsen­tieren, warum die beiden übrig­geblie­benen Module nun auch noch getrennt ausge­schrieben werden. Mehr an Klärung kann besten­falls anschlies­send erreicht werden, wenn eine interes­sierte Öffent­lichkeit und kriti­sche Medien Aufklä­rung über die autori­tären Eska­paden der Möchte­gern-Trump­isten im UNH fordern würden. Ob das zu erreichen sein wird, muss sich zeigen.


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Die Mitteltemperatur in Deutschland ist seit 150 Jahren mit Ausnahme einer kleinen Delle Anfang der sechziger Jahre kontinuierlich gestiegen, in den letzten Jahrzehnten aber deutlich schneller.

16.04.2025

Neues rund ums Klima

Dabei soll es hier weniger um seit der Klima­bilanz 2024 neu fest­gestellte Rekorde gehen (siehe dazu z.B. Daten zu Gletscher­schmelze und Meer­eis-Bedeck­ung und die Über­sichten für Europa und die Welt), als viel­mehr darum, wie die Entfal­tung der Klima­katastrophe wahr­genom­men und dar­ge­stellt wird und welche Schluss­folge­rungen daraus gezogen werden.

Darstel­lung der Erwär­mung

Da gibt es Fort­schritte in der Darstellung im Klima­status­bericht des Deut­schen Wetter­dienstes, der bisher einen deut­lich gering­eren Zahlen­wert für die Erwär­mung in Deutsch­land angab als die sonstige Klima­forschung. Nunmehr besteht Einig­keit, dass die Erwär­mung in Deutsch­land deut­lich über 2 °C liegt, laut DWD bei 2,5 °C.
In der Grafik erkennt man schon rein optisch, dass das die Realität besser wieder­gibt.

Dabei wurde an den gemes­senen Daten natür­lich nichts verän­dert, es wird ledig­lich ein anderes statis­tisches Ver­fahren zur Inter­preta­tion des Trends benutzt, das verän­derte Entwick­lungen in einzelnen Phasen besser berück­sichtigt.
Um das an einem stark verein­fachten Beispiel zu ver­deut­lichen: Wenn ein Mensch an seinem 90. Geburts­tag an einem aggres­siven Krebs erkrankt und an seinem 91. Geburts­tag daran stirbt, wäre er bei line­arer Trend­extra­pola­tion über das ganze Leben am Tag vorher noch "relativ gesund", während der Tod nach einem Jahr fort­schrei­tender Krank­heit natür­lich in keiner Weise über­raschend kommt. Entspre­chend ist ein Tempe­ratur­anstieg, der über einige Jahr­zehnte (etwa 1920 - 1970) nahezu stag­niert, natür­lich trotzdem drama­tisch, wenn er in den folgen­den Jahr­zehnten (1980 - heute) stark beschleu­nigt.

Klimakrise und Sicherheit

Zweitens gibt es Neues zum Zusammen­hang zwischen den Klima­verände­rungen und dem, was hierzu­lande staat­licher­seits unter Sicher­heit ver­standen wird. Anläss­lich der Münchner "Sicher­heits­konferenz" wurde eine Natio­nale inter­diszi­plinäre Klima-Risiko­einschät­zung (NIKE) vor­gelegt, die den Anspruch hat, "die Risiken für die natio­nale Sicher­heit Deutsch­lands, die durch den Klima­wandel bis 2040 ent­stehen", zu skizzieren und "den ersten umfas­senden Über­blick über die vielen kaska­dierenden und sich verstär­kenden Klima­risiken" zu geben. Die offi­zielle Web­seite des Projekts ist grauen­haft, nicht nur wegen der einge­streuten militaris­tischen Bilder, sondern vor allem wegen der unmög­lichen Navi­gation. Und obwohl sie auf der Seite der Bundes­wehr­univer­sität München gehostet wird, will man da offenbar nicht viel davon wissen: es gibt keinen direkten Link dahin, man findet sie nur, wenn man weiss, welcher Professur und welchem Institut sie zuge­ordnet ist.
Inhaltlich liefert die Studie eine Viel­zahl von Beispielen dafür, wie Klima­verände­rungen bestehende Kon­flikte inner­halb von Staaten oder zwischen Staaten und Staaten-Bünd­nissen verän­dern, verstärken und auch neue provo­zieren. Dabei geht es nicht nur um knapper werdende Ressour­cen wie bewohn­bares Land, sauberes Trink­wasser und Nahrungs­mittel, sondern auch um poten­tiell neue Konflikte, die durch Geo­engeneering-Maß­nahmen wie Aerosol-Emis­sionen oder CO₂-Speiche­rung entstehen können. Dieser Über­blick ist wert­voll, selbst wenn die dazu disku­tierten Hinter­gründe und Gegen­maßnahmen teil­weise extrem frag­würdig sind.

Wem das alles zu komplex ist, der findet ein einfach­eres Argu­ment, warum Klima­schutz in der EU für mehr Sicher­heit sorgt, in einem Policy Brief des "Institut für Welt­wirt­schaft" Kiel. Dort wird kurz gesagt argumen­tiert, dass eine Vermin­derung des Ver­brauchs an fossilen Ener­gien in der EU global die Öl- und Gas­preise redu­ziert und damit auch die russi­schen Staats­einnahmen und infolge dessen auch das Militär­budget ver­kleinert. Damit das Ganze auch nach Wissen­schaft aus­sieht, gibt es ein paar Zahlen dazu: jeder Euro, den die EU bei Öl und Gas ein­spart, reduziert das russi­sche Militär­budget um 13 Cent und spart der EU zusätz­lich noch 37 Cent an "Sicher­heits­ausgaben".
Wer also künftig noch seine Öl- oder Gas­heizung anwirft oder in ein Auto mit Verbrennungs­motor steigt, muss ein doppelt schlechtes Gewissen haben: er schadet nicht nur dem Klima, er füllt auch Putins Kriegs­kassen und zwingt die EU zu höheren Vertei­digungs­ausgaben. Sollte noch jemand Zweifel daran haben, in welch erbärm­lichem Zustand die Wirt­schafts­wissen­schaften hierzu­lande über­wiegend sind - solche Papiere helfen, sie auszu­räumen.

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Auf der anderen Seite gibt es einen aktu­ellen Beitrag dazu, wie Kriege auch die Klima­kata­strophe weiter ver­schärfen. Demnach wurden im ersten Jahr des Krieges in der Ukraine durch militä­rische Aktivi­täten eben­soviel Treibhaus­gase emit­tiert, wie der gesamte Staat Belgien in Friedens­zeiten in einem Jahr frei­setzt. Zum Krieg in Gaza wird abge­schätzt, dass "die Emis­sionen aller Aktivi­täten aus Vorkriegs-, Kriegs- und Nach­kriegs­zeiten in Gaza ähnlich hoch wie die aus der Ver­brennung von 31 Mil­lionen Tonnen Kohle" liegen werden.

Auch beim Militär gibt es Bemüh­ungen, auf die Klima­krise zu reagie­ren und die Klima­belas­tungen durch militä­rische Aktivi­täten zu ver­ringern. Im Mitte letzten Jahres erschie­nenen World Climate and Security Report werden diverse Möglich­keiten aufge­führt, den "Fußab­druck" von militä­rischem Gerät und militä­rischer Opera­tionen zu redu­zieren.
Eine umfang­reiche Studie dazu ist bereits 2022 erschienen, und erste Maß­nahmen wurden einge­leitet. Die Idee, die zahl­reichen kriege­rischen Gemetzel, die immer noch an vielen Stellen der Erde statt­finden, klima­freund­licher gestalten zu wollen, klingt natür­lich völlig pervers. Aber die Treib­hausgas-Emis­sionen zu redu­zieren, die mit Produk­tion und Unter­halt von und Übungen mit militä­rischem Gerät verbunden sind und einen großen Teil der militä­rischen Klima­belas­tung aus­machen, macht durch­aus Sinn. Aktuell domi­niert aber eher die Befürch­tung, dass der aktu­elle Rüstungs-Hype alle derar­tigen Initia­tiven an den Rand drängen und in großem Umfang "konven­tionelle", maximal klima­schäd­liche Militär­technik ein­führen und für lange Zeit fest­schreiben wird.

Der Beitrag des Militärs zu Treib­hausgas-Emis­sionen und anderen Umwelt­schäden ist selten Thema in der öffent­lichen Diskus­sion. Aktu­elle Infor­ma­tionen dazu finden sich aber auf den Web­seiten Infor­mations­dienst Umwelt und Militär und Conflict and Enviro­nment Observa­tory.

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Langfristige Klimaveränderungen

Studien zu den Folgen des Anstiegs von Treibhaus­gasen in der Atmo­sphäre betrachten in der Regel nur relativ "kurze" Zeit­räume, etwa bis zum Jahr 2100. Im Hin­blick auf die Existenz­möglich­keiten künf­tiger Genera­tionen sind die in Paris verein­barten Klima­ziele, den globalen Tempe­ratur­anstieg "auf deut­lich unter 2 °C, wenn mög­lich auf 1,5 °C" zu beschränken, aber nicht zeit­lich begrenzt, sollen also auch für die fernere Zukunft gelten.
In einer neuen Studie, die insbe­sondere auch die zahl­reichen Rück­kopp­lungen im globalen Kohlen­stoff-Kreis­lauf berück­sichtigt, wird nun gezeigt, dass für eine lang­fristige Einhal­tung der Tempe­ratur-Ziele die THG-Emis­sionen noch stärker beschränkt werden müssen als bisher ange­nommen, da diese Rück­kopp­lungen zu einer Beschleu­nigung der Klima­verände­rungen in späteren Zeit­räumen führen können.

Als Beispiel für eine solche Rück­kopp­lung wird das Auf­tauen der Perma­frost-Böden im borealen Norden der Erde genannt. Wird dieser Prozess aufgrund der Erder­wärmung durch mensch­liche THG-Emis­sionen hin­reichend stark ange­stossen, setzen die Böden über längere Zeit­räume Kohlen­dioxid und Methan frei und beschleu­nigen die Erwär­mung weiter, selbst wenn die mensch­lichen Emis­sionen herunter­gefahren werden.

Klimakrise und Wirtschaft

Auch in diesem Bereich gibt es einige bemerkenswerte Veröffentlichungen. An erster Stelle steht eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die wirt­schaft­lichen Schäden, die durch die Folgen der Klima­verände­rungen zu erwarten sind, wesent­lich grösser sein werden, als bisher abge­schätzt wurde. Haupt­grund für diese Neuein­schätzung ist nach Aussage eines der Autoren, dass die bishe­rigen Modelle davon aus­gehen, "dass eine Volks­wirt­schaft nur vom Wetter im eigenen Land betrof­fen ist. ... Nachdem wir die globalen Auswir­kungen extremer Wetter­ereig­nisse in unsere Modelle einbe­zogen hatten, waren die prognos­tizier­ten Schäden für das globale BIP weitaus größer als bisher ange­nommen – und betreffen das Leben von Menschen in allen Ländern der Erde."
Nach den neuen Modell­ergeb­nissen könnte durch die Klima­verände­rungen bei einem "Weiter-so" in Wirt­schaft und Politik (Business-as-usual warming) ein Viertel des aktuellen Wohl­standes (welfare) vernich­tet werden, im Extrem­fall bis zu 40%. Die sozialen Kosten für die Emis­sion einer Tonne Kohlen­dioxid (social cost of carbon) werden auf 1.367 US$ (im Extrem über 3.000 US$) geschätzt. Die Verluste sind welt­weit etwas gleich­mäßiger verteilt, aber nach wie vor gilt: "warme Länder mit niedri­geren Ein­kommen sind stärker betroffen als kühlere Länder mit hohen Ein­kommen" (eigene Über­setzung).

Politisch über­raschender sind aber Aus­sagen eines Vorstands­mitglieds des Finanz­konzerns Allianz SE. Nachdem er noch im Februar in einem Inter­view auf der Allianz-Webseite eher allge­meine Aus­sagen zur Not­wendig­keit von Klima­schutz gemacht hatte (boshaft gesagt: Nach­haltig­keits-Geschwafel äusserte), veröf­fent­lichte Günther Thal­linger in seinem LinkedIn-Account unter dem (über­setzten) Titel "Klima, Risiko, Versiche­rung: Die Zukunft des Kapita­lismus" einen Artikel, in dem er wesent­lich deut­licher wurde. Wichtige Aus­sagen kann man über­setzt und optisch hervor­gehoben hier nach­lesen, und dass er damit in der Ver­siche­rungs­branche nicht ganz allein steht, wird hier ausge­führt.

Kurz zusammen­gefasst lautet seine Argumen­tation: Mit wachsendem Treib­hausgas-Ausstoß nimmt die in der Atmo­sphäre gespei­cherte Energie und damit die Häufig­keit und Schwere von Extrem­wetter-Ereig­nissen zu. Bereits heute können viele dadurch hervor­gerufene Risiken nicht mehr ver­sichert werden, weil die Prämien zu hoch werden, auch die öffent­lichen Kassen können die Schäden nicht mehr abdecken. Ohne Versiche­rung gibt es aber auch keine anderen Finanz­dienst­leistungen wie Kredite, Hypo­theken usw., also auch keine Investi­tionen. Ohne den finan­ziellen Sektor kann der Kapita­lismus aber nicht über­leben ("There is no capita­lism without func­tioning finan­cial services"). Die Lösung dafür ist bekannt: Treib­hausgas-Emis­sionen müssen aus der Atmo­sphäre heraus­gehalten werden, die Tech­niken dafür sind vor­handen.
Bis dahin ist die Argu­mentation schlüssig und wird weitest­gehend geteilt (mit Au­snahme von Trumpisten, Muskianern und der AfD), aber danach versteht auch Herr Thallinger die Welt nicht mehr. Der "green energy transi­tion" fehlt es an Umfang und Geschwin­digkeit ("speed and scale"), aber warum nur? Welcher Unter­nehmer kann denn zögern, alles zu tun, um das Wirt­schafts­system zu retten, in dem er einzig exis­tieren kann?

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Zahl­reiche Antwort-Ansätze hat er bereits in den Kommen­taren auf LinkedIn bekom­men, darunter einige, denen wir zustimmen können. Auch wieder sehr kurz gefasst: Im Kapita­lismus bzw. der "Markt­wirt­schaft" konkur­rieren alle Markt­teil­nehmer gegen­einander, Erfolg hat, wer seine Inter­essen am effek­tivsten durch­setzt. Gemein­same Inter­essen kommen nur zum Zug, wenn sie keinen Markt­teil­nehmer beson­ders benach­teiligen, ansonsten können sie nur von externen Akteuren (z.B. dem Staat) durch­gesetzt werden.

Aber schon allein bei der Energie­wende, die die tech­nische Voraus­setzung für eine Emissions­reduktion ist, leiden Kapita­listen auf den verschie­denen Märkten in ganz unter­schied­lichem Ausmaß. Für Kohle-, Öl- und Gas-Kon­zerne wird ein Groß­teil ihres Kapitals (Anlagen, Patente, Abbau- und Schürf-Rechte usw.) ver­nichtet, wenn die Verbren­nung fossiler Brenn­stoffe einge­stellt wird.
Dabei spielt es auch keine Rolle, ob z.B. Anlagen schon lange Gewinne abge­worfen haben und längst abge­schrieben sind. Solange sie laufen, bringen sie Profit, wenn sie ersetzt werden müssen, verur­sachen sie Kosten. Diese Kapital­fraktion wird sich also mit allen Mitteln gegen die Entwer­tung ihrer Assets wehren.
Sie haben natür­lich auch eine Ausrede dafür. Schließ­lich kann man das bei der Verbren­nung in Kraft­werken frei­gesetzte CO₂ am Schorn­stein-Ende auf­fangen und irgendwo verpres­sen. Wenn sie dafür ihre ausge­beuteten Lager­stätten auch noch zu Geld machen können, umso besser. Wenn der Staat dafür sorgt, dass das Ganze profi­tabel machbar ist, kann also alles weiter­gehen wie bisher.

Ähnliches gilt auch in etwas gering­erem Ausmaß für Indus­trien, die fossile Treib­stoffe verwenden, wie die Auto­mobil-, Schiff­fahrts- oder Luft­verkehrs-Wirt­schaft. Hier ist Umbau eine Frage der Dimen­sion. Es ist eine Sache, wenn ein Auto-Konzern ein neues Werk aufbaut oder eins umrüstet, um dort Elektro­autos zu bauen, auch auf diesem Markt präsent zu sein und Erfah­rungen mit der neuen Techno­logie zu sammeln. Es ist etwas ganz anderes, wenn ein Konzern binnen einer begrenz­ten Zeit seine gesamte Produk­tion auf eine neue Techno­logie umstel­len soll. Letz­teres wollte die EU mit einem Verbot von Verbren­nungs­motoren erreichen, stösst aber auf massiven Wider­stand.
Die europä­ische Auto­industrie möchte noch Jahr­zehnte lang weiter "effi­ziente" Verbren­nungs­motoren auf den Markt bringen. Sollen andere dafür sorgen, dass genü­gend preis­werte "klima­neutrale" Treib­stoffe zur Ver­fügung stehen, um die CO₂-Bilanzen im Rahmen zu halten. Dass die neuen Stick­oxid-Grenz­werte in abseh­barer Zeit erreicht werden könnten, glaubt sowieso kein Mensch. Die Luft­fahrt-Indus­trie folgt diesem Beispiel natür­lich gerne.

Andere Industrie­zweige, die "veredelte" Antriebs­energien wie z.B. Strom benutzen, profi­tieren u.U. sogar, wenn erneuer­bare Ener­gien diesen Antrieb günsti­ger bereit­stellen können. Sie machen deswegen massiv Druck dafür, dass diese neuen, auf lange Zeit nur begrenzt zur Verfü­gung stehen­den Ener­gien für ihre Zwecke reser­viert werden und nicht mit mise­rablen Wirkungs­graden für "klima­neutrale" Treib­stoffe oder ähn­liches miß­braucht werden.

Bei der wesent­lich umfassen­deren sozial-ökolo­gischen Trans­forma­tion, die not­wendig wäre, um die Klima­kata­strophe insge­samt aufzu­halten, sind die Wider­sprüche zwischen den Kapital­frak­tionen noch wesent­lich viel­fältiger, und es exis­tiert keine davon unab­hängige Insti­tution, die eine gemein­same Inter­essens­grund­lage defi­nieren und durch­setzen könnte.
Wie die USA derzeit in seltener Offen­heit demon­strieren, wird auch der Staat von den mächtig­sten Kapital­fraktionen beherrscht, und auch da gibt es labile Koali­tionen, die sich auch nur in Teil-Inter­essen einig sind und sich ggf. auch schnell wieder ändern. Andere Inter­essen, wie etwa die nach einem stabilen Klima, gesunder Umwelt und sozialer Sicher­heit können nur dann zur Geltung kommen, wenn sich im Staats­volk eine breite und stabile Bewe­gung dafür bildet, die Einfluss auf den Staat gewinnen kann. Der müsste dann dem kapita­listischen Profit­streben enge Grenzen setzen und einen sinn­volleren Einsatz von Ressour­cen unter strenger Berück­sichtigung der plane­taren Grenzen organi­sieren.

Herr Thallinger wird diese Antwort nicht akzep­tieren, denn sie läuft darauf hinaus, dass einer­seits, wie er sagt, der Kapita­lismus nicht über­leben kann, wenn die Klima­kata­strophe nicht einge­dämmt wird, aber anderer­seits die Klima­kata­strophe nicht einge­dämmt werden kann, wenn der Kapita­lismus weiter herrscht. Auch die Herren Merz, Kling­beil, Stoiber & Co. werden davon nichts hören wollen.
Der Rest der Mensch­heit aber kann und muss darauf hoffen, dass eine andere Welt möglich ist und dass es sich noch lohnt, dafür zu kämpfen.


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02.04.2025

UFP-Projekt SOURCE FFR:

Das erste Arbeitspaket ist fertig,
das letzte will keiner haben.

Wie vor einem Jahr ange­kündigt, wurde das erste Arbeits­paket des Projekt SOURCE FFR jetzt termin­gerecht fertig­gestellt und im FFR-Konvent präsen­tiert. Das Ergebnis kann auf der ein­schlä­gigen Projekt-Web­seite in Form eines 85seitigen Berichts mit dem Titel "Bestim­mung der UFP-Emis­sionen" und einer Stellung­nahme der "Wissen­schaft­lichen Quali­täts­siche­rung" dazu nach­gelesen werden.

Der Bericht enthält aller­dings nicht, wie es in der PM des FFR heisst, "die Ergeb­nisse zweier Mess­kampagnen auf dem Flug­hafen­gelände" in dem Sinn, dass hier tatsäch­lich Meß­werte veröffent­licht würden.
Es geht im ganzen Bericht viel­mehr darum, darzu­stellen, wie aus diesen Messungen und zahl­reichen anderen Quellen Daten gewonnen werden, die es erlauben, "für die nun anstehenden Model­lierungen der UFP-Immis­sionen ..., die in den nächsten 12 Monaten durch­geführt werden (für die Jahre 2019 und 2024)" die Emis­sionen aller rele­vanten UFP-Quellen als Input (sog. Emis­sions­faktoren) zu erfassen.

Dabei werden relativ ausführ­lich Unsicher­heiten in den Daten und mög­liche Fehler­quellen darge­stellt, zugrunde­liegende Annahmen und Fest­legungen begründet, etc.. Für Aussen­stehende ist es schwierig zu beur­teilen, aber man gewinnt den Eindruck, dass hier seriös gear­beitet wurde und Alter­nativen möglich, aber nicht unbe­dingt plausibler wären.
Zwei Punkte bleiben für uns aller­dings unklar, und eine gravie­rende Auslas­sung fällt auf.

Im Kapitel "6.8 Emis­sionen des Flug­verkehrs am Flug­hafen Frank­furt" fällt auf, dass den Flug­phasen unmit­telbar am und auf dem Flug­hafen (landing-roll, taxi, take-off-roll) sehr grosse Aufmerk­samkeit gewidmet wird, während die unmit­telbar voraus­gehenden bzw. folgenden Flug­phasen (approach, climb-out) nur sehr summa­risch behandelt werden. Bei letztere gibt es keinerlei Differen­zierungen nach unter­schied­lichen Lande- und Start-Ver­fahren, es bleibt auch unklar, wie weit sie über­haupt in die Model­lierung einbe­zogen werden.
Auch die im Unter­kapitel "6.8.4 Korrek­tur der Emissions­höhen durch Einwir­kung von Wirbel­schleppen" beschrie­bene Behand­lung der Wirkung von Wirbel­schleppen wirkt sehr ober­fläch­lich. Sie läuft darauf hinaus, die Trieb­werks­emissionen bei Model­lierung von An- und Abflügen nicht in den tatsäch­lichen Flug­höhen, sondern in durch vor­defi­nierte Stan­dard-Para­meter bestimmten niedri­geren Höhen freizu­setzen. Dass Wirbel­schleppen als solche aufgrund der kon­kreten Wetter­beding­ungen erheb­lichen, auch seit­lichen Trans­porten unter­liegen und sich unter­schied­lich schnell auflösen können, soll offen­sicht­lich nicht berück­sichtigt werden.

Wirk­lich schmerz­haft ist aller­dings eine Auslas­sung, die dazu führen muss, dass die Quali­tät der Model­lierung wesent­lich schlechter über­prüft werden kann und wich­tige Aussagen über die Ausbrei­tung von ultra­feinen Partikeln aus Flug­zeug-Trieb­werken nicht gewonnen werden können.
Schon vor Beginn des Projekts war bekannt, dass sich UFPs aus Flug­zeug-Trieb­werken zumin­dest partiell von UFPs aus anderen Quellen chemisch unter­scheiden, und es wurde in Aus­sicht gestellt, dass "die Ergeb­nisse der aktu­ellen Studie helfen, flug­hafen­spezi­fische Partikel zu identi­fizieren und mög­liche Minde­rungs­maßnahmen abzu­leiten".
Eine Ende letzten Jahres veröffent­lichte Arbeit enthält auch Abschät­zungen für Emis­sionen von aus Öl entstan­denen UFPs in Abhängig­keit von diver­sen Flug­parametern bzw. Flug­phasen und beschreibt deren zeit­liche Entwick­lung, die sich anschei­nend von der der UFPs aus Kerosin-Verbren­nung unter­scheidet.

In einer idealen Welt würde man davon aus­gehen, dass solche Ergeb­nisse umgehend genutzt und in die Model­lierung einbe­zogen würden, auch wenn sie zum Zeit­punkt der Konzep­tion der Studie noch nicht bekannt waren und zusätz­liche Mittel dafür zur Verfü­gung gestellt werden müssten. Wenn die Emis­sionen von UFP aus Trieb­werks­ölen charakte­ristisch für flug­bedingte Immis­sionen sind, sind sie auch das ideale Mittel zur Unter­scheidung von Immis­sionen aus verschie­denen Quellen und zur Bestim­mung des Anteils der Flug-bedingten Immis­sionen an einem bestimmten Ort und damit für eine erfolg­reiche Model­lierung unver­zichtbar.
Indem die Emis­sionen dieses UFP-Anteils in diesem Projekt nicht getrennt bestimmt und model­liert werden, wird also auf einen aktuell mög­lichen, wesent­lichen qualita­tiven Fort­schritt ver­zichtet. Zusammen mit dem Aspekt, dass auf die Unter­suchung der spezi­fischen Toxi­zität dieser Immissions­komponenten von Anfang an verzichtet wurde, muss man schliessen, dass es dem Auftrag­geber nur allzu recht wäre, wenn diese Zusammen­hänge noch eine Zeit­lang im Dunklen blieben.
Inwie­weit es dem Institut Atmo­sphäre und Umwelt der Goethe-Univer­sität, aus dem die oben zitier­ten Arbeiten kommen, das zum Projekt-Konsor­tium gehört und dessen Leiter auch der Projekt­leiter der Belastungs­studie ist, gelingen wird, die Erkennt­nisse doch noch für das Projekt nutzbar zu machen, bleibt abzu­warten. Immer­hin ist die "Chemi­sche Charak­terisie­rung von UFP" mit dem Ziel der "Quell­identi­fizie­rung durch die Bestim­mung von Marker­substan­zen" noch Teil des Arbeits­paketes 2 der Belastungs­studie.

Trotz der Mängel darf man hoffen, dass dieser Teil der SOURCE FFR-Studie brauch­bare Ergeb­nisse liefern wird. Nächster Schritt sind laut Presse­mittei­lung "die nun anste­henden Model­lierungen der UFP-Immis­sionen ..., die in den nächsten 12 Monaten durch­geführt werden (für die Jahre 2019 und 2024)". Ausser­dem wird "mit der Veröf­fent­lichung des Berichts für das zweite Arbeits­paket (UFP-Immis­sionsmes­sungen) ... Ende des Jahres 2025 gerechnet".
Spätestens dann wird man wissen, ob die Kritik an der Landes­regie­rung wegen der Einstel­lung der tempo­rären UFP-Mes­sungen durch das HLNUG auch bezüg­lich einer Schädi­gung des Projekts SOURCE FFR berech­tigt war. Im Zeit­plan der Belastungs­studie, der im Konvent gezeigt wurde, tauchen die für Mitte des Jahres vorge­sehenen "mobilen Mes­sungen" jeden­falls bisher nur mit Frage­zeichen auf.

Wesent­lich schlechter sieht es für den zweiten Teil aus, die Wirkungs­studie. In der PM heisst es dazu:

"Die Vergabe­entscheidung für SOURCE FFR – expo­sure & health verzö­gert sich. Es ist geplant, die beiden aktuell vorge­sehenen Module einer UFP-Wirkungs­studie in den nächsten Monaten zu vergeben. Das FFR ist zuver­sicht­lich, dass die ersten Arbeiten an der Wirkungs­studie im September beginnen können."
In einer Mail, mit der er eine Einla­dung zu einem weiteren "Austausch­treffen" zum Projekt mit den BIs "nach den Oster­ferien" ankün­digt, schreibt der Leiter des Umwelt­hauses (das formal Auftrag­geber der Studie ist),
"dass sich die Studien­vergabe leider ver­zögert, da die öffent­liche Aus­schrei­bung aus dem Sommer 2024 erfolg­los ver­laufen ist. Die öffent­liche Aus­schrei­bung wird jetzt mit leichten Modi­fika­tionen erneut durch­geführt."
Das muss wehtun.

Aus dem privaten Bereich kennt man das ja: man hat eine Arbeit zu vergeben, findet aber niemanden, der es macht, weil alle einschlä­gigen Hand­werker zu wenig Leute und Bes­seres zu tun haben. Hier taugt das aller­dings kaum als Erklä­rung.
Wenn staat­liche (oder quasi-staat­liche) Auftrag­geber Forschungs-Dienst­leistungen aus­schreiben, gibt es in aller Regel nur einen begrenz­ten Kreis von meist finan­ziell wenig üppig ausge­statteten Insti­tuten, die über­haupt in Frage kommen, und die meisten sind für neue Projekte dankbar. Wenn sich unter solchen Beding­ungen niemand für ein Projekt interes­siert, kann man sicher sein, dass damit etwas faul ist.
Schaut man sich an, was von der "Aus­schreibung aus dem Sommer 2024" öffent­lich verfüg­bar ist, findet man einige Hinweise, was das sein könnte.

Die Serio­sität dieser Ausschrei­bung wird schon beim ersten Durch­lesen in Zweifel gezogen durch die vielen Schlampe­reien, die ins Auge fallen. So ist rund ein Viertel des länglichen Textes unter "2.1 Verfahren" nur eine Wort für Wort identische Verdoppelung, und am Ende bricht die Beschrei­bung der 2. Teil­studie mitten im Satz ab genau da, wo es für die Wirkungs­studie interes­sant wird.
Wesent­liche Inhalte werden dann unter "5.1 Los: LOT-0001" beschrieben:

"Titel: Durch­führung einer UFP-Wirkungs­studie Beschrei­bung: Die vorlie­gende Ausschrei­bung adres­siert nur das 4. Teil­vorhaben. Dabei sind folgende Forschungs­fragen zu unter­suchen: - Welche Auswir­kung haben ultra­feine Partikel insbe­sondere aus dem Luft- und Straßen­verkehrs­sektor auf die Gesund­heit der Bevölke­rung im Rhein-Main Gebiet? - Gibt es unter­schied­liche Auswir­kungen je nach UFP-Quelle? Wenn ja, welche? - Wie sind je nach unter­suchtem End­punkt die Wirk­mecha­nismen zwischen UFP-Expo­sition und gesund­heit­lichen Folgen? - Gibt es Unter­schiede in Abhängig­keit bestimmter Bevöl­kerungs­gruppen? - Welche Bedeu­tung haben multiple Wirk­faktoren auf die Gesund­heit, z.B. Kombi­nation UFP/ Verkehrs­lärm oder UFP/ weitere Luft­schad­stoffe und mete­oro­logische Para­meter, wie z.B. UFP/Tempe­ratur?"
Keine Rede also davon, dass die Studie schon von Anfang an enger begrenzt war und dann auch noch auf zwei Teil­projekte zusammen­gestrichen wurde - nach diesem Text wären prak­tisch alle Fragen zu unter­suchen, die einem im Zusammen­hang mit diesem Thema über­haupt ein­fallen können.

Sollte es poten­tielle Anbieter geben, die bisher mit dem Projekt noch nichts zu tun hatten, würden sie wohl durch solche Anforde­rungen erfolg­reich abge­schreckt.
Faktisch ist es aber wohl eher so, dass alle, die für die Durch­führung dieses Studien­teils hierzu­lande über­haupt in Frage kommen, schon an der Ausar­beitung der Design­studie betei­ligt waren und genau wissen, worum es wirk­lich geht. Sie sehen sich dann mit der Situa­tion konfron­tiert, dass einer­seits die Auftrag­geber öffent­lich immer noch gigan­tische Erwar­tungen produ­zieren, indem ein gewal­tiger Umfang der Unter­suchungen vorge­täuscht wird, anderer­seits aber die tatsäch­liche Aufgabe und die dafür zur Verfü­gung stehenden Mittel extrem einge­schränkt sind.
Die Perspek­tive, in der Öffent­lich­keit nach Abschluss des Projekts die Sünden­böcke spielen zu müssen dafür, dass die meisten Fragen, die die Betrof­fenen umtreiben, immer noch nicht beant­wortet werden können, ist offen­kundig wenig attraktiv.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie UNH, FFR und Landes­regierung diese komplett ver­pfuschte Aus­schrei­bung "mit leichten Modifi­kationen" noch retten wollen.
Sehr wahrschein­lich wird es ihnen aber gelingen, einen faulen Kompromiss zu finden, der es ihnen erlaubt, das Projekt noch irgend­wie zu einem Abschluss zu bringen. Es eilt ja nicht: die "geschätzte Dauer" des Teil­projekts wird in Punkt 5.1.3 mit "48 Monate" ange­geben, und in vier Jahren kann viel passieren.
Die von Ultra­fein­staub Belas­teten im Flug­hafen-Umfeld ahnen ja sowieso, dass diese Partikel ihrer Gesund­heit nicht gut tun, und was sie genau an­richten, ver­stehen ohnehin die wenigsten. Dass es ein paar Jahre länger dauern wird, bis die Grund­lagen für die Defini­tion von Grenz­werten für diese Belas­tung gelegt sind und dann auch durch­gesetzt werden, wird zwar für viele vermeid­bare zusätz­liche Krank­heits­tage und Todes­fälle sorgen, aber anderer­seits kann der Flug­verkehr sich dadurch viel­leicht ja noch so lange unge­stört ent­wickeln, bis die Klima­kata­strophe dem end­gültig ein Ende setzt. Das verspricht noch einige Jahre reich­lich Profit, und die, die heute derartige Entschei­dungen treffen, werden dann sicher nicht mehr zur Verant­wortung gezogen.

Eine Alter­native dazu gibt es natür­lich auch: ein Konzept für eine sinn­volle Wirkungs­studie liegt in Form des Ergeb­nisses der Design­studie auf dem Tisch. Ergänzt um Unter­suchungen zur spezi­fischen Toxiko­logie der ultra­feinen Partikel aus Flug­zeug­trieb­werken und die gesund­heit­lichen Aus­wir­kungen bei extrem hoch belas­teten Personen auf dem Flug­hafen­vorfeld liessen sich daraus umfas­sende und quali­tativ neue Aus­sagen über die gesund­heit­lichen Wir­kungen von UFP aus unter­schied­lichen Quellen abhängig vom jewei­ligen Grad der Belastung gewinnen. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Fest­legung von Belas­tungs­grenz­werten, die die gesund­heit­lichen Risiken für die Betrof­fenen im Umfeld von UFP-Quellen wie Flug­häfen, Strassen­verkehr und Industrie­anlagen mini­mieren können und die Grund­lage für die Durch­setzung von Minde­rungs­maß­nahmen liefern können.
Das wäre ein Weg, der gegangen werden könnte in einer Welt, in der "Sicher­heit" Leben in einer gesunden Umwelt und einem stabilen Klima meint, nicht unge­hemmte Profit­macherei und Rüstungs­wahn. Eine Welt also, von der wir uns aktuell immer weiter entfernen.


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Das Titelblatt dieser DLR-Studie bedurfte einer Ergänzung,
obwohl die "Fake News" nicht primär in diesem Papier zu finden sind.

25.03.2025

"Alternative Fakten" im Luftverkehr

Grosse Vorbilder machen es vor, und auch die deutsche Luft­verkehrs­wirt­schaft sieht sich genötigt, mit kommuni­kativen Ausweich­manövern ihre Forde­rungen vorzu­tragen, selbst wenn die eigens dafür beauf­tragten Gutachten andere Fakten präsen­tieren.

Aktu­elles Bei­spiel ist der Gemein­same Appell, den "die deutschen Luft­fahrt- und Tourismus­verbände, Industrie und Gewerk­schaften ... an die Verhand­lungs­partner der neuen Bundes­regierung" vor ein paar Tagen gerichtet haben (in einer Lang- und in einer ein­seitigen Kurz­fassung). Die wich­tigste Forde­rung, wie schon seit Monaten: "Standort­kosten senken".

Gleich­zeitig hat das "Deutsche Zentrum für Luft- und Raum­fahrt" DLR ein vom Bundes­verkehrs­minis­terium beauf­tragtes Gut­achten vorge­legt, das eben­falls die "Standort­kosten" im Titel trägt und "Maß­nahmen zur Stär­kung des Luft­verkehrs­stand­ortes Deutsch­land" zusammen­stellt.
Der zustän­dige Staats­sekretär erklärt dazu: "Deutsch­land ist als Export­nation auf eine gute Anbin­dung an die Welt ange­wiesen und der Luft­verkehr ist ein wich­tiger Wirt­schafts­faktor. ... Das Gutachten identi­fiziert wichtige Stell­schrauben, um die Branche zu ent­lasten und den Luft­verkehr spürbar anzu­kurbeln. ... Wir werden die Ergeb­nisse inten­siv mit den Ländern beraten und einer neuen Bundes­regierung Vor­schläge für wirk­same Maß­nahmen zur Stär­kung des Stand­orts unter­breiten."

Einer der Appel­lanten, der Flug­hafen-Dach­verband ADV, bewertet das Gut­achten in einer Presse­mittei­lung " als wei­te­ren Beleg, dass die künf­tige Bun­des­re­gie­rung die hohen regu­la­ti­ven Belas­tun­gen durch Luft­ver­kehr­steuer und Gebüh­ren absen­ken sollte", denn es "bestä­tigt: Zu hohe regu­la­tive staat­li­che Stand­ort­kos­ten belas­ten den Flug­ha­fen­stand­ort Deutsch­land in sei­ner Wett­be­werbs­fä­hig­keit. In der Folge redu­zie­ren Air­lines ihr Flug­an­ge­bot. ...", und der Hauptgeschäftsführer legt noch einmal nach: "Die Ana­lyse des Gut­ach­tens ist ein­deu­tig. Die Wett­be­werbs­si­tua­tion der deut­schen Flug­hä­fen wird ins­be­son­dere durch die aus­ufern­den Steu­ern und Gebüh­ren belas­tet."
Die Präsi­dentin dieses Vereins darf in ihrer Funktion als Chefin des Berliner BER mit Bezug auf das Gutachten öffent­lich jammern: "Wir können nicht mehr. Es funktio­niert nicht mehr". Das kleine Problem dabei: das Gutachten stützt diese Aus­sagen nicht.

Ganz im Gegen­teil kommt es zu ganz ähn­lichen Aussagen wie eine andere Analyse, die zu Jahres­beginn vorge­legt wurde. Während dort der Anteil der Stand­ort­kosten am "Nach­frage­verlust" auf 7% bezif­fert wurde (1,1% von insge­samt 16%), geht das Gutachten von 9% aus.
Es ist aller­dings erhellend, sich die Details der Her­leitung dieses Werts anzu­schauen. Das Gutachten legt zwei Abschät­zungen vor, die auf 3,2% bzw. 10,6% Anteil kommen. Und weiter heisst es ganz unschul­dig: "Die Fest­legung auf ein geeig­netes Referenz­szenario ist jedoch Unsicher­heiten unter­worfen. Anstatt ... den Mittel­wert aus 10,6 % und 3,2 % zu bilden [was ziem­lich genau 7% ergäbe], wird deshalb ange­nommen, dass sich 9 % der schwachen inner­europä­ischen Luft­verkehrs­entwick­lung ab Deutsch­land durch die gestie­genen Standort­kosten erklären lassen ... . Hierdurch soll vermieden werden, dass der Effekt der Standort­kosten unter­schätzt wird." Solche Sätze machen deutlich, was von den Zahlen­spiele­reien in diesem Gutachten zu halten ist.
Aber abge­sehen von den Zahlen­werten stimmen die Kern­aussagen mit anderen Analysen überein: Haupt­gründe für das (nur angeb­lich zu geringe) Wachstum sind die Markt­macht der Luft­hansa und fehlende Flug­zeuge und Personal.

Neben einigen zweifel­haften Methoden des Gut­achtens (für Insider: "deskrip­tive" und "ökonome­trische" Analysen) fällt insbe­sondere die extreme Borniert­heit auf, mit der die Aufgaben­stellung ange­gangen wird. Es wird alles aufge­zählt, was "den Luft­verkehrs­standort stärken", d.h. die Zahl der Passa­giere und der Flug­bewe­gungen erhöhen könnte, ohne auch nur mit einem Wort auf die mög­lichen gesund­heit­lichen und ökolo­gischen Folgen dieser Maß­nahmen und die daraus ggf. sich ergebenden kontra­produk­tiven Konse­quenzen einzu­gehen.
So gehören Dinge wie "eine flexib­lere Flug­hafen­nutzung in Nacht- und Rand­stunden", "eine Redu­zierung wei­terer künst­licher Kapa­zitäts­restrik­tionen" und "schnel­lere Geneh­migungs­ver­fahren" ganz selbst­verständ­lich auch zu den empfoh­lenen Maß­nahmen, auch wenn immer neue Gutachten die unver­meid­lichen gesund­heit­lichen Schäden durch Flug­lärm, stei­gende Schad­stoff-Belas­tungen etc. (und deren ökono­mische Konse­quenzen) nach­weisen. Von den Klima­wirkungen des Luft­verkehrs und deren Folgen ist erst recht nicht die Rede.

Damit passt dieses Gutachten aber ganz hervor­ragend als Input für eine anstehende Diskus­sion im Bundes­rat, in der auch die jüngste Initi­ative der hessi­schen Landes­regie­rung zur Luft­verkehrs­politik behan­delt werden kann, die viele Forderungen aus dem Appell schon vorweg nimmt.
Dabei stört es auch nicht, dass es Teile und Empfeh­lungen enthält, die nicht von allen Unter­zeichnern des Appells mitge­tragen werden können. So wird die Luft­hansa sicher nicht für die "Präsenz neuer Anbieter und Allianzen" im deutschen Luft­verkehr eintreten wollen. Aber da es inzwi­schen Standard ist, dass jeder ein solches Gutachten zur Unter­stützung seiner Forde­rungen heran­ziehen kann, selbst wenn das Gegen­teil davon drin­steht, gibt es kein Problem. Was die Politik wirklich durch­setzen soll, steht ja in dem gemein­samen Appell, und damit können alle leben.

Bedauer­licher­weise ist ein derar­tiger Umgang mit Fakten in den Ausein­ander­setzungen um den Luft­verkehr nicht die Ausnahme, sondern schon seit langem die Regel. Äusse­rungen aus der Luft­verkehrs­wirt­schaft zu strit­tigen Sach­verhalten zeigen so gut wie nie das voll­ständige Bild. Soweit es sich um Beiträge von Lobby­isten zu Fragen wie Lärm, Schad­stoff-Belas­tung, Klima­gefähr­dung o.ä. handelt (und zu Lobby­ist*innen zählen neben den Verbands­funktio­när*innen auch die Presse­stellen und Chef­etagen der Konzerne), stellt sich in der Regel nur die Frage: handelt es sich zumin­dest in einigen Aus­sagen noch um Teil­wahr­heiten, oder ist es voll­ständig gelogen?
In der Luft­verkehrs­politik sieht es natür­lich nicht besser aus. Dass das Ver­trauen grosser Teile der Bevölke­rung in die Politik immer neue Tiefst­stände annimmt, liegt eben nicht nur an der Hetze in Sozialen Medien oder an Stamm­tischen, sondern daran, dass Politi­ker*innen im günstig­sten Fall das Lobby­isten-Geschwätz unge­prüft über­nehmen, im schlimmsten Fall aber aus ideo­logischen Gründen noch eigene Lügen drauf­setzen (was natür­lich auch für vorgeb­liche Alter­nativen gelten kann, s. die AfD im Landtag). Die wenigen fach­lich-kriti­schen Stimmen, die es noch gibt, gehen in aller Regel im Lobby-Geschrei unter.
Selbst amtlichen Aus­sagen ist häufig nicht zu trauen, wie zahl­reiche Beispiele aus der Luft­aufsicht und der Umwelt­über­wachung in Hessen, die wir in den letzten Jahren gesam­melt haben, belegen.

Das liegt nicht zuletzt auch an den Medien, die ganz über­wiegend weder willens noch in der Lage sind, die ihnen vorge­setzten Informa­tionen selbst kritisch zu hinter­fragen oder wenig­stens kritische Stimmen ange­messen zu Wort kommen zu lassen. Anders als bei den dreisten Lügen der Trump-Riege, die häufig durch blossen Augen­schein zu erkennen sind, handelt es sich bei den Streit­fragen hier in der Regel um kom­plexere Sach­verhalte, die ohne eine gewisse Einar­beitung nicht zu ver­stehen, geschweige denn zu bewerten und verständ­lich darzu­stellen sind. Für gründ­liche Recherche zu Themen, die gerade nicht "in" sind und nur eine begrenzte Zahl von Menschen betreffen, fehlen aber offenbar die nötigen Ressourcen.
Schon zu Zeiten der Ausein­ander­setzungen um den Bau der Start­bahn West oder den Ausbau der Kern­energie, in denen auf Befür­worter-Seite auch jeweils schon massiv gelogen und betrogen wurde, gelang es nur par­tiell, ausrei­chend Gegen­öffent­lichkeit herzu­stellen, obwohl dort starke Gegen­bewe­gungen exis­tierten, in denen sehr viele Leute sehr viel Zeit und Energie dafür aufge­bracht haben. Heute steht zwar mit den zuneh­menden Gesund­heits­schäden und der begin­nenden Klima-Kata­strophe noch mehr auf dem Spiel, und die Gegen­argumente sind noch stärker, aber die Bewe­gungen zu schwach, sie zur Wirkung zu bringen.

Bleibt noch die traurige Tatsache zu kommen­tieren, dass unter dem eingangs zitierten Lobby-Pamphlet auch die Unter­schriften von zwei hoch­rangigen Gewerk­schafts­funktio­nären, stell­vertre­tende Vorsit­zende von IG Metall und ver.di, stehen.
Natür­lich passt das nicht zu dem Diskus­sions­stand, der in beiden Gewerk­schaften über die grund­sätz­liche Not­wendig­keit einer sozial-ökolo­gischen Trans­forma­tion hin zu einer sozia­leren und klima­schützenden Wirt­schafts- und Gesellschafts­ordnung bereits erreicht ist. Es macht aber deut­lich, dass die Gewerk­schaften hierzu­lande und heut­zutage nicht die­jenigen sind, die eine solche Trans­formation voran­treiben oder ein­fordern können. Sie sind darin gefangen, die kurz­fristigen ökono­mischen Inter­essen ihrer Mit­glieder zu vertei­digen. Und solange für einen Sektor keine realis­tischen Wege und Mehr­heiten für einen Übergang in eine sozialere Zukunft absehbar sind, werden sie auch einen schlechten Status quo vertei­digen, wenn er zumin­dest Arbeits­plätze und einiger­maßen auskömm­liche Löhne zu erhalten verspricht.
Wenn die Bewegung für eine sozial-ökolo­gische Wende die Gewerk­schaften als Bündnis­partner gewinnen will, wird sie erstens sehr viel stärker werden müssen, und zweitens über­zeugende Konzepte dafür vor­legen müssen, wie ein solcher Wandel sozial gestaltet werden kann. Der Flug­verkehr muss schrumpfen - aber die heute dort Beschäf­tigten brauchen eine Perspek­tive, die ihren sozialen Status mindes­tens sichern, womöglich sogar verbes­sern kann.


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Man sieht nichts davon, aber der Minister und seine Staats­sekre­tärin (und der Rest der Landes­regie­rung und das Landesparlament) müssen spe­zielle Scheu­klap­pen tragen, die es erlau­ben, die Flug­zeuge zu sehen, deren Emis­sionen aber nicht zur Kennt­nis zu nehmen.
Oder - aber das ist ein sehr ketze­rischer Gedanke - die Belas­tungen, die sie erzeugen, sind ihnen schlicht egal.

20.03.2025

Schwarz-rote Luftreinhaltepolitik:

Einfach nicht hinsehen

Bereits vor knapp einem Jahr warnte der BUND Hessen anläss­lich der Veröf­fent­lichung des Luft­hygieni­schen Jahres­kurz­bericht 2023 durch das "Hessi­sche Landes­amt für Natur­schutz, Umwelt und Geologie" HLNUG: "Bedenk­lich ist, dass der schwarz-rote Koali­tions­vertrag das Thema Luft­quali­tät komplett igno­riert".

Damals war die neue Landes­regierung erst einige Wochen im Amt. Nach nun über einem Jahr ist klar: sie igno­riert den Bereich Luft­rein­haltung nicht, sie betrachtet ihn als Stör­faktor, der redu­ziert werden muss.

Finanziell gekürzt werden kann natür­lich am einfach­sten da, wo (noch) keine gesetz­liche Verpflich­tung zum Tätig­werden besteht, und da bietet sich das Thema "Ultra­fein­staub" an.
Bereits im Juli letzten Jahres wurde der noch nicht verge­bene Teil der Studie SOURCE FFR, die seit April 2023 am Flug­hafen Frank­furt durch­geführt wird, auf das poli­tisch gerade noch vertret­bar erschei­nende Maß zusammen­gekürzt, obwohl alle betei­ligten Exper­t*innen eindring­lich gewarnt hatten, dass damit der eigent­liche Zweck der Studie, Aussagen über die gesund­heit­lichen Wirkungen der Partikel­belas­tungen zu machen und damit Grund­lagen für die Entwick­lung von Grenz­werten zu legen, nicht mehr erreicht werden kann.

Nun ist der nächste Schritt bekannt. Versteckt in einer Presse­mittei­lung zu "Ultra­fein­staub­messungen in Kelster­bach", die gerade beendet wurden, teilt das HLNUG mit:

"Ultra­feine Partikel gehören zu den kleinsten Bestand­teilen in der Luft und können tief in die Lunge ein­dringen. Da ihre gesund­heit­lichen Auswir­kungen noch nicht ab­schließend erforscht sind, hat das HLNUG 2017 ein Sonder­mess­programm gestartet. Ziel ist es, den Einfluss des Flug­betriebs auf die Belas­tung der Luft mit ultra­feinen Partikeln an verschie­denen Stand­orten in der Region zu unter­suchen. ... Nun werden die tempo­rären Messungen beendet."
Kennt man inzwi­schen "den Einfluss des Flug­betriebs auf die Belas­tung der Luft mit ultra­feinen Partikeln" hinrei­chend? Natür­lich nicht. Das Programm wird beendet, ohne das Ziel erreicht zu haben, ohne Aussage darüber, welche Fort­setzungen, Erweite­rungen o.ä. es geben soll, was getan werden wird, um das Ziel doch noch zu erreichen.
Die HLNUG-Presse­stelle kritisiert eine Presse­mittei­lung des BBI, die die Kürzungen der Landes­regierung anprangert, als "Fehl­informa­tion", weil die statio­nären Meß­stellen des HLNUG, u.a. die in Raun­heim, weiter arbeiten. Dass diese Meß­stelle aber auch nach fast 10 Jahren Betrieb so wie andere statio­näre Meß­stellen immer noch Teil eines "Sonder­meßpro­gramms" ist, erschließt sich nicht so ohne Weiteres. Wesent­lich ist aber, dass der Weg­fall der "tempo­rären Messungen" eine Einschrän­kung der Erfas­sung der Belas­tungen durch Ultra­fein­stäube dar­stellt und damit die Bekämp­fung dieser Luft­verschmut­zung schwie­riger wird, auch wenn andere Teile dieses "Sonder­meßpro­gramms" noch weiter laufen.

Natür­lich ist der Einfluss des Flug­betriebs auch eine Frage, die der erste Teil des Projekts SOURCE FFR, die Belastungs­studie, beant­worten soll. Bis "Früh­jahr 2025", also demnächst, sollen erste Ergeb­nisse der Bemühungen präsen­tiert werden, die Immis­sionen von ultra­feinen Partikeln in der Rhein-Main-Region zu model­lieren. Eine der spannend­sten Fragen wird sein, inwie­weit die Ergeb­nisse dieser Model­lierung mit den vor Ort gemes­senen Partikel-Konzen­trationen über­einstimmen (was beim Vorgänger-Projekt 2019 nicht der Fall war).
Die bishe­rigen Messungen des HLNUG sollen explizit auch dazu dienen, die SOURCE FFR-Ergeb­nisse zu verifi­zieren, aber von solchen "Prüf­punkten" kann man bei derart komplexen Model­lierungen nie genug haben. In einer Phase, in der die Modell­annahmen über­prüft und ggf. noch modifi­ziert werden können, könnte die Möglich­keit, zusätz­liche Messungen an einigen Stellen durchzu­führen, extrem hilf­reich sein. Ob und inwie­weit diese Möglich­keit jetzt noch besteht, ist ungewiss.

Es gab und gibt immer auch genügend Anlass zur Kritik an den UFP-Meß­program­men des HLNUG, sowohl an den Messungen selbst als auch insbe­sondere an den Auswer­tungen und Inter­preta­tionen der Meß­werte (s. u.a. hier und hier). Dennoch haben sie immer wieder wichtige Informa­tionen zum Ausmaß der Belas­tungen an verschie­denen Stellen im Rhein-Main-Gebiet gelie­fert und sollten daher ergänzt und verbes­sert, aber nicht einge­stellt werden.
Dies umso mehr, als die bereits 2018 begon­nene und Ende 2024 in Kraft getre­tene Novel­lierung der EU-Luft­qualitäts­richt­linie künftig die Über­wachung der UFP-Belas­tung an "Hotspots" wie dem Frank­furter Flug­hafen vor­schreibt. Dass die dort vorge­sehenen Maß­nahmen auch nur ein völlig unzu­reichender erster Schritt sind, ändert nichts daran, dass sie umge­setzt werden müssen.

Was im Bereich UFP eigent­lich getan werden müsste, haben wir schon vor acht Jahren als Forde­rungen aufge­listet. Im Rahmen der Diskus­sionen über die ersten Ergeb­nisse der UBA/HLNUG-Messungen in Raun­heim hatten wir formu­liert:

"Wir halten mindestens folgende Schritte für notwendig:
  1. Der Betreiber des Flug­hafens Frank­furt, die Fraport AG, sollte veran­lasst werden, die Partikel-Anzahl­konzen­tration, Größen­vertei­lung und chemische Struktur der Ultra­feinstaub-Belas­tung in den verschie­denen Bereichen des Flug­hafens, insbe­sondere auf dem Vorfeld und an Anfang und Ende der Start- und Lande­bahnen, konti­nuier­lich zu über­wachen.

  2. Die Hessische Landes­regierung sollte die Meß­station in Raunheim dahin­gehend auf­rüsten, dass dort neben der Anzahl-Kon­zen­tra­tion und der Größen­vertei­lung auch die chemische Struktur der Ultra­fein­stäube gemessen werden kann.
    Gleich­artige Stationen sind auch an anderen Stellen in der näheren Umgebung des Flug­hafens not­wendig, an denen eine starke Belas­tung durch über­fliegende Flug­zeuge, sowohl bei Starts als auch bei Lan­dungen, erwartet werden kann.

  3. Die bisher bekannt gege­benen bzw. angekün­digten Auswer­tungen der vorhan­denen Meß­werte sollten dahin­gehend ergänzt werden, dass Kor­rela­tionen zwischen einzelnen Emis­sions-Ereig­nissen (Über­flügen) und kurz­zeitigen Kon­zen­trations­änderungen darge­stellt werden können.
    Darüber hinaus sollten die bisher vorlie­genden sowie alle künftig erho­benen Meß­werte Dritten zur Auswer­tung zur Verfügung gestellt werden.."
Dass diese Liste immer noch aktuell ist und die darin enthal­tenen Forde­rungen nicht umge­setzt sind, zeigt, in welch schlechtem Zustand die Luft­rein­halte-Politik in Hessen seit Jahren ist. Und dass das nicht nur für Ultra­fein­staub gilt, zeigt ein Vergleich der Luft­belastung in der Rhein-Main-Region mit den Richt­werten der WHO für die wich­tigsten Luft­schad­stoffe, insbe­sondere die Stick­oxide.

Inzwischen ist die Liste natür­lich noch länger geworden und es sind detail­liertere Forde­rungen zu stellen. Insbe­sondere seit bekannt ist, dass sich ultra­feine Partikel aus Flug­zeug-Turbinen von Partikeln aus anderen Quellen chemisch unter­scheiden und möglicher­weise noch toxischer sind, gibt es die dring­ende Forde­rung, diese Frage genauer zu unter­suchen.
Da inzwischen klar ist, dass auch das laufende SOURCE FFR-Projekt diese und viele andere Antworten nicht liefern wird, ist es notwendig, diese Forde­rungen auch wieder stärker an die Verur­sacher und Inverkehr­bringer dieser Belas­tungen, d.h. an den Flug­hafen-Betreiber Fraport und die dort tätigen Airlines, zu richten. Das gilt natür­lich erst recht für Maß­nahmen, die die UFP-Belas­tungen ein Stück weit redu­zieren könnten, wie die Entschwe­felung und die Absen­kung des Aromaten­gehalts im Kerosin. Auch hier hätte die Landes­regierung als Anteils­eigner und Aufsichts­behörde die Pflicht, tätig zu werden und entspre­chende Unter­suchungen einzu­fordern bzw. Umstel­lungen zu verlangen.

Die amtie­rende Landes­regierung zeigt nicht nur keiner­lei Ehrgeiz, tätig zu werden und diese Situation zu verbes­sern. Die vorge­nommenen Kürzungen zeigen im Gegen­teil, dass die Probleme dadurch ange­gangen werden sollen, dass sie aus dem öffent­lichen Bewusst­sein ver­drängt werden, u.a. eben auch dadurch, dass die Daten, die die Probleme beschreiben, nicht mehr erfasst werden.
Und so wie kleine Kinder glauben, dass Bedroh­ungen verschwinden, wenn sie sich die Augen zuhalten, so versuchen diese Politiker, die immer drängender werden Krisen irgendwie zu umgehen, indem sie sie leugnen oder nicht zur Kenntnis nehmen. Sie werden damit genauso erfolg­reich sein, und die Bevölke­rung wird unter den Folgen dieser Krisen umso mehr zu leiden haben, je länger sie braucht, dieses Versagen zu erkennen und die Versager zum Teufel zu jagen.
Dies wäre ein wichtiger erster Schritt, um die Verschmutzer und Profiteure, die Paten des Klimachaos zu entmachten und den Schutz von Gesundheit, Umwelt und Klima wieder in den Mittelpunkt des politischen und wirtschaftlichen Handelns zu rücken.


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03.03.2025

Schwarz-rote Luftverkehrspolitik:

Non-stop in die Klimahölle

Noch ist die CDU/SPD-Koali­tion auf Bundes­ebene, die nach der Bundes­tags­wahl als einzige Mög­lich­keit für eine Regie­rung ohne AfD-Betei­ligung bleibt, nicht gebildet, aber bereits jetzt lässt sich nach­lesen, wie schwarz-rote Luft­verkehrs­politik künftig aus­sehen soll. Aufge­schrieben hat es die hessi­sche Landes­regie­rung in Form eines Antrags, den sie schon am 30. Januar in den Bundes­rat einge­bracht hat.
In seiner Sitzung vom 14.02 hat der Bundes­rat den Antrag wunsch­gemäß an die zustän­digen Aus­schüsse über­wiesen; wann er im Plenum zur Abstim­mung stehen wird, ist noch nicht bekannt.

Die Landes­regierung kann sich für diese Initia­tive natür­lich auf den Koali­tions­vertrag sowie die Landtags­debatte vom Sep­tember letzten Jahres berufen, aber um Demo­kratie und Trans­parenz zu simu­lieren und sich die Gelegen­heit für eine weitere Propa­ganda-Offen­sive nicht ent­gehen zu lassen, durfte der Landtag am 27.02. über einen ganz ähn­lichen Antrag abstimmen, der die Initia­tive "begrüsst".
Die Debatte dazu kann man sich bei der Hessen­schau ansehen und -hören. Viel Interes­santes gibt es da aller­dings nicht. Die Grünen lernen langsam wieder Oppo­sition, sind aber noch ein gutes Stück davon entfernt, die Probleme dieser Politik wirk­lich zu benennen. Tief­punkt der Debatte (neben den AfD-Beiträgen, die immer das unterste Niveau markieren) war die Rede der Staats­sekre­tärin im Wirt­schafts­minis­terium, die mit ideo­logischen Phrasen um sich warf, aber inhalt­lich nichts zu sagen hatte.

Inhalt­lich setzt die Initia­tive im Wesent­lichen das um, was das Propa­ganda-Trommel­feuer der Luft­verkehrs­wirt­schaft seit Monaten fordert, zuletzt knapp zusammen­gefasst in einer Presse­mittei­lung des "Bundes­verbandes der Deutschen Luft­verkehrs­wirt­schaft" BDL. In einigen Punkten geht sie aller­dings noch weiter im Bemühen, Subven­tionen für den Luft­verkehr locker zu machen.

Als Maßnahme zur Kosten­senkung soll die Luft­verkehr­steuer redu­ziert und "in eine ... zweck­gebundene Abgabe zur Finan­zierung des Struktur­wandels im Luft­verkehr" umge­wandelt, also voll­ständig als Subven­tion zurück­gezahlt werden. Darüber hinaus sollen sowohl die Luft­sicher­heits­gebühren (für Passa­gier- und Gepäck­kontrollen etc.) als auch die Flug­siche­rungs­gebühren mindes­tens teil­weise aus Steuer­geldern bezahlt werden.
Die europä­ischen Regeln für den Emissions­handel und die Nutzung sog. nach­haltiger Treib­stoffe (Sustain­able Aviation Fuels, SAF) sollen über­prüft und "wett­bewerbs­neutral umge­staltet", sprich aufge­weicht werden, Produk­tion und Beschaf­fung von SAF sollen durch staat­liche Garan­tien und Bürg­schaften abge­sichert werden.

Über die Forde­rungen der Luft­verkehrs­wirt­schaft hinaus gehen die Vorschläge, wie der selbst verschul­dete Personal­mangel bei Flug­häfen und Flug­gesell­schaften über­wunden werden kann. Dies soll einer­seits durch eine "zeit­nahe Schaf­fung und Umset­zung einer Immi­grations-, Inte­grations- und Beschäf­tigungs­strategie", anderer­seits durch Unter­stützung der "Schaf­fung von Mitar­beiter­wohnungen, bei­spiels­weise durch steuer­liche Begünsti­gungen", erreicht werden.
Letzteres klingt, als solle damit der Fraport-Immo­bilien­sektor, der sich bisher auf Gewerbe-Immo­bilien konzen­triert und nur einige im Rahmen des Casa-Programms in Flörs­heim erworbene Wohnungen verwaltet, hier ein neues Betätigungs­feld erhalten. Für Fraport und Lufthansa Werks­wohnungen zu subven­tionieren statt sozialen Wohnungs­bau generell zu fördern wäre aber in der Tat eine neue Stufe der Dreistig­keit.

Vergleicht man die Inhalte dieser Initia­tive mit den Forde­rungen der Umwelt­verbände zur Entwick­lung des Luft­verkehrs, kann man fest­stellen, dass sie im Wesent­lichen das Gegen­teil dessen sind, was aus Gründen des Gesund­heits-, Umwelt- und Klima-Schutz not­wendig wäre.
Klima­schutz soll statt­dessen dadurch möglich werden, dass genügend Geld verdient wird, um ihn zu finan­zieren. Dass die Luft­verkehrs­wirt­schaft ihre eigenen Klima­ziele trotz üppiger Profite bisher klar verfehlt hat, neue Konzepte wie die noch im letzten Jahr für 2035 angekün­digten Wasser­stoff-Antriebe in die ferne Zukunft ver­schiebt und selbst die Weiter­entwick­lung der konventio­nellen Technik ver­zögert, wird nicht zur Kenntnis genommen.

Die Begrün­dungen, die Landes­regierung und Koalition für diese Initia­tive liefern, sind eben­falls die gleichen, die die Luft­verkehrs­wirt­schaft ständig vorträgt, und keine einzige davon ist wahr.
Selbst altge­diente Luft­fahrt-Lobby­isten kommen beim Blick auf die Zahlen zu dem Ergeb­nis, dass die "Stand­ort-Kosten", also Steuern und Gebühren, auf das geringere Wachs­tum an deutschen Flug­häfen besten­falls einen "geringen Einfluß" haben und die wesent­lichen Faktoren die "Markt­abschot­tung" durch die aggres­sive Wett­bewerbs­politik der Luft­hansa-Gruppe bei gleich­zeitigem "Mangel Perso­nal/Flug­zeuge", durch die die vorhan­dene Nach­frage nicht bedient werden kann, sind.

Die "fehlende Erholung" von den Pan­demie-Ein­brüchen betrifft insbe­sondere den inner­deutschen Luft­verkehr, der nur noch rund die Hälfte der 2019er Zahlen umfasst. Da diese Flüge wohl über­wiegend durch Bahn­fahrten oder Video­konfe­renzen ersetzt wurden, ist das eine klima­politisch ein­deutig positive Entwick­lung, die ausser den Flug­gesell­schaften und den betrof­fenen Flug­häfen niemandem wirt­schaft­lich weh tut.
Auch die angeblich "abnehmende Konnek­tivität" ist ein Mythos. Zum einen brüstet sich Fraport damit, "auch 2024 weltweit führend bei der Hub-Konnek­tivität" gewesen zu sein, zum anderen spielt es auch höchstens für die Touris­mus-Branche eine Rolle, wenn einige Regional­flug­häfen Direkt­verbin­dungen zu touris­tischen Zielen ver­lieren. Und wenn tatsäch­lich wichtige Routen wie die nach Asien von Luft­hansa aus poli­tischen Gründen nicht mehr rentabel beflogen werden können, gibt es Auswege über 'Star Alliance'- und Joint-Venture-Partner.

Die Prota­gonisten dieser Luft­verkehrs-Subven­tionie­rungen wissen das natür­lich alles sehr genau. Sie wissen auch, dass die deutschen Klima­ziele ohne massive Reduk­tion der Emis­sionen im Verkehrs­bereich nicht erreicht werden können. Warum sie trotzdem das Publikum derart dreist belügen und damit die Glaub­würdig­keit ihrer Politik partei­über­greifend weiter ruinie­ren, darüber kann man speku­lieren. Klar wird hier nur einmal mehr: von dieser Art von Politik ist keine Lösung der anstehen­den Probleme zu erwarten. Weder wird dadurch der weitere Anstieg der ohnehin schon unerträg­lichen Belas­tungen durch Lärm und Schad­stoffe im Flug­hafen-Umfeld verhin­dert, noch ergibt sich auch nur die kleinste Perspek­tive, die drohende Klima­kata­strophe doch noch irgend­wie auf ein über­lebbares Maß zu beschränken.
Und wenn, wovon man aus­gehen muss, diese hessische Initia­tive in beiden Parteien abge­stimmt und damit das ist, was auch von einer schwarz-roten Koali­tion auf Bundes­ebene zu erwarten ist, müssen sich alle, die etwas anderes wollen, auf noch schwie­rigere Zeiten ein­stellen. Das Kata­strophen-Wachs­tum soll auch in diesem Jahr weiter­gehen, Militari­sierung und Aufrüs­tung haben Prio­rität gegen­über Klima­schutz und -anpas­sung, die Klima­ziele werden aufge­geben und die Spal­tung der Gesell­schaft weiter getrieben. Blickt man dann noch auf die Vor­gänge in den USA, ist man geneigt, dem italie­nischen Philo­sophen und Kommu­nisten Antonio Gramsci zuzu­stimmen, der 1930 schrieb:

"Das Alte stirbt und das Neue kann nicht zur Welt kommen: Es ist die Zeit der Monster."


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26.01.2025

Bundestagswahl 2025:
eine NGO-Roadmap
"Klimaneutraler Luftverkehr"

Anläss­lich der Bundes­tagswahl am 23. Februar haben fünf NGOs, darunter der Dach­verband der deut­schen Umwelt­verbände, der Deut­sche Natur­schutz­ring DNR, und die bundes­weit tätige Bundes­vereini­gung gegen Flug­lärm BVF mit einer gemein­samen Presse­erklä­rung eine Agenda Klima­neutraler Luft­verkehr vorge­stellt.

Kern­punkte der Agenda sind eine Roadmap Klima­neutraler Luft­verkehr, eine Stra­tegie zur Redu­zierung des Flug­lärms und ein Hand­lungs­konzept zur Verring­erung der Luft­ver­schmut­zung durch den Flug­verkehr, das sich insbe­sondere auf den Ultra­fein­staub konzen­triert.

Die Roadmap Klima­neutraler Luft­verkehr enthält 8 Punkte, die "in dieser Legis­latur­periode dringend auf den Weg gebracht werden" sollten (hier ohne die jewei­ligen Begrün­dungen und Ergän­zungen aufge­listet):

  1. Bundes­regierung und Luft­verkehrs­wirt­schaft treiben gemeinsam den Aufbau einer Infra­struktur zur Erzeu­gung von strom­basierten Kraft­stoffen (Power-to-Liquid-Kerosin) voran, ...
  2. Die Bundes­regierung setzt sich auf EU-Ebene dafür ein, den Emis­sions­handel und die Energie­steuer-Richt­linie zu stärken und weiter­zuent­wickeln.
  3. Die Bundes­regierung entwickelt die natio­nale Luft­verkehr­steuer als wichtiges Instru­ment zur Steuer­gerech­tigkeit zwischen den Verkehrs­trägern weiter.
  4. Um die besonders klima­schäd­lichen Nicht-CO2-Effekte zu mini­mieren, müssen regula­tive Maß­nahmen und finan­zielle Anreize zur Ermög­lichung und Förde­rung klima­optimierter Flug­routen einge­führt werden sowie der Deut­sche Wetter­dienst (DWD) und die Deutsche Flug­siche­rung (DFS) ent­sprechend ertüch­tigt.
  5. Die Höhe der klima­schäd­lichen Subven­tionen des Bundes für den Luft­verkehr in Form von direkten Subven­tionen oder Steuer­erleichte­rungen wird planungs­sicher schritt­weise auf null gesenkt ...
  6. Attrak­tive Bahn­angebote ermög­lichen die Verlage­rung von inner­deutschen und europä­ischen Flügen sowie Flüge von und ins nahe Ausland auf die Bahn ... .
  7. Solange keine aus­reichenden Lösungen für klima­neutrales Fliegen verfügbar sind, muss der Flug­verkehr redu­ziert werden, wo immer möglich.
  8. Die Bundes­regierung setzt sich auf europä­ischer Ebene dafür ein, dass die kosten­lose Zutei­lung der Slots und die Praxis der „Groß­vater­rechte“ (Grand­fathering) abge­schafft werden.
Von diesen acht Forde­rungen betreffen sieben mehr oder weniger weit gehende Reformen bereits vorhan­dener Instru­mente, die auch in anderen Kreisen disku­tiert werden. Ledig­lich Forde­rung 7 fällt aus dem Rahmen: "Redu­zierung des Flug­verkehrs" ist für die gesamte Luft­verkehrs­wirt­schaft und nahezu alle Parteien, die bei dieser Wahl kandi­dieren, natür­lich ein absolutes "No-Go".
Dummer­weise ist diese Forde­rung die einzige, die auch nur halb­wegs geeignet ist, den Luft­verkehr auf einen Kurs zu bringen, der mit den inter­natio­nal verbind­lich beschlos­senen Klima­zielen halb­wegs verein­bar ist. Der Agenda-Text vermeidet es aller­dings, darauf einzu­gehen, welche Ausmaße die notwen­digen Reduzie­rungen, insbe­sondere auch im Mittel- und Lang­strecken­verkehr, haben müssen.

Die Stra­tegie zur Redu­zierung des Flug­lärms soll dazu beitragen, Flug­lärm in Über­einstim­mung mit den Zielen des EU Zero Pollu­tion Action Plan bis 2040 um 30% zu redu­zieren. Dazu werden für die kommende Legis­latur­periode vier Maßnahmen vorge­schlagen:

  1. Eine Novel­lierung des Flug­lärm­schutz­gesetzes sowie der 2. Flug­lärm­schutz­Verord­nung, um den baulichen Schall­schutz für Anwohne­rinnen und Anwohner gemäß den Erkennt­nissen der Lärm­wirkungs­forschung zu erweitern.
  2. Eine Novel­lierung des Luft­verkehrs­gesetzes, um neben der Sicher­heit des Luft­verkehrs gleich­berechtigt die Verpflich­tungen zur Lärm­minderung und zum Klima­schutz zu ver­ankern. ...
  3. Die Verpflich­tung von Flug­häfen, Maß­nahmen zur Redu­zierung des Lärms zu ergreifen, die dem Stand der Technik entsprechen. ...
  4. Ein allge­meines Nacht­flug­verbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr ... .
Diese Forde­rungen kommen einem nur allzu bekannt vor. Bereits im letzten Bundes­tagswahl­kampf hatte die "Arbeits­gemein­schaft Deutscher Flug­lärm­kommis­sionen" ein Papier vorgelegt, in dem diese und weitere Forde­rungen so oder ähnlich enthalten waren. Die dama­lige Reaktion der gewählten "Fort­schritts­koalition" und die seit­herigen Entwick­lungen im aktiven und passiven Schall­schutz und in der Politik bieten keinen Grund zu der Annahme, dass es hier in nächster Zeit voran gehen könnte.

Das Hand­lungs­konzept zur Verring­erung der Luft­ver­schmut­zung ist der schwächste Teil der präsen­tierten Agenda. Zwar wird zurecht hervor­gehoben, dass "ultra­feine Partikel (UFP)" "beson­ders gesund­heits­schäd­lich sind", und mit Bezug darauf werden drei Maß­nahmen gefor­dert:

  1. Die Bundes­regierung setzt sich auf europä­ischer Ebene für einen streng­eren Schwefel-Grenz­wert bei Kerosin von 10 ppm ein, ... . Zusätz­lich begrenzt sie den Anteil der Aromaten so, dass er sich an der unteren Grenze der ASTM-Stan­dards (8%) orien­tiert.
  2. Die Bundes­regierung über­führt die europä­ische Mess­verpflich­tung für UFP zügig in natio­nales Recht und baut eine entspre­chende Mess­infra­struktur auf.
  3. Die Bundes­regierung unter­stützt die Verfüg­barkeit von schwefel- und aromaten­armen Kerosin an deutschen Flug­häfen ...
Das sind richtige und wichtige Forde­rungen. Ob sie aller­dings aus­reichen können, um die UFP-Belas­tung in ausrei­chendem Maß zu senken, ist mehr als nur frag­lich, es ist prak­tisch ausge­schlossen. Uner­wähnt bleiben hier auch alle anderen Schad­stoffe, insbe­sondere die Stick­oxide, bei denen der Flug­verkehr gerade in Ballungs­räumen wie dem Rhein-Main-Gebiet massiv dazu beiträgt, dass die neuen EU-Grenz­werte, die Ende 2024 in Kraft getreten sind, aber immer noch deut­lich hinter den von der WHO empfoh­lenen Richt­werten zurück­bleiben, auf Jahre hinaus nicht einge­halten werden können.

Als Fazit kann man fest­halten: diese "Agenda" ist sehr "real­politisch" geprägt und konzen­triert sich auf das, was beson­ders dring­lich ist und bei gutem Willen auch ohne dras­tische Verände­rungen durch­setzbar wäre. Das ist wichtig und not­wendig besonders vor dem Hinter­grund, dass der allge­meine poli­tische Trend in eine andere Rich­tung geht und die Chancen selbst dafür eher gering sind.
Es darf aller­dings nicht darüber hinweg­täuschen, dass eine Politik, die Gesund­heit und Umwelt wirk­lich schützen und die Klima­kata­strophe soweit wie möglich ein­dämmen wollte, sehr viel weiter­gehendere und drasti­schere Maß­nahmen erfor­dern würde. Poli­tische Kräfte, die so etwas auf dem Programm haben, sind derzeit aller­dings rar und aktuell in Gefahr, im nächsten Bundes­tag nicht mehr ver­treten zu sein.


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05.01.2025

Fraports Neujahrsgeschenk:
die Entgeltordnung 2025

Zum 01.01. ist die neue Fraport Entgelt­ordnung in Kraft ge­treten, die Bestand­teil eines vier­jährigen Entgelt­abkom­men zwischen Fraport und den auf FRA aktiven Flug­gesell­schaften ist.

Zum Umfang der Erhöh­ungen führt Fraport aus: "Für 2025 werden die Flug­hafen­entgelte durch­schnitt­lich um 5,7 Prozent steigen. ... In den Jahren 2026 bis ein­schließ­lich 2028 fallen die Entgelt­anpas­sungen von Jahr zu Jahr geringer aus. Im Durch­schnitt wird der Anstieg in den nächsten vier Jahren bei knapp vier Prozent pro Jahr liegen."
Sie legt auch grossen Wert darauf zu betonen, dass das Ab­kommen bzw. die Entgelt­ordnung "gemein­sam mit unseren Air­line-Kunden ... erar­beitet" wurde, d.h. also das Stan­dard-Ge­jammer über die "ständig steigen­den Stand­ort­kosten" hier höchs­tens noch von denje­nigen kommen wird, die (wie Chef-Jammerer Ryanair) derzeit nicht auf FRA aktiv sind.

Über die Entstehung dieser Entgelt­ordnung, und was daran falsch ist, kann man noch einiges aus den beiden Stel­lung­nahmen der Flug­lärm­kommis­sion vom August und vom Dezem­ber letzten Jahres lernen.
Wir wollen uns hier auf zwei für die Bevölke­rung im Umland des Flug­hafens be­sonders interes­sante Punkte konzen­trieren: die lärm- und emis­sions-abhäng­igen Teile der Entgelte und das neue Anreiz-Programm für mehr Flug­verkehr, genannt "Inter­kont-Incen­tive".


Die Entgelte

Die Lande- und Start-Entgelte enthalten neben den auf die maximale Start­masse (Maximum Take-Off Mass, MTOM) und die Passa­gier­anzahl und Fracht­menge bezo­genen Kom­po­nen­ten auch eine lärm­abhängige, "mit Fest­beträgen pro Lärm­kate­gorie" berech­nete, und eine emis­sions-abhängige Kompo­nente. Für erstere gibt es noch "in Anleh­nung an den inter­natio­nalen Standard „Noise Rating Index“" Rabatte, wenn sie in einem oder meh­reren der drei Krite­rien der ICAO-Lärm­kate­gorien bessere Werte zeigen.

Für die emis­sions­abhängige Kompo­nente hat sich im Vergleich zur Entgelt­ordnung 2024 nicht viel geändert, pro "Kilo­gramm Stick­oxid­äqui­valent" sind 3,90€ statt bisher 3,69€ zu zahlen. Die Berech­nungs­formel ist relativ komplex, aber man darf annehmen, dass die meisten Flug­gesell­schaften den Unter­schied kaum bemerken werden.
Die Erhöhung der lärm­abhängigen Kompo­nente bewegt sich in dem in der Fraport-PM angekün­digten Rahmen (5,7%), etwa gleich über alle Kate­gorien hinweg. Das bedeutet natür­lich auch, dass in den Kate­gorien, die die Arbeits­pferde der meisten Airlines ent­halten, Auf­schläge im einstel­ligen oder nied­rigen zwei­stelligen Euro-Bereich fällig werden, während Kate­gorie 16 um schwindel­erregende 1.555,82€ (von 27.295,11 auf 28.850,93€) teurer wird. Dummer­weise ist die als Einzige in dieser Kategorie enthal­tene Antonov 124 in Frank­furt seit Jahren nicht mehr gesehen worden.

Weiter­hin gibt es noch die sog. Lärm­zuschläge "zur Finan­zierung der Maß­nahmen­programme", womit die Schall­schutz­maß­nahmen gemeint sind, zu denen Fraport verpflich­tet wurde, sowie das Dach­siche­rungs­pro­gramm zum Schutz vor Wirbel­schleppen, das in Flörs­heim und Raun­heim umge­setzt wurde. Hier gibt es keine Verände­rungen: pro Bewe­gung (Start oder Landung) werden in den rele­vanten Kate­gorien Beträge zwischen 1,50 und 18,75€ fällig, zusätz­lich beim Start 24 Cent pro Passa­gier und bei Start und Landung 4 Cent pro 100 kg Fracht.
Eine Erhöhung wäre wohl auch kaum zu recht­fertigen, denn beim Schall­schutz ist Fraport bisher sehr billig wegge­kommen, und auch das Dach­siche­rungs­programm wurde derart abstos­send ausge­staltet, dass fast die Hälfte der Anspruchs­berech­tigten es garnicht ange­nommen hat bzw. nicht um­setzen konnte. Bei beiden sind kaum noch Folge­kosten absehbar.
Würde Fraport gezwungen, in diesen Bereichen das tatsäch­lich Notwen­dige zu finan­zieren, müssten sie die genannten Beiträge wohl ver­hundert­fachen, aber ein poli­tischer Wille dazu ist nirgendwo in Sicht.

Die Flug­lärm­kommis­sion hatte in ihrer August-Stellung­nahme zu den Entgelten vier schon länger erhobene Kern­forde­rungen formu­liert:

Der lärm­abhängige Entgelt­anteil liegt derzeit unter 15%, und die nächt­lichen Zuschläge bei 65% für die gesetz­liche und 300% für die Media­tions-Nacht.

In der Dezember-Stellung­nahme macht die FLK deutlich, dass Fraport offen­sicht­lich bei der Aushand­lung des Entgelt­abkommens erheb­liche Zuge­ständ­nisse gemacht und die durch­schnitt­liche Erhöhung von ursprüng­lich 8,5% auf 5.7% abge­senkt hat. Zusätz­lich wurde bei den Passa­gier­entgelten eine zusätz­liche Förde­rung einge­baut, durch die Airlines, die durch­schnitt­lich mindestens zweimal am Tag von FRA starten und ganz­jährig eine hohe Aus­lastung ihrer Flug­zeuge (>90%) erreichen, eine Erstat­tung in Höhe von 15€ für alle Passa­giere ober­halb einer "Kappungs­grenze" erhalten.
Das ist einer­seits ein Anreiz für bereits auf FRA aktive Airlines, die Frequenz zu erhöhen ("mind. 2mal pro Tag"), anderer­seits ist eine Auslas­tung über 90% ein Krite­rium, das insbe­sondere Billig­flieger in aller Regel leicht erreichen. Es wäre nicht erstaun­lich, wenn z.B. Ryanair nochmal nach­rechnen würde, ob sich damit eine Nutzung von Terminal 3 ab nächstem Jahr lohnen könnte.


Das "Interkont-Incentive"-Programm

Anreiz­programme zur Steige­rung des Betriebs auf FRA gab es in den letzten Jahren fast immer, und sie waren mehr oder weniger umstritten. Insbe­sondere das Incen­tive-Programm 2017, das Ryanair für ein paar Jahre nach FRA gelockt hat, sorgte vielfach für Streit. Das Programm, das im letzten Jahr galt, war dagegen ver­gleichs­weise zurück­haltend: da sollte ein even­tueller Überschuss-Betrag, der über die vorher kalku­lierten Entgelt-Ein­nahmen hinaus­ging, zur Hälfte an die Flug­gesell­schaften zurück­gezahlt werden, die 2024 mehr geflogen sind als im Vorjahr.
Im kommenden Jahr wird das anders. Schon der Programm-Name deutet an, worum es geht: "Das Inter­kont-Incen­tive hat zum Ziel, die Steige­rung des Passa­gier­volumens im Inter­konti­nental-Verkehr gegenüber dem Jahr 2024 ... zu fördern. Insbe­sondere die Hub-Funktion in Frank­furt soll dadurch weiter gestärkt und ausgebaut werden."

Unab­hängig vom Jahres-Gesamt­ergebnis will Fraport für jeden zusätz­lichen Passa­gier zahlen, den eine Flug­gesell­schaft über das "normale" Wachstum gegen­über dem Vorjahr hinaus befördert, sofern sie 2025 insge­samt mehr als 7.500 Passa­giere beför­dert hat. Das ist keine hohe Zahl, sie kann z.B. mit nur einem gut besetzten Flug pro Woche während des Sommer­flug­plans erreicht werden.
Im Detail gibt es dann noch Differen­zierungen. Für Originär­passa­giere, die den Flug in Frank­furt beginnen, wird ein "normales" Wachstum von 3,8% voraus­gesetzt, für jeden zusätz­lichen Passa­gier gibt es 15,00€. Für Transit- und Transfer-Passa­giere, die in Frank­furt umsteigen, braucht es nur 1,3% Wachstum, es gibt aber auch nur 7,50€. Für Airlines, die 2025 neu nach Frank­furt kommen, gilt jeder Passa­gier als "zusätz­liches Wachstum".

Es mag zunächst positiv erscheinen, dass mit diesem Programm Kurz- und Mittel­strecken-Verkehrs nicht mehr geför­dert werden, aber erstens profi­tieren diese Bereiche ja von der Anreiz-Regelung bei den Passa­gier-Ent­gelten, und zweitens werden durch die deut­lich niedri­geren Gebühren für Transfer- und Transit-Passa­giere gegen­über den­jenigen Passa­gieren, die ihre Reise in Frank­furt beginnen, Kurz­strecken-Zubringer­flüge gegen­über klima­freund­licheren Anreise­möglich­keiten z.B. mit der Bahn in einer Weise bevor­zugt, die schon lange als beson­derer Skandal ange­prangert wird. Dieser Unter­schied wird aber durch die neue Entgelt­ordnung sogar noch verstärkt.
Das Urteil der FLK fällt entspre­chend auch kurz und knapp aus: "Die Kommis­sion lehnt jeg­liches finan­zielle Anreiz­system (Incen­tive-Pro­gramm) für die Schaf­fung von Mehr­verkehr am Stand­ort Frank­furt ab", weil dadurch "künst­lich Verkehrs­bedarfe am Stand­ort Frank­furt finan­ziell unter­stützt und damit teil­weise erst gene­riert" werden.

Mit der Orien­tierung auf Inter­konti­nental­flüge befindet sich Fraport aller­dings in voller Über­ein­stimmung mit der Landes­regierung, deren zustän­diger Minister im September letzten Jahres stolz verkün­dete, dass er es als seinen Auftrag sieht, die Hub-Funktion, die grund­sätz­lich "nicht etwa an einen bestimm­ten Stand­ort gebun­den ist", in Frank­furt zu halten.
Das macht den Skandal aber nur noch grösser. Zum einen ist der Inter­konti­nental-Verkehr der klima­schäd­lichste Bereich des Luft­verkehrs, nicht nur, weil er den grössten Teil des Treib­stoffs verbraucht, sondern auch, weil die Klima­effekte durch Kondens­streifen hier in der Regel noch stärker sind als bei kürzeren Strecken. Natür­lich gibt es bei Inter­konti­nental­verbin­dungen oft keine brauch­bare Alter­native zum Flug­verkehr, aber trotz­dem ist es ange­sichts der Klima­kata­strophe dringend not­wendig, ihn auf das absolut unver­zichtbare Maß zu beschränken. Hier noch künst­lich Bedarf erzeugen zu wollen, ist absolut unver­antwort­lich.

Zum anderen ist es ebenso unver­antwort­lich, eine Region, die ohnehin über die gesund­heit­lichen Grenzen hinaus mit Lärm und Schad­stoffen belastet ist, aus reinen Profit­gründen mit einer Aktivi­tät zu belasten, die ebenso­gut anderswo abge­wickelt werden könnte. Die von der Welt­gesund­heits­organi­sation WHO empfoh­lenen Richt­werte für Lärm, Stick­oxide und andere Belas­tungen werden in Rhein-Main drastisch über­schritten, jede Steige­rung dieser Belas­tungen führt zu noch mehr Krank­heits­fällen und Verlust an Lebens­qualität.
Dass ein Hub, der zu zwei Dritteln touris­tische Flüge abwickelt, damit der Region derart rele­vante Vor­teile bringen würde, dass diese Schäden auch nur wirt­schaft­lich gerecht­fertigt werden könnten, hat noch niemand glaub­würdig begrün­den können.

Dass Fraport als Aktien­gesell­schaft nach den Prin­zipien dieses Wirt­schafts­systems handelt und auf gesell­schaft­liche Verant­wortung zugunsten des Profits pfeift, muss wohl als normal betrachtet werden. Dass die Landes­regierung und alle im Land­tag vertre­tenen Parteien diesen Kurs massiv unter­stützen, ist zwar auch keine Über­raschung, muss aber trotz­dem als Skandal ange­prangert werden, insbe­sondere, da sie im laufenden Wahl­kampf andere Töne an­schlagen und versuchen, ihre Politik als sozial und umwelt­freundlich zu verkaufen. Ihre Praxis macht mehr als deutlich, was davon zu halten ist.


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